Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2014 - 4 StR 228/14

bei uns veröffentlicht am15.07.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 2 2 8 / 1 4
vom
15. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 11. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrecht erhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nöti- gung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer „Gesamtfreiheitsstrafe“ von zwei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatri- schen Krankenhaus angeordnet. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der Angeklagte befindet sich seit dem 27. September 1995 ohne Unterbrechung im Maßregelvollzug nach § 63 StGB. Anlass für die Maßregelanordnung waren mehrere im Zustand nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit (langjährige sexuelle Fehlentwicklung bei emotional instabiler Persönlichkeit) begangene Sexualstraftaten (exhibitionistische Handlungen, sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle Nötigung).
4
Am 11. Dezember 2011 gegen 13.20 Uhr wurde der Angeklagte während eines Einzelausgangs am Ortsrand von U. auf die allein zum dortigen Bahnhaltepunkt laufende J. G. aufmerksam. Er entschloss sich, die Gelegenheit zu nutzen und J. G. sexuell zu missbrauchen. Da er nicht erkannt werden wollte, zog er sich eine Stoffmaske über den Kopf und näherte sich J. G. von hinten an. Nachdem er seine Hose geöffnet und sein Glied herausgeholt hatte, legte er der völlig überraschten Geschädigten plötzlich von hinten den linken Unterarm um den Hals und drückte so fest zu, dass sie nur schlecht Luft bekam. Als J. G. daraufhin um Hilfe schrie und den Griff zu lösen versuchte, hielt sie der Angeklagte weiter fest. Um den Widerstand der Geschädigten zu brechen, legte er sodann seine linke Hand auf ihre rechte Gesichtshälfte und zog ihren Kopf mit einer ruckartigen Bewegung heftig nach links. J. G. hörte deutliche Knirschgeräusche aus ihrer Halswirbelsäule , verspürte heftige Schmerzen und ging zu Boden. Dabei löste sich ihre Zahnbrücke und fiel aus dem Mund. Aus Angst um ihr Leben rief sie erneut laut um Hilfe. Da der Angeklagte nun fürchtete, die geplante Tat nicht mehr unentdeckt zu Ende führen zu können, ließ er von der Geschädigten ab und entfernte sich. J. G. erlitt mehrere Kratzspuren und ein Hämatom am Hals. Sie hatte ca. eine Woche Schmerzen beim Schlucken und bei der Palpation des Kehlkopfs.
5
Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte an einer Störung der Sexualpräferenz im Sinne eines Exhibitionismus (ICD-10: F60.8) sowie einer schweren Persönlichkeitsstörung mit erheblicher Selbstwertproblematik, Selbstunsicherheit und Dependenz (ICD-10: F60.8) leide und deshalb von einer „erheblichen Minderung“ der Steuerungs- fähigkeit gemäß § 21 StGB infolge einer schweren anderen seelischen Abartigkeit auszugehen sei (UA 18). Aufgrund der schweren Störung werde er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig „Sexualstraftaten mit Verbrechens- charakter“ begehen (UA 20).
6
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Eine Maßregel nach § 63StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Tz. 6). Davon ist das Landgericht zwar ausgegangen. Seine Annahme, der Angeklagte habe an einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB gelitten, findet aber in den Urteilsgründen keine ausreichende Stütze.
7
a) Folgt der Tatrichter – wie hier – dem Gutachten eines Sachverständigen , muss er im Urteil die tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen wie auch die gezogenen Schlüsse so vollständig wiedergeben, als dies zum Ver- ständnis des Gutachtens und seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 397/08, NStZ-RR 2009, 45; Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 92 f. mwN).
8
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Zu der Annahme, der Angeklagte leide neben einer Störung der Sexualpräferenz im Sinne eines Exhibitionismus (ICD-10: F65.2) auch an einer schweren Persönlichkeitsstörung mit erheblicher Selbstwertproblematik, Selbstunsicherheit und Dependenz (ICD-10: F60.8) teilt das Landgericht lediglich mit, dass sich diese „schwere Persönlichkeitsstörung“ durch Unsicherheit, Unreife, geringe soziale Kompetenz und eine dissoziale Entwicklung auszeichne (UA 17). Auf welchen tatsächlichen Grundlagen dieses für zutreffend gehaltene – an klinischen Kategorien orientierte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310) – Urteil des Sachverständigen be- ruht, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Soweit in diesem Zusam- menhang auf die Erfolglosigkeit jahrelanger Therapien, „Vorkommnisse“ in der Vergangenheit, eine rasche Rückfälligkeit nach Vollzugslockerungen, Exhibitio- nieren vor eigenen Therapeuten und Annäherungsversuche, „zuletzt gegenüber der Arbeitstherapeutin in L. “, abgehoben wird, fehlt jede phänomengebundene Darstellung der zugrunde liegenden Sachverhalte. Die Mitteilung, dass bereits verschiedene Vorgutachter bei dem Angeklagten vergleichbare Persönlichkeitsdefizite festgestellt haben, kann die an dieser Stelle notwendigen Darlegungen nicht ersetzten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 5 StR 168/14, Rn. 6).
9
3. Da eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht sicher ausgeschlossen werden kann, hebt der Senat auch den Schuldspruch und die Strafe auf.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können jedoch bestehen bleiben.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2014 - 4 StR 228/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2014 - 4 StR 228/14

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2014 - 4 StR 228/14 zitiert 4 §§.

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 520/12
vom
16. Januar 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Beschuldigten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB getroffen. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersicht- lichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen beleidigte der allein im Haus seiner verstorbe- nen Eltern wohnende Beschuldigte zwei Nachbarinnen, indem er sie als „fette Sau“ (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und „Fezerhure“ (Fall II. 2der Urteilsgründe) bezeichnete. Einen Tag nach dem letztgenannten Vorfall rannte er vor seinem Wohnanwesen brüllend auf den Postzusteller H. zu, als dieser ihm die Post bringen wollte. Dabei war der Beschuldigte mit einem Brotmesser (Klingenlänge 10 cm) „bewaffnet“. Der Zeuge H. ergriff aus Angst vor Verletzungen die Flucht. Als der Beschuldigte zu seinem Haus zurückging, blieb der Zeuge H. stehen und wartete einen Augenblick. Daraufhin setzte der Beschuldigte „erneut zum Angriff an“ und lief wieder brüllend auf den Zeugen H. zu. Dieser eilte nun endgültig davon und sah von einer Postzustellung bei dem Beschuldigten ab (Fall II. 3 der Urteilsgründe). Etwa 90 Minuten nach diesem Vorfall warf der Beschuldigte „einen festen Gegenstand ähnlich einem Kürbis“ gegen den Autoreifen eines fahrenden Fahrzeugs. Anschließend verfolgte er die mit ihrem Fahrrad vorbeifahrende 15-jährige Schülerin C. K. . Dabei schrie er: „Du Hure, ich bring dich um, wenn ich dich erwische“. C. K. hatte deshalb Angst um ihr Leben und beschleunigte ihre Fahrt. Als der Beschuldigte seinerseits von einem eingreifenden Nachbarn angeschrien wurde, ließ er von C. K. ab. C. K. war aufgrund dieses Vorfalls fünf Tage krankgeschrieben und litt noch zwei Wochen unter Schlafstörungen. Sie hat auch weiterhin mit Alpträumen zu kämpfen und befindet sich deshalb in psychologischer Behandlung (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Etwa vier Wochen später befuhr der Beschuldigte mit seinem Pkw der Marke Opel Corsa die rechte Fahrspur der Bundesautobahn A 8. Als er einen vor ihm fahrenden Lkw unter Benutzung der Standspur rechts überholen wollte und dazu bereits auf die Standspur ausgeschert war, erkannte er ein hinter ihm fahrendes Polizeifahrzeug und ordnete sich wieder auf der rechten Fahrspur ein. Die Polizeibeamten wollten den Beschuldigten daraufhin einer Kontrolle unterziehen. Sie setzten sich deshalb mit ihrem Dienstfahrzeug vor den Pkw des Beschuldigten und forderten ihn mit dem Anhaltestab zum Anhalten auf. Dieser Aufforderung kam der Beschuldigte bewusst nicht nach und fuhr stattdessen über die mittlere auf die linke Fahrspur. Die Polizeibeamten setzten ihr Dienstfahrzeug nun erneut vor den Pkw des Beschuldigten und blendeten auf der Signalanlage die Anordnung „Bitte Folgen“ ein. Der Beschuldigte lenkte sein Fahrzeug nun „ruckartig“ nach rechts und hielt auf der Standspur an. Nachdem die Polizeibeamten ihr Dienstfahrzeug etwa 100 Meter vor dem Pkw des Beschuldigten zum Stehen gebracht hatten, setzten sie auf der Standspur zurück. Währenddessen fuhr der Beschuldigte unvermittelt los und scherte von der Standspur auf die rechte Fahrspur ein, ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten. Dabei ging es ihm allein darum, sich der Kontrolle durch die Polizeibeamten zu entziehen. Der Fahrer eines auf der rechten Fahrspur herannahenden Sattelzuges konnte einen Unfall nur noch durch ein ruckartiges Ausweichmanöver auf die mittlere Fahrspur vermeiden, auf der sich zu diesem Zeitpunkt kein Fahrzeug befand. Anschließend fuhr der Beschuldigte mit 60 bis 70 km/h zur nächsten Tankstelle. Bei der dort durchgeführten Kontrolle musste er von den Polizeibeamten gefesselt werden, weil er aggressiv wurde und eine bedrohliche Haltung einnahm (Fall II. 5 der Urteilsgründe ).
3
Das Landgericht hat das Verhalten des Beschuldigten als Beleidigung in zwei Fällen (§ 185 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung (§§ 185, 241 StGB) und vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB) gewertet. Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit und der Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose hat sich das Landgericht dem angehörten Sachverständigen Dr. M. angeschlossen. Danach leide der Beschuldigte an einer schizoaffektiven Störung mit manischen Zügen. Er sei nicht in der Lage, Situationen richtig einzuschätzen und sich anzupassen. Der Beschuldigte zeige einen gesteigerten Antrieb, sei umtriebig und leicht reizbar. Die paranoide Komponente seiner Erkrankung sei stets handlungsleitend. Bei ihm bestehe ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber sämtlichen Behörden und seiner Umgebungswelt. Nach seiner eigenen Wahrnehmung drangsaliere nicht er seine Nachbarschaft, sondern diese ihn. Es sei beabsichtigt , ihn aus seinem Haus zu vertreiben. Die Polizei ermittle stets zu seinem Nachteil. Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei deshalb zur Tatzeit sicher erheblich eingeschränkt und möglicherweise sogar vollständig aufgehoben gewesen (UA 11). Da dem Beschuldigten die Krankheitseinsicht fehle, müsse damit gerechnet werden, dass er nach seiner Entlassung aus dem psy- chiatrischen Krankenhaus die Medikation absetzen und auf ein „Krankheitslevel“ wie zum Zeitpunkt der Anlasstaten zurücksinken werde. Es sei daher wahrscheinlich, dass der Beschuldigte aufgrund seiner Erkrankung auch in Zukunft den Anlasstaten ähnliche Taten begehen werde. Es bestehe daher die Gefahr der Fremdgefährdung, was nicht zuletzt im Fall der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung (Fall II. 5 der Urteilsgründe) ersichtlich geworden sei. Sowohl diese, als auch die mit einem Brotmesser zum Nachteil des Postzustellers begangene Tat (Fall II. 3 der Urteilsgründe) seien als erheblich einzustufen. Für die Gefährlichkeitsprognose spreche weiter, dass die überraschenden Angriffe des Beschuldigten neben den angeführten Fällen auch im Fall der Fahrradfahrerin C. K. (Fall II. 4 der Urteilsgründe) gegen Zufallsopfer gerichtet gewesen seien (UA 13). Auch hätten Zeugen in der Haupt- verhandlung über weitere – nie zur Anzeige gebrachte – Vorfälle mit erheblichem Gefahrenpotential (Werfen eines unbekannten Gegenstandes gegen einen Pkw, Werfen einer Flasche in Richtung einer Nachbarin) berichtet (UA 14). Eine Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung sei aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht des Beschuldigten und seiner sozialen Situation nicht möglich (UA 14 f).

II.


4
Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt.
5
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198; Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232). Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (BGH, Beschluss vom 29. August 2012 – 4 StR 205/12, NStZ-RR 2012, 367; Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 27).
6
Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass der Beschuldigte an einer schizoaffektiven Störung mit manischen Zügen leide, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 8; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 8). Die Urteilsgründe beschränken sich auf eine Mitteilung der Diagnose und knappe – allgemein gehaltene – Ausführungen über bei dem Beschuldigten beobachtete Auffälligkeiten. Dass es sich hierbei um zeitstabile Beeinträchtigungen seines psychischen Zustandes handelt, wird nicht aufgezeigt. Die mitgeteilte stationäre Unterbringung des Be- schuldigten wegen „psychischer Auffälligkeiten“ im Jahr 1993 (UA 3) ist insoweit ohne Aussagekraft, weil sich nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Bezug zu der diagnostizierten schizoaffektiven Störung nicht herstellen lässt.
7
2. Auch die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10; Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, Rn. 8; Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).
9
Diesen Maßstäben werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Eine die Biographie des Beschuldigten und seine Krankheitsgeschichte in den Blick nehmende Gesamtwürdigung wurde nicht erkennbar vorgenommen. Dabei hätte Berücksichtigung finden müssen, dass der inzwischen 42 Jahre alte Beschuldigte nur in den Jahren 2002 und 2005 strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Eine zweijährige Bewährungszeit vermochte er durchzustehen und im Jahr 2007 einen Straferlass zu erreichen (UA 4). Der länger währenden Straffreiheit des Beschuldigten käme jedenfalls dann eine prognosegünstige Bedeutung zu, wenn bei ihm in diesen Zeiträumen bereits die diagnostizierte schizoaffektive Störung vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2012 – 5 StR 295/12, NStZ-RR 2012, 366, 367; Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199). Ob dies der Fall gewesen ist, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Auch wäre das Landgericht gehalten gewesen, näher auf die Schwere und den bisherigen Verlauf der angenommenen schizoaffektiven Störung einzugehen. Derartige Erkrankungen ver- laufen phasenhaft, wobei es zu Zeiten vollständiger Remission kommen kann, in denen keine psychischen Beeinträchtigungen zu beobachten sind (Hoff/Sass in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, S. 84 f.; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 181 f.; MüllerIsberner /Venzlaff in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 181 f.). Es hätte daher näherer Darlegung bedurft, mit welcher Häufigkeit es in der Vergangenheit bei dem Beschuldigten zu Krankheitsphasen gekommen ist und welche prognoserelevanten Schlüsse daraus zu ziehen sind.

III.


10
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten und die Maßregel nach den §§ 69, 69a StGB können bestehen bleiben. Sollte der neue Tatrichter – was nahe liegt – wieder zu der Annahme gelangen, dass der Beschuldigte bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines andauernden psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Begehung dieser Taten auf dem angenommenen Defekt beruhte, wird bei der Prüfung der Gefährlichkeit auch die Todesdrohung (§ 241 StGB) zum Nachteil der Zeugin C. K. (Fall II. 4 der Urteilsgründe) als erhebliche rechtswidrige Tat im Sinne des § 63 StGB gewertet werden können (vgl.
BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 271).
Roggenbuck Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
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Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 31. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ferner wurden Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB getroffen. Die auf den Maßregelausspruch nach § 63 StGB beschränkte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.

I.


2
Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einer im Jahr 2007 manifest gewordenen paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Zudem besteht bei ihm ein schädlicher Gebrauch von Alkohol.
3
Am Nachmittag des 6. November 2011 gegen 16.50 Uhr riss der Angeklagte auf dem Parkplatz eines Supermarktes die Fahrertür eines dort abgestellten Pkw BMW 330 CICP auf und sagte zu dem in seinem Fahrzeug sitzenden Zeugen F. und dessen Freundin, der Zeugin M. , in bestimmtem Ton: „Aussteigen“. Da der Angeklagte beide Hände in den Taschen seiner Jacke stecken hatte, befürchteten die Zeugen, dass er eine Waffe bei sich führe und verließen das Fahrzeug. Der erheblich alkoholisierte Angeklagte nahm auf dem Fahrersitz Platz und fuhr davon. Den Pkw des Zeugen F. wollte er für sich behalten, weil es sein „Traumauto“ war. Aufgrund der sofort eingeleiteten Fahndung wurde das entwendete Fahrzeug mit dem Angeklagten am Steuer schon nach kurzer Zeit von zwei Polizeistreifen auf einer öffentlichen Straße entdeckt. Während der anschließenden Verfolgungsfahrt missachtete der Angeklagte wiederholt Anhalteaufforderungen der ihm mit Blaulicht und Martinshorn nachfahrenden Polizeibeamten und vereitelte mehrere Überholversuche, indem er mit dem von ihm gesteuerten Pkw nach links oder rechts zog. Nachdem es dem Polizeibeamten S. doch gelungen war, sich mit seinem Fahrzeug vor den Angeklagten zu setzen, unternahm dieser nun seinerseits mehrere erfolglose Überholmanöver. Schließlich musste er auf einem Gehweg anhalten. Der Aufforderung zum Aussteigen kam der Angeklagte erst nach einem Warnschuss nach. Eine ihm um 18.35 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,51 Promille auf.
4
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Diebstahl (§ 242 StGB) in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) gewertet. Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit und der Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose hat sich das Landgericht dem angehörten Sachverständigen angeschlossen. Danach „scheine“ bei dem Angeklagten neben dem Alko- holkonsum ein psychotisches Erleben mit Fremdbeeinflussungsgedanken („mein Vater ist Luzifer und mein Vater hat gesagt, ich solle das Auto entwenden“ ) im Rahmen seiner schizophrenen Erkrankung im Vordergrund gestanden zu haben. Die Intensität der Beeinträchtigung sei zu den Tatzeitpunkten so ausgeprägt gewesen, dass eine erheblich eingeschränkte Handlungs- und Steuerungsfähigkeit angenommen werden müsse. Eine vollständig aufgehobene Einsichts- und Steuerungsfähigkeit könne nicht ausgeschlossen werden, wenn man davon ausgehe, dass die dokumentierten Fremdbeeinflussungserlebnisse wirksam gewesen seien (UA 8). Die Prognose des Angeklagten müsse als ungünstig bezeichnet werden, weil seine Krankheitseinsicht und seine Therapiewilligkeit erheblichen Schwankungen unterworfen seien. Bei einer sofortigen Entlassung sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Angeklagte seine Medikamente erneut absetzt und dadurch in psychotische Zustände gerät, in denen er – möglicherweise in suizidaler Absicht – Straftaten der vorliegenden Art begehen könnte. Das Landgericht geht davon aus, dass die Anlassdelikte „von erheblichem Gewicht“ waren. Insbesondere sei der Dieb- stahl in seiner Begehungsform einem Raub angenähert gewesen (UA 9).

II.


5
Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt.
6
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198; Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232).
7
Die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Psychose führt nicht zwangsläufig zu der Feststellung einer generellen oder über längere Zeiträume andauernden gesicherten Beeinträchtigung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit. Es ist daher stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; Beschluss vom 3. Juli 1991 – 3 StR 69/91, NStZ 1991, 527, 528).
8
Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass bei dem Angeklagten ein auf seiner Schizophrenie beruhendes psychotisches Erleben mit Fremdbeeinflussungsgedanken im Vordergrund gestanden habe, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht wiedergegeben, sodass eine Überprüfung nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 8). Das in diesem Zusammenhang mitgeteilte Wahnerleben („mein Vater ist Luzifer und mein Vater hat gesagt, ich solle das Auto entwenden“) ist mit dem festgestellten Motiv für den Diebstahl des Pkw („Traumauto“) unvereinbar. Da dieser Beweggrund offenkundig nicht in einem Zusammenhang mit der Grunderkrankung des Angeklagten steht, sind die Feststellungen des Landgerichts an dieser Stelle mehrdeutig. Konkrete Ausführungen zu der Frage, wie sich die psychische Erkrankung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten während der anschließenden Trunkenheitsfahrt und der Polizeiflucht ausgewirkt hat, fehlen ganz. Schließlich war es auch rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht mit dem Sachverständigen eine gleichzeitige Aufhebung der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit für möglich gehalten hat (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 8; Beschluss vom 9. September 1986 – 4 StR 470/86, BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1).
9
2. Auch die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZRR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, Rn. 8; Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).
11
Diesen Maßstäben werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Das Landgericht hat keine die Biographie des Angeklagten und seine Krankheitsgeschichte in den Blick nehmende Gesamtwürdigung vorgenommen. In diesem Zusammenhang hätte erörtert werden müssen, dass der Angeklagte bereits seit dem Jahr 2007 manifest erkrankt ist, ohne strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199). Die Wertung des Landgerichts, wonach sämtliche Anlassdelikte von einem erheblichen Gewicht waren, wird durch die festgestellten Tatumstände nicht belegt. Eine vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB kann nicht ohne weiteres der mittleren Kriminalität zugeordnet werden (vgl. MK-StGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 55). Sie ist erst bei einer zu erwartenden besonderen Häufung oder bei außergewöhnlichen – hier nicht festgestellten – Tatumständen erheblich. Der festgestellte Widerstand hat zu keiner Zeit zu einer Gefährdung der eingesetzten Polizeibeamten geführt und war daher ebenfalls nicht als eine schwere Störung des Rechtsfriedens anzusehen.

III.


12
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
1. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht der Aufhebung des Freispruchs nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben , hindert das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle einer Unterbringung nunmehr eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dadurch soll vermieden werden, dass die erfolgreiche Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führt, dass eine Tat, die wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB nicht zu einer Bestrafung geführt hat, ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war (BT-Drs. 16/1344, S. 17). Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Revisionsgericht in diesen Fällen nicht nur die auf rechtsfehlerhaften Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhende Maßregelanordnung, sondern auch den hierauf gestützten Freispruch aufhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 11; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 3 StR 369/09, Rn. 9).
14
2. Die Beschränkung der Revision des Angeklagten auf die Maßregelanordnung ist unwirksam, weil die Unterbringung nach § 63 StGB und der auf § 20 StGB gestützte Freispruch gleichermaßen von der Bewertung der Schuldfähigkeit abhängen und deshalb zwischen beiden Entscheidungen aus sachlichrechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Da nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr eine Bestrafung des Angeklagten möglich ist, wenn sich seine Schuldfähigkeit herausstellen sollte, lässt sich die Wirksamkeit einer isolierten Anfechtung der Maßregelanordnung nicht mehr mit der Erwägung rechtfertigen, dass aufgrund des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) unabhängig von der Bewertung der Schuldfrage in jedem Fall wieder auf Freispruch erkannt werden müsste (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1953 – 3 StR 620/53, BGHSt 5, 267, 268). Der Senat braucht an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO eine isolierte Anfechtung der Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auch dann hindert, wenn die den Freispruch tragende Schuldunfähigkeit des Angeklagten feststeht und nur die der Maßregelanordnung zugrunde liegende Gefährlichkeitsprognose zu überprüfen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 1963 – 5 StR 13/63, NJW 1963, 1414, 1415).
Mutzbauer Cierniak Franke
Quentin Reiter

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 520/12
vom
16. Januar 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Beschuldigten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB getroffen. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersicht- lichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen beleidigte der allein im Haus seiner verstorbe- nen Eltern wohnende Beschuldigte zwei Nachbarinnen, indem er sie als „fette Sau“ (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und „Fezerhure“ (Fall II. 2der Urteilsgründe) bezeichnete. Einen Tag nach dem letztgenannten Vorfall rannte er vor seinem Wohnanwesen brüllend auf den Postzusteller H. zu, als dieser ihm die Post bringen wollte. Dabei war der Beschuldigte mit einem Brotmesser (Klingenlänge 10 cm) „bewaffnet“. Der Zeuge H. ergriff aus Angst vor Verletzungen die Flucht. Als der Beschuldigte zu seinem Haus zurückging, blieb der Zeuge H. stehen und wartete einen Augenblick. Daraufhin setzte der Beschuldigte „erneut zum Angriff an“ und lief wieder brüllend auf den Zeugen H. zu. Dieser eilte nun endgültig davon und sah von einer Postzustellung bei dem Beschuldigten ab (Fall II. 3 der Urteilsgründe). Etwa 90 Minuten nach diesem Vorfall warf der Beschuldigte „einen festen Gegenstand ähnlich einem Kürbis“ gegen den Autoreifen eines fahrenden Fahrzeugs. Anschließend verfolgte er die mit ihrem Fahrrad vorbeifahrende 15-jährige Schülerin C. K. . Dabei schrie er: „Du Hure, ich bring dich um, wenn ich dich erwische“. C. K. hatte deshalb Angst um ihr Leben und beschleunigte ihre Fahrt. Als der Beschuldigte seinerseits von einem eingreifenden Nachbarn angeschrien wurde, ließ er von C. K. ab. C. K. war aufgrund dieses Vorfalls fünf Tage krankgeschrieben und litt noch zwei Wochen unter Schlafstörungen. Sie hat auch weiterhin mit Alpträumen zu kämpfen und befindet sich deshalb in psychologischer Behandlung (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Etwa vier Wochen später befuhr der Beschuldigte mit seinem Pkw der Marke Opel Corsa die rechte Fahrspur der Bundesautobahn A 8. Als er einen vor ihm fahrenden Lkw unter Benutzung der Standspur rechts überholen wollte und dazu bereits auf die Standspur ausgeschert war, erkannte er ein hinter ihm fahrendes Polizeifahrzeug und ordnete sich wieder auf der rechten Fahrspur ein. Die Polizeibeamten wollten den Beschuldigten daraufhin einer Kontrolle unterziehen. Sie setzten sich deshalb mit ihrem Dienstfahrzeug vor den Pkw des Beschuldigten und forderten ihn mit dem Anhaltestab zum Anhalten auf. Dieser Aufforderung kam der Beschuldigte bewusst nicht nach und fuhr stattdessen über die mittlere auf die linke Fahrspur. Die Polizeibeamten setzten ihr Dienstfahrzeug nun erneut vor den Pkw des Beschuldigten und blendeten auf der Signalanlage die Anordnung „Bitte Folgen“ ein. Der Beschuldigte lenkte sein Fahrzeug nun „ruckartig“ nach rechts und hielt auf der Standspur an. Nachdem die Polizeibeamten ihr Dienstfahrzeug etwa 100 Meter vor dem Pkw des Beschuldigten zum Stehen gebracht hatten, setzten sie auf der Standspur zurück. Währenddessen fuhr der Beschuldigte unvermittelt los und scherte von der Standspur auf die rechte Fahrspur ein, ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten. Dabei ging es ihm allein darum, sich der Kontrolle durch die Polizeibeamten zu entziehen. Der Fahrer eines auf der rechten Fahrspur herannahenden Sattelzuges konnte einen Unfall nur noch durch ein ruckartiges Ausweichmanöver auf die mittlere Fahrspur vermeiden, auf der sich zu diesem Zeitpunkt kein Fahrzeug befand. Anschließend fuhr der Beschuldigte mit 60 bis 70 km/h zur nächsten Tankstelle. Bei der dort durchgeführten Kontrolle musste er von den Polizeibeamten gefesselt werden, weil er aggressiv wurde und eine bedrohliche Haltung einnahm (Fall II. 5 der Urteilsgründe ).
3
Das Landgericht hat das Verhalten des Beschuldigten als Beleidigung in zwei Fällen (§ 185 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung (§§ 185, 241 StGB) und vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB) gewertet. Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit und der Einschätzung der Gefährlichkeitsprognose hat sich das Landgericht dem angehörten Sachverständigen Dr. M. angeschlossen. Danach leide der Beschuldigte an einer schizoaffektiven Störung mit manischen Zügen. Er sei nicht in der Lage, Situationen richtig einzuschätzen und sich anzupassen. Der Beschuldigte zeige einen gesteigerten Antrieb, sei umtriebig und leicht reizbar. Die paranoide Komponente seiner Erkrankung sei stets handlungsleitend. Bei ihm bestehe ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber sämtlichen Behörden und seiner Umgebungswelt. Nach seiner eigenen Wahrnehmung drangsaliere nicht er seine Nachbarschaft, sondern diese ihn. Es sei beabsichtigt , ihn aus seinem Haus zu vertreiben. Die Polizei ermittle stets zu seinem Nachteil. Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei deshalb zur Tatzeit sicher erheblich eingeschränkt und möglicherweise sogar vollständig aufgehoben gewesen (UA 11). Da dem Beschuldigten die Krankheitseinsicht fehle, müsse damit gerechnet werden, dass er nach seiner Entlassung aus dem psy- chiatrischen Krankenhaus die Medikation absetzen und auf ein „Krankheitslevel“ wie zum Zeitpunkt der Anlasstaten zurücksinken werde. Es sei daher wahrscheinlich, dass der Beschuldigte aufgrund seiner Erkrankung auch in Zukunft den Anlasstaten ähnliche Taten begehen werde. Es bestehe daher die Gefahr der Fremdgefährdung, was nicht zuletzt im Fall der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung (Fall II. 5 der Urteilsgründe) ersichtlich geworden sei. Sowohl diese, als auch die mit einem Brotmesser zum Nachteil des Postzustellers begangene Tat (Fall II. 3 der Urteilsgründe) seien als erheblich einzustufen. Für die Gefährlichkeitsprognose spreche weiter, dass die überraschenden Angriffe des Beschuldigten neben den angeführten Fällen auch im Fall der Fahrradfahrerin C. K. (Fall II. 4 der Urteilsgründe) gegen Zufallsopfer gerichtet gewesen seien (UA 13). Auch hätten Zeugen in der Haupt- verhandlung über weitere – nie zur Anzeige gebrachte – Vorfälle mit erheblichem Gefahrenpotential (Werfen eines unbekannten Gegenstandes gegen einen Pkw, Werfen einer Flasche in Richtung einer Nachbarin) berichtet (UA 14). Eine Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung sei aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht des Beschuldigten und seiner sozialen Situation nicht möglich (UA 14 f).

II.


4
Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt.
5
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198; Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232). Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (BGH, Beschluss vom 29. August 2012 – 4 StR 205/12, NStZ-RR 2012, 367; Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 27).
6
Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen davon ausgeht, dass der Beschuldigte an einer schizoaffektiven Störung mit manischen Zügen leide, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 8; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Rn. 8). Die Urteilsgründe beschränken sich auf eine Mitteilung der Diagnose und knappe – allgemein gehaltene – Ausführungen über bei dem Beschuldigten beobachtete Auffälligkeiten. Dass es sich hierbei um zeitstabile Beeinträchtigungen seines psychischen Zustandes handelt, wird nicht aufgezeigt. Die mitgeteilte stationäre Unterbringung des Be- schuldigten wegen „psychischer Auffälligkeiten“ im Jahr 1993 (UA 3) ist insoweit ohne Aussagekraft, weil sich nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Bezug zu der diagnostizierten schizoaffektiven Störung nicht herstellen lässt.
7
2. Auch die Gefährlichkeitsprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10; Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, Rn. 8; Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73, 74).
9
Diesen Maßstäben werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Eine die Biographie des Beschuldigten und seine Krankheitsgeschichte in den Blick nehmende Gesamtwürdigung wurde nicht erkennbar vorgenommen. Dabei hätte Berücksichtigung finden müssen, dass der inzwischen 42 Jahre alte Beschuldigte nur in den Jahren 2002 und 2005 strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Eine zweijährige Bewährungszeit vermochte er durchzustehen und im Jahr 2007 einen Straferlass zu erreichen (UA 4). Der länger währenden Straffreiheit des Beschuldigten käme jedenfalls dann eine prognosegünstige Bedeutung zu, wenn bei ihm in diesen Zeiträumen bereits die diagnostizierte schizoaffektive Störung vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2012 – 5 StR 295/12, NStZ-RR 2012, 366, 367; Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199). Ob dies der Fall gewesen ist, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Auch wäre das Landgericht gehalten gewesen, näher auf die Schwere und den bisherigen Verlauf der angenommenen schizoaffektiven Störung einzugehen. Derartige Erkrankungen ver- laufen phasenhaft, wobei es zu Zeiten vollständiger Remission kommen kann, in denen keine psychischen Beeinträchtigungen zu beobachten sind (Hoff/Sass in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, S. 84 f.; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 181 f.; MüllerIsberner /Venzlaff in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 181 f.). Es hätte daher näherer Darlegung bedurft, mit welcher Häufigkeit es in der Vergangenheit bei dem Beschuldigten zu Krankheitsphasen gekommen ist und welche prognoserelevanten Schlüsse daraus zu ziehen sind.

III.


10
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten und die Maßregel nach den §§ 69, 69a StGB können bestehen bleiben. Sollte der neue Tatrichter – was nahe liegt – wieder zu der Annahme gelangen, dass der Beschuldigte bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines andauernden psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Begehung dieser Taten auf dem angenommenen Defekt beruhte, wird bei der Prüfung der Gefährlichkeit auch die Todesdrohung (§ 241 StGB) zum Nachteil der Zeugin C. K. (Fall II. 4 der Urteilsgründe) als erhebliche rechtswidrige Tat im Sinne des § 63 StGB gewertet werden können (vgl.
BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 271).
Roggenbuck Cierniak Franke
Bender Quentin
5 StR 397/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Oktober 2008
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. März 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten; insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten hat hinsichtlich der Maßregelanordnung Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts biss der schuldunfähige Beschuldigte seinem Betreuer bei einem Streit ein Stück vom Ohr ab.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
4
„1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Hergang der Tat können bestehen bleiben.
5
2. Die Unterbringungsentscheidung hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt unter anderem die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat weder ausreichend dargelegt, dass der Beschuldigte schuldunfähig war, noch ausreichend dessen Gefährlichkeit begründet.
6
a) Wenn sich der Tatrichter − wie hier − darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen , muss er dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2008 − 5 StR 599/07 −; BGH NStZ 2003, 307 f.; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die Kammer hat sich auf die Wiedergabe von pauschalen Wertungen beschränkt, ohne diese inhaltlich zu konkretisieren. Das gilt auch, wenn man die Feststellungen des Landgerichts zur Person des Beschuldigten und zur Vorgeschichte des Vorfalls einbezieht. So teilt das Landgericht bei der Darstellung der persönlichen Verhältnisse mit, dass die beim Beschuldigten bestehenden querulatorischen Züge seit 1997 das Vollbild einer chronofizierten, unkorrigierbaren wahnhaften Störung im Sinne eines Querulantenwahns erreicht haben (UA S. 4). Der Arzt des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Berlin-Lichtenberg habe 1998 eine hochgradige , schizoide Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert diagnostiziert (UA S. 5). In der Beweiswürdigung nennt das Landgericht unter Hinweis auf das Sachverständigengutachten eine „wahnhafte Störung“ als Grund für den Ausschluss der Steuerungsfähigkeit. Die genannten („Vielzahl“) nervenärztlichen Gutachten, die die Sachverständige für ihr Gutachten herangezogen habe, werden nicht näher dargestellt (UA S. 17). Die vereinzelten Hinweise der Kammer zu (wahnhaften) Vorstellungen und Verhaltensauffälligkeiten sind nicht ausreichend. Ein ausdrückliches Eingehen auf das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten wäre hier auch deshalb von Nöten gewesen , weil die Urteilsgründe nicht deutlich machen, ob die vom Tatgericht angenommene Wahnsymptomatik auf eine endogene Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie und der Zustand damit tatsächlich unter die „krankhafte seelische Störung“ einzuordnen ist − was naheliegt − oder ob die Paranoia des Beschuldigten zu den „schweren anderen seelischen Abartigkeiten“ im Sinne des § 20 StGB gehört (vgl. BGH NStZ 1997, 335 f.).

7
b) Angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht hinreichend begründet. Auch hier ist es der Sachverständigen gefolgt und hat lediglich ausgeführt , dass es aufgrund des verfestigten Wahnerlebens sicher zu erwarten sei, dass der Beschuldigte auch in Zukunft in Konflikte mit Stellen oder Personen geraten werde, die einen Aufbau von affektiven Spannungen begründen und zu Eskalationen führen werden (UA S. 21, 22). Es fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der Beschuldigte nach dem Vorfall am 4. Mai 2004 erst wieder im Januar 2007 auffällig geworden ist, als es ihm während des bestehenden Betreuungsverhältnisses nicht mehr möglich war, Bargeld von seinem Konto abzuheben, und er gegen seinen Betreuer tätlich wurde. Ferner verhielt sich der Beschuldigte in den sechs Monaten zwischen dem Angriff auf seinen Betreuer und der vorläufigen Unterbringung am 19. Juli 2007 [vollzogen ab 24. August 2007] unauffällig. Hinzu kommt, dass das Landgericht auch die Gründe des Beschlusses des Amtsgerichts Lichtenberg vom 10. April 2007 (UA S. 5), mit dem die Betreuungsanordnung aufgehoben wurde, nicht erörtert.“
8
Dem schließt sich der Senat an.
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 494/12
vom
19. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 24. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe wegen Raubes verurteilt worden ist,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Raub (Fall II. 6 der Urteilsgründe), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Diebstahl (Fall II. 1 der Urteilsgründe), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 2 der Urteilsgründe), wegen Raubes in drei Fällen (Fälle II. 3, 4 und 7 der Urteils- gründe) und wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen (Fälle II. 5 und 8 der Urteilsgründe) schuldig gesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Von der Verhängung einer Jugendstrafe hat es nach § 5 Abs. 3 JGG abgesehen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen hatte der bei den jeweiligen Taten 17 Jahre alte Angeklagte den Wunsch, sich Designerkleidung kaufen zu können, um nicht hinter seinen Freunden zurückstehen zu müssen. Da er nicht über die hierfür erforderlichen Geldmittel verfügte, entschloss er sich, Frauen, die in den späten Nachmittags- oder Abendstunden allein unterwegs waren, bis zu ihren Wohnungen zu verfolgen und dort zu überfallen, um Bargeld oder sonstige Wertgegenstände an sich zu bringen. Von einem Überfall der Frauen in ihren Wohnungen versprach er sich größere Beute, weil er dort über die in den Handtaschen mitgeführten Bargeldbeträge und Wertsachen hinaus weiteres Bargeld und weitere Wertgegenstände vermutete. In Ausführung dieses Entschlusses verfolgte und überfiel der Angeklagte in der Zeit vom 25. September 2011 bis zum 28. Dezember 2011 acht Frauen. Im ersten Fall versuchte der Angeklagte aufgrund eines spontan gefassten Entschlusses die 39 Jahre alte P. G. , der er zuvor bis in ihre Wohnung gefolgt war, gewaltsam zurDuldung des vaginalen Geschlechtsverkehrs zu zwingen. Nachdem er mit seinem Vorhaben gescheitert war, ejakulierte er auf ihren nackten Körper und entwendete 100 Euro (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Im zweiten Fall griff der Angeklagte die Verlagskauffrau S. B. im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses an und nahm sie in einen Würgegriff. Dabei betastete er sein Opfer über der Kleidung an den Brüsten und im Schambereich. Durch den Angriff erlitt S. B. eine blutende Wunde im Nasenbereich (Fall II. 2 der Urteilsgründe). Im dritten Fall versuchte der Angeklagte die zuvor von ihm verfolgte 59 Jahre alte Kunstlehrerin B. K. in ihre Wohnung zu drücken, als sie deren Tür aufschließen wollte. Bei dem anschließenden Gerangel im Treppenhaus entriss der Angeklagte B. K. „mit Gewalt“ deren Tasche, in der er Bargeld vermutete und flüchtete. In der Tasche befanden sich eine Blockflöte, BallerinaSchuhe , ein Ringbuch, Textmarker und eine Schachtel mit Aufklebern. Vier Tage nach diesem Vorfall entriss der Angeklagte der 73 Jahre alten Rentnerin I. Ka. deren Einkaufstasche, nachdem er sie bis in das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses verfolgt hatte. In der Tasche befanden sich Bargeld, ein Handy und diverse Ausweise (Fall II. 4 der Urteilsgründe). Weitere vier Tage später verschaffte sich der Angeklagte unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung der 84 Jahre alten Pensionärin M. U. . Aufgrund eines spontanen Entschlusses riss er M. U. die Kleidung vom Körper und warf sie auf ihr Bett. Anschließend setzte er sich mit erigiertem Penis rittlings auf sie und versuchte mit ihr gewaltsam den vaginalen Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Nachdem ihm dies nicht gelungen war, weil M. U. zwei künstliche Hüftgelenke hatte und deshalb ihre Beine nicht spreizen konnte, verlangte der Angeklagte erfolglos die Ausübung des Handverkehrs. Schließlich entwendete er aus der Wohnung 75 Euro, wobei er die Angst seines Opfers vor weiteren Gewalttätigkeiten für sich ausnutzte (Fall II. 6 der Urteilsgründe). Nachdem der Angeklagte am 4. Dezember 2012 bei der Verfolgung einer älteren Frau von Polizeibeamten gestellt, erkennungsdienstlich behandelt und als Beschuldigter vernommen worden war, stieß er am 20. Dezember 2012 die zuvor von ihm verfolgte 68 Jahre alte Rentnerin M.
Sch. in den Flur ihrer Wohnung, als sie deren Tür öffnete. Anschließend entriss er ihr die Handtasche, in der sich 290 Euro, eine Kreditkarte und ein Mobiltelefon befanden (Fall II. 7 der Urteilsgründe). In zwei weiteren Fällen scheiterte der Angeklagte bei dem Versuch, gewaltsam in die Wohnungen zuvor verfolgter Frauen einzudringen (Fälle II. 5 und 8 der Urteilsgründe).

II.


3
Die Verurteilung wegen vollendeten Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) im Fall II. 3 der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen.
4
Ein vollendeter Raub gemäß § 249 Abs. 1 StGB läge nur dann vor, wenn sich der Angeklagte die seinem Opfer entrissene Tasche und die darin befindlichen Sachen zueignen wollte. Nimmt der Täter – wie hier der Angeklagte – ein Behältnis nur deshalb an sich, weil er darin Bargeld vermutet, das er für sich behalten will, eignet er sich das Behältnis nicht zu (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 – 3 StR 425/09, NStZ-RR 2010, 75; Beschluss vom 8. September 2009 – 4 StR 354/09, NStZ-RR 2010, 48; Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 65/06, NStZ 2006, 686, 687; Beschluss vom 31. Oktober 1986 – 3 StR 470/86, StV 1987, 245). Befinden sich in dem Behältnis anstatt des erwarteten Bargeldes andere Gegenstände, die der Täter aufgrund eines neuen Entschlusses für sich behält, liegt darin lediglich eine Unterschlagung (§ 246 StGB), die neben den auch weiterhin nur versuchten Raub tritt (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 41b). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch weitere zur Annahme eines vollendeten Raubes oder einer Unterschlagung führende Feststellungen getroffen werden können, hat der Senat den Schuldspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht auf versuchten Raub abgeändert , sondern insgesamt aufgehoben.

III.


5
Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargelegt hat. Dadurch verliert auch die auf § 5 Abs. 3 JGG gestützte Entscheidung zum Absehen von der Verhängung einer Jugendstrafe ihre Grundlage.
6
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Tz. 6; Beschluss vom 25. September 2003 – 4 StR 316/03, NStZ-RR 2004, 38; Beschluss vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232). Davon ist das Landgericht zwar ausgegangen. Seine Erwägungen zum Vorliegen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB und einer daraus resultierenden erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) weisen jedoch durchgreifende Rechtsfehler auf.
7
a) Der vom Landgericht angehörte psychiatrische Sachverständige hat ausgeführt, bei dem durchschnittlich intelligenten und nicht an einer krankhaften seelischen Störung leidenden Angeklagten liege eine schizoide Persönlich- keitsstörung mit Krankheitswert (ICD-10 F 60.1) vor. Diese Störung äußere sich bei den Betroffenen in massiven Auffälligkeiten in der Emotionalität und im zwischenmenschlichen Kontakt. Der Angeklagte erfülle wesentliche Kriterien die- ses Krankheitsbildes, weil er „Anteile“ von Distanziertheit, emotionaler Kühle und flacher Affektivität aufweise und nur über geringe empathische Fähigkeiten verfüge. Bei ihm bestehe ein Mangel, warme oder zärtliche Gefühle, aber auch Ärger gegenüber anderen zu zeigen, wenn er sich nicht unter einen entsprechenden emotionalen Druck gesetzt fühle (UA 25). Auch könne es zu „raptus- artigen“ Impulsdurchbrüchen kommen, wie sich insbesondere bei den Taten zum Nachteil der Geschädigten G. und U. (Fälle II. 1 und 6 der Urteilsgründe ) gezeigt habe. Bei dem Angeklagten handele es sich um einen distanzierten und in sich gekehrten Menschen, dem diese Seite seiner Persönlichkeit krankheitsbedingt nicht bewusst sei (UA 26). Bei ihm müsse deshalb von einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB ausgegangen werden, die in den jeweiligen Tatsituationen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei gleichzeitig vorhandener Einsichtsfähigkeit geführt habe (§ 21 StGB). Dem hat sich das Landgericht angeschlossen (UA 28).
8
b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht mit dem Sachverständigen rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass die Diagnose einer schizoiden Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert gemäß ICD-10 F 60.1 ohne weitere wertende Erwägungen zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß § 20 StGB führt. Zudem fehlt es an der erforderlichen tatbezogenen Beurteilung der durch die festgestellte Störung hervorgerufenen Verminderung der Steuerungsfähigkeit.
9
aa) Die in den gebräuchlichen Klassifikationssystemen DSM-IV und ICD-10 zusammengefassten diagnostischen Kategorien sind keine psychiatrischen Äquivalente zu den Eingangsmerkmalen des § 20 StGB. Sie erfassen lediglich die klinischen Attribute des Zustandsbildes des Betroffenen und sind eine Richtlinie zur Unterstützung des daran anknüpfenden – dem Sachverständigen obliegenden – klinischen Urteils (Saß/Wittichen/Zaudich/Houben, Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – Textrevision – DSM-IV-TR, 2003, S. 980 ff.). Auch wenn sich die gelisteten Kategorien bestimmten gesetzlichen Merkmalen zuordnen lassen (vgl. Rasch, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 52 ff.), sagt daher die Vergabe einer entsprechenden Diagnose durch den psychiatrischen Sachverständigen noch nichts über die forensische Bewertung des psychischen Zustands des Betroffenen aus (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2005 – 4 StR 532/04, NStZ-RR 2005, 137, 138; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52; Beschluss vom 14. Juli 1999 – 3 StR 160/99, BGHR StGB § 63 Zustand 34; Nedopil, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 127; Maatz, FPPK 2007, 147, 149; Winkler/Förster, NStZ 1999, 126, 127; Kröber/Dannhorn, NStZ 1998, 80, 81; Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit , S. 13). Ihr kann lediglich entnommen werden, dass es sich um eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung handelt, mit der sich der Tatrichter bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung im Hinblick auf ihren Schweregrad und ihre Tatrelevanz auseinandersetzen muss (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 54; Beschluss vom 19. März 1992 – 4 StR 43/92, NStZ 1992, 380; Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57, 58).
10
Ob eine von dem Sachverständigen diagnostizierte schizoide Persönlichkeitsstörung gemäß ICD-10 F 60.1 und DSM-IV 301.20 die Voraussetzun- gen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfüllt, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter wertend zu entscheiden hat (BGH, Urteil vom 14. April 1999 – 3 StR 45/99, NStZ 1999, 395). Dabei kommt es maßgebend auf den Ausprägungsgrad der Störung und ihren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Betroffenen an. Hierfür ist die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten Verhaltensmuster zu untersuchen und mit den Folgen von psychotischen oder ähnlichen pathologischen Zuständen zu vergleichen, die als krankhafte seelische Störung anerkannt sind (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; vgl. Beschluss vom 18. Januar 2005 – 4 StR 532/04, NStZ-RR 2005, 137, 138; Beschluss vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Beschluss vom 26. Juli 2000 – 2 StR 278/00, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 35; Beschluss vom 14. Juli 1999 – 3 StR 160/99, BGHR StGB § 63 Zustand 34; Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, S. 44). In diesem Zusammenhang ist es von wesentlicher Bedeutung, ob es infolge der die Persönlichkeitsstörung begründenden Verhaltens- und Erlebnisbesonderheiten auch im Alltag außerhalb der angeklagten Delikte zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist. Erst wenn sich das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als „schwere andere seelische Abartigkeit“ angesehen werden (BGH,Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.).
11
Eine diesen Vorgaben entsprechende Bewertung der „Schwere“ der an- genommenen schizoiden Persönlichkeitsstörung hat das Landgericht nicht erkennbar vorgenommen. Die von dem Sachverständigen übernommene und auf eine Äquivalenz mit krankhaften seelischen Störungen hindeutende formelhafte Wendung „mit Krankheitswert“ ist ohne Aussagekraft (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 38), weil die zugrunde liegenden Wertungen nicht offengelegt werden. Sie kann die an dieser Stelle erforderliche umfassende Darlegung daher nicht ersetzen. Soweit davon die Rede ist, dass die Persönlichkeit des Angeklagten „Anteile“ von Distanziertheit, emotionaler Kühle und flacher Affektivität aufweise und er nur über geringe empathische Fähigkeiten verfüge, fehlt es an der gebotenen Darstellung der hiermit verbundenen Auswirkungen auf das alltägliche Leben und den Werdegang des Angeklagten. Gleiches gilt für die pauschale Beschreibung des Angeklagten als distanzierten und in sich gekehrten Menschen. Ob es infolge der festgestellten Auffälligkeiten bei dem Angeklagten zu zeitlich stabilen und gewichtigen Beeinträchtigungen der sozialen Kompetenz gekommen ist, kann den Urteilsgründen auch im Übrigen nicht entnommen werden. Die getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten (Schulbesuch, gute Einbindung in eine große Familie mit übernommener Vorbildfunktion für jüngere Geschwister, eine geringfügige Vorahndung wegen Diebstahls, intensiver Mannschaftssport, Freundeskreis etc.) geben keine Hinweise auf eine gravierende Einschränkung der sozialen Anpassungsfähigkeit.
12
bb) Auch die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit bei der Tat infolge der festgestellten „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, hat der Tatrichter ohne Bindung an die Äußerungen des Sachverständigen wertend zu beantworten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 2 StR 383/09, NStZ-RR 2010, 73, 74; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53; Urteil vom 26. April 1955 – 5 StR 86/55, BGHSt 8, 113, 124; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 21 Rn. 7 mwN) und in den Urteilsgründen darzulegen. Wird die Annahme einer anderen schweren seelischen Abartigkeit aus dem Vorliegen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung hergeleitet, bedarf es dabei einer erkennbaren Abgrenzung gegenüber Verhaltensweisen, die sich noch innerhalb der Bandbreite menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein können, ohne dass sie die Schuldfähigkeit „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB berühren (BGH, Beschluss vom 25. September 2003 – 4 StR 316/03, NStZ-RR 2004, 38, 39). Auch insoweit fehlt es an ausreichenden Darlegungen. Nach den Feststellungen beging der Angeklagte sämtliche Taten, um sich Geld für den Kauf von Designerbekleidung zu verschaffen. Warum sich in dieser Tatmotivation die geschilderten Auffälligkeiten widerspiegeln, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
13
2. Die Aufhebung des Maßregelausspruchs hat aufgrund des bestehenden inneren Zusammenhangs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1997 – 4 StR 581/97, StV 1998, 342, 343) auch die Aufhebung der Entscheidung nach § 5 Abs. 3 JGG zur Folge.
14
Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB allein auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben, hindert das Schlechterstellungsverbot den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dies gilt nach § 2 Abs. 2 JGG auch im Jugendverfahren (Diemer/Schatz/Sonnen,JGG, 6. Aufl., § 55 Rn. 50). Hat der erste Tatrichter wegen der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 5 Abs. 3 JGG von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen, ist dem neuen Tatrichter die Verhängung einer an die Stelle der Unterbringungsanordnung tretenden Jugendstrafe aber nur dann möglich, wenn auf die Revision des Angeklagten mit dem rechtsfehlerhaften Maßregelausspruch auch die Entscheidung nach § 5 Abs. 3 JGG in Wegfall kommt. Die Rechtslage unterscheidet sich hier nicht durchgreifend von den bereits mehrfach entschiedenen Fällen, in denen auf die erfolgreiche Revision eines wegen Schuldunfähigkeit freigesprochenen, aber nach § 63 StGB untergebrachten Angeklagten auch der Freispruch aufzuheben ist, um dem neuen Tatrichter die durch § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO eröffnete Möglichkeit einer Bestrafung zu erhalten, wenn sich nunmehr die Schuldfähigkeit des Angeklagten herausstellen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Tz. 13; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 229/10, Tz. 11; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 3 StR 369/09, Tz. 9). Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nur die letztgenannte Fallkonstellation vor Augen hatte (vgl. BT-Drs. 16/1344, S. 17; Schneider, NStZ 2008, 68, 73), stellt eine Anwendung dieser Vorschrift nicht in Frage. Erklärtes Ziel der Regelung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es, die nicht hinnehmbare Konsequenz zu vermeiden, dass eine Straftat nur deshalb ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, weil nach dem durch eine erfolgreiche Revision des Angeklagten bewirkten Wegfall der alleinigen Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Art der Rechtsfolgen aufgrund des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 1 Satz 1 StPO) nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten verändert werden darf (vgl. BT-Drs. 16/1344, S. 17). Dem entspricht auch der hier zu entscheidende Fall.
RiBGH Dr. Mutzbauer ist Roggenbuck Franke urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Roggenbuck
Quentin Reiter
6
Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leide, findet in den Urteilsgründen keine Stütze. Das Urteil teilt schon nicht mit, ob es damit der Diagnose des eher beiläufig erwähnten Sachverständigen folgt. Es werden auch keinerlei Anknüpfungs- und Befundtatsachen des Sachverständigen wiedergegeben, die es dem Senat ermöglichen würden, die gestellte Diagnose nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 397/08, NStZ-RR 2009, 45; Urteil vom 19. Februar 2008 – 5 StR 599/07). Daran ändert der Umstand nichts, dass der Angeklagte mit ähnlichen Diagnosen bereits mehrfach stationär psychiatrisch behandelt wurde. Schließlich ist auch zu besorgen, dass das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung gemäß ICD-10: F 61 führe ohne weiteres zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB. Denn das Urteil nimmt insoweit keinerlei wertende Betrachtung des Schweregrads der Störung und ihrer Tatrelevanz vor (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 6 Rn. 9 mwN).