Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - 5 StR 397/08

bei uns veröffentlicht am28.10.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 397/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. Oktober 2008
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. März 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten; insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten hat hinsichtlich der Maßregelanordnung Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts biss der schuldunfähige Beschuldigte seinem Betreuer bei einem Streit ein Stück vom Ohr ab.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
4
„1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Hergang der Tat können bestehen bleiben.
5
2. Die Unterbringungsentscheidung hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt unter anderem die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat weder ausreichend dargelegt, dass der Beschuldigte schuldunfähig war, noch ausreichend dessen Gefährlichkeit begründet.
6
a) Wenn sich der Tatrichter − wie hier − darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen , muss er dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2008 − 5 StR 599/07 −; BGH NStZ 2003, 307 f.; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die Kammer hat sich auf die Wiedergabe von pauschalen Wertungen beschränkt, ohne diese inhaltlich zu konkretisieren. Das gilt auch, wenn man die Feststellungen des Landgerichts zur Person des Beschuldigten und zur Vorgeschichte des Vorfalls einbezieht. So teilt das Landgericht bei der Darstellung der persönlichen Verhältnisse mit, dass die beim Beschuldigten bestehenden querulatorischen Züge seit 1997 das Vollbild einer chronofizierten, unkorrigierbaren wahnhaften Störung im Sinne eines Querulantenwahns erreicht haben (UA S. 4). Der Arzt des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Berlin-Lichtenberg habe 1998 eine hochgradige , schizoide Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert diagnostiziert (UA S. 5). In der Beweiswürdigung nennt das Landgericht unter Hinweis auf das Sachverständigengutachten eine „wahnhafte Störung“ als Grund für den Ausschluss der Steuerungsfähigkeit. Die genannten („Vielzahl“) nervenärztlichen Gutachten, die die Sachverständige für ihr Gutachten herangezogen habe, werden nicht näher dargestellt (UA S. 17). Die vereinzelten Hinweise der Kammer zu (wahnhaften) Vorstellungen und Verhaltensauffälligkeiten sind nicht ausreichend. Ein ausdrückliches Eingehen auf das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten wäre hier auch deshalb von Nöten gewesen , weil die Urteilsgründe nicht deutlich machen, ob die vom Tatgericht angenommene Wahnsymptomatik auf eine endogene Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie und der Zustand damit tatsächlich unter die „krankhafte seelische Störung“ einzuordnen ist − was naheliegt − oder ob die Paranoia des Beschuldigten zu den „schweren anderen seelischen Abartigkeiten“ im Sinne des § 20 StGB gehört (vgl. BGH NStZ 1997, 335 f.).

7
b) Angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht hinreichend begründet. Auch hier ist es der Sachverständigen gefolgt und hat lediglich ausgeführt , dass es aufgrund des verfestigten Wahnerlebens sicher zu erwarten sei, dass der Beschuldigte auch in Zukunft in Konflikte mit Stellen oder Personen geraten werde, die einen Aufbau von affektiven Spannungen begründen und zu Eskalationen führen werden (UA S. 21, 22). Es fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der Beschuldigte nach dem Vorfall am 4. Mai 2004 erst wieder im Januar 2007 auffällig geworden ist, als es ihm während des bestehenden Betreuungsverhältnisses nicht mehr möglich war, Bargeld von seinem Konto abzuheben, und er gegen seinen Betreuer tätlich wurde. Ferner verhielt sich der Beschuldigte in den sechs Monaten zwischen dem Angriff auf seinen Betreuer und der vorläufigen Unterbringung am 19. Juli 2007 [vollzogen ab 24. August 2007] unauffällig. Hinzu kommt, dass das Landgericht auch die Gründe des Beschlusses des Amtsgerichts Lichtenberg vom 10. April 2007 (UA S. 5), mit dem die Betreuungsanordnung aufgehoben wurde, nicht erörtert.“
8
Dem schließt sich der Senat an.
Basdorf Raum Brause Schaal Dölp

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - 5 StR 397/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - 5 StR 397/08

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - 5 StR 397/08 zitiert 4 §§.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 599/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 19. Februar 2008
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Februar 2008, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Gerhardt
alsVorsitzende,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
alsVerteidigerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25. September 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt anzuordnen, abgelehnt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beschuldigte die ihm in der Antragsschrift zur Last gelegten vier rechtswidrigen Taten begangen hat, die es rechtlich als Bedrohung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung sowie unerlaubtes Führen einer Waffe gewertet hat. Jedenfalls bei den ersten drei Taten sei der Beschuldigte aufgrund einer psychotischen Störung schuldunfähig gewesen, bei der Begehung des Waffendelikts sei die Aufhebung der Schuldfähigkeit aufgrund eines Alkoholentzugsdelirs nicht auszuschließen. Es fehle jedoch an der weiteren Voraussetzung für die Anordnung einer Maßregel nach § 63 oder § 64 StGB, dass nämlich infolge des Krankheitszustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und der Beschuldigte deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
3
Zu dem jeweiligen Tatablauf hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
4
In der Nacht zum 5. Juli 2006 bedrohte der Beschuldigte einen Mitbewohner unter Vorhalt eines Messers mit dem Tode und schlug zudem mit dem Messer gegen dessen Gehstock.
5
Als die daraufhin verständigten Polizeibeamten das Zimmer des Beschuldigten betraten, saß er auf seinem Bett, wobei er in der Hand ein Küchenmesser hielt; er war erregt und beschimpfte die Beamten. Das Messer legte er trotz Aufforderung nicht weg. Als die Beamten schließlich Pfefferspray einsetzten , „fuchtelte“ er „mit dem Messer unkontrolliert in die Richtung der Polizeibeamten“.
6
Am Morgen des 15. August 2006 warf der Beschuldigte seine ihm nicht gehörende Zimmereinrichtung aus dem im Erdgeschoss gelegenen Zimmer auf die Straße. Bei Eintreffen der Polizeibeamten hielt er einen Hammer in der Hand, mit dem er zunächst „herumfuchtelte“, ihn dann aber auf Aufforderung beiseite legte. Am Nachmittag des Tages schlug der Beschuldigte den Putz von den Wänden. Dies beendete er kurzfristig, als erneut Polizeibeamte eintrafen. Als diese sich wieder entfernt hatten, riss er das Parkett, die Fensterverschalung , Steckdosen und die Verkabelung heraus.
7
Am 1. September 2006 ging der Beschuldigte abends über das „Alstervergnügen“ auf dem Jungfernstieg. Dabei trug er einen leicht gebogenen Dolch mit einer fast 20 Zentimeter langen Klinge mit sich, der im Hosenbund steckte, aber zur Hälfte sichtbar war. Als er deswegen von Polizeibeamten abgeführt wurde, versuchte er nach Passanten zu treten, was ihm nur einmal in abgemilderter Weise gelang.
8
2. Die Feststellungen zu den vom Beschuldigten begangenen Taten sind rechtsfehlerfrei. Die Ablehnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt hält jedoch rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn die äußerst knapp gehaltenen Erwägungen lassen eine Nachprüfung der tatrichterlichen Annahmen zur Schuldunfähigkeit und zur Gefährlichkeit nicht zu.
9
a) Es fehlt bereits an einer nachvollziehbaren und eindeutigen Bewertung des Zustands des Beschuldigten. Dies lässt besorgen, dass die Art der Störung, ihr Schweregrad und damit die Gefährlichkeit des Beschuldigten unzutreffend beurteilt worden sind.
10
Das sachverständig beratene Landgericht führt hierzu – dem Sachverständigen folgend – lediglich aus, dass sich bei dem Angeklagten aufgrund einer Alkoholabhängigkeit eine psychotische Störung mit Verfolgungs- und Beziehungsideen entwickelt habe, die eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB darstelle. Diese Störung habe bei den ersten drei Taten bestanden und zur Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt. Eine Aufhebung der Fähigkeit zur Unrechtseinsicht könne auch für die vierte Tat nicht ausgeschlossen werden, wahrscheinlich habe aber ein Alkoholentzugsdelir vorgelegen. Eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bei dieser Tat sei daher nicht auszuschließen.
11
aa) Wenn sich der Tatrichter – wie hier – darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGHSt 34, 29, 31; BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07; BGH NStZ 2003, 307). Hier fehlt es aber an der Darlegung der die gutachterlichen Diagnosen tragenden Befunde. Es wird weder begründet, aufgrund welcher Symptome die Störungsbilder diagnostiziert wurden, noch, wie diese in der konkreten Tatsituation auf den Beschuldigten eingewirkt haben. Insbesondere teilt das Landgericht hierzu nicht mit, welche Anhaltspunkte bei der vierten Tat zur Annahme eines anderen Krankheitsbildes mit abweichenden Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit geführt haben.
12
bb) Für die vierte Tat fehlt es schließlich auch an einer eindeutigen Bewertung , welche der beiden Alternativen des § 20 StGB bei dem Beschuldigten vorgelegen hat. Es darf nicht offen bleiben, ob die psychische Störung die Einsichts - oder die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten vermindert oder aufgehoben hat (BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1 und Gefährlichkeit 5; BGH NStZ-RR 2003, 232; 2004, 38 f.). Nach den Urteilsgründen steht aber nicht fest, ob das Alkoholentzugsdelir dazu geführt hat, dass der Beschuldigte nicht die Fähigkeit besessen hat, das Unerlaubte seines Tuns zu erkennen, oder ob er lediglich außerstande gewesen ist, nach dieser Einsicht zu handeln. Dies kann Auswirkungen auf die Beurteilung der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit haben. Zudem ist ihnen nicht zu entnehmen, dass jedenfalls die Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Tat am 1. September 2006 sicher vorgelegen haben.
13
b) Auch die übrigen Ausführungen des Landgerichts zur fehlenden Gefährlichkeit des Beschuldigten für die Allgemeinheit begegnen durchgreifenden Bedenken, da sie eine ausreichende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und seiner Taten vermissen lassen. So ist weder sein bisheriger Lebensweg dargelegt, noch finden sich Ausführungen zu einer eventuellen Vordelinquenz.
14
Das Landgericht ordnet sämtliche Taten in den „Bereich der unteren Kriminalität“ ein, erheblich im Sinne der §§ 63, 64 StGB seien diese nicht, schließlich sei der Beschuldigte niemals „übergriffig“ geworden. Dabei verkennt es, dass es bei der ersten und der vierten Tat zu Übergriffen gekommen ist. So attackierte der Beschuldigte zwar seinen Mitbewohner nicht unmittelbar mit dem Messer, setzte dieses aber gegen dessen Gehstock ein. Für die vierte Tat bleiben die versuchten – in einem Fall vollendeten – Übergriffe auf Passanten unbeachtet. Selbst wenn das Landgericht eine Körperverletzung als Symptomtat nicht feststellen konnte (vgl. zum Erfordernis des Strafantrags BGHSt 31, 132, 134), hätte das gegen die körperliche Integrität Dritter gerichtete Verhalten des Beschuldigten doch in die Gesamtwürdigung betreffend die Gefährlichkeit einbezogen werden müssen. Auch hätte die aus den Taten 1., 2. und 4. ersichtliche Affinität des Beschuldigten zu Messern nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
15
3. Der neue Tatrichter hat die Frage der Gefährlichkeit des Beschuldigten für die Allgemeinheit (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 72, 73; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 9; § 62 Verhältnismäßigkeit 2) umfassend neu zu prüfen. Falls der neue Tatrichter diese bejahen sollte, weist der Senat darauf hin, dass die Notwendigkeit der Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB grundsätzlich nicht durch minder einschneidende Maßnahmen – hier die vier Monate vor dem Urteil einsetzende regelmäßige Medikamenteneinnahme – aufgehoben wird, sondern solche täterschonende Mittel Bedeutung nur für die Frage erlangen, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 6, 28 und Beweiswürdigung 1).
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.