Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2018 - 4 StR 593/17

bei uns veröffentlicht am27.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 593/17
vom
27. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:270318B4STR593.17.1

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 18. April 2017, soweit es ihn betrifft , mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall III.2.c der Urteilsgründe (Tat Nr. 3) verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. „wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung und wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
2. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch im Fall III.2.b der Urteilsgründe (Tat Nr. 2) keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen kann die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung im Fall III.2.c (Tat Nr. 3) nicht bestehen bleiben; die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch (§ 24 Abs. 1 StGB) abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das hat die Aufhebung der gesamten Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zur Folge.
4
a) Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte von I. B. „im Juni oder Juli 2015“ indem von diesem und seinem Bruder B. B. betrie- benen Dönerimbiss 1.000 Euro, um sich „eine eigene Geldquelle (zu) erschlie- ßen“. I. B. verweigerte jedoch die Zahlung. Am 29. August 2015 kam es zu einer zufälligen Begegnung vor dem Dönerimbiss, in deren Verlauf der Angeklagte dem Zeugen I. B. mit der Faust in das Gesicht schlug und ihn an die Zahlung des von ihm geforderten Geldbetrags erinnerte. Er tat dies, um seiner Forderung mit körperlicher Gewalt Nachdruck zu verleihen und I. B. zu veranlassen, aus Angst um sein Leben und seine Gesundheit den Betrag, auf den er, wie er wusste, keinen Anspruch hatte, zu leisten. I.
B. trug eine blutende und schmerzende Nase davon, zahlte aber den geforderten Betrag gleichwohl nicht an den Angeklagten.
5
Das Landgericht hat einen fehlgeschlagenen Versuch der räuberischen Erpressung angenommen, „denn … der Angeklagte H. musste in diesem Fall erkennen, dass I. B. seiner Forderung trotz abgeschlossener Gewalt nicht nachgekommen ist, und es eines neuen Ansetzens mit neuer Drohung oder Gewalt bedurft hätte, um ggfls. doch noch zum Erfolg zu kommen“.
6
b) Diese Begründung trägt den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts nicht.
7
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Auch dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln , so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687). Scheidet ein Fehlschlag aus, kommt es auf die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687).
8
Allen Fällen aber ist gemeinsam, dass das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt von maßgebender Bedeutung ist. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Ange- klagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; vom 25. Oktober 2017 – 5 StR 253/17; zur revisionsgerichtlichen Überprüfung ferner: BGH, Beschlüsse vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ-RR 2014, 201, 202; vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ-RR 2015, 105, 106; vom 4. Juni 2014 – 4 StR 168/14; Urteil vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN).
9
So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat zwar gemeint, der Angeklagte hätte erneut zur Tat ansetzen müssen, „um ggfls. doch noch zum Erfolg zu kommen“. Dies allerdings hat es weder in der Beweiswürdigung noch in der rechtlichen Würdigung näher belegt. Schon der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte von einem Fehlgehen seines Erpressungsversuchs ausgegangen sein soll, wird nicht dargelegt. Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Umstände das Landgericht – auch angesichts des zeitlichen Abstands zwischen den beiden Einwirkungen auf das Opfer – zu der Annahme gelangt ist, der Angeklagte sei nunmehr von einer derartigen Zäsur im Handlungsablauf ausgegangen. Das gilt auch dann, wenn man die Wendung „musste in diesem Fall erkennen“ mit dem Generalbundesanwalt dahin versteht, das Landgericht habe ausdrücken wollen, der Angeklagte habe solches auch erkannt.
10
3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter räuberischer Erpressung; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung. Das entzieht ohne weiteres dem Strafausspruch für diesen Fall und der Gesamtstrafe die Grund- lage. Hingegen kann der Senat ausschließen, dass die Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe im Fall III.2.b der Urteilsgründe (Tat Nr. 2) von dem aufgezeigten Rechtsfehler beeinflusst ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
RiBGH Bender ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Franke Sost-Scheible

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2018 - 4 StR 593/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2018 - 4 StR 593/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. März 2018 - 4 StR 593/17 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 8 3 / 1 4
vom
22. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 25. März 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Beleidigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen Beleidigung in zwei Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen begegnet die Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob der Angeklagte zusammen mit seinem Mittäter strafbefreiend vom Versuch des versuchten Totschlags zurückgetreten sind.
3
a) Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (vgl. BGH StV 2014, 286, 287; NStZ-RR 2012, 167, 168; NStZ 2007, 91, 92; BGHSt 44, 158, 162). Im Falle eines versuchten Totschlags ist es insoweit ausreichend, wenn die Täter freiwillig davon absehen, die Tötung des Opfers mit den verfügbaren Tatmitteln weiter zu verfolgen.
4
b) Das Urteil verhält sich hierzu nicht, obwohl nach den getroffenen Feststellungen ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des Totschlags nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
5
aa) Der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener Mittäter, die beide ein Messer mit sich führten, überfielen am Abend des 24. Juni 2013 gegen 22.40 Uhr das Tatopfer in der Absicht, es zu töten. Sie erwarteten es vor dem Eingangsbereich des Hauses, in dem es wohnte, und versetzten ihm unvermittelt einen Stich in den oberen Nackenbereich und sodann ins Bein, so dass es zu Boden fiel. Es folgten Schläge, Tritte und weitere Messerstiche und -schnitte von beiden Angreifern. Dem Überfallenen gelang es nicht, wieder auf die Beine zu kommen oder sich der Angreifer zu entledigen. Er verlagerte das Geschehen aber so in den Hofbereich vor dem Haus, dass Nachbarn auf seine Schreie nach Hilfe und nach der Polizei aufmerksam wurden. Ein Nachbar rief am Fenster stehend: "Verpisst Euch, sonst rufe ich die Polizei", eine andere Nachbarin forderte die Täter auf aufzuhören. Dem Angeklagten und seinem Mittäter wurde hierdurch klar, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen und festgenommen zu werden. Sie versetzten dem Opfer einen letzten Stich in den Nackenbereich, ließen dann von ihm ab und rannten eilig davon. Mehrere Nachbarn begaben sich nun in den Hof und fanden den Angegriffenen kaum noch ansprechbar und stark blutend vor. Der Notruf bei der Polizei ging um 22.43 Uhr ein. Das Tatopfer wurde in die Klinik verbracht und dort notfallmäßig versorgt. Dabei wurden insgesamt fünf Stichverletzungen festgestellt, darunter eine im Rippenbereich mit einem Stichkanal von 8 cm Tiefe.
6
Der Angeklagte und sein Mittäter ließen - nachdem sie im Anschluss an die Rufe der Nachbarn einen letzten Stich in den Nackenbereich gesetzt hatten, über dessen Länge und Tiefe die Urteilsgründe keine Angaben enthalten - von dem Opfer ab und rannten davon.
7
bb) Dies könnte für einen strafbefreienden Rücktritt genügen, falls es sich aus Sicht des Angeklagten um einen unbeendeten Versuch handeln würde und der Verzicht auf ein Weiterhandeln freiwillig erfolgt wäre.
8
Den Urteilsausführungen ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte davon ausging, bereits die beigefügten Verletzungen seien dazu geeignet gewesen , den Tod des Opfers herbeizuführen, oder ob er der Ansicht war, dazu wären weitere Stiche mit dem Messer erforderlich gewesen. Angaben dazu waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Annahme eines beendeten Versuchs auf der Hand gelegen hätte. Zwar hatte das Opfer "in seiner Gesamtheit" lebensgefährliche Verletzungen erlitten; ob das der Angeklagte aber erkannt hatte , könnte immerhin fraglich sein, nachdem das Opfer das Geschehen in den Hofbereich verlagerte und um Hilfe rief.
9
Der Rücktritt wäre auch nicht von vornherein ausgeschlossen, weil der Angeklagte nicht freiwillig von seinem Tun abgelassen hätte. Die Strafkammer ist zwar davon ausgegangen, dass den Angreifern durch die Rufe der Nachbarn bewusst geworden sei, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen zu werden. Es ist aber schon unklar, worauf das Landgericht diese Annahme im Einzelnen gestützt hat. Vor allem aber könnten allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht die Annahme unfreiwilliger Tataufgabe nicht tragen. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon (vgl. nur BGH NStZ-RR 2014, 9). Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt (BGH NStZ-RR 2010, 366 f.) oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt (s. BGH NStZ 1988, 69 f.). Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH NStZ-RR 2014, 241).
10
Ob der Angeklagte die Ausführung seines Plans, die Tötung des Opfers, noch für möglich gehalten oder ob er sich nach den Rufen der Nachbarn außerstande gesehen hat, sein Ziel noch zu erreichen, hätte das Landgericht erörtern müssen. Denn es lag - angesichts des Umstands, dass lediglich ein Nachbar für den Fall, dass die Täter sich nicht "verpissen" würden, die Anrufung der Polizei angedroht hatte, und mit Blick darauf, dass der Angeklagte vor Verlassen des Tatorts noch einen weiteren Stich setzte - auch nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation ohne Weiteres gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen.
11
2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.
12
3. Die (teilweise) Aufhebung des Urteils erfasst nicht den Adhäsionsausspruch ; eine Aufhebung der Adhäsionsentscheidung ist dem Tatrichter vorbehalten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Februar 2015 - 2 StR 388/14). Auf den Anfragebeschluss des Senats vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 u.a. wird hingewiesen. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 647/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist auf die Anfechtung der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt hinsichtlich der Gewalthandlungen vom 28./29. August 2011 jedenfalls die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Die weitergehende Verurteilung (wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung) ist vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3
Die insoweit wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

II.

4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte unterhielt mit der Nebenklägerin (im Folgenden: N.) seit etwa 2008 eine Beziehung. Aus dieser Beziehung ging der gemeinsame Sohn L. hervor. Nachdem es zwischen den Partnern immer öfter Streitigkeiten gab, trennte sich N. im Juli 2011 vom Angeklagten. Trotz der Trennung wohnten sie und der Angeklagte weiter zusammen in der gemeinsamen Wohnung und schliefen im gleichen Zimmer. Der Angeklagte sowie N. beabsichtigten, zur Absicherung ihres Sohnes eine gemeinsame Lebensversicherung abzuschließen. Versicherungsnehmer sollten sie beide sein. Die Vertragsformalitäten sollten vom Angeklagten übernommen werden.
6
Nachdem der Angeklagte erkannte, dass die Trennung von N. endgültig ist, beschloss er zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, N. zu töten. In diesem Zusammenhang wollte er die Versicherungsleistung aus der geplanten, noch abzuschließenden Lebensversicherung zu Unrecht selbst vereinnahmen. Den Tod der N. wollte er so herbeiführen, dass sich der Geschehensablauf als häuslicher Unfall darstellt.
7
In Ausführung dieses Planes füllte er am 1. Juli 2011 in seiner Wohnung einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der C.-Versicherung aus. Als Versicherungsnehmer und als die zu versichernde Person trug er entgegen der Absprache mit N. in das Formular diese als alleinige Versicherungsnehmerin ein, versah den Antrag mit deren nachgemachter Unterschrift und trug sich selbst als Begünstigter im Todesfall der N. ein. Im Antrag bezifferte er die Versicherungsleistung, die im Todesfall der N. an ihn selbst ausgezahlt werden sollte, mit 1.340.000 €. Dieser Antrag ging am 4. Juli 2011 bei der C.-Versicherung ein. Mit der nachgemachten Unterschrift wollte er die Versicherung über den tatsächlichen Antragsteller täuschen. N. wusste hiervon nichts.
8
Entgegen der Vorstellung des Angeklagten lehnte die Versicherungsgesellschaft eine Deckung in der beantragten Höhe ab, erklärte sich aber zum Vertragsschluss in Höhe von 500.000 € entsprechend einer von der Versicherung durchgeführten Bedarfsberechnung bereit. Am 13. August 2011 unterschrieb der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses erneut in seiner Wohnung eine Erklärung über den Erhalt von Unterlagen sowie einen Zusatzantrag zur Hinterbliebenenabsicherung, in dem der Versicherungsbeginn 1. August 2011 und die Versicherungssumme mit 500.000 € vereinbart wurde.
9
Die vorgenannten Urkunden versah er wiederum mit der von ihm nachgemachten Unterschrift der N., um die Versicherung erneut darüber zu täuschen , dass diese die Antragsunterlagen - wie nicht - erhalten und unterschrieben hätte, und reichte sie bei der C.-Versicherung ein. Im Vertrauen auf die Echtheit der Urkunden bestätigte die C.-Versicherung das Zustandekommen des Versicherungsvertrages mit Versicherungspolice vom 16. August 2011, die der Angeklagte tags darauf zugestellt bekam. Auch davon bekam N. nichts mit. Versichert war der Tod der N. unabhängig davon, ob es sich um einen natürlichen oder um einen gewaltsamen Tod handelte. Dies wusste der Angeklagte.
10
Nachdem der Angeklagte die vertraglichen Voraussetzungen geschaffen und erfahren hatte, dass N. sich mit einem anderen Mann trifft, entschloss er sich schließlich am 28. August 2011, seinen Tötungsplan in die Tat umzusetzen.
11
Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, N. sei beim Ausstieg aus der nassen Dusche auf dem Boden des Badezimmers ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufgeschlagen, wobei sie sich tödliche Verletzungen zugezogen habe. Hierzu verstreute er am Abend vorher auf dem Boden Waschpulver und legte sich Geschirrtücher sowie Kabelbinder unter dem Kopfkissen zurecht, um damit N. zu fesseln. Den gemeinsamen Sohn L. verbrachte er zu seinen Eltern, damit dieser von der Tat nichts mitbekomme. Um sich selbst ein Alibi zu verschaffen, verbrachte er den Abend bei seinen Eltern und legte sich, nachdem sein Vater zu Bett ging, zum Schein auf die Couch, um den Eindruck zu erwecken, er werde die ganze Nacht bei seinen Eltern verbringen.
12
Tatsächlich begab er sich jedoch heimlich zurück in seine Wohnung, wo er im Bett liegend auf die Rückkehr von N. wartete. Diese kehrte etwa gegen 2.30 Uhr zurück und legte sich nur mit einer Unterhose bekleidet neben den Angeklagten in ihre Betthälfte. Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 3.15 Uhr und 5.30 Uhr begann der Angeklagte, die schlafende, wehrlose N. zu fesseln. Er drehte sie dazu auf den Bauch und fesselte ihr zuerst mit einem stabilen Klebeband die Hände auf dem Rücken, wickelte ihr dann die bereits vorher dazu ebenfalls bereitgelegten Geschirrtücher um die Handgelenke und fixierte diese dann über den zur Polsterung und Striemenvermeidung dienenden Tüchern mit den bereitliegenden Kabelbindern. Hierdurch wurde N. wach, worauf der Angeklagte ihr sogleich den Mund mit Klebeband verklebte. Damit wollte der Angeklagte jeglichen Fluchtversuch der N. von vornherein verhindern.
13
Anschließend nahm er eine nicht näher identifizierte Pistole, hielt sie an ihren Mund und sagte, er würde sie wahnsinnig gerne erschießen. Tatsächlich beabsichtigte er dies nicht, sondern wollte sie einschüchtern und in Todesangst versetzen, was ihm auch gelang. Anschließend fesselte er N. mit dem Klebeband noch an den Beinen, um sie ohne Gegenwehr in das Badezimmer verbringen zu können. Entsprechend seinem Plan verbrachte er die verängstigte und wehrlose N. gegen ihren Willen ins Badezimmer und bespritzte dort das schon am Abend zuvor auf dem Boden verstreute Waschpulver mit Wasser, um einen Schmierfilm zu erzeugen. Anschließend verbrachte er sie nochmals ins Schlafzimmer und gleich wieder zurück ins Bad. Er stellte N. nun unter die laufende Dusche, um sie nass zu machen.
14
Dann zog er sie aus der Dusche, fasste sie mit den Händen an den Kopf, zog diesen zuerst nach vorne und schleuderte die gefesselte N. dann mit aller Kraft nach hinten, um ihr durch den Sturz möglichst tödliche Kopfverletzungen zuzufügen. Die aufgrund der Fesselung völlig wehrlose N. stürzte und schlug mit der linken Schulter und dem Hinterkopf auf dem gefliesten Boden auf. Sie blieb zwar auf dem Rücken liegen, war jedoch nicht schwer verletzt. Der Angeklagte war von diesem vergleichsweise harmlosen Verlauf überrascht, da er zumindest mit dem Eintreten der Bewusstlosigkeit der N. rechnete. Er entschloss sich nunmehr, N. dadurch zu töten, dass er ihr das Genick bricht. Er setzte sich dazu auf die Hüfte auf der am Boden liegenden N., nahm ihren Kopf in seine Hände und versuchte, durch gewaltsames Überdrehen des Kopfes nach hinten dieser tödliche Genickverletzungen zuzufügen. Als dies aufgrund Muskelanspannung der N. misslang, fasste er mit einer Hand unter die rechte Schulter der N., zog sie nach oben und drückte mit der anderen Hand gleichzeitig ihren Kopf nach unten. Da auch dies nicht zu tödlichen Verletzungen führte, kniete er sich nunmehr neben N., fasste mit einer Hand an ihren Hinterkopf und mit der anderen an ihr Kinn, um den Kopf kraftvoll drehen zu können. Er zog sodann gleichzeitig ihren Hinterkopf seitlich nach vorne und drückte ihr Kinn nach hinten. Aber auch hierdurch gelang es ihm nicht, N. erhebliche bzw. tödliche Verletzungen zuzufügen, weil diese ihren Körper mitdrehen konnte.
15
Er ließ nun von N. ab und fing an, diese zu beschimpfen. Er warf ihr vor, sie sei schuld am Scheitern der Beziehung und auch an dem was nunmehr passiere, weil sie egoistisch sei und nur an sich selbst denke. N. antwortete auf die Beschimpfungen und Vorhalte des Angeklagten trotz verklebtem Mund so gut sie konnte, worauf der Angeklagte ihr mehrfach mit der flachen Hand auf die Wange schlug, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel.
16
Nunmehr entschloss er sich, die Gegenwehr der N. dadurch auszuschalten , dass er sie bis zur Ohnmacht knebelte, um ihren Kopf dann ohne Widerstand auf den Boden schleudern zu können bzw. ihr durch gewaltsames Verdrehen des Kopfes tödliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu drückte er zunächst ihren Mund und ihre Nase mit der Hand zu. Infolge dieser Behandlung löste sich das Klebeband von ihrem Mund und N. schrie so laut sie konnte um Hilfe. Dies geschah ca. um 6.00 Uhr früh. Nun drückte er ihr ein im Badezimmer in unmittelbarer Reichweite befindliches Handtuch tief in den Mund- und Rachenraum und hielt ihr gleichzeitig die Nase zu. Damit gelang es ihm, die Luftzufuhr der N. vollständig zu unterbinden, sodass N. nicht mehr atmen konn- te, ihre Gegenwehr aufgab und dachte, sie werde nun sterben. Erst als sie langsam kraftlos wurde und, wie er erkannte, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, ließ der Angeklagte wortlos von seinem Vorhaben ab und nahm den Knebel aus ihrem Mund, sodass sie schließlich wieder Luft bekam und sich erholte.
17
Anschließend trug er die immer noch am Boden liegende, gefesselte halbnackte N. zurück in das Schlafzimmer und zwang sie, auf dem Bett liegen zu bleiben. Als er bemerkte, dass es ihr zwischenzeitlich gelungen war, der Fesselung der Hände durch die Kabelbinder teilweise zu entkommen, drehte er sie gewaltsam in Bauchlage und legte ihr neue Kabelbinder an, die er so fest zuzog, dass sie Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf bot N. dem Angeklagten aus Angst um ihr Leben eine Übertragung des Sorgerechts für den gemeinsamen Sohn an und versprach ihm, sie werde nicht zur Polizei gehen, wenn er sie frei lasse.
18
Schließlich nahm der Angeklagte N. gegen 8.30 Uhr die Fesselung ab und ließ sie gegen 9.15 Uhr aus der Wohnung. Der Angeklagte bedrohte sie kurz vor Verlassen der Wohnung noch, dass er sie umbringen werde, wenn sie den Vorfall der Polizei melde.
19
Dennoch erstattete N. nach einer Überlegungsphase und erst nach Aufforderung durch ihre Mutter am 29. August 2011 abends Anzeige gegen den Angeklagten.
20
N. erlitt durch den Erstickungsversuch Petechien im Auge, durch den Aufprall auf dem gefliesten Boden eine 4 cm große Beule am Hinterkopf, durch die Misshandlungen starke Schmerzen am Hals und durch die Fesselung an den Hand- und Sprunggelenken Hautreizungen und Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
21
N. ist seit diesem Vorfall in psychiatrischer Behandlung. Ob und in welchem Umfang psychische Dauerfolgen verbleiben, steht nicht fest. Sie hat nach wie vor schon bei alltäglichen Berührungen Angstzustände.
22
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Tötungsversuchs verneint und bei der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) einen freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch bejaht. Es hat bei dem Tatgeschehen vom 28./29. August 2011 eine Zäsur nur im Hinblick auf die abschließende versuchte Nötigung angenommen und ist davon ausgegangen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung "die übrigen Körperverletzungsdelikte" verklammere.

III.

23
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
24
1. Insbesondere ist den getroffenen Feststellungen nicht das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung , der sogenannte Rücktrittshorizont, zu entnehmen. Bei Vorliegen einer Zäsur müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden.
25
Auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten kann hier nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden, wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) und der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) rudimentär Rücktrittselemente angesprochen werden. Hier wird jeweils in erster Linie mitgeteilt, was nicht festgestellt werden konnte, ohne dass - ergänzend heranzuziehende - klare und eindeutige Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach den verschiedenen Tathandlungen getroffen wurden. Ohnehin konnte N. zum jeweiligen Vorstellungsbild des Angeklagten schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich hierzu nicht geäußert hat. Die entsprechenden Feststellungen sind aber unerlässlich; denn auf den Rücktrittshorizont kommt es bei der Beurteilung, ob ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt, entscheidend an.
26
Das ergibt sich aus Folgendem:
27
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
28
Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
29
Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
30
Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so liegt eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizonts vor, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat.
31
In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 401/11; BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - 5 StR 528/11).
32
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
33
Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09 mwN).
34
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05 mwN).
35
Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen , hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03).
36
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es sich um ein mehrstündiges und mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man, was hier nicht fern liegt, eine oder mehrere Zäsuren (hinsichtlich der abschließenden versuchten Nötigung ist der Tatrichter selbst davon ausgegangen [UA S. 13]) annehmen, ist die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten.
37
Die Annahme des Landgerichts, das Dauerdelikt der (einfachen) Freiheitsberaubung verklammere auch gefährliche Körperverletzungen (die konkrete Fesselung kann ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 364/03 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 9b zu § 224), begegnet rechtlichen Bedenken; denn das im Strafrahmen des § 224 StGB zum Ausdruck kommende Gewicht übersteigt das des Dauerdelikts (§ 239 StGB) erheblich (vgl. Fischer aaO Rn. 32 vor § 52).
38
Zu denken ist aber an eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die einzelne Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint.
39
Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist deshalb eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04 mwN).
40
Auch für die Beurteilung, ob die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, ist die (jeweils rechtsfehlerfreie ) Feststellung der subjektiven Tatseite erforderlich.
41
An all diesem fehlt es hier.
42
Die Urteilsgründe lassen weiter nicht eindeutig erkennen, ob der Angeklagte durchgehend davon ausging, den Tod der N. (als außertatbestandliches Ziel) als Unfall darstellen zu können oder nur noch ihren gewaltsamen Tod erstrebte , obwohl dafür das Risiko für ihn größer wurde, als Täter in Verdacht zu geraten und deshalb die Versicherungssumme nicht ausbezahlt zu erhalten. Denn es ist naheliegend, dass bei einem offensichtlich gewaltsamen Tod der N. in der Wohnung des Angeklagten kurz nach Abschluss einer entsprechenden Lebensversicherung und bei einem möglichen Sorgerechtsstreit (UA S. 7) der Tatverdacht auf den Angeklagten fallen würde.
43
Die Urteilsgründe lassen offen, ob der Angeklagte möglicherweise nur noch weiterhandelte, um seine vorausgehende Tat zu verdecken.
44
Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen lässt eine abschließende Prüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
45
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang.
46
Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der Senat nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.
47
2. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung hatte im Übrigen schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer übersehen hat, dass tateinheitlich begangen auch eine Bedrohung (mit der Pistole; § 241 StGB) vorliegt. Ob diese hinter einem versuchten Tötungsdelikt zurücktreten würde, kann hier offenbleiben; sie würde aber nicht hinter der vom Landgericht lediglich angenommenen gefährlichen Körperverletzung zurücktreten (vgl. zur Problematik u.a. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 523/01; auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2000 - 2 StR 639/99). Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 253/17
vom
25. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Bedrohung
ECLI:DE:BGH:2017:251017U5STR253.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dölp, Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20. Februar 2017 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Am 29. November 2014 ergriff der Angeklagte in einem vietnamesischen Schnellrestaurant ein Hackmesser, um die Mitarbeiterin des Lokals zu veranlassen , ihm das in der Kasse befindliche Bargeld auszuhändigen. Dieser gelang es jedoch, sofort durch den Hinterausgang aus dem Lokal zu fliehen. Sodann hielt er dem Inhaber des Lokals, der sich ihm in den Weg stellte, das Messer an den Hals und drohte, ihn zu töten, wenn er ihm nicht das Geld aushändige. Der Wirt riss dem Angeklagten das Messer aus der Hand und flüchtete durch den Haupteingang. Der allein im Gastraum zurückgebliebene Angeklagte bereute nun seine Tat. Obwohl er davon ausging, ohne Schwierigkeiten selbst die Kasse öffnen, ihr ungehindert das Geld entnehmen und damit aus dem Lokal fliehen zu können, wartete er auf die Polizei und gab sich den alarmierten Beamten als derjenige zu erkennen, der den Wirt bedroht hatte.
4
2. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung des Wirts und seiner Mitarbeiterin angenommen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB) und ihn (nur) der Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) schuldig gesprochen. Es ist nach dem Rücktrittshorizont des Angeklagten von einem nicht fehlgeschlagenen, unbeendeten Versuch ausgegangen, weil der Angeklagte sowohl nach der Flucht der Mitarbeiterin als auch nach derjenigen des Wirtes davon ausgegangen sei, sein tatbestandsmäßiges Ziel weiterhin erreichen zu können. Freiwillig habe er die Tat dann nicht vollendet.

II.


5
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Angeklagten aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zutreffend allein wegen Bedrohung verurteilt.
6
1. Ohne wesentliche Umstände bei seiner Überzeugungsbildung außer Acht zu lassen, hat es angenommen, der Angeklagte sei vom unbeendeten, nicht fehlgeschlagenen Versuch der schweren räuberischen Erpressung straf- befreiend zurückgetreten. Die landgerichtlichen Erwägungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten beziehen sich zutreffend auf dessen Vorstellungsbild im Zeitpunkt der hierfür maßgeblichen letzten Ausführungshandlung und kommen ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte annahm, der Taterfolg könne von ihm noch immer erreicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2017 – 4 StR 592/16 Rn. 13).
7
2. Da nach dem Entkommen der bedrohten Erpressungsopfer für den Angeklagten noch die Möglichkeit bestand, das begehrte Geld selbst aus der Kasse zu nehmen, hätte das Landgericht angesichts des festgestellten Tatzie- les, „an das in der Kasse befindliche Bargeld zu gelangen“ (UA S. 4), zwar ei- nen versuchten schweren Raub in den Blick nehmen müssen. Von dem Versuch dieses nach ständiger Rechtsprechung als Sonderfall der Erpressung anzusehenden Deliktes (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 126) ist der Angeklagte nach den Feststellungen aber ebenso freiwillig zurückgetreten.
8
3. Der Rücktritt erfasste neben den Raub- und Erpressungsdelikten in der vorliegenden Konstellation auch die darin tatbestandlich enthaltene versuchte Nötigung, da diese auf kein anderes Ziel gerichtet war, als sich – sei es durch Herausgabe, sei es durch Wegnahme – in den Besitz des Kassenbestandes zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 1987 – 2 StR 123/87, NStE Nr. 1 zu § 178 StGB; LK-StGB/Lilie/Albrecht, 12. Aufl., § 24 Rn. 482; NK-StGB/Zaczyk, 5. Aufl., § 24 Rn. 129).
Mutzbauer Sander Schneider
Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 7 3 5 / 1 3
vom
11. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben; hiervon ausgenommen sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Geschehen und zum Tötungsund Heimtückevorsatz (§ 349 Abs. 4 StPO). 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrügen und der Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen erfuhr der Angeklagte am 13. Oktober 2012 von seiner Freundin, dass der gemeinsame Bekannte Z. sie missbraucht habe. Um sich an Z. zu rächen, lauerte er diesem einen Tag später auf, nachdem er dessen Fußweg in Erfahrung gebracht hatte. Der Angeklagte ging auf den Geschädigten Z. zu; als er vor ihm stand, setzte er unvermittelt, bewusst den Überraschungsmoment zur Ausschaltung von Gegenwehr ausnutzend, zu einem von oben geführten Stich auf den Kopf mit einem Schraubenzieher an. Der Geschädigte wurde oberflächlich an der Stirn getroffen und beugte sich nach vorn. Der Angeklagte holte erneut mit dem Schraubenzieher aus und stach dem gebückt stehenden Geschädigten in den Rücken. Der Stich drang vier bis fünf Zentimeter zwischen die Schulterblätter ein. Nachdem der Geschädigte zu Boden gegangen war, trat der Angeklagte noch mehrmals mit Füßen auf ihn ein. Der Geschädigte konnte schließlich aufstehen und fliehen. Der Angeklagte rief ihm nach, dass er ihn schon noch kriegen und umbringen werde. Der Geschädigte ging nach Hause, unterwegs trank er noch ein Bier. Durch die Verletzungen bildete sich bei ihm ein Pneumothorax , aufgrund dessen abstrakte Lebensgefahr bestand.
3
2. Das Landgericht ist von einer heimtückischen Begehungsweise ausgegangen und hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Mordes mit der Begründung verneint, dass der Versuch fehlgeschlagen sei. Der Angeklagte habe erkannt, dass sein Tatplan gescheitert sei, als sich sein Opfer selbst befreit habe und geflohen sei. Dies gelte „insbesondere als der Geschä- digte Richtung der ca. 50 Meter vom Tatort entfernten PI 23 geflüchtet“ sei.

II.


4
1. Während die Verfahrensrügen aus dem vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgeführten Gründen versagen, hat die Sachrüge teilweise Erfolg. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei vom Handeln des Angeklagten mit Tötungsvorsatz überzeugt, auch die Annahme einer heimtückischen Begehungsweise ist nicht zu beanstanden. Jedoch erweisen sich die Erwägungen, mit denen das Landgericht zur Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs gelangt ist und daran anknüpfend einen strafbefreienden Rücktritt vom Mordversuch verneint hat, als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn sie finden in den Feststellungen keine Grundlage.
5
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), so dass ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB ausscheidet.
6
Mithin kommt es auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prü- fung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03; BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273).
7
b) Diesen Anforderungen werden die Darlegungen in den Urteilsgründen nicht gerecht.
8
Denn das Landgericht hat aus den getroffenen Feststellungen keine Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung gezogen. Hierzu ist lediglich festgestellt, dass der Geschädigte, welcher soeben noch mit Fußtritten vom Angeklagten traktiert wurde, aufstehen und fliehen konnte. Welche Vorstellungen der Angeklagte in diesem Moment des Entkommenlassens hatte, bleibt unerörtert. Aufgrund der hier festgestellten Tatumstände - der noch im Besitz des Tatwerkzeugs befindliche Angeklagte trat mit Füßen auf den am Boden liegenden Geschädigten ein, hielt den sich Befreienden aber weder fest noch setzte er ihm nach - versteht es sich auch nicht von selbst, dass sich die Befreiung und die Flucht des Geschädigten für den Angeklagten als unbezwingbar darstellten und er davon ausging, dass sein Plan in der konkreten Situation gescheitert war, zumal da auch zu den Kräfteverhältnissen zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten nichts weiter festgestellt ist.
9
Dass der Angeklagte nach der erfolgreichen Flucht des Geschädigten in Richtung einer vom Tatort nur wenig entfernten Polizeidienststelle vom Scheitern seines Tatplans ausgegangen sein soll, ersetzt diese, einen zeitlich vorgelagerten Zeitpunkt betreffende Feststellung nicht. Denn anders als in der vom Landgericht für seine Rechtsauffassung zitierten Entscheidung (BGH, Urteil vom 14. Juli 1992 - 1 StR 243/92, NStZ 1993, 39 f.) war das Opfer nicht unbemerkt vom Angeklagten geflohen. Es hätte daher hier anhand von Rückschlüssen aus den festgestellten Tatumständen einer Auseinandersetzung mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten bei der Situation des Entkommens seines Opfers bedurft.
10
c) Auf der Grundlage der Feststellungen ist auch ein beendeter Versuch nicht belegt. Der Geschädigte hatte keine sichtbaren Beeinträchtigungen, als er die Flucht ergriff. Vielmehr ist festgestellt, dass auch die Frau des Geschädigten die Verletzung am Rücken zunächst nicht bemerkte. Dass der Angeklagte davon ausgegangen wäre, den Geschädigten bereits tödlich getroffen zu haben , ist nicht naheliegend und wäre auch mit seiner nachgerufenen Drohung nicht ohne weiteres zu vereinbaren.
11
2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Von der Aufhebung erfasst wird auch die für sich genommen nicht zu beanstandende tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Feststellungen zum objektiven Geschehen und zum Tötungs- und Heimtückevorsatz werden jedoch von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen, etwa zur Kampfsituation bei Entkommen des Geschädigten treffen, solange sie den aufrechterhaltenen nicht widersprechen.
Raum Wahl Graf
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 5 8 / 1 4
vom
27. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. November 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge sowie (mit) versuchter Brandstiftung mit Todesfolge zur Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an, denn das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
2
Das Urteil kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat nicht geprüft und erörtert, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 StGB), obwohl dies rechtlich geboten war.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des Tattages, spätestens gegen fünf Uhr, zum Selbstmord durch Herbeiführen einer Explosion, durch die das gesamte Mehrfamilienhaus, in dessen ersten Obergeschoss er wohnte und das achtzehn Wohneinheiten umfasste, zum Einsturz gebracht und zerstört werden sollte. Zu diesem Zweck verband er innerhalb der folgenden circa 30 Minuten in seinem, zwei Geschosse unterhalb seiner Wohnung gelegenen Kellerraum eine dort auf dem Boden stehende elektrische Camping-Kochplatte mit einer im Kellerraum montierten Steckdose, die von seinem Schlafzimmer aus schaltbar war. Auf die Kochplatte legte er einen Stapel mit Prospekten und Zeitschriften und übergoss diesen mit Benzin. Unmittelbar neben die Kochplatte legte er einen mit einem Butan/Propangasgemisch gefüllten Behälter, der nach seiner Vorstellung durch das nach Einschalten der Kochplatte entstehende Feuer so stark erhitzt werden sollte, dass es in der Folge zu einer Gasexplosion kommt.
4
Nachdem der Angeklagte den Schalter in seinem Schlafzimmer betätigt hatte, erhitzte sich die Kochplatte, so dass sich das darauf gestapelte Papier entzündete und der Gasdruckbehälter erwärmt wurde. Infolge des Brandes entwickelte sich im Keller des Angeklagten starker Rauch, so dass ein seine Wohnung verlassender Mieter im Treppenhaus Rauchgeruch wahrnahm und einen im Erdgeschoss des Hauses wohnenden Mitbewohner über ein mögliches Feuer informierte sowie umgehend die Feuerwehr rief. Der alarmierte Mitbewohner klingelte sodann bei "sämtlichen Hausbewohnern, um diese zum Verlassen des Hauses aufzufordern". Die etwa 30 Minuten nach Bemerken des Rauchgeruches eintreffende Feuerwehr brach das sich an der Kellertür des Angeklagten befindliche Vorhängeschloss auf und löschte das auf der Kochplatte liegende, glimmende Papier sowie eine kleine offene Flamme, die auf der anderen Seite des Kellerraumes entstanden war. Der in den Kellerraum vorge- drungene Feuerwehrmann trennte sodann die Kochplatte von der Steckdose durch Herausziehen des Steckers. Eine nach dem Löschen durchgeführte Messung mittels einer Wärmebildkamera ergab eine Temperatur des Kochfeldes von etwa 180 Grad Celsius sowie eine Außentemperatur des - nahezu vollständig gefüllten - Gasbehälters von etwa 85 Grad Celsius. Zum Zeitpunkt des Brandes befanden sich neben dem Angeklagten noch 13 andere Personen in dem Haus. Nach der Verhaftung des Angeklagten war der Schalter im Schlafzimmer des Angeklagten (wieder) ausgeschaltet und in dieser Stellung mit einem Klebeband fixiert.
5
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte das Landgericht prüfen und erörtern müssen, ob der Angeklagte strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten ist; denn sie belegen weder, dass der Versuch fehlgeschlagen war, noch schließen sie es aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch der Tat zurückgetreten ist.
6
a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (s. etwa nur BGH, Urteile vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691 mwN). Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich , wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt; zumindest soll ein freiwilliger Verzicht auf weitere Tathandlungen zur Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 5 StR 239/04, NStZ-RR 2005, 70, 71).
7
Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ergibt sich auch aus ihrem Gesamtzusammenhang nicht, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die Stromzufuhr zu der Kochplatte wieder abstellte und den Schalter überklebte, der Taterfolg aufgrund der Entdeckung des Feuers und des Eingreifens der Feuerwehr nicht mehr eintreten konnte und der Angeklagte dies erkannt hatte. Das Landgericht führt im Rahmen der rechtlichen Würdigung lediglich aus, dass die Vollendung der Tat "allein durch die Alarmierung und das Eingreifen der Feuerwehr verhindert" worden sei. Zu dem Zeitpunkt , in dem der Angeklagte die weitere Stromzufuhr zu der Kochplatte unterbrach , verhalten sich die Urteilsgründe indes ebenso wenig wie zu der Frage, ob in diesem Moment das Feuer bereits entdeckt war, die Feuerwehr eingegriffen hatte und - so dies der Fall war - der Angeklagte sich dessen auch bewusst war. Zwar könnten die Feststellungen zur Temperatur der Kochplatte, der Entzündung der Prospekte und Zeitschriften sowie des Grades der Erhitzung der Gasflasche beim Eintreffen der Feuerwehr dafür sprechen, dass die Stromzufuhr erst zu einem sehr späten Zeitpunkt unterbrochen wurde. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs genügt dies ohne nähere Prüfung und Erörterung der weiteren Tatumstände indes nicht.
8
b) Auch für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; s. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; s. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Lässt sich den Urteilsfeststellungen die entsprechende Vorstellung des Täters von seiner Tat nicht entnehmen, so hält das Urteil regelmäßig sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch nicht ermöglicht (s. etwa BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 509 mwN).
9
So liegt es hier. Nach den getroffenen Feststellungen ist bereits ein freiwilliger Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch nicht ausgeschlossen. Ihnen lässt sich nicht entnehmen, welche Vorstellungen sich der Angeklagte von der Entwicklung der Vorgänge im Keller machte, als er die Stromzufuhr zur Kochplatte unterbrach, insbesondere ob er davon ausging, die Prospekte und Zeitschriften seien bereits in Brand geraten, würden die Gasflasche bis zur Explosion erhitzen oder das Feuer werde auch unabhängig hiervon auf das Wohnhaus übergreifen. Sollte seine Vorstellung gewesen sein, dass sich das Papier noch nicht entzündet hatte und auch nicht mehr entzünden werde, läge ein unbeendeter Versuch vor, von dem er durch das Abschalten des Stromes zurückgetreten wäre. Dass im Keller tatsächlich bereits ein Feuer ausgebrochen war, würde hieran nichts ändern. Da das Urteil - wie bereits dargelegt - sich auch nicht dazu verhält, ob in dem Moment, als der Angeklagte den Strom wieder ausschaltete, das Feuer bereits entdeckt, gegebenenfalls bereits die Feuerwehr vor Ort war und der Angeklagte dies auch bemerkt hatte, schließen die bisherigen Feststellungen auch die Freiwilligkeit des Rücktritts nicht aus.
10
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR168/14
vom
4. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 17. Januar 2014 aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen zu Ziffer II. der Urteilsgründe aufrecht erhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers H. Y. und dessen Sohn B. A. , sowie der Zeugin D. E. hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Am 17. März 2013 wartete der Angeklagte mit seinem Pkw Ford Galaxy vor einer Rotlicht zeigenden Ampel an einer Kreuzung im Stadtgebiet von . Als er auf dem Gehweg der kreuzenden Straße den Nebenkläger M. E. in Begleitung seiner schwangeren Ehefrau D. E. und den Nebenkläger H. Y. mit seinem 7-jährigen Sohn B. A. erblickte, fasste er aus Verärgerung über die Nebenkläger, die in der Vergangenheit seine von ihm getrennt lebende Ehefrau unterstützt hatten, spontan den Entschluss in diese Personengruppe hineinzufahren und diese zu verletzen. Nachdem die Lichtzeichenanlage auf Grün geschaltet hatte, beschleunigte der Angeklagte auf die größtmögliche Geschwindigkeit, bog in die querende Straße ein und lenkte sein Fahrzeug nach einer weiteren Kurvenfahrt mit einer Geschwindigkeit von noch mindestens 16,6 km/h mittig auf die Personengruppe zu, die sich zu diesem Zeitpunkt in Höhe einer Tankstelleneinfahrt befand. Ihm war dabei bewusst, dass es bei einem Zusammenprall der Personen mit seinem Pkw zu erheblichen Verletzungen kommen würde. Solche Verletzungen wollte er bei den Nebenklägern, weil er sie für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich hielt; bezüglich D. E. und B. A. nahm er sie zumindest billigend in Kauf. Die Nebenkläger konnten im letzten Augenblick zur Seite springen und ihre jeweiligen Begleiter wegziehen. Dabei flüchtete M. E.
mit seiner Ehefrau nach vorne, während H. Y. seinen Sohn nach hinten wegzog. Allein aufgrund dieser schnellen Reaktion blieben alle vier Personen unverletzt.
5
Der Angeklagte bremste seinen Wagen ab und setzte kurz in Richtung des Nebenklägers Y. und dessen Sohn B. A. zurück. Dann fuhr er stark beschleunigend in Richtung des Nebenklägers M. E. , der auf den Tankstellenshop zugerannt war. Als M. E. hinter einem stehenden Auto an einer Zapfsäule Zuflucht gefunden hatte, stoppte der Angeklagte seinen Wagen. Sein Vorhaben, die Nebenkläger M. E. und H. Y. zu überfahren und dadurch zu verletzen, ließ sich nun nicht mehr umsetzen, weil sich beide in Sicherheit gebracht hatten.
6
b) Das Landgericht hält einen Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 StGB für nicht gegeben, weil der Angeklagte an der weiteren Tatausführung gehindert gewesen sei. Ein „weiteres Zufahren auf die Geschädigten nach vorne“ sei ihm nicht mehr möglich gewesen, weil der Weg durch die Zapfsäule der Tankstelle versperrt gewesen sei. Da sich die Geschädigten mittlerweile aus dem Einfahrtsbereich entfernt hätten, habe auch durch ein Zurücksetzen oder ein sonstiges Fahrmanöver eine weitere Tatbegehung keinen Erfolg mehr versprochen (UA 33).
7
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei von dem Versuch der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers H. Y. und der Geschädigten B. A. und D. E. nicht zurückgetreten , wird von den Feststellungen nicht getragen.
8
a) Ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB scheidet aus, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Urteil vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 56). Ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, ist für jedes im Versuchsstadium stecken gebliebene Delikt ungeachtet der konkurrenzrechtlichen Bewertung gesondert zu prüfen (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2014 – 1 StR 367/13, Rn. 13; Urteil vom 23. Mai 2012 – 5 StR 54/12, NStZ 2012, 562). Von einem fehlgeschlagenen Versuch ist auszugehen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Gleiches gilt, wenn eine Tatvollendung objektiv zwar noch möglich ist, der Täter diese aber subjektiv nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393), sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240 mwN). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das zur revisionsrechtlichen Prüfung unerlässliche Vorstellungsbild des Angeklagten nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 StR 82/14, Rn. 5; Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274).
9
b) Bei der Prüfung, ob ein fehlgeschlagener Versuch einer gefährlichen Körperverletzung vorlag, hat das Landgericht ausschließlich auf den Zeitpunkt abgestellt, als M. E. sich vor dem stark beschleunigend auf ihn zufahrenden Pkw hinter einem Fahrzeug in Sicherheit bringen konnte. Damit ist das Landgericht zwar rechtsfehlerfrei von einem Scheitern der Tatvollendung in Bezug auf M. E. ausgegangen. Es hat aber außer Acht gelassen, dasses für die Prüfung, ob auch in Bezug auf die weiteren Tatopfer ein fehlgeschlagener Versuch vorlag, nicht auf diesen Zeitpunkt, sondern auf die Vorstellungen und Möglichkeiten des Angeklagten nach der letzten gegen sie gerichteten Ausführungshandlung ankam. Dazu wurden keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
10
In Bezug auf die nach hinten ausgewichenen H. Y. und B. A. bleibt bereits offen, welches Fahrmanöver als letzte gegen diese Personen gerichtete Ausführungshandlung anzusehen war. Die Feststellungen lassen nicht erkennen, ob es sich bei dem Zurücksetzen des Fahrzeugs in deren Richtung noch um eine Fortsetzung des mit dem Hineinfahren in die Personengruppe begonnenen Versuchs einer gefährlichen Körperverletzung handelte. In diesem Fall wäre für die Bewertung des Rücktrittshorizonts nicht auf den Erkenntnisstand des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs (Hineinfahren in die Personengruppe), sondern auf sein – gleichfalls nicht festgestelltes – Vorstellungsbild nach dem Abbruch dieses Fahrvorgangs abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, Rn. 3; Urteil vom 10. April 1986 – 4 StR 89/86, BGHSt 34, 53, 58).
11
Auch hinsichtlich der Möglichkeiten und Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf die Herbeiführung einer Tatvollendung zum Nachteil von D. E. sind auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts verlässliche Rückschlüsse auf einen Fehlschlag des Versuchs nicht möglich. Die Urteilsgründe teilen schon nicht mit, wo sich D. E. nach dem Hineinfahren in die Personengruppe aufhielt und ob sie sich vor weiteren Angriffen in Sicherheit gebracht hatte.

II.


12
Der aufgezeigte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils insgesamt , obgleich die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) und wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) zum Nachteil des Nebenklägers M. E. an sich rechtsfehlerfrei erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Da das Urteil nur Lücken zum Rücktrittshorizont des Angeklagten in Bezug auf die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der drei weiteren Tatopfer aufweist, können die im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Vortatgeschehen (II.1. der Urteilsgründe), zum Tagesablauf bis zum Tatgeschehen (II.2.a der Urteilsgründe) und zum unmittelbaren Tatgeschehen (II.2.b der Urteilsgründe) bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird daher lediglich ergänzende, zu den aufrecht erhaltenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen zu den Möglichkeiten und den Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf eine Tatvollendung zum Nachteil des Nebenklägers Y. , des B. A. und der D. E. nach der jeweils letzten Ausführungshandlung zu treffen haben.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR99/15
vom
13. August 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. August
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwältin – jeweils in der Verhandlung –
als Verteidiger des Angeklagten L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Dem Angeklagten K. wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. November 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. November 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten L. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten D. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten und den Angeklagten K. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils mit der Sachrüge; der Angeklagte D. hat zudem Verfahrensrügen erhoben. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte der Nebenkläger mit H. in einem Nebenraum der Gaststätte des Angeklagten L. um Geldbeträge Karten gespielt. H. verlor sein gesamtes Geld und warf dem Nebenkläger vor, ihn betrogen zu haben. Aus Wut schlug er dem Nebenkläger mit einem Bierkrug zweimal gegen die linke Stirnseite, so dass dieser zwei heftig blutende Platzwunden erlitt. H. ging dann in den Gastraum und beschwerte sich lautstark, dass der Nebenkläger ihn betrogenhabe und ihm das vom Nebenkläger eingesteckte Geld zustehe. Der Angeklagte L. , der dies hörte, kam mit den Angeklagten D. und K. überein, dem Nebenkläger das „eingesteckte Geld“ gewaltsam abzunehmen, um es für sich zu behalten. Sie gingen zu dritt in den Nebenraum und erklärten dem Nebenkläger abwechselnd „Gib das Geld raus, sonst kommst du hier nicht lebend raus!“. Der Angeklagte D. nahm einen Stuhl und schlug damit im Einver- ständnis mit den beiden anderen Angeklagten mehrfach auf den Kopf des Nebenklägers , der dadurch zu Boden ging. Danach hielt er die Tür des Nebenraums von innen zu, während der Angeklagte K. dem Nebenkläger mehrfach mit der Faust ins Gesicht schlug und ihn auch wiederholt gegen den Kopf trat. Der Nebenkläger kam wieder auf die Beine und versuchte, aus dem Fenster zu flüchten. Der Angeklagte L. packte ihn mit der Hand an der Kehle und sagte erneut: „Gib das Geld her, sonst kommst du hier nicht raus!“ und durchsuchte die Taschen, ohne Geld zu finden. Auch sonst gelangten die Angeklagten nicht in den Besitz des Geldes.
3
Der Angeklagte L. verließ schließlich den Nebenraum und ließ die Tür geöffnet. Die Zeugin W. bot an, dem Geschädigten Erste Hilfe zu leisten und ging in den Nebenraum. Der Angeklagte L. brachte ihr auf ihre Aufforderung Verbandszeug, warmes Wasser und Tücher in den Nebenraum. Während sich Frau W. um den Geschädigten kümmerte, versuchte der Angeklagte L. , dessen Jackentaschen zu durchsuchen. Der Geschädigte wehrte sich gegen die Bemühungen der Zeugin und die Griffe des Angeklagten L. und verließ die Gaststätte. Er wurde mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo Polizeibeamte 1.145 € in seiner innenliegenden Jackentasche fanden.
4
Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass die aufgefundenen 1.145 € das gesamte Geld aus dem Spiel mit H. waren. Es hat deshalb nicht feststellen können, dass die Angeklagten dem Geschädigten Geld abnahmen, und hat sie wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

II.


5
1. Dem Angeklagten K. war auf seinen Antrag nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Fristversäumung ihre Ursache allein im Organisationsbereich des beauftragten Verteidigers hatte.
6
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zu dessen Aufhebung , weil das Landgericht weder das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs noch die Frage eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24Abs. 1 und 2 StGB geprüft hat. Auf die vom Angeklagten D. erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
7
a) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor. Ist dies der Fall, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus. Umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpft. Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; zur revisionsgerichtlichen Überprüfung ferner: BGH, Beschlüsse vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ-RR 2014, 201, 202; vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ-RR 2015, 105, 106; vom 4. Juni 2014 – 4 StR 168/14 jeweils mwN). Dies gilt umso mehr, wenn es sich um ein mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man eine Zäsur annehmen, wäre die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274).
8
b) Diesen Anforderungen werden die Darlegungen in den Urteilsgründen nicht gerecht.
9
Denn das Landgericht hat weder ausdrückliche Feststellungen zum Rücktrittshorizont der Angeklagten getroffen noch aus den getroffenen Feststellungen Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild der Angeklagten nach Abschluss der – jeweiligen – letzten Ausführungshandlung gezogen. Vielmehr hat es zum ersten Handlungsabschnitt lediglich festgestellt, dass die Angeklagten das Geld bei der Durchsuchung der Taschen des Opfers nicht fanden und nicht in den Besitz des Geldes gelangten. Dass es infolge der erfolglosen Durchsuchung des Nebenklägers nicht zur Vollendung der Tat kam, begründet indes allein weder einen Fehlschlag des Versuchs, noch können hieraus derart sichere Schlüsse zur Frage der Freiwilligkeit des Nicht-Weiterhandelns gezogen werden , dass es dem Senat möglich ist, die vom Tatrichter nicht ausdrücklich getroffenen Feststellungen selbst zweifelsfrei dem Gesamtzusammenhang des Urteils zu entnehmen. Denn die Angeklagten wussten, dass der Nebenkläger das gewonnene Geld eingesteckt und – nach den Feststellungen ersichtlich – noch bei sich hatte. Entsprechendes gilt bezüglich des zweiten Handlungsabschnitts. Insoweit bleibt offen, ob das erneute Durchsuchen des Opfers in Anwesenheit der Zeugin W. Teil eines mit dem ersten Handlungsabschnitt einheitlichen Geschehens darstellt, oder ob eine Zäsur eingetreten war, als (nur?) der Angeklagte L. den Nebenraum verließ. Auch hier bleibt unerör- tert, welche Vorstellungen der Angeklagte L. bzw. die Angeklagten im Moment des Entkommenlassens des Opfers hatten.
10
3. Der Darlegungs- und Erörterungsmangel nötigt insgesamt zur Aufhebung des Urteils, wenngleich die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei erfolgt ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender