Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2002 - 5 StR 138/02

bei uns veröffentlicht am14.05.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 138/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2002

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. November 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und hat seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten dringt mit der Sachrüge durch. Die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand; dies zieht hier die Aufhebung des gesamten Urteils nach sich.
1. Wegen einer Serie von acht zwischen August 1987 und April 1989 jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangener Taten (teils versuchter) sexueller Nötigungen bzw. Vergewaltigungen wurde der Angeklagte im Februar 1990 zu zwei Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Nachdem er Ende Oktober 1990 vorzeitig auf Bewährung entlassen worden war, begann er bereits im März 1991 eine bis August 1991 andauernde Serie von fünf erneut im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangener Vergewaltigungen. Deshalb wurde er im Mai 1992 unter Einbeziehung der vorgenannten Bestrafung zu einer einheitlichen Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt, und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet.
Nachdem der Vollzug der Unterbringung Anfang des Jahres 2000 während einer Lehre des Angeklagten erheblich gelockert worden war, beging dieser im Juli 2000 während des fortdauernden Vollzugs der Unterbringung die jetzt zu beurteilende Tat: Er überfiel in den Morgenstunden auf dem Weg zu seiner Lehrstelle in einer Grünanlage von hinten eine Frau, drückte der Geschädigten die Luft ab, zog sie ins Gebüsch, brachte sie zu Boden, würgte sie und versuchte, sie mit Schlägen vom Schreien abzuhalten, bevor er nach einem stärkeren Hilfeschrei von ihr abließ und flüchtete.
2. Das Landgericht hat sich bei diesem Tathergang rechtsfehlerfrei – unter maßgeblicher Berücksichtigung der entsprechenden Vorgehensweise des Angeklagten bei seinen früheren Tatserien – von dessen Ziel überzeugt , gewaltsam sexuelle Handlungen an seinem Opfer vorzunehmen. Auch bestehen angesichts der Feststellungen zu den Schreien des Opfers und den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten an dem nicht völlig unbelebten Tatort (UA S. 29) gegen den Ausschluß eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch der sexuellen Nötigung letztlich keine durchgreifenden Bedenken (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 24 Rdn. 23 m.w.N.), wenngleich es insoweit an grundsätzlich erforderlichen näheren rechtlichen Ausführungen des Landgerichts fehlt.
3. Nicht nachvollziehbar bleibt indes der Ausschluß erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat.
Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, daû beim Angeklagten ungeachtet einiger Therapiefortschritte während der Unterbringung nach wie vor eine “schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narziûtischen, dissozialen und emotional-instabilen Anteilen sowie einer Störung der sexuellen Präferenz im Sinne eines sexuellen Sadismus”, mithin eine schwere andere seelische Abartigkeit (UA S. 33) vorlag. Der spezifische enge motivatorische Zusammenhang dieser schweren psychischen Störung des Angeklagten mit der festgestellten Tat indiziert, wie auch die Revision zutreffend ausführt, eine erhebliche Verminderung seiner dabei vorhandenen Steuerungsfähigkeit (vgl. nur Tröndle/Fischer aaO § 21 Rdn. 4 m.w.N.). Die im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen von der Strafkammer gegen die Annahme einer Erheblichkeit der zustandsbedingten Herabsetzung des Steuerungsvermögens angeführten Erwägungen sind demgegenüber fast durchweg zweifelhaft und können insgesamt nicht als tragfähig anerkannt werden. Der Umstand, daû es während der andauernden Kontrolle in der Unterbringungssituation lediglich zu einer Einzeltat gekommen ist, mag das Bestehen nach wie vor vorhandener Selbstkontrollmöglichkeiten des Angeklagten belegen; hierdurch läût sich indes nicht widerlegen , daû diese ungeachtet noch recht massiver Auûenkontrolle und trotz nachdrücklichster Warnungen durch den fortdauernden Maûregelvollzug bei ihm anlagebedingt instabil sind. Nichts anderes gilt für den bewuûten ± wenngleich rechtlich als unfreiwillig bewerteten ± Abbruch der Tat, wie er auch bei Einzelfällen der ersten Tatserie des Angeklagten erfolgt war. Die auch sonst gereizte und aggressive Stimmung des Angeklagten im Tatzeitpunkt mag die Überwindung der gebotenen Eigenkontrolle trotz aller Auûeneinwirkungen erklären, ein Beleg gegen eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit ist auch hierin nicht zu finden. Schlieûlich sind auch aus dem planvollen und gezielten Tatverhalten des Angeklagten keine hinreichenden Anzeichen für eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung seines Hemmungsvermögens bei Tatplanung und -begehung zu ersehen (vgl. auch BGH, Beschl. vom 7. März 2002 ± 3 StR 335/01 zur minderen Bedeutung des Leistungsverhaltens für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit durch schwere seelische Abartigkeit). Allein aus dem eher unauffälligen Nachtatverhalten läût sich solches auch kaum herleiten.
4. Der Senat sieht sich veranlaût, das Urteil insgesamt aufzuheben. Infolge lückenhafter Prüfung enthält es auch Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten. So hat das Landgericht es unterlassen, das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) zu prüfen, die nach den Feststellungen durch eine Begehungsweise mittels eines hinterlistigen Überfalls in Betracht zu ziehen ist, insbesondere aber angesichts der massiven Einwirkungen auf die Luftzufuhr der Geschädigten wegen einer Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung auf der Hand liegt. Nach den rechtsfehlerfrei angestellten Überlegungen zu den Parallelen mit den Vortaten des Angeklagten wäre ferner eine weitergehende Feststellung der Tatziele des Angeklagten in Betracht zu ziehen gewesen, die seine Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) hätte rechtfertigen können. Für eine Durchentscheidung zum Nachteil des Angeklagten fehlt es jedenfalls insoweit an ausreichenden Feststellungen.
Die Rechtsfehler beschweren den Angeklagten zwar nicht. Wenn die lückenhafte Beurteilung aber bei erneuter umfassender Beurteilung vermieden wird, könnte dies auch bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB dazu führen, daû die Schuld des Angeklagten im Ergebnis nicht geringer als bislang zu bewerten sein wird.
Eine durch bisherige Feststellungen nicht eingeschränkte, umfassende eigene Sachprüfung durch den neuen Tatrichter ist daher vorzugswürdig (vgl. auch BGH, Urt. vom 23. Januar 2002 ± 5 StR 391/01). Der neue Tatrichter wird danach zu Schuldspruch und Maûregelanordnung umfassend ohne Bindung an das angefochtene Urteil, zur Strafe unter Bedacht auf § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO neu zu befinden haben. Auch unter Berücksichtigung der schützenswerten Belange der Nebenklägerin erscheint eine solche Verfahrensweise bei der gegebenen Beweislage, bei der eine sie besonders belastende zeugenschaftliche Vernehmung zu vermeiden sein wird, noch vertretbar.
5. Angesichts des Verlaufs der bisherigen Therapie erscheint es geboten , daû der neue Tatrichter nunmehr einen weder während der Therapie im Maûregelvollzug noch auch nur im Vollstreckungsverfahren mit dem Angeklagten befaûten Sachverständigen zu dessen Schuldfähigkeit vernimmt. Sofern dieser zu gleichen Befunden wie der bisherige Sachverständige gelangt , läge bei gleichen oder gar schwereren Feststellungen zur Tat die gesicherte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB auf der Hand, welche ± neben einer kaum milderen Bestrafung ± die erneute Anordnung einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB nach sich ziehen dürfte.
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sind bei einer Strafhöhe wie bisher, wenn nicht bereits nach § 66 Abs. 1 StGB (vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 4), jedenfalls nach § 66 Abs. 2 StGB erfüllt. Es käme daher nicht auf die vom Bundesgerichtshof , soweit ersichtlich, noch nicht entschiedene Rechtsfrage zu den formellen Voraussetzungen der vom Landgericht herangezogenen Norm des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB an, ob bereits eine frühere Verurteilung wegen mehrerer der genannten Straftaten zu drei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe, somit ohne weiteres die gegen den Angeklagten zuletzt verhängte einheitliche Jugendstrafe , ausreichte (so Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 66 Rdn. 61) oder ob eine entsprechend hohe Einzelfreiheitsstrafe zu verlangen wäre (so Hanack in LK 11. Aufl. Nachtrag zu § 66 Rdn. 8); für den letztgenannten Fall fehlte es an der gebotenen tatrichterlichen Prüfung, ob für eine der durch die einheitliche Jugendstrafe sanktionierten einschlägigen Taten allein drei Jahre Jugendstrafe verhängt worden wären.
Neben einer erneuten Unterbringung nach § 63 StGB käme indes eine Unterbringung nach § 66 StGB gemäû § 72 Abs. 1 StGB angesichts identischer Ursachen von psychischer Störung und Hang nicht in Betracht (vgl. BGH, Urt. vom 19. Februar 2002 ± 1 StR 546/01 und vom 20. Februar 2002 ± 2 StR 486/01). Der gebotene Schutz der Allgemeinheit vor dem gefährlichen Angeklagten wäre dann allein im Vollzug der Unterbringung nach § 63 StGB zu gewährleisten (BGH aaO).
Harms Häger Basdorf Brause Schaal

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2002 - 5 StR 138/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2002 - 5 StR 138/02

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2002 - 5 StR 138/02 zitiert 10 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

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(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am we

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 391/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Januar
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. März 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit der erhobenen Sachrüge hat die Revision des Angeklagten Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Der Angeklagte tötete vorsätzlich seine 14jährige Cousine, deren “freizügiges Verhalten” ihn “provozierte”, aus einem “Bestrafungs- und Zerstörungsimpuls” mit “Vernichtungswillen”. “Er wollte das ‚böse Mädchen‘ sexuell erniedrigen und anschließend ‚als Frau‘ zerstören.” Er versetzte ihr 36 Messerstiche in den Bauch- und Brustbereich, wodurch Lunge, Herz, Leber und Darm durchgreifend verletzt wurden. Ferner setzte er zahlreiche Stichverletzungen im Gesäß und im Rücken. Schließlich rammte er einen 54 cm langen Holzstock mit erheblichem Kraftaufwand in die Scheide und 30 cm tief in den Körper. In den After führte er einen Kofferanhänger ein. Hierin hat das Landgericht rechtsfehlerfrei einen grausam und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mord gefunden. Das Landgericht hat nach Anhörung zweier psychiatrischer Sachverständiger uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Es hat insbesondere das Vorliegen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie und einen hochgradigen Affekt ausgeschlossen.
Die Urteilsausführungen tragen die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit nicht. Unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Ganzheitsbetrachtung (vgl. BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 4) ist namentlich die Erörterung zu vermissen, ob etwa eine schwere seelische Abartigkeit, die im Urteil (UA S. 25) nur am Rande erwähnt ist, vorliegt. Schon das auûergewöhnliche Bild der hiesigen Tat (vgl. dazu auch BGH, Beschl. vom 28. November 2001 ± 5 StR 434/01) und zudem die im Jahr 1989 vom Angeklagten in Ruûland begangene Tat, die wesentliche Parallelen zur hiesigen Tat aufweist, einschlieûlich der damals gestellten Diagnosen (UA S. 4) machen eine eingehende Prüfung und Erörterung unter dem Gesichtspunkt des etwaigen Vorliegens eines psychischen Defekts der genannten Art unerläûlich.
Die aufgezeigten Mängel bei der Beurteilung der Frage uneingeschränkter Schuld führen zur Aufhebung des Schuldspruchs mit den Feststellungen. Der neue Tatrichter muû Gelegenheit haben, bei der gebotenen umfassenden neuen Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten das objektive Geschehen selbst festzustellen. Deshalb hebt der Senat das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf.
Sollten in der neuen Hauptverhandlung auch nur die Voraussetzungen des § 21 StGB festgestellt werden, liegt die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auf der Hand; das Verschlechterungsverbot stünde ihr nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Für die Annahme des hierfür erforderlichen stabilen und massiven psychischen Defekts des Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Urt. vom 4. März 1996 ± 5 StR 524/95, insoweit in NStZ 1996, 380 und StV 1997, 127 nicht abgedruckt ) liegen trotz bislang nicht erfolgter Feststellung der Voraussetzungen des § 21 StGB angesichts der biographischen Besonderheiten des Angeklagten im Zusammenhang mit der früheren gravierenden Gewalttat und mit bereits früher ± u.a. als Reaktion hierauf ± veranlaûten stationären Behandlungen in psychiatrischen Kliniken sowie im Blick auf das ungewöhnlich grausame, teilweise bizarre Tatbild und die auûergewöhnliche Tatmotivation deutliche Anhaltspunkte vor. Immerhin hat auch einer der bisher gehörten Sachverständigen eine ªtief verwurzelte Sexualproblematikº beim Angeklagten diagnostiziert, die während der Tat zum Durchbruch gelangt sei.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 546/01
vom
19. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Februar 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 9. Juli 2001 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und in den Fällen der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zum Nachteil H. inW. und der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil K. im Ausspruch über die Einzelstrafen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit der Vollzug von zwei Dritteln der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde.
3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten werden verworfen.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die aufgehobenen Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe , sowie über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, daß zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel vollzogen werden. Hinsichtlich des Vorwurfs einer weiteren gefährlichen Körperverletzung hat es das Verfahren wegen Verjährung gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.
Die uneingeschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet insbesondere die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Insoweit bleibt das Rechtsmittel erfolglos. Es führt jedoch zur Aufhebung von zwei der vier Einzelstrafen sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten. Die Revision des Angeklagten wendet sich mit der Sach- und einigen Formalrügen gegen alle Fälle der Verurteilung. Sie hat nur hinsichtlich der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Erfolg.

II.


Die Strafkammer hat festgestellt:
Der Angeklagte ist 37 Jahre alt. Eine Sauerstoffmangelsituation bei seiner Geburt oder eine fiebrige Impfreaktion des Angeklagten als Kleinkind führten zu einer leichten frühkindlichen Hirnschädigung und zu einer Reifeverzögerung. Als Legastheniker besuchte er eine Sonderschule für Lernbehinderte , die er mit durchschnittlichen Noten beendete. Eine abgeschlossene Berufsausbildung erreichte der Angeklagte nicht. Häufiger Stellenwechsel sowie Zeiten von Arbeitslosigkeit und Krankheit, meist psychosomatischer Natur, prägten sein Arbeitsleben.
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken führten schon während der Schulzeit zu erster nervenärztlicher Behandlung des Angeklagten. Seit 1990 befand sich der Angeklagte wiederholt in psychiatrischer Behandlung, auch unter Einsatz von Psychopharmaka und Neuroleptika. Der Angeklagte leidet nunmehr unter einer facettenreichen schweren Persönlichkeitsstörung, einer Psychopathie mit schwerem Krankheitswert, geprägt durch emotionale Instabilität und massive Aggressivität. Dagegen liegen ebensowenig eine Psychose noch eine Erkrankung des cerebralen Nervensystems oder eine strukturelle Schädigung des Gehirns vor. Seine Sexualität stellt sich heute als Spiegelbild seiner negativen Persönlichkeitsentwicklung dar. Positive Gefühle spielen keine Rolle; seine Partner sieht er als bloûe Objekte, deren sexuell bestimmte Unterwerfung er erstrebt, auch mit sadistischer Vorgehensweise und mit Folter. Er liebt Fesselungen und neigt dazu, bei Sexualkontakten Gegenstände zu benutzen. Mit der Zeit entwickelte er ein negatives Frauenbild,
weshalb er sich während der letzten Jahre immer mehr gleichgeschlechtlichen Partnern zuwandte.
Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft wegen unerlaubten Führens von Schuûwaffen, Urkundenfälschung, Sachbeschädigung, Betrugs, Körperverletzung , Nötigung, falscher Verdächtigung, Gefährdung des Straûenverkehrs , aber auch wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung. In Strafhaft war er noch nie. Bisher wurde die Vollstreckung verhängter Freiheitsstrafen - maximal ein Jahr sechs Monate - immer zur Bewährung ausgesetzt.
Die Taten:
1. An einem unbekannten Tag in der Zeit von Mai 1998 bis Dezember 1999 hatte der Angeklagte einen etwa 18jährigen Mann bei sich in der Wohnung. Der Angeklagte veranlaûte diesen, Whisky und Wodka in groûen Mengen zu trinken, um dann an dem Betrunkenen leichter gegen dessen Willen den Analverkehr ausüben zu können. Gegen den ersten Versuch des Angeklagten, dem Geschädigten die Unterhose auszuziehen, wehrte sich dieser noch mit den Worten “Hör auf, Alter”, klopfte ihm auf die Finger und zog die Hose wieder hoch. Nach der Ausübung geduldeter beischlafähnlicher Bewegungen auf seinem Opfer kettete der Angeklagte plötzlich dessen Hände am Bettgestell fest, zog ihm die Unterhose aus, drehte ihn auf den Bauch, wodurch die angeketteten Arme verdreht wurden, und führte seinen erigierten Penis in den After des Geschädigten ein. Dieser wehrte sich, jammerte und weinte. Von weiteren sexuellen Handlungen nahm der Angeklagte dann Abstand und stellte sein Verhalten als “Spaû” dar. Mittels fest installierter Kamera hielt der Angeklagte das Geschehen auf Video fest.

2. Am 5. Dezember 1998 lernte der Angeklagte auf dem ªStrichº beim Bahnhof Zoo Julian O. - sechzehn Jahre - und Harun K. - vierzehn Jahre - kennen. Der Angeklagte, der glaubte auch Harun K. sei bereits 16 Jahre alt, lud die beiden Jungen für ein Wochenende zu sich nach W. ein. Dort kam es im Verlauf des 6. Dezember zunächst stundenlang zu vielfältigen freiwilligen sexuellen Aktivitäten miteinander. Plötzlich ging der Angeklagte dazu über, den heftig protestierenden und sich wehrenden Harun K. zu miûhandeln, insbesondere um den von diesem abgelehnten Analverkehr zu erzwingen. Er fesselte Harun K. deshalb mit Handschellen ans Bettgestell und übte zunächst beischlafähnliche Bewegungen bis zum Samenerguû auf ihm aus. Anschlieûend lieû er den verängstigten Jungen etwa eine halbe Stunde in seiner hilflosen Lage liegen, um sich über dessen Furcht zu amüsieren. Nach kurzzeitiger Befreiung kettete der Angeklagte sein Opfer erneut mit Handschellen ans Bett und stach ihm an beiden Füûen unter die Zehennägel mit Nadeln, die er stecken lieû und zur Schmerzerhöhung immer wieder antippte. Weiter schüttete er eine scharfe, brennende Flüssigkeit auf die Eichel des Penis von Harun K. . Vollends in Panik und Todesangst geriet dieser als der Angeklagte - um Harun K. weiter ªgefügig zu machenº - ein Feuerzeug mit groûer Flamme an dessen After, Hodensack und Oberschenkel hielt. So in seinem Willen gebrochen stimulierte der kurzzeitig entfesselte Harun K. den Angeklagten manuell und oral. Sein anschlieûender Versuch, an Harun K. den Analverkehr auszuüben, miûlang mangels ausreichender Erektion, trotz Stimulation durch leichte Peitschenhiebe auf das Gesäû von Harun K. . Weinend lieû dieser es über sich ergehen, daû stattdessen zunächst Julian O. auf Weisung des Angeklagten und dann dieser selbst mit mehreren Fingern schmerzhaft in
seinem After bohrten. Auch diese Vorgänge hielt der Angeklagte auf Video fest.
3. a) Am Bahnhof Zoo ging auch Andre H. der Prostitution nach. Andre H. hatte den Angeklagten im Februar 1999 ªgelinktº. Nach Erhalt des Preises für den vereinbarten Sexualkontakt war er verschwunden ohne die versprochene Gegenleistung zu erbringen. Am Abend des 19. Juli 2000 traf der Angeklagte Andre H. am Bahnhof Zoo wieder. Dieser stand unter massivem Einfluû von Beruhigungstabletten und Heroin. Den Angeklagten erkannte er deshalb nicht. Beide vereinbarten Sexualkontakt gegen die Bezahlung von 70 DM - Analverkehr schloû Andre H. ausdrücklich aus - und fuhren im Pkw des Angeklagten auf einen einsamen Parkplatz. Dort gab sich der Angeklagte zu erkennen, warf Andre H. den früheren Vorfall vor, ohrfeigte ihn, lieû sich dessen Geldbeutel samt Personalausweis aushändigen , zwang ihn unter Androhung weiterer Schläge, sich nackt auszuziehen, auszusteigen und sich bäuchlings auf die Motorhaube zu legen. Dann übte er gegen dessen Willen den Analverkehr bei dem damals 19jährigen Andre H. aus.

b) Der Angeklagte entschloû sich nun, Andre H. mitzunehmen und bei sich zu Hause als ªSexsklaven zu haltenº. Er fesselte ihn mit Metallschellen an Händen und Füûen und verbrachte ihn mit seinem Pkw in seine Wohnung in W. . Dort trafen sie am 21. Juli 2000 gegen 6.00 Uhr ein. Andre H. blieb nahezu zwei Tage eingesperrt, zeitweise alleingelassen mit ungewissem Schicksal, meist eng gefesselt, zuweilen den Mund mit Pflaster zugeklebt. Während dieser Zeit übte der Angeklagte noch
mindestens dreimal an seinem sich wehrenden, aber durch Drogen und Medikamente geschwächten Opfer den Analverkehr aus, stach ihm - auch um ihn gefügig zu machen - mit einer Nähnadel jeweils fünf Millimeter tief unter die Zehennägel seines linken Fuûes, zwang ihn zum Oralverkehr, mindestens viermal bei sich und einmal bei Maik D. , einem Obdachlosen vom Bahnhof Zoo, der auf Einladung des Angeklagten nach W. mitgekommen war. Dieser bohrte auf Anweisung des Angeklagten mit drei Fingern schmerzhaft im After des Andre H. . Am 22. Juli 2000 wurde Andre H. gegen 22.30 Uhr von der Polizei befreit, deren Benachrichtigung Maik D. schlieûlich veranlaût hatte.
In - nicht ausschlieûbar - verjährter Zeit miûhandelte der Angeklagte einen weiteren ans Bett gefesselten Jungen mit Nadelstichen und Schlägen.
Bei der Begehung aller Taten war der Angeklagte aufgrund seiner schweren Persönlichkeitsstörung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

III.


1. Mit ihrer unbeschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision zum Nachteil des Angeklagten beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere , daû die Strafkammer neben der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht auch dessen Unterbringung in Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die Revision führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.2 und II.3b sowie der Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten. Die weitergehende Revision ist unbegründet.


a) Das Landgericht hat in allen vier Fällen der Bemessung der Einzelstrafen den gemäû § 21 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB - also Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren - zugrunde gelegt und folgende Einzelstrafen verhängt: im Fall 1 (zum Nachteil des achtzehnjährigen Mannes): drei Jahre Freiheitsstrafe, im Fall 2 (zum Nachteil des Harun K. ): vier Jahre Freiheitsstrafe, im Fall 3a (zum Nachteil des Andre H. in B. ): vier Jahre Freiheitsstrafe und im Fall 3b (zum Nachteil des Andre H. in W. ): sieben Jahre Freiheitsstrafe. In den Fällen 2 und 3b hat die Strafkammer zwar hinsichtlich des ideal konkurrierenden § 224 Abs. 1 StGB die vom Angeklagten benutzten Nadeln und das brennende Feuerzeug - so wie beides eingesetzt wurde - zutreffend als gefährliche Werkzeuge bewertet. Damit hat der Angeklagte in diesen Fällen jedoch auch die Qualifikation der Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs gemäû § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwirklicht. Denn Nadeln und brennendes Feuerzeug gebrauchte er bei seinen sexuellen Handlungen (vgl. BGHSt 46, 225; BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5) zumindest auch als Nötigungsmittel. Zugleich miûhandelte der Angeklagte seine Opfer mit Nadelstichen und den damit verbundenen Eingriffen in deren körperliche Integrität unter Beifügung erheblicher Schmerzen schwer im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB (BGH NJW 2000, 3655). Auûerdem stellten Klebeband (vgl. NStE Nr. 17 zu § 223a StGB) und Handschellen (vgl. BGH NStZ 1999, 242, 243) hier Mittel im Sinne von § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB dar, um den Widerstand der Geschädigten mit Gewalt zu überwinden. Damit ist der Angeklagte in diesen beiden Fällen der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 und 2 StGB) in den Qualifikationen des § 177 Abs. 3 Nr. 2 sowie des § 177 Abs. 4 Nr. 1 und 2a StGB schuldig. Insoweit hat der Senat in der Sache selbst ent-
schieden. Einer Änderung der Tatbezeichnung in der Urteilsformel bedarf es nicht. Die Qualifikationen der sexuellen Nötigung bzw. der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 3 und Abs. 4 StGB kommen im Urteilstenor nicht zum Ausdruck (BGH NStZ 2000, 254, 255). Das Landgericht wird jedoch bei der neuen Entscheidung die Liste der angewendeten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) dementsprechend zu ergänzen haben. Das Vorliegen der genannten Qualifikationen führt ausgehend von § 177 Abs. 4 StGB - nach Milderung gemäû §§ 21, 49 StGB - zu dem Strafrahmen von zwei Jahren bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. Der Senat vermag nicht auszuschlieûen, daû die Strafkammer, ausgehend von der höheren Mindeststrafe und unter Berücksichtigung der weiteren Aspekte, in beiden Fällen auf höhere Einzelstrafen und in der Konsequenz auf eine höhere Gesamtstrafe erkannt hätte. Hierüber muû daher neu befunden werden. Die von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind nicht betroffen und können bestehen bleiben. Sie dürfen durch weitere, nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden. Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist hier von der Strafzumessung nicht beeinfluût.

b) Weitere Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten läût das Urteil nicht erkennen.
Es ist insbesondere revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daû die Strafkammer darauf verzichtet hat, neben der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus auch seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Die Strafkammer hat, sachverständig beraten, die Voraussetzungen des § 63 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Der Angeklagte beging die Taten im Zustand positiv festgestellter verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB). Seine Steuerungsfähigkeit war in Folge seiner schweren Persönlichkeitsstörung, einer Psychopathie mit schwerem Krankheitswert, die als ªschwere andere seelische Abartigkeitº im Sinne von § 20 StGB einzuordnen ist, erheblich beeinträchtigt. Die Strafkammer ist aufgrund einer Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten zu dem Ergebnis gekommen, daû von ihm in Folge seiner Erkrankung - ohne Unterbringung - auch in Zukunft ªmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitº weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind.
Das Landgericht ist weiter zu dem Ergebnis gekommen, daû beim An- geklagten auch die Voraussetzungen für eine Anordnung der Unterbringung in Sicherungsverwahrung gemäû § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB (und auch gemäû § 66 Abs. 2 StGB - bei Einzelstrafen in Höhe von drei, zweimal vier Jahren und von sieben Jahren) i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegen. Es hat ersichtlich angenommen, daû der Hang (i.S.v. § 66 StGB) zu erheblichen Straftaten (vgl. BGH NStZ 2000, 587 und 1999, 502) hier ausschlieûlich auf der ªErkrankungº (dem Zustand) des Angeklagten i.S.v. § 63 StGB beruht.
Gemäû § 72 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer dann - ausgehend von den in BGH NStZ 1998, 35 f., genannten Grundsätzen - entschieden, daû bei diesem Angeklagten allein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus genügt, um den (Gesamt-)Zweck (beider Maûnahmen) zu erreichen, also beim Angeklagten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht zusätzlich nötig ist. Dies ist frei von Rechtsfehlern. Die Unterbringung in ei-
nem psychiatrischen Krankenhaus ist hier ausreichend, um die Allgemeinheit dauerhaft vor weiteren, vom Angeklagten drohenden Straftaten zu schützen.
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dienen beide (wie auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäû § 64 StGB) dem Schutz der Allgemeinheit vor auch in Zukunft gefährlichen Straftätern unabhängig vom Strafvollzug. Sie sind jedoch in ihrer unmittelbaren Zweckbestimmung und in ihren Voraussetzungen hinsichtlich der Erwartung künftiger Straftaten nicht deckungsgleich. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (oder in einer Entziehungsanstalt ) ist daher gegenüber der Sicherungsverwahrung im Grundsatz ªkein geringeres, sondern ein anderes Übelº (BGHSt 5, 312, 314; BGH NStZ 1981, 390), so daû deren gleichzeitige Anordnung grundsätzlich rechtlich möglich ist (§ 72 Abs. 2 StGB).
Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) sichert durch Einsperren des Verurteilten unabhängig von der verhängten Strafe. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) stellt auûerdem auf Heilung ab, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zielt allein auf Befreiung von der Sucht (§ 64 Abs. 2 StGB).
Da bei diesem Angeklagten der Hang i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BGH NStZ 1999, 501, 502) allein auf Umständen beruht, die als ªStörungº Grundlage der Maûregel gemäû § 63 StGB sind, wird nach deren Beseitigung durch erfolgreiche Behandlung in der Psychiatrie kein - weitergehender - Hang zur Begehung von Straftaten mehr bestehen. Stünde danach zu erwarten, daû die Gefährlichkeit des Täters durch die Behandlung im
psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) behoben werden kann, dürfte wegen des Vorrangs der Besserung und des Ultima-ratio-Charakters der Sicherungsverwahrung schon deshalb lediglich die Unterbringung im Krankenhaus angeordnet werden (vgl. LK-Hanack StGB 11. Aufl. § 72 Rdn. 24).
Dies gilt selbst bei zweifelhaften Heilungsaussichten. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB setzt den Erfolg einer Therapie nicht zwingend voraus (Schönke/Schröder-Stree StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 20 m.w.N.). Nach der gesetzlichen Regelung sind von einer Maûnahme nach § 63 StGB solche Täter nicht von vorneherein ausgenommen , bei denen die Aussicht auf Besserung von vorneherein zweifelhaft ist (BGH NStZ 1999, 122, 123; BGH NStZ-RR 1999, 44; BGHSt 34, 22, 28). Wenn sich während des Aufenthalts in einem psychiatrischen Krankenhaus herausstellen sollte, daû entgegen der ursprünglichen Prognose eine erfolgreiche Behandlung nicht möglich ist, hat sich damit die Maûregel nicht zwangsläufig erledigt. Denn mit der Unterbringung nach § 63 wird - im Gegensatz zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 64 Abs. 2 StGB - BGH NStZ 2000, 25, 26; Schönke/Schröder-Stree StGB 26. Aufl. § 64 Rdn. 64) - ergänzend über die Behandlung hinaus ein bloûer Sicherungszweck verfolgt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dauert daher fort, solange vom Angeklagten die in § 63 StGB genannte Gefahr ausgeht. Nach § 136 StVollzG sollen die in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zwar in erster Linie behandelt werden, damit sie für die Allgemeinheit nicht mehr gefährlich sind. Ist die erstrebte Heilung und Besserung des Zustands nicht möglich, beschränkt sich nach § 136 Satz 2 StVollzG ("soweit möglich" soll er geheilt oder sein Zustand gebessert werden ) und § 136 Satz 3 StVollzG die Verpflichtung der Anstalt darauf, die er-
forderliche Aufsicht, Betreuung und Pflege zu gewährleisten. Der Sicherungszweck erfordert deshalb bei einer Maûnahme nach § 63 StGB auch bei zweifelhaften Heilungsaussichten nicht regelmäûig die kumulative Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, während im Gegensatz dazu bei einer Maûnahme nach § 64 StGB im Hinblick auf den Behandlungserfolg in der Entziehungsanstalt ein hohes Maû an prognostischer Sicherheit gegeben sein muû, um von - zusätzlicher - Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung , wenn deren Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, absehen zu können (BGH NJW 2000, 3015, 3016).
Auch für die Allgemeinheit besonders gefährliche Täter sind von der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht auszuschlieûen. Zwar müssen bei der Unterbringung gemäû § 63 StGB wegen des Vorrangs der Therapie zunächst ärztlich-psychiatrische Gesichtspunkte Vorrang haben. Solange vom Verurteilten eine Gefahr ausgeht, sind jedoch - wie im Strafvollzug - die für den Maûregelvollzug Verantwortlichen berechtigt und verpflichtet , im Einzelfall Maûnahmen zu ergreifen, die das Verbleiben des Untergebrachten auch gegen dessen Willen in der Anstalt gewährleisten. Die Erwägung , der Angeklagte könne in einer Haftanstalt besser überwacht werden, wäre deshalb eine auûerhalb der Ziele des Maûregelvollzugs liegende Zweckmäûigkeitsüberlegung (BGH NStZ-RR 1999, 44). Zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 72 Abs. 2 StGB) kommt neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur in Betracht, wenn - anders als bei diesem Angeklagten - auch nach Wegfall des von § 63 StGB vorausgesetzten Zustandes die Gefährlichkeit aufgrund eines aus anderen Gründen gegebenen Hangs zu erheblichen Straftaten fortbestehen wird.
Die Strafkammer hat weiter mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt, daû der Angeklagte - wenn auch nur im Rahmen einer langen Behandlung - voraussichtlich therapierbar ist. Der Angeklagte äuûerte auch den Willen, sich einer Therapie zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund ist es rechtsfehlerfrei, wenn sich die Strafkammer sachverständig beraten aufgrund einer Gesamtabwägung gemäû § 72 Abs. 1 StGB für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten allein in einem psychiatrischen Krankenhaus entschieden hat, zumal hier nur die Voraussetzungen einer fakultativen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 und 3 StGB) gegeben sind.
2. Die Revision des Angeklagten hat nur mit der Sachrüge insoweit Erfolg, als die Anordnung des Vorwegvollzugs von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor der angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67 Abs. 2 StGB) mit der von der Strafkammer gegebenen Begründung keinen Bestand hat.

a) Die Revision rügt zu Unrecht die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 13. Verhandlungstag ohne den Angeklagten sowie seine fehlende Unterrichtung über den wesentlichen Inhalt dessen, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.
Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Der Angeklagte, der bereits Gelegenheit gehabt hatte, sich zur Sache zu äuûern (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO), konnte am 13. Verhandlungstag, dem 2. Juli 2001, nicht zur Hauptverhandlung vorgeführt werden, da er in Folge
der Einnahme einer Überdosis von antidepressiv wirkenden Tabletten verhandlungsunfähig war und deshalb auch unter ärztlicher Beobachtung bleiben muûte. Die Strafkammer stellte nach Einholung der notwendigen Informationen und der Anhörung eines Sachverständigen fest, ªdaû der Angeklagte seine Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt hatº. Sie lehnte deshalb den auf die §§ 231, 231a StPO gestützten Antrag des Verteidigers , das Verfahren auszusetzen, ab und beschloû statt dessen, die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten fortzusetzen (§ 231 Abs. 2 StPO), insbesondere zur Vernehmung des - sonst in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht mehr greifbaren - Zeugen Andre H. , dem Geschädigten in den Fällen 3a und 3b. Am folgenden Verhandlungstag, dem 4. Juli 2001, war der Angeklagte wieder anwesend und äuûerte sich zur Sache. Ein Vermerk über die Unterrichtung des Angeklagten durch den Vorsitzenden über den wesentlichen Inhalt dessen, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist, findet sich in der Sitzungsniederschrift nicht.
aa) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor.
Die Strafkammer durfte die Hauptverhandlung am 2. Juli 2001 gemäû § 231 Abs. 2 StPO ohne den Angeklagten fortsetzen. Dem eigenmächtigen Ausbleiben steht gleich, wenn sich der Angeklagte, nachdem er Gelegenheit hatte, sich umfassend zu äuûern - vorher gilt § 231a StPO -, in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschlieûenden Zustand versetzt (vgl. BGH NStZ 1986, 372; LR-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 231 Rdn. 10, 18; KK-Tolksdorf StPO 4. Aufl. § 231 Rdn. 3 ff, 7; Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 231 Rdn. 17, 19; jeweils m.w.N.). Einer Wiederholung der Beweisaufnahme nach dem ªWiedererscheinenº des Angeklagten bedurfte es nicht.

bb) Auch die Rüge der Verletzung des § 231a StPO hat keinen Erfolg.
Ist Grundlage für die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten § 231 Abs. 2 StPO, muû dieser, wenn er wieder anwesend ist, im Gegensatz zu der ausdrücklichen Regelung in § 231a Abs. 2 StPO (und auch in § 247 Satz 4 StPO) nicht vom Vorsitzenden über den Inhalt dessen unterrichtet werden, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder verhandelt worden ist. Eine Information des Angeklagten hierüber wird zwar häufig zweckmäûig und aufgrund der prozessualen Fürsorgepflicht zuweilen auch geboten sein. Seine Unterrichtung muû dann jedoch nicht notwendigerweise durch das Gericht bzw. dessen Vorsitzenden erfolgen. Beim verteidigten Angeklagten wird ohnehin der Verteidiger seinen Mandanten über das in Kenntnis zu setzen haben, was während dessen Abwesenheit geschah. Davon, daû dies geschieht, ist regelmäûig auch auszugehen. Anhaltspunkte dafür, daû dies hier nicht der Fall war, bestehen nicht. Die Revision trägt auch nichts dahingehend vor.
Im übrigen ist eine fehlende Information des Angeklagten durch den Vorsitzenden nicht erwiesen. Es handelt sich hierbei, anders als bei § 231 Abs. 2 StPO, um keinen protokollierungspflichtigen Vorgang i.S.v. § 273 StPO, der damit auch nicht der - negativen - Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) unterliegt, so daû das Schweigen der Sitzungsniederschrift hierzu nichts besagt. Auûerdem könnte das Urteil auf einer unterlassenen Unterrichtung nicht beruhen, da der Angeklagte geständig war.

b) Die Anordnung des Vorwegvollzugs von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand.
Der Gesetzgeber geht von dem Grundsatz aus, daû mit der Behandlung des psychisch gestörten Täters umgehend begonnen werden soll (BGH Beschluû vom 13. April 1999 - 1 StR 51/99 -, BGHR § 67 Abs. 2 Zweckerreichung , leichtere 4, 11, 13). Im Falle des Nebeneinanders von Freiheitsstrafe und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist deshalb gemäû § 67 Abs. 1 StGB die Maûregel regelmäûig vor der Strafe zu vollziehen. Will der Tatrichter von diesem Grundsatz abweichen, was ihm nach § 67 Abs. 2 StGB gestattet ist, sofern durch die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge der Zweck der Maûregel leichter zu erreichen ist, so muû er diese Entscheidung mit auf den Einzelfall abgestellten, nachprüfbaren Erwägungen begründen (BGHR § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4).
Die Strafkammer ªist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen der Auffassung, daû der Angeklagte einen Leidensdruck benötigt, um bei einer Therapie nachhaltig mitzumachenº. Schon in der Vergangenheit habe er sich lediglich unter dem Druck anhängiger Prozesse in ärztliche Behandlung begeben. Um eine nachhaltige Therapiebereitschaft beim Angeklagten hervorzurufen sowie um einen eventuellen Therapieerfolg durch eine nachfolgende Strafvollstreckung nicht zu gefährden, habe die Strafkammer den Vorwegvollzug von zwei Dritteln der Strafe als erforderlich angesehen. Zwar sind die genannten Gesichtspunkte, Herbeiführung eines ªLeidensdrucksº (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 4 und Zweckerreichung, leichtere 6; BGH NStZ 1986, 139; Maul/Lauven, Die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe
und Maûregel gemäû § 67 Abs. 2 StGB, NStZ 1986, 397, 398) und Gefährdung des Therapieerfolgs bei nachfolgendem Strafvollzug (vgl. BGH NStZ 1999, 613, 614; Maul/Lauven aaO 399) im Grundsatz tragfähige Ansatzpunkte für die Umkehr der Vollzugsreihenfolge gemäû § 67 Abs. 1 StGB (Bedenken dagegen aber in BGH NStZ 1986, 427, 428), in besonderen Fällen auch bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB, wenn der Maûregel eine schwere andere seelische Abartigkeit zugrunde liegt (BGH NStZ 1999, 613, 614). Die Umstände, aus denen die Strafkammer die Notwendigkeit des Vorwegvollzugs folgert, sind hier aber nicht widerspruchsfrei dargelegt. So ist die Annahme der Notwendigkeit eines weiteren ªLeidensdrucksº zur Herbeiführung einer ªnachhaltigenº Therapiebereitschaft mit der Feststellung der Strafkammer zu Therapiewilligkeit des geständigen Angeklagten nicht in Einklang zu bringen. Daû der Erfolg einer psychotherapeutischen Behandlung durch einen nachfolgenden Strafvollzug wieder zunichte gemacht werde, wird durch keine auf den vorliegenden Fall bezogenen konkreten Anhaltpunkte belegt. Umstände, die dafür sprechen könnten, gerade bei diesem Angeklagten wäre durch den Vorwegvollzug von Strafe der Zweck der Maûregel besser zu erreichen, sind damit nicht festgestellt. Daû sich dies nach der neuen Verhandlung entscheidend anders darstellen könnte, kann ausgeschlossen werden. Die Anordnung der Vorwegvollstreckung der Strafe muû daher entfallen.

c) Die weitergehende Revision des Angeklagten ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Januar 2002 dargelegten Gründen offensichtlich unbegründet.
Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 486/01
vom
20. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Februar
2002, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 2001 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern und sexuellen Mißbrauchs von Kindern in jeweils elf Fällen in Tateinheit mit dem Sichverschaffen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften, sowie wegen Sichverschaffens des Besitzes von kinderpornographischen Schriften in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich allein dagegen, daß das Landgericht die Anordnung von Sicherungsverwahrung abgelehnt hat. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fertigte der Angeklagte während eines vierwöchigen Besuchs seiner damals fünfjährigen Nichte J. in 18 Fällen Film- und Fotoaufnahmen von dem nackten Mädchen. Unter anderem filmte der Angeklagte, wie er das Kind am Körper berührte und mit ihm
nachstellte, es werde geschlachtet. Er hängte seine Nichte nackt und an den Füûen gefesselt, mit dem Kopf nach unten, an einer in der Wohnung angebrachten elektrischen Seilwinde auf, was ihn stark sexuell erregte. Auch in diesem Zustand fotografierte und filmte er das Kind mit Hilfe der auf einem Stativ stehenden Videokamera. Dabei faûte er es an und stellte teilweise wiederum Schlachtszenen nach, indem er auch mit einem Küchenmesser an dem Körper des Kindes hantierte, ohne es aber zu verletzen. Obwohl es mit zunehmender Dauer und Häufigkeit dieser Behandlung immer heftiger protestierte, lieû der Angeklagte das Mädchen mehrfach einige Minuten lang laut schreiend und weinend an der Seilwinde hängen. Er kämpfte immer wieder mit der Idee, das Mädchen umzubringen, damit sie ihn nicht verraten könnte, konnte diesen Drang aus Zuneigung zu dem Kind aber überwinden. Wenige Wochen vor den geschilderten Vorfällen überredete der Angeklagte seine damals 13jährige Nichte N. zu fünf Besuchen in seiner Wohnung, nach denen sie jeweils Geldbeträge zwischen 20 und 100 DM erhielt. Auch während dieser Besuche fertigte der Angeklagte Videoaufnahmen, wobei er das nie völlig entkleidete Mädchen zum Teil fesselte und u.a. in dessen Genital - und Analbereich manipulierte. 2. Der Angeklagte weist eine schwere sexuelle Perversion in Form des Sadismus mit geringfügigen masochistischen Zügen und kannibalistischen sowie pädophilen Neigungen auf. Infolge dieser als schwere andere seelische Abartigkeit zu qualifizierenden Störung war er bei allen Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, ohne daû seine Schuldfähigkeit gänzlich aufgehoben war. Der Angeklagte, der eine von Gewalt und sexuellem Miûbrauch geprägte Kindheit erlebte, hatte seit seinem zwanzigsten Lebensjahr abnorme sexuelle Phantasien entwickelt, die z.B. das Aufhängen und
Schlachten von Frauen zum Gegenstand hatten. Er befriedigte seine Bedürfnisse viele Jahre lang mit Hilfe einschlägiger pornographischer Videos. Auch sammelte er Zeitungsartikel über Kannibalen und Massenmörder von Kindern; aus Werbeblättern mit Abbildungen aufgehängter Schweinehälften und Fotos kleiner blonder Mädchen fertigte er Collagen. Kurz vor den oben geschilderten Geschehnissen hatte der nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte bereits unter einem Vorwand zwei kleine Mädchen zu sich nach Hause mitgenommen, diese dann aber unbehelligt gehen lassen. Die angeordnete Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus hat die Kammer damit begründet, daû sämtliche Taten in der sexuellen Abnormität des Angeklagten wurzeln und er auch zukünftig für die Allgemeinheit sehr gefährlich ist. Das Landgericht meint aber, bei dem Angeklagten liege kein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, da für ihn nicht eine so schwere Störung prognostiziert werden müsse, daû die Allgemeinheit vor ihm nur im Wege der Sicherungsverwahrung geschützt werden könne. Es sei nicht auszuschlieûen, daû der Angeklagte in der Lage sein werde, im Rahmen der Unterbringung seine positiven Charaktereigenschaften dauerhaft zu mobilisieren und in Zukunft bei genügend gefestigten Lebensstrukturen seinen Sexualtrieb ausreichend zu beherrschen. II. Die Begründung, mit der das Landgericht die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung verneint, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Diese führen gleichwohl nicht zur Aufhebung des Urteils, weil die Anordnung von Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten im Ergebnis zu Recht unterblieben ist. 1. Unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen ist die Wertung des Landgerichts zu § 63 StGB einerseits und § 66 StGB andererseits in sich
widersprüchlich. Die Kammer geht bei dem Angeklagten aufgrund der sexuellen Perversion von einem seine Schuldfähigkeit dauernd beeinträchtigenden Zustand aus und stellt fest, daû alle abgeurteilten Taten in seiner sexuellen Abnormität wurzeln, er daher auch in Zukunft für die Allgemeinheit sehr gefährlich ist. Mit dieser Beurteilung unvereinbar ist der dann gezogene Schluû, der Angeklagte weise keinen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten auf. Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen läût. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Entscheidend ist nur das Bestehen des verbrecherischen Hanges, nicht dessen Ursache, denn anders als bei dem die Gefährlichkeit begründenden Zustand im Sinne der §§ 63, 64 StGB beschreibt das Gesetz seine möglichen Ursachen nicht (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; BGH NStZ 1999, 502; BGHSt 24, 160, 161). Die hier abgeurteilten Anlaûtaten stellen sich ohne weiteres als symptomatisch für die verbrecherische Neigung des Angeklagten dar, da sich in ihnen ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB bereits hinreichend manifestiert hat. Auch die weitere Argumentation in dem angefochtenen Urteil begegnet rechtlichen Bedenken. Denn die Strafkammer stellt im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auf eine - allenfalls mögliche, mehr erhoffte als erwartete - weitere positive Entwicklung des Angeklagten ab. Für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Täters sind aber die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Urteilsfindung entscheidend (st.Rspr., BGHSt 24, 160, 164; BGH
NStZ-RR 1998, 206). Zwar können im Rahmen der Ermessensentscheidung (§ 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB) auch solche Gesichtspunkte beachtlich sein, die sich auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Entlassung beziehen; die Gefährlichkeit eines Täters kann u.U. dann verneint werden, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, daû sie bei Ende des Vollzugs der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die bloûe Möglichkeit künftiger Besserung oder die Hoffnung auf sich ändernde Lebensumstände können die Gefährlichkeit eines Täters jedoch nicht ausräumen (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 206; Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00). Der Hangtäter ist für die Allgemeinheit gefährlich, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daû er auch in Zukunft Straftaten begehen wird und diese eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen. Diese Wahrscheinlichkeit ist regelmäûig schon gegeben, wenn die Eigenschaft als Hangtäter festgestellt ist. Nur wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen, kann die Gefährlichkeit verneint werden; dabei müssen diese Umstände feststehen (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 3 und 5 m.w.N.). Daû von dem Angeklagten zur Zeit der Urteilsfindung die Gefahr weiterer , den Anlaûtaten vergleichbarer Straftaten ausging, ergibt sich aus den Urteilsgründen zu Entstehung, Verlauf, Ausbruch und Weiterentwicklung der sexuellen Perversion des Angeklagten. Umstände, die die hieraus folgende Gefährlichkeitsprognose entkräften könnten, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Unerheblich ist bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 StGB, daû möglicherweise der Gefährlichkeit des Angeklagten auch durch eine Unterbringung nach § 63 StGB begegnet werden kann.
2. Unbeschadet der fehlerhaften Rechtsanwendung durch das Landgericht ist die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung im Ergebnis aber nicht zu beanstanden. Denn bei der hier gegebenen Konstellation ist im Hinblick auf § 72 StGB für die Verhängung von Sicherungsverwahrung kein Raum. Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 63 StGB als auch des § 66 StGB vor, ist die kumulative Anordnung beider Maûregeln grundsätzlich möglich , da die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gegenüber der Sicherungsverwahrung kein geringeres, sondern ein anderes Übel darstellt (st.Rspr., vgl. BGHSt 5, 312, 314; BGH NStZ 1998, 35). Unter Beachtung des Grundsatzes, daû der Sicherungsverwahrung als "letztes Mittel der Kriminalpolitik" in starkem Maûe ultima-ratio-Charakter zukommt (vgl. BGHSt 30, 220, 222; Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SexualdelBekG vom 14. November 1997, BTDrucks. 13/8586, S. 8), wird eine Anordnung beider Maûregeln freilich nur ausnahmsweise erfolgen, sofern die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Erreichung des Maûregelzwecks - Abwehr der Gefährlichkeit des Täters - im Einzelfall nicht ausreicht und Gründe vorliegen , die ein Nebeneinander der beiden Maûregeln zweckmäûig erscheinen lassen. Ausschlaggebend für die Auswahl oder Häufung der Maûregeln sind dabei die besonderen Umstände des Einzelfalles (BGHSt 5, 315). Wenn - wie im vorliegenden Fall - der im Rahmen von § 66 StGB vorausgesetzte Hang ausschlieûlich auf einen psychischen Defekt zurückgeht, welcher gleichzeitig die erheblich verminderte Schuldfähigkeit begründet, ist die Unterbringung nach § 63 StGB vorrangig und deren alleinige Anordnung im Regelfall auch ausreichend (vgl. BGHR StGB § 63 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 1998, 35; BGHSt 42, 306, 308). Da § 63 StGB das Bestehen von Heilungsaussichten nicht voraussetzt, sondern auch dem Schutz der Allgemeinheit vor
kranken und gefährlichen Tätern dient, gilt dies prinzipiell auch bei mangelnder oder zweifelhafter Therapierbarkeit des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1995, 588; 1998, 35). Daû die Unterbringung von schwer oder gar nicht therapiefähigen Sexualstraftätern im psychiatrischen Krankenhaus tatsächliche Schwierigkeiten in der Vollzugspraxis mit sich bringt (vgl. Gutachten der unabhängigen Expertenkommission vom 31. Januar 1996, MSchrkrim 1996, 147, 156 f.; Hanack in LK 11. Aufl. § 72 Rdn. 25), vermag an der rechtlichen Ausgangssituation nichts zu ändern. Abweichend von dem dargelegten Grundsatz kann sich ein Bedürfnis für die zusätzliche Anordnung der Sicherungsverwahrung neben der Unterbringung (§ 72 Abs. 2 StGB) ausnahmsweise dann ergeben, wenn im konkreten Fall zu besorgen ist, daû der von § 63 StGB vorausgesetzte Zustand des Täters - etwa nach erfolgreicher Therapie oder aus anderen Gründen - später entfällt, die Gefährlichkeit aufgrund eines weiterhin gegebenen Hanges aber gleichwohl fortbesteht. Denn bei Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB wäre diese Maûregel in analoger Anwendung des § 67c Abs. 2 S. 5 StGB für erledigt zu erklären, selbst wenn von dem Untergebrachten weiterhin Straftaten zu befürchten sind (vgl. BGHSt 42, 306, 310; OLG Hamm NStZ 1982, 300; OLG Karlsruhe MDR 1983, 151; OLG Frankfurt StV 1985,
117). Anhaltspunkte für eine derartige Konstellation sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Bei der hier gegebenen Sachlage ist auch nicht ersichtlich , daû weitere, in diese Richtung gehende Feststellungen zu treffen wären. Jähnke Detter Bode Otten Fischer

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.