Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2007 - 5 StR 335/06

bei uns veröffentlicht am16.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 335/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2007 beschlossen
:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 13. Juni 2006 wird nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
2. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat den zu den Tatzeiten 16-jährigen Angeklagten
wegen Mordes sowie wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung
eines weiteren Urteils (Jugendstrafe von sechs Monaten) zu einer einheitlichen
Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich
der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der näher begründeten Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2 1. Die Jugendkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
3 a) Am späten Abend des 17. Juni 2005 gerieten der angetrunkene
Angeklagte und der gesondert Verfolgte S. auf dem Gelände einer Tankstelle
in Berlin-Zehlendorf mit dem ersichtlich betrunkenen Bundeswehrsoldaten
T. aus nichtigem Anlass in einen Streit, bei dem T.
den Angeklagten als „Hurensohn“ und „Nigger“ beschimpfte. Der über
die Beleidigungen aufgebrachte Angeklagte versetzte dem T.
zwei Faustschläge in das Gesicht, nahm ihn in den „Schwitzkasten“ und
schlug ihm mit der Faust auf den Kopf. Auch S. versetzte dem Geschädigten
mehrere Faustschläge in das Gesicht. Anschließend kniete sich der
Angeklagte mit einem Bein auf den Brustkorb des T. und schlug
ihm mehrmals heftig mit der Faust in das Gesicht, bis er sich nicht mehr regte.
S. und der Angeklagte versetzten ihm sodann noch Fußtritte gegen
den Kopf. Schließlich trat der Angeklagte wuchtig und nach oben ausholend
mit dem Fuß in das Gesicht des Geschädigten, wobei er äußerte: „Jetzt
weißt du es“.
4 T. erlitt nicht konkret lebensgefährliche Hirnblutungen,
Hämatome, eine Gehirnerschütterung und Frakturen an der Nase. Die Verletzungen
heilten nach stationärer Behandlung und einem operativen Eingriff
folgenlos aus. Gegen den Angeklagten erging Haftbefehl bei gleichzeitiger
Aussetzung der Vollstreckung. Die Haftverschonung dauerte bei Begehung
der Folgetat an.
5 b) Etwa seit 2002 gab sich der Angeklagte – angeregt durch Filme mit
sadistischen Tötungsszenen – Tötungsphantasien hin; darin nahm er zunehmend
die Täterrolle ein. Die Vorstellung, einen anderen Menschen zu
töten, bereitete ihm Vergnügen, weswegen er sich entschloss, dies in die Tat
umzusetzen. Er plante, sich zunächst ein Kind als Opfer auszuwählen, da
ihm dieses weniger Widerstand leisten würde.
6 In der Nacht zum 27. August 2005 konsumierte der Angeklagte Alkohol
, Amphetamine und Marihuana, auch schlief er nicht. Er war verstimmt, da
ihn das Verhalten seiner Freundin eifersüchtig gemacht hatte, versöhnte sich
aber mit ihr noch am Vormittag. Danach traf er auf einem Spielplatz unweit
seines Wohnortes auf den ihm bekannten sieben Jahre alten Nachbarjungen
C. . Da der Junge allein war, beschloss der Angeklagte, seine Tötungsphantasien
mit ihm als Opfer umzusetzen, was ihn in Erregung versetzte.
Er lockte C. zu einem in der Nähe gelegenen Gelände, welches mit
Bäumen bewachsen und daher kaum einsehbar war. C. ging vertrauensvoll
mit. ... [Dort tötete er C., was im Beschluss näher ausgeführt wird.]
7 Die sachverständig beratene Jugendkammer konnte nicht ausschließen
, aber auch nicht sicher feststellen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
bei beiden Taten erheblich vermindert war. Hierzu hat sie bei der
gefährlichen Körperverletzung auf die Wirkung des Alkoholkonsums im Zusammenspiel
mit einer Impulskontrollstörung, bei der Tötung des siebenjährigen
Kindes auf die von Übermüdung sowie einer akuten Drogen- und Alkoholintoxikation
bestimmte psychische Verfassung in Verbindung mit einer
nachlassenden Eifersuchtsreaktion abgestellt.
8 2. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
9 a) Zwar beanstandet die Revision zu Recht, dass den in der Hauptverhandlung
anwesenden erziehungsberechtigten Großeltern des Angeklagten
vor Urteilsverkündung am 13. Juni 2006 – nach Wiedereintritt in die Beweisaufnahme
das letzte Wort nicht, wie erforderlich, ausdrücklich gewährt worden ist. Jedoch
kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler
verneinen. Die gebotene Auslegung des freilich ungeschickt und nachlässig
gefassten Protokolls ergibt eben noch ausreichend (vgl. BGHSt 13, 53, 59;
BGH NStZ 2005, 280; BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 5 StR 410/03), dass
den Erziehungsberechtigten am vorangegangenen Sitzungstag das letzte
Wort gewährt worden war, sie jedoch davon keinen Gebrauch gemacht hatten.
Angesichts dieses Umstands ist auszuschließen, dass die Großeltern
nach zwischenzeitlich erfolgter nur kurzer Beweisaufnahme und Verhandlung
ohne den Verfahrensverstoß von ihrem ihnen bereits bekannten Recht
Gebrauch gemacht und – abweichend von ihrem Verhalten im gesamten vorangegangenen
Verfahren – etwas ausgeführt hätten, was Schuld- oder
Strafausspruch zu Gunsten des Angeklagten beeinflusst hätte.
10 b) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs greift nicht durch. Zwar
enthalten die Urteilsausführungen zur Bemessung der Jugendstrafe eine wegen
des nicht erfolgten Hinweises auf die mögliche Verwertung bedenklich
formulierte Bezugnahme auf einen gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellten
Anklagevorwurf. Indes ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass dem Angeklagten
nicht dieser eingestellte Vorwurf oder Umstände desselben zur
Last gelegt worden sind. Vielmehr hat die Strafkammer im Rahmen der Gewichtung
der Schwere der Schuld gewürdigt, dass sich der Tatanreiz nicht für
den Angeklagten überraschend ergeben hat. Dies wiederum hat sie mit seiner
Einlassung zur ausgeurteilten Tat und ihrer Vorgeschichte – Tötungsphantasien
, gedankliche Planung der Tötung eines Menschen – begründet
und dabei lediglich in überflüssiger, letztlich aber unschädlicher Weise, im
Wesentlichen ergänzend erläuternd, auf den eingestellten Vorwurf verwiesen.
Das schulderschwerend gewertete, vom Angeklagten eingestandene
Element ist hiervon unabhängig. Ein Beruhen der Straffindung auf dem geltend
gemachten Verstoß scheidet angesichts des gegebenen Zusammenhangs
jedenfalls aus.
11 3. Auch die Sachrüge dringt nicht durch.
12 a) Das Tatgericht hat die Tötung des siebenjährigen Jungen zu Recht
als Mord gewürdigt. Die Feststellungen tragen die Annahme, dass der Angeklagte
heimtückisch und aus Mordlust gehandelt hat. Entgegen der Ansicht
der Revision schließt der festgestellte psychische Zustand des Angeklagten
nicht die Annahme des Mordmerkmals „aus Mordlust“ aus. Der Angeklagte
handelte mit direktem Tötungsvorsatz allein aus Freude an der Vernichtung
eines Menschenlebens, weder lag in der Person des Opfers oder in der besonderen
Tatsituation ein anderer Anlass für die Tatbegehung vor, noch war
mit der Tötung ein darüber hinausgehender Zweck verbunden. Die Voraussetzungen
des Mordmerkmals der Mordlust werden durch gegebene triebhafte
oder gefühlsmäßige Regungen nicht in Frage gestellt (vgl. BGHR StGB
§ 211 Abs. 2 Mordlust 1; Schneider in MüKo-StGB § 211 Rdn. 51).
13 b) Der Senat nimmt die Beurteilung der Schuldfähigkeit durch die Jugendkammer
hin. Der Ausschluss von Schuldunfähigkeit und die – wenngleich
teils schwer nachvollziehbar begründete – Zubilligung der Voraussetzungen
des § 21 StGB sind im Ergebnis ersichtlich zutreffend. Allerdings
vermag die – freilich im Einklang mit der Beurteilung durch den psychiatrischen
Sachverständigen stehende – Verneinung der Voraussetzungen einer
schweren anderen seelischen Abartigkeit des Angeklagten bei dem Tatbild
und sämtlichen festgestellten Begleitumständen des Mordes nicht zu überzeugen.
Eine insoweit abweichende Beurteilung, die naheläge, würde indes
ersichtlich auch nur zur Anwendung des § 21 StGB führen und den Strafausspruch
für sich nicht in Frage stellen. Durchgreifenden Anlass, maßgeblich
nur die Frage einer möglichen Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen
Krankenhaus nochmals tatgerichtlicher Prüfung zu unterstellen, sieht
der Senat unter Berücksichtigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse
des Sachverständigen auf die Revision des Angeklagten hin nicht.
14 c) Die Jugendkammer hat die Grundlagen für die Verhängung von Jugendstrafe
– in der Tat zum Ausdruck gekommene schädliche Neigungen
und die Schwere der Schuld des Angeklagten – rechtsfehlerfrei angenommen.
Auch die Bemessung der Jugendstrafe hält revisionsgerichtlicher Prüfung
stand.
15 aa) Die Strafzumessungserwägungen weisen aus, dass die Jugendkammer
bei der Verhängung der Höchststrafe in erster Linie auf die für die
Beurteilung der Schuld entscheidenden Gesichtspunkte abgestellt hat. Dies
begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere liegt hierin kein
Verstoß gegen § 18 Abs. 2 JGG, wonach die Jugendstrafe so zu bemessen
ist, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
16 Denn dies bedeutet nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger
Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. So ist die Verhängung
einer Strafe im oberen Bereich des gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG eröffneten
Strafrahmens – wovon die Jugendkammer hier selbst ausgegangen
ist – in aller Regel allein mit dem Erziehungsgedanken nicht mehr zu begründen
(BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 1, 4, 5). Allerdings sind
daneben auch andere Strafzwecke, bei einem Kapitalverbrechen namentlich
das Erfordernis gerechten Schuldausgleichs, zu beachten. Schon deshalb
durfte die Jugendkammer die Verhängung der Höchststrafe hier maßgeblich
mit der „höchst schweren Schuld“ begründen und musste nicht näher darlegen
, dass erzieherische Zwecke gerade dieses Strafmaß erforderten (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 1996 – 3 StR 471/96 und 23. Oktober
1997 – 5 StR 486/97). Die strafmildernden Wirkungen des Geständnisses
, der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit und des überaus unglücklich
verlaufenen Werdeganges des Angeklagten standen bei der ganz
außergewöhnlichen Schwere der Taten, namentlich des Mordes, der Verhängung
der Höchststrafe nicht entgegen.
17 Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen hier zudem nicht
einmal in einem gravierenden Spannungsverhältnis. Die charakterliche Haltung
und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen
sind, erweisen sich für die Bewertung der Schuld als ebenso bedeutsam
wie für das Erziehungsbedürfnis (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 120). Die in den
Taten deutlich gewordenen tiefgreifenden Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten
begründen offensichtlich allerhöchsten Therapie- und damit einhergehend
höchsten Erziehungsbedarf. Der Jugendstrafvollzug wird in außergewöhnlicher
Weise, naheliegend sehr mittel- und zeitaufwendig, gefordert
sein, wirksame therapeutische Maßnahmen zur Beeinflussung der schwer
gestörten Persönlichkeit des in massivster Weise sittlich verwahrlosten Angeklagten
zu finden und anzuwenden.
18 bb) Eine unzulässige Doppelverwertung liegt nicht vor; § 46 Abs. 3
StGB ist bei der Bemessung von Jugendstrafe nicht anwendbar (vgl. BGH
NStZ-RR 1997, 21, 22; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 18 Rdn. 8 m.w.N.).
Einer ausdrücklichen Erörterung der erzieherischen Wirkung der bereits vollzogenen
Untersuchungshaft auf den Angeklagten, der bisher lediglich einen
fast vierwöchigen Dauerarrest verbüßt hatte, bedurfte es angesichts der tiefgreifenden
Persönlichkeitsdefizite nicht.
19 4. Über die nicht nachvollziehbare Ablehnung der beantragten Einziehungsentscheidung
hatte der Senat nicht zu befinden.
Basdorf Häger Gerhardt
Raum Jäger

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2007 - 5 StR 335/06

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2007 - 5 StR 335/06 zitiert 10 §§.

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 18 Dauer der Jugendstrafe


(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so is

Strafprozeßordnung - StPO | § 258 Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes


(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort. (2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. (3) Der A

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 67 Stellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter


(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden oder Fragen und Anträge zu stellen, steht dieses Recht auch den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern zu. (2) Die Rechte der gesetzlichen Vertreter zur Wahl eines

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(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden oder Fragen und Anträge zu stellen, steht dieses Recht auch den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern zu.

(2) Die Rechte der gesetzlichen Vertreter zur Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von Rechtsbehelfen stehen auch den Erziehungsberechtigten zu.

(3) Bei Untersuchungshandlungen, bei denen der Jugendliche ein Recht darauf hat, anwesend zu sein, namentlich bei seiner Vernehmung, ist den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern die Anwesenheit gestattet, soweit

1.
dies dem Wohl des Jugendlichen dient und
2.
ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 1 und 2 sind in der Regel erfüllt, wenn keiner der in § 51 Absatz 2 genannten Ausschlussgründe und keine entsprechend § 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu behandelnde Missachtung einer zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnung vorliegt. Ist kein Erziehungsberechtigter und kein gesetzlicher Vertreter anwesend, weil diesen die Anwesenheit versagt wird oder weil binnen angemessener Frist kein Erziehungsberechtigter und kein gesetzlicher Vertreter erreicht werden konnte, so ist einer anderen für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeigneten volljährigen Person die Anwesenheit zu gestatten, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 1 und 2 im Hinblick auf diese Person erfüllt sind.

(4) Das Jugendgericht kann die Rechte nach den Absätzen 1 bis 3 Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern entziehen, soweit sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Beschuldigten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 bei einem Erziehungsberechtigten oder einem gesetzlichen Vertreter vor, so kann der Richter die Entziehung gegen beide aussprechen, wenn ein Mißbrauch der Rechte zu befürchten ist. Stehen den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nicht mehr zu, so bestellt das Familiengericht einen Pfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im anhängigen Strafverfahren. Die Hauptverhandlung wird bis zur Bestellung des Pflegers ausgesetzt.

(5) Sind mehrere erziehungsberechtigt, so kann jeder von ihnen die in diesem Gesetz bestimmten Rechte der Erziehungsberechtigten ausüben. In der Hauptverhandlung oder in einer sonstigen gerichtlichen Verhandlung werden abwesende Erziehungsberechtigte als durch anwesende vertreten angesehen. Sind Mitteilungen oder Ladungen vorgeschrieben, so genügt es, wenn sie an eine erziehungsberechtigte Person gerichtet werden.

(1) Nach dem Schluß der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

(3) Der Angeklagte ist, auch wenn ein Verteidiger für ihn gesprochen hat, zu befragen, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.

5 StR 410/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. März 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30. März 2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P (zu 1),
Rechtsanwalt H (zu 2),
Rechtsanwalt M (zu 3),
Rechtsanwalt K (zu 4),
Rechtsanwalt G (zu 5)
als Verteidiger,
Rechtsanwältin C
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 11. Februar 2003 werden verworfen.
Der Angeklagte E hat die Kosten seiner Revision und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Bei den übrigen Angeklagten wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat gegen den (erwachsenen) Angeklagten E eine Freiheitsstrafe von acht Jahren verhängt, hat ihn unter Einbeziehung einer anderweit rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (unter Anordnung eines Vorwegvollzugs von zwei Jahren und vier Monaten) angeordnet. Gegen die zur Tatzeit jugendlichen Mitangeklagten hat das Landgericht Jugendstrafen verhängt , und zwar fünf Jahre gegen L , drei Jahre gegen F sowie jeweils zwei Jahre – unter Strafaussetzung zur Bewährung – gegen S und B . Die jeweils auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Die Angeklagten saßen mit anderen jungen Leuten in den Abendstunden des 2. August 2002 am Waldstadion in Ludwigsfelde, wo sie zelten wollten, zusammen und tranken gemeinsam Alkohol. Die Angeklagten E und L , die sich vorübergehend entfernt hatten, trafen auf dem Rückweg zum Stadion gegen 2.30 Uhr auf den Nebenkläger I , der aus Mocambique stammt, Ende der 80er Jahre als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen war und seitdem in Deutschland lebt. Sie verachteten ihn, weil er Ausländer schwarzafrikanischer Herkunft ist. Deshalb waren sie ihm bereits wiederholt bedrohlich entgegengetreten, und jeder von ihnen hatte ihn schon einmal ausdrücklich mit einer Äußerung: „Beim nächsten Mal bist du tot“, oder ähnlich bedroht. E und L beschlossen, den Nebenkläger zum Waldstadion zu locken, um ihn dort zu verprügeln. Sie spiegelten ihm vor, dort finde ein Fest statt, an dem auch andere Ausländer teilnähmen. Der Nebenkläger, der auf der Suche nach einer noch geöffneten Gaststätte gewesen war, folgte ihnen zögerlich. Gegen 3 Uhr trafen sie bei den Zelten ein; gemeinsam mit den drei übrigen Angeklagten begannen sie, Bier zu trinken.
Etwa nach einer halben Stunde brach der Angeklagte E unter einem Vorwand einen Streit mit dem Nebenkläger vom Zaun. Er begann, auf ihn einzuschlagen, und versetzte ihm zwei bis drei Schläge mit der flachen Hand und vier Faustschläge ins Gesicht. Der Nebenkläger ging zunächst zu Boden und versuchte dann zu fliehen. Der Angeklagte L setzte ihm nach; E mahnte ihn noch, dem Opfer nicht ins Gesicht zu treten oder zu schlagen. Gleichwohl brachte L den Nebenkläger mit einem Tritt gegen das Kinn erneut zu Boden und versetzte dem am Boden Liegenden mehrere Faustschläge ins Gesicht. Nunmehr wandte sich E wieder dem Opfer zu und schlug ihm – seiner zuvor geäußerten heuchlerischen Mahnung zuwider – eine geleerte Bierflasche so heftig auf den Kopf, daß sie zersplit-
terte. Der Nebenkläger verlor kurzzeitig das Bewußtsein. Zwei Zeugen, die mit den Angeklagten gezeltet hatten, hatten sich mittlerweile, entsetzt über E s und L s Brutalität, fluchtartig vom Ort des Geschehens entfernt.
Nunmehr traten alle fünf Angeklagten, die sämtlich Turnschuhe trugen , auf den bewußtlosen Nebenkläger ein; ferner schlugen sie ihr Opfer, das teils am Kopf, teils im Brust- und Bauchbereich getroffen wurde. Der Angeklagte B trat mehrmals gegen den Kopf des Nebenklägers und lief ihm über den Bauch, der Angeklagte F – den rechten Arm zum „Hitlergruß“ hebend – trat ihn mindestens viermal, auch ins Gesicht, der Angeklagte S trat ihm mindestens zweimal in den Bauch. Als der Geschädigte wieder zu sich kam, nötigte E ihn, sich bis auf die Socken zu entkleiden. S und F vergruben die Kleidung auf Weisung E s etwa 20 Meter entfernt unter Laub. E flößte dem Opfer noch eine Flasche Bier ein, übergoß ihn mit Bier und versuchte, ihm eine Flasche in den Anus zu stecken. Mindestens er und L schlugen und traten weiter auf den Nebenkläger ein, der schließlich erneut das Bewußtsein verlor. L fühlte „aus Sorge, er könne gestorben sein“, seinen Puls. Nach mehr als einer Stunde ließen die Angeklagten von ihrem Opfer ab.
Sie ließen I äußerlich schwer verletzt, bewußtlos und nackt liegen. E und L entfernten sich, um einen auf dem Platz schlafenden volltrunkenen Bekannten E s nach Hause zu bringen. Die anderen drei Angeklagten bauten die Zelte ab, stellten sie in einer Entfernung von mindestens 200 Metern wieder auf, tranken noch ein Bier und legten sich schlafen. L , der eine Viertelstunde später zurückkehrte, sah dann, wie der Nebenkläger sich von der Stelle, an der er zurückgelassen worden war, robbend wegbewegte; L kümmerte sich nicht weiter um ihn und begab sich auch zum Zelt seiner Freunde. Der Angeklagte F , der als erster gegen 8 Uhr erwachte, lief zur Stelle, wo der Nebenkläger liegengeblieben war, weil er befürchtete, dieser könne gestorben sein.
Der Nebenkläger war indes gegen 5 Uhr wieder zu sich gekommen und hatte sich schwerverletzt in unbekleidetem Zustand auf den Weg zum Krankenhaus gemacht, war aber schließlich in die Damentoilette eines dem Krankenhaus benachbarten, zufällig unverschlossenen Ärztehauses gelangt; dort verblieb er etwa neun Stunden lang im Dämmerzustand; dann begab er sich, immer noch benommen, seine Blöße mit Toilettenpapier abdeckend, mit massiven Gesichtsschwellungen, Brustprellungen und einem Schädel-HirnTrauma zum Krankenhaus, wo die behandelnden Ärzte seine Verletzungen als lebensgefährlich beurteilten – was sich später konkret nicht bestätigte. Aufgrund einer diagnostizierten Nierenprellung verblieb I vier Tage in stationärer Behandlung, aus der er dann bei fortbestehenden Wunden und anhaltenden Schmerzen entlassen wurde. Insbesondere war er psychisch langfristig massiv beeinträchtigt.
2. Das Landgericht hat sämtlichen Angeklagten aufgrund des von ihnen konsumierten Alkohols, zum Teil einhergehend mit Persönlichkeitsstörungen , eine erhebliche Herabsetzung des Hemmungsvermögens zugebilligt. Die Gewalthandlungen hat es – abgesehen von dem als Exzeß E s gewerteten Schlag mit der Flasche – allen Angeklagten zugerechnet. Diese hätten bei den abwechselnd beigebrachten, bekanntermaßen hochgradig gefährlichen Tritten gegen Kopf und Oberkörper des Opfers dessen Tod billigend in Kauf genommen. Gehandelt hätten sie aus einem Motivbündel von Lust an Gewalt, Menschenverachtung und die Tat prägender Fremdenfeindlichkeit , die möglicherweise allein der Angeklagte B selbst nicht teilte, der sie aber als Motivation seiner Mittäter kannte und kritiklos hinnahm.

II.


Die Verfahrensrügen versagen.
1. Die auf Verletzung des § 258 Abs. 2 und Abs. 3 StPO wegen Versagung des letzten Worts gestützten Verfahrensrügen der Angeklagten E , L , F und B sind unbegründet.
Nachdem den Angeklagten und den gesetzlichen Vertretern der Angeklagten L , F , S und B am vorletzten Hauptverhandlungstag bereits Gelegenheit zum letzten Wort gewährt worden war, trat das Landgericht zu Beginn des letzten Hauptverhandlungstages nochmals in die Beweisaufnahme ein. Nach deren Abschluß erhielten „die Staatsanwaltschaft und die übrigen Prozeßbeteiligten“ erneut Gelegenheit zum Schlußvortrag. Nach Wiederholung der Anträge und ergänzendem Vortrag eines Verteidigers erhielten die Angeklagten und ihre gesetzlichen Vertreter „erneut das Wort zum Schlußvortrag“. Anschließend ist vor Urteilsverkündung noch eine Erklärung des Vaters eines Angeklagten protokolliert.
Mit der so im Hauptverhandlungsprotokoll wiedergegebenen Verfahrensweise ist – zumal in der besonderen Situation des Wiedereintritts in die Verhandlung nach vorher bereits erfolgter Gewährung eines Schlußworts (vgl. BGH StV 1999, 5) – die ausreichende Gelegenheit der Angeklagten zum letzten Wort belegt, wenngleich eine formal noch deutlichere Protokollierung („die Angeklagten hatten das letzte Wort“) vorzuziehen gewesen wäre (vgl. BGHSt 13, 53, 59 f.; 18, 84; Schoreit in KK 5. Aufl. § 258 Rdn. 17).
2. Keinen Erfolg haben die wegen Verletzung des § 265 Abs. 4 StPO zugleich unter Hinweis auf § 338 Nr. 8 StPO erhobenen Verfahrensrügen der Angeklagten L , F und B.

a) Soweit die Angeklagten L und B die Ablehnung eines zu Beginn der Hauptverhandlung gestellten, auf bislang nicht gewährte Einsicht in die vorbereitenden Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen gestützten Aussetzungsantrags beanstanden, gilt folgendes:
Die Zulässigkeit der vom Angeklagten L erhobenen Rüge scheitert an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO mangels hinreichend genauer Mitteilung des Akteninhalts, in den nach dem Rügevorbringen zu Unrecht Einsicht verwehrt wurde.
Die Rüge des Angeklagten B ist jedenfalls unbegründet. In dem teils gegen jugendliche Untersuchungshäftlinge gerichteten, mithin herausragend eilbedürftigen, zudem umfänglichen und besonders vorbereitungsintensiven Verfahren bestand für die Jugendkammer nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 265 Abs. 4 StPO) keine Möglichkeit, die Hauptverhandlung etwa mit Rücksicht auf noch nicht gewährte Einsicht in erst kurz zuvor eingegangene vorbereitende Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen auszusetzen. Differenzierte Anträge, mit Rücksicht auf eine insoweit verspätete Akteneinsicht die Sachvernehmung einzelner Angeklagter – die tatsächlich bis auf E in der Hauptverhandlung die Einlassung verweigert haben –, mindestens ihre Befragung durch die Verteidiger oder bestimmte mit der verspäteten Akteneinsicht zusammenhängende Beweiserhebungen zurückzustellen , gegebenenfalls auch die Hauptverhandlung zu diesem Zweck zu unterbrechen, sind nicht zum Gegenstand revisionsrechtlicher Beanstandung gemacht worden.

b) Die weiteren, auf mangelnde Unterbrechung der Hauptverhandlung am letzten Sitzungstag gestützten Rügen der Angeklagten F und B scheitern an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO mangels Mitteilung einer Vorentscheidung , auf die in dem beanstandeten ablehnenden Beschluß der Jugendkammer Bezug genommen worden war. Abgesehen davon wären die Rügen auch in der Sache aussichtslos. Auf einen Wiedereintritt in die Verhandlung anstelle einer vorgesehenen Urteilsverkündung muß die Verteidigung stets gefaßt sein. Daß die Jugendkammer mit der angeordneten Verlesung nach § 254 StPO einen überraschenden Verhandlungsgegenstand vorgesehen hätte, für den die Verteidigung der Beschwerdeführer besondere Vorbereitung hätte verlangen können, ist nicht ersichtlich.
3. Für die gegen die Verwertung verantwortlicher Vernehmungen durch Polizei und Ermittlungsrichter gerichteten Verfahrensrügen gilt folgendes :

a) Die Rüge, mit welcher der Angeklagte L die Verwertung seiner polizeilichen Vernehmungen wegen unzulänglicher Belehrung und Verletzung eines seinen Erziehungsberechtigten zustehenden Anwesenheitsrechts beanstandet, scheitert an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO jedenfalls mangels Mitteilung der auf den entsprechenden Verteidigerwiderspruch in der Hauptverhandlung ergangenen Entscheidung der Jugendkammer.

b) Soweit der Angeklagte B aus entsprechenden Gründen die Verwertung polizeilicher Angaben der Mitangeklagten L und S sowie der gesondert verfolgten Zeugin St beanstandet, scheitert die Zulässigkeit seiner Rüge von vornherein daran, daß es an einer eigenen Rechtsverletzung dieses Beschwerdeführers fehlt, aus welcher er für sich ein Verwertungsverbot herleiten könnte (vgl. BGHSt 47, 233, 234; BGHR StPO § 136 Belehrung 5; Boujong in KK 5. Aufl. § 136 Rdn. 27).

c) Im übrigen liegt auf der Hand, daß die entsprechenden Rügen in der Sache aus den von der Jugendkammer angeführten Gründen erfolglos bleiben müßten.

d) Soweit der Angeklagte B die Verwertung polizeilicher Angaben des Mitangeklagten E wegen dessen angeblicher Vernehmungsunfähigkeit beanstandet, hat die Rüge jedenfalls in der Sache keinen Erfolg, da die Annahme der Jugendkammer, E sei trotz vorangeganener Injektion eines Beruhigungsmittels vernehmungsfähig gewesen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist.
4. Die auf § 338 Nr. 3 StPO, zudem auf Verletzung des § 29 StPO gestützte Verfahrensrüge des Angeklagten B ist jedenfalls offensichtlich
unbegründet (vgl. nur BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 9 und BGHR StPO § 29 Abs. 1 Amtshandlung, unaufschiebbare 2, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Die für eine Voreingenommenheit der Berufsrichter angeführten Gründe sind haltlos.
5. Ebenfalls jedenfalls offensichtlich unbegründet ist die Verfahrensrüge des Angeklagten B im Zusammenhang mit der Mitwirkung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft. Es ist kein Grund dafür dargetan, wonach die Jugendkammer auch nur Anlaß gehabt hätte, auf dessen Ablösung hinzuwirken.
6. Die auf Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO gestützte Verfahrensrüge des Angeklagten B hat hinsichtlich fehlender Spuren an sichergestellten Schuhen jedenfalls in der Sache keinen Erfolg, da ein – zugunsten des Angeklagten ohnehin zu unterstellendes negatives Spurenbild – ersichtlich ohne maßgeblich entlastenden Beweiswert war. Jedenfalls die weitergehende Rüge ist mangels hinreichend genauer Angabe von nicht benutztem Beweismittel und nicht aufgeklärtem Beweisthema unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
7. Die auf Verletzung des § 48 Abs. 3 Satz 2 JGG gestützte Verfahrensrüge des Angeklagten B ist unbegründet. Der einen Ausschluß der Öffentlichkeit ablehnende Beschluß der Jugendkammer läßt eine Verletzung des insoweit bestehenden tatgerichtlichen Ermessens (vgl. BGH, Beschl. vom 14. Dezember 2000 – 3 StR 414/00) nicht erkennen.
8. Schließlich ist die auf Verletzung des § 261 StPO gestützte Verfahrensrüge des Angeklagten B jedenfalls offensichtlich unbegründet, soweit der Beschwerdeführer die unterbliebene Erörterung einer bestimmten Zeugenaussage im Urteil – unter Äußerung unklarer Mutmaßungen über deren Inhalt – beanstandet. Die Verfahrensvorschrift des § 261 StPO gebietet keine Abhandlung sämtlicher in der Hauptverhandlung erhobener Beweise
im Urteil. Die unterbliebene Verlesung des Protokolls der richterlichen Ver- nehmung eines Mitangeklagten verletzt weder § 261 StPO noch ist in diesem Zusammenhang ein sonstiger Verfahrensverstoß erkennbar.

III.


Auch mit den Sachrügen bleiben die Revisionen ohne Erfolg.
1. Der Schuldspruch hat bei sämtlichen Angeklagten Bestand.

a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum äußeren Tatablauf, zu den mittäterschaftlich zuzurechnenden Gewalthandlungen und zu den daraus resultierenden Verletzungsfolgen des Nebenklägers ist frei von sachlichrechtlichen Fehlern.

b) Der Senat erachtet – im Gegensatz zum Generalbundesanwalt – auch die Bedenken gegen den bedingten Tötungsvorsatz nicht für durchgreifend.
aa) Die Jugendkammer hat die Gefährlichkeit der gegen den Nebenkläger verübten Gewalthandlungen nicht etwa überschätzt. Sie hat nicht verkannt , daß die Verletzungen nicht konkret lebensbedrohlich waren und daß keine massive stumpfe Gewalt im Sinne eines Springens auf den Kopf oder eines „Herumtrampelns“ auf dem Körper (das Opfer hatte keine Brüche erlitten ) erfolgt war (UA S. 35). Gleichwohl durfte sie schon angesichts des bewußt gemeinschaftlichen Vorgehens in der aggressiv aufgeheizten Tatsituation , in welcher zudem jeder einzelne Mittäter das Ausmaß der dem Opfer zugefügten Gewalt nicht bewußt dosierbar einsetzen konnte, von – den Mittätern bekanntermaßen – äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ausgehen.
bb) Daß der Rückschluß hieraus auf einen bedingten Tötungsvorsatz gleichwohl – angesichts der regelmäßig bestehenden hohen Hemmschwelle
vor einer Tötung – problematisch ist, hat die Jugendkammer ausweislich des Urteils (UA S. 39) nicht verkannt. Ihr standen indes – neben dem erwähnten Moment, daß jedem einzelnen Mittäter klar war, daß ihm ein maßgeblicher Einfluß auf das Gesamtausmaß der Gewalt entglitten war – weitere ausreichend aussagekräftige Indizien zur Verfügung, welche den Schluß auf einen bedingten Tötungsvorsatz bei jedem der Angeklagten zuließen. Diese konnten bei allen in der Zufügung von Tritten und Schlägen gegen Kopf und Körper des Opfers im Zustand von dessen Bewußtlosigkeit gefunden werden, ferner in dem bedenkenlosen Verlassen des Opfers in von ihnen durch Beseitigung der Bekleidung noch verschärfter eklatant hilfloser Situation. So hat der erkannte Zustand des Opfers zudem den Angeklagten F zur sofortigen Nachschau nach dem morgendlichen Erwachen veranlaßt, der Angeklagte L hatte bereits während der Tatbegehung Zweifel am Überleben des Geschädigten, als er diesem den Puls fühlte. Bei dem Angeklagten E kam zur Stellung als „Rädelsführer“ die exzessiv gefährliche Gewalthandlung des Zerschlagens der Bierflasche auf dem Kopf des Opfers mit der Folge von dessen erster vorübergehender Bewußtlosigkeit hinzu. Die festgestellten früheren Äußerungen E s und des Angeklagten L , welche die Jugendkammer gar nicht ausdrücklich herangezogen hat, waren bei ihnen zur Abrundung des rechtsfehlerfrei gewonnenen tatgerichtlichen Bildes von der inneren Tatseite durchaus geeignet. Letztlich konnte auch in der festgestellten Tatmotivation des Ausländerhasses, die das Handeln der übrigen vier Angeklagten bestimmte und die sich auch der Angeklagte B jedenfalls als Mitläufer zueigen machte, als ergänzendes, insoweit hinreichend aussagekräftiges Indiz für eine Erleichterung der Überwindung der hohen Hemmschwelle zum Tötungsvorsatz herangezogen werden.
cc) Bei dieser Sachlage führen auch drei bedenkliche Passagen im angefochtenen Urteil – welche freilich die Bedenken des Generalbundesanwalts besonders verständlich machen – nicht zur Beanstandung der Annahme des bedingten Tötungsvorsatzes.
(1) Der Senat versteht die Wendung, wonach die Jugendkammer durch den Rest an Skrupeln, welchen der Verzicht auf ein Zutreten „mit voller Wucht“ belegt, den „Verdacht“, daß die Angeklagten den Tod des Nebenklägers für möglich hielten und gleichwohl weiter traten, nicht ausgeräumt sieht (UA S. 33 f.), nicht als Beleg für eine Verletzung des Zweifelsgrundsatzes, sondern als eine wenig geglückte Formulierung, welche auch die darüber hinausgehende, im übrigen hinreichend zum Ausdruck gebrachte Überzeugung des Tatgerichts vom bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten beim Weitertreten gestattete.
(2) Daß die Jugendkammer bei der Feststellung der Voraussetzungen erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) den anderweit begründeten bedingten Tötungsvorsatz mit der damit einhergehenden Überwindung einer hohen Hemmschwelle – für sich genommen zutreffend – herangezogen hat (UA S. 38), ohne indes andererseits den Zustand der alkoholbedingten Enthemmung der Angeklagten als mögliches Gegenindiz beim Tötungsvorsatz ausdrücklich erörtert zu haben (vgl. BGH NStZ 2004, 51, 52), erweist sich ebenfalls nicht als durchgreifend bedenklich. Die suchtmittelbedingte Enthemmung war nach der rechtsfehlerfreien Würdigung der Jugendkammer bei sämtlichen Angeklagten nicht so weitgehend, daß sie die durch andere Indizien gewonnene Überzeugung des Tatgerichts vom Tötungsvorsatz für sich eher unwahrscheinlich machte. Auch wenn gleichwohl eine ausdrückliche Abhandlung – bzw. ein anderer Urteilsaufbau im Zusammenhang mit der Erörterung der Schuldfähigkeit – vorzuziehen gewesen wäre, hegt der Senat noch nicht die Besorgnis, daß die Jugendkammer bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes den alkoholbedingt enthemmten Zustand der Angeklagten , der das Ergebnis dieser Prüfung nicht nachhaltig in Zweifel ziehen mußte, aus dem Blick verloren hätte. Für das besonders geringe Alter der zur Tatzeit noch jugendlichen Angeklagten gilt nichts anderes.
(3) Die Ausführungen der Jugendkammer, „spätestens“ als die Angeklagten den Nebenkläger verließen, hätten alle es für möglich gehalten, er
werde die Verletzungen nicht überleben (UA S. 15), bedeutet nicht etwa, daß die Jugendkammer sich erst für diesen Zeitpunkt von einem bedingten Tötungsvorsatz aller Angeklagter – im Sinne einer Unterlassungstat – überzeugt hätte. Die unmittelbar anschließende Erörterung ihrer Vorstellungen während der Verletzungshandlungen und die eindeutigen Ausführungen zur Erörterung des bedingten Tötungsvorsatzes im Rahmen von Beweiswürdigung (UA S. 33 f.) und rechtlicher Würdigung (UA S. 39) belegen, daß die Jugendkammer sich von einem bedingten Tötungsvorsatz aller Angeklagter für den Zeitpunkt der Verletzungshandlungen überzeugt hat und mit der genannten Wendung lediglich darüber hinausgehend die Vorstellung der Angeklagten von einem beendeten Versuch belegen wollte.

c) Die Annahme der Voraussetzungen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe ist ersichtlich rechtsfehlerfrei, und zwar auch bei dem Angeklagten B (vgl. BGHSt 47, 128, 131; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 27; BGH NStZ 1999, 129, 130). Sie werden für die gegebene Fallgestaltung auch durch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht in Frage gestellt (vgl. BGHR aaO; BGH NStZ-RR 2003, 78, 79; vgl. auch BGHSt aaO S. 133).

d) Die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom für alle Angeklagte – auch den Angeklagten L – beendeten Versuch hat die Jugendkammer zutreffend verneint.
2. Auch die Rechtsfolgenaussprüche sind frei von durchgreifenden Rechtsfehlern zum Nachteil aller Angeklagter. Der Senat beschränkt sich auf die Anmerkung, daß die gegen die Angeklagten S und B verhängten milden Jugendstrafen, deren Vollstreckung sogar jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde, als erzieherisch allermindestens gebotene Sanktion
selbst bei bloßer Verurteilung dieser Angeklagter wegen gefährlicher Körperverletzung nicht hätten unterschritten werden dürfen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.