Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 5 StR 411/18

bei uns veröffentlicht am30.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 411/18
vom
30. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:300818B5STR411.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. März 2018 mit den zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Geschehen aufgehoben ,
a) soweit er wegen Mordes (Fall B.V.) sowie Störung der Totenruhe in zwei Fällen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die besondere Schwere der Schuld.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen und Störung der Totenruhe in zwei Fällen zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Auf die nur die Tatmotivation im Fall B.V. betreffende Verfahrensrüge kommt es daher nicht mehr an.
2
1. Die Überprüfung des Urteils hinsichtlich der heimtückischen, mit lebenslanger Freiheitsstrafe sanktionierten Tötung C. (Fall B.II.) hat keinen Rechtsfehler aufgedeckt (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
2. Hingegen haben die übrigen Schuldsprüche keinen Bestand.
4
a) Den Fall B.V. hat das Landgericht rechtlich dahingehend gewürdigt, dass der Angeklagte sein Opfer B. aus im Sinne des § 211 StGB niedrigen Beweggründen getötet habe. Diese Bewertung wird jedoch nicht be- legt. Festgestellt ist, dass der Angeklagte eine günstige Gelegenheit sah, „um sich erneut als Herr über Leben und Tod aufzuspielen“. Hierdurch allein wird aber – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat – lediglich die Eigenmächtigkeit der vorsätzlichen Tötung umschrieben , nicht aber, wie es für das in Rede stehende Mordmerkmal erforderlich wäre, ein besonderer Tötungsbeweggrund (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 5 StR 525/07, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe

48).


5
Soweit darüber hinaus in den Urteilsfeststellungen ausgeführt ist, dass der Angeklagte gehandelt hat, um „möglicherweise (unbewusst) auch den Frust und den Ekel über seine Lebenssituation, seinen sozialen Abstieg, den Verlust seiner Familie und seiner Ehefrau und gegebenenfalls auch den aktuellen Frust durch die Abweisung von M. abzureagieren“, vermochte sich das Landgericht von diesen Motiven ersichtlich nicht zu überzeugen. Hinzu tritt, dass bei lediglich unbewusster Beeinflussung die Annahme niedriger Beweggründe ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524).
6
b) Die Schuldsprüche wegen Störung der Totenruhe halten rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Zwar kann das vom Angeklagten jeweils durchgeführte Zerteilen der Leichen eine grob ungehörige, rohe Kundgabe von Missachtung im Sinne des § 168 Abs. 1 Alt. 2 StGB darstellen. Wesentlich ist aber, dass der Täter dem Toten seine Verachtung zeigen will und ihm der beschimpfende Charakter seiner Handlung bewusst ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 1981 – 1 StR 834/80, NStZ 1981, 300). Der zweitgenannte Umstand lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Sie weisen lediglich aus, dass der Angeklagte handelte, „um die Tat zu verdecken und den Körper der Getöteten besser aus der Wohnung verbringen zu können“ bzw. um sein Opfer „aus seiner Wohnung zu schaffen“.
7
3. Der Wegfall eines Teils der Verurteilungen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und über die besondere Schwere der Schuld nach sich. Die Feststellungen zum jeweiligen äußeren Geschehensablauf sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
8
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Das Schwurgericht wird zu prüfen haben, ob hinsichtlich der im angegriffenen Urteil jeweils mit Freiheitsstrafe von einem Jahr geahndeten Störungen der Totenruhe nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren werden kann. Einer Berücksichtigung dieser Geschehen im Rahmen der Prüfung der besonderen Schwere der Schuld stünde dies nicht entgegen.
Mutzbauer Sander Schneider
Mosbacher Köhler

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 5 StR 411/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 5 StR 411/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 5 StR 411/18 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juni 2013 - 5 StR 129/13

bei uns veröffentlicht am 12.06.2013

5 StR 129/13 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 12. Juni 2013 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2013, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter Basdor

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2008 - 5 StR 525/07

bei uns veröffentlicht am 03.04.2008

5 StR 525/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 3. April 2008 in der Strafsache gegen wegen Mordes u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2008 beschlossen: Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berli
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2018 - 5 StR 411/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Aug. 2019 - 5 StR 403/19

bei uns veröffentlicht am 14.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 403/19 (alt: 5 StR 411/18) vom 14. August 2019 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:140819B5STR403.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2018 - 1 StR 422/18

bei uns veröffentlicht am 24.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 422/18 vom 24. Oktober 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:241018B1STR422.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des.

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

5 StR 525/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 3. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. April 2008 beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Juni 2007 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen , dass die Angeklagte wegen Mordes in drei Fällen sowie wegen Totschlags in zwei Fällen (Einzelfreiheitsstrafe jeweils fünf Jahre) zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt ist.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Mordes in fünf Fällen zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, von weiteren fünf Mordvorwürfen hat es sie aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Eine besondere Schwere der Schuld, §§ 57a, 57b StGB, hat es nicht festgestellt. Gegen das Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, mit der sie die Verurteilung in einem von ihr bestrittenen Fall, die Annahme der Mordmerkmale sowie die Strafzumessung beanstandet. Das Rechtsmittel hat nur den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die Angeklagte begann im Alter von 15 Jahren die von ihr gewünschte Ausbildung zur Krankenschwester. Nachdem sie bereits über 30 Jahre in diesem Beruf gearbeitet hatte, war sie ab 1994 auf der kardiologischen In- tensivstation eines Berliner Universitätskrankenhauses tätig. Ihre Arbeit bedeutete ihr viel, sie war vor allem nach der Trennung von ihrem Ehemann im Jahre 1999, mit dem sie über 25 Jahre verheiratet gewesen war, ein erheblich stabilisierender Faktor für ihre Lebensgestaltung.
4
Auf der kardiologischen Intensivstation galt die Angeklagte auch aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung als kompetent, sie wurde entsprechend respektiert. Im persönlichen Kontakt mit Pflegekräften oder Ärzten war sie jedoch introvertiert, wirkte zum Teil verschroben und fiel durch situationsunangemessenes Verhalten wie beständiges Pfeifen auf. Sie galt deswegen als Außenseiterin.
5
Bei morgendlichen Besprechungen der Pflegekräfte wurde die Aufteilung der meist schwerkranken Patienten organisiert. Dabei bemühte sich die Angeklagte besonders darum, für die Betreuung schwerstkranker Patienten eingeteilt zu werden, den damit verbundenen erhöhten pflegerischen Aufwand und die emotionale Belastung scheute sie nicht. Die zwanghaft perfektionistische und eigensinnige Angeklagte wollte sich eine Überforderung nicht eingestehen und lehnte Entlastungsvorschläge ab. Mechanismen, die der körperlich und emotional sehr starken Belastung der Pflegekräfte durch den dauernden Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Patienten angemessen Rechnung getragen hätten, wie regelmäßige Besprechungen in ihrem Arbeitsbereich, Supervision oder psychologische Unterstützung, gab es im Krankenhaus nicht.
6
Dies kam dem Streben der Angeklagten nach Unabhängigkeit zwar entgegen, förderte aber ihre Neigung zur Selbstbezogenheit und zu überhöhten Selbstwertideen. Aufgrund einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung war es ihr „nur schwer möglich, ... zwischen eigenen Stimmungen und der Gefühlssituation ihrer Patienten zu differenzieren“. Vielmehr übertrug sie ihre eigene Angst vor Schwäche und Hilflosigkeit auf die zu betreuenden Patienten. In den Jahren 2001, 2004 und 2005 schlug sie vereinzelt gegenüber Ärz- ten vor, die Behandlung von sterbenden Patienten einzustellen. Dies wurde weitgehend ignoriert und mit ihr nicht weiter besprochen. Einige Kollegen beobachteten gelegentliches „ruppiges“ Verhalten gegenüber Patienten.
7
Aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur fühlte sie sich bei fünf moribunden Patienten, deren Dasein sie als nicht mehr lebenswert betrachtete, berufen , für sie die Entscheidung zu treffen, ihr Leben zu beenden. Hierzu spritzte sie den Patienten in Kenntnis der aufgrund der Vorerkrankungen tödlichen Wirkungen blutdrucksenkende Medikamente, zumeist Nipruss mit dem Wirkstoff Nitroprussidnatrium. Durch den starken Blutdruckabfall trat bei jedem der fünf Patienten der Tod früher ein, als dies ohne das Eingreifen der Angeklagten geschehen wäre. Dabei war sie weder von den Patienten noch von deren Angehörigen um Sterbehilfe gebeten worden.
8
Im Einzelnen kam es zu folgenden Tötungen:
9
a) Am 28. Juni 2005 kam der 66 Jahre alte Patient S. auf die Station, weil er reanimiert werden musste. Während sich zwei Ärzte in der Reanimationsphase um eine Erhöhung des Blutdrucks bemühten, spritzte die Angeklagte Herrn S. das kontraindizierte Medikament Nipruss. Dies führte zu einem schnelleren Eintritt des Todes.
10
b) Am 16. August 2006 betreute die Angeklagte den 77 Jahre alten Patienten A. . Ihm wurde nur noch Morphium gegeben, damit er möglichst schmerzfrei sterben konnte. Er schrie seit einigen Stunden laut, ob vor Schmerzen, blieb unklar. Die Angeklagte äußerte einer anderen Krankenschwester gegenüber: „Man sollte das mal beenden.“ Sie spritzte ihm unbemerkt zunächst das stark sedierende Medikament Dormicum. Dadurch sank zwar der Blutdruck zunächst, stabilisierte sich dann aber wieder. Deswegen injizierte sie ihm Nipruss, unmittelbar danach verstarb der Patient.
11
c) Die 48 Jahre alte Frau St. aus Wolfenbüttel hatte sich zur Behandlung ihrer schweren Herzerkrankung in die Berliner Universitätsklinik begeben. Es stellte sich aber heraus, dass eine Therapie nicht möglich war, sie sollte nur noch palliativ behandelt werden. Deswegen wollte Frau St. nach Wolfenbüttel verlegt werden, um dort zu sterben. Ihr Ehemann hatte die Rückverlegung für den 20. September 2006 organisiert. Am Tag davor war Frau St. weder ansprechbar noch orientiert. Die Angeklagte überredete den Ehemann der Patientin, an diesem Tag später als geplant nach Hause zu fahren. Als er bei seiner Ehefrau am Bett saß, spritzte die Angeklagte ihr das kontraindizierte Medikament Nipruss. Das durch den Blutdruckabfall ausgelöste akustische Signal blockierte die Angeklagte. Frau St. verstarb alsbald.
12
d) Der 52 Jahre alte Patient W. lag seit mehreren Wochen im Koma und musste beatmet werden. Zu zahlreichen schweren Grunderkrankungen hatte er durch eine längere Unterversorgung mit Sauerstoff einen unumkehrbaren Hirnschaden erlitten. Immer wieder kam es bei ihm zu Blutdruckeinbrüchen , welche Reanimationsbemühungen erforderten. Auch am 26. September 2006 musste Herr W. durch kreislaufbeschleunigende Medikamente reanimiert werden. Während sich die Ärztin am Bett des Patienten hierum bemühte, spritzte die Angeklagte – von der Ärztin unbemerkt – das kontraindizierte Medikament Nipruss. Der Zustand des Patienten verschlechterte sich, weitere Reanimationsmaßnahmen unterließ die Ärztin im Hinblick auf die schlechte Prognose. Der Patient verstarb.
13
e) Am 2. Oktober 2006 lag der 62 Jahre alte Patient M. im Endstadium einer Lungenkrebserkrankung auf der Station. Seit einigen Tagen war er desorientiert und litt unter starker Luftnot. Da er zuvor verfügt hatte , dass er keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünsche, war man zur Erleichterung des Sterbevorgangs nur noch um Schmerzlinderung bemüht. Die Angeklagte spritzte ihm das Medikament Dormicum, wie von ihr vorhergesehen , kam es zu einem Blutdruckabfall, der Patient verstarb.
14
sachverständig Die beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Angeklagte an einer Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, zwanghaften und schizotypen Zügen (ICD-10 F 60.8) leide. Diese Störung sei aber im Hinblick auf die soziale Situation der Angeklagten nicht so ausgeprägt , dass sie bei den Taten zu einer relevanten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit führe.
15
2. Das Schwurgericht hat sich von der Täterschaft der Angeklagten in allen fünf Fällen auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung überzeugt. Das gilt auch für den Fall des Patienten S. , den die Angeklagte anders als die übrigen Fälle, nicht eingestanden hat.
16
Zwar konnte aufgrund der Ergebnisse der nach der Exhumierung vorgenommenen Obduktion der Leiche wegen der weit fortgeschrittenen Fäulnis keine eindeutige Todesursache mehr festgestellt werden; ein nur krankheitsbedingter Todeseintritt war allein auf dieser Grundlage nicht auszuschließen. Seine Überzeugung vom Eingreifen der Angeklagten durch die Gabe des Medikaments Nipruss und den dadurch hervorgerufenen Tod hat die Schwurgerichtskammer aber auf eine umfassende Gesamtwürdigung weiterer tragfähiger Indizien gestützt. Maßgeblich war hierbei, dass in der Schädelkapsel der Leiche eine um ein Vielfaches erhöhte Konzentration von Cyanid nachgewiesen worden ist, welche auf eine Nitroprussidnatriumgabe kurz vor Todeseintritt zurückzuführen war. Aufgrund sorgfältiger Ermittlungen hat die Strafkammer die Verabreichung dieses Wirkstoffs durch andere behandelnde Personen ausgeschlossen. Gleiches gilt für andere Wirkstoffe, die im Körper zum Freisetzen von Cyanid führen, da diese auf der Station nicht vorhanden waren (UA S. 28).
17
Vor dem Hintergrund der vergleichbaren Vorgehensweise bei den anderen Tötungshandlungen, vor allem der Tötung des Patienten W. , und dem Umstand, dass die Angeklagte zum Todeszeitpunkt Dienst hatte, ist der Schluss auf die Injektion von Nipruss durch die Angeklagte und auf den durch die kontraindizierte Wirkung dieses Medikaments beschleunigten Todeseintritt möglich und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHSt 36, 1, 14).
18
Die 3. Feststellungen tragen die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke bei der Tötung der Patienten S. , W. und St. . Die Bewertung, die Angeklagte habe bei jeder Tötung aus niedrigen Beweggründen gehandelt, hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
19
a) Das Mordmerkmal der Heimtücke hat die Schwurgerichtskammer bei drei Tötungshandlungen entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei bejaht.
20
aa) Zu Recht hat das Landgericht für die Frage der Heimtücke nicht auf die Arg- und Wehrlosigkeit der getöteten Patienten, sondern auf die mit keinem Angriff auf das Leben der Patienten rechnenden schutzbereiten Dritten abgestellt. Nicht nur der Patient W. , der sich bereits seit geraumer Zeit im Koma befand, sondern auch der zu reanimierende Patient S. und die nicht orientierte und unansprechbare Patientin St. waren aufgrund ihres Zustands zu keinerlei Argwohn und Gegenwehr fähig.
21
Schutzbereiter Dritter ist jede Person, die den Schutz eines Besinnungslosen vor Leib- und Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder es deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut (BGHSt 8, 216, 219; BGH NStZ 2006, 338, 339 f.). Voraussetzung ist jedoch, dass die Person den Schutz wirksam erbringen kann, wofür eine gewisse räumliche Nähe und eine überschaubare Anzahl der ihrem Schutz anvertrauten Menschen erforderlich sind (BGH NStZ 2008, 93).
22
Der bb) Ehemann der Patientin St. war in diesem Sinne ein schutzbereiter Dritter. Er kümmerte sich um seine Frau, offen geführte Angrif- fe auf ihr Leben hätte er bemerkt, er wäre diesen entgegengetreten. Er konnte jedoch den Angriff auf das Leben seiner Frau nicht abwehren, da er wegen seines Vertrauens auf Hilfe nicht mit einem Angriff durch die Angeklagte rechnete. Dass die Angeklagte den tödlichen Angriff, den sie durch Abschalten des akustischen Warnsignals weiter verschleierte, auch in Abwesenheit des Ehemannes hätte durchführen können, ändert nichts daran, dass sie zur konkreten Tatbegehung die Arglosigkeit und die daraus resultierende Wehrlosigkeit des Ehemannes ausgenutzt hat.
23
cc) Zutreffend hat das Landgericht die die Reanimation bei den Patienten S. und W. durchführenden Ärzte als schutzbereite Dritte angesehen. Aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe und der Konzentration auf den Patienten in der Reanimationsphase wären sie zum wirksamen Schutz in der Lage gewesen. Tatsächlich konnten sie aber dem tödlichen Übergriff nicht begegnen, da sie mit keinen Angriffen durch die Angeklagte auf das Leben ihrer Patienten rechneten. Eine positive Vorstellung der Ärzte von Angriffen der Angeklagten auf die Patienten liegt trotz ihrer vereinzelten Vorschläge zum Behandlungsabbruch bei sterbenden Patienten fern. Die Angeklagte wusste vielmehr, dass die Ärzte ihr gegenüber arglos waren, und nutzte dies für ihr Vorgehen aus.
24
dd) Eine die Heimtücke prägende Haltung kann allerdings dann entfallen , wenn der Täter aus Mitleid handelt, um einem Todkranken schwerstes Leid zu ersparen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 14; BGH NStZ 2008, 93). Die Angeklagte handelte nach den Feststellungen aber nicht aus individuellem Mitleid mit den schwerkranken Patienten, vielmehr wollte sie ihre Vorstellung über Würde und Wert des Lebens eines sterbenden Menschen durchsetzen. Ein Ausnahmefall, in dem die Heimtücke aus besonderen subjektiven Gründen zu verneinen wäre – üblicherweise als Fehlen einer feindlichen Willensrichtung bezeichnet (vgl. hierzu Schneider in MüKo, StGB § 211 Rdn. 144 ff.) – liegt mithin nicht vor.
25
b) Dagegen hält die Wertung der Schwurgerichtskammer, die Angeklagte habe in allen Fällen aus niedrigen Beweggründen gehandelt, auch einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. BGH NStZ 2006, 284, 285; NStZ-RR 2006, 340) nicht stand.
26
Ein Tötungsbeweggrund ist niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb – in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag – verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich auf Grund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGHSt 35, 116, 127; 47, 128, 130; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 23 und 39).
27
solche Eine Gesamtwürdigung stellt die Schwurgerichtskammer jedoch nicht an. Ihre Bewertung beruht auf der pauschalen Gleichsetzung der „Anmaßung, Gott gleich über Leben und Tod“ entscheiden zu wollen, mit einem Handeln aus niedrigen Beweggründen. Dieser Umstand begründet aber für sich genommen kein über § 212 StGB hinausgehendes Unwerturteil (vgl. hierzu Fischer, StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 17).
28
Dieses lässt sich auch den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Danach hat die Angeklagte zwar durch die Taten ihren Opfern den Lebenswert aberkannt. Ihr Handeln war aber nicht davon motiviert, dass sie dieses fremde Leben ohne weiteren Anlass grundsätzlich als minderwertig betrachtete (vgl. hierzu BGHSt 47, 128, 132), sondern wurde ausgelöst durch den bereits durch den nahenden Tod gezeichneten Zustand der Opfer. Die Motivation der Angeklagten beruhte – auch vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrung als Intensivkrankenschwester – auf der Überzeugung, dass Leben in einem derart desolaten moribunden Zustand, in dem sich die betreffenden Patienten befanden, nicht mehr lebenswert sei. Als Folge ihrer Selbstüberhöhung fühlte sie sich berufen, die von ihr als richtig erachtete Lebensbeendigung durch Tötung herbeizuführen. Dies wurde zudem be- günstigt durch den „unverschuldeten Anteil ihrer Persönlichkeitsstruktur“, was das Landgericht bei der Verneinung der besonderen Schuldschwere, nicht aber bei der Bewertung ihres Handlungsmotivs berücksichtigt hat. Solches Handeln ist zwar als Totschlag und in den Fällen S. , St. und W. sogar als Heimtückemord zu bewerten, aber nicht darüber hinausgehend als besonders verachtenswert und als nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehend anzusehen.
29
Die von der Schwurgerichtskammer daneben spekulativ angestellte Erwägung („mag“), die Angeklagte könne auch durch eine „egoistische Suche nach intensiven Erlebnissen“ sowie aufgrund ihres zwanghaften Perfektionismus dazu bewogen worden sein, „die Entscheidung über Leben und Tod zu dem von ihr als passend angesehenen Zeitpunkt an sich zu reißen“ muss bei der Bewertung unbeachtet bleiben, da dies nicht sicher festgestellt werden konnte.
30
3. Der Schuldspruch wegen der Tötung der Patienten S. , W. und St. wird von der unzutreffenden Annahme der niedrigen Beweggründe nicht berührt, da das Mordmerkmal der Heimtücke vorliegt. Die Umstände, die die Bewertung der Motive der Angeklagten als niedrig hindern , haben aber andererseits nicht annähernd das Gewicht außergewöhnlicher Schuldminderungsgründe, die im Rahmen der Rechtsfolgenlösung (BGHSt 30, 105) ausnahmsweise eine Strafrahmenverschiebung ermöglichen.
31
Bei der Tötung der Patienten A. und M. hat die Angeklagte auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen kein Mordmerkmal verwirklicht. Der Senat schließt aus, dass ergänzende, ein Mordmerkmal tragende Feststellungen noch getroffen werden können. Er stellt deswegen den Schuldspruch entsprechend um. Damit entfällt die lebenslange Freiheitsstrafe als Einzelstrafe in zwei Fällen, der Senat erkennt stattdessen – auch um dieses Verfahren sofort abzuschließen und im Hinblick auf die verbleibende lebenslange Freiheitsstrafe – auf die niedrigste Strafe aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Jäger

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

5 StR 129/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
12. Juni 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Su.
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Achtel ermäßigt. Die gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Revisionsverfahren hat zu einem Achtel die Staatskasse zu tragen. Die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie erzielt mit der Sachrüge nur einen geringer gewichtigen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen lernte der wegen Vergewaltigung vorbestrafte Angeklagte nach Vollverbüßung der deswegen verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren im Jahr 2007 die später getötete L. kennen. Die Beziehung war streitbeladen bis hin zu handgreiflichen Ausein- andersetzungen. Gleichwohl wünschte sich L. vom Angeklagten ein Kind und wurde 2009 schwanger. Da der Angeklagte das Kind nicht wollte, verschlechterte sich die Beziehung nochmals gravierend. Im August 2009 schlug der Angeklagte L. und trat sie heftig gegen den Bauch. Deshalb zog sie aus der gemeinsamen Wohnung in Berlin aus und bezog eine Wohnung in Bautzen.
3
Am 18. März 2010 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Kurz vor der Geburt hatten L. und der Angeklagte wieder persönlichen Kontakt. Der Angeklagte war bei der Geburt anwesend. Es folgten gegenseitige Besuche an den Wochenenden und gemeinsame Ausflüge. Dennoch war auch diese Zeit geprägt von weiterenStreitigkeiten. L. unterhielt Beziehungen zu mehreren Männern. Dies war für den An- geklagten „schwer zu verkraften“ (UA S. 13). Im September2011 ging sie eine Beziehung ein, die ernster war als die vorherigen. Vor diesem Hintergrund bedrohte der Angeklagte sie mit einem Messer.
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Am Wochenende vom 16. bis 18. Dezember 2011 besuchte der Angeklagte L. . Am Sonntagabend kam es zum Streit. Dem Angeklagten wurde dabei bewusst, dass eine Beziehung nicht mehr bestand und der neue Lebensgefährte auch in der Betreuung der Tochter seinen Platz einnahm. „Diese Situation war für den Angeklagten aufgrund seiner Ich-bezogenen Persönlichkeit nicht hinnehmbar“ (UA S. 20). Er schlug L. mit einem Hammer zweimal auf den Kopf. Nachdem sie zu Boden gestürzt war, würgte er sie mit großer Kraftanstrengung und trotz heftiger Gegenwehr, bis sie keine Lebenszeichen mehr von sich gab. Er „hatte die Tat an diesem Abend nicht konkret vorausgeplant, die latente Bereitschaft dazu war in ihm bereits seit einiger Zeit vorhanden und wurde in der sich konkret ergebenden Situation in die Tat umgesetzt“ (UA S. 20).
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2. Die Schwurgerichtskammer hat die Tat als Mord bewertet, weil der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen gehandelt habe. Sachverständig beraten hat sie angenommen, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit weder ausgeschlossen noch erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Eine kombinierte Persönlichkeitsstörung verbunden mit deutlich geminderter Frustrationstoleranz, verstärkter Kränkbarkeit, Geltungsbedürfnis, begrenzter Konfliktfähigkeit, Verlustangst, Selbstmitleid erreiche nicht die nach §§ 20, 21 StGB erforderliche Schwere.
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3. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe ist tragfähig begründet.
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a) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, und vom 24. Januar 2006 – 5 StR 410/05, NStZ-RR 2006, 140, jeweils mwN). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 1. März 2012 aaO). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die Intimpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation fraglich erscheinen lassen (BGH, Urteile vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, und vom 2. Mai 1990 – 3 StR 11/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 18).
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b) Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe durch das Landgericht wird diesen Maßstäben gerecht. Die Schwurgerichtskammer bezieht in ihre Würdigung ein, dass Gefühlsregungen wie Wut und Eifersucht in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen , wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2012 aaO). Sie stellt insoweit darauf ab, dass der Angeklagte „das Abwenden der L. von ihm und die neue Beziehung von ihr sowie die Beaufsichtigung des Kindes durch den neuen Partner“ verhindern wollte (UA S. 33). Er habe sie „aus eigensüchtigen Motiven, nämlich aus den narzisstischen Zügen re- sultierender Wut und Eifersucht“ getötet (UA S. 44). Namentlich vor dem Hin- tergrund des festgestellten gravierenden, bereits die Trennung begründenden Fehlverhaltens des Angeklagten gegenüber seiner Partnerin im Vorfeld der Tat hält sich dies ungeachtet von deren ambivalentem Verhalten, das ersichtlich auch maßgeblich von einer gewissen Achtung seiner Vaterrolle gegenüber dem gemeinsamen Kind bestimmt war, noch innerhalb des dem Tatgericht zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. BGH, Urteile vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, und vom 25. Juli 2006 – 5 StR 97/06, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 47).
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c) Auch die subjektive Seite des Mordmerkmals ist rechtsfehlerfrei belegt. Insbesondere erkennt die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer , dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten der Annahme der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals entgegenstehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Januar 1996 – 3 StR 588/95, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 32, Urteil vom 25. Juli 2006 – 5 StR 97/06, aaO). Sie schließt dies indessen mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen aus, weil der Angeklagte, der die Tötung im Vorfeld angekündigt hatte, durchaus in der Lage gewesen war, die maßgeblichen Umstände zu erkennen und seinen Impulsen zu widerstehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1978 – 2 StR 504/78, BGHSt 28, 210, 212 mwN). Soweit das Landgericht bei der Bewertung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten die einer jugendrechtlichen Sanktion zugrundeliegenden Umstände ungeachtet ihrer Unverwertbarkeit nach §§ 63, 51 BZRG herangezogen hat, schließt der Senat sicher aus, dass sich dies auf die vom Landgericht vorgenommene Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
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4. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hingegen entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht insoweit die nicht verwertbare jugendrechtliche Sanktion heranzieht. Der Senat vertritt darüber hinaus die Auffassung , dass die Maßregelanordnung hier von vornhereinnicht erfolgen kann. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung am 1. Juni 2013 (BGBl. I 2012, 2425) ist für „Altfälle“ weiterhin auf der Grundlage des bisherigen Maßstabs strikter Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 128, 326) zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2013 – 5 StR 617/12). Danach ist die Anordnung von Sicherungsverwahrung auf der Grundlage des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe jedenfalls nicht unerlässlich (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2013 – 3 StR 330/12 – und vom 25. Juli 2012 – 2 StR 111/12, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 8; Beschluss vom 9. Januar 2013 – 1 StR 558/12). Dies führt zum Wegfall des Maßregelausspruchs.
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5. Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung , dass der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen ausdrücklich erstrebten Teilerfolg erzielt hat.
Basdorf Sander Schneider
König Bellay

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.