Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2007 - 5 StR 99/07

bei uns veröffentlicht am17.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 99/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 3. November 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, und
b) im Ausspruch über die wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verhängten 25 Einzelstrafen und über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sie- ben Jahren und drei Monaten verurteilt und für die Erteilung einer Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt.
2
Der Angeklagte hat die Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und die verhängte Maßregel von seinem Revisionsangriff ausgenommen. Damit sind die sechs festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen von je sechs Monaten und die Maßregel nach § 69a StGB rechtskräftig. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Das Landgericht hat sich ausschließlich aufgrund der Zeugenaussage des wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vorbestraften und anderweitig verurteilten B. davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Zeugen B. im April 2005 20 kg Haschisch für 23.000 Euro verkaufte. Das Landgericht hat hierzu Folgendes festgestellt:
4
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Türsteher von Diskotheken hatte B. den Angeklagten, „Präsident der Motorradgang Gremium in Spremberg“, schon 1999 kennengelernt. Er wusste, dass der Angeklagte in der Betäubungsmittelszene eine führende Position innehatte. B. suchte im April 2005 für ein mit D. verabredetes Rauschgiftgeschäft über 20 kg Haschisch einen Lieferanten. Der Angeklagte zeigte sich bei einem zufälligen Treffen mit B. zur Lieferung des Rauschgifts für 23.000 Euro bereit. Dieser Preis war D. indes zu hoch. Daher wandte sich B. an den Neffen des D. , Do. aus Bautzen, und wurde mit diesem handelseinig, wobei Do. als Belohnung den Erlass einer Darlehensschuld von 3.000 Euro versprach. Do. übergab dem B. den Kaufpreis; dieser verabredete mit dem Angeklagten die Anlieferung des Rauschgifts für die nächsten Tage. An einem nicht näher bestimmten Tag im Zeitraum vom 23. April bis 2. Mai 2005 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw auf den zur Wohnung des B. gehörenden Parkplatz. Auf das Hupen des Angeklagten begab sich B. zu ihm und nahm gegen Zahlung des Gesamtpreises eine Teillieferung von 7 kg Haschisch in Empfang , die später von Do. bei B. abgeholt wurde. Der Angeklagte überbrachte B. die restlichen 13 kg Haschisch am Abend des 3. Mai 2005 auf die gleiche Weise. B. wollte das Rauschgift noch am späten Abend mit seinem Pkw Audi A 5 an Do. ausliefern. Indes wurde er um Mitternacht festgenommen, wobei er Widerstand leistete.
5
2. Das Landgericht hat sich von der Glaubhaftigkeit der Aussage des B. aufgrund des von diesem im Kernbereich stets übereinstimmend geschilderten Geschehensablaufs und des Vorliegens weiterer Umstände überzeugt. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spreche insbesondere, dass er eine Teillieferung von 7 kg Haschisch ohne dahingehend belastende Indizien eingeräumt habe und es nicht nachvollziehbar sei, dass B. gerade den Angeklagten als eine in Szenekreisen führende und gefährliche Person zu Unrecht belastet haben könnte. Zudem sprächen Komplikationen im Handlungsverlauf für einen Erlebnisbezug der Aussage des B. .
6
Diese Erwägungen reichen indes nicht aus, um die in der hier gegebenen Situation der konkreten Belastung allein durch einen entdeckten Tatbeteiligten gebotene sorgfältige Gesamtwürdigung aller Indizien zu belegen (vgl. BGH NStZ 2004, 691).
7
a) Der Annahme des Landgerichts, der Zeuge B. habe im Kernbereich stets übereinstimmend den Geschehensablauf geschildert, steht entgegen , dass B. als geständiger Angeklagter in dem gegen ihn vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Bautzen geführten Verfahren den Tatablauf und seine zentrale Rolle im Tatgeschehen anders geschildert hat, was das Amtsgericht ersichtlich zur Grundlage der Verurteilung genommen hat. Danach hat der Angeklagte das Haschisch nicht dem Zeugen B. überbracht ; dieser war vielmehr jeweils mit seinem Pkw zum Angeklagten gefahren und hat das Haschisch dort übernommen. Daneben hat sich B. als bloßer Kurierfahrer des Do. geriert, der ihm für den Fall einer erfolgreichen Abwicklung einen Schulderlass in Höhe von 3.000 Euro zugesagt hätte. B. sei klar gewesen, dass es sich um Betäubungsmittel gehandelt habe und er damit keinen Umgang hätte haben dürfen.
8
Aufgrund dieser Erörterungslücke bleiben die Erwägungen unvollständig , mit denen das Landgericht weitere Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. (differierender Zeitpunkt der ersten Haschischlieferung in vier polizeilichen Vernehmungen und in der Hauptverhandlung – ersichtlich nach einem dem Angeklagten für den zunächst genannten Liefertag geglückten Alibi, unzutreffende Angaben zum Typ des vom Angeklagten gefahrenen Pkw, ungenaue Angaben bezüglich der Festlegung des Preises für das Haschisch und widersprüchliche Darlegungen der Zeugen B. und Do. zum Vorteil des B. ) relativiert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06). Das Landgericht hätte sämtliche Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. in einer Gesamtschau daraufhin würdigen müssen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06).
9
b) Soweit das Landgericht der den Angeklagten belastenden Aussage des Zeugen B. eine größere Zuverlässigkeit wegen der Selbstbelastung hinsichtlich der ersten – zunächst unbekannt gewesenen – Teillieferung und der dargestellten Komplikationen im Handlungsablauf zugebilligt hat, lässt solches besorgen, dass einem bloßen schlüssig geschilderten Tatgeschehen eines Mittäters – was stets die Aktionen eines anderen Mittäters umfasst, aber nicht dessen wahre Identität umfassen muss – eine zu große Bedeutung für die Glaubhaftigkeit der Angaben zur Identifizierung des genannten Mittäters beigemessen worden sein kann (vgl. BGH StV 2006, 683; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06). Allein aus dem Umstand der Selbstbelastung ist kein Indiz von überragender Bedeutung für die Belastung der Person des Angeklagten zu gewinnen.
10
c) Auch die Erwägung des Landgerichts, eine Falschbelastung des Angeklagten sei wegen dessen Rachekompetenz nicht nachvollziehbar, begegnet Bedenken. Einen bereits stadtbekannten Rauschgifthändler – wie den Angeklagten – wird jemand, der etwa, ohne den wahren Tatbeteiligten zu verraten, einen Vorteil durch weitere Aufklärung erreichen will, mit größerer Plausibilität belasten können als einen den Ermittlungsbehörden noch gänzlich unbekannten Täter (vgl. BGH StV 2006, 515). Zudem lässt das Landgericht in diesem Zusammenhang unerörtert, dass vorliegend – vom Landgericht ohne jede Erläuterung festgestellt – der Angeklagte von der Polizei bereits am 4. Mai 2005 verdächtigt wurde, der Zeuge B. sich indes erst am 30. Mai den Ermittlungsbehörden anvertraut hat.
11
d) Das dem Angeklagten angelastete Rauschgiftgeschäft bedarf demnach neuer tatrichterlicher Aufklärung und Bewertung.
12
3. Soweit die Revision den Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen angreift, offenbart sie keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat sich nach ausreichender Würdigung der Tatumstände vor dem Hintergrund des nach Überzeugung des Angeklagten von ihm ausgehenden Aids-Ansteckungsrisikos von 1:1.000 in allen 25 Fällen des von ihm praktizierten ungeschützten oralen und vaginalen Geschlechtsverkehrs rechtsfehlerfrei von einem bedingten Körperverletzungsvorsatz überzeugt (vgl. BGH NJW 1992, 2644, 2645 f., insoweit in BGHSt 38, 300 nicht abgedruckt). Indes können die dem gemäß §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 224 StGB entnommenen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten schon deshalb nicht aufrecht erhalten bleiben, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass sie von der Höhe der Einsatzstrafe beeinflusst worden sind.
13
Das neue Tatgericht wird insoweit bei der Strafrahmenfindung und Einzelstrafbemessung zu berücksichtigen haben, dass das vom Angeklagten objektiv ausgehende Ansteckungsrisiko (1:1 Mio.) durch die erfolgreiche Medikation des Angeklagten nachhaltig geringer als vom Angeklagten angenommen und darüber hinaus in 24 Fällen durch den vom Angeklagten praktizierten coitus interruptus noch weiter verringert war (vgl. BGHSt 36, 1, 8).
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2007 - 5 StR 99/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2007 - 5 StR 99/07

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2007 - 5 StR 99/07 zitiert 7 §§.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 69a Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis


(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 494/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 1. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 19. Juni 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte allein wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt ist, und im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bemessung einer neuen Strafe, auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zum Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Mordes. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Jugendkammer des Landgerichts hat mit Urteil vom 3. Dezember 1996 zwei Mittäter der nämlichen Tat wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem Mord durch Unterlassen“ schuldig gesprochen und den erwachsenen Angeklagten N. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und den heranwachsenden Angeklagten S.
auch wegen weiterer – eher geringfügiger – Straftaten zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen dieser Angeklagten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes durch Beschluss vom 21. Mai 1997 – 3 StR 137/97 – gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Den Schuldsprüchen der Jugendkammer lagen Geständnisse der damaligen Angeklagten zugrunde, die in ihren Einlassungen den damals nicht auffindbaren jetzigen Angeklagten als alleinigen Verursacher sämtlicher Verletzungen des Verstorbenen bezeichnet hatten.
3
2. In weitestgehend wörtlicher Übereinstimmung mit den damaligen Feststellungen der Jugendkammer hat die Schwurgerichtskammer nunmehr folgende Feststellungen getroffen:
4
Der damals 22 Jahre alte Angeklagte durchwatete mit S. und N. am 24. Februar 1996 in Zittau von Polen kommend den Grenzfluss Neiße. Sie entschlossen sich, ein Fahrzeug zu entwenden, und warteten bis zum 27. Februar 1996 in einer G. gehörenden Gartenlaube in Eckartsberg auf eine Gelegenheit zum Diebstahl. G. fuhr zwischen 17.30 Uhr und 17.45 Uhr „mit seinem Pkw Peugeot 309 auf die Wiese vor seinem Gartengrundstück vor. Er stellte seinen Pkw ab und begab sich in Richtung seiner Laube. Der Angeklagte bemerkte dies und weckte die schlafenden N. und S. . Er teilte ihnen mit, dass nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, ein Fahrzeug zu besorgen. Alle drei beobachteten den Geschädigten G. . Sie fassten gemeinsam den Entschluss, den Mann zu überraschen, um sich des Fahrzeugs notfalls mit Gewalt, insbesondere durch Vorhalt eines aus einer zuvor aufgebrochenen Laube entwendeten Luftgewehrs und eines Küchenmessers sowie Fesseln des Geschädigten zu bemächtigen und mit dem Fahrzeug weiter in das Landesinnere gelangen zu können. Entsprechend dem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan übergab der Angeklagte dem N. das Luftgewehr und nahm ein in der Laube vorgefundenes Küchenmesser an sich. Der Angeklagte durchschnitt den an der Laubentür angebrachten Klebestreifen, mit dem zuvor das selbstständige Aufgehen der nach außen zu öffnenden aufgebrochenen Laubentür verhindert worden war, und sicherte diese, indem er sie mit seinen Händen an sich zog. Gleichzeitig stellten sich N. und S. hinter den an der Tür stehenden Angeklagten und alle drei traten zusammen vor die Laube, als der Geschädigte G. im Begriff war, die Laubentür zu öffnen. N. stellte sich mit dem Luftgewehr vor den Geschädigten, während der Angeklagte hinter diesen trat und ihm sofort das mitgeführte Küchenmesser an die Kehle hielt. Er wollte die vom Geschädigten erwartete Flucht und Gegenwehr von vornherein im Keim ersticken. S. stellte sich etwa zwei Meter neben N. . Der Angeklagte verlangte von dem Geschädigten die Herausgabe der Autoschlüssel. Der völlig überraschte, durch die kräfte- und zahlenmäßige Überlegenheit und infolge des vorgehaltenen Messers und Luftgewehrs eingeschüchterte, zu keiner Gegenwehr fähige Geschädigte gab an, dass sich die Fahrzeugschlüssel im Wagen befinden würden. Der Angeklagte forderte S. auf, im Fahrzeug des Geschädigten nach dem Autoschlüssel zu sehen. Dieser weigerte sich und fragte N. , ob dieser das machen würde. N. übergab daraufhin das Luftgewehr an den Angeklagten und begab sich zu dem Fahrzeug des Geschädigten G. . Der Angeklagte schob den Geschädigten in die Laube …, fasste das Luftgewehr am Lauf und schlug dem Geschädigten für diesen und auch für den unmittelbar nach ihm in die Laube getretenen und daneben stehenden S. unerwartet zunächst einmal mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, so dass der Geschädigte zu Boden ging. S. , der sich der Gefährlichkeit dieser Handlung für das Leben des Geschädigten G. bewusst war, rief dem Angeklagten zu, was er denn da mache. Der Angeklagte forderte ihn auf, ruhig zu sein und die Sachen einzusammeln. Er wisse, was zu machen sei. S. ließ den Angeklagten gewähren, begann die in der Laube herumliegenden Sachen zusammenzusuchen … Der Angeklagte schlug erneut mindestens dreimal auf den sich erhebenden Geschädigten mit dem Gewehrkolben ein … Der Angeklagte durchsuchte, wie von ihm beabsichtigt, die Taschen des Geschädigten und nahm die vorgefundenen Autoschlüssel sowie etwa 30 DM an sich. In der Zwischenzeit kam N. wieder in die Laube zurück und sah den im Ge- sicht blutenden Geschädigten G. am Boden liegen. Er bemerkte das am Kolben zerbrochene Luftgewehr und schloss daraus, dass der Geschädigte mit diesem niedergeschlagen worden war. N. schrie den Angeklagten an, was er gemacht habe, da auch er erkannte, dass dem Geschädigten lebensgefährliche Kopfverletzungen zugefügt wurden. Unbeeindruckt von N. s Reaktion trat der Angeklagte dem am Boden liegenden Geschädigten zweimal mit seinem beschuhten Fuß in das Gesicht. Auf die Frage des N. , warum er dies tue, antwortete der Angeklagte, dass dies geschehe , damit der Geschädigte nicht mehr aufstehe. Der Angeklagte schlug eine in der Nähe befindliche Bodenvase dem Geschädigten auf den Kopf, um sicher zu gehen, dass der Geschädigte nicht mehr in der Lage ist, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten, und um ohne jegliche Gegenwehr das Fahrzeug des Geschädigten in seine Gewalt zu bekommen. Zuletzt sprühte der Angeklagte dem am Boden liegenden Geschädigten den Inhalt einer mitgeführten Dose Reizgas in das Gesicht … Der Angeklagte und seine Mittäter schlossen die Tür der Laube und schoben die Bank davor, um den ursprünglichen äußeren Zustand wieder herzustellen und ein selbstständiges Aufgehen der Tür zu verhindern. Danach verließen sie mit dem Fahrzeug des Geschädigten die Gartenanlage und ließen den Geschädigten völlig hilflos zurück , um ihr Weiterkommen in das Landesinnere und damit den erfolgreichen Abschluss ihres Unternehmens zu sichern“ (UA S. 7 bis 9).
5
Gegen 18.00 Uhr des gleichen Tages verstarb G. infolge einer Einblutung in das Hirnkammersystem.
6
Der Angeklagte und die bereits Verurteilten fuhren nach Kehl. Dort stellten sie den Pkw ab. Nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich begehrten S. und N. am 1. März 1996 in Mannheim Asyl mit richtigen, zwei Tage später in Berlin unter falschen Namen. N. und S. wurden Ende April 1996 in Berlin verhaftet, nachdem festgestellt worden war, dass am Tatort aufgefundene Fingerabdrücke mit den ihren übereingestimmt hatten.
7
3. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, dass er an der Tat zum Nachteil des G. zusammen mit S. und N. beteiligt war, ohne hierzu nähere Angaben zu machen. Er hat in Abrede genommen, dass er „alles gemacht“ habe (UA S. 11). S. habe den Mann mit dem Gewehr mindestens einmal ins Gesicht geschlagen. Er hätte den Verletzten nicht liegen gelassen, wenn er nicht von S. mit einem Messer bedroht und hierdurch zum Wegfahren gezwungen worden wäre.
8
4. Das Landgericht hat sich von einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten am Raub des Pkw aufgrund vom Angeklagten stammender Spuren am Tatort und der Zeugenaussage des Haftrichters des Amtsgerichts Laufen überzeugt, demgegenüber der Angeklagte während der Vernehmung am 30. März 2005 den im Haftbefehl vom 7. Mai 1996 konkret aufgeführten Tatvorwurf des gemeinschaftlichen Raubes des Pkw unter Herbeiführung lebensgefährlicher Verletzungen des Eigentümers des Fahrzeugs als grundsätzlich richtig bestätigt hatte, allerdings mit der Einschränkung, dass nicht er, sondern S. das Opfer geschlagen habe. Der Angeklagte hat ferner erklärt , er sei während der Vorfälle zum Auto gelaufen, da er Angst bekommen habe. Nach vergeblicher Suche nach den Kfz-Schlüsseln sei er in die Laube zurückgegangen und habe den bereits schwer Verletzten zusammen mit den Landsleuten durchsucht und die Schlüssel gefunden. Die Mittäter hätten sich geweigert, das Opfer in ein Krankenhaus zu bringen. Den erst in der Hauptverhandlung erhobenen Einwand des Angeklagten, er sei zur Abfahrt gezwungen worden, hat das Landgericht – für sich rechtsfehlerfrei – als unschlüssige Schutzbehauptung widerlegt.
9
Solches trägt als Mindestfeststellung den Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge gemäß § 251 StGB. Der Angeklagte hat in Verfolgung des auf gewaltsame Wegnahme eines Pkw gerichteten gemeinsamen Tatplanes die, wenn nicht von ihm, so jedenfalls im Rahmen verabredeter Gewaltausübung von einem Mittäter dem Gewahrsamsinhaber beigebrachten lebensgefährlichen Körperverletzungen dazu ausgenutzt, sich und die Tat- genossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen (vgl. BGHSt 48, 365, 366 f.). Durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen Schwerverletzten hat sich deren Vorsatz – entsprechend der Version des Angeklagten – wenigstens sukzessiv auf die Gewalthandlung des Mittäters erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 251 Rdn. 5). Der Angeklagte hat den Todeseintritt jedenfalls leichtfertig mit herbeigeführt (vgl. BGH aaO S. 3363).
10
5. Die Revision ist indes erfolgreich, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes angreift. Die diesem Schuldspruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hat keinen Bestand.
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a) Das Landgericht hat sich ausschließlich anhand indirekter Beweismittel , der früheren Aussagen der Mittäter S. und N. als Beschuldigte und Angeklagte, eingeführt durch Verlesung der Beschuldigtenvernehmungen und des Urteils der Jugendkammer vom 3. Dezember 1996 sowie Vernehmung des ermittelnden Kriminalbeamten und zweier beisitzender Richter der Jugendkammer als Zeugen davon überzeugt, dass es allein der Angeklagte war, der gegen das Opfer sämtliche Verletzungshandlungen ausgeführt hat. S. wurde als Zeuge in Rumänien geladen. Gegenüber der Polizei hat er dort erklärt, dass er seiner früher gemachten Aussage nichts hinzuzufügen habe. Er hat sich geweigert, eine schriftliche Erklärung abzugeben. Auch der Verurteilte N. ist als Zeuge in Rumänien geladen worden. Er soll sich aber in Spanien – für das Gericht unerreichbar – aufhalten.
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b) Der Senat ist nicht genötigt zu entscheiden, ob bei der vom Landgericht insoweit herangezogenen Beweislage eine Verurteilung wegen Mordes ohne Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 MRK möglich ist (vgl. BGH NJW 2005, 1132; 2007, 237 zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; EGMR NJW 2003, 2893, 2894; 2006, 2753, 2755 f.), weil die Beweiswürdigung des Landgerichts jedenfalls sachlichrechtlichen Anforderungen nicht entspricht.
13
aa) Schon der Ausgangspunkt der Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet gewichtigen Bedenken. Die Schwurgerichtskammer würdigt die Einlassung der anderweitig Verurteilten im Stil von Zeugenaussagen (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492) und prüft, ob die ehemaligen Angeklagten etwas Selbsterlebtes wiedergegeben haben. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht nicht hinreichend bedacht hat, dass am Tatort anwesend gewesene und gemeinsam geflüchtete Mittäter fraglos weitestgehend Selbsterlebtes bekunden können und es lediglich zu beurteilen gewesen ist, ob Mittäter gemeinsam oder einzeln dem Opfer die tödlichen Verletzungen beigebracht haben. Hinzu kommt, dass die vom Landgericht herangezogenen glaubhaftigkeitssteigernden Begleitumstände, die von den Verurteilten übereinstimmend in deren polizeilichen Vernehmungen geschildert worden sind (UA S. 28 f.: Tatzeit, Art der Verschließung der Laubentür, Äußerungen des Angeklagten nach der Tat, Fahrereigenschaft des Angeklagten) und das mit den bekundeten Belastungen der Verurteilten übereinstimmende Obduktionsergebnis für die ausschlaggebende Beurteilung einer möglicherweise alternativen Aufteilung der Tatausführungsbeiträge irrelevant sind.
14
bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts erfüllt die sich aus der hier ebenfalls vorliegenden Konstellation Aussage-gegen-Aussage (vgl. BGH NStZ–RR 2002, 146 m.w.N.) ergebenden besonderen Erörterungspflichten nicht ausreichend. Die Schwurgerichtskammer hat nicht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in ihre Überlegungen einbezogen (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.).
15
Das Landgericht hat die den Beschuldigtenvernehmungen und Einlassungen der Verurteilten widersprechenden Aussagen vor dem jeweiligen Haftrichter nicht in die Würdigung miteinbezogen. N. hatte ursprünglich – wie jetzt teilweise der Angeklagte – angegeben, S. und der Angeklagte hätten G. getötet. S. hatte entgegen dem Beweisergebnis ausgesagt , er sei mit N. weggerannt und habe nicht mitbekommen, was in der Laube geschehen sei. Damit wäre zu beachten gewesen, dass die vom Landgericht aus den im Wesentlichen als übereinstimmend bewerteten Aussagen der Verurteilten in ihren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen und Einlassungen als Angeklagte abgeleitete Aussagekonstanz zumindest so stark in Zweifel zu ziehen gewesen wäre, dass die vom Schwurgericht selbst festgestellten, sogar das Kerngeschehen berührenden Widersprüche (UA S. 30: Übernahme des Gewehrs durch den Angeklagten, Umfang der Wahrnehmungen des N. , Weigerung des S. , zum Pkw zu gehen, weiteres Tatmittel Bodenvase) nicht mehr mit einer Erinnerungslücke, fehlendem Belastungseifer oder Detailergänzungen hätten erklärt werden dürfen. Der Tatrichter wäre bei dieser Sachlage vielmehr genötigt gewesen, sämtliche Qualitätsmängel der Aussagen der Verurteilten in einer Gesamtschau daraufhin zu würdigen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7). Dabei wäre auch der Umstand heranzuziehen gewesen, dass die Verurteilten zu ihrem eigenen Vorteil deutsche Behörden unmittelbar nach der Tat durch Stellung von Asylanträgen unter falschen Namen zu täuschen in der Lage waren.
16
cc) Soweit das Landgericht einen Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Verurteilten darin erblickt, dass diese sich erheblich selbst belastet haben, steht solches in gewissem Widerspruch zu der im Urteil dargestellten , die Verurteilten stark belastenden Beweislage. S. und N. hatten am Tatort Fingerabdrücke hinterlassen. Der Todeszeitpunkt des Opfers stand im Einklang mit dem Verschwinden von dessen Pkw, der im weiteren Umkreis des Aufenthaltsorts der Verurteilten nach der Tat aufgefunden worden war. Als selbstbelastend konnte nur der aus der Zeit nach der unmittelbaren Tatausführung geschilderte Umstand bewertet werden, dass das Opfer noch gelebt habe, als die Verurteilten den Tatort verlassen und dabei nicht gewollt hatten, dass das Opfer zur Polizei hätte gehen können. Solches steht aber nicht im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Zufügung der tödlichen Verletzungen.
17
dd) Das Landgericht hat es schließlich unterlassen, bei der Wertung der Beweise auf die sich aus der Konstellation Aussage-gegen-Aussage in Kumulation mit dem geringeren Beweiswert der bloß zur Verfügung stehenden mittelbaren Aussagen ergebenden erhöhten Schwierigkeiten Bedacht zu nehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 691, 692; NJW 2007, 237, 239 m.w.N.). Daneben hätte der Umstand kritischer Erörterung bedurft, dass sich S. , den der Angeklagte in seiner Einlassung belastet hat und der nach dem Beweisergebnis des Landgerichts während der Tatausführung anwesend war, ohne Grund der Zeugenrolle entzogen hat, ähnlich einem Zeugen, der § 55 StPO in Anspruch nimmt (vgl. BGHSt 47, 220, 223 f.).
18
6. Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter in der Lage sein wird, die aufgezeigten Schwierigkeiten der Beweisführung in dem Sinne überwinden zu können, dass eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes möglich sein wird. Demnach verbleibt es bei dem aufgrund der fehlerfrei getroffenen Mindestfeststellungen des Landgerichts (Ziffer 4 dieses Beschlusses ) sich ergebenden Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge. Eine weitergehende Verurteilung ist bei der gegebenen Beweislage nicht möglich. Der Grundsatz in dubio pro reo nötigt bei den hier vorhandenen Mittätern zur Annahme, dass diese und nicht der Angeklagte das Opfer getötet haben (vgl. BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8).

19
Der neue Tatrichter wird demnach auf Grundlage dieser Mindestfeststellungen nur noch die Strafe zu bestimmen haben. Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht. Zum Lebenslauf des Angeklagten dürfen ergänzende Feststellungen getroffen werden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 494/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 1. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Februar 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 19. Juni 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte allein wegen Raubes mit Todesfolge verurteilt ist, und im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bemessung einer neuen Strafe, auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zum Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Mordes. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Jugendkammer des Landgerichts hat mit Urteil vom 3. Dezember 1996 zwei Mittäter der nämlichen Tat wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem Mord durch Unterlassen“ schuldig gesprochen und den erwachsenen Angeklagten N. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und den heranwachsenden Angeklagten S.
auch wegen weiterer – eher geringfügiger – Straftaten zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen dieser Angeklagten hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes durch Beschluss vom 21. Mai 1997 – 3 StR 137/97 – gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Den Schuldsprüchen der Jugendkammer lagen Geständnisse der damaligen Angeklagten zugrunde, die in ihren Einlassungen den damals nicht auffindbaren jetzigen Angeklagten als alleinigen Verursacher sämtlicher Verletzungen des Verstorbenen bezeichnet hatten.
3
2. In weitestgehend wörtlicher Übereinstimmung mit den damaligen Feststellungen der Jugendkammer hat die Schwurgerichtskammer nunmehr folgende Feststellungen getroffen:
4
Der damals 22 Jahre alte Angeklagte durchwatete mit S. und N. am 24. Februar 1996 in Zittau von Polen kommend den Grenzfluss Neiße. Sie entschlossen sich, ein Fahrzeug zu entwenden, und warteten bis zum 27. Februar 1996 in einer G. gehörenden Gartenlaube in Eckartsberg auf eine Gelegenheit zum Diebstahl. G. fuhr zwischen 17.30 Uhr und 17.45 Uhr „mit seinem Pkw Peugeot 309 auf die Wiese vor seinem Gartengrundstück vor. Er stellte seinen Pkw ab und begab sich in Richtung seiner Laube. Der Angeklagte bemerkte dies und weckte die schlafenden N. und S. . Er teilte ihnen mit, dass nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, ein Fahrzeug zu besorgen. Alle drei beobachteten den Geschädigten G. . Sie fassten gemeinsam den Entschluss, den Mann zu überraschen, um sich des Fahrzeugs notfalls mit Gewalt, insbesondere durch Vorhalt eines aus einer zuvor aufgebrochenen Laube entwendeten Luftgewehrs und eines Küchenmessers sowie Fesseln des Geschädigten zu bemächtigen und mit dem Fahrzeug weiter in das Landesinnere gelangen zu können. Entsprechend dem zuvor gemeinsam gefassten Tatplan übergab der Angeklagte dem N. das Luftgewehr und nahm ein in der Laube vorgefundenes Küchenmesser an sich. Der Angeklagte durchschnitt den an der Laubentür angebrachten Klebestreifen, mit dem zuvor das selbstständige Aufgehen der nach außen zu öffnenden aufgebrochenen Laubentür verhindert worden war, und sicherte diese, indem er sie mit seinen Händen an sich zog. Gleichzeitig stellten sich N. und S. hinter den an der Tür stehenden Angeklagten und alle drei traten zusammen vor die Laube, als der Geschädigte G. im Begriff war, die Laubentür zu öffnen. N. stellte sich mit dem Luftgewehr vor den Geschädigten, während der Angeklagte hinter diesen trat und ihm sofort das mitgeführte Küchenmesser an die Kehle hielt. Er wollte die vom Geschädigten erwartete Flucht und Gegenwehr von vornherein im Keim ersticken. S. stellte sich etwa zwei Meter neben N. . Der Angeklagte verlangte von dem Geschädigten die Herausgabe der Autoschlüssel. Der völlig überraschte, durch die kräfte- und zahlenmäßige Überlegenheit und infolge des vorgehaltenen Messers und Luftgewehrs eingeschüchterte, zu keiner Gegenwehr fähige Geschädigte gab an, dass sich die Fahrzeugschlüssel im Wagen befinden würden. Der Angeklagte forderte S. auf, im Fahrzeug des Geschädigten nach dem Autoschlüssel zu sehen. Dieser weigerte sich und fragte N. , ob dieser das machen würde. N. übergab daraufhin das Luftgewehr an den Angeklagten und begab sich zu dem Fahrzeug des Geschädigten G. . Der Angeklagte schob den Geschädigten in die Laube …, fasste das Luftgewehr am Lauf und schlug dem Geschädigten für diesen und auch für den unmittelbar nach ihm in die Laube getretenen und daneben stehenden S. unerwartet zunächst einmal mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, so dass der Geschädigte zu Boden ging. S. , der sich der Gefährlichkeit dieser Handlung für das Leben des Geschädigten G. bewusst war, rief dem Angeklagten zu, was er denn da mache. Der Angeklagte forderte ihn auf, ruhig zu sein und die Sachen einzusammeln. Er wisse, was zu machen sei. S. ließ den Angeklagten gewähren, begann die in der Laube herumliegenden Sachen zusammenzusuchen … Der Angeklagte schlug erneut mindestens dreimal auf den sich erhebenden Geschädigten mit dem Gewehrkolben ein … Der Angeklagte durchsuchte, wie von ihm beabsichtigt, die Taschen des Geschädigten und nahm die vorgefundenen Autoschlüssel sowie etwa 30 DM an sich. In der Zwischenzeit kam N. wieder in die Laube zurück und sah den im Ge- sicht blutenden Geschädigten G. am Boden liegen. Er bemerkte das am Kolben zerbrochene Luftgewehr und schloss daraus, dass der Geschädigte mit diesem niedergeschlagen worden war. N. schrie den Angeklagten an, was er gemacht habe, da auch er erkannte, dass dem Geschädigten lebensgefährliche Kopfverletzungen zugefügt wurden. Unbeeindruckt von N. s Reaktion trat der Angeklagte dem am Boden liegenden Geschädigten zweimal mit seinem beschuhten Fuß in das Gesicht. Auf die Frage des N. , warum er dies tue, antwortete der Angeklagte, dass dies geschehe , damit der Geschädigte nicht mehr aufstehe. Der Angeklagte schlug eine in der Nähe befindliche Bodenvase dem Geschädigten auf den Kopf, um sicher zu gehen, dass der Geschädigte nicht mehr in der Lage ist, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten, und um ohne jegliche Gegenwehr das Fahrzeug des Geschädigten in seine Gewalt zu bekommen. Zuletzt sprühte der Angeklagte dem am Boden liegenden Geschädigten den Inhalt einer mitgeführten Dose Reizgas in das Gesicht … Der Angeklagte und seine Mittäter schlossen die Tür der Laube und schoben die Bank davor, um den ursprünglichen äußeren Zustand wieder herzustellen und ein selbstständiges Aufgehen der Tür zu verhindern. Danach verließen sie mit dem Fahrzeug des Geschädigten die Gartenanlage und ließen den Geschädigten völlig hilflos zurück , um ihr Weiterkommen in das Landesinnere und damit den erfolgreichen Abschluss ihres Unternehmens zu sichern“ (UA S. 7 bis 9).
5
Gegen 18.00 Uhr des gleichen Tages verstarb G. infolge einer Einblutung in das Hirnkammersystem.
6
Der Angeklagte und die bereits Verurteilten fuhren nach Kehl. Dort stellten sie den Pkw ab. Nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich begehrten S. und N. am 1. März 1996 in Mannheim Asyl mit richtigen, zwei Tage später in Berlin unter falschen Namen. N. und S. wurden Ende April 1996 in Berlin verhaftet, nachdem festgestellt worden war, dass am Tatort aufgefundene Fingerabdrücke mit den ihren übereingestimmt hatten.
7
3. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, dass er an der Tat zum Nachteil des G. zusammen mit S. und N. beteiligt war, ohne hierzu nähere Angaben zu machen. Er hat in Abrede genommen, dass er „alles gemacht“ habe (UA S. 11). S. habe den Mann mit dem Gewehr mindestens einmal ins Gesicht geschlagen. Er hätte den Verletzten nicht liegen gelassen, wenn er nicht von S. mit einem Messer bedroht und hierdurch zum Wegfahren gezwungen worden wäre.
8
4. Das Landgericht hat sich von einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten am Raub des Pkw aufgrund vom Angeklagten stammender Spuren am Tatort und der Zeugenaussage des Haftrichters des Amtsgerichts Laufen überzeugt, demgegenüber der Angeklagte während der Vernehmung am 30. März 2005 den im Haftbefehl vom 7. Mai 1996 konkret aufgeführten Tatvorwurf des gemeinschaftlichen Raubes des Pkw unter Herbeiführung lebensgefährlicher Verletzungen des Eigentümers des Fahrzeugs als grundsätzlich richtig bestätigt hatte, allerdings mit der Einschränkung, dass nicht er, sondern S. das Opfer geschlagen habe. Der Angeklagte hat ferner erklärt , er sei während der Vorfälle zum Auto gelaufen, da er Angst bekommen habe. Nach vergeblicher Suche nach den Kfz-Schlüsseln sei er in die Laube zurückgegangen und habe den bereits schwer Verletzten zusammen mit den Landsleuten durchsucht und die Schlüssel gefunden. Die Mittäter hätten sich geweigert, das Opfer in ein Krankenhaus zu bringen. Den erst in der Hauptverhandlung erhobenen Einwand des Angeklagten, er sei zur Abfahrt gezwungen worden, hat das Landgericht – für sich rechtsfehlerfrei – als unschlüssige Schutzbehauptung widerlegt.
9
Solches trägt als Mindestfeststellung den Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge gemäß § 251 StGB. Der Angeklagte hat in Verfolgung des auf gewaltsame Wegnahme eines Pkw gerichteten gemeinsamen Tatplanes die, wenn nicht von ihm, so jedenfalls im Rahmen verabredeter Gewaltausübung von einem Mittäter dem Gewahrsamsinhaber beigebrachten lebensgefährlichen Körperverletzungen dazu ausgenutzt, sich und die Tat- genossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen (vgl. BGHSt 48, 365, 366 f.). Durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen Schwerverletzten hat sich deren Vorsatz – entsprechend der Version des Angeklagten – wenigstens sukzessiv auf die Gewalthandlung des Mittäters erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 251 Rdn. 5). Der Angeklagte hat den Todeseintritt jedenfalls leichtfertig mit herbeigeführt (vgl. BGH aaO S. 3363).
10
5. Die Revision ist indes erfolgreich, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes angreift. Die diesem Schuldspruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hat keinen Bestand.
11
a) Das Landgericht hat sich ausschließlich anhand indirekter Beweismittel , der früheren Aussagen der Mittäter S. und N. als Beschuldigte und Angeklagte, eingeführt durch Verlesung der Beschuldigtenvernehmungen und des Urteils der Jugendkammer vom 3. Dezember 1996 sowie Vernehmung des ermittelnden Kriminalbeamten und zweier beisitzender Richter der Jugendkammer als Zeugen davon überzeugt, dass es allein der Angeklagte war, der gegen das Opfer sämtliche Verletzungshandlungen ausgeführt hat. S. wurde als Zeuge in Rumänien geladen. Gegenüber der Polizei hat er dort erklärt, dass er seiner früher gemachten Aussage nichts hinzuzufügen habe. Er hat sich geweigert, eine schriftliche Erklärung abzugeben. Auch der Verurteilte N. ist als Zeuge in Rumänien geladen worden. Er soll sich aber in Spanien – für das Gericht unerreichbar – aufhalten.
12
b) Der Senat ist nicht genötigt zu entscheiden, ob bei der vom Landgericht insoweit herangezogenen Beweislage eine Verurteilung wegen Mordes ohne Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 MRK möglich ist (vgl. BGH NJW 2005, 1132; 2007, 237 zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; EGMR NJW 2003, 2893, 2894; 2006, 2753, 2755 f.), weil die Beweiswürdigung des Landgerichts jedenfalls sachlichrechtlichen Anforderungen nicht entspricht.
13
aa) Schon der Ausgangspunkt der Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet gewichtigen Bedenken. Die Schwurgerichtskammer würdigt die Einlassung der anderweitig Verurteilten im Stil von Zeugenaussagen (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492) und prüft, ob die ehemaligen Angeklagten etwas Selbsterlebtes wiedergegeben haben. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht nicht hinreichend bedacht hat, dass am Tatort anwesend gewesene und gemeinsam geflüchtete Mittäter fraglos weitestgehend Selbsterlebtes bekunden können und es lediglich zu beurteilen gewesen ist, ob Mittäter gemeinsam oder einzeln dem Opfer die tödlichen Verletzungen beigebracht haben. Hinzu kommt, dass die vom Landgericht herangezogenen glaubhaftigkeitssteigernden Begleitumstände, die von den Verurteilten übereinstimmend in deren polizeilichen Vernehmungen geschildert worden sind (UA S. 28 f.: Tatzeit, Art der Verschließung der Laubentür, Äußerungen des Angeklagten nach der Tat, Fahrereigenschaft des Angeklagten) und das mit den bekundeten Belastungen der Verurteilten übereinstimmende Obduktionsergebnis für die ausschlaggebende Beurteilung einer möglicherweise alternativen Aufteilung der Tatausführungsbeiträge irrelevant sind.
14
bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts erfüllt die sich aus der hier ebenfalls vorliegenden Konstellation Aussage-gegen-Aussage (vgl. BGH NStZ–RR 2002, 146 m.w.N.) ergebenden besonderen Erörterungspflichten nicht ausreichend. Die Schwurgerichtskammer hat nicht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in ihre Überlegungen einbezogen (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.).
15
Das Landgericht hat die den Beschuldigtenvernehmungen und Einlassungen der Verurteilten widersprechenden Aussagen vor dem jeweiligen Haftrichter nicht in die Würdigung miteinbezogen. N. hatte ursprünglich – wie jetzt teilweise der Angeklagte – angegeben, S. und der Angeklagte hätten G. getötet. S. hatte entgegen dem Beweisergebnis ausgesagt , er sei mit N. weggerannt und habe nicht mitbekommen, was in der Laube geschehen sei. Damit wäre zu beachten gewesen, dass die vom Landgericht aus den im Wesentlichen als übereinstimmend bewerteten Aussagen der Verurteilten in ihren polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen und Einlassungen als Angeklagte abgeleitete Aussagekonstanz zumindest so stark in Zweifel zu ziehen gewesen wäre, dass die vom Schwurgericht selbst festgestellten, sogar das Kerngeschehen berührenden Widersprüche (UA S. 30: Übernahme des Gewehrs durch den Angeklagten, Umfang der Wahrnehmungen des N. , Weigerung des S. , zum Pkw zu gehen, weiteres Tatmittel Bodenvase) nicht mehr mit einer Erinnerungslücke, fehlendem Belastungseifer oder Detailergänzungen hätten erklärt werden dürfen. Der Tatrichter wäre bei dieser Sachlage vielmehr genötigt gewesen, sämtliche Qualitätsmängel der Aussagen der Verurteilten in einer Gesamtschau daraufhin zu würdigen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7). Dabei wäre auch der Umstand heranzuziehen gewesen, dass die Verurteilten zu ihrem eigenen Vorteil deutsche Behörden unmittelbar nach der Tat durch Stellung von Asylanträgen unter falschen Namen zu täuschen in der Lage waren.
16
cc) Soweit das Landgericht einen Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Verurteilten darin erblickt, dass diese sich erheblich selbst belastet haben, steht solches in gewissem Widerspruch zu der im Urteil dargestellten , die Verurteilten stark belastenden Beweislage. S. und N. hatten am Tatort Fingerabdrücke hinterlassen. Der Todeszeitpunkt des Opfers stand im Einklang mit dem Verschwinden von dessen Pkw, der im weiteren Umkreis des Aufenthaltsorts der Verurteilten nach der Tat aufgefunden worden war. Als selbstbelastend konnte nur der aus der Zeit nach der unmittelbaren Tatausführung geschilderte Umstand bewertet werden, dass das Opfer noch gelebt habe, als die Verurteilten den Tatort verlassen und dabei nicht gewollt hatten, dass das Opfer zur Polizei hätte gehen können. Solches steht aber nicht im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Zufügung der tödlichen Verletzungen.
17
dd) Das Landgericht hat es schließlich unterlassen, bei der Wertung der Beweise auf die sich aus der Konstellation Aussage-gegen-Aussage in Kumulation mit dem geringeren Beweiswert der bloß zur Verfügung stehenden mittelbaren Aussagen ergebenden erhöhten Schwierigkeiten Bedacht zu nehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 691, 692; NJW 2007, 237, 239 m.w.N.). Daneben hätte der Umstand kritischer Erörterung bedurft, dass sich S. , den der Angeklagte in seiner Einlassung belastet hat und der nach dem Beweisergebnis des Landgerichts während der Tatausführung anwesend war, ohne Grund der Zeugenrolle entzogen hat, ähnlich einem Zeugen, der § 55 StPO in Anspruch nimmt (vgl. BGHSt 47, 220, 223 f.).
18
6. Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter in der Lage sein wird, die aufgezeigten Schwierigkeiten der Beweisführung in dem Sinne überwinden zu können, dass eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes möglich sein wird. Demnach verbleibt es bei dem aufgrund der fehlerfrei getroffenen Mindestfeststellungen des Landgerichts (Ziffer 4 dieses Beschlusses ) sich ergebenden Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge. Eine weitergehende Verurteilung ist bei der gegebenen Beweislage nicht möglich. Der Grundsatz in dubio pro reo nötigt bei den hier vorhandenen Mittätern zur Annahme, dass diese und nicht der Angeklagte das Opfer getötet haben (vgl. BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8).

19
Der neue Tatrichter wird demnach auf Grundlage dieser Mindestfeststellungen nur noch die Strafe zu bestimmen haben. Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht. Zum Lebenslauf des Angeklagten dürfen ergänzende Feststellungen getroffen werden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.