Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 32/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juli 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. O. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Mai 2010, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten X. O. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft , nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) im Fall 2 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen ,
b) im Gesamtstrafausspruch.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten X. O. und die Revisionen der Angeklagten G. A. und J. werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten O. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
5. Die Angeklagten G. A. und J. haben die Kosten ihrer Revisionen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten X. O. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Besitzes einer Schusswaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und gegen ihn Wertersatzverfall in Höhe von 58.000 € angeordnet. Den Angeklagten S. O. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig gesprochen und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt. Den Angeklagten G. A. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; den Angeklagten J. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Sämtliche Angeklagte wenden sich mit der teilweise näher ausgeführten Sachrüge gegen ihre Verurteilung. Die Angeklagten S. und X. O. sowie der Angeklagte G. A. haben überdies Verfahrensrügen erhoben. Die Revisionen der Angeklagten G. A. und J. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision des Angeklagten X. O. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; die Revision des Angeklagten S. O. führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft.
3
1. Die Revision des Angeklagten S. O. hat in vollem Umfang Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft. Die dem Schuldspruch zugrunde liegende Beweiswürdigung begegnet in mehrfacher Hinsicht sachlich-rechtlichen Bedenken.
4
Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich allein Aufgabe des Tatrichters; das Revisionsgericht kann nicht eigene Würdigungen an die Stelle von dessen Bewertungen setzen, wenn diese Rechtsfehler nicht erkennen lassen. Solche Rechtsfehler liegen aber vor, wenn die in den Urteilsgründen wiedergegebene Beweiswürdigung des Tatrichters lückenhaft, unklar, widersprüchlich oder mit den Denkgesetzen nicht vereinbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
5
a) Bereits der Ausgangspunkt, von dem aus sich die Strafkammer ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten S. O. verschafft und dessen bestreitende Einlassung widerlegt hat, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Angaben des – geständigen – Mitangeklagten K. auf Realitätskriterien; dabei hebt sie besonders darauf ab, dass seine Einlassung auch „überflüssige Details“ enthielt und „teilweise von sehr originellen Einzelheiten“ geprägt war. Sie bewertet seine Angaben insgesamt als besonders detailreich und konstant (UA S. 200 f., 282).
6
Schon hinsichtlich dieser Bewertung sind die Urteilsgründe nicht frei von Widersprüchen. So führt die Strafkammer auch aus, dass die Aussage K. s gerade nicht in allen Punkten detailreich war; namentlich hebt sie den Umstand hervor, dass „der Angeklagte K. teilweise wenig aus- schmückend und detailliert berichtete“ (UA S. 201); dies sei aber „wegen des fehlenden Realkennzeichens kein Hinweis auf eine Lüge, sondern seiner geringen Sprachbegabung geschuldet“ (UA S. 201). Ferner setzt sie sich an anderer Stelle damit auseinander, dass der Angeklagte K. – zu einem für die Tatbeteiligung von S. O. zentralen Geschehen – „Unsicher- heiten“ gezeigt und erklärt habe, sich „darannicht mehr sicher erinnern zu können“ (UA S. 282). Solches ist ohne nähere Erläuterung nicht mit den pau- schalen Qualitätszuschreibungen an anderer Stelle der Beweiswürdigung vereinbar.
7
Die Beweiswürdigung des Landgerichts stößt überdies insoweit auf Bedenken, als es sich maßgeblich an Realitätskriterien orientiert hat. Ein geständiger Angeklagter bekundet selbst erlebtes Tatgeschehen; allein hieraus ergeben sich für die Mitwirkung eines bestimmten Mittäters regelmäßig keine wesentlichen glaubhaftigkeitssteigernden Aspekte zu dessen Identität und der Art seiner Mitwirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2011 – 5 StR 581/10, vom 17. April 2007 – 5 StR 99/07, StV 2007, 402, vom 6. Februar 2008 – 5 StR 597/07, insoweit in NStZ 2008, 421 nicht abgedruckt , vom 16. Juli 2009 – 5 StR 84/09 und vom 26. April 2006 – 1StR 90/06, StV 2006, 683). Überdies musste der Mitangeklagte K. die Tatumstände sämtlich offenlegen, um die von ihm erstrebten und ihm schließlich auch gewährten Vergünstigungen, insbesondere solche des § 31 BtMG, zu erlangen. Damit verliert aber zugleich das Argument der Aussagekonstanz an besonderem Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2006 – 1 StR 90/06, StV 2006, 683).
8
Dass die Strafkammer diese wesentlichen Aspekte bei der Würdigung der Einlassung des Mitangeklagten in den Blick genommen hat, wird durch die Urteilsgründe nicht belegt. Die vorangestellte Generalklausel, nach der Angaben „K. s einer besonders kritischen Würdigung“ unterzogen wor- den seien, ersetzt eine nachprüfbare Würdigung nicht.
9
b) Weitere Schlussfolgerungen der Strafkammer sind widersprüchlich.
10
Die den Beschwerdeführer belastenden Angaben des K. sieht das Landgericht durch Erkenntnisse aus den während des laufenden Ermittlungsverfahrens angeordneten Wohnraumüberwachungsmaßnahmen bestätigt. K. habe bereits damals „tatbezogene Einzelerlebnisse und Eindrü- cke“ betreffend S. O. geschildert,die sich mit seinen Angaben in der Hauptverhandlung zur Tatbeteiligung des Beschwerdeführers deckten.
11
Diese Bewertung ist indes nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn den Urteilsfeststellungen an anderer Stelle ein aufgezeichnetes Gespräch zwischen K. und der eingesetzten Vertrauensperson der Polizei mit anscheinend gegenteiligem Inhalt zu entnehmen ist. In dieser Unterhaltung äußerte die Vertrauensperson am 26. April 2007 „die Vermutung, dass X. O. und S. O. den Verlauf des Geschäfts planen“. Darauf entgegnete der Angeklagte K. : „Ich glaub gar nicht, dassS. also da mit drin ist. Ne. Die ganze Sippe ist da drin, das ist ja klar, verstehst du?“ (UA S. 167). Wie sich diese unsichere, lediglich verallgemeinernde Äußerung mit der Prämisse der Strafkammer vereinbaren lässt, hätte näherer Begründung bedurft.
12
Mit Blick auf diesen durchgreifenden Mangel kann der Senat dahinstehen lassen, ob die tatrichterliche Würdigung der Bedeutung der eingesetzten Vertrauensperson noch gerecht wird. Die von der Strafkammer maßgeblich für ihre Überzeugungsbildung herangezogenen aufgezeichneten Gespräche haben in signifikantem Umfang Angaben des K. zum Gegenstand , die durch Mutmaßungen der Vertrauensperson veranlasst wurden. In eben solchem Umfang geht aber auch die Bestimmtheit der mitgeteilten Antworten des K. nicht über Vermutungen hinaus; insoweit dokumentieren die Urteilsgründe, dass K. zu zahlreichen von der Vertrauensperson angesprochenen Aspekten „vermutete“ (UA S. 166, 287), „glaubte“ (S. 167) oder „bedeutete“ (S. 172).
13
c) Auf diesen Beweiswürdigungsfehlern beruht der gesamte Schuldspruch gegen den Angeklagten S. O. . Das Urteil und die zugrundeliegenden Feststellungen unterliegen deshalb insoweit der Aufhebung.
14
2. Der Schuld- und Rechtsfolgenausspruch betreffend den Beschwerdeführer X. O. im Fall 1 der Urteilsgründe sowie im Fall des tatmehrheitlich abgeurteilten Waffendelikts sowie der allein im Fall 1 angeordnete Wertersatzverfall sind aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfrei (§ 349 Abs. 2 StPO). Diese Schuldsprüche stützt die Strafkammer maßgeblich auf das Geständnis des Angeklagten X. O. und lediglich ergänzend auch auf die damit weitgehend korrespondierende Einlassung des bisherigen Mitangeklagten K. . Die durch den Beschwerdeführer allein bestrittene Führungsrolle und die Kontaktvermittlung nach Ecuador sieht die Strafkammer nachvollziehbar durch die rechtsfehlerfrei gewürdigten Erkenntnisse aus der angeordneten Wohnraumüberwachung als belegt an.
15
Allerdings beruht die Beweiswürdigung im Fall 2 der Urteilsgründe auf den dargestellten Fehlern in der Beweiswürdigung der Angaben des bisherigen Mitangeklagten K. . Der Angeklagte X. O. hat seine Tatbeteiligung insoweit bestritten. Eindeutige oder rechtsfehlerfrei gewürdigte Erkenntnisse aus der Telefon- oder Wohnraumüberwachung hat die Strafkammer nicht herangezogen. Insbesondere unternimmt sie keine zwischen den Fällen 1 und 2 nachvollziehbar differenzierende Würdigung des ersichtlich besonders wichtigen Gesprächs zwischen K. und O. vom 5. März 2007. Insoweit unterliegt das angefochtene Urteil daher der Aufhebung (§ 349 Abs. 4 StPO).
16
Eine Beeinflussung der Einzelstrafbemessung in den Fällen 1 und 3 durch die in Wegfall geratene Strafe im Fall 2 schließt der Senat aus; für das neue Tatgericht wird sich hier eine Verfahrensweise nach § 154 Abs. 2 StPO aufdrängen.
17
3. Den Revisionen der Angeklagten G. A. und J. bleibt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt (§ 349 Abs. 2 StPO).
18
4. Die von den Angeklagten O. erhobenen, weitgehend identischen und betreffend X. O. zumindest keinen weitergehenden Erfolg erzielenden Verfahrensrügen bedürfen keiner näheren Erörterung. Le- diglich ergänzend weist der Senat für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hin:
19
a) Ungeachtet der Frage, ob in der bestehenden Bürogemeinschaft zwischen dem Verteidiger des bisherigen Mitangeklagten K. und dem eingesetzten Dolmetscher für die albanische Sprache V. mit Blick auf die hier vorliegende besondere Beweissituation ein die Besorgnis der Befangenheit nach § 191 Satz 1 GVG, § 74 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 2 StPO begründender Umstand zu erblicken ist, wird nunmehr für die neue Verhandlung ein anderer Dolmetscher und Sprachsachverständiger heranzuziehen sein.
20
b) Soweit die Strafkammer im angefochtenen Urteil ihre Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der Angaben des bisherigen Mitangeklagten K. auch auf in dessen Gepäck aufgefundene Beweismittel, Notizen und abgelichtetes Bargeld stützt, erscheint dies mit Blick den in § 105 Abs. 1 StPO geregelten Richtervorbehalt nicht unbedenklich. Zwar wurden die Beweismittel im Wege einer zollamtlichen Untersuchung in eigener Zuständigkeit des Zollamts Hamburg-Flughafen aufgefunden. Allerdings erfolgte die Durchsuchung des Gepäcks während des bereits gegen K. als Beschuldigten geführten Ermittlungsverfahrens gerade auf Veranlassung des Landeskriminalamts. Auf welcher Rechtsgrundlage auf zollamtliche Erkenntnisse zurückgegriffen und diese in den Urteilsgründen verwertet wurden, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.
21
c) Die schriftlichen Urteilsgründe dienen weder der Darstellung eines bis in verästelte Einzelheiten aufzuarbeitenden „Gesamtgeschehens“ noch der Schilderung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Inhalts der Beweisaufnahme, sondern sie sollen den Lesern die wesentlichen , die Entscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen ohne aufwendige eigene Bemühungen erkennen lassen (BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2011 – 1 StR 122/11, vom 3. Februar2009 – 1 StR 687/08, NStZ-RR 2009, 183, vom 7. Dezember 2006 – 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720, vom 23. April 1998 – 4 StR 106/98, NStZ-RR 1998, 277). Werden dementgegen wie hier die Urteilsfeststellungen auf mehr als 80 Seiten – teilweise gar in chronologischer Reihenfolge ohne erkennbaren sachlichen Bezug – mit wörtlich wiedergegebenen Gesprächsaufzeichnungen aus Telefon- und Wohnraumüberwachungen in unnötiger Weise überfrachtet und in der sich anschließenden Beweiswürdigung die Gespräche nur mit einem Datum benannt, aber weder der Gesprächsinhalt umrissen noch auf die Fundstelle des bereits an anderer Stelle der Urteilsgründe wörtlich mitgeteilten Gesprächsinhalts hingewiesen, so erschwert eine solche Darstellung die Verständlichkeit eines Urteils maßgeblich und kann schon so seinen Bestand insgesamt gefährden.
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Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juli 2011 - 5 StR 32/11

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Strafprozeßordnung - StPO | § 74 Ablehnung des Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Das Ab

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Internetchat und Verbrechensverabredung.
BGH, Beschluss vom 16. März 2011 – 5 StR 581/10
LG Kiel –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 16. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Verabredung eines Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 6. September 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.14 der Urteilsgründe wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften, im Fall II.15 wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften und im Fall II.13 wegen Herstellens pornografischer Schriften verurteilt ist;
b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.13 bis 15 der Urteilsgründe, im Gesamtstrafausspruch und im Maßregelausspruch aufgehoben; letzterer entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Schuldspruch wird in den Fällen II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe dahin klargestellt, dass der Angeklagte insoweit wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften in 13 Fällen (II.6 bis 8, 11 und 12 sowie 16 bis 23) und wegen Erwerbs kinderpornografischer Schriften in sechs Fällen (II.4, 5, 9, 10, 24, 25), davon in drei Fällen in Tateinheit mit deren Verbreitung (II.5, 10, 25), verurteilt ist.
3. Zur abschließenden Strafzumessung wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verabredung eines Mordes (tateinheitlich eines Missbrauchs eines Kindes mit Todesfolge und einer Vergewaltigung mit Todesfolge) in Tateinheit mit Besitz und mit Verbreitung kinderpornografischer Schriften (Fall II.14), wegen Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung sowie tateinheitlich einem besonders schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes (Fall II.15), wegen Verabredung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.2), wegen gefährlicher Körperverletzung (Fall II.1), wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.13), wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften (Fall II.3) und wegen 19 Fällen verschiedener Varianten von Vergehen nach § 184b StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und hat die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Die Revision des Angeklagten erzielt auf die nicht ausgeführte Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Gegenstand der Schuldsprüche gegen den im Juni 2002 wegen Verbreitung pornografischer Schriften zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilten, mit einer Geldauflage und Therapieweisung belegten Angeklagten, einen früheren Betriebsleiter, umfasst überwiegend Straftaten, die er im Rahmen einer Internetplattform für „pädophil orientierte Menschen“ namens „Zauberwald“ begangen hat (unten 2 und 3). Lediglich vier Fälle betreffen ganz oder zum Teil außerhalb solcher Internetaktivitäten vorgenommene Handlungen und Erklärungen.
4
a) Hierbei handelt es sich um eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil seines knapp drei Jahre alten Sohnes durch Verabreichung einer lokal betäubenden Creme und einer aufgelösten Schlaftablette (Fall II.1 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe vier Monate), den Besitz zahlreicher kinderpornografischer Schriften bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung seines Rechners am 29. September 2009 (Fall II.3 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe ein Jahr und vier Monate) und den als Verabredung eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes abgeurteilten, mit dem Zeugen B. auch telefonisch abgesprochenen Plan, vom 25. bis 27. Juli 2008 im Harz mit ihren Söhnen eine vom Angeklagten angemietete Ferienwohnung zu beziehen, in der es zu einem „Boytausch“ kommen sollte und der Angeklagte bei dem kindlichen Sohn des Zeugen B. den Analverkehr vollziehen wollte (Fall II.2 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und neun Monate). Die insoweit getroffenen Schuld- und Strafaussprüche sind sachlichrechtlich beanstandungsfrei.
5
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen dreier am 12. August 2009 in der Absicht der Verbreitung angefertigter Bilder wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 3 i.V.m. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB (Fall II.13 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe zwei Jahre und vier Monate) verurteilt hat, rechtfertigt der festgestellte Sachverhalt lediglich eine Bestrafung wegen des Herstellens pornografischer Schriften nach § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB. Auf den Fotos ist der Sohn des Angeklagten abgebildet, der eine Salatgurke wie beim Oralverkehr mit den Lippen fest umschließt.
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(1) Es ermangelt der Vornahme einer sexuellen Handlung (§ 184g Nr. 1 StGB) durch ein Kind. Zwar hat der Gesetzgeber durch das Änderungsgesetz vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149) auch das sexuell aufreizende Posieren von Kindern als eine solche Handlung erfasst (BT-Drucks. 16/9646 S. 2, 35 f.). Hierzu zählen jedenfalls Vorgänge, die gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweisen (vgl. schon BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, BGHR StGB § 184f sexuelle Handlung 2). Für das Posieren in obszönen Stellungen ist indes die Sicht auf sexualbezogene Körpermerkmale des Kindes erforderlich (vgl. Laufhütte/Roggenbuck in LK, 12. Aufl., § 184b Rn. 3). Solches ist bei dem vollständig bekleideten Sohn des Angeklagten nicht gegeben. Es wurde lediglich dessen Mund in eine Beziehung zu einem Gegenstand gebracht , der allein in der Fantasie eines späteren Betrachters als Darstellung des erigierten Gliedes eines Mannes begriffen werden konnte und sollte. Damit ist die Grenze zur Strafbarkeit nach § 176 StGB unter Berücksichtigung seines Schutzgedankens und der erheblichen Höhe der dort angedrohten Strafe noch nicht überschritten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Handlung als solche oder die Umstände ihrer Vornahme geeignet gewesen wären, die geschützten Rechtsgüter des Kindes zu beeinträchtigen. Dies gilt auch dann, wenn als geschütztes Rechtsgut des § 176 StGB nicht allein die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes angesehen wird (vgl. BGH, Urteile vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 69 und vom 16. Juni 1999 – 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132), sondern auch sein Recht auf Achtung seiner Intimsphäre (vgl. Hörnle in LK, 12. Aufl., § 176 Rn. 3). Die dargestellte Handlung überschreitet unter beiden Gesichtspunkten nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB, die bezogen auf das konkrete Rechtsgut festzustellen ist.
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(2) Ein Sexualbezug der Abbildungen ist nach der rechtsfehlerfreien Bewertung des Landgerichts durch die vom Angeklagten eingestandene Verbreitungsabsicht und dessen sachverständig festgestellte insbesondere pädophile Disposition (UA S. 151 f.) belegt. Mit den Bildern sollten die ausschließlich einschlägig interessierten Benutzer der genannten Internetplattform auf einen Oralverkehr eines Knaben an Männern angesprochen und bei ihnen ein Bedürfnis nach solchen Handlungen hervorgerufen oder verstärkt werden. Das verleiht den Fotos die Qualität pornografischer Schriften im Sinne des § 184 Abs. 1 StGB (vgl. Laufhütte/Roggenbuck, aaO, § 184 Rn. 5 bis 8), die der Angeklagte gemäß § 184 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Abs. 1 Nr. 6 StGB hergestellt hat. Der Senat stellt insoweit den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO um. Er schließt aus, dass sich der Angeklagte nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis wirksamer als bis- her hätte verteidigen können. Das neu berufene Tatgericht wird insoweit eine neue, notwendigerweise beträchtlich mildere Strafe festzusetzen haben.
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2. Hinsichtlich der Fälle II.4 bis 12 und 16 bis 25 der Urteilsgründe, in denen das Landgericht die Erlangung und Weiterleitung kinderpornografischer Dateien im Rahmen von Chatkontakten des Angeklagten mit unbekannt gebliebenen Partnern ausgeurteilt und Freiheitsstrafen jeweils zwischen vier und acht Monaten festgesetzt hat, war lediglich die Tenorierung klarzustellen. Hinsichtlich der Fälle II.4 und 5 der Urteilsgründe billigt der Senat die vom Landgericht gefundene, mit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Schleswig (NStZ-RR 2007, 41, 42) und Hamburg (NJW 2010, 1893, 1895) übereinstimmende Rechtsauffassung (vgl. dazu Laufhütte /Roggenbuck, aaO, § 184b Rn. 10 mN).
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3. Die beiden schwersten Schuldsprüche der Verabredung eines Mordes (Fall II.14 der Urteilsgründe) und des Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung (Fall II.15 der Urteilsgründe) halten der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
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a) Fall II.14 der Urteilsgründe (Verabredung zum Mord u.a.; Freiheitsstrafe neun Jahre):
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aa) Der Angeklagte befand sich unter der anonymen Bezeichnung „No Limit“ an einem nicht näher feststellbaren Tag im Sommer 2009 zwischen 12.50 Uhr und 19.59 Uhr auf der genannten Internetplattform in einem auf seiner Festplatte in einer Textdatei gespeichert gebliebenen Chatgespräch mit einem nicht identifizierten und für den Angeklagten nicht identifizierbaren, in den Niederlanden ansässigen Mann, der im Chat als „kees“ auftrat und den der Angeklagte aus einem früheren Chatkontakt kannte. In dem Gespräch tauschten die Partner Gedanken über Pläne zu Kindesmissbrauch mit extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen aus:
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Beide erwogen, um einen geeigneten kindlichen Sexualpartner zu finden , ein Kind von der Straße zu nehmen; man müsse letztlich ein Kind finden , das allein an einsamer Stelle auf dem Schulweg sei. Im Hinblick auf noch unverplante Resturlaube konstatierten der Angeklagte und „kees“, dass man die Pläne wohl Ende September in die Tat umsetzen könne. Nach dem Austausch dreier kinderpornografischer Abbildungen konkretisierten sie ihr Vorhaben. Der Niederländer favorisierte, den zu entführenden Jungen an den Hoden aufzuhängen; der Junge sollte dann in seiner Qual seine Hoden selbst abschneiden. Der Angeklagte wollte den Jungen würgen, während er ihn „ficke“. Beide vergewisserten sich gegenseitig, dass sie es ernst meinten und dass „idealerweise“ ein acht Jahre alter Junge aus einer ländlichen Gegend des nördlichen Mecklenburg-Vorpommern entführt und über einige Stunden gequält werden sollte. Der Tod des Jungen sollte durch „kees“ herbeigeführt werden, indem er seinen Penis dem Kind so tief in den Mund stecken würde, dass es – während der Angeklagte den Analverkehr ausübe – daran ersticken würde. Der Leichnam könnte dann im Meer versenkt werden.
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Zur Ausführung des Vorhabens erwogen der Angeklagte und „kees“, in den Niederlanden ein Fahrzeug zu mieten, dieses in Deutschland mit gestohlenen Kennzeichen zu versehen und ein Ferienhaus an der Nordsee zu mieten. Der Angeklagte übermittelte „kees“ das Internetangebot eines Ferienhauses in Neßmersiel. Er hielt es für sinnvoll, dass er das Ferienhaus vorab buche. Als konkrete Tatzeit wurde – im Hinblick auf die in Mecklenburg -Vorpommern am 30. Oktober 2009 endenden Schulferien – der November 2009 in Aussicht genommen. Ein verabredetes weiteres Chatgespräch fand nicht mehr statt.
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bb) Das Schwurgericht hat die Einlassung des Angeklagten, seine Chatgespräche seien reine Fiktion gewesen, beweiswürdigend durch die große Anzahl der Realitätskennzeichen und durch den Umstand als widerlegt angesehen, dass der Angeklagte diverse Grundschulen in MecklenburgVorpommern im Internet daraufhin untersucht habe, wie weit sie von örtli- chen Polizeirevieren entfernt seien. Zudem habe der Angeklagte im eingestandenen Fall II.2 der Urteilsgründe nicht in Frage gestellt, dass nach der Präsentation des Bauernhofes im Harz als Tatort das dort verabredete Treffen tatsächlich stattfinden sollte.
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cc) Die Feststellungen tragen die Annahme des Schwurgerichts nicht, der Angeklagte habe sich mit dem unbekannt gebliebenen Chatpartner „kees“ zu einem Verbrechen (u.a. des Mordes) gemäß § 30 Abs. 2 Variante 3 i.V.m. § 211 StGB verabredet.
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(1) Eine Strafbarkeit setzt die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (BGH, Urteile vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 176 mN, und vom 13. November 2008 – 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497). Der Gesetzeswortlaut lässt offen, in welchem Umfang ein Verabredender die Identität seines präsumtiven Mittäters kennen muss. Dies schließt die Annahme einer Verabredung zwischen Personen, die sich lediglich über einen Tarnnamen in einem Internetchatforum kennen, nicht aus. Allerdings hat sich die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, soweit ersichtlich, ausschließlich mit Fällen von den präsumtiven Mittätern bekannten Identitäten der jeweils anderen befasst (vgl. Roxin, JA 1979, 169; 171 f.; Schünemann in LK, 12. Aufl. § 30 Rn. 60 und 62; BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 – 3 StR 140/07, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 7, vom 13. November 2008 – 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497 und vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174).
17
Die Strafwürdigkeit der Verbrechensverabredung erklärt sich aus der Willensbindung der Beteiligten (Roxin, Strafrecht AT II [2003], S. 303 Rn. 43), durch die bereits vor Eintritt in das Versuchsstadium eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut entsteht (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 30 Rn. 2). Der von einer solchen quasi-vertraglichen Verpflichtung ausgehende Motivationsdruck sorgt oft dafür, dass es von einer binden- den Verabredung für einen Beteiligten kaum noch ein Zurück gibt, so dass bei Angriffen auf die wertvollsten und schutzbedürftigsten Rechtsgüter schon der Abschluss der Deliktsvereinbarung durch eine Strafdrohung verhindert werden muss (Schünemann in LK, 12. Aufl., § 30 Rn. 11). Eine solche auf die Begehung des intendierten Verbrechens bezogene bindende Verabredung erfordert, dass jeder an ihr Beteiligte in der Lage sein muss, bei dem jeweils anderen präsumtiven Mittäter die von jenem zugesagten verbrecherischen Handlungen (vgl. Schröder, JuS 1967, 289, 291) auch einfordern zu können. Dies kann auch zwischen Personen geschehen, die lediglich unter Verwendung eines Tarnnamens kommunizieren. Solches wird sogar in etlichen Fallkonstellationen, in denen es gilt, hierdurch eine Entdeckung zu vermeiden, für die sich Verabredenden sinnvoll sein und nötigt nicht dazu, dass – etwa bei unbekannt bleiben wollenden Angehörigen verbrecherischer Organisationen – Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verabredung überwunden werden müssten. Gleiches wird naheliegend anzunehmen sein, wenn anonym getroffene Absprachen durch weitere Vorbereitungshandlungen oder deren Verabredung bestätigt worden sind. In Fällen, in denen die verabredete Tat – wie vorliegend – die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt, ist eine verbleibende völlige Anonymität freilich ausgeschlossen. Deren spätere Auflösung muss Teil des konkreten Tatplans sein. Schon hierfür fehlt es an vollständigen Feststellungen.
18
(2) Insbesondere ist das Landgericht bei der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation, in der es darum geht, Verbrechensfantasie von wirklichem verbrecherischen Willen und dessen Umsetzung abzugrenzen, dem Gebot der erschöpfenden Beweiswürdigung nicht umfassend gerecht geworden (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; Brause, NStZ 2007, 505, 506). Seine Erwägungen vermögen deshalb nicht mehr als einen Verdacht der Verabredung zu einem Mord zu begründen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235). Die Schwurgerichtskammer hat in ihren beweiswürdigenden Erwägungen mehrere die Ab- sprache zwischen dem Angeklagten und „kees“ betreffenden Umstände, die gegen deren Ernstlichkeit als Verbrechensverabredung zu erwägen gewesen wären, nicht erkennbar bedacht.
19
Die Absprache wurde in lediglich einem Chatgespräch getroffen zwischen Partnern, die sich nicht persönlich kannten und deren Identität nicht ohne Mitwirkung des anderen zu ermitteln war. Über einen direkten kommunikativen Zugang zu „kees“ verfügte der Angeklagte nicht. Die abgesprochene Fortsetzung der Kommunikation unterblieb genauso wie die vom Angeklagten zugesagte Buchung des Ferienhauses (UA S. 56). Das Landgericht hat sich auch nicht mit dem zentralen Einwand des Angeklagten auseinandergesetzt , er habe sich seinen Chatpartnern immer wieder durch das Wechseln seines Nicknamens entzogen, bevor es richtig konkret hätte werden können (UA S. 79). Es hat zudem in seiner Beweiswürdigung zur Bestimmung des Tatzeitraums des Falles II.15 der Urteilsgründe den Charakter der vom Angeklagten im Sommer 2009 geführten Chatgespräche als eskalierende Fantasien (UA S. 130) – in Abgrenzung zu denen im eingestandenen Fall II.2 der Urteilsgründe – bezeichnet, ohne auf diese Gegensätzlichkeit für die hier zur nämlichen Zeit stattgefundene Tathandlung zurückzukommen.
20
Der vom Landgericht herangezogene Umstand, der Angeklagte habe im eingestandenen Fall der Verabredung eines schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (Fall II.2 der Urteilsgründe) – indes dort ohne den Ausdruck ausufernd perversen sexuellen Geschehens – die Ernstlichkeit der Mitteilung des präsumtiven Tatorts nicht in Frage gestellt, ist kein den Angeklagten selbständig belastendes Indiz, weil dieser in jenem anders gelagerten Fall sogar weitergehend die Anmietung der Ferienwohnung im Harz eingestanden hatte.
21
Schließlich stößt der von der Schwurgerichtskammer als tragend herangezogene Umstand des Detailreichtums in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation der gebotenen Abgrenzung bloßer Verbrechensfantasie von verbrecherischem Willen auf durchgreifende Bedenken. Ähnlich wie in Fällen , in denen Angaben von Mittätern zu ihren Tatgenossen durch die Wiedergabe selbst erlebter Tatdetails nicht wesentlich gestützt werden (BGH, Beschlüsse vom 26. April 2006 – 1 StR 90/06, StV 2006, 683, und vom 16. Juli 2009 – 5 StR 84/09 mN), eignen sich detaillierte Angaben eines Fantasiebegabten über ein Verbrechen nicht unbedingt zur Entscheidung der Frage, ob sie noch Fiktion oder bereits Ausdruck verbrecherischen Willens sind. Das gilt jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, nämlich des Austauschs perverser, den eigenen Sexualtrieb und den des Kommunikationspartners aufstachelnder und befriedigender sexualbezogener Fantasien. Für die Bewertung, ob sich die Ausführungen des Angeklagten noch im Bereich solcher Fantasien bewegen, hätte der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, dass der Angeklagte bislang gegenüber Kindern nicht sexuell übergriffig geworden ist.
22
(3) Der Senat sieht davon ab, den Sachverhalt neu als Verbrechensverabredung aufklären zu lassen. Hierfür erforderliche zusätzliche selbstbelastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen ausgeschlossen. Auch unter anderen Tatbestandsvarianten des § 30 StGB wird sich eine Strafbarkeit nicht begründen lassen. Die hier soeben dargelegten Defizite in der Beweiswürdigung legen es nahe, dass ein neu berufenes Tatgericht auch zu keiner Verurteilung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB wegen strafbarer versuchter Anstiftung (vgl. Roxin, JA 1979, 169, 170) oder wegen Sichbereiterklärens im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2009 – 2 StR 165/08, BGHSt 53, 174, 177; BGH, Beschluss vom 11. August 1999 – 5 StR 217/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 5; Fischer, aaO, § 30 Rn. 10) kommen wird.
23
Ausschlaggebend für eine zu unterlassende Zurückverweisung ist indes jedenfalls, dass die Annahme einer Straflosigkeit nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB unumgänglich sein wird.
24
Der Angeklagte muss, um nach dieser Vorschrift Straflosigkeit zu erlangen , sein Vorhaben lediglich aufgegeben haben. Insoweit verlangt das Gesetz weniger als die bis Ende 1974 geltende Vorgängerregelung des § 49a Abs. 3 Nr. 3 StGB, wonach ein Widerruf der Erklärung geboten war, durch die der Täter sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hatte. Die Aufgabe des Vorhabens ist vom Tatgericht – wie andere innere Tatsachen – beweiswürdigend aus den gesamten Umständen festzustellen. Das Erfordernis einer Erkennbarkeit nach außen ist – entgegen der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Vorstellung (BT-Drucks. IV/650, 155) – dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen (Roxin, aaO, S. 324 Rn. 98 bis 100; im Ergebnis ebenso die weit überwiegende Meinung in der Literatur: vgl. nur Schünemann , aaO, § 31 Rn. 16 f.; Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 31 Rn. 8; Hoyer in SK-StGB, 7. Aufl., § 31 Rn. 14 f.; Fischer, aaO, § 31 Rn. 4; Joecks in MK-StGB, § 31 Rn. 18; aA Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 31 Rn. 4 mN weiterer gegenteiliger Auffassungen). Die Aufgabe eines Entschlusses und deren äußere Erkennbarkeit sind ebenso zweierlei wie das Fassen eines Tatentschlusses und dessen Hervortreten nach außen (Roxin, aaO, Rn. 100). Es spricht gegen eine freiwillige Aufgabe des Vorhabens, wenn ein Beschuldigter bei Tatvorbereitungen entdeckt wird oder scheitert, während der Abbruch Erfolg versprechender Vorbereitungen oder ein Untätigbleiben , wo nach der Bereiterklärung wenigstens vorbereitende Aktivitäten zu erwarten gewesen wären, auf einen freiwilligen Rücktritt deuten (Roxin, aaO). Nur Letzteres ist nach den getroffenen Feststellungen anzunehmen. Der Angeklagte ist entgegen der Verabredung in keinen Chatverkehr mehr mit „kees“ eingetreten und hat es entgegen der Ankündigung unterlassen, das Ferienhaus für die in Aussicht genommene Tatzeit zu buchen.
25
Der Tatvorwurf der Verbrechensverabredung hat demnach im Fall II.14 der Urteilsgründe zu entfallen. Das neu berufene Tatgericht wird lediglich noch eine Strafe hinsichtlich der tateinheitlich ausgeurteilten Vergehen gemäß § 184b Abs. 2 und 4 Satz 1 („Erwerb“ verdrängt „Besitz“ nach Satz 2) StGB festzusetzen haben.
26
b) Fall II.15 der Urteilsgründe (Verabredung zur besonders schweren Vergewaltigung u.a.; Freiheitsstrafe vier Jahre):
27
aa) Der Angeklagte befand sich in einer nicht näher bestimmbaren Nacht des Jahres 2009 zwischen 23.25 Uhr und 4.37 Uhr mit einem Mann im Chatkontakt, der die anonyme Bezeichnung „Big Buddy“ führte. Beide sprachen darüber, den fünf Jahre alten Sohn des „Big Buddy“ gemeinsam und gleichzeitig oral und anal an einem Wochenende während der Herbstferien in einer „Seedatsche“ zu missbrauchen und ihm sexuell motivierte Schmerzen zuzufügen. Der Angeklagte äußerte den Wunsch, „das Tatopfer beim ‚Ficken’ in den Magen zu boxen und ihm Stecknadeln unter die Fußnägel zu stecken“. Auf die Ermahnung des Chatpartners, dass der Angeklagte ja die Grenzen kenne, konzedierte dieser, „dass der Junge das Ganze schon überleben werde, dass ‚der Arsch’ aber wund sein und der Junge auch Griffmarken aufweisen werde“. Der Angeklagte erklärte zum Abschluss des Kontakts, dass „Big Buddy“ ihm im Fall der Verwirklichung des Vorhabens „einen Lebenstraum erfüllen“ würde.
28
bb) Das Landgericht hat sich beweiswürdigend davon überzeugt, dass der Angeklagte zur Begehung des genügend konkretisierten Vergewaltigungs - und Missbrauchsverbrechens fest entschlossen war. Es vermochte sich aber nicht davon zu überzeugen, dass auch der Chatpartner des Angeklagten fest vorhatte, sich an dem Verbrechen zum Nachteil seines Sohnes als Mittäter zu beteiligen. Die Schwurgerichtskammer hat deshalb die Annahme einer Verbrechensverabredung abgelehnt und den Angeklagten wegen eines Sichbereiterklärens im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB schuldig gesprochen.
29
cc) Die vom Landgericht hierfür vorgenommene Prüfung des Vorsatzes des Angeklagten ist lückenhaft.
30
(1) Das Landgericht hat zwar plausible und nachvollziehbare Erwägungen angestellt, die belegen, dass der vom Angeklagten erstrebte Analverkehr einem in der Realität zu verwirklichenden Wunsch des Angeklagten entspringt.
31
Der Schuldspruch hat aber jedenfalls deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht auch hier keine tragfähige Begründung für den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts (§ 31 StGB) gefunden hat. Es würde einem neu berufenen Tatgericht nach Prüfung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht mehr möglich sein, zu einem Schuldspruch wegen des Sichbereiterklärens zu einer besonders schweren Vergewaltigung zu kommen. Insoweit wird auf die obigen Erwägungen zu II.14 der Urteilsgründe (oben Tz. 22) verwiesen und darauf, dass in der bisherigen Beweiswürdigung (UA S. 130) die zentralen Einwände des Angeklagten unberücksichtigt geblieben sind. Diese könnten nicht anders als ein Aufgeben des Vorhabens bewertet werden.
32
(2) Die Frage, ob es für die vom Tatgericht angenommene Strafbarkeit angesichts der vollständigen Anonymität zwischen den Chatpersonen auch an ausreichenden Feststellungen dafür fehlte, dass der Angeklagte im Rahmen des Chatkontaktes die Annahme des Anerbietens tatsächlich schon ernstlich erstrebt hat (vgl. Fischer, aaO, § 30 Rn. 10), bedarf danach keiner Vertiefung.
33
(3) Der Senat sieht auch in diesem Fall davon ab, die Sache neu aufklären und bewerten zu lassen. Weitere selbstbelastende Bekundungen des Angeklagten erscheinen auch insoweit genauso ausgeschlossen wie die Erlangung zusätzlicher belastender Indizien. Der vom Angeklagten willentlich als Textdatei auf seinem Computer gespeicherte Chatverkehr mit „Big Buddy“ unterfälllt ohne Weiteres der Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB. Der Senat stellt den Schuldspruch dementsprechend um. Die Vor- schrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der insoweit geständige Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können.
34
4. Der Wegfall von drei der vier höchsten Einzelstrafen nötigt zur Aufhebung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe und des maßgeblich auf den zugehörigen Verurteilungen beruhenden Maßregelausspruchs. Dieser hat zu entfallen. Eine Festsetzung von Strafen, die die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB erfüllen könnten, ist nach den Schuldspruchänderungen und den bei der Bemessung der neuen Strafen zu beachtenden Maßstäben sicher auszuschließen. Die Festsetzung der Strafen in den Fällen II.13 bis 15 und der Gesamtfreiheitsstrafe wird auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen vorzunehmen sein. Diese können freilich um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen Feststellungen nicht widersprechen.
35
5. Nachdem ein die Zuständigkeit des Schwurgerichts nach § 74 Abs. 2 GVG begründendes Verbrechen nicht mehr Verfahrensgegenstand ist, wird sich eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts mit der Sache zu befassen haben (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit nicht in BGHSt 40, 251 abgedruckt).
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5 StR 99/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 3. November 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, und
b) im Ausspruch über die wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verhängten 25 Einzelstrafen und über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sie- ben Jahren und drei Monaten verurteilt und für die Erteilung einer Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt.
2
Der Angeklagte hat die Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und die verhängte Maßregel von seinem Revisionsangriff ausgenommen. Damit sind die sechs festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen von je sechs Monaten und die Maßregel nach § 69a StGB rechtskräftig. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Das Landgericht hat sich ausschließlich aufgrund der Zeugenaussage des wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vorbestraften und anderweitig verurteilten B. davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Zeugen B. im April 2005 20 kg Haschisch für 23.000 Euro verkaufte. Das Landgericht hat hierzu Folgendes festgestellt:
4
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Türsteher von Diskotheken hatte B. den Angeklagten, „Präsident der Motorradgang Gremium in Spremberg“, schon 1999 kennengelernt. Er wusste, dass der Angeklagte in der Betäubungsmittelszene eine führende Position innehatte. B. suchte im April 2005 für ein mit D. verabredetes Rauschgiftgeschäft über 20 kg Haschisch einen Lieferanten. Der Angeklagte zeigte sich bei einem zufälligen Treffen mit B. zur Lieferung des Rauschgifts für 23.000 Euro bereit. Dieser Preis war D. indes zu hoch. Daher wandte sich B. an den Neffen des D. , Do. aus Bautzen, und wurde mit diesem handelseinig, wobei Do. als Belohnung den Erlass einer Darlehensschuld von 3.000 Euro versprach. Do. übergab dem B. den Kaufpreis; dieser verabredete mit dem Angeklagten die Anlieferung des Rauschgifts für die nächsten Tage. An einem nicht näher bestimmten Tag im Zeitraum vom 23. April bis 2. Mai 2005 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw auf den zur Wohnung des B. gehörenden Parkplatz. Auf das Hupen des Angeklagten begab sich B. zu ihm und nahm gegen Zahlung des Gesamtpreises eine Teillieferung von 7 kg Haschisch in Empfang , die später von Do. bei B. abgeholt wurde. Der Angeklagte überbrachte B. die restlichen 13 kg Haschisch am Abend des 3. Mai 2005 auf die gleiche Weise. B. wollte das Rauschgift noch am späten Abend mit seinem Pkw Audi A 5 an Do. ausliefern. Indes wurde er um Mitternacht festgenommen, wobei er Widerstand leistete.
5
2. Das Landgericht hat sich von der Glaubhaftigkeit der Aussage des B. aufgrund des von diesem im Kernbereich stets übereinstimmend geschilderten Geschehensablaufs und des Vorliegens weiterer Umstände überzeugt. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spreche insbesondere, dass er eine Teillieferung von 7 kg Haschisch ohne dahingehend belastende Indizien eingeräumt habe und es nicht nachvollziehbar sei, dass B. gerade den Angeklagten als eine in Szenekreisen führende und gefährliche Person zu Unrecht belastet haben könnte. Zudem sprächen Komplikationen im Handlungsverlauf für einen Erlebnisbezug der Aussage des B. .
6
Diese Erwägungen reichen indes nicht aus, um die in der hier gegebenen Situation der konkreten Belastung allein durch einen entdeckten Tatbeteiligten gebotene sorgfältige Gesamtwürdigung aller Indizien zu belegen (vgl. BGH NStZ 2004, 691).
7
a) Der Annahme des Landgerichts, der Zeuge B. habe im Kernbereich stets übereinstimmend den Geschehensablauf geschildert, steht entgegen , dass B. als geständiger Angeklagter in dem gegen ihn vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Bautzen geführten Verfahren den Tatablauf und seine zentrale Rolle im Tatgeschehen anders geschildert hat, was das Amtsgericht ersichtlich zur Grundlage der Verurteilung genommen hat. Danach hat der Angeklagte das Haschisch nicht dem Zeugen B. überbracht ; dieser war vielmehr jeweils mit seinem Pkw zum Angeklagten gefahren und hat das Haschisch dort übernommen. Daneben hat sich B. als bloßer Kurierfahrer des Do. geriert, der ihm für den Fall einer erfolgreichen Abwicklung einen Schulderlass in Höhe von 3.000 Euro zugesagt hätte. B. sei klar gewesen, dass es sich um Betäubungsmittel gehandelt habe und er damit keinen Umgang hätte haben dürfen.
8
Aufgrund dieser Erörterungslücke bleiben die Erwägungen unvollständig , mit denen das Landgericht weitere Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. (differierender Zeitpunkt der ersten Haschischlieferung in vier polizeilichen Vernehmungen und in der Hauptverhandlung – ersichtlich nach einem dem Angeklagten für den zunächst genannten Liefertag geglückten Alibi, unzutreffende Angaben zum Typ des vom Angeklagten gefahrenen Pkw, ungenaue Angaben bezüglich der Festlegung des Preises für das Haschisch und widersprüchliche Darlegungen der Zeugen B. und Do. zum Vorteil des B. ) relativiert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06). Das Landgericht hätte sämtliche Qualitätsmängel der Aussage des Zeugen B. in einer Gesamtschau daraufhin würdigen müssen, ob sie in ihrer Häufung zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs Anlass geben konnten (vgl. BGHR StPO § 261 Zeuge 3; Indizien 1, 7; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06).
9
b) Soweit das Landgericht der den Angeklagten belastenden Aussage des Zeugen B. eine größere Zuverlässigkeit wegen der Selbstbelastung hinsichtlich der ersten – zunächst unbekannt gewesenen – Teillieferung und der dargestellten Komplikationen im Handlungsablauf zugebilligt hat, lässt solches besorgen, dass einem bloßen schlüssig geschilderten Tatgeschehen eines Mittäters – was stets die Aktionen eines anderen Mittäters umfasst, aber nicht dessen wahre Identität umfassen muss – eine zu große Bedeutung für die Glaubhaftigkeit der Angaben zur Identifizierung des genannten Mittäters beigemessen worden sein kann (vgl. BGH StV 2006, 683; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 494/06). Allein aus dem Umstand der Selbstbelastung ist kein Indiz von überragender Bedeutung für die Belastung der Person des Angeklagten zu gewinnen.
10
c) Auch die Erwägung des Landgerichts, eine Falschbelastung des Angeklagten sei wegen dessen Rachekompetenz nicht nachvollziehbar, begegnet Bedenken. Einen bereits stadtbekannten Rauschgifthändler – wie den Angeklagten – wird jemand, der etwa, ohne den wahren Tatbeteiligten zu verraten, einen Vorteil durch weitere Aufklärung erreichen will, mit größerer Plausibilität belasten können als einen den Ermittlungsbehörden noch gänzlich unbekannten Täter (vgl. BGH StV 2006, 515). Zudem lässt das Landgericht in diesem Zusammenhang unerörtert, dass vorliegend – vom Landgericht ohne jede Erläuterung festgestellt – der Angeklagte von der Polizei bereits am 4. Mai 2005 verdächtigt wurde, der Zeuge B. sich indes erst am 30. Mai den Ermittlungsbehörden anvertraut hat.
11
d) Das dem Angeklagten angelastete Rauschgiftgeschäft bedarf demnach neuer tatrichterlicher Aufklärung und Bewertung.
12
3. Soweit die Revision den Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen angreift, offenbart sie keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat sich nach ausreichender Würdigung der Tatumstände vor dem Hintergrund des nach Überzeugung des Angeklagten von ihm ausgehenden Aids-Ansteckungsrisikos von 1:1.000 in allen 25 Fällen des von ihm praktizierten ungeschützten oralen und vaginalen Geschlechtsverkehrs rechtsfehlerfrei von einem bedingten Körperverletzungsvorsatz überzeugt (vgl. BGH NJW 1992, 2644, 2645 f., insoweit in BGHSt 38, 300 nicht abgedruckt). Indes können die dem gemäß §§ 23, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 224 StGB entnommenen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten schon deshalb nicht aufrecht erhalten bleiben, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass sie von der Höhe der Einsatzstrafe beeinflusst worden sind.
13
Das neue Tatgericht wird insoweit bei der Strafrahmenfindung und Einzelstrafbemessung zu berücksichtigen haben, dass das vom Angeklagten objektiv ausgehende Ansteckungsrisiko (1:1 Mio.) durch die erfolgreiche Medikation des Angeklagten nachhaltig geringer als vom Angeklagten angenommen und darüber hinaus in 24 Fällen durch den vom Angeklagten praktizierten coitus interruptus noch weiter verringert war (vgl. BGHSt 36, 1, 8).
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal
5 StR 597/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 6. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2008

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil der Großen Strafkammer beim dem Amtsgericht Bremerhaven vom 20. Juni 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Große Strafkammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Die Große Strafkammer hat den Angeklagten und den Nichtrevidenten T. wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Freiheitsentziehung“ schuldig gesprochen und gegen den Angeklagten auf eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten erkannt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat sich im Wesentlichen aufgrund des Geständnisses des T. davon überzeugt, dass der Angeklagte Initiator und Mittäter eines am 4. Dezember 2006 ausgeführten Raubüberfalls auf eine Spielothek in Bremerhaven gewesen ist. Dabei hat das Landgericht widersprüchliche Äußerungen des T. zur Aufklärung der Tat – auch im Zusammenhang mit der Zahlung einer Belohnung – gewürdigt (UA S. 12 bis 17) und eine Bestätigung eines Teils der Angaben T. s in der Aussage des Zeugen N. gefunden, der „in seiner zweiten Vernehmung vor der Kammer die Treffen mit dem Angeklagten T. und dem Zeugen K. in dem Café D. bestätigt hat ebenso wie die Vereinbarung eines Termins mit dem Büro des Zeugen F. “ (UA S. 14).
3
2. Die Revision macht in ihrer darauf bezogenen Verfahrensrüge zu Recht geltend, dass es sich bei dieser „zweiten Vernehmung vor der Kammer“ um eine audiovisuelle Zeugenvernehmung gehandelt hat, die indes ohne die gemäß § 247a Satz 1 StPO gebotene Anordnung durch die Strafkammer vorgenommen worden ist. Dies begründet vorliegend die Revision (§ 337 Abs. 1 StPO).
4
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (vgl. BGHR StPO § 247a audiovisuelle Vernehmung 5 und 7). Den zur Ergänzung der Verfahrensrüge hier heranzuziehenden Urteilsausführungen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 344 Rdn. 21 m.w.N.) ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Aussage des Zeugen N. aus dessen audiovisueller Vernehmung verwertet hat (UA S. 14).
5
Die Vorschriften der § 247a Satz 2 und § 336 Satz 2 StPO stehen der Zulässigkeit der Verfahrensrüge nicht entgegen, wenn – wie hier – geltend gemacht wird, dass kein Beschluss zur audiovisuellen Zeugenvernehmung gefasst worden ist (vgl. BGHSt 45, 188, 197; BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte

4).


6
b) Das Fehlen des Gerichtsbeschlusses gemäß § 247a Satz 1 StPO begründet vorliegend die Revision. Es ist für den Senat nicht erkennbar, ob die Voraussetzungen des § 247a StPO vorgelegen haben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 4; Diemer in KK-StPO 5. Aufl. § 247a Rdn. 24). Insbesondere liegen die Voraussetzungen der durch die Vorschrift des § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO eröffneten Anwendungsvariante nicht vor. Der Angeklagte hat der Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung nicht zugestimmt (RB Rechtsanwalt R. S. 2). Damit kann nicht ausgeschlossen werden , dass bei gerichtlicher Überprüfung der dem im weiteren Sinn in die Tataufklärung verwickelten Zeugen hier amtsärztlich bescheinigten bloßen „situativen Sozialangststörung“ (RB aaO) keine audiovisuelle Vernehmung angeordnet worden wäre und dass ein rechtsfehlerfreies Verfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 38). Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung.
7
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
8
Widersprüche zwischen den Aussagen des Mittäters und des Zeugen K. zur Aufklärung der Tat sind – zumal vor dem Hintergrund der auch von dem zur Tatzeit rauschgiftabhängigen Nichtrevidenten erheischten Belohnung – für die Glaubhaftigkeitsprüfung wesentlich. Sie bedürfen deshalb näherer Bewertung (vgl. BGH StV 2000, 243).
9
Es wird bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben durch den Mittäter – auch im Falle übereinstimmender Tatschilderung durch das Tatopfer – der Gesichtspunkt zu bedenken sein, dass der Mittäter insoweit lediglich selbsterlebtes Tatgeschehen bekundet, aus dem sich für die Mitwirkung eines bestimmten Mittäters regelmäßig keine glaubhaftigkeitssteigernden Umstände ergeben (vgl. BGH StraFo 2007, 294 m.w.N.).
10
Soweit die Große Strafkammer bisher eine den Angeklagten eher entlastende Aussage des Tatopfers mit unsicheren Angaben des Mitangeklagten zu Lasten des Angeklagten relativiert hat (UA S. 17), dürfte sie sich in ihrer Beweisführung von der gebotenen sicheren Tatsachengrundlage entfernt haben (vgl. BGH StV 2002, 235). In der neuen Beweiswürdigung wird es auch erforderlich sein, die Qualitätsmängel der Aussage des Mitangeklag- ten in einer Gesamtschau zu bewerten (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 512 m.w.N.).
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 90/06
vom
26. April 2006
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 5. August 2005 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln verurteilt ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
c) im Ausspruch über die Einziehung. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie wegen Besitzes kinderpornographi- scher Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat teilweise mit der Sachrüge Erfolg; auf die ebenfalls erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an.
2
Die Beweiswürdigung des Landgerichts, das bezüglich der Betäubungsmitteldelikte zu der Überzeugung gelangt ist, der nicht vorbestrafte Angeklagte sei am 4. oder 11. November 2004 gemeinsam mit dem anderweitig verfolgten S. Y. in die Nähe von R. gefahren und habe dort für mehr als 8.000 Euro ein Kilogramm Haschisch, 500 g Amphetamin, einen Kokainfelsen sowie eine unbekannte Menge LSD-Trips von einem F. C. erworben, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
Die Strafkammer hat den Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen hat, S. Y. sei der Käufer des Rauschgifts gewesen und er habe für die Fahrt und als Rückzahlung von früheren Schulden 100 g Haschisch in Form einer halben Platte erhalten, im Wesentlichen aufgrund der über eine Ermittlungsbeamtin der Polizei eingeführten Aussage des S. Y. als überführt angesehen.
4
Die Beweiswürdigung ist fehlerhaft, da eine nahe liegende Möglichkeit nicht erörtert wurde. Die Strafkammer hatte keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des S. Y. , weil gegen eine erfundene Belastung des Angeklagten der ungewöhnliche Detailreichtum und die Originalität der Aussage in der Darstellung gesprochen hätten. S. Y. habe auch von sich aus Kontakt zur Polizei aufgenommen, um Angaben zu einem im Raum W. ansässigen Rauschgifthändler zu machen. Er habe auch gleich zu Beginn der Vernehmung offen gelegt, dass er nach rechtskräftigem Bewährungswiderruf zum Strafantritt geladen worden sei und er mit seiner Aussage die Hoffnung verbunden habe, den Strafantritt noch vermeiden zu können. Für die Konstanz seiner Aussage spreche, dass er bei seinen Angaben geblieben sei, obwohl ihm die erhofften Vorteile nicht gewährt worden seien.
5
Bei der Verneinung eines Falschbelastungsmotivs aufgrund des Detailreichtums hätte die hier nahe liegende Möglichkeit erkennbar mit in Erwägung gezogen werden müssen, dass S. Y. - der immerhin den Verkäufer F. C. aus W. kannte - der Haupttäter war. Als solcher hätte er gleichfalls sämtliche Einzelheiten des Tatgeschehens gekannt. Zudem musste er - allerdings unter Herabspielen seiner Rolle - die Tatumstände offen legen, um die erhofften Vergünstigungen zu erlangen. Damit verliert das Argument von der Aussagekonstanz zugleich an Gewicht. Als ihm entgegen seiner Erwartungen die Vergünstigungen nicht gewährt wurden, lag es deshalb nahe, dass er seine Aussage in gleicher Weise wiederholen würde, um nicht - zusätzlich zum Bewährungswiderruf - als Haupttäter des angeklagten Tatgeschehens verurteilt zu werden.
6
Da sich das Urteil hierzu nicht ausreichend verhält und damit in Betracht kommt, dass Art und Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten geringeres Gewicht haben als vom Landgericht angenommen, unterliegt es der Aufhebung.
Nack Boetticher Kolz Elf Graf

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Auf den Dolmetscher sind die Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung der Sachverständigen entsprechend anzuwenden. Es entscheidet das Gericht oder der Richter, von dem der Dolmetscher zugezogen ist.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Den zur Ablehnung Berechtigten sind auf Verlangen die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 122/11
vom
8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung
zu 2.: Steuerhinterziehung
zu 3.: Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juni 2011 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. September 2010 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: 1. Soweit zwei Beschwerdeführer die "inflationäre Verwendung" des Begriffs "Kumpane" rügen, ist es zwar zutreffend, dass die Begründung eines Urteils - schriftlich wie mündlich - sachlich sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 1999 - 3 StR 289/99, NStZ-RR 2000, 293). Abwertende, persönlich gefärbte Ausführungen zur Persönlichkeit eines Angeklagten sind ebenso untunlich wie "romanhafte Ausführungen" (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2001 - 2 StR 417/01, StV 2002, 303; BGH, Beschluss vom 9. Juli 1998 - 4 StR 254/98, NStZ-RR 1999, 261). Aus den Urteilsgründen ist jedoch hinreichend erkennbar, dass die Strafkammer den Begriff "Kumpan" (der dem altfranzösischen Begriff "compain" für "Genosse" entlehnt ist, vgl. Duden, Herkunftswörterbuch , 4. Aufl. 2007) hier wertungsfrei im Sinne von "Tatgenossen" und synonym zu den - sachlich zutreffenden - Begriffen "Mittäter" bzw. "Mitglied einer Bande" verwendet. Es ist deshalb nicht zu besorgen, die Strafkammer habe sich bei der Verhängung der Strafen rechtsfehlerhaft von sachfremden Erwägungen leiten lassen. 2. Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer einen Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens abgelehnt. Mit Blick auf den Gesetzeswortlaut der §§ 20, 21 StGB wären auch umfangreiche Ausführungen in den Urteilsgründen zu der insoweit von einem Angeklagten geltend gemachten "Spielsucht" (vgl. dazu z.B. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 2 StR 138/04, NStZ 2005, 281; BGH, Beschluss vom 25. November 2004 - 5 StR 411/04, NStZ 2005, 207; BGH, Beschluss vom 18. Mai 1994 - 5 StR 78/94, NStZ 1994, 501) nicht veranlasst gewesen, denn es ist fernliegend, dass sich diese "bei der Begehung der Tat" - hier einer Steuerhinterziehung - ausgewirkt haben könnte. Zutreffend führt der Generalbundesanwalt aus: "Beeinträchtigungen der psychischen Funktionsfähigkeit des Angeklagten sind im Rahmen der §§ 20, 21 StGB nur insoweit von Belang, als sie sich auf seine Handlungsfähigkeiten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt haben (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 20 Rn. 44). Bei den hier begangenen Steuerhinterziehungen lässt sich ein solcher Einfluss einer etwaigen Spielsucht von vornherein ausschließen. Denn Gegenstand dieser Taten war auch nach der Einlassung des Angeklagten (vgl. UA S. 185) nicht, dem Angeklagten kurzfristig zusätzliche Mittel zur Fortsetzung des Spielens zu verschaffen (vgl. zu diesem Kriterium BGH, NStZ 1994, 501); dazu waren sie ungeeignet. Vielmehr bestand der Tatplan darin, längerfristig Gewinne auf Kosten des Steuerfiskus zu machen. Soweit die kriminellen Handlungen des Angeklagten aber schon nach dem Tatbild unabhängig von einer etwaigen Suchtbeeinflussung begangen wurden , brauchte die Strafkammer der Frage, ob eine solche Sucht besteht, nicht nachzugehen." Die Ausführungen der Strafkammer waren auch nicht mit Blick auf § 267 StPO geboten. Die schriftlichen Urteilsgründe dienen weder der Darstellung eines bis in verästelte Einzelheiten aufzuarbeitenden "Gesamtgeschehens" noch der Nacherzählung des Ablaufs der Ermittlungen oder der Dokumentation des Inhalts der Beweisaufnahme, sondern sie sollen dem Leser die wesentlichen , die Entscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen ohne aufwändige eigene Bemühungen erkennen lassen (BGH, Beschluss vom 3. Februar 2009 - 1 StR 687/08, NStZ-RR 2009, 183; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720; BGH, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 StR 106/98, NStZ-RR 1998, 277; Peglau in BeckOK-StPO, § 267 Rn. 20). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander