Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2004 - II ZB 22/03

bei uns veröffentlicht am17.05.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 22/03
vom
17. Mai 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf die unerwartet lange Dauer einer Telefaxübermittlung
gestützt, hat das Gericht die zum Vergleich vorgelegten
Sendeberichte zu würdigen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Februar 2001 - V ZB
33/00, NJW-RR 2001, 916).

b) Ein auf einen vorübergehenden "Computer-Defekt" oder "Computer-Absturz"
gestützter Wiedereinsetzungsantrag bedarf näherer Darlegungen zur Art des
Defekts und seiner Behebung.
BGH, Beschluß vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Mai 2004 durch
die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Münke, Dr. Strohn und Caliebe

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I. Die von dem Kläger einzuhaltende Berufungsbegründungsfrist lief am 3. März 2003 ab. Die letzte, u.a. die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Klägers enthaltende Seite der per Fax an das Oberlandesgericht übermittelten Berufungsbegründung wurde nach den automatischen Aufzeichnungen des Empfangsgerätes, das über eine funkgesteuerte Zeitmessung verfügt, am 4. März 2003 00.01 Uhr empfangen und elektronisch abgespeichert. Die Übertragungszeit für 34 Seiten betrug nach dem Sendebericht des Klägers 17,51 Min., nach den Aufzeichnungen des Empfangsgeräts 17,55 Min., bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 9.600 Baud. Kurz darauf wurden 2 von bisher fehlenden 5 Seiten der insgesamt 39 seitigen Berufungsbegründung
nachübermittelt und von dem Empfangsgerät um 00.05 Uhr abgespeichert. Der Kläger meint, der Text der nur knapp halbseitig beschriebenen S. 39 mit der Unterschrift müsse von dem Empfangsgerät vor 00.00 Uhr empfangen worden sein. Hilfsweise hat der Kläger, der Rechtsanwalt ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu vorgetragen, er habe die Berufungsbegründung am 3. März vor 24.00 Uhr in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten selbst "(fertig-)geschrieben". Dieser habe sie nach Prüfung unterzeichnet. Sie habe wegen eines "nicht nachvollziehbaren Computerdefektes (Abstürzen der Anlage)" erst um 23.40 Uhr mit ca. 1,5 Std. Verspätung ausgedruckt werden können. Der Defekt der seit mindestens 1,5 Jahren störungsfrei arbeitenden Computeranlage sei nicht vorhersehbar gewesen. Im übrigen hätten der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter aufgrund ihrer bisherigen, durch vorgelegte Sendeberichte belegten Erfahrungen darauf vertraut, daß nicht nur ca. 2, sondern knapp 4 Seiten/Min. "durchgefaxt" werden könnten. Mit der ungewöhnlich langen Übertragungsdauer hätten sie nicht rechnen müssen. Die Richtigkeit dieses Vortrags haben beide anwaltlich versichert.
Das Berufungsgericht hat die Berufungsbegründung für verspätet erachtet und die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
1. Soweit das Berufungsgericht den Eingang der Berufungsbegründung für verspätet erachtet hat, wird dies von dem Beschwerdeführer nicht gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2, 3 ZPO gerügt. Eine Prüfung von Amts wegen findet insoweit in vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht statt, weil dessen Gegenstand allein die gegen den Verwerfungsbeschluß des Berufungsgerichts erhobenen Rügen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 40/03, Umdr. S. 6, 7). Im übrigen ist die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt auch nicht zu beanstanden, weil der Kläger den von ihm zu führenden Nachweis des rechtzeitigen Eingangs seiner Berufungsbegründung mit der die Unterschrift seines Prozeßbevollmächtigten enthaltenden letzten Seite nicht geführt hat und eine Störung des Empfangsgerätes oder eine im technischen Verantwortungsbereich der Empfangsstelle liegende Ungenauigkeit der Zeitmessung nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, WM 1994, 1349). Daß gemäß der vorliegenden Praxis des Oberlandesgerichts München der Zeitpunkt des nächtlichen Eingangs von Faxsendungen wegen der Verwendung eines mit Faxkarte ausgestatteten PC nicht nach demjenigen ihres Ausdrucks, sondern ihrer elektronischen Speicherung bestimmt wird und der Ausdruck regelmäßig erst am nächsten Morgen erfolgt, gereicht dem Kläger jedenfalls nicht zum Nachteil.
2. Das Berufungsgericht meint, die für die Faxübermittlung benötigte Zeit von 17,55 Min. sei für den Kläger oder dessen Prozeßbevollmächtigten vorhersehbar gewesen und ergebe daher keinen Wiedereinsetzungsgrund i.S. von § 233 ZPO. Die Sendezeit hänge von der Zahl der übermittelten Signale, d.h. der Schriftzeichen, ab. Die vorgetragene Differenz von 2 gegenüber 3 Seiten /Min. (= Minimaldifferenz) halte sich im erwartbaren Variationsbereich und sei als Sicherheitskarenz zu berücksichtigen gewesen.
Diese Begründung steht mit den im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2001 (V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916) aufgestellten Grundsätzen nicht in Einklang und verkürzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG), was die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eröffnet (vgl. BGHZ 151, 221; BGH, Beschl. v. 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Abgesehen davon, daß der Kläger eine Differenz von mehr als 1 Seite/Min. geltend gemacht hat, hätte das Berufungsgericht nach dem Beschluß vom 1. Februar 2001 aaO prüfen müssen , ob die mit dem Wiedereinsetzungsantrag und später zur Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO) vorgelegten Sendeberichte nach Art und Empfänger der Sendungen mit der hier maßgeblichen Sendung vergleichbar sind. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, worauf sich seine Annahme stützt, die vorgetragene Differenz von 2 zu ca. 3,5 Seiten/Min. (75 %) halte sich im vorhersehbaren Variationsbereich (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99, NJW 2001, 1566 f.). Dies hängt, wie bei dem erkennenden Senat gerichtsbekannt ist, nicht nur von der Anzahl der übermittelten (mit den Schriftzeichen nicht identischen) Signale, sondern auch von der zu erwartenden Übertragungsgeschwindigkeit ab. Andererseits schließt das nicht aus, daß bei der Faxübermittlung eine gewisse Zeitreserve einzukalkulieren ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. November 1999 - 2 BvR 565/98, NJW 2000, 574).
Eine eigene Sachentscheidung hierüber ist dem Senat verwehrt, weil es dazu noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf (§ 577 Abs. 4 ZPO).
3. Zugunsten des Klägers zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO) ist die Sache nicht schon im Hinblick auf den von ihm zusätzlich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund des "plötzlichen Abstürzens der Computeranlage".
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers hierzu im Ergebnis zu Recht für nicht hinreichend erachtet, um eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO zu rechtfertigen. Darin liegt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keine Divergenz gegenüber dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 1994 (XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 f. zu 4). Denn dort konnte offenbleiben , ob ein entsprechender Sachvortrag ausreicht, weil er zum einen verspätet vorgebracht (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) und zum anderen nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO) war. Das Berufungsgericht vermißt zu Recht den Vortrag der näheren Umstände des angeblichen Computerdefekts. Insbesondere fehlt jeglicher Vortrag dazu, wann, wie oder bei welcher Verrichtung sich der "nicht nachvollziehbare" Computerdefekt bemerkbar machte und wie es dennoch gelang, ihn nach 1,5 Std. bis 23.40 Uhr wieder zu beheben. Unklar ist weiter, ob mit dem "Abstürzen" ein (teilweiser) Verlust des bisher geschriebenen Textes verbunden war oder z.B. schlicht die Druckerfunktion nicht in Gang gesetzt werden konnte. In diesem Zusammenhang wäre gerade auch Vortrag dazu erforderlich gewesen, ob der Kläger und/oder sein Prozeßbevollmächtigter in die Bedienung des Computers und des Druckers so eingeübt waren , daß sie diese bei ihrer nächtlichen Arbeit ohne Schreibkraft sicher bedienen konnten.
4. Nach allem hängt die Entscheidung der Sache davon ob, ob der Kläger unter den gegebenen Umständen noch mit einer fristgerechten Faxübermittlung rechnen durfte (vgl. oben 2). Zu weiterer Aufklärung dieser Frage ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Goette Kraemer Münke Strohn Caliebe

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2004 - II ZB 22/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2004 - II ZB 22/03

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2001 - V ZB 33/00

bei uns veröffentlicht am 01.02.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 33/00 vom 1. Februar 2001 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke besc

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Apr. 2003 - V ZB 71/02

bei uns veröffentlicht am 30.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 71/02 vom 30. April 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 524 a) Der Berufungsbeklagte hat die Wahl, ob er sich der Berufung des Gegners anschließt oder ob er, falls die Vo

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2003 - IX ZB 40/03

bei uns veröffentlicht am 18.09.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 40/03 vom 18. September 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja zu III. 1 BGHR: ja ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4, § 559 Abs. 1, § 576 Abs. 1 Die Rechtsbeschwerde gegen einen Verwerfungsbeschluß d
14 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2004 - II ZB 22/03.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2016 - XI ZR 515/15

bei uns veröffentlicht am 12.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZR 515/15 vom 12. April 2016 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2016:120416BXIZR515.15.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Maiho

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2007 - XI ZA 27/06

bei uns veröffentlicht am 05.06.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZA 27/06 vom 5. Juni 2007 in dem Rechtsstreit Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, den Richter Dr. Müller, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und Prof.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2004 - VII ZR 320/03

bei uns veröffentlicht am 25.11.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 320/03 Verkündet am: 25. November 2004 Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2006 - IV ZB 20/05

bei uns veröffentlicht am 25.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 20/05 vom 25. April 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja _____________________ ZPO § 520 Abs. 2 Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsa

Referenzen

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 40/03
vom
18. September 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja zu III. 1
BGHR: ja
Die Rechtsbeschwerde gegen einen Verwerfungsbeschluß des Berufungsgerichts
kann grundsätzlich nicht auf Tatsachen gestützt werden, die belegen sollen, daß die
Berufungsbegründungsfrist gewahrt war, wenn sie in der Berufungsinstanz nicht
vorgetragen worden sind.
BGH, Beschluß vom 18. September 2003 - IX ZB 40/03 - Kammergericht Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Kayser, Dr. Bergmann und
am 18. September 2003

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. Dezember 2002 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 9.460,73

Gründe:


I.


Der Kläger, ein Steuerberater, wurde mit einer Klage auf Zahlung offener Gebührenforderungen durch Urteil des Landgerichts vom 2. Juli 2002 abgewiesen. Ausweislich einer bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde das Urteil am 26. September 2002 durch persönliche Übergabe an seinen Prozeßbevollmächtigten zugestellt. Dieser legte für den Kläger am 7. Oktober 2002 Berufung ein und beantragte am 27. November 2002 eine Verlängerung der Begründungsfrist. Der Vorsitzende des Berufungssenats wies den Prozeßbevollmächtigten des Klägers unter dem 29. November 2002
darauf hin, daß dem Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werden könne, weil er verspätet, nämlich nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Aus der Postzustellungsurkunde ergebe sich, daß das angefochtene Urteil dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers - durch Übergabe an ihn persönlich - am 26. September 2002 zugestellt worden sei. Dieses Schreiben wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 2. Dezember 2002 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2002 bat jener, die mitgeteilte Rechtsansicht zur Fristüberschreitung zu überprüfen. Mit Beschluß vom 23. Dezember 2002 verwarf das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig.

II.


Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde. Er macht geltend, der Postbedienstete habe keineswegs das zuzustellende Urteil des Landgerichts seinem Prozeßbevollmächtigten am 26. September 2002 übergeben, sondern am 27. September 2002 in den Briefkasten einer Nachbarin seines Prozeßbevollmächtigten eingeworfen; die Nachbarin habe die - geöffnete - Sendung sodann in den Briefkasten des Prozeßbevollmächtigten gelegt. Auf dem Briefumschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthalten habe, sei von dem Postbediensteten der 27. September 2002 vermerkt worden. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Berufung für zulässig zu erklären und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Hauptsache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise beantragt er, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, die Berufung für zulässig zu erklären und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und
Entscheidung über die Hauptsache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Höchst hilfsweise beantragt er die Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

III.


Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern.
1. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, wann der Lauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist beginnt, wenn das in der Zustellungsurkunde angegebene Zustellungsdatum von dem Datum abweicht, das auf dem die zuzustellende Entscheidung enthaltenden Umschlag vermerkt ist, hat zwar grundsätzliche Bedeutung (vgl. dazu Häublein, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform 2002 mit Zustellungsreformgesetz S. 385 f); sie stellt sich jedoch nicht. Die angebliche Tatsache, daß auf dem Umschlag ein anderes - späteres - Datum vermerkt ist als in der Zustellungsurkunde, hat der Kläger erst nach Zustellung des angefochtenen Verwerfungsbeschlusses vorgetragen und hernach in seiner Rechtsbeschwerdebegründung aufgegriffen. Damit handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz.
Grundsätzlich können in der Rechtsbeschwerdeinstanz - ebenso wie in der Revisionsinstanz - neue Tatsachen und Beweise nicht vorgebracht werden.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar anerkannt, daß das Revisionsgericht neues Vorbringen berücksichtigt, das für die Zulässigkeit der Berufung maßgebend ist. Dabei handelte es sich aber ausschließlich um Fälle, bei denen das Revisionsgericht aufgrund der von Amts wegen gebotenen Prüfung (BGHZ 102, 37, 38; BGH, Urt. v. 7. Oktober 1997 - XI ZR 233/96, NJW 1998, 602, 603; v. 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226; BVerwG NJW 1986, 862) die Zulässigkeit der Berufung - abweichend von der Meinung des Berufungsgerichts - verneinte, sei es weil dem Berufungsführer zu Unrecht Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsfrist gewährt (BGHZ 6, 369, 370) oder die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist übersehen worden war (BGHZ 7, 280, 284; BGH, Urt. v. 4. November 1981 - IVb ZR 625/80, NJW 1982, 1873), sei es weil das Berufungsgericht rechtsirrtümlich gemeint hatte, die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil sei gewahrt (BGH, Urt. v. 21. Juni 1976 - III ZR 22/75, NJW 1976, 1940), oder verkannt hatte, daß eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung fehlte (BVerwG NJW 1986, 862: Zulassung der Berufung gemäß Art. 2 § 4 Abs. 2 EntlastG i.V.m. § 131 VwGO). In allen diesen Fällen war die Zulässigkeit der Berufung eine Prozeßfortsetzungsbedingung. Nur wenn das erstinstanzliche Urteil durch eine zulässige Berufung angegriffen worden und somit noch nicht in Rechtskraft erwachsen war, konnte ein rechtswirksames Verfahren vor dem Revisionsgericht stattfinden (BGH, Urt. v. 4. November 1981 aaO). Um eine Prozeßfortsetzungsbedingung ging es auch in einem anderen Fall, in dem die Revision ausdrücklich gerügt hatte, die Berufung der Gegenseite sei nicht fristgerecht begründet gewesen (BGH, Urt. v. 30. September 1987 - IVb ZR 86/86, NJW 1988, 268). Damals hat der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufung bejaht. Neues Vorbringen war nicht zu berücksichtigen.

Hat hingegen schon das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, ist deren Zulässigkeit in der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz (je nachdem, ob das Berufungsgericht durch Urteil oder gemäß § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch Beschluß entschieden hat) keine Prozeßfortsetzungsbedingung. Ein rechtswirksames Verfahren vor dem Bundesgerichtshof ist hier auch dann möglich, wenn die Berufung unzulässig war. Die Frage nach der Zulässigkeit der Berufung ist in der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz alleiniger Verfahrensgegenstand. Zu diesem Punkt muß die Begründung der Revision oder Rechtsbeschwerde Rügen enthalten (§ 551 Abs. 3 Nr. 2, § 575 Abs. 3 Nr. 3 ZPO); andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (§ 552 Abs. 1 Satz 2, § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeführer kann nicht davon ausgehen, er brauche sein Rechtsmittel nicht zu begründen, weil das Revisions- oder Rechtsbeschwerdegericht die Zulässigkeit der Berufung von Amts wegen prüfen müsse. Die von dem Rechtsmittelführer zu erhebenden Rügen können grundsätzlich nur auf Tatsachen gestützt werden, die gemäß § 559 Abs. 1, § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO berücksichtigungsfähig sind. Grundsätzlich müssen diese Tatsachen deshalb in der Berufungsinstanz vorgetragen worden sein.
Allerdings kann eine Revision oder eine Rechtsbeschwerde gegen eine die Berufung verwerfende Entscheidung möglicherweise auch darauf gestützt werden, diese leide deshalb an einem Verfahrensfehler, weil das Berufungsgericht eine von Amts wegen gebotene Prüfung der Zulässigkeit der Berufung unterlassen habe. Dazu braucht der Senat nicht abschließend Stellung zu nehmen. Vorliegend ist bereits fraglich, ob die Rechtsbeschwerde eine derartige Verfahrensrüge erhoben und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Jedenfalls
wäre sie nicht begründet. Das Berufungsgericht hatte keinen Anlaß für Ermittlungen von Amts wegen. Anhaltspunkte dafür, daß das in der Zustellungsurkunde genannte Zustellungsdatum "26.9.2002" unzutreffend sein könnte, hätte allein Vorbringen des Klägers liefern können. Dieser hat jedoch in der Berufungsinstanz eher beiläufig und ohne jede Vertiefung vorgetragen, die Berufung richte sich gegen "das am 27.9.2002 zugestellte" Urteil. Auch als der Vorsitzende des Berufungssenats den Kläger darauf hinwies, daß das angefochtene Urteil ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 26. September 2002 zugestellt worden sei, beschränkte sich der Kläger auf die Bitte, die mitgeteilte "Rechtsansicht zur Fristüberschreitung" zu überprüfen. Dieser Vortrag mußte bei dem Berufungsgericht keine Zweifel an der Beweiskraft der Zustellungsurkunde (§ 182 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, § 418 ZPO) wecken.
Der Anwendung von § 559 Abs. 1, § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, daß eine weitergehende Berücksichtigung neuer Tatsachen in der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz möglich ist, sofern es sich um Prozeßvoraussetzungen handelt. Hier ist neuer Tatsachenvortrag beachtlich, gleichgültig ob dies zum Wegfall oder Eintritt der Prozeßvoraussetzungen führt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat dies seinen Grund darin, daß Sachentscheidungsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes BGHZ 91, 111, 115; BGHZ 85, 288, 290; 100, 217, 219; 104, 215, 221; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1985 - IX ZR 73/85, WM 1986, 58, 59; v. 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87, NJW 1988, 1585, 1587; v. 16. Mai 1991 - IX ZR 81/90, NJW 1992, 627). Wird eine Verwerfungsentscheidung des Berufungsgerichts mit einem Rechtsmittel angegriffen, ist die Zulässigkeit der Berufung jedoch
weder eine Sachentscheidungsvoraussetzung, noch findet - wie oben ausge- führt - eine Prüfung von Amts wegen statt.
2. Die vorstehende Begründung, weshalb die Zustellungsproblematik nicht zu entscheiden ist, hat zwar ihrerseits wiederum grundsätzliche Bedeutung. Dies nötigt aber nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Denn diese hat sich dazu nicht geäußert.
3. Die gerügte Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) liegt nicht vor. Daß das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers über den Zeitpunkt der Zustellung an seinen Verfahrensbevollmächtigten "völlig außer acht gelassen" hat, wie die Rechtsbeschwerde meint, ist nicht ersichtlich. Es durfte vielmehr den Vortrag für unerheblich halten (vgl. oben zu 1).
4. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht nicht auf einem "rechtsstaatswidrigen Unterlassen" des Berufungsgerichts.

a) Daß - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - ein Rechtsmittelgericht verpflichtet sei, im Interesse des Rechtsmittelführers noch vor Ablauf der Begründungsfrist zu prüfen, ob sich jener etwa unzutreffende Vorstellungen über das Fristende macht, und ihm einen entsprechenden Hinweis zu geben, so daß er die Frist noch einhalten kann, erscheint auch im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 1995 (NJW 1995, 3173), auf die sich die Rechtsbeschwerde bezieht, fraglich. Der Senat braucht hierzu nicht abschließend Stellung zu nehmen. Falls die Begründungsfrist versäumt war, bot der Hinweis des Vorsitzenden des Berufungssenats in der Verfügung
vom 29. November 2002 dem Klägervertreter hinreichenden Anlaß, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Diesem hätte stattgegeben werden müssen, wenn der Kläger die Berufungsbegründung rechtzeitig vorgelegt hätte (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und es ihm gelungen wäre, die jetzt in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgebrachte Divergenz zwischen den Zustellungsdaten glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Mit der erfolgten Wiedereinsetzung wäre eine etwaige Versäumung entfallen.

b) Auf den richterlichen Hinweis vom 29. November 2002 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2002 das Berufungsgericht gebeten, es möge "die mitgeteilte Rechtsansicht zur Fristüberschreitung ... überprüfen", und es dabei wiederum bei dem schlichten Hinweis auf das angebliche Zustellungsdatum "27.9.2002" bewenden lassen. Das Berufungsgericht ist darauf erst in seinem Verwerfungsbeschluß vom 23. Dezember 2002 eingegangen. Dies stellt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weder einen "Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG" noch gegen "das Willkürverbot nach Art. 3 GG" dar. Der Schriftsatz vom 15. Dezember 2002 enthielt keinen Wiedereinsetzungsantrag. Der Kläger ging davon aus, die Frist gewahrt zu haben. Demgemäß fehlte jegliche Darlegung, daß ihn an einem etwaigen Fristversäumnis kein Verschulden treffe. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht auch nicht gehalten zu prüfen, ob dem Kläger gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ohne einen entsprechenden Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift lagen nicht vor. Die Berufungsbegründung hat der Kläger am 27. Dezember 2002 und somit nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingereicht. Diese beträgt zwei Wochen (§ 234 Abs. 1 ZPO)
und beginnt mit dem Tag, an dem das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das war hier mit Zugang der richterlichen Verfügung vom 29. November 2002 - am 2. Dezember 2002 - der Fall. Selbst wenn der Mitteilung keine Kopie der Zustellungsurkunde beilag, durfte der Klägervertreter nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, ohne weiteres davon ausgehen, daß die Verfügung vom 29. November 2002 auf einem Versehen beruhte. Damit lief die Wiedereinsetzungsfrist am 16. Dezember 2002 ab.
5. Auch mit den Hilfsanträgen ist die Rechtsbeschwerde unzulässig. Zwar steht es einer Partei frei, im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend zu machen , sie habe die als unzulässig verworfene Berufung rechtzeitig eingelegt und begründet, und für den Fall, daß das Gericht dem nicht folgt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312; v. 27. Februar 2002 - I ZB 23/01, NJW-RR 2002, 1071, 1072). Indes ist im vorliegenden Fall - wie bereits unter 3. ausgeführt - der Wiedereinsetzungsantrag verspätet. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hierbei nicht.
Kreft Ganter Kayser
Richter am Bundesgerichtshof ! #" $ % ist wegen Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizu- fügen. Bergmann Kreft

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 33/00
vom
1. Februar 2001
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Februar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein
und Dr. Lemke

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Juni 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Begründungsfrist für die von der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung war am 25. April 2000 abgelaufen. Die mit Telefax übermittelte und 11 Seiten umfassende Berufungsbegründung ist ausweislich des Empfangsberichts am 26. April 2000 zwischen 0.19 und 0.23 Uhr bei Gericht eingegangen. Die in der Kopfzeile vom Faxgerät der Klägerin angegebene Sendezeit weist einen Zeitraum von 23.17 Uhr bis 23.21 Uhr am 25. April 2000 aus.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei am 25. April 2000 durch Verkehrsbehinderungen nach einem auswärtigen Termin erst spät am Abend zur
Erledigung der anstehenden Fristsachen gekommen. Dabei habe sie festgestellt , daß ihr neuwertiges Faxgerät nicht fehlerfrei arbeite. Erst ein Versuch um 23.17 Uhr habe mit der Bestätigung ordnungsgemäßer vollständiger Übersendung geendet. Nach einem gerichtlichen Hinweis, daß ihr Faxgerät möglicherweise noch nicht auf die Sommerzeit umgestellt war, hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, daß sie schon vor 22.57 Uhr die Übermittlung erfolglos versucht habe und bei ordnungsgemäß arbeitendem Faxgerät auch noch um 23.57 Uhr eine fristgerechte Übermittlung möglich gewesen wäre.
Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 10. Juli 2000 zugestellten Beschluß richtet sich die am 24. Juli 2000 eingelegte sofortige Beschwerde.

II.


Das gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht (§ 575 ZPO), weil es für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht von einer Versäumung der Begründungsfrist (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ausgegangen. Die vollständige Berufungsbegründung ist erst am 26. April 2000 bei Gericht eingegangen. Dies ergibt sich aus dem Empfangsbericht.

2. Eine Wiedereinsetzung hat das Berufungsgericht der Klägerin versagt , weil sie nicht glaubhaft gemacht habe, daß sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§§ 233, 236 Abs. 2 ZPO). Ihre Behauptungen zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Bemühungen um die Übermittlung der Berufungsbegründung sind in der Tat widersprüchlich und finden in den Feststellungen des Empfangsberichts und des Journals keine Stütze. Eigene Belege hat die Klägerin insoweit nicht vorgelegt. Zwar hat ein Nutzer mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, daß unter normalen Umständen mit ihrem Abschluß bis 24.00 Uhr zu rechnen ist (BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858). Der Klägerin könnte daher entgegengehalten werden, daß sie bereits bei der nach sieben Seiten um 23.59 Uhr grundlos abgebrochenen Sendung von 23.57 Uhr nicht darauf vertrauen durfte, daß der gesamte Schriftsatz mit 11 Seiten noch vor 24.00 Uhr vollständig übermittelt sein würde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt nach Auskunft der Geschäftsleitung des Gerichts die durchschnittliche Übertragungszeit bei einem derartigen Schriftsatz deutlich über drei Minuten. Auch die vollständige Übertragung durch die Klägerin am 26. April 2000 benötigte rund vier Minuten.
3. Die Klägerin hat jedoch vorgetragen, sie habe am 9. Juni 2000 11 Seiten in 2 Minuten 34 Sekunden an das Oberlandesgericht gefaxt. Das Berufungsgericht ist auf diesen Vortrag nicht näher eingegangen, weil er nichts über die regelmäßig zu erwartende Dauer einer Telefaxmitteilung von 11 Seiten be-
sage. Dieser Vortrag durfte jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, könnte dies ihre Auffassung stützen, daß sie auch bei der Sendung von 23.57 Uhr noch mit einem rechtzeitigen Eingang rechnen konnte. Das Berufungsgericht wird deshalb nach Vorlage der Sendung vom 9. Juni 2000 zu klären haben, ob diese mit der hier maßgeblichen Sendung vergleichbar ist. Eine derartige Prüfung ist im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kammer-Beschl. v. 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99, MDR 2001, 48, 49) angezeigt.
Das Berufungsgericht wird daher erneut über den Wiedereinsetzungsantrag zu befinden haben.
Wenzel Tropf Schneider Klein Lemke

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 71/02
vom
30. April 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Berufungsbeklagte hat die Wahl, ob er sich der Berufung des Gegners anschließt
oder ob er, falls die Voraussetzungen des § 511 ZPO gegeben sind, eigenständig
Berufung einlegt. Nur im ersteren Fall verliert der Angriff gegen das
Urteil seine Wirkung, wenn der Gegner die Berufung zurücknimmt (§ 524 Abs. 4
ZPO).

b) Die Möglichkeit, Anschlußberufung einzulegen, besteht auch innerhalb der für
den Berufungsbeklagten offenen Frist zur Einlegung einer eigenständigen Berufung.

c) Zur Auslegung einer "selbständigen Anschlußberufung", die innerhalb der für eine
eigenständige Berufung laufenden Frist eingelegt worden ist.
BGH, Beschl. v. 30. April 2003 - V ZB 71/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Hanau
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. April 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof.
Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen das beiden Parteien am 16. Juli 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Beklagte am 9. August 2002 Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 zurückgenommen hat.
Mit Schriftsatz vom 16. August, per Fax am selben Tag bei Gericht eingegangen , haben die Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen , und zugleich "selbständige Anschlußberufung" mit der Ankündigung eingelegt, daß Anträge hierzu innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gestellt
würden. Vor Ablauf der - verlängerten - Begründungsfrist haben sie das Rechtsmittel begründet.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Rücknahme der Berufung des Beklagten habe das Anschlußrechtsmittel der Kläger wirkungslos gemacht (§ 524 Abs. 4 ZPO). Außerdem sei das Rechtsmittel entgegen § 524 Abs. 3 ZPO nicht zugleich mit der Anschlußschrift begründet worden. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses beantragen.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf einer Würdigung, die den Klägern den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, 3030 f., vorgesehen für BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, Umdruck S. 4, zur Veröffentl. vorgesehen).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 524 Abs. 4 ZPO zu Unrecht bejaht. Das Rechtsmittel der Kläger hätte durch die Rücknahme der Berufung des Beklagten nur dann seine Wirkung verloren, wenn es sich um eine Anschlußberufung gehandelt hätte. Das ist aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, an dessen Auslegung der Senat nicht gebunden ist (BGHZ 4, 328, 334; BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210, 1211), nicht der Fall.

a) Der von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger verwendete Begriff der "selbständigen Anschlußberufung" ist dem neuen Zivilprozeßrecht, das vorliegend anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO), fremd. Der Berufungsbeklagte hat nach neuem Recht zwei Möglichkeiten. Er kann sich entweder der Berufung des Gegners anschließen (§ 524 ZPO) oder, falls die Voraussetzungen des § 511 ZPO gegeben sind, selbständig Berufung einlegen (anders, aber abwegig [nur Anschlußberufung möglich], Grunsky, NJW 2002, 800, 801 Fn. 7). Nur im ersten Fall verliert der Angriff gegen das Urteil seine Wirkung, wenn der Gegner die Berufung zurücknimmt (§ 524 Abs. 4 ZPO), und nur im Falle der Anschließung muß die Berufung in der Anschlußschrift begründet werden (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Wird hingegen selbständig Berufung eingelegt , ist dieses Rechtsmittel vom Schicksal der gegnerischen Berufung unabhängig. Es bleibt wirksam, wenn jene zurückgenommen wird. Für sie laufen eigenständige Fristen zur Einlegung (§ 517 ZPO) und zur Begründung (§ 520 Abs. 2 ZPO). Welche Möglichkeit der Berufungsbeklagte wählt, steht in seinem Belieben (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, Aktualisierungsband, § 524 Rdn. 3; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 524 Rdn. 5). Inner-
halb der noch für ihn offenen Berufungsfrist (§ 517 ZPO) kann er Anschlußberufung nach § 524 ZPO (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher aaO; a.A. von Olshausen , NJW 2002, 802) oder selbständig Berufung einlegen. Nur wenn die eigene Berufungsfrist verstrichen ist, ist er auf die Anschlußberufung beschränkt.

b) Da die Kläger die "selbständige Anschlußberufung" innerhalb der für sie laufenden Berufungsfrist eingelegt haben, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche der beiden Möglichkeiten sie gewählt haben. Dabei ist der Auslegungsgrundsatz zu beachten, daß im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210, 1211 m.w.N.). Danach ist vorliegend von einer selbständigen Berufung auszugehen.
aa) Dem Umstand, daß der Rechtsmittelschriftsatz der Kläger die ausdrückliche Bezeichnung "Anschlußberufung" enthält, kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine entscheidende Bedeutung zu. Dieses Wortlautargument verliert schon durch das beigefügte Eigenschaftswort an Überzeugungskraft, das auf ein selbständiges, also gerade nicht von der gegnerischen Berufung abhängiges Rechtsmittel hinweist.
bb) Unterstützt wird dieser Hinweis durch den Vermerk "Original zur Fristwahrung per Fax ...", der dem Schriftsatz vorangestellt ist. Für eine Anschlußberufung wäre er ohne Bedeutung. Die hierfür zu beachtende Frist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO hatte noch nicht einmal zu laufen begonnen. Bedeutung kam ihm allein vor dem Hintergrund einer selbständigen Berufung
zu. Hierfür lief die Frist am 16. August 2002, dem Datum des Schriftsatzes, ab. Um diese Frist zu wahren, mußte der Prozeßbevollmächtigte die Übermittlung per Telefax anordnen.
cc) Dazu paßt weiter die Ankündigung, Anträge "innerhalb der Berufungsbegründungsfrist" zu stellen. Damit kann bei verständiger Würdigung nur die Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zur Begründung der - selbständigen - Berufung gemeint sein. Denn für die Anschlußberufung verlangt das Gesetz eine Begründung in der Anschlußschrift selbst (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Soweit § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine erneute Anschlußberufung - mit entsprechender Begründung - bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift erlaubt (vgl. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher § 524 Rdn. 41), kann diese Frist nicht gemeint sein. Sie hatte noch nicht zu laufen begonnen.

d) Das von dem Berufungsgericht hervorgehobene Argument, daß die Auslegung ihre Grenzen in dem berechtigten Vertrauen des Gegners auf den objektiven Erklärungsinhalt des Rechtsmittelschriftsatzes finden müsse, ist ohne Gehalt. Durch eine Auslegung wird der objektive Erklärungsinhalt einer Prozeßhandlung gerade ermittelt (s. nur Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., vor § 128 Rdn. 25). Auf diese objektive Erklärungsbedeutung darf der Prozeßgegner vertrauen. Sie begrenzt aber nicht die Auslegung, sondern ist deren Ergebnis. Vielmehr begrenzt das Auslegungsergebnis das Vertrauen des Prozeßgegners.
Vorliegend konnte der Beklagte angesichts der aufgezeigten Umstände nicht annehmen, daß eine Anschlußberufung eingelegt war, der er durch Rück-
nahme der eigenen Berufung den Boden hätte entziehen können. Objektiv betrachtet handelt es sich um eine selbständige Berufung.
Wenzel Krüger Klein
Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.