Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2004 - VII ZR 320/03

bei uns veröffentlicht am25.11.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 320/03 Verkündet am:
25. November 2004
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Einen Rechtsanwalt trifft kein Verschulden an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen
Schriftsatzes, wenn die Telefaxübermittlung einen Zeitraum beansprucht
, mit dem er nicht rechnen mußte.
BGH, Urteil vom 25. November 2004 - VII ZR 320/03 - OLG München
LG München I
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juni 2003 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 26. Juni 2002 gewährt. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Restwerklohn und Eintragung einer Sicherungshypothek. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Die Beklagte hat gegen das ihr am 1. Juli 2002 zugestellte Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Die Klägerin hat Anschlußberufung eingelegt. Der Beklagten wurde auf Antrag die Frist zur Berufungsbegründung bis 1. Oktober 2002 verlängert. Die
Berufungsbegründung ist ausweislich des Kontrollabschnitts des Empfangsgeräts des Oberlandesgerichts am 2. Oktober 2002 0.00 Uhr eingegangen. Die Beklagte hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und unter Vorlage von Sendeberichten glaubhaft gemacht: Ihr Prozeßbevollmächtigter habe am 1. Oktober 2002 um 23.45 Uhr per Telefax die Berufungsbegründung, die 18 Seiten umfaßt habe, an das Berufungsgericht versandt. Der Sendevorgang, der den OK-Vermerk trage, habe ausweislich des Sendeberichts 14.54 Minuten gedauert. Bei der Versendung habe er ein erst am 17. September 2002 neu angeschafftes Faxgerät benutzt. Die Berufung, die er zusammen mit einem 20-seitigen Urteil übersandt habe, die also insgesamt 22 Seiten umfaßt habe, sei mit einem typengleichen Gerät in 11 Minuten und 4 Sekunden übermittelt worden, was einer Übertragungszeit von ca. 30 Sekunden pro Seite entspreche. Wenn die Übertragung der Berufungsbegründung nahezu 50 Sekunden pro Blatt betragen habe, müßten Leitungsstörungen vorgelegen haben. Auch die Statusberichte anderer Telefaxsendungen belegten, daß die Übertragungszeiten nur ca. 14-15 Sekunden pro Seite betragen hätten. Bei Beginn der Übertragung um 23.45 Uhr habe sich der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten im übrigen vergewissert, daß die Verbindung zum Empfangsgerät hergestellt gewesen sei. Wenn zu diesem Zeitpunkt keine Verbindung hätte hergestellt werden können, hätte der Schriftsatz in weniger als 10 Minuten in den Nachtbriefkasten des Gerichts geworfen werden können. Das Berufungsgericht hat zu den technischen Fragen, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, ob die Versäumung der Berufungsbegrün-
dungsfrist ohne ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten erfolgt ist, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Es hat die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Der Beklagten ist unter Aufhebung des Berufungsurteils Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten.

I.

1. Das Berufungsgericht stellt fest, daß ausweislich des ausgedruckten Kontrollabschnitts des mit Funkuhr gesteuerten Empfangsgeräts der Sendevorgang am 2. Oktober 2002 um 0.00 Uhr beendet gewesen sei und damit das Ende der Übermittlung erst nach Datumswechsel stattgefunden habe. 2. Das Berufungsgericht hält den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß sie ohne ihr Verschulden die Frist zur Berufungsbegründung versäumt habe. Ihr Prozeßbevollmächtigter habe nicht darauf vertrauen dürfen, daß die Übermittlung des Schriftstücks in ca. 8-9 Minuten abgeschlossen würde.
Soweit in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs ein Vertrauen in bestimmte Übermittlungszeiten statuiert worden sei, betreffe dies den Briefverkehr bzw. die Telexübertragung. Anders zu beurteilen sei die Telefaxübertragung. Insofern habe der Sachverständige festgestellt, daß die beteiligten Geräte im sogenannten Handshake -Verfahren kommunizierten. Dabei würden zwischen den beteiligten Geräten Herstellername und Kennung ausgetauscht und wechselseitig mitgeteilt, mit welcher Geschwindigkeit und mit welcher Auflösung gearbeitet werde, welches Übertragungsverfahren benutzt werde und ob etwa bei der Übertragung einzelner Seiten Probleme aufträten. Es werde nicht zeichenweise, sondern bildpunktweise übertragen, wobei die Qualitätskriterien einstellbar seien. Die Dauer der Übertragung einer Seite hänge wesentlich von der Art des Textstücks ab. Eine leere Seite oder eine Seite mit wenig Text werde wesentlich schneller übertragen als Grafiken, die besonders lange dauerten. Anders als beim früheren Telexdienst, wo es wegen der amtlichen Wartung eine hohe Übertragungssicherheit gegeben habe, unterlägen die Telefaxeinrichtungen dem eigenverantwortlichen Bereich der Benutzer. Die Qualität einer Daten- oder Faxübertragung im Telefonnetz sei nicht garantiert. Der Grund der Verzögerung sei später nicht mehr feststellbar. In der Übertragungsgeschwindigkeit von 4.800 bps wie hier liege per se keine Störung des Sendegerätes , sie könne auch auf eine Störung in den beteiligten Netzen oder im Empfangsgerät hinweisen, was auch umgekehrt gelte. Ein Vertrauen darauf, daß die Übertragung bis vor 0.00 Uhr beendet werden würde, sei aus technischer Sicht nicht begründet gewesen. Man wisse nie, welchen Zustand die beteiligten Geräte und die internen und externen Netze aufwiesen. Im Hinblick auf diese gutachtlichen Äußerungen ist das Be rufungsgericht der Ansicht, von einer unverschuldeten Versäumnis der Beklagten könne nicht
ausgegangen werden. Da letztlich nicht zu klären sei, warum der Übertragungsvorgang länger als die anderen Übermittlungen gedauert habe, und denkbar sei, daß geringfügige Störungen in einem der beteiligten Geräte oder der beteiligten internen Netze aufgetreten seien, habe die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, daß eine Störung außerhalb ihres Verantwortungsbereichs oder im Empfangsgerät gelegen habe. Anhaltspunkte für einen Fehler im gerichtlichen Empfangsgerät bestünden nicht. Die Sachlage unterscheide sich von der Situation im Briefverkehr, wo es Erklärungen der Post hinsichtlich einer normalerweise zu erwartenden Beförderungsdauer gebe. Die Sache sei vielmehr ähnlich dem Straßenverkehr, wo ebenfalls mit Verzögerungen zu rechnen sei, die einzukalkulieren seien.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Teilen nicht stand. 1. Zutreffend ist, daß die Berufungsbegründung verspätet erfolgt ist. Die Begründungsfrist endete mit Ablauf des 1. Oktober 2002. Sie ist nach den zutreffenden und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils am 2. Oktober 2002 0.00 Uhr beim Berufungsgericht eingegangen. Damit war die Berufungsbegründungsfrist abgelaufen, weil zu diesem Zeitpunkt der 2. Oktober 2002 begann (vgl. BGH, Beschluß vom 24. Juli 2003 – VII ZB 8/03, BauR 2003, 1924 = ZfBR 2003, 766; BFH, Beschluß vom 2. März 2000, VII B 137/99, BFH/NV 2000, 1344; vom 25. November 2003, VII R 9/03, BFH/NV 2004, 529 jeweils in Juris dokumentiert).
2. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt hat. Den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten trifft an der Versäumung der Frist kein Verschulden.
a) Ein schuldhaftes Fehlverhalten des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung liegt nicht darin, daß er erst um 23.45 Uhr mit der Versendung der Berufungsbegründungsschrift per Fax begonnen hat. Der Bürger ist berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Mai 1991 - 2 BvR 215/90, NJW 1991, 2076 m.w.N.).
b) Daß durch den verspäteten Eingang des Berufungsbegründungsschriftsatzes die Frist versäumt wurde, beruht nicht auf einem schuldhaften Fehlverhalten des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Die Gerichte dürfen daher bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung begründenden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlaßt haben muß, nicht überspannen. Wird von einem Gericht für die Zusendung fristwahrender Schriftsätze der Übermittlungsweg durch Telefax eröffnet, so dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Insbesondere hat der Nutzer mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan,
wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, daß unter normalen Umständen mit ihrem Abschluß vor 0.00 Uhr zu rechnen ist (BVerfG, Beschluß vom 1. August 1996 - 1 BvR 121/95, NJW 1996, 2857 m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2001 - V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916, vom 17. Mai 2004 – II ZB 22/03, NJW 2004, 2525). Das Berufungsgericht hat bei der Wertung des Verschuldens des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten diese Grundsätze verkannt. aa) Es beurteilt, nachdem es sich selbst erst die technischen Kenntnisse durch Einholung eines Sachverständigengutachtens verschafft hat, das Verschulden eines Rechtsanwalts nicht danach, was von diesem an Kenntnissen hinsichtlich des Übermittlungsvorgangs der Faxübertragung erwartet werden kann, sondern nach den Kenntnissen und Erfahrungen eines technischen Sachverständigen. Damit stellt es bereits bei der Beurteilung des Verschuldens verfehlte Anforderungen. bb) Es bedarf keiner Entscheidung, mit welcher Übertragungszeit ein Rechtsanwalt bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax normalerweise rechnen darf. Den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten trifft jedenfalls unter den gegebenen Umständen kein Verschulden an der Fristversäumung. Er hat ein neues Telefaxgerät benutzt, mit dem innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit eine Übertragung des Schriftsatzes jedenfalls möglich war. Er hat sich weiter davon überzeugt, daß die Verbindung zum Empfangsgerät zu einem Zeitpunkt hergestellt wurde, als sogar noch eine anderweitige Übermittlung des Schriftsatzes möglich war. Er durfte darauf vertrauen, daß die Übermittlung nicht wesentlich länger dauern würde als die bisherigen Schriftsätze an das Berufungsgericht. Insofern hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten glaubhaft gemacht, daß die Übermittlung der Berufungsschrift mit den über-
sandten Anlagen eine Zeit von ca. 30 Sekunden pro Seite gedauert hat. Er hat weiter durch Vorlage von Statusberichten belegt, daß andere Schriftstücke nur eine Übertragungszeit von ca. 14-15 Sekunden pro Seite benötigten. Bei dieser Sachlage mußte er nicht damit rechnen, daß für die Übermittlung des Berufungsbegründungsschriftsatzes nahezu 50 Sekunden pro Seite erforderlich sein würden, auch wenn mit dieser Sendedauer nach Ansicht des Sachverständigen "rein technisch" hätte gerechnet werden müssen. cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist wegen der Technik der Faxübermittlung nicht eine andere Beurteilung angebracht als bei der Übermittlung durch die Post oder der Übermittlung per Telex. Auch dort wird, was das Berufungsgericht nicht verkennt, nicht eine bestimmte Postlaufzeit oder Telexübermittlungszeit zugesichert. Für die Beurteilung maßgebend ist vielmehr, mit welcher durchschnittlichen Übermittlungszeit der Versender rechnen durfte.
Mit einer Übertragungszeit von 50 Sekunden pro Seite eines Textes mußte der Prozeßbevollmächtigte im Hinblick auf die im übrigen glaubhaft gemachten Sendezeiten nicht rechnen. Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2004 - VII ZR 320/03

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2004 - VII ZR 320/03 zitiert 2 §§.

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 8/03
vom
24. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Maßgeblich für die Zeitbestimmung, die erforderlich ist, um die Einhaltung von
prozessualen Fristen zu beurteilen, ist die gesetzliche Zeit im Sinne von §§ 1
und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung vom 25. Juli 1978 (BGBl. I 1110,
ber. 1262).

b) Zur Bedeutung des Zeitnachweises in Abrechnungen von Telekommunikationsverbindungen
der Telekom für die Ermittlung der gesetzlichen Zeit, wenn die
Zeitangabe der Abrechnung von der Zeitangabe eines gerichtlichen Telefaxgerätes
abweicht.
BGH, Beschluß vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - OLG München
LG München I
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Februar 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

1. Die Beklagte hat gegen ein Endurteil des Landgerichts M. Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 9. Dezember 2002 verlängert worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat die Berufung mit Telefax begründet. Nach seiner Behauptung ist das Fax am 9. Dezember 2002 um 23.58 Uhr beim Oberlandesgericht M. vollständig eingegangen. Zum Beleg hat er eine Abrechnung der Telekom übergeben, wonach mit der Sendung um 23:46:49 Uhr begonnen wurde und die Sendung 11:14 Minuten dauerte. Das Empfangsjournal des Oberlandesgerichts weist als Empfangsbeginn 23:53 Uhr, eine Sendedauer von 11:15 Minuten und als Ende des Ausdrucks 00:04 Uhr aus. Der Aufdruck auf der Kennung des Telefaxge-
rätes des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten weist als Sendebeginn 00:52 und als Sendeende 01:02 auf. Auf diesem Gerät war noch die Sommerzeit eingestellt. 2. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Berufung sei rechtzeitig eingegangen. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Bürokraft ihres Prozeßbevollmächtigten habe das Faxgerät ohne seine Kenntnis auf eine langsamere Datenübertragung umgestellt. Dieser habe das beim ersten Versuch, die Berufungsbegründung per Telefax zu übersenden , alsbald gemerkt, den Vorgang abgebrochen, das Gerät zurückgestellt und sodann die Berufungsbegründung vollständig übersandt. Eine eventuelle Überschreitung der Begründungsfrist sei auf das nicht autorisierte Verhalten der Bürokraft zurückzuführen und von der Beklagten bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten nicht zu vertreten.

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Die Berufung sei erst am 10. Dezember 2002 eingegangen. Das ergebe sich aus den Journalen sowohl des Faxgerätes des Oberlandesgerichts als auch des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. Die Abrechnung der Telekom könne nicht überzeugen, weil es insoweit nur auf die Sendedauer, nicht aber auf die genaue Zeiterfassung des Vorgangs ankomme. Die Zeiten der Telekom stimmten auch nicht mit der Zeitangabe eines anderen Faxgerätes des Oberlandesgerichts überein. 2. Das Berufungsgericht hat auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Der Prozeßbevollmächtigte, der die Beru-
fungsbegründung in letzter Minute abgesendet habe, hätte sich von dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Telefaxgerätes überzeugen müssen. Er hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, daß Einstellungen noch vorhanden gewesen seien, die ca. 4 bis 5 Tage zuvor vorhanden waren.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Denn es ist zu klären, welche Anforderungen an die Ermittlung der Zeit zu stellen sind, die für die Einhaltung von Fristen maßgeblich ist. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es darauf ankommt , ob der vollständige Schriftsatz am 9. Dezember 2002 eingegangen ist. Eine Übermittlung ist durch Telefax möglich. Vorausgesetzt wird allerdings, daß das Fernschreiben unmittelbar von der Fernschreibestelle des Gerichts aufgenommen wird, daß es seinem Inhalt nach den Anforderungen entspricht, die die Prozeßordnung an bestimmende Schriftsätze stellt und daß es abschließend - als Ersatz der an sich erforderlichen, technisch aber nicht möglichen Unterschrift - den Namen des Erklärenden anführt (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 5. April 2000 - GmS-OBG 1/98, BGHZ 144, 160, 164).

b) Maßgebend ist dabei, ob der Inhalt des Telefaxes vollständig bis zur abschließenden Namenskennzeichnung am 9. Dezember 2002 eingegangen ist. Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die abschließende Namenskennzeichnung durch eine Unterschrift zu erfolgen hat, kommt es nicht an. Denn die Begründung ist unterschrieben. Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob es auf den Eingang der elektronischen Signale oder den Ausdruck ankommt, stellt sich nach der Auskunft der Einlaufstelle des Oberlandesgerichts M. nicht. Danach erfolgt der Empfang der Sendung zeitgleich mit dem Ausdruck.
c) Ob ein Schriftsatz binnen einer bestimmten Frist eingegangen ist, richtet sich danach, ob er vor Beginn desjenigen Tages eingeht, der dem Fristende folgt. Dieser Tag beginnt um 00:00 Uhr. Maßgeblich ist die gesetzliche Zeit, denn im amtlichen und geschäftlichen Verkehr werden Datum und Uhrzeit nach der gesetzlichen Zeit verwendet. Die gesetzliche Zeit ist die mitteleuropäische Zeit. Diese wird von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt dargestellt und verwaltet, vgl. §§ 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung (ZeitG) vom 25. Juli 1978 (BGBl I S. 1110, ber. S. 1262).
d) Die Beklagte hat zu beweisen, daß die Berufung rechtzeitig begründet worden ist. Das Berufungsgericht hat von Amts wegen alle entscheidungserheblichen Umstände, wie sie sich aus dem Akteninhalt ergeben, zu prüfen (BGH, Urteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99, ZIP 2001, 718, 719). Dem genügt die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht. Es würdigt den Umstand , daß die Telekom in ihrer Abrechnung das Ende des Sendevorgangs mit 23:58 Uhr angegeben hat, nur unvollständig. Mangels entgegenstehender Feststellungen ist davon auszugehen, daß die Zeitangabe der Telekom auf ihrer Kundenabrechnung sich aus einer Zeit-
ermittlung ergibt, die unter regelmäßiger Abgleichung mit einem amtlichen Zeitnormal erfolgt. Die Telekom ist nach § 5 Nr. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11. Dezember 1997 (BGBl. I 2910), geändert durch die Erste Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 14. April 1999 (BGBl. I 705), verpflichtet, bei der Abrechnung die Dauer zeitabhängig tarifierter Verbindungen von Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit unter regelmäßiger Abgleichung mit einem amtlichen Zeitnormal zu ermitteln. Diese Voraussetzungen für die Abrechnung sind durch ein Qualitätssicherungssystem sicherzustellen oder einmal jährlich durch vereidigte, öffentliche bestellte Sachverständige oder vergleichbare Stellen überprüfen zu lassen, § 5 Nr. 3 TKV. Diese Regelungen gewährleisten eine möglichst genaue Zeiterfassung. Es spricht deshalb alles dafür, daß eine nach diesen Grundsätzen ermittelte Sendezeit dem amtlichen Zeitnormal entspricht. Anderweitig ermittelte Uhrzeiten haben demgegenüber geringeren Beweiswert, wenn nicht dargelegt wird, daß sie sich ebenfalls vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, daß die Uhrzeiten, auf die das Berufungsgericht zurückgreift, sich vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Insbesondere ist nicht festgestellt, daß die Uhren des Oberlandesgerichts M. in einer Weise mit dem amtlichen Zeitnormal verglichen werden, daß die von der Telekom angegebene Zeit dadurch erschüttert würde. Auch der Umstand, daß nicht nur die Uhr des Empfangsgerätes, sondern auch die eines anderen Gerätes und die Uhr des Sendegerätes andere Zeiten auswiesen als die von der Telekom angegebene Zeit, vermögen den Beweiswert der Telekomangaben nicht ohne weiteres zu erschüttern. Uhren, die sich nicht an dem amtlichen Zeitnormal orientieren, sind unzuverlässig. Das ist eine allgemeine Lebenserfahrung und zeigt sich auch daran, daß die Zeitangaben aller drei Uhren nicht übereinstimmen.
Die Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht eine Heranziehung der in der Abrechnung der Telekom genannten Zeit zurückweist, sind nicht tragfähig. Sie setzen voraus, daß die Telekom trotz der ihr auferlegten Verpflichtung in der Abrechnung eine Zeitangabe aufnimmt, die der von ihr unter Abgleichung am amtlichen Zeitnormal ermittelten Zeit nicht entspricht. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Dagegen spricht die Verfügung 168/199 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, 4101). Soweit das Berufungsgericht meint, für die Abrechnung komme es nur auf die Sendedauer, nicht aber auf die genaue Zeiterfassung an, kann ihm schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es vom Zeitpunkt der Telekommunikationsdienstleistungen abhängige Tarife gibt, so daß auch der genaue Sendebeginn wichtig ist. Im übrigen hätte die Auffassung des Berufungsgerichts nur dann Überzeugungskraft, wenn die Telekom zwar die Zeitdauer nach dem vorgeschriebenen System erfassen würde, nicht aber den Sendeanfang oder das Sendeende oder wenn die Telekom zwar die Zeit der Verordnung entsprechend erfassen würde, diese Erfassung jedoch auf der Abrechnung nicht erschiene. Beides ist so fernliegend, daß es ohne eine weitere Aufklärung nicht unterstellt werden konnte. Nach dem augenblicklichen Stand des Verfahrens besteht eine hinreichende Sicherheit, daß die Berufungsbegründung um 23:58 Uhr beim Berufungsgericht eingegangen ist. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden , so daß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird. Soweit das Berufungsgericht seine Zweifel hinsichtlich der Zeitangaben in der Abrechnung trotz der im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Auskunft aufrecht erhält, wird es eine weitere Auskunft der Telekom einzuholen haben. Außerdem erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, amtliche Auskünfte darüber einzuholen, wie die Zeitangaben auf den Telefaxgeräten des Gerichts zustande gekommen sind und ob gewährleistet ist, daß sie mit dem amtlichen Zeitnormal
übereinstimmen. Schließlich wird das Berufungsgericht den weiteren Einwendungen der Klägerin nachgehen können.

IV.

Soweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist, ist der Beschluß ebenfalls aufzuheben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist hilfsweise gestellt worden. Eine Entscheidung ergeht nur, wenn die Berufung als unzulässig verworfen wird. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß er die Auffassung des Berufungsgerichts zum Wiedereinsetzungsantrag teilt.
Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 33/00
vom
1. Februar 2001
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Februar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein
und Dr. Lemke

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Juni 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Begründungsfrist für die von der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung war am 25. April 2000 abgelaufen. Die mit Telefax übermittelte und 11 Seiten umfassende Berufungsbegründung ist ausweislich des Empfangsberichts am 26. April 2000 zwischen 0.19 und 0.23 Uhr bei Gericht eingegangen. Die in der Kopfzeile vom Faxgerät der Klägerin angegebene Sendezeit weist einen Zeitraum von 23.17 Uhr bis 23.21 Uhr am 25. April 2000 aus.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei am 25. April 2000 durch Verkehrsbehinderungen nach einem auswärtigen Termin erst spät am Abend zur
Erledigung der anstehenden Fristsachen gekommen. Dabei habe sie festgestellt , daß ihr neuwertiges Faxgerät nicht fehlerfrei arbeite. Erst ein Versuch um 23.17 Uhr habe mit der Bestätigung ordnungsgemäßer vollständiger Übersendung geendet. Nach einem gerichtlichen Hinweis, daß ihr Faxgerät möglicherweise noch nicht auf die Sommerzeit umgestellt war, hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, daß sie schon vor 22.57 Uhr die Übermittlung erfolglos versucht habe und bei ordnungsgemäß arbeitendem Faxgerät auch noch um 23.57 Uhr eine fristgerechte Übermittlung möglich gewesen wäre.
Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 10. Juli 2000 zugestellten Beschluß richtet sich die am 24. Juli 2000 eingelegte sofortige Beschwerde.

II.


Das gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht (§ 575 ZPO), weil es für die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht von einer Versäumung der Begründungsfrist (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ausgegangen. Die vollständige Berufungsbegründung ist erst am 26. April 2000 bei Gericht eingegangen. Dies ergibt sich aus dem Empfangsbericht.

2. Eine Wiedereinsetzung hat das Berufungsgericht der Klägerin versagt , weil sie nicht glaubhaft gemacht habe, daß sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§§ 233, 236 Abs. 2 ZPO). Ihre Behauptungen zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Bemühungen um die Übermittlung der Berufungsbegründung sind in der Tat widersprüchlich und finden in den Feststellungen des Empfangsberichts und des Journals keine Stütze. Eigene Belege hat die Klägerin insoweit nicht vorgelegt. Zwar hat ein Nutzer mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, daß unter normalen Umständen mit ihrem Abschluß bis 24.00 Uhr zu rechnen ist (BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858). Der Klägerin könnte daher entgegengehalten werden, daß sie bereits bei der nach sieben Seiten um 23.59 Uhr grundlos abgebrochenen Sendung von 23.57 Uhr nicht darauf vertrauen durfte, daß der gesamte Schriftsatz mit 11 Seiten noch vor 24.00 Uhr vollständig übermittelt sein würde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt nach Auskunft der Geschäftsleitung des Gerichts die durchschnittliche Übertragungszeit bei einem derartigen Schriftsatz deutlich über drei Minuten. Auch die vollständige Übertragung durch die Klägerin am 26. April 2000 benötigte rund vier Minuten.
3. Die Klägerin hat jedoch vorgetragen, sie habe am 9. Juni 2000 11 Seiten in 2 Minuten 34 Sekunden an das Oberlandesgericht gefaxt. Das Berufungsgericht ist auf diesen Vortrag nicht näher eingegangen, weil er nichts über die regelmäßig zu erwartende Dauer einer Telefaxmitteilung von 11 Seiten be-
sage. Dieser Vortrag durfte jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, könnte dies ihre Auffassung stützen, daß sie auch bei der Sendung von 23.57 Uhr noch mit einem rechtzeitigen Eingang rechnen konnte. Das Berufungsgericht wird deshalb nach Vorlage der Sendung vom 9. Juni 2000 zu klären haben, ob diese mit der hier maßgeblichen Sendung vergleichbar ist. Eine derartige Prüfung ist im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kammer-Beschl. v. 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99, MDR 2001, 48, 49) angezeigt.
Das Berufungsgericht wird daher erneut über den Wiedereinsetzungsantrag zu befinden haben.
Wenzel Tropf Schneider Klein Lemke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 22/03
vom
17. Mai 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf die unerwartet lange Dauer einer Telefaxübermittlung
gestützt, hat das Gericht die zum Vergleich vorgelegten
Sendeberichte zu würdigen (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Februar 2001 - V ZB
33/00, NJW-RR 2001, 916).

b) Ein auf einen vorübergehenden "Computer-Defekt" oder "Computer-Absturz"
gestützter Wiedereinsetzungsantrag bedarf näherer Darlegungen zur Art des
Defekts und seiner Behebung.
BGH, Beschluß vom 17. Mai 2004 - II ZB 22/03 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Mai 2004 durch
die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Münke, Dr. Strohn und Caliebe

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I. Die von dem Kläger einzuhaltende Berufungsbegründungsfrist lief am 3. März 2003 ab. Die letzte, u.a. die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des Klägers enthaltende Seite der per Fax an das Oberlandesgericht übermittelten Berufungsbegründung wurde nach den automatischen Aufzeichnungen des Empfangsgerätes, das über eine funkgesteuerte Zeitmessung verfügt, am 4. März 2003 00.01 Uhr empfangen und elektronisch abgespeichert. Die Übertragungszeit für 34 Seiten betrug nach dem Sendebericht des Klägers 17,51 Min., nach den Aufzeichnungen des Empfangsgeräts 17,55 Min., bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 9.600 Baud. Kurz darauf wurden 2 von bisher fehlenden 5 Seiten der insgesamt 39 seitigen Berufungsbegründung
nachübermittelt und von dem Empfangsgerät um 00.05 Uhr abgespeichert. Der Kläger meint, der Text der nur knapp halbseitig beschriebenen S. 39 mit der Unterschrift müsse von dem Empfangsgerät vor 00.00 Uhr empfangen worden sein. Hilfsweise hat der Kläger, der Rechtsanwalt ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu vorgetragen, er habe die Berufungsbegründung am 3. März vor 24.00 Uhr in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten selbst "(fertig-)geschrieben". Dieser habe sie nach Prüfung unterzeichnet. Sie habe wegen eines "nicht nachvollziehbaren Computerdefektes (Abstürzen der Anlage)" erst um 23.40 Uhr mit ca. 1,5 Std. Verspätung ausgedruckt werden können. Der Defekt der seit mindestens 1,5 Jahren störungsfrei arbeitenden Computeranlage sei nicht vorhersehbar gewesen. Im übrigen hätten der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter aufgrund ihrer bisherigen, durch vorgelegte Sendeberichte belegten Erfahrungen darauf vertraut, daß nicht nur ca. 2, sondern knapp 4 Seiten/Min. "durchgefaxt" werden könnten. Mit der ungewöhnlich langen Übertragungsdauer hätten sie nicht rechnen müssen. Die Richtigkeit dieses Vortrags haben beide anwaltlich versichert.
Das Berufungsgericht hat die Berufungsbegründung für verspätet erachtet und die Berufung des Klägers unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
1. Soweit das Berufungsgericht den Eingang der Berufungsbegründung für verspätet erachtet hat, wird dies von dem Beschwerdeführer nicht gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2, 3 ZPO gerügt. Eine Prüfung von Amts wegen findet insoweit in vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht statt, weil dessen Gegenstand allein die gegen den Verwerfungsbeschluß des Berufungsgerichts erhobenen Rügen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 40/03, Umdr. S. 6, 7). Im übrigen ist die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt auch nicht zu beanstanden, weil der Kläger den von ihm zu führenden Nachweis des rechtzeitigen Eingangs seiner Berufungsbegründung mit der die Unterschrift seines Prozeßbevollmächtigten enthaltenden letzten Seite nicht geführt hat und eine Störung des Empfangsgerätes oder eine im technischen Verantwortungsbereich der Empfangsstelle liegende Ungenauigkeit der Zeitmessung nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, WM 1994, 1349). Daß gemäß der vorliegenden Praxis des Oberlandesgerichts München der Zeitpunkt des nächtlichen Eingangs von Faxsendungen wegen der Verwendung eines mit Faxkarte ausgestatteten PC nicht nach demjenigen ihres Ausdrucks, sondern ihrer elektronischen Speicherung bestimmt wird und der Ausdruck regelmäßig erst am nächsten Morgen erfolgt, gereicht dem Kläger jedenfalls nicht zum Nachteil.
2. Das Berufungsgericht meint, die für die Faxübermittlung benötigte Zeit von 17,55 Min. sei für den Kläger oder dessen Prozeßbevollmächtigten vorhersehbar gewesen und ergebe daher keinen Wiedereinsetzungsgrund i.S. von § 233 ZPO. Die Sendezeit hänge von der Zahl der übermittelten Signale, d.h. der Schriftzeichen, ab. Die vorgetragene Differenz von 2 gegenüber 3 Seiten /Min. (= Minimaldifferenz) halte sich im erwartbaren Variationsbereich und sei als Sicherheitskarenz zu berücksichtigen gewesen.
Diese Begründung steht mit den im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2001 (V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916) aufgestellten Grundsätzen nicht in Einklang und verkürzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG), was die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eröffnet (vgl. BGHZ 151, 221; BGH, Beschl. v. 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Abgesehen davon, daß der Kläger eine Differenz von mehr als 1 Seite/Min. geltend gemacht hat, hätte das Berufungsgericht nach dem Beschluß vom 1. Februar 2001 aaO prüfen müssen , ob die mit dem Wiedereinsetzungsantrag und später zur Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO) vorgelegten Sendeberichte nach Art und Empfänger der Sendungen mit der hier maßgeblichen Sendung vergleichbar sind. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, worauf sich seine Annahme stützt, die vorgetragene Differenz von 2 zu ca. 3,5 Seiten/Min. (75 %) halte sich im vorhersehbaren Variationsbereich (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99, NJW 2001, 1566 f.). Dies hängt, wie bei dem erkennenden Senat gerichtsbekannt ist, nicht nur von der Anzahl der übermittelten (mit den Schriftzeichen nicht identischen) Signale, sondern auch von der zu erwartenden Übertragungsgeschwindigkeit ab. Andererseits schließt das nicht aus, daß bei der Faxübermittlung eine gewisse Zeitreserve einzukalkulieren ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. November 1999 - 2 BvR 565/98, NJW 2000, 574).
Eine eigene Sachentscheidung hierüber ist dem Senat verwehrt, weil es dazu noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf (§ 577 Abs. 4 ZPO).
3. Zugunsten des Klägers zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO) ist die Sache nicht schon im Hinblick auf den von ihm zusätzlich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund des "plötzlichen Abstürzens der Computeranlage".
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers hierzu im Ergebnis zu Recht für nicht hinreichend erachtet, um eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO zu rechtfertigen. Darin liegt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keine Divergenz gegenüber dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 4. Mai 1994 (XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097 f. zu 4). Denn dort konnte offenbleiben , ob ein entsprechender Sachvortrag ausreicht, weil er zum einen verspätet vorgebracht (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) und zum anderen nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO) war. Das Berufungsgericht vermißt zu Recht den Vortrag der näheren Umstände des angeblichen Computerdefekts. Insbesondere fehlt jeglicher Vortrag dazu, wann, wie oder bei welcher Verrichtung sich der "nicht nachvollziehbare" Computerdefekt bemerkbar machte und wie es dennoch gelang, ihn nach 1,5 Std. bis 23.40 Uhr wieder zu beheben. Unklar ist weiter, ob mit dem "Abstürzen" ein (teilweiser) Verlust des bisher geschriebenen Textes verbunden war oder z.B. schlicht die Druckerfunktion nicht in Gang gesetzt werden konnte. In diesem Zusammenhang wäre gerade auch Vortrag dazu erforderlich gewesen, ob der Kläger und/oder sein Prozeßbevollmächtigter in die Bedienung des Computers und des Druckers so eingeübt waren , daß sie diese bei ihrer nächtlichen Arbeit ohne Schreibkraft sicher bedienen konnten.
4. Nach allem hängt die Entscheidung der Sache davon ob, ob der Kläger unter den gegebenen Umständen noch mit einer fristgerechten Faxübermittlung rechnen durfte (vgl. oben 2). Zu weiterer Aufklärung dieser Frage ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Goette Kraemer Münke Strohn Caliebe