Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2013 - II ZB 23/12
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 59.564,23 €
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin hat gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde bis zum 18. Juli 2012 verlängert. Am 19. Juli 2012 ging die Berufungsbegründung, die unterhalb des Anschriftenfeldes den Vermerk: „Vorab per Telefax: 2123024“ enthält, beim Berufungsgericht ein. MitSchriftsatz vom 17. August 2012 hat die Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und zur Begründung vorgetragen:
- 2
- Am Vormittag des 17. Juli 2012 sei der Entwurf der Berufungsbegründung an die Klägerin weitergeleitet worden. Die zuständige Büroangestellte K. sei von Rechtsanwalt Dr. R. angewiesen worden, nach Freigabe durch die Mandantin die Berufungsbegründung für die Abgabe zum Gericht fertig zu machen und diese am nächsten Tag wegen seiner Abwesenheit ab dem Nachmittag des 17. Juli 2012 Rechtsanwalt Dr. A. zur Unterschrift vorzulegen, sie sodann dem Oberlandesgericht vorab per Telefax zuzusenden und zur täglich um 13.00 Uhr ausgehenden Gerichtspost zu geben. Die Klägerin habe noch am 17. Juli 2012 die Freigabe der Berufungsbegründung per E-Mail erteilt. Diese E-Mail sei von Dr. R. an die Büroangestellte K. weitergeleitet worden, mit der Bitte, die Sache wie besprochen zu erledigen. Frau K. habe die Berufungsbegründung am 18. Juli 2012 durch Rechtsanwalt Dr. A. unterzeichnen lassen. Sie habe diesem mitgeteilt, Dr. R. habe ihr die Anweisung gegeben, den Schriftsatz noch am selben Tag per Fax und sodann per Gerichtspost an das Oberlandesgericht zu senden. Dr. A. habe diese Vorgehensweise bestätigt und Frau K. angewiesen , Dr. R. nach erfolgter Erledigung über selbige in Kenntnis zu setzen. Entgegen der Anweisung habe Frau K. es unterlassen, die Berufungsbegründung per Telefax zu versenden. Sie habe die Berufungsbegründung gegen 13.30 Uhr in das hausinterne Postfach zur Gerichtspost gegeben, die für diesen Tag schon abgeholt gewesen sei. Weder Dr. R. noch Dr. A. hätten eine Information über etwaige Übermittlungsprobleme erhalten. Frau K. habe Dr. R. vielmehr die ordnungsgemäße Übermittlung des Schriftsatzes entsprechend der erteilten Weisung per E-Mail bestätigt. Frau K. habe auch der Klägerin am 18. Juli 2012 per E-Mail eine Mitteilung über die Abgabe der Berufungsbegründung zukommen lassen.
- 3
- Mit Beschluss vom 31. August 2012 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurückge- wiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde.
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- II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der angefochtene Beschluss steht in Einklang mit den in ständiger Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten.
- 5
- 1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 6
- Der verspätete Eingang der Berufungsbegründungsschrift sei auf ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen. Ordne ein Rechtsanwalt nicht die sofortige Ausführung seiner Einzelanweisung an, müsse er durch eine allgemeine Weisung oder durch einen im Einzelfall zu erteilenden Auftrag Vorkehrungen dagegen treffen, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen werde. Das sei nicht der Fall gewesen. Die per E-Mail am 18. Juli 2012 ausgesprochene Bitte des mandatsführenden Rechtsanwalts an die zuständige Büroangestellte, „die Sache wie besprochen zu erledigen“, sei hierzu nicht geeignet gewesen, weil der Inhalt der Anweisung nicht wiedergegeben werde. Ebenfalls vermöge die Bestätigung des weiteren Vorgehens durch ein anderes Mitglied der Anwaltskanzlei keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, welcher zeitliche Spielraum der zuständigen Büroangestellten nach der Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift für deren Übersendung verblieben sei.
- 7
- Im Übrigen habe die Klägerin nicht dargetan, dass im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten eine Ausgangskontrolle eingerichtet sei, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens genüge. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Maßnahmen die Kontrolle der Erledigung fristgebundener Prozesshandlungen gewährleistet sei. So fehle es bereits an einem Vorbringen dazu, dass die Erledigung der fristengebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft werde. Und selbst wenn eine solche Kontrolle, wie nicht, stattgefunden hätte, sei nicht vorgetragen, wodurch sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor der irrtümlichen Löschung der Fristen im Fristenkalender geschützt hätten. Andernfalls hätte das Versäumnis am Abend des 18. Juli 2012, mithin vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auffallen müssen.
- 8
- 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde entspricht die angefochtene Entscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist jedenfalls deshalb zu Recht versagt und die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Fristversäumung auf einer unzureichend organisierten Ausgangskontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin beruht. Dieses Organisationsverschulden ihrer Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
- 9
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, die zuverlässig gewährleistet, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweit als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden und nötigenfalls vorab per Telefax übermittelt worden ist (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 6; Beschluss vom 29. Oktober 2013 - X ZB 17/12, Rn. 11). Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung zu einer wirksamen Ausgangskontrolle nur dann nach, wenn er seinem Personal die Weisung erteilt, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Diese Ausgangskontrolle dient nicht nur dazu, Fehler bei der Übermittlung auszuschließen. Vielmehr soll damit ebenso die Feststellung ermöglicht werden, ob der Schriftsatz überhaupt übermittelt worden ist (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12 und 14; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJWRR 2013, 1008 Rn. 6; Beschluss vom 17. Juli 2013 - XII ZB 115/13, NJWRR 2013, 1328 Rn. 6). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört weiterhin eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, die sicherstellt, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders überprüft wird (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 6).
- 10
- Dem Wiedereinsetzungsvorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen , dass im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten eine solche Ausgangskontrolle , die einen gestuften Schutz gegen die Fristversäumung bietet, eingerichtet ist. Es wird nicht glaubhaft gemacht, dass eine allgemeine Anweisung besteht, die im Fristenkalender eingetragene Berufungsbegründungsfrist erst zu löschen , wenn die weitere - rechtzeitige - Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist beziehungsweise bei Übermittlung per Telefax die Kontrolle des Sendeberichts erfolgt ist. Es wird weiter nicht glaubhaft gemacht, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bei ordnungsgemäß eingerichteter Ausgangskontrolle hätte vermieden werden können, indem entweder die Frist im Fristenkalender schon nicht fälschlich gestrichen oder anderweit als erledigt gekennzeichnet worden wäre oder, sofern die Frist im Fristenkalender nicht als erledigt gekennzeichnet worden wäre, dies bei der abendlichen Ausgangskontrolle aufgefallen wäre.
- 11
- Die Rechtsbeschwerde verweist ohne Erfolg darauf, die Büroangestellte K. habe eidesstattlich versichert, sie habe „in der Akte … vermerkt, dass der Schriftsatz am 18.07.2012 ordnungsgemäß versandt worden sei.“ Ein Vermerk in der Akte, der zudem eine inhaltliche Überprüfung nicht zulässt, beseitigt die Ursächlichkeit der unzureichenden Ausgangskontrolle anhand eines Fristenkalenders nicht.
- 12
- Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt geläufig sein. Tragen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gemachten Angaben diesen Anforderungen nicht Rechnung, gibt dies keinen Hinweis auf Un- klarheiten oder Lücken des Vortrags, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; Beschluss vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 12).
- 13
- b) Die ordnungsgemäße Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten mündlichen oder schriftlichen Einzelanweisung ergeben.
- 14
- aa) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, macht daher die - im Streitfall unterstellte - Einzelanweisung, die Berufungsbegründungsschrift per Telefax und - rechtzeitig - per Gerichtspost an das zuständige Gericht zu übermitteln, die gebotene Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 12; Beschluss vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn. 13; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 8). Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die angewiesene Person ist daher auch in einem solchen Fall unter anderem anzuweisen, dass die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls beziehungsweise der rechtzeitigen Einlage in das Postausgangsfach gestrichen wird (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778 Rn. 6; Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 12; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 8).
- 15
- bb) Das Berufungsgericht ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde mit seiner Entscheidung auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen, wonach es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Ausgangskontrolle in einer Anwaltskanzlei nicht mehr ankommt , wenn der Anwalt im Einzelfall eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die im Falle ihrer Befolgung die Fristeinhaltung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 9). Der genannte Grundsatz gilt dann nicht, wenn die Einzelanweisung die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich in sie einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. Besteht die Einzelanweisung allein darin, die (sofortige) Übermittlung eines Schriftsatzes zu veranlassen, fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - XI ZB 5/06, FamRZ 2007, 720 Rn. 6; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10, NJW 2011, 458 Rn. 9 f.; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 9).
- 16
- So verhält es sich im Streitfall, wenn man unterstellt, es habe eine ordnungsgemäße konkrete Einzelanweisung vorgelegen, die Berufungsbegründungsschrift per Telefax an das Berufungsgericht zu senden und vor 13.00 Uhr in das Fach für die Gerichtspost einzulegen. Diese Einzelweisung machte eine (allgemeine) Anweisung nicht entbehrlich, Fristen im Fristenkalender erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls beziehungsweise dann mit einem Erledigungsvermerk zu versehen, wenn die fristwahrende Handlung tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, dass von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist. Dasselbe gilt für die allabendliche Kontrolle der Erledigung der fristgebundenen Sachen anhand des Fristenkalenders (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - XI ZB 5/06, FamRZ 2007, 720 Rn. 7, 9; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 8, 10). Hätte auf Grund einer Organisationsanweisung im Anwaltsbüro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine solche Ausgangskontrolle stattgefunden, wäre bei ordnungsgemäßem Verlauf der Dinge die Berufungsbegründungsfrist schon nicht als erledigt gekennzeichnet worden beziehungsweise, sofern das nicht der Fall gewesen sein sollte, spätestens am Abend des 18. Juli 2012, mithin vor Ablauf der - noch nicht als erledigt gekennzeichneten - Berufungsbegründungsfrist festgestellt worden, dass die Berufungsbegründungsschrift weder per Telefax noch sonst an diesem Tag abgesendet worden ist. Daher ist die unterbliebene Kontrolle, die das Organisationsverschulden begründet, für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist - unabhängig von der erteilten Einzelanweisung - ursächlich geworden.
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- Die nicht durch Vorlage der entsprechenden E-Mail glaubhaft gemachte Behauptung der Klägerin, die Büroangestellte K. habe die ordnungsgemäße Übermittlung der Berufungsbegründung entsprechend der erteilten Weisung gegenüber Rechtsanwalt Dr. R. mit E-Mail vom 18. Juli 2012 bestätigt, beseitigt das ursächliche Organisationsverschulden nicht. Eine solche E-Mail schützt weder vor einem versehentlichen Erledigungsvermerk im Fristenkalender noch kann sie die abendliche Ausgangskontrolle ersetzen.
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 17.04.2012 - 23 O 21/11 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.08.2012 - 19 U 83/12 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2013 - II ZB 23/12
Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2013 - II ZB 23/12
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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2013 - II ZB 23/12 zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann