Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2011 - II ZR 62/10

bei uns veröffentlicht am13.12.2011
vorgehend
Landgericht Verden (Aller), 10 O 143/08, 10.08.2009
Oberlandesgericht Celle, 9 U 91/09, 31.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 62/10
vom
13. Dezember 2011
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Dr. Strohn, die
Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart und den Richter Born

beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 31. März 2010 aufgehoben, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 300.000 €

Gründe:


1
I. Die Beschwerde der Beklagten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
2
Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
3
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 2 ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten zu 2 erkannt worden ist, zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
4
Bei seiner Entscheidung, - auch - der Beklagte zu 2 hafte dem Kläger auf Schadensersatz, hat das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten zu 2 nur unvollständig zur Kenntnis genommen und damit seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise.
5
1. Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, der Beklagte zu 2 habe "wie ein Gesellschafter" auf die Geschäftsführung der Schuldnerin und die Beschlussfassungen in den Gesellschafterversammlungen Einfluss genommen, die es aufgrund der rechtsfehlerfrei als sehr aussagekräftig bewerteten Indizien getroffen hat, übersehen, dass der Beklagte zu 2 Beweis durch Zeugnis des K. G. dafür angetreten hat, dass dieser während seiner Tätigkeit für die Beklagte zu 1 im Unternehmen der Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt den Weisungen des Beklagten zu 2 unterstanden und der Beklagte zu 2 keinerlei Einfluss auf die Tätigkeit und die Entscheidungen des Zeugen ausgeübt habe. Ohne Erhebung dieses Beweises durfte das Berufungsgericht der Klage nicht allein aufgrund der festgestellten Indiztatsache stattgeben (BGH, Urteil vom 6. April 2009 - II ZR 277/07, ZIP 2009, 1273 Rn. 7, 19; Urteil vom 19. März 2002 - XI ZR 183/01, WM 2002, 1004, 1005 f.).
6
2. Diese Verletzung des Anspruchs des Beklagten zu 2 auf rechtliches Gehör ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht nach Vernehmung des Zeugen G. zu einer anderen Bewertung der Indiztatsachen und einer Ablehnung der Haftung des Beklagten zu 2 gelangt wäre.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Born
Vorinstanzen:
LG Verden, Entscheidung vom 10.08.2009 - 10 O 143/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 31.03.2010 - 9 U 91/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2011 - II ZR 62/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2011 - II ZR 62/10

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2011 - II ZR 62/10 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2011 - II ZR 62/10 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2002 - XI ZR 183/01

bei uns veröffentlicht am 19.03.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL XI ZR 183/01 Verkündet am: 19. März 2002 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ___

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Apr. 2009 - II ZR 277/07

bei uns veröffentlicht am 06.04.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 277/07 Verkündet am: 6. April 2009 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GmbHG § 32 a i.d.F. bis 31

Referenzen

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

7
II. Das Berufungsurteil kann, soweit es angefochten ist, schon deshalb keinen Bestand haben, weil es die Feststellung der beiden Darlehensforderungen des Klägers zur Insolvenztabelle der Schuldnerin im Rang des § 38 InsO aufgrund angenommener "Indizien" für eine "Strohmanneigenschaft" der Ehefrau des Klägers ablehnt, obwohl der Kläger Gegenbeweis mit dem Zeugnis seiner Ehefrau angetreten hat. Darin liegt, wie die Revision zu Recht rügt, ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, der schon für sich genommen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem genannten Umfang nötigt, ohne dass es darauf ankommt, dass auch die Tragfähigkeit einer Reihe der von dem Berufungsgericht für seine Auffassung angeführten Indizien Zweifeln begegnet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XI ZR 183/01 Verkündet am:
19. März 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von
Indiztatsachen übergangen werden.
BGH, Versäumnis-Urteil vom 19. März 2002 - XI ZR 183/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 19. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an den 16. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Aktiengeschäfts in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Juni 1999 orderte der Rechtsanwalt Dr. B., der seine Ansprüche gegen die Beklagte inzwischen an die Klägerin abgetreten hat (im
folgenden: Zedent), bei der Beklagten insgesamt 30.000 frei handelbare Inhaberaktien der amerikanischen S. Inc. zum Stückpreis von 4,02 DM. Nach Zahlung des Gesamtbetrages von 120.600 DM erhielt er eine auf ihn ausgestellte Urkunde über 30.000 Namensaktien aus einer nur beschränkt handelbaren Regulation-S-Emission des genannten Unternehmens. Daraus entwickelte sich ein Schriftwechsel, in dem der Zedent der Beklagten Täuschung beim Abschluß der Verträge vorwarf und Schadensersatzforderungen ankündigte.
Im August 1999 räumte die Beklagte ein, daß die Lieferung der Regulation-S-Aktien auf einem Fehler beruhte, und erklärte sich bereit, dem Zedenten im Austausch gegen die genannte Urkunde 30.000 frei handelbare S.-Aktien zur Verfügung zu stellen. Darauf reichte der Zedent die Urkunde an die Beklagte zurück. Diese nahm jedoch ein erneutes Schreiben des Klägers mit schweren Vorwürfen gegen sie zum Anlaß, die verabredete Lieferung der 30.000 frei handelbaren Aktien zu verweigern, und zahlte dem Zedenten den Kaufpreis von 120.600 DM zuzüglich 773,16 DM Zinsen zurück. Der Zedent setzte der Beklagten eine Nachfrist bis zum 26. August 1999, 14 Uhr, für die Lieferung der Aktien, die die Beklagte jedoch verstreichen ließ.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten 79.231,44 DM nebst Zinsen. Diese Forderung stützt sie in erster Linie - unter Anrechnung des an den Zedenten zurückgeflossenen Kaufpreises nebst Zinsen - auf die Behauptung, daß der Zedent am 26. August 1999 und in den folgenden zweieinhalb Wochen insgesamt 200.604,60 DM hätte aufwenden müssen , wenn er die von der Beklagten geschuldeten Aktien anderweitig erworben hätte. Hilfsweise macht die Klägerin ihre Forderung als entgangenen Gewinn geltend und behauptet, der Zedent habe die Aktien wegen des zwischenzeitlichen Kursanstiegs schnellstmöglich verkaufen
wollen und hätte dabei im Falle ordnungsgemäûer Vertragserfüllung durch die Beklagte den oben genannten Betrag realisieren können.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war, war über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beklagte habe zwar mit der Verweigerung der Lieferung der Inhaberaktien gegen ihre Vertragspflichten verstoûen, weil etwaige unberechtigte Vorwürfe und unbegründete Forderungen des Zedenten ihr kein Recht verschafft hätten, sich einseitig von den getroffenen Verein-
barungen zu lösen. Gleichwohl bestehe kein Schadensersatzanspruch, weil die Klägerin einen ersatzfähigen Schaden nicht dargetan habe.
Die von der Klägerin in erster Linie vertretene Schadensberechnung auf der Grundlage eines hypothetischen Deckungskaufs sei bereits im Ansatz verfehlt. Die Klägerin könne den Schaden nur konkret berechnen und lediglich die tatsächlich erlittenen Vermögenseinbuûen liquidieren. Die Kosten eines Deckungskaufs seien daher nur dann maûgeblich, wenn er tatsächlich durchgeführt worden sei.
Dem hilfsweise geltend gemachten entgangenen Gewinn liege zwar eine konkrete Schadensberechnung zugrunde. Die Darstellung der Klägerin, der Zedent habe die Aktien schnellstmöglich veräuûern wollen und hätte dabei im Zeitraum vom 26. August bis 13. September 1999 einen Überschuû in Höhe der Klageforderung erzielt, werde jedoch durch das vorgerichtliche Verhalten des Zedenten und das eigene Vorgehen der Klägerin im Rechtsstreit widerlegt. Ihren Beweisantritten zu der nicht nachvollziehbaren, unschlüssigen und bereits widerlegten Behauptung einer alsbaldigen Aktienveräuûerung sei daher nicht nachzugehen.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daû die Beklagte mit ihrer Weigerung, die Inhaberaktien zu liefern , ihre Vertragspflichten gegenüber dem Zedenten verletzt hat
(§ 326 Abs. 1 BGB a.F.). Sollten die Vorwürfe und Forderungen, die der Zedent gegenüber der Beklagten erhoben hatte, unberechtigt und unbegründet gewesen sein, so stand es der Beklagten frei, sie zurückzuweisen. Ein Recht der Beklagten zur einseitigen Lösung von den seitens des Zedenten bereits voll erfüllten Vereinbarungen konnten diese Vorgänge jedoch nicht begründen, weil ein Kauf- oder Vermittlungsvertrag über Aktien kein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzt, dessen Erschütterung die Durchführung des Geschäfts unzumutbar erscheinen lassen könnte.
2. Dem Berufungsgericht ist auch insoweit zuzustimmen, als es eine Schadensermittlung auf der Grundlage eines für Ende August/Anfang September 1999 fingierten Deckungskaufs abgelehnt hat. Da ein solcher Deckungskauf unstreitig nicht durchgeführt wurde, sind dem Zedenten die geltend gemachten Aufwendungen nicht entstanden. Sie können daher nicht als Schadensersatz geltend gemacht werden.
3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn verneint hat, ist dagegen , wie die Revision mit Recht rügt, von Rechtsfehlern beeinfluût. Das Gericht hätte der Klägerin diesen Anspruch nicht versagen dürfen, ohne den angebotenen Zeugenbeweis für die Absicht des Zedenten, die fraglichen Aktien im Falle ihrer Lieferung durch die Beklagte schnellstmöglich zu verkaufen, erhoben und gewürdigt zu haben.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin vorgetragen, der Zedent habe die von der Beklagten zu Unrecht nicht gelieferten Aktien schnellstmöglich veräuûern wollen und hätte dabei im Zeitraum vom 26. August bis 13. September 1999 einen Überschuû in Höhe der Klageforderung erzielt. Dieser Vortrag ist entgegen
der Ansicht des Berufungsgerichts schlüssig, weil er, wenn er der Wahrheit entspricht, geeignet ist, den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu begründen. Davon, daû die Behauptung der Klägerin über die Veräuûerungsabsicht des Zedenten, wie das Berufungsgericht meint, nicht nachvollziehbar wäre, kann keine Rede sein.

b) Die Indizien gegen eine Absicht des Zedenten zur kurzfristigen Aktienveräuûerung, die das Berufungsgericht dem vorprozessualen Verhalten des Zedenten sowie dem Prozeûvortrag der Klägerin entnehmen zu können glaubt, stehen dem nicht entgegen.
In diesem Zusammenhang bedarf es keiner ins einzelne gehenden Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zum vorprozessualen Verhalten des Zedenten. Diese Ausführungen können allenfalls Zweifel am Wahrheitsgehalt der Behauptung der Klägerin über die Verkaufsabsicht des Zedenten begründen, nicht dagegen die Schlüssigkeit der Behauptung oder ihre Nachvollziehbarkeit in Frage stellen. Der Senat beschränkt sich daher auf den Hinweis, daû das Schreiben des Zedenten vom 24. August 1999, in dem er ausdrücklich die Lieferung der Inhaberaktien und nur alternativ deren aktuellen Kurswert verlangt hat, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht gegen die Absicht des Zedenten spricht, die Aktien im Falle der Lieferung sogleich wieder zu veräuûern. Der Inhalt des Schreibens erklärt sich vielmehr zwanglos aus dem Umstand, daû der vertragliche Anspruch des Zedenten auf Aktienlieferung gerichtet war und eine Geldzahlung daher nur als der Gegenseite zur Wahl zu stellende Alternative in Betracht kam.
Auch der Prozeûvortrag der Klägerin macht ihre Behauptung über die Absicht des Zedenten zur alsbaldigen Veräuûerung der Aktien im
Falle der Lieferung durch die Beklagte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts weder unschlüssig noch nicht nachvollziehbar. Daû die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch in erster Linie auf einen hypothetischen Deckungskauf gestützt hat, von dem sie jedoch nicht behauptet hat, daû er tatsächlich beabsichtigt gewesen sei, läût nur auf eine unrichtige Rechtsansicht schlieûen, enthält aber keinen Widerspruch zu ihrer Tatsachenbehauptung über die Veräuûerungsabsicht des Zedenten. Der Vortrag der Klägerin über die mittel- und langfristigen Erwartungen, die der Zedent mit dem Kauf der streitgegenständlichen Aktien ursprünglich verknüpft haben soll, steht nicht in unüberbrückbarem Widerspruch zu der für einen späteren Zeitpunkt behaupteten kurzfristigen Verkaufsabsicht, weil es nicht ungewöhnlich ist, daû Anleger längerfristig geplante Aktienengagements später unter dem Eindruck aktueller Kurssteigerungen kurzfristig mit Gewinn beenden. Schlieûlich entnimmt das Berufungsgericht den wiederholten Behauptungen der Klägerin darüber, zu welchen Konditionen der Zedent die Aktien zum fraglichen Zeitpunkt hätte "verkaufen können", zu Unrecht einen Hinweis darauf, daû es an einer tatsächlichen Verkaufsabsicht gefehlt habe. Da ein Verkauf der von der Beklagten nicht gelieferten Aktien nicht stattgefunden hat, konnte die Klägerin von vornherein nur dazu vortragen, was der Zedent im Falle vertragstreuen Verhaltens der Beklagten hätte tun können.

c) Der Umstand, daû das Berufungsgericht die Behauptung der Klägerin über die Absicht des Zedenten zur alsbaldigen Aktienveräuûerung als "bereits widerlegt" angesehen hat, vermag die Nichterhebung der angebotenen Beweise ebenfalls nicht zu rechtfertigen.
Es spricht viel dafür, daû die genannte Ansicht des Berufungsgerichts aus den gleichen - oben dargelegten - Gründen, aus denen seine
Einschätzung des Vortrags der Klägerin als unschlüssig und nicht nachvollziehbar sich als unzutreffend erweist, auf denkfehlerhaften Erwägungen beruht und schon deshalb den Angriffen der Revision nicht standhält. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an; denn auf keinen Fall durfte das Berufungsgericht die Erhebung der von der Klägerin für ihre Behauptung angetretenen Beweise mit der Begründung ablehnen, das Gegenteil sei bereits erwiesen. Die Ablehnung einer Beweisaufnahme mit dieser Begründung ist eine verbotene vorweggenommene Würdigung des nicht erhobenen Beweises (BGHZ 53, 245, 260 m.w.Nachw.).
Daran ändert es nichts, daû die Frage der Veräuûerungsabsicht des Zedenten den Ursachenzusammenhang zwischen der Verletzung von Vertragspflichten der Beklagten und dem Eintritt eines daraus möglicherweise entstandenen Schadens und damit die sogenannte haftungsausfüllende Kausalität betrifft. Für deren Nachweis gilt zwar § 287 ZPO, der den Tatrichter freier stellt als die Regelvorschrift des § 286 ZPO (BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 53/99, WM 2000, 1351, 1352 m.w.Nachw.) und damit auch § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO, der die Bindung des Richters an Beweisanträge lockert und die Durchführung einer beantragten Beweisaufnahme grundsätzlich in sein Ermessen stellt. Es würde jedoch dem Sinn und Zweck des § 287 ZPO, der dem von einer rechtswidrigen Handlung Betroffenen die Darlegung und den Nachweis seines Schadens erleichtern soll (BGH, Urteile vom 23. Oktober 1991 - XII ZR 144/90, WM 1992, 36, 37; vom 2. Juli 1992 - IX ZR 256/91, WM 1992, 2020, 2022; vom 5. November 1992 - IX ZR 12/92, WM 1993, 382; vom 28. September 1995 - IX ZR 158/94, WM 1995, 2075, 2079; vom 30. März 2000 - IX ZR 53/99, WM 2000, 1351, 1352) zuwiderlaufen, wenn die Vorschrift dazu dienen könnte,
dem Betroffenen einen Nachweis seines Schadens abzuschneiden, der ihm nach allgemeinen Regeln offenstünde.

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch gemacht.
Nobbe Siol Bungeroth
Joeres Mayen