Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - IV ZB 11/05

bei uns veröffentlicht am21.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 11/05
vom
21. September 2005
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 21. September 2005

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2005 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Wert: 72.808,40 € (Feststellungsabschlag von 20%)

Gründe:


I. Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass b ei ihm bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist, und die Beklagte auf Zahlung rückständiger Versicherungsleistungen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger durch seine zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte rechtzeitig Berufung eingelegt; der Ablauf der Frist zur Begründung des Rechtsmittels wurde in deren Büro - richtig - auf den 6. Dezember 2004 notiert. Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten verlängerte der Vorsitzende des Berufungssenats die Frist zur Berufungsbegründung "auf insgesamt zwei Mo-

nate und vier Wochen"; sie endete nunmehr am 3. Januar 2005. Wegen Erkrankung ihrer Bürovorsteherin beauftragte die Prozessbevollmächtigte mit der Eintragung der neuen Frist eine Auszubildende im zweiten Lehrjahr. Diese löschte die bisherige Frist und trug den Ablauf der verlängerten Frist versehentlich auf den 10. Januar 2005 und die Vorfrist auf den 3. Januar 2005 ein. Vor Antritt ihres bis zum 4. Januar 2005 dauernden Weihnachtsurlaubs besprach die Prozessbevollmächtigte die anstehenden Fristen mit der Bürovorsteherin und ließ die auf den 3. Januar 2005 vermerkte Vorfrist im Kalender streichen, weil die Berufungsbegründung zum damaligen Zeitpunkt im Wesentlichen vorbereitet war. Nach Urlaubsrückkehr reichte die Prozessbevollmächtigte die Berufungsbegründung mit Datum vom 7. Januar 2005 bei Gericht ein. Aufgrund eines Hinweises des Vorsitzenden vom 28. Januar 2005, es sei beabsichtigt, das Rechtsmittel wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, beantragte die Prozessbevollmächtigte mit einem am 8. Februar 2005 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Bei ihrer Auszubildenden handele es sich um eine zuverlässige Mitarbeiterin, die - stichprobenartig überprüft - regelmäßig mit der Berechnung und Eintragung von Fristen betraut sei, ohne dass ihr bis dahin ein Fehler unterlaufen sei.
Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel als unzu lässig verworfen und dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung versagt. Das ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten liege jedenfalls darin, dass diese die auf den 3. Januar 2005 eingetragene Vorfrist im Hinblick auf ihre Urlaubsabwesenheit habe streichen lassen. Der Sinn einer Vorfrist bestehe darin, die Einhaltung

der Hauptfrist zu sichern; bei Vorlage der Akten sei der Rechtsanwalt zur eigenverantwortlichen Fristenprüfung aufgefordert. Erst recht gelte dies, wenn zuvor eine Auszubildende mit der Notierung der Frist beauftragt worden sei. Hätte die Prozessbevollmächtigte vor Urlaubsantritt die Frist zum Zwecke der Eintragung einer geänderten Vorfrist geprüft, wäre ihr die unrichtige Berechnung der Frist zur Berufungsbegründung aufgefallen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbesch werde. Das Berufungsgericht habe die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts bei der Notierung und Streichung von Fristen verkannt. Der gebotene Kontrollaufwand sei gegenüber einer Bürovorsteherin und einer Auszubildenden gleich hoch, weil es sich in der Praxis eines Anwaltsbüros gar nicht vermeiden lasse, dass auch ein Auszubildender Fristen notiere. Habe sich dieser in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen, dürfe sich der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit der Fristeneintragung verlassen. Die Beibehaltung der Vorfrist sei entbehrlich gewesen, weil der fristgebundene Schriftsatz im Wesentlichen fertig gestellt gewesen sei. Die Vorfrist sei nicht Selbstzweck, sondern diene allein dazu, den Rechtsanwalt auf die anstehende - hier bereits vorbereitete - Prozesshandlung hinzuweisen.
II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (Nr. 1), noch erfordert die

Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (Nr. 2).
Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung war dem Kläger schon deshalb zu versagen, weil er die dafür vorgesehene Wiedereinsetzungsfrist nicht gewahrt hat. Die damit verbundenen Rechtsfragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt; auf weiteres kommt es nicht an.
1. Die Wiedereinsetzung muss innerhalb eines Monat s beantragt werden, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dabei beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts der Fall. Vielmehr ist das Hindernis behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist (BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1988 - III ZB 40/87 - BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Fristbeginn 1; vom 31. Januar 1990 - VIII ZB 44/89 - VersR 1990, 543 unter 1 a; vom 18. Oktober 2000 - XII ZB 163/00 - FamRZ 2001, 416 unter II 1 a; vom 16. September 2003 - X ZR 37/03 - BGH-Report 2004, 57 unter II 2 a). Die Frist zur Wiedereinsetzung läuft daher ab dem Zeitpunkt , zu dem der beauftragte Rechtsanwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können (BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1988 aaO; vom 31. Januar 1990 aaO). Das war bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers spätestens am 7. Januar 2005 der Fall. Die Frist zur Wiedereinsetzung endete somit am 7. Februar 2005; der die Wieder-

einsetzung beantragende Schriftsatz ist erst am 8. Februar 2005 - verspätet - bei Gericht eingegangen.
2. Ein Rechtsanwalt muss bei fristwahrenden Prozes shandlungen selbständig und in eigener Verantwortung prüfen, ob die betreffende Frist richtig ermittelt und eingetragen ist. Anlass dazu besteht jedenfalls dann, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt wird. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Urlaubsrückkehr geschehen , als sie ausweislich des Schriftsatzdatums der Berufungsbegründung die bereits zuvor im Wesentlichen entworfene Rechtsmittelbegründung am 7. Januar 2005 erneut bearbeitete. Sie hätte spätestens bei dieser Gelegenheit die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die beabsichtigte Prozesshandlung klären müssen; diese Aufgabe konnte sie - da über alltägliche, routinemäßige Büroarbeiten hinausgehend - nicht ihrem Personal übertragen (BGH, Beschlüsse vom 12. November 1986 - IVb ZB 93/86 - VersR 1987, 463; vom 14. Juli 1988 aaO; vom 31. Januar 1990 aaO unter 1 b; vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91 - VersR 1992, 1153; vom 16. September 2003 aaO unter II 2 b). Sie durfte sich daher nicht darauf verlassen, dass ihr Personal das Fristende richtig ermittelt und festgehalten hatte.
Hinzu treten die Umstände des Einzelfalles: Die Pr ozessbevollmächtigte hatte die Eintragung einer nicht auf einen bestimmten Tag, sondern auf "insgesamt zwei Monate und vier Wochen" verlängerten Frist einer Auszubildenden übertragen; eine spätere Kontrolle durch die Bürovorsteherin oder die Prozessbevollmächtigte selbst hat nicht stattgefunden. Die von der Auszubildenden - gleichfalls unrichtig - eingetragene

Vorfrist hatte die Prozessbevollmächtigte streichen lassen, ohne eine neue Vorfrist einzutragen oder sich zumindest zu vergewissern, dass die notierte Hauptfrist richtig berechnet war. Bei Vorlage der Akte bestand deshalb für die Prozessbevollmächtigte in besonderem Maße Veranlassung , die Berechnung und Eintragung der Hauptfrist - erstmals - auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Bei pflichtgemäßer Fristenkontrolle wäre ihr sodann aufgefallen, dass die Frist zur Berufungsbegründung bereits verstrichen war. Da sie die Fristenkontrolle - wie schon zuvor - unterlassen hat, war die Ursache für die Verhinderung spätestens seit dem 7. Januar 2005 nicht mehr unverschuldet.
3. Gründe, dem Kläger wegen Versäumung der Frist d es § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO), sind nicht gegeben.
Terno Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - IV ZB 11/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - IV ZB 11/05

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - IV ZB 11/05 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - IV ZB 11/05 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - IV ZB 11/05 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2003 - X ZR 37/03

bei uns veröffentlicht am 16.09.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 37/03 vom 16. September 2003 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Verspätete Berufungsbegründung ZPO § 234 Abs. 1 und 2 A, B Wird Unkenntnis vom wahren Zeitpunkt der Berufun

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Okt. 2000 - XII ZB 163/00

bei uns veröffentlicht am 18.10.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 163/00 vom 18. Oktober 2000 in der Familiensache Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Pro

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 163/00
vom
18. Oktober 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne,
Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Der Antrag der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2000 wird zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde gegen den genannten Beschluß wird auf Kosten der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz als unzulässig verworfen. Wert: 1.000 DM.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil unter anderem den Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu Lasten des Antragstellers durchgeführt und dabei bei der Dynamisierung betrieblicher Versorgungsanwartschaften Ersatzwerte für die Barwertverordnung (nach Glockner/Gutdeutsch FamRZ
2000, 270) herangezogen. Hiergegen hat die Landesversicherungsanstalt Niederbayern -Oberpfalz (LVA) als weitere Beteiligte Beschwerde eingelegt. Diese ist durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 zurückgewiesen worden. Der Beschluß ist der LVA am 7. Juli 2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4. August 2000, adressiert an das Oberlandesgericht München, hat die LVA gegen den genannten Beschluß weitere Beschwerde eingelegt, die am 8. August 2000 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist. Durch Verfügung vom 18. August 2000 (abgegangen am 21. August 2000) hat der Vorsitzende des Beschwerdesenats beim Oberlandesgericht die LVA darauf hingewiesen , daß die Beschwerdeschrift den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 8. August 2000 trage, so daß sich die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels stelle; außerdem sei die - zugelassene - weitere Beschwerde gemäß § 621e Abs. 3 ZPO beim Bundesgerichtshof einzulegen; die Frist hierfür dürfte abgelaufen sein. Am 5. September 2000 hat die LVA beim Oberlandesgericht eine Begründung der weiteren Beschwerde eingereicht. Daraufhin hat das Oberlandesgericht den Vorgang dem Bundesgerichtshof vorgelegt, bei dem er am 8. September 2000 eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 20. September 2000, per Telefax an diesem Tag eingegangen, hat die LVA unter Beifügung der Beschwerdebegründung bei dem Bundesgerichtshof "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO" beantragt und zur Begründung dieses Antrags ausgeführt: Sie habe mit Schreiben vom 4. August 2000 gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 weitere Beschwerde eingelegt. Aufgrund von durch Urlaubsund Krankheitszeiten bedingten personellen Engpässen in der Registratur sei das Schreiben des Oberlandesgerichts vom 21. August 2000 - welches die Mitteilung enthalte, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 dort am 8. August 2000 eingegangen sei - erst jetzt zur Akte und in die Sachbearbei-
tung gelangt. Das Schreiben vom 4. August 2000 sei noch am selben Tag zum Expedieren gegeben worden mit dem beigefügten Hinweis, daß als Adressat der Bundesgerichtshof anstelle des Oberlandesgerichts anzugeben sei. Diese Verfahrensweise sei üblich und habe bislang nie zu Problemen geführt. Es sei davon auszugehen gewesen, daß der Brief mit neuer Adresse noch am 4. August 2000 abgesandt werden und somit noch vor Fristende am 7. August 2000 sein Ziel erreichen würde. Aus welchen Gründen im konkreten Fall Schwierigkeiten aufgetaucht seien, lasse sich im Hinblick auf die Vielzahl von Schriftstücken, die in einer Massenverwaltung wie der LVA täglich zu bearbeiten und zu versenden seien, nicht klären.

II.

1. Die Voraussetzungen für eine Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 sind nicht erfüllt.
a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Es ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Zu der Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt wird (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 - XII ZB 51/91 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 5
m.w.N.). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten ist, was hier nicht der Fall ist. Das Hindernis, nach dessen Behebung die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen begann, bestand im vorliegenden Fall in der Unkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der LVA davon, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 erst am 8. August 2000 (Dienstag) und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 7. August 2000 und darüber hinaus - entgegen dem nach der Behauptung der LVA erteilten Hinweis beim Expedieren - nicht mit neuer Anschrift an den Bundesgerichtshof versehen worden, sondern gemäß der in dem Schreiben enthaltenen Adresse bei dem Oberlandesgericht als unzuständigem Gericht eingegangen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , auch des Senats, ist ein Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO behoben, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1988 - III ZB 40/87 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Fristbeginn 1, und vom 12. Oktober 1989 - I ZB 3/89 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 1, jeweils m.w.N.). Das war hier jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Fall, als der zuständige Sachbearbeiter der LVA bei Anwendung der unter den gebotenen Umständen von der LVA - als zur Einlegung und Durchführung der weiteren Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts befugten Rechtsmittelführerin (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 n.F. ZPO) - zu erwartenden Sorgfalt von der Verfügung des Oberlandesgerichts vom 18./21. August 2000 hätte Kenntnis nehmen können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1989 aaO; vom 24. Oktober 1996 - VII ZB 25/96 und vom 15. Oktober 1997 - IV ZB 15/97 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 8 und 10, jeweils m.N.).
Hierzu enthält das Wiedereinsetzungsgesuch keinen - ausreichenden - Sachvortrag. Der Hinweis auf urlaubs- und krankheitsbedingte Engpässe in der Registratur genügt den Anforderungen des § 234 Abs. 2 ZPO nicht und rechtfertigt nicht die Annahme, daß bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt der zuständige Sachbearbeiter nicht vor dem 6. September 2000 (d.h. zwei Wochen vor Eingang des Wiedereinsetzungsantrags am 20. September 2000) Kenntnis von dem Hinweis auf die Versäumung der Frist des § 621 e Abs. 3 ZPO hätte nehmen können. Bei Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeit von München nach Landshut ist die am 21. August 2000 hinausgegangene Verfügung des Senatsvorsitzenden wenige Tage später bei der LVA eingegangen und damit in deren Verantwortungsbereich gelangt. Hier gebot die erforderliche Sorgfalt im Hinblick auf die Fristwahrung in gerichtlichen Verfahren die Schaffung und Überprüfung organisatorischer Maßnahmen, durch welche sichergestellt wurde , daß Schriftstücke, die ein gerichtliches Verfahren betrafen, nach ihrem Eingang in der Registratur ohne Verzug dem zuständigen Bearbeiter vorgelegt wurden. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sind keine Angaben dazu zu entnehmen , daß derartige organisatorische Maßnahmen und Anordnungen bei der LVA getroffen seien, und gegebenenfalls aus welchem Grund die Verfügung vom 18./21. August 2000 gleichwohl nach ihrem Eingang in der Registratur "erst jetzt" (20. September 2000), das heißt nach mehreren Wochen, zur Akte und in die Sachbearbeitung gelangte.
b) Unter den dargelegten Umständen bedarf es keiner näheren Ausführungen dazu, daß das Wiedereinsetzungsgesuch im übrigen auch unbegründet wäre, weil nach seinem weiteren Inhalt auch ein Verschulden der LVA an der Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht ausgeräumt ist. Weder genügen die Angaben zum Zeitpunkt der Absendung der Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 den insoweit nach § 233 ZPO zu stellen-
den Anforderungen, noch vermag der beim "Expedieren beigefügte Hinweis" auf die Notwendigkeit einer Ä nderung der Anschrift und Bezeichnung des Bundesgerichtshofs als des richtigen Rechtsmittelgerichts ein Verschulden des zuständigen Sachbearbeiters der LVA auszuräumen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Mai 1990 - XII ZB 17/90 = BGHR ZPO § 233, Büropersonal 3, vom 14. November 1990 - XII ZB 141/90 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 4 unter 2). Dieser mußte vielmehr vor der Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift dafür Sorge tragen, daß diese an das richtige Gericht adressiert war (vgl. BGH, Beschlüsse aaO). 2. Die am 5. September 2000 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene weitere Beschwerde gegen den der LVA am 7. Juli 2000 zugestellten Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 621e Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 516 ZPO eingelegt worden - und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist aus den dargelegten Gründen zu versagen - ist. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 37/03
vom
16. September 2003
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verspätete Berufungsbegründung
Wird Unkenntnis vom wahren Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltend gemacht
, muß zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist
innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dargelegt werden, warum nicht bereits vor
dem Zugang der gerichtlichen Mitteilung über den Zeitpunkt der Berufungseinlegung
der wahre Zeitpunkt hätte erkannt werden können.
BGH, Beschluß vom 16. September 2003 - X ZR 37/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck
und Asendorf
am 16. September 2003

beschlossen:
Die Berufung gegen das am 16. Januar 2003 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:


I. Die beklagte Patentinhaberin hat gegen das am 16. Januar 2003 verkündete und ihrem prozeßbevollmächtigten Patentanwalt am 3. März 2003 zugestellte Urteil des Bundespatentgerichts in einer Patentnichtigkeitssache am 31. März 2003 Berufung beim Bundesgerichtshof eingelegt. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2003 hat sie "zu unserer am 31. März 2003 eingelegten Berufung ... gebeten , die Frist zur Einreichung einer Begründung um 14 Tage zu verlängern". Am 8. Mai 2003 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 erhalten, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei.

Mit an diesem Tage beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 21. Mai 2003 hat die Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinset- zung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Rechtfertigung dieses Antrags hat die Beklagte dabei geltend gemacht, die bei ihrem Prozeßbevollmächtigten mit der Berechnung und Überwachung von Fristen betraute, stichprobenartig überprüfte und bisher zuverlässige Kanzleiangestellte M. habe die Berufungsbegründungsfrist mit zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils berechnet und notiert, obwohl sie von allen Gesetzesänderungen, die Auswirkungen auf die Fristenberechnung hätten, unverzüglich in Kenntnis gesetzt worden sei. In einem Schriftsatz vom 10. Juni 2003 hat die Beklagte dann noch ergänzend geltend gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter sei bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes vom 5. Mai 2003 davon ausgegangen und habe davon ausgehen dürfen, daß die Berufungsschrift vom 31. März 2003 erst am 3. April 2003 per Fax an den Bundesgerichtshof gesendet worden sei, weil fristwahrende Schriftstücke in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten generell erst am letzten Tag der zu beachtenden Frist herausgingen.
II. Die Berufung ist unzulässig und deshalb gemäß § 113 Abs. 1 PatG zu verwerfen.
1. Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 PatG war die Berufung in einer Frist von einem Monat zu begründen, die mit der Einlegung der Berufung, also am 31. März 2003 begann. Innerhalb dieser Frist ist eine Berufungsbegründung nicht erfolgt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist erst am 21. Mai 2003 beim Bundesgerichtshof eingegangen.
2. Der Beklagten darf wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Auch die Antragsfrist für die Wiedereinsetzung ist nicht gewahrt.

a) Im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen muß das Wiedereinsetzungsgesuch in entsprechender Anwendung von § 234 Abs. 1 und 2 ZPO (Sen.Urt. v. 31.05.2000 - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus ) bei dem Bundesgerichtshof innerhalb einer Frist von zwei Wochen angebracht werden, die mit dem Tage beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, das der rechtzeitigen Begründung der Berufung entgegenstand. Der Antrag muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung). Hierzu gehört auch der Sachvortrag, aus dem sich entnehmen läßt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses gestellt ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416 m.w.N.). Da nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Sen.Beschl. v. 12.06.2001 - X ZB 14/01, BGHReport 2001, 982) die Nachholung von die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Angaben oder ein Nachschieben neuer Begründung nach Ablauf der Frist grundsätzlich nicht möglich ist, steht auch hierzu - wenn es sich nicht um bloße Ergänzungen ergänzungsbedürftiger Angaben handelt - nur die Frist von zwei Wochen zur Verfügung.
Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 21. Mai 2003 nicht.
Ursache der Verhinderung der Beklagten, die Berufung rechtzeitig zu begründen, war im Streitfall - wie die Beklagte geltend macht - ihre Unkenntnis, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat ab diesem Zeitpunkt beträgt. Der Sachvortrag
der Beklagten im Schriftsatz vom 21. Mai 2003 befaßt sich demgegenüber vor- nehmlich im Hinblick auf die Voraussetzung des § 233 ZPO, daß eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten , mit der Frage, warum es zu dieser Unkenntnis gekommen ist. Zu dem für die Fristberechnung maßgeblichen Wegfall der Verhinderung heißt es dort nur, durch den am 8. Mai 2003 eingegangenen Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2003 sei man von dem Fristversäumnis in Kenntnis gesetzt worden. Das allein vermag die Wahrung der Frist jedoch nicht darzutun. Denn ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; ein Hindernis ist im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416; Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592 m.w.N.). Das hätte im Streitfall ein Eingehen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist darauf erforderlich gemacht, warum die Beklagte nicht bereits vor dem Zugang der Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 hätte erkennen können, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat beträgt. Hiermit befaßt sich jedoch erst der ergänzende Schriftsatz vom 10. Juni 2003.

b) Aber auch dann, wenn man die dortigen Angaben der Beklagten mitberücksichtigt , verbleibt es bei der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs.
Nach ständiger Rechtsprechung muß ein Rechtsanwalt bei fristwahrenden Prozeßhandlungen selbständig und eigenverantwortlich überprüfen, ob die betreffende Frist richtig ermittelt und eingetragen ist (z.B. BGH, Beschl. v. 05.03.2002 - VI ZR 286/01, MDR 2002, 841; Urt. v. 04.05.2001 - V ZR 434/00, NJW 2001, 2336). Zu diesen Prozeßhandlungen gehört auch der Antrag auf
Verlängerung der betreffenden Frist. An einen Patentanwalt, der in einem Nichtigkeitsberufungsverfahren als Prozeßbevollmächtigter auftritt, sind dieselben Anforderungen zu stellen (Sen.Beschl. v. 19.12.2000 - X ZR 128/00, GRUR 2001, 411 - Wiedereinsetzung V). Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hätte sich mithin bei der Unterzeichnung des Verlängerungsantrags vom 5. Mai 2003 nicht auf eine geübte Praxis verlassen dürfen, daß Fristen bis zum letzten Tag genutzt worden sind, sondern selbst überprüfen müssen, wann die Berufung eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist ablief.
Danach hätte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bereits am 5. Mai 2003 erkennen müssen, daß die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Das muß sich die Beklagte zurechnen lassen (Senat aaO). Innerhalb der damit ab dem 5. Mai 2003 laufenden Zwei-Wochen-Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist jedoch nicht gestellt worden.
3. Angesichts dieser Umstände kommt auch eine Wiedereinsetzung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO nicht in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.