Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2003 - X ZR 37/03

bei uns veröffentlicht am16.09.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 37/03
vom
16. September 2003
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verspätete Berufungsbegründung
Wird Unkenntnis vom wahren Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltend gemacht
, muß zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist
innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dargelegt werden, warum nicht bereits vor
dem Zugang der gerichtlichen Mitteilung über den Zeitpunkt der Berufungseinlegung
der wahre Zeitpunkt hätte erkannt werden können.
BGH, Beschluß vom 16. September 2003 - X ZR 37/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck
und Asendorf
am 16. September 2003

beschlossen:
Die Berufung gegen das am 16. Januar 2003 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:


I. Die beklagte Patentinhaberin hat gegen das am 16. Januar 2003 verkündete und ihrem prozeßbevollmächtigten Patentanwalt am 3. März 2003 zugestellte Urteil des Bundespatentgerichts in einer Patentnichtigkeitssache am 31. März 2003 Berufung beim Bundesgerichtshof eingelegt. Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2003 hat sie "zu unserer am 31. März 2003 eingelegten Berufung ... gebeten , die Frist zur Einreichung einer Begründung um 14 Tage zu verlängern". Am 8. Mai 2003 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 erhalten, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei.

Mit an diesem Tage beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 21. Mai 2003 hat die Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinset- zung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Rechtfertigung dieses Antrags hat die Beklagte dabei geltend gemacht, die bei ihrem Prozeßbevollmächtigten mit der Berechnung und Überwachung von Fristen betraute, stichprobenartig überprüfte und bisher zuverlässige Kanzleiangestellte M. habe die Berufungsbegründungsfrist mit zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils berechnet und notiert, obwohl sie von allen Gesetzesänderungen, die Auswirkungen auf die Fristenberechnung hätten, unverzüglich in Kenntnis gesetzt worden sei. In einem Schriftsatz vom 10. Juni 2003 hat die Beklagte dann noch ergänzend geltend gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter sei bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes vom 5. Mai 2003 davon ausgegangen und habe davon ausgehen dürfen, daß die Berufungsschrift vom 31. März 2003 erst am 3. April 2003 per Fax an den Bundesgerichtshof gesendet worden sei, weil fristwahrende Schriftstücke in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten generell erst am letzten Tag der zu beachtenden Frist herausgingen.
II. Die Berufung ist unzulässig und deshalb gemäß § 113 Abs. 1 PatG zu verwerfen.
1. Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 PatG war die Berufung in einer Frist von einem Monat zu begründen, die mit der Einlegung der Berufung, also am 31. März 2003 begann. Innerhalb dieser Frist ist eine Berufungsbegründung nicht erfolgt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist erst am 21. Mai 2003 beim Bundesgerichtshof eingegangen.
2. Der Beklagten darf wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Auch die Antragsfrist für die Wiedereinsetzung ist nicht gewahrt.

a) Im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen muß das Wiedereinsetzungsgesuch in entsprechender Anwendung von § 234 Abs. 1 und 2 ZPO (Sen.Urt. v. 31.05.2000 - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus ) bei dem Bundesgerichtshof innerhalb einer Frist von zwei Wochen angebracht werden, die mit dem Tage beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, das der rechtzeitigen Begründung der Berufung entgegenstand. Der Antrag muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung). Hierzu gehört auch der Sachvortrag, aus dem sich entnehmen läßt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses gestellt ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416 m.w.N.). Da nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Sen.Beschl. v. 12.06.2001 - X ZB 14/01, BGHReport 2001, 982) die Nachholung von die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Angaben oder ein Nachschieben neuer Begründung nach Ablauf der Frist grundsätzlich nicht möglich ist, steht auch hierzu - wenn es sich nicht um bloße Ergänzungen ergänzungsbedürftiger Angaben handelt - nur die Frist von zwei Wochen zur Verfügung.
Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 21. Mai 2003 nicht.
Ursache der Verhinderung der Beklagten, die Berufung rechtzeitig zu begründen, war im Streitfall - wie die Beklagte geltend macht - ihre Unkenntnis, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat ab diesem Zeitpunkt beträgt. Der Sachvortrag
der Beklagten im Schriftsatz vom 21. Mai 2003 befaßt sich demgegenüber vor- nehmlich im Hinblick auf die Voraussetzung des § 233 ZPO, daß eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten , mit der Frage, warum es zu dieser Unkenntnis gekommen ist. Zu dem für die Fristberechnung maßgeblichen Wegfall der Verhinderung heißt es dort nur, durch den am 8. Mai 2003 eingegangenen Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2003 sei man von dem Fristversäumnis in Kenntnis gesetzt worden. Das allein vermag die Wahrung der Frist jedoch nicht darzutun. Denn ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; ein Hindernis ist im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist (BGH, Beschl. v. 18.10.2000 - XII ZB 163/00, FamRZ 2001, 416; Beschl. v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592 m.w.N.). Das hätte im Streitfall ein Eingehen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist darauf erforderlich gemacht, warum die Beklagte nicht bereits vor dem Zugang der Mitteilung des Senats vom 6. Mai 2003 hätte erkennen können, daß die Berufung bereits am 31. März 2003 eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat beträgt. Hiermit befaßt sich jedoch erst der ergänzende Schriftsatz vom 10. Juni 2003.

b) Aber auch dann, wenn man die dortigen Angaben der Beklagten mitberücksichtigt , verbleibt es bei der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs.
Nach ständiger Rechtsprechung muß ein Rechtsanwalt bei fristwahrenden Prozeßhandlungen selbständig und eigenverantwortlich überprüfen, ob die betreffende Frist richtig ermittelt und eingetragen ist (z.B. BGH, Beschl. v. 05.03.2002 - VI ZR 286/01, MDR 2002, 841; Urt. v. 04.05.2001 - V ZR 434/00, NJW 2001, 2336). Zu diesen Prozeßhandlungen gehört auch der Antrag auf
Verlängerung der betreffenden Frist. An einen Patentanwalt, der in einem Nichtigkeitsberufungsverfahren als Prozeßbevollmächtigter auftritt, sind dieselben Anforderungen zu stellen (Sen.Beschl. v. 19.12.2000 - X ZR 128/00, GRUR 2001, 411 - Wiedereinsetzung V). Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hätte sich mithin bei der Unterzeichnung des Verlängerungsantrags vom 5. Mai 2003 nicht auf eine geübte Praxis verlassen dürfen, daß Fristen bis zum letzten Tag genutzt worden sind, sondern selbst überprüfen müssen, wann die Berufung eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist ablief.
Danach hätte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bereits am 5. Mai 2003 erkennen müssen, daß die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Das muß sich die Beklagte zurechnen lassen (Senat aaO). Innerhalb der damit ab dem 5. Mai 2003 laufenden Zwei-Wochen-Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist jedoch nicht gestellt worden.
3. Angesichts dieser Umstände kommt auch eine Wiedereinsetzung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO nicht in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2003 - X ZR 37/03

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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d
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(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Patentgerichts auf der Verletzung des Bundesrechts beruht oder nach § 117 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Das Recht ist verletzt

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Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dem Bevollmächtigten ist es gestattet, mit einem technischen Beistand zu erscheinen.

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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dem Bevollmächtigten ist es gestattet, mit einem technischen Beistand zu erscheinen.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Patentgerichts auf der Verletzung des Bundesrechts beruht oder nach § 117 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das Patentgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 154/99
vom
31. Mai 2000
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
PatG 1981 §§ 110 ff. (i.d.F. des 2. PatGÄ ndG v. 16.07.1998)
Schaltmechanismus
Im ein Patentnichtigkeitsverfahren betreffenden Berufungsverfahren vor dem
Bundesgerichtshof muß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb
einer zweiwöchigen Frist beantragt werden (entspr. Anwendung von §§ 233,
234, 236 ZPO).
BGH, Beschl. v. 31. Mai 2000 - X ZR 154/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Mai 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen,
Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

beschlossen:
Die Berufung gegen das am 6. Juli 1999 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Gründe:


I. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 10. Januar 1991 angemeldeten deutschen Patents 41 00 547 (Streitpatent), das ein Gelenk zwischen einem Getriebe und dessen Gang-Schaltmechanismus betrifft und fünf Patentansprüche umfaßt. Die Klägerin hat Nichtigkeitsklage mit dem Ziel erhoben , das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 1 für nichtig zu erklären. Diese Klage hat das Bundespatentgericht durch Urteil vom 6. Juli 1999 abgewiesen , das der Klägerin am 2. August 1999 zugestellt wurde.
Mit am 1. September 1999 beim Bundesgerichtshof als Telefax eingegangenem Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten Patentanwalts Dr. J. hat die Klägerin Berufung eingelegt und um Verlängerung der Berufungsbe-
gründungsfrist gebeten. Der Vorsitzende des beschließenden Senats hat die Frist zur Begründung der Berufung bis einschließlich 10. Dezember 1999 verlängert. Die Berufungsbegründung vom 10. Dezember 1999 ist beim Bundesgerichtshof - wiederum als Telefax - am 13. Dezember 1999 eingegangen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin wurde deshalb mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 unter Angabe der betreffenden Daten darauf hingewiesen, daß die Berufungsbegründung verspätet sein dürfte. Auf dieses ihm nach eigener Angabe am 28. Dezember 1999 zugegangene Schreiben äußerte sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Januar 2000. Er bittet hierin für die Klägerin,
den tatsächlich verspätet eingegangenen Schriftsatz vom 10. Dezember 1999 dennoch als rechtzeitig eingegangen zu behandeln.
Diesem Begehren ist die Beklagte entgegengetreten.
II. 1. Die Berufung ist wegen Versäumung der Frist zu ihrer Begründung unzulässig (§ 113 Abs. 1 PatG). Eine Berufungsbegründung war gemäß § 111 Abs. 2 Satz 3 PatG bis zum 10. Dezember 1999 beim Bundesgerichtshof einzureichen. Der Schriftsatz vom 10. Dezember 1999 ist per Telefax erst am 13. Dezember 1999 eingegangen.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Klägerin nicht zu gewähren. Der Senat wertet den Schriftsatz vom 24. Januar 2000 zwar als Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungfrist. Dieser Antrag ist jedoch ebenfalls verspätet und im übrigen auch unbegründet.


a) Bis zum Inkrafttreten der Regelungen des 2. Gesetzes zur Ä nderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2. PatGÄ ndG) vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1823 ff.) war die an den Bundesgerichtshof stattfindende Berufung gegen Urteile der Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts bei diesem Gericht einzulegen (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 112 Abs. 1, 113, 114 PatG jeweils a.F. - sogenanntes Vorschaltverfahren). Wer ohne Verschulden verhindert war, dem Bundespatentgericht gegenüber die Berufungsfrist von einem Monat einzuhalten , konnte deshalb gemäß § 123 Abs. 1 PatG innerhalb der in Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift vorgesehenen Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses in zulässiger Weise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. In der nunmehr geltenden Fassung des Patentgesetzes ist § 123 PatG im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen nicht mehr direkt anwendbar , weil er ausdrücklich nur für das Verfahren vor dem Deutschen Patent - und Markenamt sowie vor dem Bundespatentgericht gilt und das Rechtsmittel gemäß § 110 Abs. 2 PatG in der Fassung des 2. PatGÄ ndG durch Einreichung der Berufungsschrift beim Bundesgerichtshof eingelegt wird. Für das Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen fehlt damit eine gesetzliche Regelung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Statthaftigkeit dieses Rechtsbehelfs auch für das Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen ist jedoch ein aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip folgendes Gebot. Unter welchen Voraussetzungen im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, muß deshalb die analoge Anwendung eines geeigneten Regelwerks ergeben. In Betracht zu ziehen sind insoweit einmal der bereits erwähnte § 123 PatG sowie zum anderen die §§ 233, 234, 236 ZPO,
wonach die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Falle der Versäumung der Berufungsfrist als Notfrist oder der Frist zur Begründung der Berufung binnen deutlich kürzerer Frist, nämlich binnen zwei Wochen beantragt werden muß (§ 234 Abs. 1 ZPO).

b) Dazu, welcher Regelung nach der von ihm geschaffenen neuen Rechtslage der Vorzug zu geben sein könnte, läßt sich dem 2. PatGÄ ndG ein eindeutiger Hinweis nicht entnehmen. Die Tatsache, daß § 123 PatG a.F. - abgesehen von der hier nicht interessierenden Abs. 1 Satz 2 und Abs. 7 betreffenden Ä nderung - trotz Abschaffung des sogenannten Vorschaltverfahrens (§§ 112-114 PatG a.F.) vor dem Bundespatentgericht, in dessen Rahmen bisher im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden war, keine Novellierung erfahren hat, könnte zwar dahin gedeutet werden, daß die Anwendung dieser Vorschrift in dem nunmehr von Anfang an vor dem Bundesgerichtshof durchzuführenden Berufungsverfahren vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt ist; der gegenteilige Schluß ließe sich aber ebenfalls rechtfertigen, weil der Gesetzgeber es auch unterlassen hat, für das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof eine dem § 106 Abs. 1 PatG entsprechende Regelung zu schaffen, nach welcher im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof die Vorschriften der ZPO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand analog anzuwenden sind. Ob sich die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen aus § 123 PatG oder den §§ 233, 234, 236 ZPO ergeben, ist deshalb danach zu entscheiden , welche Vorschriften nach dem allgemeinen Werturteil der in Betracht zu ziehenden Gesetze eher geeignet erscheinen, den ähnlich gelagerten Fall zu regeln und zu beherrschen (vgl. Engisch, Einführung in das juristische Den-
ken, Kapitel VII, I 2). Dies führt zur Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO (im Ergebnis ebenso Busse, PatG, 5. Aufl., § 121 Rdn. 18).

c) Die Entscheidung über Berufungen in Patentnichtigkeitsverfahren ist seit den Anfängen des deutschen Patentrechts dem obersten deutschen Gericht für Zivilsachen übertragen. Die Begründung zum Entwurf des 2. PatGÄ ndG (abgedruckt BlPMZ 1998, 393 ff.) betont, daß mit der Neufassung die Vorschriften über das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof in Patentsachen an die in der Zivilprozeßordnung enthaltenen Vorschriften über das Verfahren vor den Berufungsgerichten angeglichen werden soll (BlPMZ 1998, 396 f.). Da die §§ 233, 234, 236 ZPO eine ausdrückliche Regelung für die Wiedereinsetzung in die eine Notfrist darstellende Berufungsfrist und in die Berufungsbegründungsfrist im Falle der Berufung an ein deutsches Zivilgericht beinhalten, spricht schon dies dafür, daß die zivilprozessualen Regelungen nach der gesetzlichen Wertung als sachgerechtere Normen angesehen werden müssen, die Geltendmachung dieses Rechtsbehelfs auch im Rahmen des bei Patentnichtigkeitssachen zugelassenen Rechtsmittels zu regeln. Im Hinblick auf die dabei einzuhaltende Frist ist zudem vor allem von Bedeutung, daß das 2. PatGÄ ndG die Verpflichtung wieder eingeführt hat, die Berufung zum Bundesgerichtshof zu begründen (§ 111 Abs. 1 PatG), und die mit der Einlegung der Berufung beginnende Frist für die Berufungsbegründung einen Monat beträgt (§ 111 Abs. 2 Satz 2 PatG). Dies soll die Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ermöglichen, wie es in der Begründung zum Entwurf des 2. PatGÄ ndG heißt (BlPMZ 1998, 397). Mit diesem Gesetzeszweck wäre die nach § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG vorgeschriebene Frist von zwei Monaten kaum vereinbar, weil sie die für die Berufungsbegründung gesetzlich vorgesehene Frist deutlich übersteigt. Wer die Berufungs-
begründungsfrist versäumt, hätte zur Nachholung der Begründung erheblich mehr Zeit zur Verfügung, als derjenige für die Berufungsbegründung hat, der die gesetzlich vorgesehene Frist einhält. Schließlich ist auch noch auf § 99 Abs. 1 PatG zu verweisen. Er regelt für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht , daß das erstinstanzlich zur Entscheidung in Nichtigkeitsverfahren berufene Gericht das GVG und die ZPO als subsidiäres Regelwerk anzuwenden haben, wenn dies durch die Besonderheiten des Verfahrens nicht ausgeschlossen wird. Für das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof kann ein solcher Ausschluß hinsichtlich der §§ 233, 234, 236 ZPO nicht festgestellt werden. Ihre Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechen im wesentlichen denen in § 123 PatG; ein praktischer Unterschied besteht lediglich hinsichtlich der Frist zur Geltendmachung des Rechtsbehelfs. Eine kürzere Frist einzuhalten als vor dem Bundespatentgericht, ist für die Partei, welche die Berufungsfrist oder die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat, jedoch zumutbar angesichts der gesetzlichen Notwendigkeit, sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt als Bevollmächtigten vertreten zu lassen (§ 111 Abs. 4 Satz 1 PatG). Rechtsanwälte sind ausgebildet und gewohnt, auch binnen kurzer Fristen das zur Wahrung der Belange ihrer Mandanten Erforderliche zu veranlassen. Von Patentanwälten, welche die Vertretung vor dem Bundesgerichtshof übernehmen, kann dies ebenfalls verlangt werden, weil sie gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 PatG dieselbe Stellung wie ein Rechtsanwalt haben.
Unter diesen Umständen muß in Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen hinsichtlich der Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der aus verschiedenen Verfahrensgesetzen (vgl. §§ 523, 557 ZPO, §§ 125 Abs. 1, 141 VwGO) ersichtliche und vom Senat in anderem Zu-
sammenhang auch für das vor ihm stattfindende Verfahren bereits angewandte (BGH, Beschl. v. 26.9.1996 - X ZR 17/94, GRUR 1997, 119 - Schwimmrahmenbremse ) Grundsatz zurücktreten, im Rechtsmittelverfahren notfalls die für die Vorinstanz geltenden Regeln heranzuziehen.

d) Die danach maßgebliche Zwei-Wochen-Frist hat die Klägerin nicht eingehalten. Nach eigener Angabe hat Patentanwalt Dr. J. den gerichtlichen Hinweis vom 23. Dezember 1999 über den verspäteten Eingang seiner Berufungsbegründung vom 10. Dezember 1999 am 28. Dezember 1999 erhalten ; jedenfalls damit war das behauptete Hindernis, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, behoben (BGH, Beschl. v. 13.5.1992 - VIII ZB 3/92, NJW 1992, 2098). Gleichwohl ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist erst am 24. Januar 2000 beim Bundesgerichtshof eingegangen.

e) Es kann überdies nicht festgestellt werden, daß die Klägerin ohne Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, für dessen Verhalten sie einzustehen hat (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO; Busse, PatG, 5. Aufl., § 123 PatG Rdn. 31 m.w.N.), verhindert war, die gesetzte Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Nach seinen Angaben will Patentanwalt Dr. J. am 10. Dezember 1999 zwar alles getan haben, damit das Faxgerät in seinem Büro um 23.00 Uhr dieses Tages die Berufungsbegründungsschrift an den Bundesgerichtshof sende. Damit war aber den Sorgfaltspflichten, die von einem anwaltlichen Vertreter verlangt werden können, nicht Genüge getan. Nach ständiger Rechtsprechung gehört hierzu im Falle der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax, für eine geeignete Ausgangskontrolle zu sorgen (etwa BGH, Beschl. v. 24.3.1993 - XII ZB 12/93, NJW 1993, 1655). Dies erfordert organisatorische
Maßnahmen des anwaltlichen Prozeßbevollmächtigten, die erwarten lassen, daß ein Fehler bei der Ausführung eines gegebenen Sendebefehls noch am Tage des Fristablaufs bemerkt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 15.4.1995 - XII ZB 38/95, FamRZ 1995, 1135). An diesen Maßstäben müssen sich auch die in Patentnichtigkeitssachen mit der Vertretung einer Partei vor dem Bundesgerichtshof betrauten Patentanwälte messen lassen, weil sie gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 PatG dieselbe Stellung wie ein Rechtsanwalt haben. Daß in der Praxis des Patentanwalts Dr. J. die für eine effektive Ausgangskontrolle der Telefaxversendung fristwahrender Schriftsätze notwendige Vorsorge getroffen gewesen sei, läßt sich dem patentanwaltlich versicherten Vorbringen im Schriftsatz vom 24. Januar 2000 jedoch nicht entnehmen. Patentanwalt Dr. J. hat lediglich angegeben, durch einen routinemäßigen Blick auf das ihm vertraute Faxgerät überprüft zu haben, daß seine freie Speicherkapazität erkennen lasse, der eingescannte Eingabetext sei richtig in den zum zeitversetzten Senden für 23.00 Uhr vorgesehenen Gerätespeicher gelangt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
Rogge Melullis Scharen
Keukenschrijver Mühlens

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 163/00
vom
18. Oktober 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne,
Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Der Antrag der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2000 wird zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde gegen den genannten Beschluß wird auf Kosten der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz als unzulässig verworfen. Wert: 1.000 DM.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil unter anderem den Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu Lasten des Antragstellers durchgeführt und dabei bei der Dynamisierung betrieblicher Versorgungsanwartschaften Ersatzwerte für die Barwertverordnung (nach Glockner/Gutdeutsch FamRZ
2000, 270) herangezogen. Hiergegen hat die Landesversicherungsanstalt Niederbayern -Oberpfalz (LVA) als weitere Beteiligte Beschwerde eingelegt. Diese ist durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 zurückgewiesen worden. Der Beschluß ist der LVA am 7. Juli 2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4. August 2000, adressiert an das Oberlandesgericht München, hat die LVA gegen den genannten Beschluß weitere Beschwerde eingelegt, die am 8. August 2000 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist. Durch Verfügung vom 18. August 2000 (abgegangen am 21. August 2000) hat der Vorsitzende des Beschwerdesenats beim Oberlandesgericht die LVA darauf hingewiesen , daß die Beschwerdeschrift den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 8. August 2000 trage, so daß sich die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels stelle; außerdem sei die - zugelassene - weitere Beschwerde gemäß § 621e Abs. 3 ZPO beim Bundesgerichtshof einzulegen; die Frist hierfür dürfte abgelaufen sein. Am 5. September 2000 hat die LVA beim Oberlandesgericht eine Begründung der weiteren Beschwerde eingereicht. Daraufhin hat das Oberlandesgericht den Vorgang dem Bundesgerichtshof vorgelegt, bei dem er am 8. September 2000 eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 20. September 2000, per Telefax an diesem Tag eingegangen, hat die LVA unter Beifügung der Beschwerdebegründung bei dem Bundesgerichtshof "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO" beantragt und zur Begründung dieses Antrags ausgeführt: Sie habe mit Schreiben vom 4. August 2000 gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 weitere Beschwerde eingelegt. Aufgrund von durch Urlaubsund Krankheitszeiten bedingten personellen Engpässen in der Registratur sei das Schreiben des Oberlandesgerichts vom 21. August 2000 - welches die Mitteilung enthalte, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 dort am 8. August 2000 eingegangen sei - erst jetzt zur Akte und in die Sachbearbei-
tung gelangt. Das Schreiben vom 4. August 2000 sei noch am selben Tag zum Expedieren gegeben worden mit dem beigefügten Hinweis, daß als Adressat der Bundesgerichtshof anstelle des Oberlandesgerichts anzugeben sei. Diese Verfahrensweise sei üblich und habe bislang nie zu Problemen geführt. Es sei davon auszugehen gewesen, daß der Brief mit neuer Adresse noch am 4. August 2000 abgesandt werden und somit noch vor Fristende am 7. August 2000 sein Ziel erreichen würde. Aus welchen Gründen im konkreten Fall Schwierigkeiten aufgetaucht seien, lasse sich im Hinblick auf die Vielzahl von Schriftstücken, die in einer Massenverwaltung wie der LVA täglich zu bearbeiten und zu versenden seien, nicht klären.

II.

1. Die Voraussetzungen für eine Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 sind nicht erfüllt.
a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Es ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Zu der Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt wird (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 - XII ZB 51/91 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 5
m.w.N.). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten ist, was hier nicht der Fall ist. Das Hindernis, nach dessen Behebung die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen begann, bestand im vorliegenden Fall in der Unkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der LVA davon, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 erst am 8. August 2000 (Dienstag) und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 7. August 2000 und darüber hinaus - entgegen dem nach der Behauptung der LVA erteilten Hinweis beim Expedieren - nicht mit neuer Anschrift an den Bundesgerichtshof versehen worden, sondern gemäß der in dem Schreiben enthaltenen Adresse bei dem Oberlandesgericht als unzuständigem Gericht eingegangen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , auch des Senats, ist ein Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO behoben, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1988 - III ZB 40/87 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Fristbeginn 1, und vom 12. Oktober 1989 - I ZB 3/89 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 1, jeweils m.w.N.). Das war hier jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Fall, als der zuständige Sachbearbeiter der LVA bei Anwendung der unter den gebotenen Umständen von der LVA - als zur Einlegung und Durchführung der weiteren Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts befugten Rechtsmittelführerin (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 n.F. ZPO) - zu erwartenden Sorgfalt von der Verfügung des Oberlandesgerichts vom 18./21. August 2000 hätte Kenntnis nehmen können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1989 aaO; vom 24. Oktober 1996 - VII ZB 25/96 und vom 15. Oktober 1997 - IV ZB 15/97 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 8 und 10, jeweils m.N.).
Hierzu enthält das Wiedereinsetzungsgesuch keinen - ausreichenden - Sachvortrag. Der Hinweis auf urlaubs- und krankheitsbedingte Engpässe in der Registratur genügt den Anforderungen des § 234 Abs. 2 ZPO nicht und rechtfertigt nicht die Annahme, daß bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt der zuständige Sachbearbeiter nicht vor dem 6. September 2000 (d.h. zwei Wochen vor Eingang des Wiedereinsetzungsantrags am 20. September 2000) Kenntnis von dem Hinweis auf die Versäumung der Frist des § 621 e Abs. 3 ZPO hätte nehmen können. Bei Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeit von München nach Landshut ist die am 21. August 2000 hinausgegangene Verfügung des Senatsvorsitzenden wenige Tage später bei der LVA eingegangen und damit in deren Verantwortungsbereich gelangt. Hier gebot die erforderliche Sorgfalt im Hinblick auf die Fristwahrung in gerichtlichen Verfahren die Schaffung und Überprüfung organisatorischer Maßnahmen, durch welche sichergestellt wurde , daß Schriftstücke, die ein gerichtliches Verfahren betrafen, nach ihrem Eingang in der Registratur ohne Verzug dem zuständigen Bearbeiter vorgelegt wurden. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sind keine Angaben dazu zu entnehmen , daß derartige organisatorische Maßnahmen und Anordnungen bei der LVA getroffen seien, und gegebenenfalls aus welchem Grund die Verfügung vom 18./21. August 2000 gleichwohl nach ihrem Eingang in der Registratur "erst jetzt" (20. September 2000), das heißt nach mehreren Wochen, zur Akte und in die Sachbearbeitung gelangte.
b) Unter den dargelegten Umständen bedarf es keiner näheren Ausführungen dazu, daß das Wiedereinsetzungsgesuch im übrigen auch unbegründet wäre, weil nach seinem weiteren Inhalt auch ein Verschulden der LVA an der Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht ausgeräumt ist. Weder genügen die Angaben zum Zeitpunkt der Absendung der Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 den insoweit nach § 233 ZPO zu stellen-
den Anforderungen, noch vermag der beim "Expedieren beigefügte Hinweis" auf die Notwendigkeit einer Ä nderung der Anschrift und Bezeichnung des Bundesgerichtshofs als des richtigen Rechtsmittelgerichts ein Verschulden des zuständigen Sachbearbeiters der LVA auszuräumen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Mai 1990 - XII ZB 17/90 = BGHR ZPO § 233, Büropersonal 3, vom 14. November 1990 - XII ZB 141/90 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 4 unter 2). Dieser mußte vielmehr vor der Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift dafür Sorge tragen, daß diese an das richtige Gericht adressiert war (vgl. BGH, Beschlüsse aaO). 2. Die am 5. September 2000 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene weitere Beschwerde gegen den der LVA am 7. Juli 2000 zugestellten Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 621e Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 516 ZPO eingelegt worden - und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist aus den dargelegten Gründen zu versagen - ist. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 14/01
vom
12. Juni 2001
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen, die Richterin
Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. März 2001 aufgehoben.
Die Beklagte wird in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 13. Dezember 2000 wiedereingesetzt.
Beschwerdewert: 23.800,86 DM.

Gründe:


I.


Die Beklagte legte am (Montag, dem) 29. Januar 2001 gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 13. Dezember 2000, zugestellt am 27. Dezember 2000, bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf Berufung ein, die das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 12. März 2001 wegen
Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen hat. Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 20. März 2001 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat durch den angefochtenen Beschluß den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.

II.


Die gemäß §§ 567 Abs. 4 Satz 2, 577 Abs. 2, 519b Abs. 2, 547, 238 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Beklagten ist gemäß § 233 ZPO die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, da sie glaubhaft gemacht hat, ohne ihr Verschulden an der Einhaltung dieser Frist verhindert gewesen zu sein.
Die Beklagte hat mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch eidesstattliche Versicherung ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten glaubhaft gemacht, daß dieser am 23. Februar 2001 einen schriftsätzlichen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist selbst gefertigt und unterschrieben, der Anwaltssekretärin B. übergeben und kontrolliert habe, daß die Sekretärin den Antrag zum Briefkasten mitgenommen habe. Insoweit hat der Prozeßbevollmächtigte die erforderliche Sorgfalt walten lassen, um die Berufungsbegründungsfrist zu wahren.
Das Oberlandesgericht hat ein der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten darin gesehen, daß
der Fristverlängerungsantrag unvollständig adressiert gewesen sei, weil der Schriftsatz, wie sich aus der vorgelegten Abschrift ergebe, im Sichtfenster des Briefumschlags lediglich die Angaben "Oberlandesgericht" und (in neuer Zeile) "Düsseldorf" enthalten habe.
Es kann dahinstehen, ob das Oberlandesgericht diese Adressierung zu Recht als nicht ausreichend angesehen hat, um bei dem vorliegenden Sachverhalt einen rechtzeitigen Eingang des Antrags bei Gericht sicherzustellen, was gegebenenfalls noch weiterer Aufklärung bedürfte (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1566). Denn die Beklagte hat mit der sofortigen Beschwerde vorgetragen und durch weitere eidesstattliche Versicherungen ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten und der Anwaltssekretärin B. glaubhaft gemacht, daß es der ständigen und von dem Prozeßbevollmächtigten kontrollierten Praxis in seiner Kanzlei entspreche, Schriftsätze an Gerichte, die keine vollständige Adressierung tragen, mit Sammelpost zu versenden, bei der entweder ein Schriftsatz mit vollständiger Adresse als erster des Schriftsatzstapels im Sichtfenster erscheine oder für die ein Umschlag ohne Sichtfenster verwendet werde , auf dem das Gericht, an das die Sendung adressiert sei, von Hand mit vollständiger Adresse bezeichnet werde; in einer dieser beiden Weisen müsse auch bei dem Schriftsatz vom 23. Februar 2001 an das Oberlandesgericht Düsseldorf verfahren worden sein. Nach diesem geschilderten und glaubhaft gemachten Sachverhalt, dem keine sonstigen Anhaltspunkte entgegenstehen, hat sich die unvollständige Adressierung des Antrags nicht ausgewirkt, da er in einer der genannten Varianten mit ausreichender Adressierung dem Oberlandesgericht übersandt worden ist. Ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten ist somit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ursächlich geworden.

Die Angaben in der sofortigen Beschwerde und den dieser beigegebenen eidesstattlichen Versicherungen sind auch nicht deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil sie nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 2 ZPO erfolgt sind. Zwar müssen nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Indessen dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben , deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366; Beschl. v. 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284; Beschl. v. 9. Februar 1998 - II ZB 15/97, NJW 1998, 1870). Hier hat die Beklagte sich zunächst zur Adressierung des Schriftsatzes vom 23. Februar 2001 nicht näher geäußert und ihren Vortrag hierzu ergänzt, nachdem das Oberlandesgericht aus dem vorgelegten Ausdruck die Schlußfolgerung gezogen hat, die Adressatenangabe "Oberlandesgericht Düsseldorf" im Schriftsatz selbst sei über das Sichtfenster eines Briefumschlages auch als postalische Adresse verwendet worden. Bei dieser Sachlage liegt kein unzulässiges Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen vor.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 163/00
vom
18. Oktober 2000
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne,
Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Der Antrag der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2000 wird zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde gegen den genannten Beschluß wird auf Kosten der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz als unzulässig verworfen. Wert: 1.000 DM.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil unter anderem den Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu Lasten des Antragstellers durchgeführt und dabei bei der Dynamisierung betrieblicher Versorgungsanwartschaften Ersatzwerte für die Barwertverordnung (nach Glockner/Gutdeutsch FamRZ
2000, 270) herangezogen. Hiergegen hat die Landesversicherungsanstalt Niederbayern -Oberpfalz (LVA) als weitere Beteiligte Beschwerde eingelegt. Diese ist durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 zurückgewiesen worden. Der Beschluß ist der LVA am 7. Juli 2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4. August 2000, adressiert an das Oberlandesgericht München, hat die LVA gegen den genannten Beschluß weitere Beschwerde eingelegt, die am 8. August 2000 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist. Durch Verfügung vom 18. August 2000 (abgegangen am 21. August 2000) hat der Vorsitzende des Beschwerdesenats beim Oberlandesgericht die LVA darauf hingewiesen , daß die Beschwerdeschrift den Eingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 8. August 2000 trage, so daß sich die Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels stelle; außerdem sei die - zugelassene - weitere Beschwerde gemäß § 621e Abs. 3 ZPO beim Bundesgerichtshof einzulegen; die Frist hierfür dürfte abgelaufen sein. Am 5. September 2000 hat die LVA beim Oberlandesgericht eine Begründung der weiteren Beschwerde eingereicht. Daraufhin hat das Oberlandesgericht den Vorgang dem Bundesgerichtshof vorgelegt, bei dem er am 8. September 2000 eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 20. September 2000, per Telefax an diesem Tag eingegangen, hat die LVA unter Beifügung der Beschwerdebegründung bei dem Bundesgerichtshof "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO" beantragt und zur Begründung dieses Antrags ausgeführt: Sie habe mit Schreiben vom 4. August 2000 gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 weitere Beschwerde eingelegt. Aufgrund von durch Urlaubsund Krankheitszeiten bedingten personellen Engpässen in der Registratur sei das Schreiben des Oberlandesgerichts vom 21. August 2000 - welches die Mitteilung enthalte, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 dort am 8. August 2000 eingegangen sei - erst jetzt zur Akte und in die Sachbearbei-
tung gelangt. Das Schreiben vom 4. August 2000 sei noch am selben Tag zum Expedieren gegeben worden mit dem beigefügten Hinweis, daß als Adressat der Bundesgerichtshof anstelle des Oberlandesgerichts anzugeben sei. Diese Verfahrensweise sei üblich und habe bislang nie zu Problemen geführt. Es sei davon auszugehen gewesen, daß der Brief mit neuer Adresse noch am 4. August 2000 abgesandt werden und somit noch vor Fristende am 7. August 2000 sein Ziel erreichen würde. Aus welchen Gründen im konkreten Fall Schwierigkeiten aufgetaucht seien, lasse sich im Hinblick auf die Vielzahl von Schriftstücken, die in einer Massenverwaltung wie der LVA täglich zu bearbeiten und zu versenden seien, nicht klären.

II.

1. Die Voraussetzungen für eine Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 sind nicht erfüllt.
a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Es ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist. Zu der Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt wird (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 - XII ZB 51/91 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 5
m.w.N.). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten ist, was hier nicht der Fall ist. Das Hindernis, nach dessen Behebung die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen begann, bestand im vorliegenden Fall in der Unkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der LVA davon, daß die Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 erst am 8. August 2000 (Dienstag) und damit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 7. August 2000 und darüber hinaus - entgegen dem nach der Behauptung der LVA erteilten Hinweis beim Expedieren - nicht mit neuer Anschrift an den Bundesgerichtshof versehen worden, sondern gemäß der in dem Schreiben enthaltenen Adresse bei dem Oberlandesgericht als unzuständigem Gericht eingegangen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , auch des Senats, ist ein Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO behoben, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist (vgl. Senatsbeschluß vom 18. September 1991 aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1988 - III ZB 40/87 = BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Fristbeginn 1, und vom 12. Oktober 1989 - I ZB 3/89 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 1, jeweils m.w.N.). Das war hier jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Fall, als der zuständige Sachbearbeiter der LVA bei Anwendung der unter den gebotenen Umständen von der LVA - als zur Einlegung und Durchführung der weiteren Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts befugten Rechtsmittelführerin (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 n.F. ZPO) - zu erwartenden Sorgfalt von der Verfügung des Oberlandesgerichts vom 18./21. August 2000 hätte Kenntnis nehmen können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1989 aaO; vom 24. Oktober 1996 - VII ZB 25/96 und vom 15. Oktober 1997 - IV ZB 15/97 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 8 und 10, jeweils m.N.).
Hierzu enthält das Wiedereinsetzungsgesuch keinen - ausreichenden - Sachvortrag. Der Hinweis auf urlaubs- und krankheitsbedingte Engpässe in der Registratur genügt den Anforderungen des § 234 Abs. 2 ZPO nicht und rechtfertigt nicht die Annahme, daß bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt der zuständige Sachbearbeiter nicht vor dem 6. September 2000 (d.h. zwei Wochen vor Eingang des Wiedereinsetzungsantrags am 20. September 2000) Kenntnis von dem Hinweis auf die Versäumung der Frist des § 621 e Abs. 3 ZPO hätte nehmen können. Bei Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeit von München nach Landshut ist die am 21. August 2000 hinausgegangene Verfügung des Senatsvorsitzenden wenige Tage später bei der LVA eingegangen und damit in deren Verantwortungsbereich gelangt. Hier gebot die erforderliche Sorgfalt im Hinblick auf die Fristwahrung in gerichtlichen Verfahren die Schaffung und Überprüfung organisatorischer Maßnahmen, durch welche sichergestellt wurde , daß Schriftstücke, die ein gerichtliches Verfahren betrafen, nach ihrem Eingang in der Registratur ohne Verzug dem zuständigen Bearbeiter vorgelegt wurden. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sind keine Angaben dazu zu entnehmen , daß derartige organisatorische Maßnahmen und Anordnungen bei der LVA getroffen seien, und gegebenenfalls aus welchem Grund die Verfügung vom 18./21. August 2000 gleichwohl nach ihrem Eingang in der Registratur "erst jetzt" (20. September 2000), das heißt nach mehreren Wochen, zur Akte und in die Sachbearbeitung gelangte.
b) Unter den dargelegten Umständen bedarf es keiner näheren Ausführungen dazu, daß das Wiedereinsetzungsgesuch im übrigen auch unbegründet wäre, weil nach seinem weiteren Inhalt auch ein Verschulden der LVA an der Versäumung der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde nicht ausgeräumt ist. Weder genügen die Angaben zum Zeitpunkt der Absendung der Beschwerdeschrift vom 4. August 2000 den insoweit nach § 233 ZPO zu stellen-
den Anforderungen, noch vermag der beim "Expedieren beigefügte Hinweis" auf die Notwendigkeit einer Ä nderung der Anschrift und Bezeichnung des Bundesgerichtshofs als des richtigen Rechtsmittelgerichts ein Verschulden des zuständigen Sachbearbeiters der LVA auszuräumen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Mai 1990 - XII ZB 17/90 = BGHR ZPO § 233, Büropersonal 3, vom 14. November 1990 - XII ZB 141/90 = BGHR ZPO § 234 Abs. 2 Fristbeginn 4 unter 2). Dieser mußte vielmehr vor der Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift dafür Sorge tragen, daß diese an das richtige Gericht adressiert war (vgl. BGH, Beschlüsse aaO). 2. Die am 5. September 2000 bei dem Bundesgerichtshof eingegangene weitere Beschwerde gegen den der LVA am 7. Juli 2000 zugestellten Beschluß des Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2000 ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 621e Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 516 ZPO eingelegt worden - und die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist aus den dargelegten Gründen zu versagen - ist. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 434/00 Verkündet am:
4. Mai 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Es besteht keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, anläßlich eines Antrags auf Verlängerung
der Berufungsbegründungsfrist die Einhaltung der Berufungsfrist zu prüfen.
BGH, Urt. v. 4. Mai 2001 - V ZR 434/00 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 1998 aufgehoben.
Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Rechtsstreit wird im übrigen zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs. Das Landgericht hat die Klage durch das der Klägerin am 19. März 1998 zugestellte Urteil vom 5. März 1998 abgewiesen. Die an das "OLG, Cecilienallee, Düsseldorf" adressierte Berufung der Klägerin ist am 24. April 1998 bei dem Berufungsgericht eingegangen. Auf Antrag vom 11. Mai
1998 ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Juni 1998 verlängert worden. An diesem Tag ist die Berufungsbegründung auch eingegangen. Mit am 2. Juli 1998 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung ihres Antrags hat sie ausgeführt: Die Berufungsschrift sei am 15. April 1998 gefertigt und am selben Tag gegen 17.10 Uhr in den Briefkasten eingeworfen worden. Der Briefkasten sei um 18.15 Uhr geleert worden. Die Postlaufzeit zum Oberlandesgericht Düsseldorf betrage einen Tag, bei unvollständiger Adressierung allenfalls drei Tage. Ihr Prozeßbevollmächtigter, Rechtsanwalt E., habe die Versäumung der Berufungsfrist bemerkt, als ihm die Handakten zur Fertigung der Berufungsbegründung erstmals nach dem 15. April 1998 am 18. Juni 1998 wieder vorgelegt worden seien.
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung durch Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Der Senat hat die Revision durch Urteil vom 15. Oktober 1999, V ZR 50/99, NJW 2000, 82, zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil vom 15. Oktober 1999 durch Beschluß vom 25. September 2000 aufgehoben.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint: Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei nicht innerhalb der Frist von § 234 Abs. 1 ZPO gestellt. Diese Frist habe am 11. Mai 1998 begonnen, als Rechtsanwalt E. den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unterschrieben habe. Bei dieser Gelegenheit habe er sowohl die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist als auch die Einhaltung der Berufungsfrist eigenverantwortlich prüfen müssen. Der Antrag sei auch nicht begründet, weil nicht festgestellt werden könne, daß die Berufungsschrift tatsächlich am 15. April 1998 zur Post gegeben worden sei.

II.


Die Revision hat auf der Grundlage der den Senat bindenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Erfolg.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichts rechtzeitig gestellt. Die in § 234 Abs. 1 ZPO bestimmte Frist beginnt gemäß § 234 Abs. 2 ZPO mit der Behebung des Hindernisses, das der Wahrung der Frist entgegensteht. Dem steht gleich, daß Umstände eingetreten sind, nach denen der Fortbestand des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (BGH, Beschl. v. 31. Januar 1990, VIII ZB 44/89, NJW-RR
1990, 830). Das ist hier erst für den Augenblick anzunehmen, in dem Rechtsanwalt E. am 18. Juni 1998 die Handakten zur Fertigung der Berufungsbegründung vorgelegt wurden und er das Fristversäumnis bemerkte.
Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Klägerin ist die Frist zur Berufungsbegründung im Hinblick auf die Fertigung der Berufungsschrift am 15. April 1998 im Büro des Prozeßbevollmächtigten zunächst auf den 15. Mai 1998 notiert worden. Nach Erhalt der Eingangsbestätigung des Berufungsgerichts hat die Angestellte von Rechtsanwalt E., Frau P., eine zuverlässige, erfahrene und stichprobenweise überprüfte Mitarbeiterin, die Notierung gelöscht und die Frist auf der Grundlage der Mitteilung des Oberlandesgerichts auf Montag, den 25. Mai 1998, mit Vorfrist auf den 18. Mai 1998 neu eingetragen, ohne daß sie die Versäumung der Berufungsfrist bemerkt hatte. Weil sie die Mitteilung des Oberlandesgerichts Rechtsanwalt E. entgegen einer allgemein erteilten Anweisung nicht zur Kenntnis gab und weisungswidrig auch die Handakte nicht vorlegte, brauchte dieser die Versäumung der Berufungsfrist in diesem Augenblick noch nicht zu bemerken. Dasselbe gilt für den Zeitpunkt, in dem ihm der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 11. Mai 1998 zur Unterschrift vorgelegt wurde. Daß er sich hierbei die Handakte nicht vorlegen ließ, aus der die Berufungsfrist, die Berufungsbegründungsfrist und die Notierung der Fristen im Kalender ersichtlich sein mußten, gereicht ihm für die Wahrung der Wiedereinsetzungsfrist nicht zum Vorwurf. Zwar hat der Rechtsanwalt bei fristwahrenden Prozeßhandlungen nach ständiger Rechtsprechung den Ablauf der Frist, deren Verlängerung beantragt wird, eigenverantwortlich auf der Grundlage der Handakte zu prüfen (BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827, 828; Beschl. v. 6. Juli 1994, VIII ZB 12/94, NJW 1994, 2831, 2832). Bei Unterzeichnung eines An-
trags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist muß aber die Einhaltung der Berufungsfrist nicht geprüft werden. Die Berufungsfrist ist zu dieser Zeit in aller Regel längst verstrichen. Der Ablauf der Berufungsfrist ist für die Frage der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne Bedeutung. Die Berufungsbegründungsfrist beginnt unabhängig von der Wahrung der Berufungsfrist mit der Einlegung der Berufung (§ 519 Abs. 1 2. Halbs. ZPO). Daher bedeutet es eine Überspannung der Sorgfaltsanforderungen, von einem Rechtsanwalt zu verlangen, daß er bei der Unterzeichnung eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch die Einhaltung der Berufungsfrist prüfen müsse (offengelassen BGH, Beschl. v. 22. Januar 1997, XII ZB 195/96, NJW-RR 1997, 759, 760). Damit kann aber nicht festgestellt werden, daß die Versäumung der Berufungsfrist bei der gebotenen Vorlage und Prüfung der Handakte anläßlich des Antrags vom 11. Mai 1998 von Rechtsanwalt E. bemerkt worden wäre.
Nachdem die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß verlängert worden war, wurden die Handakten Rechtsanwalt E. erstmals am Tag der im Hinblick auf die Fristverlängerung wiederum zur Fertigung der Berufungsbegründung neu notierten Vorfrist, dem 18. Juni 1998, vorgelegt. Nunmehr erkannte Rechtsanwalt E. die Versäumung der Berufungsfrist. Die damit beginnende Wiedereinsetzungsfrist ist durch den am 2. Juli 1998 beim Berufungsgericht eingegangenen Antrag gewahrt.

III.


Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Die Umstände, die zur Versäumung der Berufungsfrist geführt haben, sind nicht von der Klägerin zu vertreten.
Es ist davon auszugehen, daß die Berufungsschrift am 15. April 1998 gefertigt und an diesem Tag gegen 17.15 Uhr in den Briefkasten eingeworfen wurde. Die Berufungsbegründungsfrist wurde von Frau P. vorläufig auf den 15. Mai 1998 notiert. Das bestätigt die Fertigung der Berufungsschrift an diesem Tag. Weil sich die Klägerin nicht sicher war, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werden sollte, erfolgte die Einlegung der Berufung zunächst zur Fristwahrung. Neben der Berufungseinlegung schrieb Rechtsanwalt E. aus diesem Grund den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt B., am 15. April 1998 an und bat ihn, einstweilen von der Anzeige der Vertretung des Beklagten im Berufungsverfahren abzusehen. Nach dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 27. November 1998 hat Rechtsanwalt B. im Anschluß an den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Rechtsanwalt E. bestätigt, dessen Bitte vom 15. April 1998 am 16. April 1998 erhalten zu haben. Im Hinblick auf diese Umstände muß angenommen werden, daß nicht nur das Schreiben von Rechtsanwalt E. an Rechtsanwalt B. vom 15. April 1998, sondern auch die am selben Tage verfaßte Berufungsschrift noch am 15. April 1998 versandt worden ist. Eine Trennung der dieselbe Sache betreffenden Poststücke im Büro von Rechtsanwalt E. widerspräche jeder Erfahrung. Das reicht aus, die Überzeugung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des vorgetragenen Geschehensablaufs zu begründen. Mehr bedarf es nicht. Voll-
ständiger Beweis ist im Wiedereinsetzungsverfahren nicht zu verlangen (BGH, Beschl. v. 20. März 1996, VIII ZB 7/96, NJW 1996, 1682).
Ist der Versand rechtzeitig erfolgt, kommt es auf die vom Oberlandesgericht festgestellten Mängel der Organisation des Postausgangs im Büro von Rechtsanwalt E. nicht an, weil diese Mängel für die Versäumung der Berufungsfrist nicht ursächlich geworden sind. Die Mängel in der Angabe der Anschrift des Berufungsgerichts und die überlange Postlaufzeit stehen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Wiedereinsetzung nicht entgegen.
Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 128/00 Verkündet am:
9. Dezember 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 9. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 11. Mai 2000 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 41 08 789 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 18. März 1991 beruht, für die eine innere Priorität vom 17. Januar 1991 in Anspruch genommen worden ist. Das Streitpatent umfaßt 13 Patentansprüche. Die Patentansprüche 1 und 4 lauten (jeweils ohne Bezugszeichen):

"1. Temperatursensor mit einem Fühlergehäuse, welches ein als Pille ausgebildetes, seinen elektrischen Widerstand temperaturabhängig veränderndes, elektronisches Bauteil mit zwei Anschlußdrähten aufnimmt, wobei die Anschlußdrähte bis zu ihren jeweiligen Kontaktfahnen verlaufen und wobei das elektronische Bauteil außenseitig auf der Stirnfläche des Fühlergehäuses befestigt ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das elektronische Bauteil frei von einer das Bauteil umschließenden Isolationshülle ist und daß die Anschlußdrähte des Bauteils mit Abstand entlang der Außenseite des Fühlergehäuses verlaufen und in diesem Abstand von Abstandshaltern fixiert sind.
4. Temperatursensor nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das elektronische Bauteil frei auf der Stirnfläche des Fühlergehäuses sitzt."
Die Klägerin hält das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 und 4 für nicht patentfähig, weil es insoweit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Der Gegenstand des Patentanspruchs 4 sei außerdem gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert.
Das Bundespatentgericht hat auf die deshalb erhobene Patentnichtigkeitsklage das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 und 4 für nichtig erklärt.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und dem Antrag, unter Aufhebung des Urteils des Bundespatentgerichts die Nichtigkeitsklage abzuweisen.
Die Klägerin tritt diesem Begehren entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des , Prof. H. . Der gerichtliche Sachverständige hat seine schriftlichen Ausarbeitungen vom 28. November 2002 in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt. Die Beklagte hat ein Gutachten des Universitätsprofessors W. vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Streitpatent betrifft einen Fühler, mit dem die in einem Medium jeweils vorhandene Temperatur festgestellt und der - wie sich aus der in Sp. 2 Z. 3 der Beschreibung des Streitpatents angegebenen Zielrichtung ergibt - hierzu beispielsweise in einem Kraftfahrzeug eingesetzt werden kann. Das Gerät weist ein Gehäuse auf und mißt die Temperatur mittels eines elektronischen
Bauteils, das seinen elektrischen Widerstand temperaturabhängig verändert und als Pille ausgebildet ist. Die Streitpatentschrift schildert als bekannt, ein NTC-Element einzusetzen, das von Kunststoff ummantelt und im Fühlergehäuse untergebracht ist (Sp. 1 Z. 15 ff.). Das wird als nachteilig bezeichnet. Zwar werde das Element durch seine Anordnung im Fühlergehäuse schwingungsfest gehalten; die Fähigkeit, rasch auf sich verändernde Temperaturen im Medium anzusprechen, wie es beispielsweise bei Fühlern für den Luftstrom eines Turboladers erforderlich sei, sei jedoch nicht gegeben, weil wegen der Kunststoffummantelung das Element nicht unmittelbar dem Luftstrom ausgesetzt sei und außerdem zuviel Wärme vom Fühlergehäuse aufgenommen und abgeleitet werde.
Die Streitpatentschrift, die im Anschluß an diese Schilderung verschiedene vorbeschriebene Temperatursensoren benennt und deren Merkmale näher beschreibt, leitet hieraus die Forderung nach einer gattungsgemäßen Vorrichtung ab, die sich sowohl durch eine Schwingungsunempfindlichkeit, die sie zum Einsatz in Kraftfahrzeugen befähigt, als auch durch ein möglichst rasches Ansprechverhalten auszeichnet (Sp. 1 Z. 67 - Sp. 2 Z. 4). Außerdem soll sie - wie es in Sp. 2 Z. 4 f. weiter heißt - unabhängig von der Anströmrichtung des zu messenden Mediums montierbar sein.
2. Patentanspruch 1 des Streitpatents schlägt hierzu eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
1. Temperatursensor
2. mit einem Fühlergehäuse,
3. das ein elektronisches Bauteil aufweist.
4. Das elektronische Bauteil

a) verändert seinen elektrischen Widerstand temperaturabhängig ,

b) ist als Pille ausgebildet,

c) ist frei von einer es umschließenden Isolationshülle,

d) ist außenseitig auf der Stirnfläche des Fühlergehäuses befestigt,

e) hat zwei Anschlußdrähte.
5. Die Anschlußdrähte

a) verlaufen bis zu der jeweiligen Kontaktfahne,

b) verlaufen mit Abstand entlang der Außenseite des Fühlergehäuses ,

c) sind von Abstandshaltern in ihrem Abstand fixiert.

Das erwünschte Ansprechverhalten, was Temperaturveränderungen in dem zu messenden Medium betrifft, soll nach diesem Vorschlag in erster Linie durch die Merkmale 4 c und d sichergestellt werden. In Anbetracht der Merkmale 5 a und b sollen außerdem die beiden Anschlußdrähte genutzt werden können, um die gewünschte Dynamik zu erreichen. Gegenüber dem eingangs der Streitpatentschrift in allgemeiner Form als bisher bekannt geschilderten Stand der Technik bedeuten dabei die Merkmale 4 c und d eine Verlagerung der Pille vom Inneren des Fühlergehäuses nach außen auf eine Stirnfläche desselben sowie den Verzicht auf eine Ummantelung der Pille selbst. Damit ist - wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat - eine zusätzliche, unmittelbar auf die Oberfläche der Pille aufgebrachte Schicht gemeint , die als thermische Isolierung wirkt, wie es im Stand der Technik der Fall war, beispielsweise auch um sicherzustellen, daß die Pille gegen äußere chemische oder mechanische Einflüsse des Mediums geschützt sei. Wie der gerichtliche Sachverständige in Ergänzung seiner schriftlichen Ausführungen auf Nachfrage des Senats ferner angegeben hat, können etwa eine Gummihülle oder eine dicke Lackschicht, aber bei entsprechender Ausgestaltung auch eine elektrische Isolierung als thermische Isolationshülle wirken, die es patentgemäß zu vermeiden gilt. Die Pille selbst soll also in thermischer Hinsicht - wie sich der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten kurz und anschaulich ausgedrückt hat - praktisch nackt sein. In Kombination mit dem Ort, an dem sie befestigt ist, hat dies zur Folge, daß die Pille unmittelbar (vgl. Sp. 1 Z. 20 f.) dem Medium ausgesetzt ist.
Der Sinngehalt des Merkmals 4 c geht jedoch nicht dahin, auch Bauteile gänzlich wegzulassen, die dem Schutz der Pille oder der gesamten Vorrichtung gegen Beschädigungen während des Transports oder beim Einbau dienen. Dafür gibt der Wortlaut des Patentanspruchs 1 nichts her. Nach Patentanspruch 9 soll dessen Lehre vielmehr auch durch eine Vorrichtung mit Schutzbügel verwirklicht werden können, von denen nach Sp. 3 Z. 3 f. der Beschreibung auch mehrere vorhanden sein können, so daß sich ein Temperatursensor der Merkmale des Patentanspruchs 1 ergibt, der zusätzlich einen Schutzkäfig über der Pille aufweist. Aus der sich in Anbetracht der Merkmale 4 c und d ergebenden Notwendigkeit, daß die Pille unmittelbar dem Medium ausgesetzt ist, folgt deshalb lediglich die Forderung, bei Verwendung eines Schutzkäfigs hinreichend große Öffnungen in ihm vorzusehen, damit der Zutritt des Mediums und das Umströmen der Pille gewährleistet sind.
Zur Verbesserung des Ansprechverhaltens der Vorrichtung können nach Patentanspruch 1 - wie bereits erwähnt - außerdem die Anschlußdrähte genutzt werden. Das ist in Sp. 2 Z. 18 ff. der Beschreibung ausdrücklich angegeben. Wenn die Anschlußdrähte beispielsweise nach Maßgabe des Patentanspruchs 6 auch nur teilweise blank sind, trägt auch der Verlauf im Abstand von der Außenseite des Fühlergehäuses zur Vermeidung einer Beeinflussung des Meßergebnisses durch Wärmeabgabe an das Fühlergehäuse bei.
Für die notwendige Unempfindlichkeit gegen schädliche Schwingungen sorgen, was die Pille betrifft, deren mit Merkmal 4 d beanspruchte Befestigung auf dem Fühlergehäuse und, was die Anschlußdrähte betrifft, die Abstandshalter nach Merkmal 5 c. Hierdurch ist eine Fixierung von Pille und Anschluß-
drähten an dem Fühlergehäuse möglich, die trotz der beispielsweise bei Verwendung in einem Kraftfahrzeug von diesem und der Strömung des Mediums ausgehenden Kräften einen vorzeitigen Bruch der Anschlußdrähte und/oder eine vorzeitige Lösung der Pille von der Stirnfläche des Fühlergehäuses vermeidet. Die Patentansprüche 2 und 3 schlagen hierzu bevorzugte Mittel vor. Aus den Figuren wird aber ersichtlich, daß für die Befestigung auch allein dadurch gesorgt werden kann, daß die Pille formschlüssigen Kontakt mit der Stirnfläche des Gehäuses hat und ihr Lageort auf dem Gehäuse über die ihrerseits am Gehäuse fixierten Anschlußdrähte festgelegt ist.
Die Montierbarkeit der Vorrichtung unabhängig von der Anströmrichtung des zu messenden Mediums schließlich wird wiederum durch die Merkmale 4 c und d sowie die Merkmale 5 a und b erreicht. Hierdurch kann das Medium die Pille selbst bis auf den Bereich umströmen, mit dem diese auf dem Fühlergehäuse gehalten ist; die Anschlußdrähte können bis auf den Bereich, den die Abstandshalter beanspruchen, und gegebenenfalls einen Bereich, der isoliert ist, angeströmt werden. Das erlaubt, den Einbauort praktisch ohne Rücksichtnahme auf die Strömungsrichtung des Mediums auszuwählen. Wird ein Schutzkäfig verwendet, muß allerdings berücksichtigt werden, daß beispielsweise Bügelabschnitte das direkte Anströmen der Pille und der Anschlußdrähte durch das Medium beeinträchtigen können.
3. Mit Patentanspruch 1 des Streitpatents ist ein im Sinne des § 3 PatG neuer Gegenstand beansprucht. Keine Entgegenhaltung weist alle Merkmale dieses Anspruchs in der beanspruchten Kombination auf. Dies hat der gericht-
liche Sachverständige so gesehen; auch die Parteien streiten hierüber nicht. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb.
4. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG besteht jedoch, weil der Gegenstand von Patentanspruch 1 - wie es auch schon das Bundespatentgericht angenommen hat - dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt nahegelegt war.

a) Maßgeblicher Fachmann ist hier ein Diplomingenieur mit Fachhochschul - oder Universitätsabschluß, der vornehmlich Elektrotechnik studiert und Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung von Temperaturfühlern hat. Hierbei handelt es sich um ein komplexes Arbeitsgebiet, in dem Kenntnisse und Fähigkeiten von Maschinenbau- und Elektroingenieuren gleichermaßen gefordert sind. Der maßgebliche Fachmann hat sich deshalb die insoweit nötigen Erkenntnisse, soweit sie nicht bereits im Studium vermittelt wurden, während seiner Berufstätigkeit angeeignet oder arbeitet mit einem Kollegen auf dem Gebiet, auf dem er nicht studiert hat, interdisziplinär zusammen. Das entnimmt der Senat den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen , denen die Parteien nicht widersprochen haben.

b) Von einem Fachmann dieser Qualifikation kann ohne weiteres angenommen werden, daß er zum Prioritätszeitpunkt den Anforderungskatalog an Temperaturfühler kannte, dem auch das Streitpatent gerecht werden will. Bei dem Versuch, ein Gerät zu schaffen, das diesen Anforderungen trotz ihrer Unterschiedlichkeit jeweils weitgehend genügt, konnte er von Vorbildern im Stand der Technik ausgehen, bei denen jeweils bereits eine Anforderung in eine in-
soweit zufriedenstellende, wenn nicht gar insoweit optimale Lösung umgesetzt war. So war - worüber auch die Parteien nicht streiten - der Forderung nach einem möglichst raschen Ansprechen auf Temperaturveränderungen ersichtlich durch Vorrichtungen zu genügen, wie sie aus der deutschen Patentschrift 30 44 419 (Offenlegungstag 24.06.1982) oder aus der deutschen Patentschrift 31 34 166 (Offenlegungstag 10.03.1983) bekannt waren. Beide Schriften offenbaren gleichermaßen, ein seinen elektrischen Widerstand temperaturabhängig veränderndes elektronisches Bauteil in Form einer Pille allein mittels zwei recht langen Anschlußdrähten weit ab von den übrigen Teilen des ein Fühlergehäuse aufweisenden Meßgeräts zu halten. Wenn die Pille und die Anschlußdrähte von einer thermischen Isolationshülle nicht umschlossen sind, was nach beiden Schriften im Rahmen des Vorgeschlagenen liegt, kann das Medium, dessen Temperatur festzustellen ist, diese mithin nicht nur unmittelbar vermitteln; eine Verfälschung der Messung ist auch deshalb kaum möglich, weil Wärme an andere Teile der Vorrichtung allenfalls über die Anschlußdrähte selbst abgeleitet werden kann, die ihrerseits vom Medium umflossen werden. Nach dem Vorschlag in der deutschen Patentschrift 31 34 166 ist der Zutritt des Mediums zu der Pille und den Anschlußdrähten überdies nicht einmal durch eine Schutzvorrichtung gehindert. In der deutschen Patentschrift 30 44 419 wird zwar eine durchbrochene Schutzhülse vorgeschlagen. Nach Patentanspruch 1 dieser Schrift soll sie aber Durchbrüche aufweisen, die einen freien Zutritt des Meßmediums zur Pille erlauben. Nach der Darstellung in den Figuren 1 und 3 dieser Schrift sind dadurch auch die Anschlußdrähte bis zu ihren Anschlußfahnen für das Medium zugänglich.

c) Die durch die beiden Entgegenhaltungen dokumentierten Vorbilder, die mithin eine Vorrichtung mit den Merkmalen 1, 2, 3, 4 a, b, c, e und 5 a of- fenbarten, mußten aus fachlicher Sicht jedoch als kritisch erscheinen, was ihre Fähigkeit anbelangt, den Schwingungen standzuhalten, mit denen beim Einsatz in einem Kraftfahrzeug infolge dessen Bewegung und des Schwingungsverhaltens seiner Teile und bei einem strömenden Medium zusätzlich infolge der von der Strömung ausgehenden Kräfte zu rechnen ist. Wie das Anbringungsbeispiel in Fig. 4 der deutschen Patentschrift 31 34 166 zeigt, kann der vom Medium ausgehenden Gefahr zwar durch Anbringung längs des Mediumstroms Rechnung getragen werden. Kam aber noch die Forderung nach Montierbarkeit unabhängig von der Anströmrichtung des zu messenden Mediums hinzu, war für einen Fachmann klar, daß wegen der weiten Entfernung der Pille von dem Gehäuse und der örtlichen Festlegung der Pille unmittelbar im Medium allein durch zwei Anschlußdrähte eine Vorrichtung nach besagten Vorbildern einer Bruchgefahr unterlag.

d) Einer schwingungsbedingten Zerstörung eines derartigen Meßgeräts mag durch ausreichende Verstärkung der Anschlußdrähte selbst zu begegnen gewesen sein. Das rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, daß lediglich eine derartige Maßnahme nahegelegt gewesen sei. Angesichts der Ausbildung des hier maßgeblichen Fachmanns, die gerade nicht darauf ausgerichtet ist, nur nächstliegende Schritte zu ermöglichen, sondern zu möglichst allen tauglichen Gestaltungen befähigen soll, kann - wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage bestätigt hat - vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Fachmann sich auch damit beschäftigte, ob und gegebenenfalls wie im Stand der Technik der Anforderung nach ausreichender Schwingungsunempfindlichkeit
auf andere Weise Rechnung getragen wurde. Das führte den Fachmann zu dem Stand der Technik, bei dem eine sichere schwingungsfreie Festlegung des/der messenden Bauteile durch formschlüssige Anlage am Gehäuse verwirklicht ist. Zu diesem Stand der Technik gehört auch das deutsche Gebrauchsmuster 88 04 01 (Tag der Bekanntmachung 31.08.1989).
Eine dort näher beschriebene und in den Figuren abgebildete Ausführungsform hat ein als Pille ausgebildetes, seinen elektrischen Widerstand temperaturabhängig veränderndes elektronisches Bauteil, das an der Stirnfläche eines nach vorne wegragenden Teils (Stempels) des dort aus sog. Isolierteil und sog. Grundkörper bestehenden Gehäuses innerhalb einer es umgebenden Sicherungshülse festgelegt ist, die das Gehäuse nach vorne hin ergänzt. Darin beschränkt sich der Offenbarungsgehalt dieser Schrift jedoch nicht. Ausweislich Anspruch 3 lehrt diese Schrift den Fachmann nämlich auch einen Temperaturfühler der Merkmale 1, 2, 3, 4 a, b, e und 5 a, bei dem das Bauteil außerhalb des Grundkörpers angeordnet ist (vgl. Merkmal 4 d). Dabei umfaßt dieser Vorschlag auch eine schutzhülsenlose Vorrichtung (vgl. Merkmal 4 c), weil eine Schutzhülse erst mit den Ansprüchen 4 und 5, also gleichsam als Ergänzung der Lösungen nach den vorhergehenden Ansprüchen beansprucht ist. Wie eine schutzhüllenlose Anordnung des elektronischen Bauteils außerhalb des Gehäuses aussehen kann, erfuhr der Fachmann durch das deutsche Gebrauchsmuster schließlich ebenfalls. Dessen Zeichnungen konnte er nämlich entnehmen, daß bei Weglassen der Schutzhülse die Pille jedenfalls über die beiden Anschlußdrähte an der Stirnfläche des Stempels gehalten ist, der sich als Teil des ansonsten aus Isolierteil und Grundkörper bestehenden Gehäuses axial nach vorne wegragend erstreckt.


e) Eine solche Gestaltung kann ohne weiteres auch bei dem aus den deutschen Patentschriften 30 44 419 und 31 34 166 bekannten Vorbild einge- setzt werden und führt auch dort ohne Verstärkung der Anschlußdrähte zu einer deutlichen Stabilisierung. Da es keinen durchgreifenden Zweifeln unterliegt , daß seine Ausbildung und Erfahrung den hier maßgeblichen Fachmann befähigten, das zu erkennen, rechtfertigt dies die Überzeugung, daß es im Streitfall nahelag, diese Gestaltung zu übernehmen, also die Pille nicht ausschließlich mittels der Anschlußdrähte zu halten, sondern - wie in Patentanspruch 1 vorgeschlagen - auf der Stirnfläche eines zum Gehäuse gehörenden Vorrichtungsteils zu lagern und dort festzuhalten. Diese Anbringung schafft zwar einen unmittelbaren Kontakt zwischen Pille und Gehäuse, was die Gefahr der Ableitung von Wärme ins Gehäuse mit sich bringt und im Vergleich zu dem aus den beiden deutschen Patentschriften ersichtlichen Vorbildern insoweit einen Rückschritt bedeutet. Dieser Rückschritt konnte und mußte jedoch hinnehmbar erscheinen angesichts der geringen Auflagefläche, die sich bei Verwendung einer Pille als messendes Bauteil und eines Stempels als Gehäuseteil verwirklichen läßt.
Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen anläßlich seiner Anhörung bestätigen das. Denn danach ist das Ansprechverhalten bekanntermaßen zwar von der Oberfläche des oder der messenden Bauteile abhängig. In dem Bereich der Technik, in dem die patentgemäße Vorrichtung eingesetzt werden soll, ist jedoch nicht etwa eine so weitgehende Dynamik von Nöten, daß es dem Fachmann nicht mehr hinnehmbar erschiene oder sich gar verböte , daß die Pille auch nur bereichsweise einen formschlüssigen Kontakt zu dem
Gehäuse der Vorrichtung hat. Der Fachmann mußte also lediglich Sorge tragen , daß möglichst viel freie Oberfläche der Pille als unmittelbar anströmbare Fläche verbleibt. Dabei handelt es sich jedoch um eine handwerkliche Maßnahme.

f) Was schließlich den Verlauf der Anschlußdrähte bei der sich hiernach ergebenden Vorrichtung anbelangt, war in Anbetracht der aus den beiden deutschen Patentschriften bekannten Vorbilder ohne weiteres einsichtig, daß insoweit ein freier Verlauf ohne Berührung des Stempels aus Gründen der gewünschten Dynamik vorzugswürdig war. Die deutsche Patentschrift 30 44 419 betont in Sp. 2 Z. 63 ff. die möglichst berührungslose Führung der Anschlußdrähte ; die deutsche Patentschrift 31 34 166 weist in Sp. 2 Z. 35 ff. darauf hin, einen Wärmefluß vom und zum Meßelement, zu und von dem Gehäuse bzw. dem elektrischen Anschluß sicher zu unterbinden. Der gerichtliche Sachverständige hat überdies keine Zweifel daran gelassen, daß gerade auch eine freie Zugänglichkeit der Oberfläche der Anschlußdrähte für das zu messende Medium als eine - wie er sich ausgedrückt hat - relevante Größe für die Dynamik eines Temperaturfühlers dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt bekannt gewesen ist. Deren Nutzung auch bei einer in formschlüssigem Kontakt zu der Stirnfläche des Gehäuses angeordneten Pille war unter diesen Umständen nahegelegt.
Dem steht nicht entgegen, daß das deutsche Gebrauchsmuster lediglich in allseits umschlossenen Räumen verlaufende, dem Medium selbst nirgends zugängliche Anschlußdrähte zeigt und beansprucht. Zum einen hat das bei diesem Vorschlag seinen ersichtlichen Grund in dem Zweck, eine insgesamt
abgedichtete Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die insbesondere zur Temperaturmessung in Flüssigkeiten eingesetzt werden kann. Wo dies, wie etwa bei zur Messung der Temperatur von Luft verwendeten Fühlern, nicht erforderlich ist, konnte sich hieraus mithin kein Hinderungsgrund ergeben, bei einer Ausführung, welche die Anlage der Pille an einer Stirnfläche des Gehäuses nach Maßgabe des aus dem deutschen Gebrauchsmuster bekannten Vorbild nutzt, den aus den beiden deutschen Patentschriften bekannten freien Verlauf der Anschlußdrähte beizubehalten, der anspruchsgemäß mit den Worten umschrieben ist, daß die Anschlußdrähte mit Abstand entlang der Außenseite des Fühlergehäuses verlaufen. Zum anderen gab es auch im Stand der Technik, der auf eine an der Stirnfläche des Gehäuses anliegende Pille als elektronisches Bauteil setzt, jedenfalls mit der deutschen Offenlegungsschrift 36 20 246 (Offenlegungstag 23. 12. 1987) einen Vorschlag, nach dem die Anschlußdrähte , über welche die elektrische Verbindung der Pille zu den Kontaktfahnen hergestellt wird, nicht ausschließlich innerhalb eines der Vorrichtungsteile verlaufen , die das Gehäuse bilden. Nach diesem Vorschlag ragen nämlich die von dem als Pille ausgebildeten elektronischen Bauteil kommenden Anschlußdrähte über die Bohrungen hinaus, in denen sie durch den zum Gehäuse gehörenden Träger geführt sind, an dessen Stirnfläche das beispielsweise aus einem NTC-Widerstand bestehende elektronische Bauteil gehalten ist. Über die Länge, mit der die Anschlußdrähte aus den Bohrungen herausragen, damit sie an mehreren Stellen punktförmig von einer Spiralfeder erfaßt und über sie das elektronische Bauteil auf die Stirnfläche des Trägers gezogen werden kann, können die Anschlußdrähte also von dem entlangströmenden Medium unmittelbar angeströmt werden. In der Beschreibung dieser Offenlegungsschrift (Sp. 2 Z. 41 f.) ist dementsprechend auch der NTC-Widerstand zusammen mit sei-
nen Anschlußdrähten als der Meßwertgeber dieser Vorrichtung bezeichnet. Daß hierdurch bereits eine Vorrichtung mit an der Stirnfläche des Gehäuses anliegender Pille bekannt war, bei der auch die Anschlußdrähte wegen ihrer bereichsweisen unmittelbaren Zugänglichkeit für das strömende Medium die Dynamik in positivem Sinne mitbestimmen, die mit dieser Vorrichtung erreichbar ist, hat der gerichtliche Sachverständige bestätigt. Dann aber kann auch nicht etwa angenommen werden, daß der hier maßgebliche Fachmann abgehalten gewesen sei, Merkmal 5 b aufzufinden und im Rahmen des bereits erörterten Konstruktionsvorschlags zu nutzen, weil die aus dem deutschen Gebrauchsmuster ersichtliche Führung der Anschlußdrähte als gleichsam zu der dort offenbarten Art der Pillenbefestigung gehörig erschien.

g) Die Notwendigkeit einer erfinderischen Tätigkeit könnte unter diesen Umständen nur noch darin gesehen werden, daß der patentgemäße Vorschlag zusätzlich verlangt, daß die Anschlußdrähte von Abstandshaltern im Abstand fixiert sind. Auch diese zusätzliche Gestaltung muß jedoch angesichts der qualifizierten Ausbildung und Erfahrung des hier maßgeblichen Fachmanns als naheliegend eingestuft werden. Über eine längere Strecke frei verlaufende Drähte sind bekanntermaßen anfällig. Vor allem Schwingungen können ihnen gefährlich werden. Eine Gegenmaßnahme ist es, die Strecke des freien Verlaufs zu verkürzen, was beispielsweise durch zwischen Anfangs- und Endpunkt angeordnete Mittel geschehen kann, die den Draht abstützen und dadurch fixieren. Hierbei handelt es sich um eine in vielen Bereichen der Technik geläufige Maßnahme. Fixierende Abstandshalter, wie sie mit dem Merkmal 5 c beansprucht sind, in Betracht zu ziehen, kann damit auch im Streitfall nicht als ein besonderer Schritt angesehen werden, der erfinderische Tätigkeit voraussetz-
te. Im Falle der Weiterentwicklung des aus den beiden deutschen Patent- schriften bekannten Stands der Technik mußte der Fachmann zwar ebenfalls mitberücksichtigen, daß durch derartige Mittel weiterer zur Ableitung von Wärme geeigneter Kontakt zu dem Gehäuse geschaffen werde. Die Kontaktflächen lassen sich durch geeignete Gestaltung, die im Fachkönnen des hier maßgeblichen Fachmanns liegt, aber auch insoweit so gering halten, daß auch deswegen keine durchgreifenden Zweifel an der Auffindbarkeit der patentgemäßen Lösung angebracht sind.

h) Die vorstehende Würdigung wird durch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Gegen die auch von ihm getroffene Feststellung, daß angesichts des Stands der Technik Patentanspruch 1 eine erfinderische Tätigkeit nicht zugrunde liege, spricht nicht, daß es nach Meinung des Sachverständigen verschiedene Möglichkeiten gab, den in der Streitpatentschrift genannten Forderungen an einen Temperaturfühler gerecht zu werden. Hierdurch kommt die Komplexität des hier interessierenden Gebiets der Technik zum Ausdruck. Mit ihr zurechtzukommen, war Inhalt der Tätigkeit, der sich der hier maßgebliche Fachmann üblicherweise stellen mußte. Eine große Variantenbreite möglicher Alternativen gehörte deshalb ebenfalls zu den Schwierigkeiten, die er mit Hilfe seines Fachwissens und -könnens zu meistern vermochte. Dies gilt - wie ausgeführt - gleichermaßen für eine geschickte Anordnung und Befestigung mit nur geringen Kontakten zur Halterkonstruktion, in welcher der von der Beklagten herangezogene Privatgutachter Prof. W. eine besondere Leistung zu erkennen glaubt. Soweit Prof. W. in dem Vorschlag einer ungeschützten Meßstelle etwas Schutzwürdiges gesehen hat, steht sein Gutachten der getroffenen Entscheidung
ebenfalls nicht entgegen, weil Patentanspruch 1 auch Ausführungsformen um- faßt, die einen Schutzbügel bzw. eine Art Käfig zum Schutz der Pille und der Anschlußdrähte aufweisen.
4. Der ferner angegriffene Patentanspruch 4 hat ebenfalls keinen Bestand.
Er konkretisiert das Merkmal 4 c dahin, daß das elektronische Bauteil
4. c) (1) frei auf der Stirnfläche des Fühlergehäuses sitzt.
In Sp. 2 Z. 40 der Beschreibung des Streitpatents ist dieses Merkmal zwar dahin erläutert, daß das Bauteil so allseitig von dem zu messenden Medium umströmbar ist. Angesichts der Zielsetzung des Streitpatents und der in der Streitpatentschrift enthaltenen Zeichnungen bedeutet das dem Fachmann freilich nicht, daß ein Anliegen der Pille an der Stirnseite des Gehäuses gänzlich entfällt. Ein solches Anliegen ist in den Figuren nämlich gezeigt und auch notwendig , weil ansonsten die nach Merkmal 4 c erforderliche definierte Festlegung nicht garantiert wäre. Merkmal 4 c (1) ist mithin Ausdruck des bereits erwähnten naheliegenden Strebens, den Kontakt zwischen Pille und Gehäuse möglichst gering zu halten.
Die vorstehenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit gelten mithin auch in Ansehung des Patentanspruchs 4. Ob der insoweit weiter geltend gemachte Nichtigkeitsgrund besteht, kann unter diesen Umständen dahinstehen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.