Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2010 - IV ZR 172/09

bei uns veröffentlicht am21.04.2010
vorgehend
Landgericht Aurich, 2 O 1318/06, 22.08.2008
Oberlandesgericht Oldenburg, 3 U 38/08, 01.07.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 172/09
vom
21. April 2010
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 21. April 2010

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 1. Juli 2009 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 132.935,88 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich auf die Rückzahlung angeblich gewährter Darlehen aus den Jahren 1987, 1988 und 1990 über zweimal je 100.000 DM und einmal 160.000 DM in Anspruch genommen. Im Berufungs- und Revisionsverfahren sind nur noch die beiden Darlehen aus 1988 und 1990 über 100.000 DM und 160.000 DM im Streit.
2
Die Beklagte und der Geschäftsführer der Klägerin waren von 1973 bis 1998 miteinander verheiratet. Die Klägerin ist im Zentralheizungsund Lüftungsbau tätig, die Beklagte betreibt auf J. zwei Pensionshäuser. Aus einem schriftlichen Darlehensvertrag vom 29. Juli 1987 ergibt sich, dass die Klägerin der Beklagten ein Darlehen von 100.000 DM zu 7% Zinsen mit einer Rückzahlung zum 31. Juli 1992 gewährt hat. Für die beiden streitigen Darlehen aus 1988 und 1990 existieren keine schriftlichen Darlehensverträge. Am 5. Juni 1990 wurden von einem Konto der Klägerin 160.000 DM unter Wertstellung zum 6. März 1990 abgebucht und am selben Tag einem Konto der Beklagten gutgeschrieben. Ebenfalls am 5. Juni 1990 wurden vom Konto der Beklagten - wiederum unter Wertstellung zum 6. März 1990 - 155.915,85 DM abgebucht und am selben Tag wiederum dem Konto der Klägerin gutgeschrieben. In den von der Beklagten unterzeichneten Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 1995 und zum 31. Dezember 1998 sind die drei Darlehen gegenüber der Klägerin über insgesamt 360.000 DM jeweils als "sonstige Verbindlichkeiten" aufgeführt. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2002 kündigte die Klägerin die Darlehen und verlangte Rückzahlung zum 20. Januar 2003.
3
Landgericht Das hat zur Frage der Darlehensgewährung Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Mit Urteil vom 22. August 2008 hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 132.935,88 € nebst anteiliger Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hierbei hat es als bewiesen angesehen, dass die Klägerin der Beklagten die drei Darlehen gewährt hat. Hinsichtlich des Darlehens aus 1987 hat es die Klage lediglich wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat es nicht wiederholt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass sie der Beklagten die Darlehen aus 1988 und 1990 gewährt habe. Sie habe keinen konkreten Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich der Abschluss entsprechender Verträge unmittelbar ergebe. Vor dem Hintergrund, dass nur für 1987 ein schriftlicher Vertrag existiere, reichten auch die übrigen Indizien nicht aus. Die Unterzeichnung der Jahresabschlüsse durch die Beklagte genüge hierfür nicht. Unerheblich sei auch, dass die Darlehensverträge bei einem Klärungsgespräch anlässlich der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Beklagten und des Geschäftsführers der Klägerin nicht im Streit gewesen seien. Das lasse sich auch dann erklären , wenn die Verträge nur fingiert worden seien, um günstige Steuertatbestände zu schaffen. Auch sei es möglich, dass es wegen der Verluste des Pensionsbetriebes der Beklagten zu Zahlungen der Klägerin als Zuschüsse gekommen sei, die als Darlehen bezeichnet worden seien. Der Zeuge T. habe hinsichtlich des Abschlusses der Darlehensverträge und der Zahlungsflüsse auch keine unmittelbare Wahrnehmung gehabt. Bezüglich der durch Kontobelege erwiesenen Zahlung von 160.000 DM im Jahr 1990 sei die Indizwirkung für eine Darlehensgewährung schon deshalb erschüttert, weil noch am selben Tag ein Betrag von annähernd 156.000 DM wieder auf das Konto der Klägerin zurückgeflossen sei.
4
Die II. Abweisung der Klage durch das Berufungsgericht ohne Wiederholung der Beweisaufnahme verletzt den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise.
5
1. a) Grundsätzlich steht es zwar im Ermessen des Berufungsgerichts , ob es einen in erster Instanz vernommenen Zeugen erneut ver- nehmen will. Dieses Ermessen unterliegt indessen Einschränkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es erforderlich , Zeugen erneut zu vernehmen, wenn das Berufungsgericht protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder werten will (BGHZ 158, 269, 272 f.; Senatsbeschluss vom 5. April 2006 - IV ZR 253/05 - VersR 2006, 949 unter 1; BGH, Urteile vom 17. Dezember 2002 - XI ZR 290/01 - BGH-Report 2003, 453 unter II 1 a; vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00 - NJW-RR 2002, 1500 unter II 1; vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 10/97 - NJW 1998, 385 unter II 1 c; vom 30. September 1992 - VIII ZR 196/91 - NJW 1993, 64 unter II 2 a). Hat das erstinstanzliche Gericht über streitige Äußerungen und die Umstände, unter denen sie gemacht worden sind, Zeugen vernommen und ist es aufgrund einer Würdigung der Aussage zu einem bestimmten Ergebnis gekommen, so kann das Berufungsgericht diese Auslegung nicht ohne weiteres verwerfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen, ohne zuvor die Zeugen gemäß § 398 Abs. 1 ZPO selbst vernommen zu haben (Senatsurteil vom 5. April 2006 aaO). Zwar ist es dem Berufungsgericht nicht grundsätzlich verwehrt, die Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen ohne dessen wiederholte Vernehmung entgegen der Würdigung des Erstrichters für nicht zur Beweisführung ausreichend zu erachten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich nicht auch insoweit die Pflicht zur erneuten Vernehmung aus Zweifeln über die Vollständigkeit und Richtigkeit der protokollierten Aussage gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergibt.
6
b) Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es insbesondere die als Zeugen vernommenen Steuerberater T. und L. nicht erneut vernommen hat. Diese haben übereinstimmend angegeben, es habe anlässlich der Krise der Ehe zwischen der Beklagten und dem Geschäftsführer der Klägerin ein Klärungsge- spräch bezüglich der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung gegeben. Dabei seien die Darlehen unstrittig gewesen bzw. für die weitere Berechnung ungeprüft zugrunde gelegt worden. Soweit das Berufungsgericht ausführt, der Zeuge T. habe nach seinen Angaben der Besprechung nicht bis zu ihrem Ende beigewohnt, ist dies nicht geeignet, Zweifel an seiner Aussage zu wecken, da weder festgestellt ist, noch es sich aus dem sonstigen Streitstoff ergibt, dass nach dem Weggang des Zeugen T. die Parteien uneinig über den Bestand der Darlehen geworden wären. Soweit das Berufungsgericht weiter meint, die unbeanstandete Einführung der Darlehensverträge in die Verhandlungen lasse sich auch dann erklären, wenn sie nur fingiert worden seien, um günstige Steuertatbestände zu schaffen, beruht dies nicht auf entsprechenden Feststellungen. Ohne konkrete Anhaltspunkte durfte das Berufungsgericht nicht erwägen, bei den Darlehen habe es sich nur um Scheingeschäfte gehandelt. Ebenso wenig steht die vom Berufungsgericht weiter aufgeführte Möglichkeit fest, zu den Geldflüssen sei es gekommen, weil der Pensionsbetrieb der Beklagten Verluste erwirtschaftet habe und durch als Darlehen bezeichnete Zuschüsse der Klägerin hätten ausgeglichen werden sollen. Aus dem Prozessstoff ergibt sich an keiner Stelle, dass Zahlungen der Klägerin als verlorene Zuschüsse und nicht lediglich als Darlehen behandelt werden sollten.
7
Hinzu kommen weitere Umstände, die es nicht ohne erneute Vernehmung der Zeugen rechtfertigen, vom Nichtbestehen der Darlehen auszugehen. So hat der Zeuge T. angegeben, bei Beginn seiner Tätigkeit 1992/1993 seien in bereits vorhandenen Bilanzen der Vorjahre für den Pensionsbetrieb der Beklagten die Darlehen ausgewiesen worden. Diese sind dann auch in die Bilanzen 1992 bis 1994 eingestellt worden. Gleiches gilt für die Jahresabschlüsse 1995 und 1998, die von der Beklagten persönlich unterzeichnet wurden. Zwar bedeutet die Unterzeichnung des Jahresabschlusses durch den Kaufmann nach § 245 HGB kein Schuldanerkenntnis zugunsten der in der Bilanz erfassten Gläubiger (BGH, Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 264/07 - WM 2009, 986 Tz. 15; Koller/Roth/Morck, HGB 6. Aufl. § 245 Rdn. 4; Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB [2001] § 245 Rdn. 1). Gleichwohl begründen derartige formal bewiesene Erklärungen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die in der urkundlichen Erklärung bezeugten Tatsachen oder Vorgänge der Wirklichkeit entsprechen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 3 U 127/06 - juris unter II 1). Es ist auch nicht festgestellt, dass die Aufnahme dieser Darlehensverbindlichkeit in die Bilanzen gegen oder ohne den Willen der Beklagten geschehen wäre. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte ferner Zinsverbindlichkeiten aus den Darlehen steuerrechtlich als Betriebsausgaben geltend gemacht. Der Zeuge L. hat hierzu bekundet, er habe für Zinsflüsse zwar keine Unterlagen gefunden. Er habe den Sachverhalt so verstanden , dass fällige Zinsen mit Leistungen der Einzelfirma der Beklagten an die Klägerin, nämlich Beköstigung von deren Mitarbeitern, verrechnet worden seien. Hierauf ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
8
Soweit das Berufungsgericht weiter ausgeführt hat, der Zeuge T. habe im Hinblick auf den Abschluss der Darlehensverträge keine unmittelbare Wahrnehmung gehabt, so ist zwar richtig, dass er seine Tätigkeit erst nach dem Abschluss der behaupteten Darlehensverträge aufnahm. Der Zeuge hat indessen bekundet, er habe in den Unterlagen bei der Klägerin zwei Verträge gefunden, die auch in den Bilanzen des Pensionsbetriebs der Beklagten aufgeführt worden seien. Ferner habe er den Überweisungsträger über die Zahlung eines Darlehensbetrages gesehen. Wenn der Zeuge dann angegeben hat, die Darlehen seien real geflossen und keine steuerlichen Konstrukte gewesen, weil dies bei einer Betriebsprüfung sofort aufgefallen wäre, konnte das Berufungsgericht diese Aussage des Zeugen nicht ohne weiteres beiseite lassen, ohne ihn erneut zu vernehmen. Der vom Berufungsgericht weiter herangezogene Umstand, der schriftliche Darlehensvertrag aus 1987 sei kein Indiz für den Abschluss weiterer Verträge 1988 und 1990, weil zwischen Fälligkeit und Kündigung des Darlehens zehn Jahre vergangen seien, berücksichtigt schließlich nicht hinreichend, dass es sich der Sache nach um ein Darlehen im familiären Bereich handelt, bei dem es keineswegs außergewöhnlich ist, dass auch nach dessen Fälligkeit nicht sofort auf Rückzahlung bestanden wird.
9
Die 2. unterlassene Wiederholung der Beweisaufnahme verletzt auch deshalb den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör, weil es mit seiner Begründung, diese habe keinen konkreten Sachverhalt vorgetragen , aus dem sich der Abschluss entsprechender Darlehensverträge unmittelbar ergebe, zum einen die Anforderungen an die Substantiierungslast der Klägerin überspannt und zum anderen nicht alle maßgeblichen Indizien in seine Beurteilung mit einbezogen hat. Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht in ihrer Person als entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden (Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 152/08 - juris unter II 2; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - NJW-RR 2007, 1409 Tz. 8; Urteil vom 18. März 2003 - X ZR 19/01 - BGHR ZPO § 138 Abs. 1 Darlegungslast 19 (Gründe) unter 2 f). Hier hat die Klägerin den Abschluss von drei Darlehensverträgen in den Jahren 1987, 1988 und 1990 über zweimal 100.000 DM und einmal 160.000 DM mit der Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt, was bereits für die Substantiierung ihres Vortrages hinreichend war. Hinzu kommt, dass die Klägerin darüber hinaus den Darlehensvertrag aus 1987 und den Überweisungsträger aus 1990 vorgelegt hat. Weitere Indizien haben sich ferner aus der Aussage des Zeugen T. ergeben, die die Klägerin sich zu Eigen gemacht hat. So hat der Zeuge ausgesagt, der Betrieb der Beklagten habe sich wenig gerechnet und es seien Bankschulden in einer Größenordnung von fast 1 Mio. DM passiviert worden. Die von der Klägerin gewährten Darlehen seien deshalb notwendig gewesen, um die Einzelfirma der Beklagten wirtschaftlich am Leben zu erhalten. Wegen dieser Darlehen habe er später auch an konkreten Verhandlungen mit der Bank der Beklagten zur Durchführung von Umschuldungen teilgenommen. Diese Umschuldung sei 2000 bis 2002 tatsächlich durchgeführt worden. Ursprünglich sei sogar noch daran gedacht worden, einen Teil der Beträge der Klägerin zufließen zu lassen, was dann aber nicht erfolgt sei. Eine Bewertung dieses Teils der Aussage des Zeugen T. fehlt im Berufungsurteil.
10
3. Dem Erfordernis einer Wiederholung der Beweisaufnahme stehen auch nicht die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den im Jahr 1990 erfolgten Überweisungen vom Konto der Klägerin auf dasjenige der Beklagten und umgekehrt entgegen. Zunächst ergibt sich aus den vorgelegten Kontounterlagen, dass am 5. Juni 1990 ein Betrag von 160.000 DM vom Konto der Klägerin auf ein Konto der Beklagten überwiesen wurde. Der Umstand, dass rückwirkend eine Wertstellung zum 6. März 1990 erfolgte, ist nach der Aussage des Zeugen B. zwar nicht an der Tagesordnung, komme aber vor, um entsprechende Zinsgutschriften bzw. -belastungen zu erreichen. Soweit dann am selben Tag vom Konto der Beklagten auf das Konto der Klägerin ein Betrag von 155.915,85 DM zurück überwiesen wurde, kann hieraus nicht ohne weiteres auf eine fehlende Darlehensgewährung geschlossen werden. Die Klägerin hat den Nachweis für die Zahlung der 160.000 DM durch den Überweisungsträger geführt und aus der Aussage des Zeugen T. sowie der Aufnahme dieses Betrages in die Bilanz des Betriebes der Beklagten ergeben sich Indizien dafür, dass es sich bei dieser Zahlung um ein Darlehen handeln könnte. Demgegenüber wäre es Sache der Beklagten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass es sich lediglich um ein Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB handelte. Da grundsätzlich von der Ernstlichkeit rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen auszugehen ist, trägt für das Vorliegen eines Scheingeschäfts derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft (BGH, Urteile vom 9. Juli 1999 - V ZR 12/98 - NJW 1999, 3481 unter II 2; vom 8. Juni 1988 - VIII ZR 135/87 - NJW 1988, 2597 unter II 2). Derartige Feststellungen für das Vorliegen eines Scheingeschäfts hat das Berufungsgericht nicht getroffen , sondern nur Vermutungen angestellt, die Darlehensverträge könnten fingiert worden sein, um günstige Steuertatbestände zu schaffen. Da die Zahlung der 155.915,85 DM vom Konto der Beklagten veranlasst wurde, ist es überdies ihre Sache zunächst darzulegen, welchen Hintergrund diese Überweisung hat. Sie kann sich nicht lediglich mit Nichtwissen erklären (§ 138 Abs. 4 ZPO). Zwar hatte auch der Geschäftsführer der Klägerin Vollmacht über das Konto der Beklagten. Es steht indessen nicht fest, dass diese Überweisung durch ihn und nicht durch die Beklagte veranlasst wurde. Nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann die Möglichkeit, dass es sich um Verbindlichkeiten des Betriebes der Beklagten gegenüber der Klägerin handelt, die diese für sie erbracht hat. Immerhin sind in den Bilanzen des Betriebes der Beklagten seit 1992 neben den Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin weitere Verbindlichkeiten dieser gegenüber in erheblicher Größenordnung aufgeführt.
Terno Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Aurich, Entscheidung vom 22.08.2008 - 2 O 1318/06 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 01.07.2009 - 3 U 38/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2010 - IV ZR 172/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2010 - IV ZR 172/09

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2010 - IV ZR 172/09 zitiert 9 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 117 Scheingeschäft


(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig. (2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdec

Zivilprozessordnung - ZPO | § 398 Wiederholte und nachträgliche Vernehmung


(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen. (2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Proze

Handelsgesetzbuch - HGB | § 245 Unterzeichnung


Der Jahresabschluß ist vom Kaufmann unter Angabe des Datums zu unterzeichnen. Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so haben sie alle zu unterzeichnen.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 253/05
vom
5. April 2006
in dem Rechtsstreit
IV. Zivilsenat Der des Bundesgerichtshofes hat am 5. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die
Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch

beschlossen:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. September 2005 wird zugelassen. Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 51.129,18 €

Gründe:


1
Der Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG durch rechtsfehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Auf dieser Verletzung beruht das angefochtene Urteil.
2
1. Bestehen aus Sicht des Berufungsgerichts Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, sind die Eingangsvoraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegeben. Es sind erneute Feststellungen geboten, wobei die eigenständige Würdigung der in erster Instanz erhobenen Beweise durch das Berufungsgericht bereits eine solche erneute Tatsachenfeststellung darstellt. Die Frage, ob und inwieweit das Berufungsgericht im Zuge dieser erneuten Tatsachenfeststellung zu einer Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme verpflichtet ist, beantwortet sich nach den von der Rechtsprechung schon zum bisherigen Recht entwickelten Grundsätzen (BGHZ 158, 269, 272 f., 274 f.). Nach alter Rechtslage war es erforderlich , Zeugen erneut zu vernehmen, wenn das Berufungsgericht protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder werten wollte (BGH, Urteile vom 22. Mai 2002 - VIII ZR 337/00 - NJW-RR 2002, 1500 unter II 1; vom 17. Dezember 2002 - XI ZR 290/01 - BGH-Report 2003, 453 unter II 1 a und b; vom 28. November 1995 - XI ZR 37/95 - WM 1996, 196 unter III 3). Hat also das erstinstanzliche Gericht über streitige Äußerungen und die Umstände, unter denen sie gemacht worden sind, Zeugen vernommen und ist es aufgrund einer Würdigung der Aussagen zu einem bestimmten Ergebnis gekommen, so kann das Berufungsgericht diese Auslegung nicht verwerfen und zum gegenteiligen Ergebnis kommen, ohne zuvor die Zeugen gemäß § 398 Abs. 1 ZPO selbst vernommen zu haben.
3
2. Diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht nicht Rechnung getragen.
4
hat Es ausweislich Ladungsverfügung und Sitzungsniederschrift die Zeuginnen B. und H. allein zu der Frage gehört, ob die Zeugin B. vor ihrer erstinstanzlichen Vernehmung vom Beklagten, ihrem geschiedenen Ehemann, unter Druck gesetzt worden ist. Ungeachtet dieses beschränkten Beweisthemas hat das Berufungsgericht im Nachfolgenden eine umfassende und von der landgerichtlichen Würdigung abweichende Bewertung der erstinstanzlichen Aussagen vorgenommen. Es hat dabei insbesondere nicht deutlich gemacht, auf welche Weise die Zeugin B. die erstinstanzlichen Bekundungen "bekräftigt" und Unklarheiten in ihren bisherigen Angaben ausgeräumt haben soll; aus Sitzungsniederschrift und Entscheidungsgründen ergibt sich dazu nichts.
5
Der Zeuge Bo. ist vom Berufungsgericht nicht vernommen worden. Ungeachtet dessen zeigt sich das Berufungsgericht davon überzeugt , dass dieser bei seiner landgerichtlichen Aussage "einiges durcheinander geworfen" habe und stellt die Bekundungen des Zeugen Bo. insgesamt in einen anderen Zusammenhang als das Landgericht , ohne sich einen eigenen Eindruck von dem Zeugen verschafft zu haben. Es kommt dabei nicht darauf an, dass der - vom Landgericht vernommene - Zeuge Bo. in der Berufungsbegründung nicht ausdrücklich (erneut) als Beweismittel benannt ist. Überdies hätte es sich vom - unrichtigen - Standpunkt des Berufungsgerichts aus erst recht verboten , sich mit der Aussage des Zeugen Bo. zu befassen. Stattdessen hat das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen für seine Entscheidung herangezogen und ist noch dazu zu einem anderen Ergebnis als das Landgericht gekommen.
6
3. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht zu beachten haben:
7
a) Die Auslegung des Schreibens vom 1. Juni 1989 ist rechtsfehlerhaft , weil es über dessen Wortlaut hinausgeht und den Interessen der Beteiligten nicht ausreichend Rechnung trägt. In diesem Schreiben bestätigen die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge Bo. , der finanzierenden Bank, ihrem Sohn - dem Beklagten - 100.000 DM für die Baufinanzierung "zur Verfügung zu stellen". Der vom Berufungsgericht daraus gezogene Schluss, diese Formulierung lege die "Vereinbarung der Rückzahlbarkeit" deshalb nahe, weil sie das Weiterbestehen von Rechten der Eheleute B. an dem hingegebenen Betrag voraussetze und von einer Schenkung ausdrücklich nicht die Rede sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Ausdruck "zur Verfügung stellen" ist rechtlich neutral und besagt nichts über eine etwaige Rückzahlbarkeit. Wenn zudem der Zusammenhang , in dem die Formulierung verwendet wurde, und die Interessen der damals Beteiligten berücksichtigt werden, spricht dies gegen ein Darlehen. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass es bei der Bestätigung, ein bestimmtes Eigenkapital sei vorhanden, entscheidend darauf ankommt , dass der Darlehensnehmer den Betrag "hat" und sich nicht von dritter Seite durch ein zusätzliches Darlehen verschaffen muss. Denn die finanzierende Bank beurteilt unter anderem anhand des vorhandenen Eigenkapitals das Risiko der beabsichtigten Darlehensgewährung.
8
Mit der testamentarischen Verfügung vom 6. April 1994 setzt sich das Berufungsgericht nicht näher auseinander, sondern geht ohne weitere Begründung davon aus, die Verfügung setze ebenfalls das "Weiterbestehen von Rechten an dem hingegebenen Betrag voraus".

9
b) Das Berufungsgericht wird schließlich den aus § 432 BGB begründeten Einwendungen des Beklagten nachzugehen haben.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 27.10.2004 - 2 O 162/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.09.2005 - 13 U 61/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 290/01 Verkündet am:
17. Dezember 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 17. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Bungeroth und Dr. Joeres, die Richterin Mayen
und den Richter Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht Rückzahlung eines Darlehens. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde :
Die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin gewährte dem Beklagten am 23. Dezember 1993 ein zinsloses Darlehen in Höhe von
250.000 DM. Den Betrag zahlte der Beklagte am 27. Dezember 1993 auf sein Konto ein. Über die genannte Summe hatte er bereits zuvor seiner Ehefrau einen Scheck ausgestellt, den diese ebenfalls am 27. Dezember 1993 bei ihrer Sparkasse einreichte. Am Tag darauf veranlaßte sie zwei Überweisungen über insgesamt 250.000 DM an zwei Firmen des Geschäftsführers der Klägerin. Dessen Ehefrau kündigte das Darlehen am 1. August 1995 und trat ihren Rückzahlungsanspruch in Höhe von 148.000 DM an die Klägerin ab, die jetzt vom Beklagten Zahlung eines Teilbetrags in Höhe von 130.000 DM fordert.
Die Parteien streiten darüber, ob mit den beiden von der Ehefrau des Beklagten veranlaßten Überweisungen die Darlehensschuld vereinbarungsgemäß getilgt sein sollte. Der Beklagte macht geltend, er habe damals für ein gemeinsam mit den Eheleuten W. betriebenes Bauprojekt in G. noch für das Jahr 1993 zum Zwecke der Steuerersparnis Sonderabschreibungen für Bauleistungen geltend machen wollen. Hierzu sei es erforderlich gewesen, das Geld zunächst auf sein Konto einzuzahlen und seiner Ehefrau den entsprechenden Betrag zur Verfügung zu stellen, damit diese das Geld noch vor dem 31. Dezember 1993 an Firmen des Geschäftsführers der Klägerin für angebliche Bauleistungen habe überweisen können. Die Überweisungen an die beiden Firmen seien somit lediglich für das Finanzamt als Zahlungen für erbrachte Bauleistungen deklariert worden; in Wahrheit habe es sich um die Rückführung des Darlehens gehandelt.
Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Aufgrund der Aussage des Zeugen C. F. ist es zu der Überzeugung gelangt, durch die beiden Überweisungen der Ehefrau
des Beklagten im Dezember 1993 an die Firmen des Geschäftsführers der Klägerin sei das Darlehen vereinbarungsgemäß zurückgeführt worden. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht - ohne erneute Beweisaufnahme - der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat die Rückzahlung des Darlehens nicht für bewiesen erachtet. Die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeuginnen W., L. und H. seien unergiebig. Auf die Aussage des Zeugen F. vermöge das Gericht keine hinreichend sichere Überzeugung zu gründen. Der Inhalt der Aussage sei nicht ausreichend, um die vom Beklagten behauptete Erfüllungsvereinbarung und die Rückführung des Darlehens durch die beiden Überweisungen der Ehefrau des Beklagten mit der erforderlichen Gewißheit zu belegen.

II.


Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Rückzahlung des Darlehens sei nicht bewiesen, beruht, wie die Revision mit Recht geltend macht, auf Verfahrensfehlern.
1. Das Berufungsgericht hat gegen §§ 398 Abs. 1, 523 ZPO a.F. verstoßen, da es die Aussage des Zeugen F. anders als das Landgericht gewürdigt hat, ohne die Vernehmung des Zeugen zu wiederholen.

a) Zwar steht es grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts , ob es einen in erster Instanz vernommenen Zeugen ein zweites Mal vernehmen will. Das pflichtgebundene Ermessen unterliegt aber Einschränkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Senatsurteile vom 29. Januar 1991 - XI ZR 76/90, WM 1991, 963, 964; vom 24. November 1992 - XI ZR 86/92, WM 1993, 99, 101 und vom 3. April 2001 - XI ZR 223/00, NJW-RR 2001, 1430 f., jeweils m.w. Nachw.) ist die erneute Vernehmung eines Zeugen erforderlich, wenn das Berufungsgericht dessen protokollierte Aussage anders verstehen oder werten will als die Vorinstanz.

b) So ist es hier. Der Zeuge F. hat vor dem Landgericht unter Bezugnahme auf seine eidesstattliche Versicherung vom 23. Juli 1996 bekundet , er sei Zeuge eines Gesprächs zwischen dem Beklagten und den Eheleuten W. kurz vor Weihnachten 1993 gewesen. Dabei sei man nach
seinem Eindruck abschließend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Eheleute W. dem Beklagten kurzfristig Geld überlassen sollten, das "im Kreis geschickt" werden und noch im selben Jahr an die Eheleute W. zurückfließen sollte. Auch die Variante der Zahlung an die beiden Firmen des Geschäftsführers der Klägerin sei Gegenstand des Gesprächs gewesen.
Das Landgericht hat aufgrund dieser Aussage als erwiesen angesehen , daß mit den von der Ehefrau des Beklagten Ende Dezember 1993 veranlaßten Überweisungen an die beiden Firmen des Geschäftsführers der Klägerin die Darlehensschuld einvernehmlich getilgt sein sollte. Hingegen ist nach Auffassung des Berufungsgerichts durch die Zeugenaussage nicht erwiesen, daß die beiden Zahlungen vereinbarungsgemäß zugleich der Tilgung des Darlehens dienten. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Bekundungen des Zeugen ließen lediglich den Schluß zu, daß Gelder aus steuerlichen Gründen wieder an die Eheleute W. zurückfließen sollten, sie rechtfertigten aber nicht die Annahme einer konkreten Erfüllungsvereinbarung zwischen der Darlehensgeberin und dem Beklagten. Aufgrund der Angabe des Zeugen, bei anderen Gesprächen sei es um andere Varianten gegangen, sei nicht auszuschließen, daß sich dieser Geldkreislauf oder die abgesprochene Rückführung auf andere Leistungen der Firmen des Geschäftsführers der Klägerin habe beziehen sollen. Damit hat das Berufungsgericht die protokollierte Aussage des Zeugen anders gewürdigt als das Landgericht.
2. Verfahrensfehlerhaft ist - wie die Revision zu Recht rügt - ferner die vom Landgericht abweichende Würdigung der Aussage der Zeugin L. durch das Berufungsgericht ohne deren erneute Vernehmung. Das Landgericht hat ihre Aussage als nicht glaubhaft bzw. die Zeugin als nicht
glaubwürdig erachtet. Demgegenüber hat das Berufungsgericht ihre Aussage als unergiebig bezeichnet. Dies ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
Zum einen hat das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Sachverhalt außer acht gelassen und damit gegen das Gebot der §§ 286 Abs. 1, 523 ZPO a.F. verstoßen, sich mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend auseinanderzusetzen und die Beweise vollständig zu würdigen (Senatsurteil vom 3. April 2001 aaO m.w.Nachw.). Ausweislich der protokollierten Aussage hat die Zeugin L. Angaben zur Frage der Tilgungsvereinbarung gemacht. Zum anderen hätte das Berufungsgericht die von der Beweiswürdigung des Landgerichts abweichende Wertung der protokollierten Aussage der Zeugin L. als unergiebig jedenfalls nicht ohne deren erneute Vernehmung vornehmen dürfen (Senatsurteil vom 24. November 1992 - XI ZR 86/92, WM 1993, 99, 101).
3. Zu Recht rügt die Revision auch, daß das Berufungsgericht entgegen §§ 286, 523 ZPO a.F. nicht alle Beweismöglichkeiten ausgeschöpft hat. Wenn das Berufungsgericht meinte, das bisherige Beweisergebnis genüge nicht zum Beweis der Tilgungsvereinbarung, hätte es der streitigen und unter Beweis gestellten Behauptung des Beklagen nachgehen müssen, daß die Firmen des Geschäftsführers der Klägerin keine Bauarbeiten an den Gebäuden ausgeführt hatten, die im Dezember 1993 Zahlungen gerechtfertigt hätten. Diesen Vortrag des Beklagten, dem immerhin Indizwirkung zukäme, hat das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen.

III.


Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO a.F.).
Es steht nicht bereits aus Rechtsgründen fest, daß in den Zahlungen der Ehefrau des Beklagten keine Darlehenstilgung zu sehen sein kann. Soweit der 11. Zivilsenat des Berufungsgerichts in einer Parallelsache (11 U ...) ohne Beweisaufnahme zu diesem Ergebnis gelangt ist, läßt sich dies mangels entsprechender Feststellungen nicht auf den Streitfall übertragen. Der 11. Zivilsenat des Berufungsgerichts hat seine Auffassung in dem nicht revisiblen Urteil damit begründet, daß der Darlehensvertrag insgesamt wirksam und kein unwirksames Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB sei, weil die Vertragsparteien die Steuerersparnis gewünscht hätten und diese die Hingabe eines Darlehens vorausgesetzt habe. In den Überweisungen der Ehefrau des Beklagten seien keine Rückzahlungen auf das Darlehen zu sehen, weil in diesem Fall die Steuersparmöglichkeit nicht bestanden hätte.
Die Frage, ob ein Scheingeschäft oder ein ernst gemeintes Geschäft vorliegt, ist Tatfrage (Senatsurteil vom 29. Oktober 1996 - XI ZR 319/95, WM 1996, 2272). Daß eine vertragliche Regelung im Normalfall nicht gleichzeitig als steuerrechtlich gewollt und zivilrechtlich nicht gewollt angesehen werden kann, spricht nicht gegen ein Scheingeschäft, wenn die Parteien eine Steuerhinterziehung begehen wollen (BGH, Urteil vom 5. Juli 1993 - II ZR 114/92, WM 1993, 1683, 1685 m.w.Nachw.). Auch hierzu fehlen bislang Feststellungen des Berufungsgerichts.

IV.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch gemacht.
Nobbe Bungeroth Joeres
Mayen Appl

(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen.

(2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Prozessgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anordnen.

(3) Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Der Jahresabschluß ist vom Kaufmann unter Angabe des Datums zu unterzeichnen. Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so haben sie alle zu unterzeichnen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 264/07 Verkündet am:
2. März 2009
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 117, 781; GmbHG §§ 42 a Abs. 2, 31, 73 Abs. 1

a) Wählen die Vertragsparteien eine bestimmte zivilrechtliche Rechtsgestaltung lediglich aus steuerlichen
Gründen, fehlt es in der Regel nicht am erforderlichen Rechtsbindungswillen, weil die steuerliche
Anerkennung ein gültiges, ernstlich gewolltes Rechtsgeschäft voraussetzt. Erweist sich die
gewählte Vertragsgestaltung nachträglich als zivilrechtlich nachteilig, begründet das nicht den
Einwand des Scheingeschäfts.

b) Die Feststellung des Jahresabschlusses hat - nicht anders als bei der Personengesellschaft (vgl.
dazu: BGHZ 132, 263, 266) - auch bei der GmbH die Bedeutung einer Verbindlicherklärung der
Bilanz jedenfalls im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und auch untereinander. Typischer
Inhalt einer solchen korporativen Abrede ist auch der Ausschluss bekannter oder mindestens
für möglich gehaltener Einwendungen gegenüber bilanzierten Gesellschafterverbindlichkeiten
im Sinne eines deklaratorischen Anerkenntnisses.

c) Eine gegen das in § 73 Abs. 1, 2 GmbHG normierte zwingende Kapitalerhaltungsgebot in der
Liquidation verstoßende Verteilung von Gesellschaftsvermögen hat einen Rückerstattungsanspruch
der GmbH gegen die Gesellschafter analog § 31 GmbHG zur Folge, der nicht die Entstehung
einer Unterbilanz als Folge der Auszahlung voraussetzt.

d) Vorabausschüttungen auf einen erwarteten Liquidationserlös stehen unter dem stillschweigenden
Vorbehalt, dass auf die Empfänger nach der abschließenden Liquidationsbilanz ein entsprechender
Erlös entfällt. Soweit ein Liquidationserlös nicht vorhanden ist, besteht aufgrund stillschweigender
Abrede ein vertraglicher Rückgewähranspruch der GmbH auf Rückzahlung der Vorabausschüttung.
BGH, Urteil vom 2. März 2009 - II ZR 264/07 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Dr. Reichart und Dr. Drescher

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. November 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Beklagten das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve vom 3. November 2006, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden ist. II. Die Berufung der Beklagten gegen das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Kleve wird mit der Maßgabe zurückgewiesen , dass in Abänderung der landgerichtlichen Kostenentscheidung die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 42 % und der Beklagten zu 58 % auferlegt werden. III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 42 % und der Beklagten zu 58 %, diejenigen des Revisionsverfahrens dem Kläger zu 38 % und der Beklagten zu 62 % auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 29. April 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. -Vertriebsgesellschaft mbH i.L. (nachfolgend: Schuldnerin); die Beklagte ist Alleinerbin des am 27. März 2004 verstorbenen H. T. , eines von neun in gleicher Höhe am Stammkapital der Schuldnerin von insgesamt 531.000,00 DM beteiligten Gesellschaftern. Die am 21. August 1981 gegründete Schuldnerin veräußerte durch Vertrag vom 15. Dezember 1991 ihr gesamtes Anlagevermögen mit Wirkung vom 1. März 1992 an die N. B. V (NBV). Durch Liquidationsbeschluss der Gesellschafterversammlung vom 28. Februar 1992 wurde die Schuldnerin zum Ablauf des folgenden Tages aufgelöst. Die Mehrheit der Gesellschafter verlangte die gleichmäßige Auszahlung des aus der Veräußerung des Betriebsvermögens erzielten Kaufpreises von 1,84 Mio. DM an alle und setzte sich damit über die von dem Mitgesellschafter C. dagegen erhobenen Bedenken, dass "die Gesellschaft zuerst abgewickelt werden müsse", hinweg. Die Liquidatoren der Schuldnerin zahlten daraufhin bis Juni 1992 an die Gesellschafter - mit Ausnahme des Mitgesellschafters E. - aus dem Gesellschaftsvermögen jeweils 230.000,00 DM aus; auf den Empfängerabschnitten der den Gesellschaftern hingegebenen Verrechnungsschecks soll - was zwischen den Parteien streitig ist - von den Liquidatoren als Verwendungszweck : "Darlehensauszahlung lt. Gesellschafterbeschluss" vermerkt worden sein. Im Hinblick darauf, dass bei einigen Gesellschaftern Steuerveranlagungen wegen angeblicher "verdeckter Gewinnausschüttung" stattgefunden hatten, wurde auf einer Gesellschafterversammlung der Schuldnerin vom 26. Oktober 1995 - zu der jedenfalls der Mitgesellschafter E. nicht geladen worden war - der Beschluss gefasst, dass die "Umwandlung der Gesellschafterdarlehen in Gewinnausschüttungen nach erfolgter Betriebsprüfung und nach Zahlung aller Verbindlichkeiten" erfolgen sollte. Auf Anforderung der Liquidato- ren leistete der Ehemann der Beklagten - wie andere Mitgesellschafter auch - in der Folgezeit von dem empfangenen Geld insgesamt drei Rückzahlungen zugunsten der Schuldnerin: Ende Juni 1995 25.378,20 DM auf einen Rückforderungsanspruch der NBV, im Januar 1996 anteilig 16.932,79 DM zur Tilgung von Gesellschaftsschulden gegenüber der Volksbank sowie am 30. Juni 1999 18.812,50 DM an die Stadtkasse Ge. zur Teiltilgung einer Steuerverbindlichkeit der Schuldnerin.
2
Mit Schreiben vom 24. Juli 2001 sprachen die Liquidatoren gegenüber allen Gesellschaftern die "Kündigung der Darlehen" aus; Zinszahlungen waren bis zu diesem Zeitpunkt von den Gesellschaftern nicht gefordert und von ihnen auch nicht erbracht worden. Durch mehrheitlich - auch mit der Stimme des Ehemanns der Beklagten - gefassten Gesellschafterbeschluss vom 27. Juni 2002 wurden zu TOP 4 sämtliche Jahresabschlüsse der Schuldnerin - in denen die im Jahr 1992 erfolgten Auszahlungen an die Gesellschafter als "Darlehen" ausgewiesen sind - für die Geschäftsjahre von 1992 bis 2000 festgestellt. Unter TOP 6 hat der Liquidator T. protokolliert: "Die in den Bilanzen ausgewiesenen Darlehen, die mit den Feststellungen der finanzbehördlichen Betriebsprüfung übereinstimmen, sind dem Grunde und der Höhe nach zutreffend. Mit Feststellung der Jahresabschlüsse laut TOP 4 sind die Darlehen durch Gesellschafterbeschluss anerkannt und genehmigt. Die Darlehen sind somit fällig." Mit Schreiben vom 12. Dezember 2002 mahnten die Liquidatoren der Schuldnerin bei den Gesellschaftern die Rückzahlung der empfangenen Beträge - erfolglos - an.
3
Mit der am 22. Dezember 2004 erhobenen Klage hat der Kläger von der Beklagten als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes Rückerstattung der erhaltenen Auszahlung von 230.000,00 DM nebst angeblich vereinbarter Darlehenszinsen , hilfsweise Kapitalnutzungszinsen seit dem 1. Juli 1992 verlangt; dabei hat er einen früher entstandenen Gewinnanspruch des Ehemanns der Beklagten von 5.250,00 DM und dessen drei Rückerstattungszahlungen zum Teil auf die Hauptforderung, überwiegend jedoch auf die - kapitalisiert - als Hauptforderung geltend gemachten Zinsen bis 31. Dezember 1999 angerechnet; außerdem hat er vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung geltend gemacht. Die Beklagte hat die Forderung bestritten und sich auf Verjährung berufen.
4
Das Landgericht hat der - auf Zahlung von insgesamt 146.606,42 € zuzüglich Zinsen gerichteten - Klage nur im Umfang von 83.660,91 € nebst 5 % Zinsen seit dem 12. März 2003 sowie in Höhe vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von 962,86 € nebst Zinsen stattgegeben. Dabei ist es von einer "Umwandlung der zunächst rechtsgrundlosen Geldhingabe zu einem Darlehen" anlässlich der Bilanzfeststellungen durch Gesellschafterbeschluss vom 27. Juni 2002 ausgegangen und hat die anrechenbaren Gewinne und Teilrückzahlungen hiermit verrechnet; demgegenüber hat es eine Verpflichtung der Beklagten zur Entrichtung von kapitalisierten Darlehenszinsen ab 1992 verneint und insoweit die Klage abgewiesen.
5
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien in vollem Umfang Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der - von dem erkennenden Senat zugelassenen - Revision, wobei er lediglich die Teilabweisung der Klage in Höhe eines - verjährten - Zinsbetrages von 9.779,47 € hinnimmt, im Übrigen aber seine verbleibende Forderung in Höhe von 136.926,95 € weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision des Klägers ist teilweise begründet und führt - unter Teilaufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Berufung der Beklagten - zur Wiederherstellung des der Klage im Umfang von 83.660,91 € und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 962,86 € - jeweils nebst Zinsen - stattgebenden Landgerichtsurteils. Soweit der Kläger hingegen die darüber hinausgehende Verurteilung der Beklagten bis zur Gesamthöhe von 136.926,95 € nebst Zinsen erstrebt, ist seine Revision ebenso unbegründet wie seine entsprechende Berufung gegen das - auch insoweit zutreffende - Landgerichtsurteil.
7
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
8
Bei der Auszahlung an die Gesellschafter habe es sich um die Vorabausschüttung eines künftigen Liquidationserlöses gehandelt. Ein Darlehensvertrag zwischen der Schuldnerin und ihren Gesellschaftern sei insoweit weder durch die einseitige Anbringung eines diesbezüglichen Verwendungszwecks auf den Verrechnungsschecks durch die Liquidatoren noch aufgrund des - im Übrigen verfahrensfehlerhaft gefassten - Gesellschafterbeschlusses vom 26. Oktober 1995, der zwar steuerlichen Zwecken gedient habe, nicht aber eine vorherige zivilrechtlich verbindliche Novation beweise, zustande gekommen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei auch durch den Gesellschafterbeschluss vom 27. Juni 2002 über die Feststellung der Jahresabschlüsse 1992 bis 2000 trotz des bilanziellen Ausweises der Auszahlungen an die Gesellschafter als Darlehen kein Darlehensvertrag zustande gekommen; auch insoweit könne von einer zivilrechtlich verbindlichen Schuldumschaffung nicht die Rede sein, da diese Gestaltung allein der Vermeidung sonst drohender steuerlicher Nachteile gedient habe. Eine Beweiskraft für die inhaltliche Richtigkeit der An- gaben in der Bilanz komme der Feststellung nicht zu. Ein Rückforderungsanspruch aus § 31 GmbHG analog wegen des zweifellos vorliegenden Verstoßes der Auszahlung innerhalb des Sperrjahres und vor einer Gläubigerbefriedigung bzw. Sicherstellung gegen die zwingende Kapitalbindungsvorschrift des § 73 Abs. 1 GmbHG sei verjährt; nach der letzten Unterbrechung aufgrund der Teilrückzahlung vom 30. Juni 1999 sei Verjährung mit Ablauf des 30. Juni 2004 - also lange vor Klageerhebung - eingetreten. Ein Rückforderungsanspruch könne nicht auf Abschnitt 9 c i.V.m. 9 b der Satzung der Schuldnerin gestützt werden, da diese Bestimmungen nicht einschlägig seien und zudem der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen sei.
9
II. Diese Beurteilung hält in mehrfacher Hinsicht der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die vom Berufungsgericht - insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht - aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme gewonnene Überzeugung, dass sich anlässlich der Auszahlung der jeweils 230.000,00 DM an die Gesellschafter - darunter den Ehemann der Beklagten - das Zustandekommen eines Darlehensvertrages zwischen der Schuldnerin und ihren Gesellschaftern nicht nachweisen lasse. Die Annahme, die überwiegende Mehrheit der Gesellschafter habe ungeachtet der vom Zeugen C. geäußerten Bedenken eine Vorabausschüttung gewollt, da sie auf die Auszahlung des Erlöses aus der Unternehmensveräußerung "heiß gewesen" seien, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern wegen ihres unmissverständlichen Wunsches, "Kasse zu machen", sogar wahrscheinlich. Angesichts dessen hat sich das Berufungsgericht auch ohne insoweit erkennbaren revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler nicht davon zu überzeugen vermocht, dass aus Anlass des - zudem vage gefassten - Gesellschafterbeschlusses vom 26. Oktober 1995 eine zeitlich vorangegangene, konkludente Schuldumschaffung der ursprünglichen Vorabausschüttung in eine - noch dazu verzinsliche - Darlehensverbindlichkeit zwischen den einzelnen Gesellschaftern und der Schuldnerin stattgefunden hat, zumal ersichtlich in der Folgezeit bis zur Klageerhebung Darlehenszinsen weder von den Liquidatoren geltend gemacht noch durch einzelne Gesellschafter bezahlt worden sind und auch anlässlich der drei Rückerstattungen jedenfalls nicht von Darlehensrückzahlungen die Rede war.
11
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, eine Darlehensverbindlichkeit des Ehemannes der Beklagten gegenüber der Schuldnerin sei auch anlässlich des mit seiner Zustimmung gefassten Bilanzfeststellungsbeschlusses vom 27. Juni 2002 nicht zustande gekommen, weil mit dem bilanziellen Ausweis als Darlehen lediglich die Vermeidung einer steuerlichen Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttung, nicht hingegen eine zivilrechtlich verbindliche Schuldumschaffung der Vorabausschüttung in ein Darlehen bezweckt gewesen sei, und zudem der Bilanzfeststellung keine inhaltliche Beweiskraft zukomme.
12
Diese Argumentation ist - wie die Revision mit Recht rügt - in doppelter Hinsicht von Rechtsirrtum beeinflusst.
13
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Gesellschafter der Schuldnerin hätten mit alleiniger steuerrechtlicher Wirkung ("nur zu steuerlichen Zwecken" ) Darlehen in den Jahresabschlüssen ausweisen wollen, ohne zugleich eine zivilrechtlich wirksame Darlehensverbindlichkeit zu begründen oder zuvor begründet zu haben, ist unvertretbar. Sie übersieht, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine bestimmte vertragliche Regelung nicht gleichzeitig steuerrechtlich gewollt, zivilrechtlich aber nicht gewollt sein kann (BGHZ 67, 334, 337; Sen.Urt. v. 5. Juli 1993 - II ZR 114/92, ZIP 1993, 1158, 1159; BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03, ZIP 2006, 1639, 1640 m.w.Nachw.). Wählen dementsprechend - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - die Parteien eine bestimmte Rechtsgestaltung lediglich aus steuerlichen Gründen, fehlt es in der Regel nicht am erforderlichen Rechtsbindungswillen, weil die steuerliche Anerkennung ein gültiges, ernstlich gewolltes Rechtsgeschäft voraussetzt. Erweist sich die gewählte Vertragsgestaltung nachträglich als zivilrechtlich nachteilig, begründet das nicht den Einwand des Scheingeschäfts (BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 - IX ZR 226/03, aaO). Für die Annahme, die - steuerlich beratenen - Beteiligten hätten eine Steuerhinterziehung begehen wollen, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.
14
War danach hier das vom Berufungsgericht angenommene steuerliche Ziel der Vermeidung einer Behandlung der Vorabausschüttungen als offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen durch die Steuerbehörden nur auf dem Wege einer zivilrechtlich verbindlichen Umwandlung der bis dahin bestehenden bloßen Vorabausschüttungen im Wege der Schuldumschaffung in Darlehen möglich, so sprechen - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - bereits der Ausweis als Darlehen in der Bilanz und deren Feststellung dafür, dass eine solche Novation auch von den Gesellschaftern - zumindest denen, die wie der Ehemann der Beklagten dafür gestimmt haben - gewollt war.
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b) Zu kurz greift die Annahme des Berufungsgerichts, dem Jahresabschluss komme keine Beweiskraft gemäß § 416 ZPO im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit der Bilanz zu. Zwar mag dies insoweit zutreffen, als außenstehende Gläubiger aus bilanziellen Ausweisen allein nicht den Beweis für das Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Gesellschaft und deren rechtliche Qualifizierung ableiten können. Darum geht es hier indessen nicht; vielmehr steht im vorliegenden Fall allein die Bedeutung des festgestellten Jahresabschlusses für das gesellschaftsinterne Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern in Rede. Insoweit handelt es sich bei der Feststellung des Jahresabschlusses um einen konstitutiv wirkenden Akt der Billigung des aufgestellten Jahresabschlusses durch die Gesellschafter, mit der diese dessen Richtigkeit anerkennen. Nicht anders als bei den Personengesellschaften (vgl. dazu nur BGHZ 132, 263, 266 m.w.Nachw.) hat diese Feststellung des Jahresabschlusses auch bei einer GmbH - wie hier - die Bedeutung einer Verbindlicherklärung der Bilanz jedenfalls im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und auch untereinander. Dementsprechend ist die Bilanzfeststellung ein Vorgang , aus dem sich im Innenverhältnis auch rechtliche Konsequenzen für die Ansprüche zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern im Sinne eines - zivilrechtlich verbindlichen - Schuldanerkenntnisses ergeben können. Ob insoweit in der (einvernehmlichen) Feststellung des Jahresabschlusses ein abstraktes Schuldanerkenntnis (vgl. zur Personengesellschaft: Sen.Urt. v. 11. Januar 1960 - II ZR 69/59, BB 1960, 188; v. 13. Januar 1966 - II ZR 68/64, BB 1966, 474) oder ein Feststellungsvertrag (vgl. Senat, BGHZ 132, 263, 266 f. m.w. Literaturnachw. - zur KG) im Sinne eines deklaratorischen ("kausalen") Anerkenntnisses (h.M.: vgl. zum Meinungsstand Ehricke in Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB 2. Aufl. § 120 Rdn. 35 m.w.Nachw.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1455, 1457 f.; vgl. insbesondere auch Hüffer in MünchKommBGB § 781 Rdn. 16 ff. mit eingehender Begründung) zu sehen ist, kann hier schon deshalb offen bleiben , weil die Qualifizierung in der einen oder der anderen Richtung regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Auch die Gesellschafter der GmbH bezwecken mit der ihnen - in der Form der korporativen Beschlussfassung - obliegenden Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 42 a Abs. 2, 46 Nr. 1 GmbHG) regelmäßig, zumindest die Rechtsgrundlage für das Folgejahr zu fixieren und ihre Ansprüche und Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft zum Bilanzstichtag festzulegen; typischer Inhalt einer solchen korporativen Ab- rede ist auch der Ausschluss der bekannten oder mindestens für möglich gehaltenen Einwendungen im Sinne eines deklaratorischen Anerkenntnisses.
16
Angesichts dessen erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, der bilanzielle Ausweis als Darlehen (vgl. § 42 Abs. 3 GmbHG) lasse keine beweisrechtlichen Schlüsse auf die zivilrechtliche Verbindlichkeit der Feststellung einer Bilanz mit einem derartigen Inhalt zu, als verfehlt. Vielmehr lag es hier nach den tatrichterlichen Feststellungen nahe, gerade wegen der steuerrechtlichen Motivation in der Bilanzfeststellung zugleich ein deklaratorisches Anerkenntnis einer zuvor oder gleichzeitig konkludent begründeten Darlehensforderung zu sehen.
17
Eine - vom Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht geprüfte - Verjährung der als Darlehen bilanzierten Forderung gegen den Ehemann der Beklagten kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine derartige Umwandlung in ein Darlehen in unverjährter Zeit stattgefunden hat. Nach den in anderem Zusammenhang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war nämlich ein - alternativ aus anderem Rechtsgrund (§§ 31 analog, 73 Abs. 1 GmbHG) bestehender - Rückforderungsanspruch der Schuldnerin aufgrund dreimaliger Teilrückzahlungen im Juni 1995, Januar 1996 und am 30. Juni 1999 gemäß § 208 BGB a.F. unterbrochen und lief daher die Frist erneut zumindest bis zum 30. Juni 2004 (vgl. auch Art. 229 § 6 Abs. 2, 4 EGBGB). Aufgrund der mit der Umwandlung in ein Darlehen selbst verbundenen erneuten Anerkennung der Forderung anlässlich der Bilanzfeststellung am 27. Juni 2002 war mithin im Zeitpunkt der Klageerhebung am 22. Dezember 2004 eine derartige Darlehensforderung der Schuldnerin gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes keinesfalls verjährt (Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB).
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3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch einen Rückforderungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 31 analog, 73 GmbHG als verjährt und damit nicht durchsetzbar angesehen.
19
Zwar hat es im Ansatz zutreffend das Bestehen eines derartigen - konkurrierenden - Rückforderungsanspruchs dem Grunde nach bejaht, weil die Auszahlung von je 230.000,00 DM an die Gesellschafter - hier den Ehemann der Beklagten - weit vor Ablauf des sog. Sperrjahres und zudem vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft erfolgte und damit gegen die zwingende Gläubigerschutzvorschrift des § 73 Abs. 1 GmbHG verstieß. Insoweit ist es unerheblich, ob die Auszahlung rechtlich als Darlehen oder - wie das Berufungsgericht angenommen hat - weiterhin als Vorabausschüttung zu qualifizieren ist; denn nach dem dieser Vorschrift zugrunde liegenden Thesaurierungsgebot ist in diesem Stadium der Liquidation jegliche Auszahlung von Gesellschaftsvermögen verboten, da wegen der vorrangigen Gläubigerbefriedigung nicht nur der Gesamtvermögensbestand, sondern auch die Liquidität der aufgelösten GmbH zu sichern ist.
20
Ein derartiger Rückerstattungsanspruch analog § 31 Abs. 1 GmbHG, der im Hinblick auf die Verschärfung der Ausschüttungssperre durch § 73 GmbHG nicht die Entstehung einer Unterbilanz als Folge der Auszahlung voraussetzt (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 73 Rdn. 26 m.w.Nachw.), war nach § 31 Abs. 5 Satz 1 GmbHG a.F. entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht bereits Ende Juni 2004 - also vor Klageerhebung - verjährt, weil die Verjährungsfrist nicht etwa letztmalig durch die Teiltilgung einer Steuerschuld am 30. Juni 1999 unterbrochen, sondern mit der Anerkennung der Rückzahlungspflicht aufgrund der Feststellung der Jahresabschlüsse am 27. Juni 2002 erneut "gehemmt" wurde (vgl. § 208 BGB a.F., § 212 Nr. 1 BGB n.F., Art. 229 § 6 Abs. 1, 2 EGBGB).
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4. Die vollständige Abweisung eines Rückerstattungsanspruchs des Klägers gegen die Beklagte bereits dem Grunde nach war schließlich auch insoweit rechtsfehlerhaft, als das Berufungsgericht es unterlassen hat, das Klagebegehren unter dem Blickwinkel eines Rückzahlungsanspruchs aus konkludenter Rückzahlungsabrede im Zusammenhang mit einer - von ihm angenommenen - Vorabausschüttung zu prüfen. Handelte es sich - wie die Vorinstanzen im Ansatz zutreffend angenommen haben - bei der Auszahlung des aus dem Veräußerungsgeschäft erzielten Kaufpreises an die Gesellschafter nach Fassung des Liquidationsbeschlusses vom 29. Februar 1992 um - freilich gegen § 73 Abs. 1 GmbHG verstoßende - Vorabausschüttungen auf einen erwarteten Liquidationserlös , so standen diese unter dem selbstverständlichen stillschweigenden Vorbehalt, dass auf die Empfänger nach der abschließenden Liquidationsbilanz auch ein entsprechender Erlös entfiel; die Rechtslage entspricht insoweit derjenigen bei vereinbarten Vorauszahlungen auf einen erwarteten Jahresgewinn im Sinne des § 29 GmbHG. Soweit in diesen Fällen ein entsprechender Liquidationserlös bzw. Jahresgewinn nicht vorhanden ist, besteht aufgrund stillschweigender Abrede ein vertraglicher Rückgewähranspruch auf Rückzahlung der Vorabausschüttung.
22
Ein derartiger - unverjährter - Rückzahlungsanspruch ist auch jedenfalls mit der Geltendmachung durch den Kläger als Insolvenzverwalter fällig geworden. Zwar liegt bislang eine - regelmäßig zur Herbeiführung der Fälligkeit erforderliche - Liquidationsbilanz noch nicht vor. Jedoch darf im hier vorliegenden Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter auf der Grundlage der von ihm vorgelegten Vermögensübersicht gemäß § 135 InsO wegen der vorrangigen Zwecke des Insolvenzverfahrens sofort geltend machen , dass der stillschweigend vorausgesetzte Grund für ein Behaltendürfen der Vorabausschüttung entfallen ist, und damit die Fälligkeit der Rückzahlung zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung herbeiführen. Dass nach dieser Vermö- gensübersicht - wie die Beklagte vorträgt - im (theoretischen) Fall einer Realisierung sämtlicher Rückzahlungsansprüche gegen alle Gesellschafter, die die Vorabausschüttungen erhalten haben, die Summe der Erstattungsansprüche die gesamten Verbindlichkeiten möglicherweise knapp übersteigen könnte, führt nicht zu einer Nichtdurchsetzbarkeit der Klageforderung gegen die Beklagte. Denn angesichts des - vom Kläger in den Tatsacheninstanzen unwidersprochen vorgetragenen und durch die Übersicht nach § 135 InsO belegten - großen Ausmaßes der Verbindlichkeiten der Schuldnerin und der Ungewissheit der Realisierbarkeit der Rückforderungen gegen die Mitgesellschafter ist derzeit davon auszugehen, dass die Einziehung der an den Ehemann der Beklagten geleisteten verbleibenden Restforderung durch den Kläger zur Gläubigerbefriedigung benötigt wird.
23
III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das angefochtene Urteil insoweit der Aufhebung, als das Berufungsgericht - auf die Berufung der Beklagten - das Landgerichtsurteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, geändert und die Klage abgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). In diesem Umfang ist - was der Senat wegen Endentscheidungsreife auf der Grundlage der in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen selbst zu entscheiden hat (§ 563 Abs. 3 Satz 1 ZPO) - die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, so dass es bei der durch das Landgericht ausgesprochenen Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 83.660,91 € nebst 5 % Zinsen seit dem 12. März 2003 sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 962,86 € nebst 5 % Zinsen seit dem 15. Februar 2005 verbleibt (1).
24
Im Übrigen bleibt die Revision des Klägers erfolglos, weil sich das seine Berufung zurückweisende Urteil des Oberlandesgerichts insoweit gemäß § 561 ZPO aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweist (2).
25
1. a) Der Rückerstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns in Höhe von 83.660,91 € ergibt sich aus gekündigtem Darlehen (§§ 488 Abs. 1, 1922 BGB).
26
Bei der Auszahlung von jeweils 230.000,00 DM an acht Gesellschafter - darunter den Ehemann der Beklagten - handelte es sich allerdings zunächst, wie die Vorinstanzen insoweit zutreffend festgestellt haben, um eine Vorabausschüttung auf vermeintlich erwarteten Liquidationserlös im Zusammenhang mit der Veräußerung des Unternehmens, wobei wegen des Vorschusscharakters das Behaltendürfen unter dem konkludenten Vorbehalt stand, dass auf die Empfänger nach der abschließenden Liquidationsbilanz auch endgültig ein entsprechender Gewinn entfiel. Den auf entsprechender stillschweigender Rückzahlungsabrede beruhenden Rückgewähranspruch für den Fall des Ausfalls eines Erlöses haben die Schuldnerin und der Ehemann der Beklagten sowie die anderen Auszahlungsempfänger jedoch aus Anlass der am 27. Juni 2002 mehrheitlich beschlossenen Feststellung der Jahresbilanzen ab 1992 bis 2000 - zumindest soweit sie zugestimmt haben - im Wege der Schuldumschaffung in einen Darlehensrückzahlungsanspruch umgewandelt, da eine steuerliche Behandlung durch die Finanzbehörden als verdeckte Gewinnausschüttung vermieden und dafür die entsprechende zivilrechtliche Grundlage geschaffen werden sollte. In der Bilanzfeststellung liegt zugleich die deklaratorische Anerkennung einer solchen auf rechtsgeschäftlicher Ebene gleichzeitig konkludent vollzogenen Umwandlung durch die betreffenden Gesellschafter. Da Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft nicht ersichtlich sind und anzunehmen ist, dass dem Ehemann der Beklagten als Gartenbauunternehmer ebenso wie seinen früher in der Schuldnerin zusammengeschlossenen Mitgesellschaftern auch bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre die rechtliche Bedeutung eines Darlehens geläufig ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass etwa der bilanzielle Ansatz einer Darlehensverbindlichkeit eine Falschbezeichnung ist oder ein sol- ches Darlehen nicht als rechtsverbindlich gewollt gewesen wäre. Vom Zeugen T. als damaligem Liquidator der Schuldnerin und damit Erklärungsempfänger sind die Willenskundgebungen des Ehemanns der Beklagten und seiner Mitgesellschafter auch - anders als das Berufungsgericht meint - durchaus zutreffend als verbindliche Darlehensabreden aufgefasst worden, wie seine Protokollierung zu TOP 6 unmissverständlich ausweist. Nach der jahrelangen diesbezüglichen , unter den Gesellschaftern kontrovers geführten Diskussion war die - im Übrigen nicht angefochtene oder sonst beanstandete - Feststellung der neun Bilanzen mit dem Ausweis der Forderungen der Schuldnerin gegen die Gesellschafter als Darlehen auch nicht anders zu verstehen. Insoweit ist die im Ergebnis gleich lautende Einstufung der Forderung gegen den Ehemann der Beklagten als Darlehen durch das Landgericht rechtlich einwandfrei.
27
b) Zutreffend ist auch dessen rechnerische Ermittlung der zuerkannten Hauptforderung, die sich aus der ursprünglichen Auszahlung von 230.000,00 DM abzüglich des nicht entnommenen Gewinns von 5.250,00 DM und der drei geleisteten Rückzahlungen von 25.378,20 DM, 16.932,79 DM und 18.812,50 DM ergibt. Die Richtigkeit der Verrechnung der Rückerstattungen mit der Hauptforderung folgt daraus, dass jedenfalls von einer entsprechenden stillschweigenden Anrechnungsbestimmung des Ehemannes der Beklagten schon deshalb auszugehen ist, weil die Beträge den angeforderten auszugleichenden Gesellschaftsschulden entsprachen und zudem seinerzeit eine etwaige Verzinsungspflicht nicht als vereinbart gelten konnte.
28
Der Zinsanspruch ergibt sich nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts aus der sog. Mahnung vom 12. Dezember 2002, in der zugleich die Kündigung des Darlehens zu sehen ist, mit deren Wirksamkeit am 12. März 2003 gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Verzug eingetreten ist.
29
c) Gegen die Zuerkennung der vom Landgericht zutreffend ermittelten und eingehend begründeten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken; konkrete Beanstandungen sind insoweit nach den tatrichterlichen Feststellungen von der Beklagten auch nicht erhoben worden.
30
2. Demgegenüber bestehen weiter gehende, vom Kläger mit der Berufung verfolgte Zinsansprüche, die im Wesentlichen als kapitalisierte Hauptforderung geltend gemacht worden sind und die überwiegend Zeiträume bis Ende 1999, zum Teil aber auch spätere Abschnitte bis zum Ausspruch der Darlehenskündigung betreffen, nicht.
31
a) Die Vereinbarung einer - rückwirkend ab Ausreichung der ursprünglichen "unentgeltlichen" Vorabausschüttung zu leistenden - Verzinsung ist, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht ersichtlich. Aus dem Gesellschafterbeschluss vom 27. Juni 2002 ergibt sich zwar - wie oben ausgeführt - die Umwandlung der Vorabausschüttungen in Darlehen mit Wirkung ab der Auszahlung im Jahr 1992, nicht jedoch eine Verzinsungsabrede. Eine solche war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Verzinslichkeit des Darlehens nunmehr in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB - anders als nach früherem Recht (vgl. §§ 607, 608 BGB a.F.) - als gesetzlicher Regelfall normiert ist. Der vorliegende Fall ist nämlich von Besonderheiten geprägt, die der Annahme eines solchen Regelfalls entgegenstehen. Zum einen liegt hier eine atypische konkludente Schuldumschaffung mit Rückwirkung für lange Zeiträume vor, die ursprünglich dem zeitlichen Geltungsbereich des "alten" Rechts zuzuordnen waren und für die daher eine ausdrückliche Festlegung zu erwarten gewesen wäre, falls dies dem Parteiwillen entsprochen hätte. Zum anderen ist unverkennbar, dass anlässlich des früheren Gesellschafterbeschlusses vom 26. Oktober 1995 - dem allerdings letztlich nicht die Wirkung einer Schuldumschaffung in ein Darlehen beizumessen war - eine ausdrückliche Verzinsungsabrede vorgesehen war, um dadurch rechtssicher eine bestimmte steuerliche Gestaltung zu ermöglichen; auf der Gesellschafterversammlung vom 27. Juni 2002 hingegen wurde in einer - unter steuerlichen Aspekten - gleich gelagerten Situation eine entsprechende Zinsabrede weder ausdrücklich formuliert noch schriftlich festgehalten. Vielmehr verhält sich die Versammlungsniederschrift des Zeugen T. , der als Liquidator für die Bilanzaufstellung verantwortlich und schon früher stets für eine "steuerliche Lösung" des zwischen den Gesellschaftern umstrittenen Problems eingetreten war, unter TOP 6 nur zu den "Darlehen" an sich und zu deren "Grund und Höhe", nicht jedoch zu Zinsen, obwohl gerade sie ein wesentliches Gestaltungskriterium hätten sein müssen. Entscheidende Bedeutung kommt aber letztlich dem Umstand zu, dass nach den tatrichterlichen Feststellungen in den am 27. Juni 2002 festgestellten Bilanzen zwar die "Hauptforderungen" der Schuldnerin gegen ihre Gesellschafter als Darlehen ausgewiesen sind, nicht jedoch Zinsansprüche hieraus. Damit lässt sich aus der Bilanzfeststellung - anders als hinsichtlich der "Hauptforderung" - bezüglich einer Verzinslichkeit des Darlehens keine "Feststellungswirkung" zu Lasten der betroffenen Gesellschafter ableiten. Das Fehlen derartiger - schon im Hinblick auf die beträchtliche zahlenmäßige Größe - wesentlicher Posten in den Bilanzen lässt vielmehr im vorliegenden Fall sogar auf das Gegenteil schließen: nämlich auf eine bewusste Nichteinbeziehung einer etwaigen Verzinslichkeit der Darlehen. Hierfür spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass in der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung vom 27. Juni 2002 zu Top 6 ausdrücklich festgehalten ist, "die in den Bilanzen ausgewiesenen Darlehen, die mit den Feststellungen der finanzbehördlichen Betriebsprüfung übereinstimmen", seien "dem Grunde und der Höhe nach zutreffend".
32
b) Angesichts dieser eindeutigen Umstände ist auch für die Annahme einer konkludenten Vereinbarung einer Verzinslichkeit der Darlehen kein Raum.
33
Soweit - wie im Klägervortrag anklingt - möglicherweise ohne eine Verzinslichkeit der Darlehen die steuerliche Konstruktion zum Scheitern verurteilt war, kann der Kläger daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Erweist sich die gewählte Vertragsgestaltung - etwa infolge einer unvollkommenen Umsetzung der steuerlichen Planung in das Zivilrecht - nachträglich als steuerrechtlich nachteilig, so lässt sich das Fehlen einer notwendigen zivilrechtlichen Vereinbarung nicht gegen den Willen einer Partei durch eine ergebnisorientierte Auslegung "korrigieren". Da entsprechende vertragliche Darlehenszinsen weder in der Vergangenheit vor der Schuldumschaffung noch in der Zeit bis zur Insolvenzeröffnung von den Liquidatoren eingefordert, geschweige denn vom Ehemann der Beklagten oder dieser selbst gezahlt worden sind, kann auch nicht aus sonstigen Umständen die stillschweigende Vereinbarung einer solchen Verzinsung entnommen werden.
34
c) Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz Kapitalnutzungszinsen aus § 9 der Satzung der Schuldnerin in Verbindung mit einem vermeintlichen Rückforderungsanspruch aus Nr. 9 c i.V.m. 9 b der Satzung herzuleiten versucht, hat das Berufungsgericht mit Recht den neuen Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Im Übrigen trifft auch seine materiell-rechtliche Hilfsbegründung zu, dass diese Satzungsklauseln nicht auf die vorliegende Fallkonstellation zugeschnitten sind, in der im Stadium der Liquidation einvernehmlich eine gleichmäßige Vorabausschüttung an die Gesellschafter in Erwartung eines bestimmten Liquidationserlöses stattgefunden hat.
Goette Kurzwelly Kraemer Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Kleve, Entscheidung vom 03.11.2006 - 7 O 88/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.11.2007 - I-15 U 192/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 152/08
vom
23. September 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt
am 23. September 2009

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Juni 2008 wird die Revision zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 37.000 €

Gründe:


1
I. Der Kläger macht einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 37.000 € geltend. Die Vorinstanzen halten den Anspruch für begründet und zwei auf Schuldbekenntnisse des Klägers aus dem Jahre 1992 gestützte, hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegen- forderungen des Beklagten nicht für gerechtfertigt. Nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 1. Februar 2008 neu vorgetragen, er habe in der Zwischenzeit weitere Gegenansprüche ermittelt. Der Kläger habe den hälftigen Miteigentumsanteil der - vom Beklagten allein beerbten - Mutter des Beklagten an einer Finca auf Mallorca erst nach deren Tod unter Missbrauch einer Vollmacht der Mutter für einen Preis von 35.000 € an die damalige Lebensgefährtin des Klägers veräußert. Dieser Preis liege weit unter dem Wert des Miteigentumsanteils von mindestens 275.000 €. Aufgrund dieses Sachverhalts stellte der Beklagte zusätzlich hilfsweise einen Anspruch auf Herausgabe von 35.000 € sowie einen erstrangigen Teilbetrag eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs in einer insgesamt die Klageforderung erreichenden Höhe zur Aufrechnung. Zum Beweis seines Vortrags hat er sich auf eine Parteivernehmung des Klägers berufen, auf das Zeugnis der Erwerberin des Miteigentumsanteils sowie auf eine Auskunft des Grundbuchamts auf Mallorca. Abschließend hat er erwähnt, dass er durch seinen spanischen Rechtsanwalt eine Klage auf Rückübertragung vor dem zuständigen Gericht in Mallorca erhoben habe, über die noch nicht entschieden worden sei. Da eine Übersetzung der Klage nicht vorliege, hat er die Klageschrift in spanischer Fassung beigefügt.
2
Das Berufungsgericht hat nach einer ersten mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2008 Beweis über die Erfüllung der vorrangig zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen erhoben und nach einer weiteren mündlichen Verhandlung vom 30. April 2008 sein Urteil verkündet. Darin äußert sich das Berufungsgericht zu der mit Schriftsatz des Beklagten vom 1. Februar 2008 zusätzlich geltend gemachten Aufrechnungsforderung lediglich wie folgt: "Soweit der Beklagte in dem Schriftsatz vom 01. Februar 2008 nunmehr hilfsweise die Aufrechnung mit einer weiteren Forderung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Finca auf Mallorca stützen will, ist der Vortrag bereits deshalb unsubstantiiert und unbeachtlich, weil Urkunden nur in spanischer Sprache ohne Beifügung einer Übersetzung vorgelegt werden und daher nicht verwertet werde können."
3
Im Hinblick darauf rügt der Beklagte mit seiner rechtzeitig eingegangenen und begründeten Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.
4
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, das den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. BVerfG NJW-RR 2001, 1006, 1007).
5
Dass 1. Urkunden nur in spanischer Sprache vorgelegt worden sind, hat mit der Frage, ob der Vortrag des Beklagten substantiiert und beachtlich ist, grundsätzlich nichts zu tun. Urkunden sind Beweismittel (§§ 415 ff. ZPO); sie können auch zur Ergänzung des Parteivorbringens herangezogen werden (§ 142 ZPO). Davon ist das Vorbringen der Partei zu unterscheiden, das der Beklagte hier in seinem Schriftsatz vom 1. Februar 2008 niederlegt hat. Darin nimmt er nicht etwa auf die beigefügte Urkunde in spanischer Sprache Bezug, um sich den Vortrag des Sachverhalts zu ersparen oder zu vereinfachen, den er seiner neuen Aufrechnungsforderung zugrunde legen will. Diesen Sachverhalt hat er vielmehr in dem genannten Schriftsatz auf zwei Seiten in deutscher Sprache vorgetragen. Auf die Urkunde in spanischer Sprache hat er sich abschließend lediglich bezogen zum Beleg dafür, dass er mit Rücksicht auf den dargestellten Sachverhalt auch eine Klage bei einem Gericht auf Mallorca anhängig gemacht habe.
6
Wie das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zu der Ansicht kommen konnte, der Vortrag des Beklagten sei "bereits deshalb unsubstantiiert und unbeachtlich", weil Urkunden in spanischer Sprache ohne Übersetzung nicht verwertet werden könnten, ist nicht nachvollziehbar. Offenbar hat das Berufungsgericht den schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten in deutscher Sprache nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.
7
Darauf 2. kann das Berufungsurteil beruhen. Die Beschwerde macht mit Recht geltend, dass der Vortrag des Beklagten hinreichend substantiiert war, um einen Anspruch auf Herausgabe des Erlöses sowie auf Schadensersatz darzulegen. Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu ermitteln (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - NJW-RR 2007, 1409 Tz. 8; Urteil vom 13. Juli 1998 - II ZR 131/97 - VersR 1999, 1120 unter I). Erst wenn der Parteivortrag hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsfolge durch das Vorbringen der Gegenseite unvollständig, mehrdeutig oder sonst unklar wird, hat die Partei Anlass zu weiterer Substantiierung (BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984, 2888 unter II 1 a; vom 16. Oktober 1985 - VIII ZR 287/84 - NJW 1986, 919 unter I 1).

8
Hier hat der Beklagte geltend gemacht, die Vollmacht seiner Mutter , mit deren Hilfe der Kläger den Miteigentumsanteil der Mutter weiter übertragen habe, sei nicht über deren Tod hinaus gültig gewesen; der Kläger habe sie aber erst mehr als einen Monat nach dem Tod der Mutter zur Übertragung des dieser gehörenden Miteigentumsanteils verwendet. Die Mutter habe mit dem Kläger auch nicht vereinbart, wie der Kläger bewusst der Wahrheit zuwider behauptet habe, dass der Wert des Miteigentumsanteils der Mutter dem Kläger zustehen solle und dieser damit nach Gutdünken verfahren könne. Der Kläger hat den neuen Vortrag des Beklagten im Berufungsverfahren jedenfalls schriftsätzlich nicht bestritten. Danach erlaubte der Beklagtenvortrag den Schluss auf Ansprüche des Beklagten aus §§ 678, 684, 1922 BGB. Wenn das Berufungsgericht insoweit Zweifel gehabt hätte, hätte es den Beklagten darauf nach § 139 ZPO hinweisen müssen; dafür ist aber aus den Akten nichts ersichtlich. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten auch nicht aufgegeben, eine Übersetzung der spanischen Urkunde gemäß § 142 Abs. 3 ZPO vorzulegen.
9
3. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht nunmehr dem Vorbringen aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 1. Februar 2008 nachzugehen haben.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 14.09.2007 - 16 O 276/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 19.06.2008 - 5 U 191/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 266/04
vom
21. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn der Tatrichter
sich der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen
an die Substantiierung des Klägervortrags verschließt.

b) Streiten die Parteien eines aktienrechtlichen Anfechtungsrechtsstreits unter
Vorlage einander in wesentlichen Punkten widersprechender Privatgutachten
über komplexe fachspezifische Fragen der Unternehmensbewertung, so
darf der Tatrichter, wenn er - wie im Regelfall - über keine eigene Sachkunde
verfügt bzw. eine solche nicht dargelegt hat, nicht ohne Einholung eines
gerichtlichen Sachverständigengutachtens dem Vortrag einer Partei zu Lasten
der anderen den Vorzug geben.

c) Ist bei einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung (hier: § 69 UmwG) durch
deren Eintragung in das Register aufgrund einer Freigabeentscheidung gemäß
§ 16 Abs. 3 UmwG nicht nur die Verschmelzung selbst, sondern auch
der notwendige "Annex" der Kapitalerhöhung unumkehrbar wirksam geworden
, so ist die Weiterführung der Anfechtungsklage des Hauptprozesses im
Hinblick auf die in § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG normierte Schadensersatzpflicht
auch in Bezug auf den "Annexbeschluss" zur Kapitalerhöhung zulässig.

d) Zur Wahrung der schriftlichen Form des Verschmelzungsberichts gemäß § 8
Abs. 1 UmwG bei dessen Unterzeichnung durch Organmitglieder (nur) in
vertretungsberechtigter Zahl und zur Relevanz eines etwaigen diesbezüglichen
Formmangels.
BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Mai 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Dr. Strohn und Dr. Reichart

beschlossen:
I. Auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 1 und 4 wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 25. Oktober 2004 im Kostenpunkt - jedoch mit Ausnahme der Entscheidung über die Nebeninterventionskosten - und insoweit aufgehoben, als deren Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 6. Februar 2003 zu TOP 1 (Zustimmung zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrages) und zu TOP 2 (Kapitalerhöhung im Rahmen der Verschmelzung) abgewiesen worden sind. II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 5 wird zurückgewiesen. III. Der Kläger zu 5 trägt die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtsgebühren und seine darin entstandenen eigenen notwendigen Auslagen. Ferner hat er 1/3 der gerichtlichen Auslagen und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu tragen. IV. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die weitergehenden, nicht durch die vorstehende Kostenentscheidung (III) erfassten Kos- ten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. V. Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens: 110.000,00 € (Fortgesetzte Anfechtungsklagen der Kläger zu 1, 4 und 5 gem. § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG gegen die Zustimmung zur Verschmelzung: 100.000,00 €; fortgesetzte Anfechtungsklagen der Klägerinnen zu 1 und 4 gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss : 10.000,00 €)

Gründe:

1
I. Die am Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beteiligten Kläger zu 1, 4 und 5 sind Minderheitsaktionäre der beklagten börsennotierten V. AG, die im Jahre 2002 durch Zusammenführung der H. AG und der VE. AG B. entstanden ist. Mehrheitsaktionärin ist - über mehrere Beteiligungsgesellschaften - mit ca. 96,8 % der Aktien die - im Alleinbesitz des Königreichs Schweden stehende - V. AB mit Sitz in Schweden.
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Die Beklagte und die B. Aktiengesellschaft (nachfolgend: B. ), an der die Beklagte zu 89,52 % beteiligt war, beabsichtigten eine Verschmelzung beider Unternehmen unter Übertragung des Vermögens der B. auf die Beklagte gegen Gewährung von Aktien an die Aktionäre der B. - mit Ausnahme der Beklagten selbst - zu einem Umtauschverhältnis von einer B. -Aktie zu 0,5976 Aktien der Beklagten; dabei sollte zur Durchführung der Verschmelzung das Grundkapital der Beklagten gemäß § 69 UmwG erhöht werden. Die außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten vom 6. Februar 2003 stimmte mit 99,96 % der abgegebenen Stimmen und des vertretenen Grundkapitals dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages (TOP 1) sowie der Kapitalerhöhung um 18 Mio. € im Zuge der Verschmelzung (TOP 2) zu. Die Kläger, die gegen die Beschlüsse stimmten und Widerspruch zur Niederschrift erklärten, haben sämtlich Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluss , die Klägerinnen zu 1 und 4 außerdem auch gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss erhoben; die Klägerin zu 1 hat ferner Feststellungsanträge gestellt.
3
Das Landgericht hat den Anfechtungsklagen stattgegeben, die Feststellungsklage der Klägerin zu 1 hingegen abgewiesen. Das Kammergericht hat auf die Berufung der Beklagten - während des zweitinstanzlichen Verfahrens sind die angefochtenen Beschlüsse auf Grund einer Freigabeentscheidung (§ 16 Abs. 3 UmwG) in das Handelsregister eingetragen worden - die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wenden sich die Klägerinnen zu 1 und 4 sowie der Kläger zu 5 mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 1 und 4 sind sowohl hinsichtlich ihrer Klagen gegen die Verschmelzung (A) als auch bezüglich ihrer Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses (B) begründet und führen gemäß §§ 544 Abs. 7, 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts. Demgegenüber hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 5 keinen Erfolg (C).
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A. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerinnen zu 1 und 4 auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hinsichtlich ihrer Anfechtungsklagen gegen die Zustimmung zur Verschmelzung (TOP 1) in entscheidungserhebli- cher Weise verletzt. Es hat umfangreichen, dezidierten und unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Klägerinnen zu 1 und 4 zu dem - von ihnen als Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers in zulässiger Weise erhobenen (vgl. arg. e contrario § 14 Abs. 2 UmwG; vgl. BGHZ 112, 9, 19 - zu § 352 c AktG a.F.) - Kernvorwurf, dem Verschmelzungsbeschluss liege infolge schwerwiegender Bewertungsmängel eine deutliche Unterbewertung des Unternehmens der Beklagten und damit ein für deren Aktionäre nachteiliges, fehlerhaftes Umtauschverhältnis zugrunde, verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert abqualifiziert bzw. - ohne nähere Begründung und insbesondere ohne Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens - als durch den gegenteiligen Parteivortrag der Beklagten widerlegt angesehen. Diese sich auf die Verwendung von Leerformeln beschränkende, nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Berufungsgerichts dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen; sie ist deswegen nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Klägervortrags.
6
1. Die Klägerin zu 1 hat unter Berufung auf ein von ihr vorgelegtes Privatgutachten des Prof. Dr. K. - Inhaber des Lehrstuhls für Finanzmanagement und Kapitalmärkte der TU M. - vom 10. Juni 2003 und dessen Ergänzungsgutachten vom 30. August 2004 u.a. behauptet, die Finanzierungsprämissen bei der Unternehmensbewertung der Beklagten führten zu einer deutlichen Unterbewertung dieser Gesellschaft von mindestens 16 %; dabei sei insbesondere die Annahme des Bewertungsgutachtens der BDO unvertretbar, die Finanzierungskosten für den Erwerb der B. -Beteiligung seien auf Dauer nicht steuerlich absetzbar, obwohl dieser zur Reduzierung des Unternehmenswerts führende Nachteil durch eine - unternehmerisch gebotene - Eigenkapitalzuführung sofort beseitigt werden könne. Ferner sei der zur Berechnung des Zinsaufwandes angesetzte langfristige Basiszinssatz von 5,5 % p.a. - schon angesichts der geringeren Rendite einer Anleihe der Konzernmutter V. AB von lediglich 4,43 % zum Bewertungsstichtag - erheblich überhöht; hinzu kämen Ungereimtheiten bei der Anwendung des sog. Stand-alone-Prinzips, das zudem im Rahmen der durchgeführten Unternehmensbewertung nicht konsequent durchgehalten worden sei. Schließlich berücksichtige die von der Beklagten vorgelegte Bewertung zu Unrecht nicht, dass sich der Gesamtenergiemarkt von einem Verteilermarkt in einen Erzeugermarkt wandeln werde und angesichts einer kontinuierlichen Nachfragesteigerung mit einer nicht unerheblichen Preissteigerung gegen Ende dieses Jahrzehnts zu rechnen sei. Ferner hat die Klägerin zu 1 auch zu den gegenteiligen Ausführungen der Beklagten in einer detaillierten, zwei Seiten umfassenden Aufstellung der einzelnen Streitpunkte im Schriftsatz v. 27. Februar 2004 nochmals Stellung genommen.
7
a) Dazu hat das Berufungsgericht lediglich ausgeführt: Die Beklagte habe in der Berufungsbegründung nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Klägerin zu 1 erhobenen Rügen unbegründet seien. Mit diesem Vorbringen setze sich die Klägerin zu 1 ganz überwiegend nicht einmal ansatzweise auseinander , was vorliegend zu ihren Lasten zu gehen habe. Ergänzend sei anzumerken , dass es Sache der Klägerin zu 1 sei, etwaige Fehler bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses substantiiert darzulegen und sich zu den gegnerischen Einwänden gegen das von ihr vorgelegte Privatgutachten zu äußern. Diesen Anforderungen genüge ihr Vortrag nicht.
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b) Damit hat sich das Berufungsgericht der Erkenntnis verschlossen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Partei ihrer Darlegungslast genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl. nur: Sen.Urt. v. 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740 m.w.Nachw.). Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, dabei ggf. Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder - sofern es, wie hier bei der Unternehmensbewertung, auf spezifische Fachkunde ankommt - einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.
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c) Diesen Anforderungen an die Substantiierungslast genügte das Vorbringen der Klägerin zu 1 - zumal es sogar, ohne eine dahingehende prozessuale Verpflichtung, durch ein Privatgutachten nebst Ergänzung untermauert war - angesichts der Komplexität der Bewertungsvorgänge zweifelsfrei (vgl. nur BGH, Urt. v. 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02, NJW 2003, 1400), so dass das Berufungsgericht , wenn es den Parteivortrag inhaltlich zur Kenntnis genommen hätte , spätestens nach Vorliegen der klägerischen Replik auf die Klageerwiderung in die beantragte Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte eintreten müssen. Hatten hier beide Parteien zu den fachspezifischen Fragen des Unternehmensbewertungsrechts jeweils Privatgutachten kompetenter Sachverständiger vorgelegt, die einander in wesentlichen Punkten widersprachen, so durfte das Berufungsgericht - das über keine eigene Sachkunde verfügte bzw. eine solche nicht dargelegt hat - nicht ohne Erhebung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens dem einen Privatgutachten zu Lasten des anderen den Vorzug geben (BGH, Urt. v. 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382). Vollends unzulänglich war hier die pauschale Begründung, mit der sich das Berufungsgericht einfach das Beklagtenvorbringen nur leerformelhaft zu Eigen gemacht hat, ohne auch nur im Ansatz die zumindest gebotene ausgewogene Auseinandersetzung mit dem schlüssigen Klägervortrag erkennen zu lassen.
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2. Entsprechendes gilt auch für das Vorbringen der Klägerin zu 4.
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a) Diese hat schwerpunktmäßig behauptet, das Stand-alone-Prinzip anlässlich der Bewertung der Beklagten sei durch eine "Mischmaschrechnung" im Wertgutachten der BDO verletzt worden - eine Betrachtungsweise, die möglicherweise in dieser Verallgemeinerung unzutreffend sein könnte, weil die Beklagte schon vor der Verschmelzung über eine substantielle Beteiligung an der B. verfügte und diese Beteiligung einen Teil ihres Wertes ausmachte. Ob mit Rücksicht darauf die Annahme des Berufungsgerichts, der Rüge einer fehlerhaften aggregierten Bewertung fehle bereits die ausreichende Darlegung, als verfahrensfehlerfrei getroffen gelten kann oder ob auch insoweit die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich war, kann offen bleiben.
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b) Denn jedenfalls hat das Berufungsgericht bezüglich dieser Klägerin unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übersehen, dass sich deren Vorbringen nicht auf diesen einen Umstand beschränkte. Vielmehr hat die Klägerin zu 4 - worauf sie sich in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde mit noch ausreichender Deutlichkeit zur Begründung ihrer Rüge aus Art. 103 GG berufen hat - sich in den Vorinstanzen zusätzlich den Sachvortrag der Klägerin zu 1, insbesondere das von dieser vorgelegte Privatgutachten des Prof. Dr. K. , in Bezug auf weitergehende Bewertungsmängel - namentlich hinsichtlich der Berücksichtigung steuerlich nicht abzugsfähiger "ewiger" Zinsen und hinsichtlich des Zinssatzes - zu Eigen gemacht.
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B. Von der vorstehend dargelegten Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerinnen zu 1 und 4 hinsichtlich ihrer Anfechtung des Beschlusses zur Verschmelzung werden zugleich auch ihre Anfechtungsanträge gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss erfasst. Der Kapitalerhöhungsbeschluss stellt im Rahmen der hier vorliegenden "Verschmelzung mit Kapitalerhöhung" (§ 69 UmwG) schon seinem Wortlaut, aber auch seinem Inhalt nach lediglich einen "Annex" zum Verschmelzungsbeschluss dar, weil die Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Verschmelzung im Hinblick auf die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers benötigt wurde. Nachdem das Landgericht die Freigabeentscheidung auf die Eintragung sowohl der Verschmelzung als auch des Kapitalerhöhungsbeschlusses erstreckt hat, ist - schon nach der seinerzeit maßgeblichen "alten" Rechtslage vor Inkrafttreten des § 246 a AktG n.F. (vgl. Art. 1 Nr. 23 UMAG v. 22. September 2005, BGBl. I, 2802) - mit deren Eintragung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG nicht nur die Verschmelzung selbst, sondern in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch der notwendige "Annex" der Kapitalerhöhung unumkehrbar wirksam geworden (h.M.: vgl. nur OLG Hamm, Konzern 2005, 374, 376; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG 3. Aufl. § 16 Rdn. 55; Grunewald in Lutter, UmwG 3. Aufl. § 69 Rdn. 22). Das schließt in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG die Zulässigkeit der Weiterführung der Anfechtungsklage des Hauptprozesses auch in Bezug auf den "Annexbeschluss" zur Kapitalerhöhung nach erfolgter Eintragung in das Handelsregister im Hinblick auf die dort zugleich normierte Schadensersatzpflicht ein (vgl. nunmehr auch § 246 a Abs. 4 AktG n.F.).
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C. Die Beschwerde des Klägers zu 5 ist zurückzuweisen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
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1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungsklage dieses Klägers wegen Rechtsmissbrauchs als unbegründet abgewiesen. Zu den Voraussetzungen des Einwands des individuellen Rechtsmissbrauchs gegenüber der aktienrechtlichen Anfechtungsklage i.S. des § 246 AktG hat der Senat bereits grundsätzli- che Leitlinien aufgestellt (BGHZ 107, 296). Diese bedürfen unter dem Blickwinkel des § 543 Abs. 2 ZPO aus Anlass des vorliegenden Einzelfalls keiner Ergänzung.
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2. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) liegt in Bezug auf den Kläger zu 5 - anders als dieser meint - nicht vor.
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a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung der Anfechtungsklage des Klägers zu 5 ausgeführt: Die Beklagte habe in der Berufungsbegründung substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen die Erhebung der Anfechtungsklage in Bezug auf den Kläger zu 5 rechtsmissbräuchlich sei; diese Ausführungen mache sich der Senat zu Eigen; eine irgendwie geartete Auseinandersetzung mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs sei seitens des Klägers in dem Berufungsverfahren nicht erfolgt.
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b) Es mag im Ansatz zweifelhaft sein, ob eine derartige pauschale Bezugnahme auf das schriftsätzliche Vorbringen des Beklagten zur Begründung der Entscheidung verfahrensrechtlich bedenkenfrei ist. Grundsätzlich muss das Urteil für die Prozessbeteiligten, insbesondere die unterlegene Partei, klar erkennen lassen, auf welchen Erwägungen es beruht. Es muss in wenn auch knappen, so doch eigenen Worten die Gründe für seine Entscheidung verdeutlichen , weil nur so eine Überprüfung durch die höhere Instanz ermöglicht wird. Ob die vom Berufungsgericht gegebene knappe Begründung diesen Anforderungen noch entspricht, kann letztlich dahinstehen, weil sich ein etwaiger derartiger formaler Mangel jedenfalls im Endergebnis nicht ausgewirkt hat.
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c) Denn der Kläger zu 5 handelte auf der Grundlage des als unstreitig festgestellten Vortrags der Beklagten - wie er sich aus deren vom Berufungsge- richt konkret in Bezug genommenen Berufungsbegründungsschriftsatz eindeutig ergibt - rechtsmissbräuchlich.
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Er hat die Anfechtungsklage mit dem Ziel erhoben, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hatte und billigerweise auch nicht erheben konnte (BGHZ 107, 296, 311). Der Kläger zu 5 hat bereits seit Juli 2002 in wenigstens zehn Schreiben mit seinem Briefkopf als Rechtsanwalt, die überwiegend direkt an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten gerichtet waren, unaufgefordert seine Rechtsansicht mitgeteilt, die ehemaligen DDR-Kombinatsbetriebe, welche die Beklagte zu ihrer Unternehmensgruppe zähle, seien dieser in Wirklichkeit nicht zuzuordnen. In seinem Schreiben vom 29. August 2002 führt er aus: "Ich wäre deshalb schon in erster Linie daran interessiert, mit Ihrem Unternehmen die Dinge zu bereinigen, und ich möchte dies auch gerne tun zu einem Zeitpunkt, bevor sie an anderer Stelle sichtbar werden."
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In folgenden Briefen bemühte er sich - weiterhin - um ein Beratungsmandat , worauf sich die Beklagte aber nicht einließ. Kurz vor der Hauptversammlung vom 6. Februar 2003 erwarb er sodann 20 Aktien der Beklagten, was er wiederum dem Vorstandsvorsitzenden - verbunden mit dem Hinweis, an der Hauptversammlung teilnehmen und dort Fragen zur Bilanz und zur Geschäftsführung stellen zu wollen - mitteilte. Nach der Hauptversammlung ließ er die Beklagte wissen, dass er ein Spruchverfahren beabsichtige und dass in diesem Fall alle weiteren Antragsteller sowie der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre Einblick in sämtliche Akten erhalten würden. In seinem Schreiben vom 18. März 2003 kündigte er ferner an, sich am Spruchverfahren der B. zu beteiligen. Seine Anfechtungsklage hat der Kläger zu 5 im Wesentlichen auf die bereits zuvor von ihm behaupteten angeblichen Umwandlungsmängel im Zusammenhang mit den zur Unternehmensgruppe der Beklag- ten (namentlich der B. ) gehörenden ehemaligen DDR-Betrieben und eine daraus vermeintlich resultierende Beeinflussung des Umtauschverhältnisses gestützt. Noch während des Prozesses legte der Kläger zu 5 der Beklagten nahe , es entspreche einer "zielführenden Konfliktstrategie und Problemstrategie", wenn sein Vorbringen den anderen Anfechtungsklägern nicht zur Kenntnis gebracht werde.
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Ersichtlich wollte der Kläger zu 5 sich durch die von ihm durchgängig erstrebte Übertragung eines anwaltlichen Beratungsmandats von der Beklagten sein Schweigen zu der von ihm behaupteten Problematik der Umwandlung der ehemaligen DDR-Betriebe durch die ihn dann treffende anwaltliche Schweigepflicht abkaufen lassen. Dabei waren nicht zuletzt der Erwerb von Aktien der Beklagten kurz vor der Hauptversammlung sowie die anschließende Klageerhebung selbst Bestandteile der Strategie des Klägers zu 5, ein Droh- und Druckpotential gegenüber der Beklagten aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten, um diese zu der erstrebten Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hatte. Eine derartige grob eigennützige Handlungsweise rechtfertigt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Verhaltens zweifelsfrei den Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs gegenüber der von diesem Kläger erhobenen Anfechtungsklage.
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III. Für das auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin zu 1 und 4 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO neu eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Die weitergehenden Anfechtungsgründe, die die Klägerinnen zu 1 und 4 ihren Nichtzulassungsbeschwerden zugrunde gelegt haben, hat der Senat geprüft, aber für nicht zulassungsrelevant i.S. des § 543 Abs. 2 ZPO erachtet.
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a) Der Verschmelzungsbericht gemäß § 8 Abs. 1 UmwG weist keine entscheidungserheblichen , die Zulassung erforderlich machenden Mängel auf.
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Allerdings ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, ob - wie die Kläger meinen - aus der gesetzlichen Anordnung der Schriftlichkeit in § 8 UmwG abzuleiten ist, dass eine eigenhändige Unterschrift jedes einzelnen Mitglieds des Vertretungsorgans erforderlich ist (so die h.M.: vgl. Lutter/Drygala in Lutter aaO § 8 Rdn. 8; Kallmeyer/Marsch-Barner aaO § 8 Rdn. 3; Stratz in Schmidt/Hörtnagel/Stratz, UmwG/UmwStG 4. Aufl. § 8 Rdn. 6; Gehling in Semler/Stengel, UmwG § 8 Rdn. 7; Grunewald in Geßler/Hefermehl/ Eckhardt/Kropff, AktG § 340 a Rdn. 18) oder ob eine Unterzeichnung durch Organmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl - wie sie hier in Gestalt der Unterschriften von nur zwei Vorstandsmitgliedern der Beklagten vorliegt - ausreicht (so Klaus J. Müller, NJW 2000, 2001).
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Für die zuletzt genannte Mindermeinung sprechen nachhaltig Sinn und Zweck der Regelung. Dem Verschmelzungsbericht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwG kommt vor allem eine umfassende Informationsfunktion zu: Er soll die Verschmelzung und den Verschmelzungsvertrag im Einzelnen, insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile, rechtlich und wirtschaftlich erläutern und begründen. Weil dem geschriebenen Wort eine größere Präzision, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit zukommt, soll der Bericht schriftlich vorliegen und nicht lediglich mündlich vorgetragen werden. Dass bei Unterzeichnung des Berichts durch Organmitglieder nur in vertretungsberechtigter Zahl etwa die Gefahr bestünde, der Bericht entspreche nicht dem Willen der Mehrheit des Organs , erscheint lebensfremd: Eine solche Manipulation könnte nicht verborgen bleiben, weil der Verschmelzungsbericht in der Hauptversammlung - zumeist, so auch hier, in Anwesenheit aller Vorstandsmitglieder - mündlich erläutert und erörtert wird.
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Der Senat braucht diese Frage aber nicht abschließend zu entscheiden, weil es hier - selbst wenn man der bisher h.M. folgen wollte - im Falle der Nichteinhaltung der Schriftform an der Relevanz des Formmangels für die Informations - und Mitwirkungsrechte der Aktionäre im Sinne der Senatsrechtsprechung fehlen würde (vgl. BGHZ 153, 32; 160, 385). Der Sinn eines etwaigen Erfordernisses der Unterzeichnung durch alle Organmitglieder könnte - wie dargelegt - nur darin bestehen, den Aktionären zu verlautbaren, dass der Vorstand mehrheitlich "hinter dem Bericht steht". Jedem vernünftig denkenden Aktionär ist aber klar, dass es der Lebenserfahrung widerspricht, dass ein Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl einen Verschmelzungsbericht herausgibt, mit dem die Mehrheit des Vorstandes nicht einverstanden ist. Ein solcher Aktionär würde sich in seiner Entscheidung über die Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte von einer fehlenden - unterstellt: erforderlichen - Unterzeichnung des Berichts durch sämtliche Vorstandsmitglieder nicht beeinflussen lassen.
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b) Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1, die auch in diesem Zusammenhang die anderwärts vielfältig von ihr und anderen öfter als Anfechtungsklägern in Erscheinung tretenden Aktionären vorgebrachten Standardrügen erhebt , wirft weder der Umstand, dass das Gericht den Verschmelzungsprüfer auf Vorschlag der Beklagten bestellt hat, noch die Tatsache der sog. Parallelprüfung entscheidungsbedürftige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Beide Fragen hat der Senat - anders als die Klägerin zu 1 für richtig hält - entschieden (vgl. Sen.Urt. v. 18. September 2006 - II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080, 2082, sowie schon BGHZ 135, 260).
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2. In Bezug auf die diversen sonstigen Rügen der Beschwerden sieht der Senat von einer näheren Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO ab, weil insoweit offensichtlich Zulassungsgründe nicht gegeben sind.
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3. Das Berufungsgericht wird nunmehr im Hinblick auf die schlüssigen Bewertungsrügen der Kläger zu 1 und 4, denen die Beklagte mit erheblichem Sachvortrag entgegengetreten ist, in die Beweisaufnahme einzutreten und das von beiden Seiten hierzu beantragte Sachverständigengutachten einzuholen haben.
Goette Kurzwelly Kraemer Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.09.2003 - 93 O 47/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 25.10.2004 - 23 U 234/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 19/01 Verkündet am:
18. März 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ArbEG §§ 5 Abs. 2, 12; BGB § 123
Gehäusekonstruktion

a) Die Anfechtung einer Vergütungsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung
kommt in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer, der eine Diensterfindung gemacht hat,
seinem Arbeitgeber bei der Meldung der Erfindung eine nicht unerhebliche Mitwirkung
von Mitarbeitern am Zustandekommen der Erfindung vorsätzlich verschweigt
und als alleiniger Erfinder sich eine Vergütung versprechen läßt.

b) Bei der Meldung der Erfindung hat ein Arbeitnehmererfinder den Arbeitgeber
auch darüber zu informieren, ob und in welchem Umfang Mitarbeiter am Zustandekommen
der Erfindung beteiligt waren. Die Information über diese Angaben
steht nicht im Ermessen des Arbeitnehmers.
BGH, Urt. vom 18. März 2003 - X ZR 19/01 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 18. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 30. November 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Vereinbarung auf Zahlung der fälligen Arbeitnehmererfindervergütung und Feststellung der künftigen Zahlungspflicht in Anspruch.

Der Kläger war von Oktober 1991 bis zum 31. Dezember 1998 bei der Beklagten, einer mit der Herstellung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimageräten befaßten Maschinenfabrik, beschäftigt. Im Juli 1995 wurde er in die Forschungs - und Entwicklungsabteilung der Beklagten versetzt und war von da ab an der Entwicklung und Konstruktion neuer raumlufttechnischer Geräte beteiligt.
Im Rahmen des Projekts "Neuer ..." zeigte der Kläger der Beklagten eine neue Gehäusekonstruktion insbesondere für Heizungs-, Lüftungs- und Klimageräte und/oder -kanäle an. Die Beklagte nahm die Erfindung in Anspruch und meldete sie am 10. Juli 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt zum Patent an. Dabei benannte sie den Kläger als Alleinerfinder. Die Erteilung des Schutzrechts DE 197 ... wurde am 3. Dezember 1998 veröffentlicht.
Mit Schreiben vom 8. September 1997 bot die Beklagte dem Kläger den Abschluß folgender Vereinbarung an:
"Für die von Herrn H. gemachte Erfindung über die Detailmerkmale am neuen ... errechnet sich auf Grundlage des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen ... und den Richtlinien ... sowie unter Anwendung eines Risikozuschlags bis zur Erteilung des endgültigen Patents für die Dauer der Nutzung der Erfindung durch das Unternehmen eine jährliche Erfinderprämie von DM 10.000,-- bis zum Zeitpunkt der endgültigen Erteilung des Patents und DM 20.000,-- ab dem Zeitpunkt der endgültigen Erteilung des Patents (gerechnet auf die volle Nutzung über 12 Monate). Die Auszahlung der Prämie erfolgt einmalig am Ende jeden Jahres ..." Der Kläger erklärte auf derselben Urkunde:

"Hiermit erkenne ich die oben ausgeführte Prämienfestlegung der Erfindung nach dem ArbEG 450 und der Richtlinie 455 unwiderruflich an." Die Beklagte zahlte die Erfindervergütung für das Jahr 1997 vereinbarungsgemäß. Mit Schreiben vom 29. Dezember 1998 äußerte sie Zweifel an der Alleinerfinderschaft des Klägers und focht schließlich mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 25. Januar 1999 die Vereinbarung vom 8. September 1997 wegen arglistiger Täuschung an, weil der Kläger sie unter Verschweigen der Anteile seiner Miterfinder falsch informiert habe. Am 25. März 1999 verlangte sie unter Berufung auf § 12 Abs. 6 ArbEG Zustimmung zu einer Neuregelung für die Zeit ab 1998, wobei sie eine jährliche Prämie von 400,-- DM, berechnet auf der Grundlage von sieben weiteren Miterfindern, und einem Lizenzsatz von 1 % anbot. Mit Schreiben ihres Patentanwalts vom 14. Mai 1999 setzte sie schließlich die Erfindervergütung unter Berücksichtigung eines (unveränderten ) Anteilsfaktors von 10 %, eines Lizenzsatzes von 1 % sowie eines wegen drei Miterfinder geminderten Beteiligungsfaktors von 25 % auf 800,-- DM jährlich fest.
Mit der Behauptung, er sei im Rahmen des Projekts "Neuer ..." allein für die gesamte Entwicklung und Konstruktion zuständig gewesen, einen Miterfinder gebe es nicht, ein Anfechtungsgrund sei deshalb nicht gegeben, hat der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das Jahr 1998 eine Erfindervergütung in Höhe von 10.833,-- DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm über die Dauer der Benutzung des deutschen Patents 197 ... eine jährliche Erfindervergütung von 20.000,-- DM zu zahlen, und zwar jeweils zahlbar im Dezember, beginnend mit Dezember 1999. Die Beklagte hat die Ansprüche des Klägers jeweils in Höhe von 800,-- DM anerkannt und im übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte ihrem Anerkenntnis entsprechend zur Zahlung von jeweils 800,-- DM für die Jahre 1998 und 1999 sowie zur Zahlung von 10.033,-- DM für 1998 und 19.200,-- DM für 1999 verurteilt. Ferner hat es festgestellt, daß die Beklagte für die Dauer der Nutzung des Patents ab Dezember 2000 zu einer jährlichen Vergütung von 800,-- DM und 19.200,-- DM verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
In einem Verfahren vor dem Landgericht München I (21 O 14283/99) haben drei Kläger Miterfinderrechte an der streitigen Erfindung beansprucht. Das Landgericht München I hat durch Urteil vom 21. März 2001 den Kläger (dortigen Beklagten) rechtskräftig verurteilt, gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt seine Zustimmung zu erklären, daß neben ihm der (dortige) Kläger K. R. als Miterfinder in der Patentrolle eingetragen wird, weil R. einen wesentlichen Beitrag zu der streitigen Erfindung geleistet habe.

Mit der Revision erstrebt die Beklagte Aufhebung des angefochtenen Urteils und Klageabweisung, soweit der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Erfindervergütung über ihr Anerkenntnis hinausgeht. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat dem Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten hinaus einen Anspruch auf Erfindervergütung aus dem Vertrag vom 8. September 1997 zugesprochen. Ein Anfechtungsrecht der Beklagten wegen arglistiger Täuschung hat es hingegen verneint. Dazu hat es unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Landgerichts ausgeführt, die Beklagte habe Anfechtungsgründe in ausreichend substantiierter Weise nicht rechtzeitig vorgetragen ; eine andere Möglichkeit, die getroffene Vereinbarung zu beseitigen oder abzuändern, bestehe nicht. Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß der Kläger objektiv falsche Angaben gemacht habe, so daß es auf die subjektive Seite der arglistigen Täuschung nicht ankomme. Da die Beklagte eine zeitlich vorausgehende Erfindung gegenüber der vom Kläger dem Arbeitgeber mitgeteilten eigenen Erfindung behaupte, auf die der Kläger nach seiner Versetzung ins Werk W. gestoßen sei, habe die Beklagte darlegen müssen, wann welcher ihrer Mitarbeiter welchen tatsächlichen Teil des Patentanspruchs 1 als lösungswesentlich erkannt und offenbart habe. Es komme nicht darauf an, ob die einzelnen Beiträge erfinderisch seien, sondern darauf, welche Merkmale des Patentanspruchs die Zeugen R., K. und B. (oder andere) wann gefunden und als wesentlich erkannt und beibehalten hätten. Der Umstand, daß der Kläger von der Entwicklungsabteilung der Beklagten ins Werk W. gesandt worden sei, um eine Lösung zu entwickeln, das Pflichtenheft und die weitere zeitliche Ab-

folge sprächen dagegen, daß der Kläger in W. mit einer bereits vorhandenen Lösung konfrontiert worden sei. Das Landgericht habe die Beklagte auf ihren mangelhaften Vortrag hingewiesen. Gleichwohl habe sie in ihrer Berufungsbegründung den als unzureichend zurückgewiesenen Vortrag wiederholt. Einzelheiten habe die Beklagte im Berufungsverfahren erst verspätet mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2000 vorgetragen, was sie nicht hinreichend entschuldigt habe. Eine Zulassung dieses Vortrags hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert.
2. Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 123 BGB kann seine Willenserklärung anfechten, wer zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Die Täuschung kann durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen oder durch ihr Verschweigen begangen werden. Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschungshandlung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber erwächst dem Arbeitnehmer aus dem arbeitsrechtlichen Treueverhältnis. Ein Arbeitnehmer, der im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses eine technische Neuerung gefunden hat, muß allein auf Grund dieses Umstandes davon ausgehen, daß die Neuerung für den Arbeitgeber von erheblicher technischer und wirtschaftlicher Bedeutung sein kann und daß die Wahrung der Interessen des Arbeitgebers ihn verpflichten, dem Arbeitgeber die Erfindung unverzüglich mitzuteilen. Aus der Bedeutung für den Arbeitgeber wird er weiter schließen müssen, daß die bloße Mitteilung der Erfindung nicht ausreicht, son-

dern daß er die Erfindung und die Umstände ihres Zustandekommens näher beschreiben muß, insbesondere welche technische Aufgabe im Betrieb gestellt war, welche Erfahrungen benutzt wurden sowie wer in welchem Umfang an der Erfindung mitgearbeitet hat, um den Arbeitgeber in den Stand zu setzen, die Erfindung sachgerecht zu bewerten, vor allem auch die Vergütung richtig festzusetzen. Veranlaßt der Arbeitnehmer durch falsche Angaben eine Fehlbewertung der Erfindung oder verschweigt er bewußt erkennbar erhebliche Umstände , welche die Erfindung und deren Zustandekommen betreffen, so kann der Arbeitgeber eine Vergütungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer wegen arglistiger Täuschung anfechten (vgl. Sen.Urt. v. 17.4.1973 - X ZR 59/69, GRUR 1973, 649, 650 - Absperrventil; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 4. Aufl. § 12 Rdn. 94, 105).

b) Diese Verpflichtung des Arbeitnehmers zur umfassenden Information findet in den Regelungen des Arbeitnehmererfindergesetzes (ArbEG) Bestätigung. Nach § 5 Abs. 1 ArbEG hat der Arbeitnehmer, der eine Diensterfindung gemacht hat, diese unverzüglich seinem Arbeitgeber gesondert schriftlich zu melden und hierbei kenntlich zu machen, daß es sich um die Meldung einer Erfindung handelt. Abs. 2 der Vorschrift bestimmt den Inhalt der Meldung. Nach Satz 1 hat der Arbeitnehmer die technische Aufgabe, ihre Lösung und das Zustandekommen der Diensterfindung zu beschreiben. Nach Satz 3 soll die Meldung dem Arbeitnehmer dienstlich erteilte Weisungen oder Richtlinien, die benutzten Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes, die Mitarbeiter sowie Art und Umfang ihrer Mitarbeit angeben und hervorheben, was der meldende Arbeitnehmer als seinen eigenen Anteil an der Erfindung ansieht.

Die Information über diese Angaben steht nicht im Ermessen des Arbeitnehmers (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 73). Zwar hat der Gesetzgeber die in Satz 3 genannten Kriterien nicht als zwingende (Muß-)Vorschrift entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 1 ArbEG geregelt. Da der Arbeitgeber nach Meldung der Diensterfindung gemäß § 6 ArbEG über die Inanspruchnahme entscheiden muß, müssen die Angaben des Arbeitnehmers aber so gestaltet sein, daß der Arbeitgeber eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Die Entschließung des Arbeitgebers hängt zum einen davon ab, ob überhaupt eine Diensterfindung vorliegt. Sie wird aber auch von der Überlegung beeinflußt, in welchem Umfang der Arbeitgeber später Erfindervergütung zahlen muß. Die Höhe der Vergütung hängt wiederum unter anderem von der Frage ab, ob und wie viele Miterfinder beteiligt waren. Schon das begründet auch aus der Sicht des Arbeitnehmers ein erkennbares schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Information über die Beteiligung von Mitarbeitern an der Erfindung und die Art und den Umfang ihrer Tätigkeit. Dieses folgt zudem auch daraus, daß jeder Arbeitnehmererfinder einen eigenständigen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber besitzt. Bei einer Mehrzahl beteiligter Miterfinder ist deshalb die Vergütung für jeden gesondert zu vereinbaren ("festzustellen") oder festzusetzen (§ 12 ArbEG). Jeder Miterfinder hat gegen den Arbeitgeber einen eigenen, selbständigen Vergütungsanspruch, den er unabhängig von den übrigen Miterfindern geltend machen kann (BGH, Urt. v. 2.12.1960 - I ZR 23/59, GRUR 1961, 338, 341 - Chlormethylierung; Busse, Patentgesetz, 5. Aufl. § 12 ArbEG Rdn. 11). Kommt eine einverständliche Feststellung der Vergütung nur mit einzelnen Miterfindern zustande, ist gegenüber den übrigen die Vergütung festzusetzen (Bartenbach/Volz, aaO, § 12 Rdn. 39; Busse, aaO, § 12 ArbEG Rdn. 11). Wäre

bei dieser Sachlage der anmeldende Arbeitnehmer nicht verpflichtet, die Betei- ligung Dritter zu offenbaren, sähe sich der Arbeitgeber, wenn ein Miterfinder Rechte aus der Erfindung geltend macht, einem weiteren Vergütungsanspruch ausgesetzt, ohne diesem gegenüber auf die Zahlung an den Ersten verweisen zu können. Zwar richtet sich die Rechtsstellung von Miterfindern (§ 6 PatG) untereinander nach Vertrag, ergänzend nach §§ 705 ff. BGB und bei Fehlen einer Vereinbarung nach §§ 741 ff. BGB (Sen.Urt. v. 17.10.2000 - X ZR 223/98, GRUR 2001, 226, 227 - Rollenantriebseinheit m.w.N.). Daraus erwachsen aber dem Arbeitgeber, der an einen Miterfinder gezahlt hat, keine Ansprüche; ebensowenig ergibt sich daraus die Möglichkeit von Korrekturen festgesetzter Vergütungsansprüche zu Lasten der jeweils betroffenen Mitarbeiter.

c) Die Informationspflicht des Arbeitnehmers nach § 5 Abs. 2 Satz 3 ArbEG bezieht sich nicht nur auf die Mitteilung von Miterfindern und deren Anteil an der Erfindung, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, sondern auf jede Beteiligung weiterer Mitarbeiter an der Erfindung und Art und Umfang ihrer Mitarbeit. Wie der umfassende und wertneutrale Begriff "Mitarbeiter" verdeutlicht , sind darunter sowohl die Miterfinder im Sinne des § 6 Satz 2 PatG als auch sonstige am Zustandekommen der Erfindung beteiligte Personen (Erfindungsgehilfen ) zu verstehen (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 80; Heine/ Rebitzki, Arbeitnehmererfindungen, 3. Aufl., § 5 Anm. 6; Reimer/Schade/ Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 6. Aufl., § 5 Rdn. 32; a.A. Volmer, Arbeitnehmererfindergesetz, 1958, § 5 Rdn. 43). Der Gesetzgeber hat den weiten Begriff gewählt, um die häufig schwierige Abgrenzung zwischen Miterfindern und Erfindungsgehilfen nicht dem anmeldenden Arbeitnehmer, sondern dem Arbeitgeber zu überlassen (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 80),

der hierzu durch die tatsächlichen Angaben des Arbeitnehmers in den Stand versetzt werden muß. Die Angaben über Art und Umfang der Mitarbeit Dritter und die Bewertung des Anteils der Mitarbeiter und des eigenen Erfinderanteils sollen dem Arbeitgeber eine abschließende Bewertung der Mitwirkung der Beteiligten ermöglichen.

d) Dieser Auslegung des Gesetzes steht § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbEG nicht entgegen. Diese Vorschrift sieht zur Vermeidung von Meinungsverschiedenheiten der Arbeitsvertragsparteien über die Erfüllung der Inhaltserfordernisse der Anmeldung vor (Begründung BT-Drucks. II/1648 S. 22 = BlPMZ 1957, 230), daß eine nicht ordnungsgemäße Erfindungsmeldung als ordnungsgemäß gilt, wenn der Arbeitgeber sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang substantiiert beanstandet. Die Fiktionsregelung geht von einer - nicht ordnungsgemäßen - Meldung aus, die zwar den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 ArbEG , nicht aber denen des Abs. 2 entspricht (BGH, Urt. v. 25.2.1958 - I ZR 181/56, GRUR 1958, 334, 337 - Mitteilungs- und Meldepflicht). Die Fiktionswirkung greift selbst dann ein, wenn der Arbeitnehmer keine Angaben über die Erfindung im Sinne des § 5 Abs. 2 ArbEG gemacht hat (Bartenbach/Volz, aaO, § 5 Rdn. 84; Busse, aaO, § 5 ArbEG Rdn. 11). Dem Arbeitgeber ist es überlassen, die Anmeldung auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls ergänzende Angaben zu verlangen, zu denen der Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 2 ArbEG verpflichtet ist. Aus der Regelung in § 5 Abs. 3 ArbEG folgt hingegen ein Ausschluß des Rechts nicht, die Vergütungsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung anzufechten.


e) Rechtsfehlerhaft haben das Landgericht und ihm folgend das Beru- fungsgericht bei der Frage, ob die Beklagte den Anfechtungsgrund schlüssig dargetan hat, darauf abgestellt, ob der Kläger der Wahrheit zuwider nicht Alleinerfinder der patentierten Gehäusekonstruktion ist. Beide Vorinstanzen haben zur Substantiierung des Anfechtungsgrundes Angaben der Beklagten dazu verlangt, "welche - über die Zugehörigkeit zu einem mit der nunmehr geschützten Erfindung befaßtes Arbeitsteam hinausgehenden - konkreten Beiträge die angeblichen Miterfinder geleistet haben" und "wer in welcher Weise das Merkmal der zweilagigen Ausbildung des Randflansches entwickelt hat" und "welcher ihrer Mitarbeiter welchen tatsächlichen Teil des Patentanspruchs als lösungswesentlich erkannt und offenbart haben soll". Das Berufungsgericht hat dabei zu Unrecht darauf abgestellt, daß Anfechtungsgrund eine Täuschung über die Alleinerfinderschaft des Klägers ist beziehungsweise das Verschweigen der Beteiligung mehrerer Miterfinder. Die von der Beklagten behauptete Täuschungshandlung besteht vielmehr darin, daß der Kläger unter Verletzung seiner Mitteilungspflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 3 ArbEG die Mitarbeit Dritter und deren Art und Umfang der Beteiligung verschwiegen und dadurch die Beklagten zu einer Vergütungsvereinbarung zu seinen Gunsten veranlaßt haben soll.

f) Die Beklagte hat auch ihrer Substantiierungspflicht genügt. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist nämlich schon dann schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muß in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vortrags zu entscheiden, ob die gesetz-

lichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (st. Rspr. d. Sen. u.a., Urt. v. 23.4.1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; Urt. v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967; Urt. v. 8.12.1992 - X ZR 85/91, VersR 1993, 891).
Zur Stützung ihres Anfechtungsrechts nach § 123 BGB hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe bei der gemeldeten Erfindung Beiträge anderer Mitarbeiter des Unternehmens verwertet, die im Rahmen eines Arbeitsteams entwickelt worden seien. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, der Kläger sei Ende 1995 in dem in W. gebildeten Arbeitsteam mit den Herren Hi., Rö, R., B., K., P. und Z. tätig gewesen, das mit der Entwicklung eines neuen Gehäusedeckels befaßt gewesen sei. Die Grundideen der Erfindung seien von diesem Arbeitsteam im Rahmen von Beratungen und Versuchen entwickelt worden. Die Beklagte hat weiter unter Beweisantritt vorgetragen, welche Gedanken von den Mitgliedern des Arbeitsteams und welche vom Kläger beigebracht wurden und daß der Kläger über die Vorarbeiten des W. Teams informiert war. Der Kläger habe die Meldung der Erfindung betrieben, ohne die weiteren Mitarbeiter zu informieren. Er habe sich gegenüber dem Entwicklungsleiter der Beklagten als alleiniger Erfinder ausgegeben und die Beteiligung der Mitarbeiter verschwiegen, obwohl er diese gekannt habe. Das Verschweigen der Mitarbeiter und deren Beteiligung an der Erfindung sei für die Vergütungsvereinbarung ursächlich gewesen.
3. Das Berufungsgericht hat zu diesem streitigen Vortrag keine Feststellungen getroffen. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Sollte sich, gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien, erwei- sen, daß der Kläger in der Erfindungsmeldung an die Beklagte die Mitarbeiter und deren Beteiligung nicht beschrieben und sich als alleiniger Erfinder ausgegeben oder geriert hat, so könnte bereits darin eine objektive Täuschungshandlung liegen, durch welche die Beklagte zum Abschluß der Vereinbarung vom 8. September 1997 veranlaßt worden ist. Sollte das Berufungsgericht des weiteren auf Grund der Umstände zu dem Schluß kommen, daß der Kläger den Beitrag der Mitarbeiter an der Erfindung gekannt hat und daß er diesen Beitrag nicht als unerheblich eingestuft hat oder bei objektiver Betrachtung hätte einstufen müssen, diesen aber gleichwohl der Beklagten vorenthalten hat, könnte dies für einen Täuschungswillen des Klägers und damit für ein arglistiges Handeln sprechen (dazu BGH, Urt. v. 25.3.1998 - VIII ZR 185/96, NJW 1998, 2360).
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.