Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2012 - IX ZB 13/12

bei uns veröffentlicht am19.07.2012
vorgehend
Amtsgericht Mayen, 7 IN 152/09, 17.10.2011
Landgericht Koblenz, 2 T 658/11, 09.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 13/12
vom
19. Juli 2012
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 19. Juli 2012

beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Januar 2012 wird abgelehnt.

Gründe:


I.

1
Nach Eingang eines Gläubigerantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gab das Insolvenzgericht diesem folgenden Hinweis ("Merkblatt Verbraucherinsolvenz"):
2
Im Hinblick auf den beigefügten Insolvenzantrag weist das Gericht darauf hin, dass Sie, um Restschuldbefreiung erlangen zu können , selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung (§ 306 Abs. 3 InsO) stellen müssen. Dies sollte binnen einer Frist von vier Wochen ab Zugang dieses Schreibens erfolgen, da bei einer Antragstellung nach Fristablauf Rechtsnachteile drohen. Die Erteilung der Restschuldbefreiung kann in der Regel nicht mehr erfolgen, wenn Sie diese Frist ungenutzt verstreichen lassen.
3
Sollten Sie in diesem Zusammenhang Fragen haben, wenden Sie sich bitte unverzüglich an das Gericht!
4
Anwaltlich vertreten machte der Schuldner geltend, der Insolvenzantrag sei unzulässig, im Übrigen liege ein Insolvenzgrund nicht vor. Nach Einholung eines Gutachtens eröffnete das Insolvenzgericht durch Beschluss vom 4. August 2010 das Insolvenzverfahren; die sofortige Beschwerde des Schuldners und seine Gehörsrüge hatten keinen Erfolg.
5
Am 5. Oktober 2011 hat der Schuldner beantragt, ihm Restschuldbefreiung zu erteilen. Das Insolvenzgericht hat seinen Antrag und das Beschwerdegericht sein Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit seiner nach neuem Recht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung weiter. Zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat er Prozesskostenhilfe beantragt.

II.


6
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 4 InsO, § 114 Satz 1 ZPO). Allerdings wäre die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, Art. 103f EGInsO zulässig; sie wäre jedoch unbegründet.
7
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat der Schuldner mit dem "Merkblatt Verbraucherinsolvenz" rechtzeitig den zutreffenden Hinweis erhalten, dass er, nachdem ein Gläubiger Insolvenzantrag gestellt hat, nur dann Restschuldbefreiung erlangen kann, wenn er selbst einen Antrag auf Insolvenzeröffnung , verknüpft mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung, stellt. Weiter enthal- te der Hinweis die vom Bundesgerichtshof geforderte Frist von vier Wochen zur Stellung des Insolvenzantrages.
8
2. Diese Ausführungen sind richtig. Das Landgericht hat auch keine zweifelhaften Rechtsfragen entschieden, die nicht im Prozesskostenhilfeverfahren abschließend geklärt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2007 - IV ZB 37/06, FamRZ 2007, 1006 Rn. 7). Vielmehr ist die aufgeworfene Frage durch den Senat bereits beantwortet (Beschluss vom 17. Februar 2005 - IX ZB 176/03, BGHZ 162, 181 ff; vom 11. März 2010 - IX ZB 110/09, NZI 2010, 441).
9
Infolge der ihm gesetzten vierwöchigen Frist hatte der Schuldner ausreichend Zeit, sich fachlich beraten zu lassen, ob er dem Gläubigerantrag entgegentreten oder einen eigenen Insolvenzantrag stellen wollte, um Restschuldbefreiung zu erlangen (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2005, aaO S. 186). Solchen Rat hat er erhalten und durch den Verfahrensbevollmächtigten Einwendungen gegen den Gläubigerantrag erheben lassen. Insbesondere hat er in Abrede stellen lassen, dass ein Insolvenzgrund vorliege. Mithin hat er einen Eigenantrag gerade nicht stellen wollen.
10
Auf diese Zusammenhänge ist der Schuldner durch das "Merkblatt Verbraucherinsolvenz" hinreichend deutlich hingewiesen worden. Er wurde - durch Fettdruck unterstrichen - darüber informiert, dass er Restschuldbefreiung nur erlangen kann, wenn er selbst einen Insolvenzantrag stellt. Ebenso wurde ihm deutlich vor Augen geführt, dass er innerhalb der ihm gesetzten Frist den Eigenantrag stellen muss, da ihm bei Antragstellung nach Fristablauf Rechtsnachteile drohen und ihm Restschuldbefreiung dann in der Regel nicht mehr erteilt werden kann. Die vom Schuldner genannten Einschränkungen ("sollte", "in der Regel") und der fehlende Hinweis, dass der Eigenantrag und der Antrag auf Restschuldbefreiung jedenfalls gestellt sein müssen, bis über den Gläubigerantrag entschieden worden ist, macht den Hinweis nicht falsch und berechtigt den Schuldner deswegen nicht, nach Insolvenzeröffnung auf den Gläubigerantrag nachträglich Restschuldbefreiung zu beantragen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2005, aaO S. 186 f). Die Einschränkungen legen nur offen, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Senats die ihm gesetzte Frist zur Stellung des Eigenantrags keine Ausschlussfrist darstellt und dass unter bestimmten Umständen auch nach Insolvenzeröffnung ein isolierter Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig sein kann. Aus diesen Einschränken durfte der Schuldner jedoch nicht den Schluss ziehen, zunächst dem Gläubigerantrag entgegentreten zu können und erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Insolvenzeröffnung den Antrag auf Restschuldbefreiung stellen zu dürfen.
Kayser Raebel Lohmann Pape Möhring
Vorinstanzen:
AG Mayen, Entscheidung vom 17.10.2011 - 7 IN 152/09 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 09.01.2012 - 2 T 658/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2012 - IX ZB 13/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2012 - IX ZB 13/12

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2012 - IX ZB 13/12 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


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Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Insolvenzordnung - InsO | § 289 Einstellung des Insolvenzverfahrens


Im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.

Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung - EGInsO | Art 103f Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung


Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 6 der Insolvenzordnung, bei denen die Frist des § 575 der Zivilprozessordnung am 27. Oktober 2011 noch nicht abgelaufen ist, ist die Insolvenzordnung in der bis zum 27. Oktober 2011 geltenden Fa

Insolvenzordnung - InsO | § 306 Ruhen des Verfahrens


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ruht bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. Dieser Zeitraum soll drei Monate nicht überschreiten. Das Gericht ordnet nach Anhörung des Schuldners die Fortsetzung

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2012 - IX ZB 13/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2007 - IV ZB 37/06

bei uns veröffentlicht am 07.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 37/06 vom 7. März 2007 in dem Prozesskostenhilfeverfahren Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Rich

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2010 - IX ZB 110/09

bei uns veröffentlicht am 11.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 110/09 vom 11. März 2010 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO §§ 13, 20 Abs. 2, § 287 Abs. 1 Einem Schuldner ist es verwehrt, sich gegen den Antrag eines Gläubigers

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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ruht bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. Dieser Zeitraum soll drei Monate nicht überschreiten. Das Gericht ordnet nach Anhörung des Schuldners die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag an, wenn nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen wird.

(2) Absatz 1 steht der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nicht entgegen. Ruht das Verfahren, so hat der Schuldner in der für die Zustellung erforderlichen Zahl Abschriften des Schuldenbereinigungsplans und der Vermögensübersicht innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch das Gericht nachzureichen. § 305 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Beantragt ein Gläubiger die Eröffnung des Verfahrens, so hat das Insolvenzgericht vor der Entscheidung über die Eröffnung dem Schuldner Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Antrag zu stellen. Stellt der Schuldner einen Antrag, so gilt Absatz 1 auch für den Antrag des Gläubigers. In diesem Fall hat der Schuldner zunächst eine außergerichtliche Einigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 zu versuchen.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

Im Fall der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.

Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 6 der Insolvenzordnung, bei denen die Frist des § 575 der Zivilprozessordnung am 27. Oktober 2011 noch nicht abgelaufen ist, ist die Insolvenzordnung in der bis zum 27. Oktober 2011 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102 § 7 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gilt Satz 1 entsprechend.

7
a) Das Kammergericht hat die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannt und damit die Bedeutung des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs der unbemittelten Partei auf Rechtsschutzgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verkannt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (BVerfG NJW 2004, 1789 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 31. Juli 2003 aaO unter 2 b m.w.N.; Philippi, aaO § 114 Rdn. 21; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 114 Rdn. 3, 5). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Sache wegen klärungsbedürftiger Fragen des materiellen Rechts grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004, 2022 unter III).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 110/09
vom
11. März 2010
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Einem Schuldner ist es verwehrt, sich gegen den Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens hauptsächlich mit dem Einwand zu verteidigen, der
Antrag sei unzulässig oder unbegründet, und nur hilfsweise für den Fall, dass das
Insolvenzgericht den Antrag des Gläubigers für zulässig und begründet hält, einen
eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu
stellen.
BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 110/09 - LG Köln
AG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
am 11. März 2010

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 4. Mai 2009 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Die weitere Beteiligte zu 1 (Gläubigerin) stellte am 7. März 2008 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. In der schriftlichen Anhörung zu diesem Antrag wies das Insolvenzgericht den Schuldner mit Verfügung vom 13. März 2008 auf die Möglichkeit hin, binnen drei Wochen ab Zustellung einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen. Der Schuldner reagierte mit Schreiben vom 29. März 2008, in dem er das Vorliegen eines Insolvenzgrundes bestritt und im Übrigen Folgendes ausführte: "Vorsorglich stelle ich Antrag auf Restschuldbefreiung. Für den Fall, dass das Gericht den Antrag für begründet erachtet, stelle ich einen eigenen Insolvenzantrag. In meinem Fall handelt es sich, wenn es überhaupt ein Fall ist, um eine Verbraucherinsolvenz. Deshalb bitte ich um Zusendung des besonderen Merkblattes. Da ich weniger als 20 Gläubiger habe und als Angestellter arbeite, erfülle ich die Voraussetzungen von § 304 InsO. Deshalb bitte ich ggf. um Aussetzung des Verfahrens gemäß § 306 I InsO."
2
Im weiteren Verlauf des Eröffnungsverfahrens holte das Insolvenzgericht ein Gutachten zu den Eröffnungsvoraussetzungen ein. Der Sachverständige kam hierin zu dem Ergebnis, dass Zahlungsunfähigkeit vorliege und aufgrund der Einzahlung eines Verfahrenskostenvorschusses durch die weitere Beteiligte zu 1 die Verfahrenseröffnung erfolgen könne. Mit Verfügung vom 17. Oktober 2008 übersandte das Insolvenzgericht das Gutachten dem Schuldner. Im Übersendungsschreiben wies es darauf hin, dass zwar nach dem Ergebnis des Gutachtens ein Eröffnungsgrund vorliege, eine Eröffnung aber nur im Fall der Einzahlung des Kostenvorschusses erfolge. Einige Tage später teilte der Sachverständige dem Gericht mit, dass der Kostenvorschuss schon am 14. Oktober 2008 eingezahlt worden sei. Mit Beschluss vom 26. November 2008 hat das Insolvenzgericht das Verfahren auf Antrag der Gläubigerin eröffnet. Im Eröffnungsbeschluss hat es festgestellt, dass ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung nicht vorliege.
3
sofortige Eine Beschwerde des Schuldners gegen den Eröffnungsbeschluss , in der er auf seinen früher vorsorglich gestellten Restschuldbefreiungsantrag und den dort bedingt gestellten Eigenantrag hingewiesen hat, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine Anträge auf Aussetzung des eröffneten Verfahrens zur Durchführung eines Eigenantragsverfahrens und Stellung eines Antrags auf Restschuldbefreiung weiter.

II.

4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 2, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Eine Aussetzung des Verfahrens , um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, einen eigenen Insolvenzantrag zu stellen, kommt nicht in Betracht.
5
1. Das Beschwerdegericht meint, der Schuldner habe keinen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, weil er auf den Hinweis des Insolvenzgerichts nach § 20 Abs. 2 InsO in erster Linie beantragt habe, den Gläubigerantrag abzuweisen, nur "vorsorglich" einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt habe und einen eigenen Insolvenzantrag nur für den Fall, dass das Gericht den Antrag für begründet erachte. Ein nur bedingter oder befristeter Insolvenzantrag sei unzulässig. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Gläubiger den Antrag von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder der Schuldner ihn von der Stundung der Verfahrenskosten abhängig mache. Da ein zulässiger Eigenantrag Sachentscheidungsvoraussetzung für einen zulässigen Restschuldbefreiungsantrag sei, müsse der nur vorsorglich gestellte Antrag auf Restschuldbefreiung als unzulässig angesehen werden.
6
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
7
a) Als Prozesshandlungen sind Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich bedingungsfeindlich (BGHZ 167, 190, 194 Rn. 12; OLG Köln ZIP 2000, 2031, 2033; Graf-Schlicker/ Fuchs, InsO 2. Aufl. § 13 Rn. 2; HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 13 Rn. 4; HmbKomm-InsO/Wehr, 3. Aufl. § 13 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl. § 13 Rn. 77; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 13 Rn. 71; Uhlenbruck, InsO 13. Aufl. § 13 Rn. 7). Zwar gilt auch für Insolvenzanträge die weitere auf Prozesshandlungen allgemein anzuwendende Regel (vgl. BGHZ 132, 390, 398; BGH, Urt. v. 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, ZIP 1996, 1516, 1521; v. 25. Februar 2003 - IX ZR 240/00, NJW-RR 2003, 1145, 1146; Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 253 Rn. 1; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO § 253 Rn. 2; HkZPO /Saenger, 3. Aufl. § 253 Rn. 4), dass sie an eine bloße innerprozessuale Bedingung geknüpft werden und deshalb hilfsweise für den Fall zur Entscheidung gestellt werden können, dass ein bestimmtes innerprozessuales Ereignis eintritt (OLG Köln aaO; Graf-Schlicker/Fuchs, aaO; HK-InsO/Kirchhof aaO; Pape, aaO Rn. 71b). Von einer solchen bloß innerprozessualen Bedingung, die etwa vorliegt, wenn der Antrag auf Verfahrenseröffnung an die Stundungsbewilligung geknüpft wird, ist aber nicht auszugehen, wenn der Schuldner den mit einem Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundenen Restschuldbefreiungsantrag nur hilfsweise für den Fall stellt, dass das Insolvenzgericht den Antrag eines Gläubigers für zulässig und begründet hält. Ein Vorrangverhältnis , wie es innerhalb eines bestehenden Prozessrechtsverhältnisses bei einer eventuellen Klagehäufung dann als unbedenklich angesehen wird, wenn die Antragstellung vom Ergebnis der Sachentscheidung des Gerichts über den Hauptanspruch abhängig sein soll (vgl. BGH, Urt. v. 16. Mai 1984 - VIII ZR 18/83, NJW 1984, 2937, 2938), kommt zwischen verschiedenen Insolvenzanträgen nicht in Betracht. Der Schuldner muss sich deshalb entscheiden, ob er dem Gläubigerantrag entgegentritt oder ob er sich dessen Antrag mit einem eigenen unbedingten Antrag anschließt. Er kann nicht in erster Linie geltend machen, gar nicht insolvent zu sein, und nur hilfsweise, für den Fall, dass das Insolvenzgericht die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens feststellt, einen eigenen Insolvenzantrag stellen. Es ist widersprüchlich und stellt keine bloße innerprozessuale Verknüpfung dar, wenn der Schuldner auf den Gläubigerantrag einwendet, ein Insolvenzgrund liege nicht vor, in zweiter Linie jedoch einen eigenen Antrag stellt, mit dem er vorträgt, ein Eröffnungsgrund sei doch gegeben, sofern das Insolvenzgericht den Gläubigerantrag für begründet erachte.
8
Über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann nur einheitlich entschieden werden; die Grundsätze des prozessualen Vorrangs sind nicht anwendbar (Pape EWiR 2001, 537, 538 gegen OLG Köln aaO). Mehrere gleichzeitig anhängige Insolvenzanträge sind spätestens mit Verfahrenseröffnung miteinander zu verbinden (HmbKomm-InsO/ Wehr, aaO § 13 Rn. 18; Pape in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 13 Rn. 78); geschieht dies nicht, sind die übrigen Anträge, auf die keine Eröffnung erfolgt ist, für erledigt zu erklären (Uhlenbruck, aaO § 13 Rn. 74). Anträge, über die mangels Verbindung nicht entschieden worden ist, werden unzulässig (BGHZ 162, 181, 186; BGH, Beschl. v. 3. Juli 2008 - IX ZB 182/07, ZInsO 2008, 924 Rn. 8).
9
b) Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Schuldner aufgrund eines Hinweises nach § 20 Abs. 2 InsO vor die Wahl gestellt wird, entweder seine Einwendungen gegen den Gläubigerantrag zu verfolgen oder selbst einen Eigenantrag zu stellen (vgl. zu dem Hinweis BGHZ 162, 181, 183 ff; BGH, Beschl. v. 3. Juli 2008, aaO S. 925 Rn. 15 ff; v. 7. Mai 2009 - IX ZB 202/07, ZInsO 2009, 1171, 1172 Rn. 6). Der Schuldner muss sich eindeutig entscheiden, ob er es auf die Entscheidung über den Antrag des Gläubigers ankommen lässt oder ob er von der Möglichkeit eines Eigenantrags Gebrauch macht. Im Hinblick darauf hat der Senat es abgelehnt, die knapp bemessene Ausschlussfrist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Eigenantrag zu übertragen. Dem Schuldner soll durch eine angemessene richterliche Frist, die im Bedarfsfall noch verlängert werden kann, ausreichend Zeit gegeben werden, den Rat eines Rechtsanwalts oder Wirtschaftsprüfers dazu einzuholen, ob er dem Gläubigerantrag ent- gegentreten oder sich diesem anschließen will, um Restschuldbefreiung zu erlangen (BGHZ 162, 181, 185 f). Wenn der Schuldner den Eigenantrag hilfsweise stellen könnte, wäre er dieses Entscheidungsdrucks enthoben und es hätte für die Einräumung einer längeren Frist keine Notwendigkeit bestanden. Zu berücksichtigen ist weiterhin die vom Gesetz vorgesehene Verknüpfung zwischen dem Eigeninsolvenzantrag und dem Restschuldbefreiungsantrag. Diese hat ihren Sinn darin, dass der Schuldner in seinem Eigenantrag den Eröffnungsgrund einräumt und sich bereit erklärt, sein verbleibendes Vermögen den Gläubigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung zur Verfügung zu stellen (BGH, Beschl. v. 8. Juli 2004 - IX ZB 209/03, ZInsO 2004, 974, 975 r. Sp.). Der Schuldner, der nur hilfsweise einen Eigenantrag stellt, räumt gerade nicht den Eröffnungsgrund ein.
10
c) Hier erfüllten die Erklärungen des Schuldners in dem Schreiben vom 29. März 2008 nicht die Voraussetzungen eines unbedingt gestellten Insolvenzantrags. Er ließ ausdrücklich offen, ob die Voraussetzungen für ein Verbraucherinsolvenzverfahren gegeben waren. Das Insolvenzgericht hat im Eröffnungsbeschluss mit Recht festgestellt, ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung liege nicht vor. Weiterer gerichtlicher Hinweise bedurfte es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht, weil der Schuldner bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, keinen unbedingten Insolvenzantrag stellen zu wollen. Den Hinweis auf die bevorstehende Verfahrenseröffnung auf Antrag des Gläubigers erhielt der Schuldner, der zu diesem Zeitpunkt noch mit einem Eigenantrag hätte reagieren können (vgl. BGH, Beschl. v. 3. Juli 2008, aaO S. 925 Rn. 18), mit der Übersendung des Gutachtens.
11
2. Eine Aussetzung des Verfahrens, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Gläubigers einen Eigenantrag zu stellen, kam aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Zum einen kann nach Verfahrenseröffnung kein zulässiger Eröffnungsantrag mehr gestellt werden (BGH, Beschl. v. 18. Mai 2005 - IX ZB 189/03, NZI 2004, 444; v. 3. Juli 2008 aaO S. 924 Rn. 8). Zum anderen sind die Vorschriften über die Aussetzung im Insolvenzverfahren unanwendbar (BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 15/06, NZI 2006, 642; v. 14. Januar 2010 - IX ZB 72/08; MünchKommInsO /Ganter, aaO § 4 Rn. 15; I. Pape/Uhlenbruck, aaO § 4 Rn. 2). Auch für die Anwendung des § 306 Abs. 1 Satz 1 InsO war nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Raum mehr.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 26.11.2008 - 75 IN 113/08 -
LG Köln, Entscheidung vom 04.05.2009 - 1 T 106/09 -