Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2008 - IX ZR 18/07

bei uns veröffentlicht am19.06.2008
vorgehend
Landgericht Tübingen, 7 O 416/04, 13.02.2006
Oberlandesgericht Stuttgart, 12 U 31/06, 09.01.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 18/07
vom
19. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Vill und
Dr. Fischer
am 19. Juni 2008

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. Januar 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 145.072,83 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
2
1. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde die von ihr als grundsätzlich eingestufte Rechtsfrage unterbreitet, "ob dem Rechtsanwalt zumindest im Rahmen der Prüfung der Kausalität seiner Pflichtverletzung für den Schaden der Umstand zuzurechnen ist, dass er bei - gedachter - richtiger Beratung über ein daraus fließendes weiteres Risiko hätten beraten oder sogar abraten müssen", ist den Darlegungsanforderungen nicht genügt. Es fehlt an jeglichen Ausführungen dazu, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. BGHZ 152, 182, 191).

3
2. Die im Blick auf die vorstehende Rechtsfrage geltend gemachten Rügen sind auch der Sache nach unbegründet. Ein Anscheinsbeweis findet zugunsten des Klägers keine Anwendung.
4
a) Kommen als Reaktion auf eine zutreffende rechtliche Beratung mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensmöglichkeiten in Betracht, hat der Mandant den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Ihn trifft in einem solchen Fall die volle Beweislast, weil der Anscheinsbeweis bei der Möglichkeit alternativer Verhaltensweisen nicht durchgreift (BGHZ 123, 311, 319; BGH, Urt. v. 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042, 1043 Rn. 12).
5
b) Im Streitfall bestanden - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat – bei fehlerfreier rechtlicher Beratung über die fehlende Mithaftung der Ehefrau mehrere wirtschaftlich gleich sinnvolle Alternativen: Der Kläger konnte sich in Ansehung der wirtschaftlich gesunden Lage der GmbH gleichwohl zu einer Darlehensvergabe allein an den Mitarbeiter L. entschließen, umgekehrt wegen des erhöhten Rückzahlungsrisikos von einer Darlehensgewährung einschließlich einer Beteiligung des Mitarbeiters L. Abstand nehmen und sein Unternehmen auch künftig allein führen oder nach einem neuen solventen Interessenten Ausschau halten. Bei dieser Sachlage ist für einen Anscheinsbeweis kein Raum (vgl. BGH, Urt. v. 20. März 2008 Rn. 13).
6
c) Ein Anscheinsbeweis kann entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht aus der vermeintlichen zusätzlichen Pflichtverletzung hergeleitet werden, dass die Beklagtenseite einen Hinweis an den Kläger auf die erhöhten Risiken einer Darlehensgewährung allein an den Mitarbeiter L. versäumt habe.
7
Der geschäftserfahrene Kläger brauchte nämlich nicht auf die wirtschaftlichen Risiken einer Darlehensvergabe an eine Einzelperson hingewiesen zu werden, zumal bekannt war, dass diese von Banken kein Darlehen erhielt. Der Anwalt ist als Rechtsberater grundsätzlich nicht verpflichtet, die wirtschaftlichen Interessen seines Mandanten wahrzunehmen und ihm auf unternehmerischem Gebiet zur Verhütung eines Forderungsausfalls Ratschläge zu erteilen (Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 564 ff; Sieg aaO Rn. 742).
8
d) Ebenso war ein Hinweis auf den Eigenkapitalersatzcharakter der von L. gegenüber der GmbH eingegangenen stillen Beteiligung entbehrlich, weil dadurch der Rückforderungsanspruch des Klägers gegen L. nicht berührt wurde.
9
3. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. Das Oberlandesgericht hat das Vorbringen des Klägers, den Verkauf des Unternehmens an einen dritten Erwerber in Betracht gezogen zu haben, ersichtlich zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung erwogen. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (BVerfGE 80, 269, 286).
10
4. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage, ob eine gemischte Sozietät wegen eines Rechtsberatungsfehlers in Anspruch ge- nommen werden kann, geboten. Diese Rechtsfrage ist mangels einer weiteren Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht entscheidungserheblich.
Ganter Kayser Gehrlein
Fischer Vill
Vorinstanzen:
LG Tübingen, Entscheidung vom 13.02.2006 - 7 O 416/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 09.01.2007 - 12 U 31/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2008 - IX ZR 18/07

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Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2008 - IX ZR 18/07 zitiert 2 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2008 - IX ZR 104/05

bei uns veröffentlicht am 20.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 104/05 Verkündet am: 20. März 2008 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 249 Bb, ZPO § 287

Referenzen

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aa) Bei einem Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung gehört der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt nicht zur haftungsbegründenden, sondern zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis anstelle der strengen Beweisführungsmaßstäbe des § 286 ZPO die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO und insbesondere des Anscheinsbeweises Anwendung finden. In Verträgen mit rechtlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte. Kommen als Reaktion auf eine zutreffende steuerliche Beratung hingegen mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensmöglichkeiten in Betracht, hat der Mandant den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Ihn trifft in einem solchen Fall die volle Beweislast, weil der Anscheinsbeweis bei der Möglichkeit alternativer Ver- haltensweisen nicht durchgreift (BGHZ 123, 311, 319; BGH, Urt. v. 30. März 2000 - IX ZR 53/99, WM 2000, 1351 f; Urt. v. 21. Juli 2005 aaO S. 2111).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.