Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IX ZR 20/11

bei uns veröffentlicht am29.09.2011
vorgehend
Landgericht Traunstein, 5 O 2013/09, 05.02.2010
Oberlandesgericht München, 5 U 1985/10, 19.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 20/11
vom
29. September 2011
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Vill als Vorsitzenden
, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 29. September 2011

beschlossen:
Die Anträge der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Oktober 2010 werden abgelehnt.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Oktober 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
2
1. Die geltend gemachten Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegen nicht vor.

3
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung aufgrund einer tatsächlichen Würdigung des konkreten Sachverhalts getroffen, bei der es den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, aus einer Vielzahl von Umständen geschlossen hat. Im Rahmen dieser Würdigung hat es - allerdings mit anderem Ergebnis, als von der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung erwünscht - die Tatsachen zugrunde gelegt, die auch in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochen werden. Symptomatische Rechtsfehler sind hierbei nicht festzustellen.
4
Damit ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinander setzt, die sie selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, der von der Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 - IX ZR 62/07, DStRE 2009, 328 Rn. 5). Soweit das Berufungsgericht den Schuldner als Zeugen für unglaubwürdig gehalten hat, beruht die Entscheidung auf einer einzelfallbezogenen Würdigung des Aussageverhaltens und der Aussage des Schuldners, die Verstöße gegen Denkgesetze nicht erkennen lässt. Der Schuldner hat zwar in Abrede gestellt, mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt zu haben; dem steht aber sein vom Berufungsgericht in im Revisionsverfahren nicht zu überprüfender Art und Weise gewürdigtes tatsächliches Verhalten gegenüber.
5
2. Vergeblich rügt die Beschwerde eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, soweit das Berufungsgericht den Schuldner für unglaubwürdig gehalten hat.
6
Für die Annahme von Willkür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus, selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt sein (BVerfGE 89, 1, 14; 96, 189, 203; BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZB 291/02, BGHZ 154, 288, 299 f; vom 21. Januar 2010 - IX ZB 59/09, juris Rn. 2). Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht - wie hier - mit der Rechtslage auseinander setzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (BVerfGE 87, 273, 278 f; 89, 1, 13 f; 96, 189, 203; BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 234/07, juris Rn. 4 mwN). Warum das Berufungsgericht die Aussage des Schuldners als nicht glaubhaft angesehen hat, wird in der Entscheidung im Einzelnen sachlich begründet. Die abweichenden Ausführungen der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte aufzuzeigen.
7
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

II.


8
Die Anträge der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe waren abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO).
Vill Raebel Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Traunstein, Entscheidung vom 05.02.2010 - 5 O 2013/09 -
OLG München, Entscheidung vom 19.10.2010 - 5 U 1985/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IX ZR 20/11

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2011 - IX ZR 20/11 zitiert 4 §§.

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Referenzen

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

5
b) Bei dieser Sachlage ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (BVerfGE 80, 269, 286). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfGE 87, 1, 33).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

2
Das Beschwerdegericht hat das Willkürverbot nicht missachtet. Ist die richterliche Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts willkürlich, so stellt dies einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Hierfür reicht eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung nicht aus, selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt sein (BVerfGE 89, 1, 14; 96, 189, 203; WM 2008, 721; BGHZ 154, 288, 299 f). Ein solcher Verstoß liegt nicht vor.
4
3. Der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) bezüglich der vom Beschwerdegericht angenommenen Obliegenheitsverletzungen liegt nicht vor. Willkür ist erst dann gegeben , wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird. Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (BVerfGE 87, 273, 278 f; 89, 1, 13 f; 96, 189, 203; BVerfG NJW 2001, 1125 f).

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.