Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - IX ZR 52/12

bei uns veröffentlicht am25.10.2012
vorgehend
Landgericht Neuruppin, 3 O 288/09, 13.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 52/12
vom
25. Oktober 2012
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 25. Oktober 2012

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 22. Februar 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 41.344,30 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
2
1. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Klageforderung durch den in dem früheren Verfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleich abgegolten ist.
3
a) Insoweit scheidet ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) aus.

4
Es spricht bereits mit Rücksicht auf den gleich gelagerten Lebenssachverhalt vieles dafür, dass die Streitgegenstände des Vorprozesses und des vorliegenden Rechtsstreits ungeachtet der rechtlichen Einordnung im Blick auf die Klageforderung von 41.344,30 € übereinstimmen (vgl. BGH, Urteil vom 19. No- vember 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 53). Die dahin gehende rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts lässt jedenfalls keinen Willkürverstoß (Art. 3 Abs. 1 GG) erkennen. Überdies ist anerkannt, dass der Prozessvergleich über den Rahmen des Streitfalles hinausgehen darf (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1954 - V BLw 25/54, BGHZ 14, 381, 387; Urteil vom 28. Juni 1961 - V ZR 29/60, BGHZ 35, 309, 316). Vor diesem Hintergrund konnte das Prozessgericht ebenfalls ohne Willkürverstoß zu dem Auslegungsergebnis gelangen, dass die vorliegend geltend gemachte Forderung bereits von dem früheren Vergleich erfasst war.
5
b) Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügt, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit des maßgeblichen Vorbringens.
6
Der Kläger hat insoweit vorgetragen, der Beklagte habe im Rahmen des früheren Vergleichs im Blick auf "anderweitige Ansprüche" eine "allgemeine Ausgleichsklausel" nicht durchsetzen können. Dieses Vorbringen berührt indessen nicht die Würdigung des Berufungsgerichts, dass jedenfalls für die in den Vergleich einbezogenen Forderungen eine abschließende Regelung getroffen werden sollte. Auf einen weitergehenden Vergleichsinhalt kommt es nicht an.
7
2. Im Blick auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits durch die Einzelrichterin beanstandet die Beschwerde ohne Erfolg ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

8
Der Rechtsstreit ist der Einzelrichterin ohne Beanstandung seitens der Beschwerde in Anwendung von § 526 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung übertragen worden. Die Voraussetzungen für eine Vorlage des Rechtsstreits durch die Einzelrichterin mit dem Ziel der Übernahme des Senats waren ersichtlich nicht gegeben , weil es an der maßgeblichen Voraussetzung einer wesentlichen Änderung der Prozesslage (§ 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) gefehlt hat. Überdies kann ein Rechtsmittel gemäß § 526 Abs. 3 ZPO auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme nicht gestützt werden. Anhaltspunkte für eine Willkür scheiden ersichtlich aus (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06, BGHZ 170, 180 Rn. 5).

9
3. Bei dieser Sachlage können die von der Beschwerde zur Frage einer Verjährung der Klageforderung aufgeworfenen Zulassungsfragen mangels Entscheidungserheblichkeit außer Betracht bleiben.
Kayser Raebel Gehrlein
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 13.05.2011 - 3 O 288/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 22.02.2012 - 7 U 88/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - IX ZR 52/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - IX ZR 52/12

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 526 Entscheidender Richter


(1) Das Berufungsgericht kann durch Beschluss den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn1.die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde,2.die Sache keine besonderen Schwierigkei
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - IX ZR 52/12 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 526 Entscheidender Richter


(1) Das Berufungsgericht kann durch Beschluss den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn1.die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde,2.die Sache keine besonderen Schwierigkei

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - IX ZR 52/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2006 - VI ZR 4/06

bei uns veröffentlicht am 12.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 4/06 Verkündet am: 12. Dezember 2006 Blum, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Referenzen

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Berufungsgericht kann durch Beschluss den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde,
2.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist,
3.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und
4.
nicht bereits im Haupttermin zur Hauptsache verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(2) Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit dem Berufungsgericht zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn

1.
sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder
2.
die Parteien dies übereinstimmend beantragen.
Das Berufungsgericht übernimmt den Rechtsstreit, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 vorliegen. Es entscheidet hierüber nach Anhörung der Parteien durch Beschluss. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(3) Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(4) In Sachen der Kammer für Handelssachen kann Einzelrichter nur der Vorsitzende sein.

5
2. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass die Einzelrichterin nicht befugt gewesen sei, anstelle des Kollegiums zu entscheiden, weil bereits im Haupttermin zur Hauptsache verhandelt worden sei (§ 526 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Nach § 526 Abs. 3 ZPO kann ein Rechtsmittel nicht auf eine erfolgte Übertragung auf den Einzelrichter gestützt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Übertragungsbeschluss unanfechtbar sein (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 99). Die Revision kann daher nicht mit der Verfahrensrüge begründet werden, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen von § 526 Abs. 1 ZPO verkannt oder es liege ein Fehlgebrauch des Ermessens vor (Meyer-Seitz in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform 2002 mit Zustellungsreformgesetz, § 526 ZPO, Rn. 15; Wieczorek /Schütze/Gerken, ZPO, 3. Aufl., § 526, Rn. 20; MünchKomm ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 526, Rn. 33; HKWöstmann , ZPO, § 526, Rn. 11; vgl. aber Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 526, Rn. 12; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 526 Rn. 9). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt bei verfassungskonformer Auslegung von § 526 Abs. 3 ZPO nur unter den engen Voraussetzungen der Willkür in Betracht , da in einem solchen Fall eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter und damit ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben wäre (Wieczorek/Schütze/Gerken, aaO). Dies wird von der Revision nicht geltend gemacht und ist vorliegend auch nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob ein Verstoß gegen § 526 Abs. 1 Nr. 4 ZPO durch Rügeverzicht geheilt werden kann (vgl. BGHZ 147, 397, 400).