Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZB 24/05

bei uns veröffentlicht am24.11.2005
vorgehend
Amtsgericht Ravensburg, 1 M 1265/04, 01.04.2004
Landgericht Ravensburg, 4 T 18/04, 30.09.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 24/05
vom
24. November 2005
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Besteht im Fall der Räumungsvollstreckung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung
des Räumungsschuldners, darf ein Einstellungsantrag des Räumungsschuldners nur
abgelehnt werden, wenn das Vollstreckungsgericht der Suizidgefahr durch geeignete
konkrete Auflagen oder durch die Anordnung geeigneter konkreter Betreuungsmaßnahmen
entgegenwirkt.
BGH, Beschl. v. 24. November 2005 - V ZB 24/05 - LG Ravensburg
AG Ravensburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch
und Zoll und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Den Schuldnern wird hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldner wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 15. Oktober 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Schuldner sind aufgrund eines rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses verpflichtet, ein landwirtschaftliches Anwesen, auf dem sie wohnen und wirtschaften , zu räumen. Sie haben unter Hinweis auf bestehende Suizidabsichten für den Fall der Räumung beantragt, die Räumungsvollstreckung gemäß § 765a ZPO für einen Zeitraum von drei Monaten auszusetzen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss hinsichtlich der Räumung einstweilen eingestellt und über das Bestehen einer Suizidgefahr Beweis erhoben durch die Einholung von Sachverständigengutachten. Durch den angegriffenen Beschluss hat es sodann die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Schuldner ihr Ziel einer Einstellung der Zwangsvollstreckung, nötigenfalls unter Auflagen, weiter.

II.

2
1. Den Schuldnern ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist zu bewilligen, nachdem der Senat ihnen antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt hat und der Wiedereinsetzungsantrag nebst der Rechtsbeschwerdebegründung fristgerecht eingereicht worden ist (§§ 233, 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO).
3
2. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
4
a) Das Beschwerdegericht führt aus: Nach dem zuletzt vorgelegten Gutachten des Sachverständigen sei bei dem Schuldner die Suizidgefahr bei Durchführung einer Zwangsräumung als hoch einzustufen. Auch bei der Schuldnerin bestehe eine ernst zu nehmende Suizidgefahr, wenn auch stark abhängig vom Verhalten des Ehemanns. Nach den Ausführungen des Sachverständigen gebe es keine konkrete Möglichkeit, die Suizidalität der Schuldner zu bekämpfen. Selbst bei einer Unterbringung des Schuldners in einer geschlossenen Anstalt sei das Risiko nicht auszuschließen. Als Behandlungsmaßnahme komme nur eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung in Betracht. Dies setze jedoch die notwendige Krankheitseinsicht und Therapiebereitschaft voraus. Dazu sei der Schuldner nicht in der Lage. Er habe sich allen Appellen des Gerichts gegenüber als verschlossen gezeigt.
5
Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Recht der Schuldner auf Leben und körperliche Unversehrtheit und dem Eigentumsrecht der Gläubigerin verdiene Letzteres den Vorrang. Es stehe aufgrund der bisherigen Entwicklung und Zuspitzung der Sachlage zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine vorübergehende oder auch längere Einstellung der Zwangsvollstreckung die bestehenden Gefahren und Risiken nicht beseitigen könne. Die Schuldner seien offensichtlich in ihrem Verhalten immer mehr auf die Zwangsvollstreckung fixiert und unfähig, aus eigener Kraft die Konfliktsituation zu bewältigen oder zumutbare fremde Hilfe anzunehmen. Sie seien nicht in der Lage, sich der Situation zu stellen und sich mit der Realität abzufinden. Eine endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung sei andererseits der Gläubigerbank nicht zuzumuten. Es könne ihr nicht angelastet werden, dass sich die Zwangsräumung immer weiter verzögere. Sie habe u.a. Vorschüsse zur Unterbringung der Tiere geleistet und Behörden über die bevorstehende Zwangsräumung informiert. Weitere Rücksichtnahme könne von ihr redlicherweise nicht erwartet werden.
6
Den Schuldnern könne nur nochmals empfohlen werden, sich in therapeutische Behandlung zu begeben. Unabhängig davon sei bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung auf die gesundheitlichen Probleme und Persönlichkeitsstörungen der Schuldner die gebotene Rücksicht zu nehmen. Es sei dafür Sorge zu tragen, dass sie vor, während und nach den Vollstreckungsmaßnahmen in ausreichendem Umfang durch Personen ihres Vertrauens oder sonstige Dritte betreut würden und dass eine Unterkunft zur Verfügung stehe.
7
b) Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
8
aa) Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4. Mai 2005 (I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, zur Veröffentlichung in BGHZ 163, 66 bestimmt) ent- schieden, nach welchen Maßstäben bei bestehender Suizidgefahr im Falle einer Zwangsräumung über den Einstellungsantrag eines Schuldners nach § 765a ZPO zu befinden ist. Danach schließt eine für den Fall einer Zwangsräumung bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung nicht von vornherein vollständig aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte eine Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Diese kann in besonders gelagerten Einzelfällen auch dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
9
Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Auch dieser kann sich auf Grundrechte berufen. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt.
10
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen.
Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern. Einem Schuldner kann dementsprechend, wenn er dazu in der Lage ist, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern.
11
Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Zwangsräumung in Fällen bestehender Suizidgefahr (vgl. BVerfGE 52, 214; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1992, 1378; 1994, 1272; 1719; 1998, 295; 2004, 49; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657). Zu beachten ist, dass in Betracht kommende Mitwirkungshandlungen des Schuldners oder Dritter im Rahmen der Abwägung nicht lediglich abstrakt erwogen werden dürfen, sondern dass das Vollstreckungsgericht , sofern sie noch nicht eingeleitet worden sind, durch Auflagen auf ihre Vornahme hinzuwirken hat (vgl. BVerfG, NZM 2005, 657, 658 f.).
12
bb) Diesen Maßstäben wird der angefochtene Beschluss nicht in vollem Umfang gerecht.
13
Das Beschwerdegericht stellt fest, dass eine konkrete Suizidgefahr bei den Schuldnern besteht. Es nimmt auch die zur Abwendung dieser Gefahr in Betracht kommenden Maßnahmen in den Blick. Dabei bleibt es indes bei einer abstrakten Betrachtungsweise stehen.
14
Es „empfiehlt“ den Schuldnern, sich in Behandlung zu begeben, stellt aber fest, dass diese zu der dafür notwendigen Krankheitseinsicht nicht in der Lage sind. Die von dem Sachverständigen in Betracht gezogene grundsätzliche Therapierbarkeit der Schuldner kann bei dieser Sachlage allenfalls dann zu ihren Lasten in die Abwägung einfließen, wenn versucht worden ist, durch konkrete Auflagen (nicht nur Empfehlungen) des Vollstreckungsgerichts auf eine Therapie hinzuwirken und den Schuldnern sodann vorgeworfen werden kann, diesen Auflagen nicht nachgekommen zu sein.
15
Das Beschwerdegericht führt weiter aus, es sei dafür Sorge zu tragen, dass die Schuldner vor, während und nach den Vollstreckungsmaßnahmen in ausreichendem Umfang durch Personen ihres Vertrauens oder sonstige Dritte betreut würden, ohne dass erkennbar wird, welche Personen insoweit zur Verfügung stehen, welche konkreten Betreuungsmaßnahmen unter den vorliegenden Umständen in Betracht kommen und inwieweit das Vollstreckungsgericht auf ihre Verwirklichung hinzuwirken hat. Insoweit sind zunächst konkrete Feststellungen zu treffen. Sodann sind geeignete Auflagen an die Schuldner in Betracht zu ziehen. Schließlich ist durch geeignete Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts bzw. Anweisungen an den Gerichtsvollzieher als das für die Räumungsvollstreckung zuständige Vollstreckungsorgan dafür Sorge zu tragen, dass die erforderliche Betreuung, die den Suizid verhindern soll, möglichst weit gehend sicher gestellt ist. Nach dem bisherigen Verfahrensstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Appelle und Erwägungen des Beschwerdegerichts bei der von dem Gerichtsvollzieher durchzuführenden Räumung nicht in der gebotenen Weise Berücksichtigung finden. Das Beschwerdegericht stellt selbst fest, die Schuldner seien unfähig, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG wird bei dieser Sachlage nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die im Fall der Räumung erforderliche Betreuung von den Vollstreckungsorganen so weit wie möglich konkret veranlasst wird.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Zoll Stresemann

Vorinstanzen:
AG Ravensburg, Entscheidung vom 01.04.2004 - 1 M 1265/04 -
LG Ravensburg, Entscheidung vom 30.09.2004 - 4 T 18/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZB 24/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZB 24/05

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZB 24/05 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 765a Vollstreckungsschutz


(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers we

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZB 24/05 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 10/05
vom
4. Mai 2005
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des
Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765a ZPO
in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen.

b) Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für
Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden
ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres
einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der
- in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen
mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Es ist deshalb auch dann,
wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen
Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf
andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet
werden kann. Auch der Gefährdete selbst ist gehalten, das ihm Zumutbare
zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen
, zu verringern.
BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005 - I ZB 10/05 - LG Dortmund
AG Lünen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2005 durch die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners werden die Beschlüsse der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 7. und 13. Dezember 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf bis zu 10.000 € festgesetzt.

Gründe:


A. Die Gläubigerin, die Sparkasse L. , betreibt bisher vergeblich die Zwangsräumung des Hausgrundstücks des Schuldners aus dem rechtskräftigen Zuschlagsbeschluß des Amtsgerichts vom 11. Oktober 2002.
Der erste Termin zur Räumung wurde auf den 23. Juni 2003 bestimmt. Daraufhin hat der Schuldner unter Vorlage eines fachärztlichen Attests bean-
tragt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Bei dem im Haus mitlebenden Vater des Schuldners bestehe eine akute Belastungsstörung. Eine Zwangsräumung bedeute für diesen eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung. Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch Beschluß vom 13. Juni 2003 zurückgewiesen, die Durchführung der Zwangsräumung aber von der Auflage abhängig gemacht, daß dabei ein Beamter des Gesundheitsamts - Ordnungsamts - der Stadt und ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie anwesend seien , die vor Beginn der Zwangsräumung die Versorgung des Vaters des Schuldners übernähmen. Falls diese Voraussetzungen am 23. Juni 2003 nicht gegeben sein sollten, werde die Zwangsvollstreckung einstweilen für die Dauer von drei Monaten eingestellt. Für diesen Fall wurde dem Vater des Schuldners aufgegeben , sich mit dem Gesundheitsamt des Landkreises wegen einer amtsärztlichen Untersuchung in Verbindung zu setzen.
Auf sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht durch Beschluß vom 18. Juni 2003 die Räumungsvollstreckung bis zum 13. September 2003 eingestellt. Aufgrund des vorgelegten Attests, ergänzender Äußerungen des behandelnden Arztes und des Ergebnisses durchgeführter Ermittlungen könne auch durch Auflagen das Restrisiko nicht sicher ausgeschlossen werden, daß der Vater des Schuldners im Fall der Zwangsräumung Selbstmord begehe. Durch die Einstellung der Zwangsvollstreckung solle dem Vater des Schuldners Gelegenheit gegeben werden, sich in stationäre Behandlung zu begeben, um der Suizidgefahr entgegenzuwirken.
Nach Festsetzung eines neuen Räumungstermins auf den 1. Juli 2004 beantragte der Schuldner erneut, die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluß einstweilen einzustellen, weil sein Vater selbstmordgefährdet sei. Dazu wurden zwei Atteste des behandelnden Facharztes vorgelegt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch Beschluß vom 15. Juni 2004 zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Vater des Schuldners habe schuldhaft seine Pflicht, durch Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung an seiner Gesundung mitzuwirken, verletzt. Zudem habe er, wie aus einem der vorgelegten Atteste hervorgehe, die Möglichkeit, sich am 22. Juni 2004 in eine stationäre Behandlung zu begeben. Bei Wahrnehmung dieses Termins bestehe für ihn bei einer Zwangsräumung keine Gesundheitsgefahr.
Auf sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht die Räumungsvollstreckung durch Beschluß vom 29. Juni 2004 wiederum - nunmehr bis zum 1. September 2004 - einstweilen eingestellt. Es könne zur Zeit nicht ausgeschlossen werden, daß die Räumung für den Schuldner eine unzumutbare Härte sei. Auch unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sei es gerechtfertigt , die Räumungsvollstreckung vorläufig einzustellen, bis abschließend geklärt sei, ob tatsächlich eine Suizidgefahr bestehe und wie hoch das Risiko einzuschätzen sei. Die vorgelegten Atteste belegten lediglich, daß beim Vater des Schuldners eine akute Belastungsstörung gegeben sei und er sich unter der Extrembelastung einer drohenden Zwangsräumung in einem psychischen Ausnahmezustand befinde. Der behandelnde Arzt sehe aber für den Fall einer Zwangsräumung eine Selbstgefährdung des Vaters des Schuldners. Dem Schuldner wurde Gelegenheit gegeben, zur Klärung der Frage, ob bei einer Zwangsräumung tatsächlich eine Suizidgefahr bestehe und wie diese auszuschließen sei, eine amtsärztliche Stellungnahme nachzureichen. Da dies unterblieb , hat das Landgericht durch Beschluß vom 1. September 2004 die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen.
Nachdem der Räumungstermin auf den 13. Dezember 2004 angesetzt worden war, hat der Schuldner mit Schriftsatz vom 22. November 2004 wieder beantragt, die Räumungsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluß einstweilen einzustellen. Zur Begründung hat er (nach Aufforderung durch das Amtsgericht)
ein amtsärztliches Attest vom 30. November 2004 eingereicht. In diesem wird dargelegt, der Vater des Schuldners leide an einer akuten Erkrankung aus dem nervenärztlichen Stoffgebiet. Bei geringster psychischer Belastung bestehe die Gefahr einer Dekompensation mit möglichen fatalen Folgen. Es sollte eine psychiatrische ambulante und stationäre Therapie sowie eine medikamentöse Einstellung abgewartet werden, um eine eventuelle gesundheitliche Stabilisierung zu erreichen.
Das Amtsgericht hat aufgrund dieses Attests die Suizidgefahr als hinreichend belegt angesehen und durch Beschluß vom 2. Dezember 2004 die Zwangsvollstreckung bis zum 31. März 2005 eingestellt. Um der Suizidgefahr entgegenzuwirken, habe der Schuldner jedoch mit Nachdruck dafür zu sorgen, daß sich sein Vater unverzüglich in eine stationäre psychiatrische Therapie begebe , wo er medikamentös eingestellt werde. Sollte er hierzu nicht willens oder nicht in der Lage sein, müsse er mit der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung rechnen. Sollte sich der Vater des Schuldners weiterhin einer Therapie entziehen , müsse er mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen rechnen. Dem Schuldner werde weiterhin zur Auflage gemacht, sich unverzüglich nach einer anderen Wohnung umzusehen.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht diesen Beschluß am 7. Dezember 2004 abgeändert und den Antrag des Schuldners vom 22. November 2004 zurückgewiesen. Die bereits an demselben Tag eingegangene sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er eine Einstellung der Zwangsvollstreckung mindestens bis zum 31. Mai 2005 begehrt hat, hat das Landgericht durch Beschluß vom 13. Dezember 2004 zurückgewiesen.
Gegen den Beschluß des Landgerichts vom 7. Dezember 2004 hat der Schuldner die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Gläubigerin hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine weitere Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO lägen nicht vor. Dabei werde nicht verkannt, daß das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen sei, wenn bei Durchführung einer Räumung schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit und das Leben drohten. Da der Schuldner nunmehr auch ein amtsärztliches Attest vorgelegt habe, dem zu entnehmen sei, daß sein Vater bei einer Zwangsräumung suizidgefährdet sei, seien die drohenden gesundheitlichen Gefahren hinreichend belegt.
Von einem Betroffenen könne aber jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Krankheitsrisikos verlangt werden. Der Vater des Schuldners habe die ihm danach obliegende Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt, weil er sich trotz mehrfacher Ankündigung nicht in stationäre Behandlung begeben habe. Bereits in den vorangegangenen Verfahren sei dem Vater des Schuldners Gelegenheit gegeben worden, seinen Gesundheitszustand durch eine stationäre psychiatrische Behandlung zu verbessern. Nach der vorgelegten amtsärztlichen Stellungnahme vom 30. November 2004, in der eine stationäre Behandlung empfohlen werde, könne eine Therapie nicht als von vornherein aussichtslos angesehen werden.
Werde durch ein solches schuldhaftes Verhalten ein Zustand der Suizidgefahr aufrechterhalten, der einer Räumung des Grundstücks über einen langen Zeitraum entgegenstehen würde, seien der Schuldner und seine Angehörigen nicht mehr schutzwürdig. Auch bei besonders sorgfältiger Abwägung der Grundrechte der Beteiligten könne in einem solchen Fall nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die Räumung eine besondere Härte darstelle, die gegen die guten Sitten verstoße. Bei einem solchen Fehlverhalten sei den Gläubigerinteressen wieder Vorrang einzuräumen.
II. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner auch das Begehren seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 2. Dezember 2004 weiter, die Zwangsvollstreckung mindestens bis zum 31. Mai 2005 einzustellen. Das Landgericht hat mit seinem Beschluß vom 7. Dezember 2004 der Sache nach auch über dieses Begehren des Schuldners entschieden. Aufgrund der Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen diesen Beschluß ist deshalb auch dieses Begehren Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens geworden.
III. Die uneingeschränkte Zurückweisung des Antrags des Schuldners, die Zwangsvollstreckung gemäß § 765a ZPO einstweilen einzustellen, hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand.
1. Die Vorschrift des § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstrekkungsmaßnahmen , die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall die Zwangsvollstrekkungsmaßnahme nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (vgl. BGHZ 44, 138, 143; BGH, Beschl. v. 25.6.2004 - IXa ZB 267/03, NJW 2004, 3635, 3636; Beschl. v. 21.12.2004
- IXa ZB 228/03, WM 2005, 288, 289, für BGHZ vorgesehen; Stein/Jonas/ Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rdn. 5 f.; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 765a Rdn. 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 765a Rdn. 5 ff.; Schuschke /Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 3. Aufl., § 765a Rdn. 8 ff.; vgl. auch MünchKomm.ZPO/Heßler, 2. Aufl., § 765a Rdn. 7, 42).
2. Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, daß die für den Vater des Schuldners bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung vollständig ausschließt , kann auch auf der Grundlage des im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellenden Sachverhalts nicht zugestimmt werden.

a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstrekkungsgerichte , bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Ergibt die erforderliche Abwägung, daß die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden , unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange , deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 f. = NJW 1979, 2607; BVerfG NJW 1998, 295, 296; BVerfG NJW-RR 2001, 1523; BVerfG NJW 2004, 49; BGH NJW 2004, 3635, 3637). Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765a ZPO in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 81; OLG Köln NJW 1994, 1743; OLG Hamm Rpfleger 2001, 508; OLG Saarbrücken Rpfleger 2003, 37, 38). Die demgemäß vorzunehmende Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Ein-
zelfällen auch dazu führen, daß die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist (BVerfG NJW 1998, 295, 296).

b) Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann aber eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (vgl. BVerfGE 52, 214, 220 = NJW 1979, 2607; BVerfG NZM 1998, 431; OLG Köln NJW 1993, 2248, 2249; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 5; Schuschke/Walker aaO § 765a Rdn. 10; Keip, Umfang und Grenzen eines sozialen Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung, 2000, S. 255 ff.; Sturm, Räumungsvollstreckung und Räumungsschutz gemäß § 765a ZPO unter Berücksichtigung der zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle , 2001, S. 209; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 353 ff.).
Bei dieser Interessenabwägung kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich auch der Gläubiger auf Grundrechte berufen kann. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen (vgl. Schuschke/Walker aaO § 765a Rdn. 1; Sturm aaO S. 207; Scherer, DGVZ 1995, 33, 35). Die Aufgabe des Staates, das Recht zu wahren, umfaßt die Pflicht, ordnungsgemäß titulierte Ansprüche notfalls mit Zwang durchzusetzen und dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen (BVerfGE 49, 220, 231 - Sondervotum Böhmer = NJW 1979, 534, 535). Der Gläubiger hat gemäß Art. 19 Abs. 4 GG einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (vgl.
BVerfGE 49, 220, 225 = NJW 1979, 534 f.; BGH WM 2005, 288, 289; Sturm aaO S. 208 f.; Keip aaO S. 247). Dem Gläubiger dürfen nicht die Aufgaben überbürdet werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen (vgl. OLG Düsseldorf OLG-Rep 1998, 123, 125; Schuschke/Walker aaO § 765a Rdn. 11; Sturm aaO S. 208; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 353 f.; Linke, NZM 2002, 205, 208).
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung (vgl. §§ 10 ff. PsychKG NW; vgl. weiter Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 6; Keip aaO S. 256 ff.; Sturm aaO S. 218 f.; Scherer, DGVZ 1995, 33, 37 f.). Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern (vgl. BVerfG NJW 1992, 1155; BVerfG NJW-RR 1993, 463, 464; BVerfG NJW 2004, 49 f.; OLG Köln NJW 1993, 2248, 2249; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 5; Schuschke/ Walker aaO § 765a Rdn. 10; E. Schneider, JurBüro 1994, 321, 324; Walker /Gruß, NJW 1996, 352, 355; Weyhe, NZM 2000, 1147, 1150; Linke, NZM 2002, 205, 207 f.). Dies gilt auch für einen nahen Angehörigen, wenn auf Antrag des Schuldners unter Berufung auf dessen Suizidgefährdung eine Maßnahme nach § 765a ZPO getroffen werden soll.
Einem Schuldner oder einem seiner Angehörigen, die im Fall der Zwangsvollstreckung suizidgefährdet sind, kann dementsprechend, wenn sie dazu in der Lage sind, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch
durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern. Ist ein Angehöriger betroffen, kann auch vom Schuldner selbst erwartet werden, daß er das ihm Zumutbare unternimmt, um Gefahren für dessen Leben und Gesundheit möglichst auszuschließen (vgl. dazu auch BGH NJW 2004, 3635, 3637).

c) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, daß die Interessenabwägung hier deshalb gegen den Schuldner ausfallen müsse, weil dessen Vater die ihm obliegende Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt habe, wird von der Rechtsbeschwerde allerdings mit Erfolg angegriffen.
Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe das Recht des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist begründet. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 2. Dezember 2004 gegen den an diesem Tag erlassenen Beschluß des Amtsgerichts ist den Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners nicht zugestellt worden. Der Schuldner hatte deshalb vor der Entscheidung des Beschwerdegerichts am 7. Dezember 2004 keine Möglichkeit, zu dem Antrag der sofortigen Beschwerde, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufzuheben, Stellung zu nehmen. Ein Grund, von der Anhörung des Schuldners abzusehen, bestand bei der gegebenen Sachlage nicht. Die Rechtsbeschwerde trägt vor, der Schuldner hätte bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgebracht, sein Vater habe sich in der Zeit vom 12. Juli bis 3. August 2004 einer stationären Behandlung in einer psychiatrischen Klinik unterzogen. Nach Ansicht der Ärzte do rt könne eine solche Behandlung jedoch nur zu einer Linderung der Symptome, nicht aber zu einer Änderung der akuten Suizidgefährdung bei einer situativen Einengung ohne erkennbaren Ausweg führen. Dies hätte der Schuldner durch Benennung des Chefarztes der Klinik als Zeugen oder durch ärztliche Bescheinigung der Klinik unter Beweis gestellt. Die Beurteilung der Klinikärzte entspreche der Beur-
teilung des Facharztes, der den Vater des Schuldners ambulant behandele. Der amtsärztlichen Bescheinigung, die auf eingehenden Untersuchungen beruhe, sei ebenfalls nicht zu entnehmen, daß eine stationäre psychiatrische Behandlung aussichtsreich sei. Der Vater des Schuldners werde zudem (ausweislich der vorgelegten Atteste vom 14. August und 26. November 2004) von einem Facharzt, der auch Psychopharmaka einsetze, ambulant behandelt.
Wird dieses - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht überprüfbare - Tatsachenvorbringen unterstellt, kann dem Vater des Schuldners zumindest keine entscheidend ins Gewicht fallende Verletzung seiner Pflicht, soweit zumutbar zum Erfolg der Zwangsvollstreckung beizutragen, vorgehalten werden.

d) Auch wenn das Vorbringen der Rechtsbeschwerde unterstellt wird, bedeutet dies jedoch nicht, daß eine Räumungsvollstreckung vollständig ausgeschlossen ist. Andernfalls müßte dem Schuldner im Ergebnis zeitlich unbegrenzt Vollstreckungsschutz gewährt werden, und dies auch dann, wenn - wie die Gläubigerin im Verfahren vorgetragen hat - seit dem Zuschlag vom 11. Oktober 2002 nicht einmal ein Nutzungsentgelt in ortsüblicher Höhe gezahlt werden sollte und Erhaltungsaufwendungen für das genutzte Haus unterblieben sein sollten. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Vollstreckung gemäß § 765a ZPO auch von der Erfüllung von Auflagen abhängig machen kann (vgl. Stein/Jonas/Münzberg aaO § 765a Rdn. 15). Dies ermöglicht z.B. Anordnungen wie im Beschluß des Amtsgerichts vom 13. Juni 2003, nach denen die Durchführung der Zwangsräumung die Anwesenheit eines Beamten des Gesundheitsamts - Ordnungsamts - der Stadt und eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie zur Voraussetzung hatte (vgl. auch OLG Düsseldorf OLG-Rep 1998, 123, 125 f.; VGH Mannheim NJW 1997, 2832, 2834; Sturm aaO S. 218 f.). Wenn bereits bei Bevorstehen der Zwangsräumung für den Vater des Schuldners aufgrund krankheitsbedingten Verhaltens eine
gegenwärtige Gefahr einer erheblichen Selbstgefährdung besteht, die anders nicht abgewendet werden kann, ist zudem seine Unterbringung nach § 11 PsychKG NW, gegebenenfalls auch schon vor dem Räumungstermin, zulässig.
IV. Die gemäß § 765a ZPO zu treffende Entscheidung über Auflagen für die Durchführung der Zwangsvollstreckung hat der Tatrichter nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände zu treffen. Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.