Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2008 - V ZB 31/08

bei uns veröffentlicht am20.11.2008
vorgehend
Amtsgericht Görlitz, 8 L 72/07, 30.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 31/08
vom
20. November 2008
in dem Zwangsverwaltungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Zwangsverwaltung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks ist
unzulässig, wenn sie nur dazu dient, dem im Haus wohnenden Schuldner den Bezug
von Sozialleistungen zu ermöglichen, damit er an den Zwangsverwalter ein Entgelt
für die Nutzung der Räume entrichten kann, die ihm nicht nach § 149 Abs. 1 ZVG zu
belassen sind.
BGH, Beschluss vom 20. November 2008 - V ZB 31/08 - LG Görlitz
AG Görlitz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. November 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 23. Januar 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Schuldnerin wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren mit Wirkung vom 3. März 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Geisler bewilligt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.042,80 €.

Gründe:

I.

1
Auf Antrag des Gläubigers ordnete das Vollstreckungsgericht die Zwangsverwaltung des Grundstücks der Schuldnerin an. Das darauf befindliche Einfamilienhaus wird von der Schuldnerin und ihrem Ehemann bewohnt.
2
In dem Inbesitznahmebericht des Zwangsverwalters sind als Einnahmen Betriebs- und Nebenkostenerstattungen der Schuldnerin von 50 € und als Ausgaben Kosten für Grundsteuer und Versicherungen in Höhe von 45 € angesetzt.
3
Mit der Begründung, die Zwangsverwaltung sei rechtsmissbräuchlich und im Hinblick auf ihren schlechten Gesundheitszustand, welcher bereits zur Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens geführt habe, sittenwidrig, hat die Schuldnerin die Aufhebung der Zwangsverwaltung beantragt.
4
Das Vollstreckungsgericht hat das Zwangsverwaltungsverfahren aufgehoben und ausgeführt: Das Vorgehen des Gläubigers sei zwar nicht rechtsmissbräuchlich. Es ergebe sich ein Überschuss von monatlich 5 €. Nach den Vorstellungen des Gläubigers könne die Schuldnerin außerdem Wohngeld beantragen ; dies solle im Rahmen der Zwangsverwaltung an den Gläubiger abgeführt werden. In Anbetracht der akuten Suizidgefahr der Schuldnerin stelle die Fortsetzung des Verfahrens jedoch eine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a ZPO dar.
5
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Landgericht den Beschluss des Vollstreckungsgerichts aufgehoben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung der Gläubiger beantragt, erstrebt die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung der Zwangsverwaltung.

II.

6
Das Beschwerdegericht hält, die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO für nicht gegeben. Die von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen bestätigte Suizidgefahr der Schuldnerin gründe sich in erheblichem Maße auf den möglichen Verlust ihres Eigenheims.
Ein solcher sei bei der Zwangsverwaltung aber nicht zu besorgen. Dem Schuldner , der zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstück wohne, seien die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen. Nur hinsichtlich der nicht benötigten Räume müsse der Schuldner eine Nutzung durch den Zwangsverwalter dulden mit der Folge, dass er bei Nutzung dieser Räume ein angemessenes Entgelt an den Zwangsverwalter zu entrichten habe. Auf diese Besonderheiten des Zwangsverwaltungsverfahrens hingewiesen, habe der Sachverständige ergänzend ausgeführt, ein wesentlicher Faktor für die bei der Schuldnerin bestehende Suizidgefahr entfalle, wenn sie in ihrem Haus bleiben könne. Bei Abwägung der Interessen der Beteiligten überwiege deshalb dasjenige des Gläubigers an der Fortführung der Zwangsverwaltung.

III.

7
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts konnte der Vollstreckungsschutzantrag der Schuldnerin (§ 765a ZPO) nicht zurückgewiesen werden.
8
Die Vorschrift des § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen , die wegen ganz besonderer Umstände eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte für den Schuldner bedeuten. Sie kommt zur Anwendung, wenn im Einzelfall die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (vgl. BGHZ 161, 371, 374 m.w.N.). Bei der Feststellung der abzuwägenden Belange der Beteiligten sind dem Beschwerdegericht Rechtsfehler unterlaufen.
9
1. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die Feststellungen des Beschwerdegerichts zu der Gefahr eines Suizids der Schuldnerin bei Fortsetzung der Zwangsverwaltung unzureichend sind.
10
Wie das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt nicht verkennt, sind die Gerichte verpflichtet, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), zu berücksichtigen. Die Zwangsvollstreckung ist deshalb einstweilen einzustellen, wenn sich eine konkrete Suizidgefahr des Schuldners oder eines nahe Angehörigen anders nicht abwenden lässt. Bei ihrer Verfahrensgestaltung haben die Gerichte die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen tunlichst auszuschließen. Dies kann es insbesondere erfordern, Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich seines Vorbringens, ihm drohten schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen, besonders sorgfältig nachzugehen (vgl. BVerfGK 6, 5, 10 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Verfahren des Beschwerdegerichts nicht.
11
a) Die Gefahr eines Suizids der Schuldnerin ist von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 11. Oktober 2007 zunächst als „hoch“ eingeschätzt worden. Auf Nachfrage des Gerichts, ob die Beurteilung anders ausfalle, wenn davon auszugehen sei, dass die Schuldnerin und ihre Familie Haus und Grundstück nicht verlassen müssten, hat er dies in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2007 zwar dahin eingeschränkt, dass in diesem Fall ein wesentlicher Faktor der Suizidgefahr entfalle. Dem durfte das Beschwerdegericht aber nicht entnehmen, dass mit der Fortsetzung der Zwangsverwaltung keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Schuldnerin verbunden ist.
12
Schon weil die Annahme einer hohen Suizidgefahr ausweislich des Gutachtens vom 11. Oktober 2007 auf mehrere Risikofaktoren gestützt war, also nicht nur auf der Befürchtung der Schuldnerin beruhte, ihr Haus zu verlieren, konnte das Beschwerdegericht zunächst nur davon ausgehen, dass der Sachverständige die Gefahr eines Suizids nunmehr geringer einstufte, nicht aber, dass sie vollständig entfallen war. Hinzu kommt, dass der neuen Beurteilung kein weiteres Gespräch des Sachverständigen mit der Schuldnerin vorausgegangen ist, und dass die Schuldnerin der Einschätzung im Schriftsatz vom 11. Januar 2008 widersprochen und die erneute Befragung des Sachverständigen beantragt hat. Bei dieser Sachlage erforderte eine zuverlässige Beurteilung der von der Fortführung der Vollstreckungsmaßnahme ausgehenden Bedrohung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Schuldnerin weitere Feststellungen.
13
Das gilt auch, soweit die Suizidgefahr auf falschen Vorstellungen der Schuldnerin über die Auswirkungen einer Zwangsverwaltung beruht. Die Erwägung des Beschwerdegerichts, solchen Vorstellungen könne durch eine Aufklärung der Schuldnerin über Zweck, Umfang und Rechtsfolgen der Zwangsverwaltung begegnet werden, lässt die Gefahr für das Leben der Schuldnerin nicht entfallen. Sind begleitende Maßnahmen bei der Vollstreckung geeignet, der Suizidgefahr entgegenzuwirken, darf das Gericht sie bei der Abwägung nach § 765a ZPO vielmehr nur berücksichtigen, wenn ihre Vornahme weitestgehend sichergestellt ist (vgl. BVerfGK 6, 5, 11 f.; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720). Daran fehlt es hier. Das Beschwerdegericht geht nur von der Möglichkeit aus, dass die Schuldnerin durch irgendjemanden über die Auswirkungen der Zwangsverwaltung aufgeklärt werden kann und soll, nicht aber davon, dass dies sichergestellt ist.
14
b) Darüber hinaus gibt der Vortrag der Schuldnerin im Schriftsatz vom 11. Januar 2008, wonach bereits der Gedanke, dass nicht mehr sie, sondern der Zwangsverwalter das Sagen im Hause habe, sie „an den Rand des Abgrunds“ treibe, Anlass zur Prüfung, inwieweit andere mit der Fortsetzung der Zwangsverwaltung einhergehende Umstände eine Suizidgefahr begründen. Hiervon durfte das Beschwerdegericht wiederum nicht aufgrund des - angesichts des § 149 Abs. 2 ZVG im Übrigen nicht uneingeschränkt zutreffenden - Hinweises absehen, dass die Zwangsverwaltung nicht zu einer Zwangsräumung führen werde. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt auch in Betracht, wenn sonstige mit der Zwangsverwaltung einhergehende , möglicherweise nur subjektiv als schwerwiegend empfundene, Belastungen allein oder in Verbindung mit weiteren Faktoren zu einer anders nicht beherrschbaren Suizidgefahr bei der Schuldnerin führen.
15
2. Für das Beschwerdegericht bestand ferner Anlass näher zu prüfen, welche schützenswerte Belange an der Fortsetzung der Zwangsverwaltung auf Seiten des Gläubigers in die nach § 756a ZPO vorzunehmende Abwägung einzustellen sind.
16
a) Ziel der Zwangsverwaltung ist es grundsätzlich, dem Gläubiger die Erträge aus der Vermietung oder Verpachtung des zwangsverwalteten Grundstücks zukommen zu lassen. Ist - wie hier - ein selbstgenutztes Einfamilienhaus Gegenstand der Zwangsverwaltung, scheidet eine Vermietung aus, soweit das Haus gemäß § 149 Abs. 1 ZVG dem Schuldner zu belassen ist. Eine dennoch erwirkte Zwangsverwaltung ist nur dann geeignet, zur Befriedigung des Gläubigers zu führen, wenn die verbleibenden Räume oder andere auf dem Grundstück befindliche, für den Hausstand des Schuldners nicht erforderliche, Gebäude selbständig vermietbar sind (vgl. Senat, Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 5/05, NJW 2005, 2460, 2462; Beschl. v. 24. Januar 2008, V ZB 99/07, NJW-RR 2008, 679, 680). Dass es sich hier so verhält, ist von dem Beschwerdegericht nicht festgestellt worden.
17
b) Andere schutzwürdige Ziele der Zwangsverwaltung sind auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.
18
aa) Der von dem Zwangsverwalter in seinem Inbesitznahmebericht ausgewiesene Überschuss von 5 € im Monat ist nicht geeignet, ein legitimes Interesse des Gläubigers an der Fortsetzung der Zwangsverwaltung zu begründen. Es bestehen bereits nachhaltige Bedenken, ob der Zwangsverwalter berechtigt ist, von der Schuldnerin einen monatlichen Vorschuss auf die Nebenkosten zu verlangen (ablehnend: LG Duisburg, Rpfleger 2008, 323; a.A: LG Zwickau, Rpfleger 2006, 426; ZMR 2007, 656; AG Heilbronn, Rpflger 2004, 236; vgl. auch Senat, Beschl. v. 24. Januar 2008, V ZB 99/07, NJW-RR 2008, 679). Jedenfalls handelt es sich bei dem „Überschuss“ von 5 € monatlich nicht um einen Mietertrag, sondern um den nicht verbrauchten Teil eines von der Schuldnerin geleisteten und damit an sie zurück zu zahlenden Vorschusses.
19
bb) Soweit der Zwangsverwalter beabsichtigen sollte, Erträge aus dem Grundstück zu erwirtschaften, indem er der Schuldnerin die im Sinne von § 149 Abs. 1 ZVG nicht benötigten Räume des Einfamilienhauses gegen Entgelt überlässt, wäre dies im Ausgangspunkt zwar nicht zu beanstanden (vgl. BGH; Urt. v. 14. Mai 1992, IX ZR 241/91, NJW 1992, 2487). Ein solches Vorgehen verspricht aber nur Erfolg, wenn die Schuldnerin in der Lage ist, das Entgelt aus eigenen Mitteln zu bezahlen.
20
Kein schutzwürdiges Interesse an der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung begründet dagegen die von dem Gläubiger aufgezeigte Möglichkeit, die Schuldnerin könne das Entgelt durch Inanspruchnahme von Wohngeld oder anderen Sozialleistungen aufbringen, weil sie infolge der Zwangsverwaltung sozialhilferechtlich so behandelt würde, als lebten sie und ihr Ehemann zur Mie- te. Es ist schon zweifelhaft, ob der Schuldnerin ein Anspruch auf Wohngeld für die Anmietung von Räumen zustehen kann, die über den durch § 149 Abs. 1 ZVG berücksichtigten Bedarf hinausgehen. Jedenfalls wird das Institut der Zwangsverwaltung rechtsmissbräuchlich genutzt, wenn es dazu dient, Ansprüche des Schuldners auf Sozialleistungen zu begründen, damit er für die von ihm nach § 149 Abs. 1 ZVG nicht zum Wohnen benötigten Räume ein Entgelt an den Zwangsverwalter zahlen kann. Es wird dann nämlich nicht dazu eingesetzt, um Erträge aus dem Grundstück zu erwirtschaften, sondern dazu, eine Notlage des Schuldners zu schaffen, die ohne die Zwangsverwaltung nicht bestünde, und die Verbindlichkeiten des Schuldners dann mithilfe von Sozialleistungen, also auf Kosten der Allgemeinheit, zu tilgen.

IV.

21
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Die Sache wird an das Beschwerdegericht zurückverwiesen, damit es ergänzende Feststellungen zu den aus einer Fortsetzung des Verfahrens folgenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Schuldnerin und den schutzwürdigen Interesse des Gläubigers an der Fortsetzung der Zwangsverwaltung treffen kann. Im Hinblick darauf , dass zweifelhaft erscheint, ob die Zwangsverwaltung des Grundstücks (echte) Erträge aus einer Vermietung erwarten lässt, wird dabei zu berücksichtigen sein, dass eine sittenwidrige Härte im Sinne des § 765a ZPO auch in der Fortführung einer aussichtslosen Vollstreckung liegen kann (vgl. Keller, DZWIR 2006, 315, 319). Krüger Klein Stresemann Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidung vom 30.04.2007 - 8 L 72/07 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 23.01.2008 - 2 T 103/07 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 793 Sofortige Beschwerde


Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.
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Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

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(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers we

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(1) Wohnt der Schuldner zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstück, so sind ihm die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen.

(2) Gefährdet der Schuldner oder ein Mitglied seines Hausstandes das Grundstück oder die Verwaltung, so hat auf Antrag das Gericht dem Schuldner die Räumung des Grundstücks aufzugeben.

(3) Bei der Zwangsverwaltung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks hat der Zwangsverwalter aus den Erträgnissen des Grundstücks oder aus deren Erlös dem Schuldner die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Befriedigung seiner und seiner Familie notwendigen Bedürfnisse erforderlich sind. Im Streitfall entscheidet das Vollstreckungsgericht nach Anhörung des Gläubigers, des Schuldners und des Zwangsverwalters. Der Beschluß unterliegt der sofortigen Beschwerde.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 24/05
vom
24. November 2005
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Besteht im Fall der Räumungsvollstreckung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung
des Räumungsschuldners, darf ein Einstellungsantrag des Räumungsschuldners nur
abgelehnt werden, wenn das Vollstreckungsgericht der Suizidgefahr durch geeignete
konkrete Auflagen oder durch die Anordnung geeigneter konkreter Betreuungsmaßnahmen
entgegenwirkt.
BGH, Beschl. v. 24. November 2005 - V ZB 24/05 - LG Ravensburg
AG Ravensburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch
und Zoll und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Den Schuldnern wird hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldner wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 15. Oktober 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Schuldner sind aufgrund eines rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses verpflichtet, ein landwirtschaftliches Anwesen, auf dem sie wohnen und wirtschaften , zu räumen. Sie haben unter Hinweis auf bestehende Suizidabsichten für den Fall der Räumung beantragt, die Räumungsvollstreckung gemäß § 765a ZPO für einen Zeitraum von drei Monaten auszusetzen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss hinsichtlich der Räumung einstweilen eingestellt und über das Bestehen einer Suizidgefahr Beweis erhoben durch die Einholung von Sachverständigengutachten. Durch den angegriffenen Beschluss hat es sodann die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Schuldner ihr Ziel einer Einstellung der Zwangsvollstreckung, nötigenfalls unter Auflagen, weiter.

II.

2
1. Den Schuldnern ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist zu bewilligen, nachdem der Senat ihnen antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt hat und der Wiedereinsetzungsantrag nebst der Rechtsbeschwerdebegründung fristgerecht eingereicht worden ist (§§ 233, 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO).
3
2. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
4
a) Das Beschwerdegericht führt aus: Nach dem zuletzt vorgelegten Gutachten des Sachverständigen sei bei dem Schuldner die Suizidgefahr bei Durchführung einer Zwangsräumung als hoch einzustufen. Auch bei der Schuldnerin bestehe eine ernst zu nehmende Suizidgefahr, wenn auch stark abhängig vom Verhalten des Ehemanns. Nach den Ausführungen des Sachverständigen gebe es keine konkrete Möglichkeit, die Suizidalität der Schuldner zu bekämpfen. Selbst bei einer Unterbringung des Schuldners in einer geschlossenen Anstalt sei das Risiko nicht auszuschließen. Als Behandlungsmaßnahme komme nur eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung in Betracht. Dies setze jedoch die notwendige Krankheitseinsicht und Therapiebereitschaft voraus. Dazu sei der Schuldner nicht in der Lage. Er habe sich allen Appellen des Gerichts gegenüber als verschlossen gezeigt.
5
Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Recht der Schuldner auf Leben und körperliche Unversehrtheit und dem Eigentumsrecht der Gläubigerin verdiene Letzteres den Vorrang. Es stehe aufgrund der bisherigen Entwicklung und Zuspitzung der Sachlage zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine vorübergehende oder auch längere Einstellung der Zwangsvollstreckung die bestehenden Gefahren und Risiken nicht beseitigen könne. Die Schuldner seien offensichtlich in ihrem Verhalten immer mehr auf die Zwangsvollstreckung fixiert und unfähig, aus eigener Kraft die Konfliktsituation zu bewältigen oder zumutbare fremde Hilfe anzunehmen. Sie seien nicht in der Lage, sich der Situation zu stellen und sich mit der Realität abzufinden. Eine endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung sei andererseits der Gläubigerbank nicht zuzumuten. Es könne ihr nicht angelastet werden, dass sich die Zwangsräumung immer weiter verzögere. Sie habe u.a. Vorschüsse zur Unterbringung der Tiere geleistet und Behörden über die bevorstehende Zwangsräumung informiert. Weitere Rücksichtnahme könne von ihr redlicherweise nicht erwartet werden.
6
Den Schuldnern könne nur nochmals empfohlen werden, sich in therapeutische Behandlung zu begeben. Unabhängig davon sei bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung auf die gesundheitlichen Probleme und Persönlichkeitsstörungen der Schuldner die gebotene Rücksicht zu nehmen. Es sei dafür Sorge zu tragen, dass sie vor, während und nach den Vollstreckungsmaßnahmen in ausreichendem Umfang durch Personen ihres Vertrauens oder sonstige Dritte betreut würden und dass eine Unterkunft zur Verfügung stehe.
7
b) Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
8
aa) Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4. Mai 2005 (I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, zur Veröffentlichung in BGHZ 163, 66 bestimmt) ent- schieden, nach welchen Maßstäben bei bestehender Suizidgefahr im Falle einer Zwangsräumung über den Einstellungsantrag eines Schuldners nach § 765a ZPO zu befinden ist. Danach schließt eine für den Fall einer Zwangsräumung bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung nicht von vornherein vollständig aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte eine Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Diese kann in besonders gelagerten Einzelfällen auch dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
9
Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Auch dieser kann sich auf Grundrechte berufen. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt.
10
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen.
Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern. Einem Schuldner kann dementsprechend, wenn er dazu in der Lage ist, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern.
11
Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Zwangsräumung in Fällen bestehender Suizidgefahr (vgl. BVerfGE 52, 214; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1992, 1378; 1994, 1272; 1719; 1998, 295; 2004, 49; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657). Zu beachten ist, dass in Betracht kommende Mitwirkungshandlungen des Schuldners oder Dritter im Rahmen der Abwägung nicht lediglich abstrakt erwogen werden dürfen, sondern dass das Vollstreckungsgericht , sofern sie noch nicht eingeleitet worden sind, durch Auflagen auf ihre Vornahme hinzuwirken hat (vgl. BVerfG, NZM 2005, 657, 658 f.).
12
bb) Diesen Maßstäben wird der angefochtene Beschluss nicht in vollem Umfang gerecht.
13
Das Beschwerdegericht stellt fest, dass eine konkrete Suizidgefahr bei den Schuldnern besteht. Es nimmt auch die zur Abwendung dieser Gefahr in Betracht kommenden Maßnahmen in den Blick. Dabei bleibt es indes bei einer abstrakten Betrachtungsweise stehen.
14
Es „empfiehlt“ den Schuldnern, sich in Behandlung zu begeben, stellt aber fest, dass diese zu der dafür notwendigen Krankheitseinsicht nicht in der Lage sind. Die von dem Sachverständigen in Betracht gezogene grundsätzliche Therapierbarkeit der Schuldner kann bei dieser Sachlage allenfalls dann zu ihren Lasten in die Abwägung einfließen, wenn versucht worden ist, durch konkrete Auflagen (nicht nur Empfehlungen) des Vollstreckungsgerichts auf eine Therapie hinzuwirken und den Schuldnern sodann vorgeworfen werden kann, diesen Auflagen nicht nachgekommen zu sein.
15
Das Beschwerdegericht führt weiter aus, es sei dafür Sorge zu tragen, dass die Schuldner vor, während und nach den Vollstreckungsmaßnahmen in ausreichendem Umfang durch Personen ihres Vertrauens oder sonstige Dritte betreut würden, ohne dass erkennbar wird, welche Personen insoweit zur Verfügung stehen, welche konkreten Betreuungsmaßnahmen unter den vorliegenden Umständen in Betracht kommen und inwieweit das Vollstreckungsgericht auf ihre Verwirklichung hinzuwirken hat. Insoweit sind zunächst konkrete Feststellungen zu treffen. Sodann sind geeignete Auflagen an die Schuldner in Betracht zu ziehen. Schließlich ist durch geeignete Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts bzw. Anweisungen an den Gerichtsvollzieher als das für die Räumungsvollstreckung zuständige Vollstreckungsorgan dafür Sorge zu tragen, dass die erforderliche Betreuung, die den Suizid verhindern soll, möglichst weit gehend sicher gestellt ist. Nach dem bisherigen Verfahrensstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Appelle und Erwägungen des Beschwerdegerichts bei der von dem Gerichtsvollzieher durchzuführenden Räumung nicht in der gebotenen Weise Berücksichtigung finden. Das Beschwerdegericht stellt selbst fest, die Schuldner seien unfähig, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG wird bei dieser Sachlage nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die im Fall der Räumung erforderliche Betreuung von den Vollstreckungsorganen so weit wie möglich konkret veranlasst wird.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Zoll Stresemann

Vorinstanzen:
AG Ravensburg, Entscheidung vom 01.04.2004 - 1 M 1265/04 -
LG Ravensburg, Entscheidung vom 30.09.2004 - 4 T 18/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/07
vom
14. Juni 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
betreffend den Grundbesitz
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ist mit einer Zwangsvollstreckung die konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des
Schuldners verbunden, so muss das Vollstreckungsgericht, wenn es zur Abwehr dieser
Gefahr die Unterbringung des Schuldners in einer psychiatrischen Einrichtung für erforderlich
hält, mit der Vollstreckungsmaßnahme zuwarten, bis die Unterbringung durch die zuständigen
Behörden und Gerichte angeordnet und durchgeführt worden ist (im Anschluss
an Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

b) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hat der Tatrichter, bevor er die Unterbringung
anregt, stets zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung durch ambulante psychiatrische
und psychotherapeutische Maßnahmen begegnet werden kann. Bei der gebotenen
Abwägung mit den Interessen des Gläubigers (und gegebenenfalls des Erstehers)
sind die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu
berücksichtigen.

c) Regt das Vollstreckungsgericht bei den zuständigen Stellen eine Unterbringung an, sollte
es darauf hinweisen, dass die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners
nicht in einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann und dass daher
die Zwangsvollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär
zuständigen Stellen Maßnahmen zum Schutz des Schuldners nicht für notwendig erachten.
BGH, Beschl. v. 14. Juni 2007 - V ZB 28/07 - LG Düsseldorf
AG Neuss
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juni 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Neuss vom 5. September 2006 (Az. 032 K 016/03) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.700 €.

Gründe:


1
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer für sie an dem Grundstück des Schuldners eingetragenen Grundschuld. Die Versteigerung des Grundstücks wurde im Februar 2003 angeordnet. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind als weitere Gläubiger dem Verfahren beigetreten.
2
Nach mehreren Einstellungen des Verfahrens bestimmte das Vollstreckungsgericht den Versteigerungstermin auf den 12. Juli 2006. Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 beantragte der Schuldner unter Hinweis auf eine beigefügte ärztliche Bescheinigung, in der eine konkrete Suizidgefahr bescheinigt wurde, den Termin aufzuheben. Dem wurde nicht entsprochen.
3
Nach Durchführung des Versteigerungstermins hat der Schuldner beantragt , das Verfahren nach § 765a ZPO einstweilen einzustellen. Diesen Antrag hat er mit anwaltlichem Schreiben vom 8. August 2006 wiederholt, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren, die das Vollstreckungsgericht als nicht aussagekräftig angesehen hat. Mit Beschluss vom 5. September 2006 hat es den Zuschlag erteilt und den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen.
4
Mit der sofortigen Beschwerde hat der Schuldner u.a. beantragt, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Anträge weiter.

II.

5
Das Beschwerdegericht geht, nach Einholung einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme, davon aus, dass der Schuldner infolge des Zwangsversteigerungsverfahrens akut suizidgefährdet ist. Es meint jedoch, dass dieser Gefahr durch eine Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) entgegengewirkt werden könne. Die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung sieht es, gestützt auf seine Erfahrungen, die es aus Beschwerdeverfahren in Unterbringungssachen gewonnen hat, als gegeben an. Um eine Unterbringung zu veranlassen, werde es vor der Zustellung der die sofortige Beschwerde zurückweisenden Entscheidung die zuständige Ordnungsbehörde über die amts- ärztlich bescheinigte akute Suizidgefahr informieren und so auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinwirken.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
7
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht möglicherweise bereits das Rechtsschutzziel der Beschwerde verkannt habe, indem es das Rechtsmittel nicht als eine Zuschlagbeschwerde (§§ 96, 100 ZVG), sondern allein als eine sofortige Beschwerde nach § 95 ZVG gegen die Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrages gem. § 765a ZPO angesehen habe. Ein solches Verständnis, das angesichts des Umstands, dass der Schuldner auch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses beantragt hat, fehlerhaft wäre, liegt der angegriffenen Entscheidung nicht zugrunde. Das Beschwerdegericht ist vielmehr zutreffend von einer einheitlichen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts durch Erteilung des Zuschlags unter gleichzeitiger Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrags ausgegangen, gegen die sich die sofortige Beschwerde gerichtet hat. Der Sache nach – und nur das ist in der Beschwerdeentscheidung hervorgehoben - wendet sich der Schuldner aber allein dagegen, dass sein Vollstreckungsschutzantrag erfolglos geblieben ist. Damit hat er - was möglich ist - die Zuschlagsbeschwerde auf eine Verletzung des § 765a ZPO gestützt.
8
2. Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde aber geltend, dass der beantragte Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nicht mit der gegebenen Begründung versagt werden kann.
9
a) Wie das Beschwerdegericht nicht verkennt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 163, 66, 73; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506) selbst dann, wenn - wie hier - mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden ist, eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen des Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (Eigentumsschutz, Art. 14; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG). Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen (BGHZ 163, 66, 74 sowie Senat, Beschl. v. 24. November 2005, aaO). Allerdings sind solche begleitende Maßnahmen nur dann geeignet, der Suizidgefahr entgegenzuwirken, wenn ihre Vornahme auch weitestgehend sichergestellt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508). Diesem Gesichtspunkt trägt die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend Rechnung.
10
b) Das Beschwerdegericht sieht als Alternative zu einer Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses die Möglichkeit einer Unterbringung des Schuldners nach §§ 11, 12 PsychKG (NRW). Ob es dazu kommt, liegt aber, unabhängig von der möglicherweise gegebenen eigenen Sachkunde, nicht in der Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts. Zuständig ist vielmehr nach § 12 Abs. 1 PsychKG (NRW) das Vormundschaftsgericht. Ohne eine Anordnung des Vormundschaftsgerichts fehlt der angefochtenen Entscheidung die die Abwägung tragende Grundlage. Das Vorhaben des Beschwerdegerichts, die für den Wohnsitz des Schuldners zuständige Ordnungsbehörde über die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens sowie über die amtsärztlich belegte akute Suizidgefahr zu informieren und auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinzuwirken, ist nicht geeignet, die für erforderlich gehaltene Maßnahme auch weitestmöglich sicherzustellen. Ob die Ordnungsbehörde den Antrag auf Unterbringung stellt, ob das Vormundschaftsgericht die Unterbringung anordnet, das sind Entscheidungen, auf die das Beschwerdegericht keinen maßgeblichen Einfluss hat. Das wird vorliegend besonders deutlich, wenn der Vortrag der Rechtsbeschwerde zugrunde gelegt wird, dass das Vormundschaftsgericht die Unterbringung des Schuldners am Tage nach der angefochtenen Entscheidung abgelehnt hat.

IV.

11
Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts stellt sich damit als rechtsfehlerhaft dar und ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht folgendes zu beachten haben.
12
1. Eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn dem Ersteher zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist. Mit der Aufhebung verliert er nämlich rückwirkend das durch den Zuschlag gem. § 90 Abs. 1 ZVG erworbene Eigentum. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist gegebenenfalls nachzuholen.
13
2. Sollte das Beschwerdegericht zu der Überzeugung gelangen, dass - trotz einer den Antrag auf Unterbringung ablehnenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - weiterhin Suizidgefahr besteht, so wird es zweierlei zu prüfen haben.
14
a) Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Suizidgefahr mit ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Maßnahmen begegnet werden kann. Der Tatrichter hat in einem solchen Fall unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob darin eine Lösung des Konflikts gefunden werden kann, die von dem Gläubiger (und dem Ersteher) angesichts der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG hinzunehmen ist und die einer freiheitsentziehenden Maßnahme wie einer Unterbringung vorzuziehen ist. Eine solche Abwägung hat das Beschwerdegericht bislang nicht vorgenommen. Das wird nachzuholen sein. Dabei sind vor allem die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu berücksichtigen. Voraussetzung ist ferner, dass sich der Schuldner - nachhaltig - einer solchen Therapie unterzieht.
15
b) Kommt eine ambulante Behandlung nicht in Betracht, wird im konkreten Fall zu erwägen sein, bei der zuständigen Behörde erneut die Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht die Anordnung einer Betreuung anzuregen. Die für die Vollstreckung zuständigen Organe und Gerichte haben die Eigentumsrechte des Vollstreckungsgläubigers und des Erstehers zu wahren. Die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners kann nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden. Darauf sollten die für eine Unterbringung zuständigen Behörden und Gerichte - nicht nur im konkreten Fall, sondern generell in Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht eine Unterbringung des Schuldners für notwendig hält - in der Anregung hingewiesen werden. Hinzuweisen ist ferner auf die Folge, dass nämlich die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten.
16
Wie weiter zu verfahren ist, hängt von der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ab. Ordnet es die Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) an, so hat das Beschwerdegericht sicherzustellen, dass die Zwangsversteigerung nicht fortgesetzt wird, bevor der Schuldner in Gewahrsam genommen wurde. Hält es eine Unterbringung zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich und wird diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär zuständigen Stelle, die es im Regelfall, aber auch erst dann, gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (vgl. Schuschke , NJW 2006, 876, 877). Das enthebt das Vollstreckungsgericht (bzw. das Beschwerdegericht ) allerdings nicht der Prüfung, ob zur Beherrschung der Restgefahr andere begleitende Maßnahmen betreuender Art getroffen werden müssen (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

V.

17
1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 93, Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
18
2. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdn. 16 Stichwort: "Vollstreckungsschutz") des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Neuss, Entscheidung vom 05.09.2006 - 32 K 16/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.02.2007 - 19 T 257/06 -

(1) Wohnt der Schuldner zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstück, so sind ihm die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen.

(2) Gefährdet der Schuldner oder ein Mitglied seines Hausstandes das Grundstück oder die Verwaltung, so hat auf Antrag das Gericht dem Schuldner die Räumung des Grundstücks aufzugeben.

(3) Bei der Zwangsverwaltung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks hat der Zwangsverwalter aus den Erträgnissen des Grundstücks oder aus deren Erlös dem Schuldner die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Befriedigung seiner und seiner Familie notwendigen Bedürfnisse erforderlich sind. Im Streitfall entscheidet das Vollstreckungsgericht nach Anhörung des Gläubigers, des Schuldners und des Zwangsverwalters. Der Beschluß unterliegt der sofortigen Beschwerde.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 5/05
vom
14. April 2005
in der Zwangsverwaltungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Aufwendungen des Gläubigers, deren Zweck nicht darin besteht, die Befriedigung
der titulierten Forderung zu erreichen, stellen keine von dem Schuldner
zu erstattenden notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung dar.
BGH, Beschl. v. 14. April 2005 - V ZB 5/05 - LG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. April 2005 durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Zoll und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 84. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 15. Dezember 2003 wird auf Kosten der Gläubiger zurückgewiesen.
Der Gegenstandwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 12.209,18 €.

Gründe:


I.


Der Schuldner ist Miteigentümer des Grundstücks S. in B. . Das Grundstück ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt. Der Miteigentumsanteil des Schuldners ist mit dem Sondereigentum an einer rund 146 qm großen Wohnung verbunden, die der Schuldner bewohnt. Am 25. August 2000 erwirkten die Gläubiger, die übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft , wegen Wohngeldrückständen einen Titel gegen den Schuldner über 5.181,79 DM zuzüglich 5% Zinsen seit dem 13. Juli 2000. Aufgrund des Titels beantragten sie am 23. September 2000 die Zwangsverwaltung des Wohnungseigentums des Schuldners. Mit am 19. Oktober 2000 zugestelltem Beschluß vom 12. Oktober 2000 ordnete das Amtsgericht die Zwangsverwaltung an und bestellte einen Zwangsverwalter.
Dieser forderte mit Schreiben vom 19. Oktober 2000 den Schuldner auf, etwaige Vermietungserlöse an ihn zu überweisen. Da der Schuldner die Wohnung selbst bewohnt, setzte der Zwangsverwalter den unentbehrlichen Wohnraum fest und verlangte mit Schreiben vom 18. April 2001 von dem Schuldner für die Nutzung von 100 qm Wohnung eine monatliche Zahlung von 1.400 DM. Die Aufforderung blieb ohne Erfolg. Zur Deckung der Kosten der Verwaltung verlangte und erhielt der Verwalter von den Gläubigern in der Folgezeit Vorschüsse in Höhe von insgesamt 12.146,80 €, die er im wesentlichen dazu verwandte , das auf die Wohnung des Schuldners entfallende Wohngeld von monatlich 774,27 DM für den Zeitraum seit dem 1. Oktober 2000 an die Eigentümergemeinschaft zu bezahlen.
Die Gläubiger haben die Festsetzung ihrer Vorschußzahlungen zuzüglich 62,38 € gerichtlicher Kosten des Zwangsverwaltungsverfahrens als Kosten der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubiger ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen sie den Festsetzungsantrag weiter.

II.


Das Landgericht führt aus, gem. § 788 Abs. 1 ZPO habe ein Schuldner nur die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen. Allein diese seien gem. §§ 788 Abs. 2, 103 Abs. 2 ZPO der Festsetzung zugänglich. Um derartige Kosten handele es sich bei den geltend gemachten Kosten nicht, zumal den Gläubigern bekannt gewesen sei, daß der Schuldner die Wohnung selbst bewohnt und die Zwangsverwaltung von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg geboten habe.
Dies hält der Rechtsbeschwerde stand.

III.


Das Beschwerdegericht hat die von den Gläubigern beantragte Festsetzung zu Recht abgelehnt. Nach § 788 ZPO sind Aufwendungen eines Gläubigers nur dann beitreibungs- und damit festsetzungsfähig, wenn es sich bei den Aufwendungen um Kosten der Zwangsvollstreckung handelt und diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Daran fehlt es.
1. Soweit die Gläubiger mit ihren Vorschußleistungen das Ziel verfolgt haben, in Höhe der Wohngeldforderungen der Eigentümergemeinschaft für den Zeitraum ab der Anordnung der Zwangsverwaltung bei einer Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums ein Befriedigungsrecht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu erwerben, ist schon zweifelhaft, ob die Zahlungen überhaupt Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO darstellen (verneinend Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rdn. 19). Auf keinen Fall jedoch sind sie notwendige Kosten der Zwangsvollsteckung, die der Schuldner zu erstatten hat.

a) Der Begriff der Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 ZPO ist in der juristischen Literatur umstritten. Die herrschende Meinung setzt sich für eine enge Auslegung der Vorschrift ein. Danach sind unter den Kosten der Zwangsvollstreckung nur solche Aufwendungen zu verstehen, die unmittelbar und konkret zum Zweck der Vorbereitung und Durchführung der Zwangsvollstreckung gemacht werden (MünchKomm-ZPO/Schmidt, 2. Aufl., § 788 Rdn. 10; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rdn. 2; Schuschke in Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 788 ZPO Rdn. 6; Stein/
Jonas/Münzberg, aaO, § 788 ZPO Rdn. 8 m.w.N.; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., S. 556). Demgegenüber vertritt eine andere Auffassung einen weitergehenden Kostenbegriff, nach dem sämtliche Aufwendungen des Gläubigers erfaßt sind, die anläßlich der Zwangsvollstrekkung entstanden oder kausal auf diese zurückzuführen sind (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 788 Rdn. 3; Johannsen, DGVZ 1989, 1, 10). Ungeachtet dieser Unterschiede stimmen beide Auffassungen darin überein, daß nur solche Aufwendungen Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788 Abs. 1 ZPO sind, deren Zweck darin besteht, die Befriedigung der titulierten Forderung zu erreichen (Johannsen, DGVZ 1989, 1, 3). Hieran fehlt es, soweit die Aufwendungen des Gläubigers Maßnahmen außerhalb des Titels zum Ziel haben (MünchKomm-ZPO/Schmidt, aaO, § 788 Rdn. 14; Musielak/Lackmann, aaO, § 788 Rdn. 5; Schuschke, aaO, § 788 Rdn. 7 a.E.).
Dem dürfte zuzustimmen sein. Mit § 788 ZPO soll dem Gläubiger ein vereinfachtes Verfahren zur Verfügung gestellt werden, um dessen Befriedigung auch hinsichtlich der Vollstreckungskosten zu ermöglichen. Die Vereinfachung besteht darin, daß der Gläubiger zur Durchsetzung der Vollstreckungskosten nicht darauf angewiesen ist, eine erneute Klage wegen eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs zu erheben (Rosenberg /Gaul/Schilken, aaO, S. 555). Die Vollstreckungskosten können vielmehr ohne größeren Aufwand entweder vom Vollstreckungsorgan "zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch" beigetrieben oder aber von dem Vollstreckungsgericht festgesetzt werden. Eine von dem Prozeßgericht zuvor zu treffende Kostengrundentscheidung fordert das Gesetz - anders als im Erkenntnisverfahren - nicht. Entscheidend hierfür ist, daß die Verpflichtung des Schuldners, die Vollstreckungskosten zu tragen, aus dem Veranlasserprin-
zip folgt. Danach hat der Schuldner die Vollstreckungskosten schon deshalb zu tragen, weil er durch die Nichterfüllung des titulierten Anspruchs die Entstehung dieser Kosten veranlaßt hat (MünchKomm-ZPO/Schmidt, aaO, § 788 ZPO Rdn. 1; Musielak/Lackmann, aaO, § 788 ZPO Rdn. 1; Stein/Jonas/Münzberg, aaO, § 788 ZPO Rdn. 4; Rosenberg/Gaul/Schilken, aaO, S. 555). Die Rechtfertigung hierfür ergibt sich aus der Weigerung des Schuldners, den vollstreckbaren Anspruch zu erfüllen. Der Titel in der Hauptsache stellt die Grundlage auch für die Festsetzung der Vollstreckungskosten dar (so bereits Hahn, Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1881, Begründung zu § 646 CPO; vgl. ferner Stöber, ZVG, 17. Aufl., Einl. Rdn. 40; Zöller/Stöber, aaO, § 788 ZPO Rdn. 18).
Daraus folgt indessen, daß die Beitreibung bzw. Festsetzung nach § 788 ZPO nur für solche Aufwendungen offen steht, die auf die Durchsetzung des titulierten Anspruchs gerichtet sind. Verhält es sich so nicht, greift das Veranlasserprinzip nicht ein. Maßgeblicher Anlaß für die Aufwendungen des Gläubigers ist in diesem Fall nicht die Weigerung des Schuldners, die titulierte Forderung zu erfüllen, sondern ein Verhalten des Schuldners außerhalb des Titelschuldverhältnisses. Damit aber sind die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren zum Ausgleich der Aufwendungen des Gläubigers gem. § 788 ZPO nicht erfüllt.

b) So liegt es, soweit die Gläubiger mit ihren Vorschußzahlungen, das Ziel verfolgt haben, für die laufenden, nicht titulierten Wohngeldforderungen in der Versteigerung des Wohnungseigentums die Rangklasse von § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG zu erreichen. Ob eine solche Sicherungsmöglichkeit tatsächlich besteht , wurde zum Zeitpunkt der Vorschußleistungen in der Rechtsprechung der
Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt (bejahend OLG Düsseldorf, ZMR 2003, 225; LG Frankfurt, NZM 1998, 635; LG Göttingen, Hamb. GE 2001, 335; LG Aachen, ZMR 2002, 156; ablehnend OLG Köln, Rpfleger 1998, 482; OLG Braunschweig, NZM 2002, 626; OLG Frankfurt, NZM 2002, 627; LG Mönchengladbach , Rpfleger 2000, 80; LG Augsburg, Rpfleger 2001, 92; LG Hamburg, ZMR 2001, 395). Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10. April 2003 (BGHZ 154, 387, 391) die Frage dahin entschieden, daß Leistungen des die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers nur dann Vorrang genießen, wenn diese sich im Einzelfall objekterhaltend oder -verbessernd ausgewirkt haben.

c) Andererseits zielen die Vorschußzahlungen auch darauf ab, die Zwangsverwaltung als Vollstreckungsmaßnahme überhaupt zu ermöglichen, weil diese sonst aufgehoben werden kann (§ 161 Abs. 3 ZVG). Ob sie deswegen nicht doch als Vollstreckungskosten anzusehen sind, kann jedoch offen bleiben, weil sie insoweit jedenfalls nicht notwendig waren.
2. Auch soweit die Gläubiger an den Zwangsverwalter Vorschüsse geleistet haben, die von dem Verwalter nicht zur Zahlung von Wohngeld an die Eigentümergemeinschaft verwendet worden sind, scheidet die Festsetzung gegen den Schuldner aus. Auch hier fehlt es an der Voraussetzung, daß der Aufwand der Gläubiger zur Vollstreckung gegen den Schuldner notwendig war, § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Notwendigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme ist nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme zu bestimmen. Entscheidend ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich
halten durfte (BGH, Beschl. v. 18. Juli 2003, IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581; Beschl. v. 10. Oktober 2003, IXa ZB 183/02, DGVZ 2004, 24 f.). Daran fehlt es, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme für den Gläubiger erkennbar aussichtslos ist. So verhält es sich insbesondere, wenn frühere Vollstrekkungsversuche fruchtlos verlaufen sind und keine Hinweise auf Änderungen in den Vermögensverhältnissen des Schuldners bestehen (Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rdn. 7; Schuschke, aaO, § 788 Rdn. 7; Stein/Jonas/ Münzberg, aaO, § 788 Rdn. 26; Zöller/Stöber, aaO, § 788 Rdn. 9a; jeweils m.w.N.).

a) Gemessen daran sind die von den Gläubigern geleisteten Vorschüsse nicht nach § 788 Abs. 2 ZPO festsetzungsfähig. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war den Gläubigern, als sie den Antrag auf Zwangsverwaltung stellten, bekannt, daß der Schuldner über kein Vermögen mit Ausnahme der von ihm bewohnten Wohnung verfügte und deren Vermietung nicht in Betracht kam. Damit war die Zwangsverwaltung von Anfang an nicht geeignet, zur Befriedigung der titulierten Forderung zu führen (Armbrüster WE 1999, 14, 19). Im Hinblick auf die Vorschußzahlungen der Gläubiger tritt hinzu, daß die erste Zahlung erbracht worden ist, nachdem ein anderweitiger Vollstreckungsversuch fruchtlos verlaufen war und die Gläubiger erfahren hatten, daß der Schuldner von Sozialhilfe lebt.

b) Entsprechendes gilt, soweit die Gläubiger die Festsetzung der gerichtlichen Kosten des Zwangsverwaltungsverfahrens gegen den Schuldner beantragen. Dieses Verfahren war von Anfang an offensichtlich nicht geeignet, zur Befriedigung der Gläubiger zu führen. Soweit der Zwangsverwalter später aufgrund der Größe der Wohnung angenommen hat, daß einzelne Räume für den Hausstand des Schuldners entbehrlich seien (§ 149 Abs. 1 ZVG) und der
Schuldner für die Nutzung dieser Räume Entgelt zu leisten habe, war ausgeschlossen , daß der Schuldner einem Zahlungsverlangen nachkommen würde. Die Annahme, ein Wohnungseigentümer, der monatlich 774,27 DM Wohngeld nicht zahlen kann, sei bereit und in der Lage, monatlich 1.400 DM als Entgelt für die Nutzung eines Teils seiner Wohnung an einen Zwangsverwalter zu bezahlen , ist durch nichts gerechtfertigt. Die Gläubiger berufen sich selbst auf einen Erfahrungssatz, nach welchem "die Nichtzahlung der laufenden Hausgelder damit einher (gehe), daß der Schuldner generell zahlungsunfähig" sei. Für die Möglichkeit, einzelne Räume zu vermieten, ist nichts ersichtlich. Derartiges haben die Gläubiger auch nicht behauptet.

III.


Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein
Zoll Stresemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 99/07
vom
13. März 2008
in dem Zwangsverwaltungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. März 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Gehörsrüge der Gläubigerin gegen den Beschluss des Senats vom 24. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Das als übergangen gerügte Vorbringen ist von dem Senat berücksichtigt worden. Ob der Schuldner das laufende Wohngeld nicht bezahlen kann oder ob er es nicht bezahlen will, ist für die Beantwortung der Frage ohne Bedeutung, ob das Ausbleiben der Zahlung den Bestand des Wohnungseigentums oder die Zwangsverwaltung gefährdet.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Idstein, Entscheidung vom 05.06.2007 - 41 L 14/05 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 01.08.2007 - 4 T 402/07 -

(1) Wohnt der Schuldner zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstück, so sind ihm die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen.

(2) Gefährdet der Schuldner oder ein Mitglied seines Hausstandes das Grundstück oder die Verwaltung, so hat auf Antrag das Gericht dem Schuldner die Räumung des Grundstücks aufzugeben.

(3) Bei der Zwangsverwaltung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks hat der Zwangsverwalter aus den Erträgnissen des Grundstücks oder aus deren Erlös dem Schuldner die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Befriedigung seiner und seiner Familie notwendigen Bedürfnisse erforderlich sind. Im Streitfall entscheidet das Vollstreckungsgericht nach Anhörung des Gläubigers, des Schuldners und des Zwangsverwalters. Der Beschluß unterliegt der sofortigen Beschwerde.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.