Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2010 - V ZB 29/10

bei uns veröffentlicht am22.07.2010
vorgehend
Amtsgericht Emden, 1 XIV 158/09 B, 18.11.2009
Landgericht Aurich, 1 T 539/09, 27.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 29/10
vom
22. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler bewilligt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der aus Guinea stammende Betroffene reiste 1997 in das Bundesgebiet ein. Er gab vor, Angehöriger des Staates Sierra Leone zu sein und keine Identitätspapiere zu besitzen. Der unter Angabe falscher Personalien gestellte Asylantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt und der Betroffene unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert. Die Abschiebung scheiterte indes an fehlenden Identitätspapieren. Der Aufenthalt des Betroffenen wurde zunächst geduldet. Im Januar 2005 tauchte er unter, wurde im November 2005 aufgegriffen und vorübergehend in Abschiebungshaft genommen. In der Folgezeit wirkte der Betroffene an der Passersatzpapierbeschaffung nicht mit und verhinderte so eine Abschiebung. Im Januar 2009 offenbarte er gegenüber dem Standesamt E. seine wahre Identität und legte seinen Nationalpass vor, weil er beabsichtigte, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten. Daraufhin wurde sein Aufenthalt geduldet, zuletzt befristet bis zum 28. Januar 2010. Am 3. November 2009 teilte das Standesamt mit, dass die Eheschließung in absehbarer Zeit mangels Überprüfbarkeit der Angaben des Betroffenen und der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht erfolgen könne.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 18. November 2009 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17. Februar 2010 angeordnet. Nach Eingang der sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht dem Landgericht die Akten ohne Abhilfeentscheidung vorgelegt. Der Betroffene wurde am 16. Dezember 2009 nach Guinea abgeschoben. Das nach der Abschiebung des Betroffenen in der Sache auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung gerichtete Rechtsmittel ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht sowie der Beschluss des Landgerichts und seine Inhaftierung bis zur Abschiebung rechtswidrig waren.

II.

3
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es hat die Absicht des Betroffenen, sich der Abschiebung zu entziehen, daraus abgeleitet, dass der Betroffene jahrelang unzutreffende Angaben zu seiner Identität gemacht habe, um eine Abschiebung zu verhindern. Mit der Aufdeckung seiner wahren Identität habe er nur den Zweck verfolgt, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten und auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Nachdem sich diese Hoffnung zerschlagen habe, sei mit Sicherheit anzunehmen, dass er sich der Abschiebung erneut entziehen werde.

III.

4
1. Mit der nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaften und auch im Übrigen grundsätzlich zulässigen (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde kann der Betroffene allein die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung erreichen. Soweit er mit seinem Antrag gesondert auch die Überprüfung der Haftanordnung durch das Amtsgericht erstrebt, ist das Rechtsmittel unzulässig. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei Erledigung der Hauptsache nach Erlass der Beschwerdeentscheidung neben dieser Entscheidung auch die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung Gegenstand des dann auf § 62 FamFG gestützten Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann (Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154; Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 22). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden hat. Im Rechtsbeschwerdeverfahren geht es dann allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist inzident allerdings auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen.
5
2. Soweit zulässig, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
6
a) Der Umstand, dass das Amtsgericht es an einem ordnungsgemäßen Abhilfeverfahren (§ 68 Abs. 1 FamFG) hat fehlen lassen, hat weder einen die Aufhebung rechtfertigenden Mangel des Beschwerde- noch des Ausgangsverfahrens zur Folge (Senat, Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 11, 23 m.w.N.).
7
Zur Rechtswidrigkeit der Beschwerdeentscheidung kann das Unterlassen einer (Nicht-)Abhilfeentscheidung allenfalls dann führen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf eine mögliche Abhilfe von entscheidungserheblichem Vortrag abgesehen hat (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 15. Juli 2010, V ZB 10/10, Um- druck S. 9 f.). Das macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend, und dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das Amtsgericht rügt, berührt dies - für sich genommen - nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschwerdeentscheidung. Insbesondere führt ein unterlassenes Abhilfeverfahren nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen. Das Beschwerdegericht tritt als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570). Seine Aufgabe ist es, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen. Eine unzureichende Sachaufklärung kann dort gerügt werden.
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch an der Tenorierung der Haftanordnung durch das Amtsgericht keinen Anstoß genommen.
9
aa) Das Amtsgericht hat die Freiheitsentziehung hinreichend bezeichnet (§ 421 Nr. 1 FamFG). Aus dem Tenor ergibt sich, dass es sich um eine Haft zur Sicherung der Abschiebung handelt. In Verbindung mit den heranzuziehenden Entscheidungsgründen (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 421 Rn. 2) und unter Berücksichtigung der Befristung auf drei Monate kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht ernsthaft erwogen werden, dass die sog. "kleine" Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gemeint sein könnte.
10
bb) Die unzutreffende Erwähnung von § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als Haftgrund wirkt sich im Ergebnis ebenfalls nicht aus. Denn das Landgericht hat - rechtsfehlerfrei - den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG herangezogen (s. sogleich unter d) und damit den Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens geheilt (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rn. 22 f.).
11
c) Die Haftanordnung hat den Betroffenen ferner nicht deswegen in seinen Rechten verletzt, weil sie aufgrund der bestehenden Duldung verfrüht und von daher unverhältnismäßig gewesen wäre.
12
aa) Die Duldung als zeitlich befristete Aussetzung der Abschiebung steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht schlechthin entgegen (vgl. BayObLGZ 1983, 138; OLG Dresden, Beschl. v. 17. Oktober 2007, 3 W 1159/07, juris, Rn. 4; OLG Frankfurt NJW 2004, 3050, 3051; OLG Hamm OLGZ 1977, 157, 159; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 68. Aktual. April 2010, § 62 AufenthG Rn. 23; im Ergebnis auch GK-AufenthG/Funke-Kaiser, Stand 43. Aktual. Juni 2010, § 60a Rn. 46; a.A. LG Freiburg, Beschl. v. 9. März 2004, 4 T 55/04, juris, Rn. 9).
13
Denn eine solche Duldung gibt dem Ausländer kein Recht zum Aufenthalt und lässt die Pflicht zur Ausreise unberührt (vgl. BayObLGZ 1983, 138, 142 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 43; Hailbronner, aaO, § 60a AufenthG Rn. 83; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 60a AufenthG Rn. 14). Sie stellt lediglich einen befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht dar (GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO; Hailbronner, aaO). Mit Rücksicht auf die Geltungsdauer einer Duldung besteht zwar stets Anlass zu der Prüfung, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, vgl. GKAufenthG /Funke-Kaiser, aaO und Rn. 47.1). Schon aufgrund der Befristung bis zum 28. Januar 2010 bestehen insoweit jedoch keine rechtlichen Bedenken.
14
bb) Die Anordnung der Sicherungshaft war auch erforderlich, ohne dass es zuvor eines förmlichen Widerrufs der Duldung (§§ 77 Abs. 1 AufenthG, 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) oder einer förmlichen Ankündigung des Vollzugs der Abschiebung nach § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG bedurfte. Bedenken könnten sich - worauf auch die Rechtsbeschwerde abhebt - mit Blick darauf ergeben, dass die Haft bereits mehr als zwei Monate vor dem Ablauf der erteilten Duldungsfrist angeordnet worden ist. Mit der als "Nebenbestimmung" bezeichneten und als auflösende Bedingung ausgestalteten Bestimmung, dass die Duldung auch mit dem Tag der Ankündigung der Abschiebung erlischt, hat die Beteiligte zu 2 indessen zu erkennen gegeben, dass die Vollziehung der Abschiebung jederzeit, mithin auch vor Ablauf der Duldungsfrist erfolgen kann. Jedenfalls mit dem Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft hat sie kundgetan, den Betroffenen nunmehr abzuschieben, nachdem das Standesamt mitgeteilt hatte, der Betroffene werde bis auf weiteres nicht heiraten können. Ob neben dem Widerruf (§ 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG eine auflösende Bedingung zulässig (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 2001, 272, 273 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 91) und die Bedingung "Ankündigung der Abschiebung" hinreichend bestimmt ist (vgl. VGH Mannheim, aaO, S. 274, GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, Rn. 93), mit der Folge, dass die erteilte Duldung ohnehin nicht mehr wirksam wäre, kann vorliegend daher offen bleiben.
15
d) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der angefochtenen Entscheidung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände , insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus , die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 202/09, Rn. 12, juris). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Betroffene hat durch unwahre Angaben zu seiner Identität und Herkunft über Jahre seinen Aufenthalt gesichert und alles daran gesetzt, seine Ausreise zu verhindern. Die getroffenen Feststellungen sind für den Senat nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 Abs. 2 ZPO bindend; Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf (§ 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG).
16
aa) Dass der Betroffene zum Zweck der Eheschließung nunmehr seine wahre Identität und Herkunft aufgedeckt hat, stellt die Wertung des Beschwerdegerichts nicht in Frage. Die tatrichterliche Schlussfolgerung unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschl. v. 10. Februar 2000, V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). So verhält es sich hier. Das Beschwerdegericht hat die angestrebte Eheschließung in den Blick genommen, diesem Umstand angesichts des - auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellten - Scheiterns gegenüber den massiven Verdachtsmomenten jedoch nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Voraussetzungen nach § 1309 Abs. 2 BGB für die Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses seien gegeben gewesen, verweist sie nicht auf Vortrag dazu in den Tatsacheninstanzen. Nicht zu folgen ist ihr auch insoweit, als sie davon ausgeht, das Beschwerdegericht oder das Amtsgericht hätten den Betroffenen über die Möglichkeit der Beantragung einer Befreiung nach § 1309 Abs. 2 BGB belehren müssen. Dies erfordert der Grundsatz der Amtsermittlung, ohne dass es - wie hier - im Vorbringen des Betroffenen dafür Anhaltspunkte gibt, nicht (vgl. auch Senat, Beschl. v. 10. Juni 2010, V ZB 204/09, Umdruck S. 15).
17
bb) Unbegründet ist daher auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe den Betroffenen zu der Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB persönlich anhören müssen. Eine persönliche Anhörung ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhör ung in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, aaO, Beschl. v. 8. April 2010, V ZB 51/10, Rn. 19, juris). So verhält es sich aber hier. Da der Betroffene zur Begründung seiner Beschwerde zunächst nur allgemein die Annahme des Haftgrundes beanstandet und auf die fortbestehende Duldung abgestellt hat, gab es keinen Anlass für eine Anhörung zu dem Zweck, dem Betroffenen die Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB nahe zu bringen. Vielmehr durfte das Beschwerdegericht zunächst von einer persönlichen Anhörung absehen und die - erst nach der erfolgten Abschiebung eingegangene - angekündigte Beschwerdebegründung abwarten.
18
cc) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 6 GG.
19
(1) Soweit sich der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Möglichkeit eines Befreiungsverfahrens nach § 1309 Abs. 2 BGB stützt, wendet er sich im Kern gegen die Abschiebung selbst. Damit kann er im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Es betrifft die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsverfügung , die nicht von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfen ist (vgl. nur Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50, 51).
20
(2) Der insoweit an die Entscheidung der Ausländerbehörde gebundene Haftrichter hat zwar ausnahmsweise Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG betreffen , etwa zur Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen, wenn verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist oder durch nachträglich eingetretene Umstände die Anordnung von Abschiebungshaft als Mittel der Sicherung unnötig wird (vgl. OLG Köln OLGR 2001, 279; OLG Brandenburg FGPrax 2002, 280, 281). So liegt es hier indessen nicht. Die Eheschließung war nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens auf absehbare Zeit nicht möglich und der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Betroffene hatte hinreichend Gelegenheit, im Hinblick auf seine beabsichtigte Eheschließung verwaltungsgerichtlichen Eilschutz zu beantragen. Der Betroffene macht zudem weder geltend, noch ist ersichtlich, dass die Freiheitsentziehung vor dem Hintergrund einer gelebten Partnerschaft unverhältnismäßig ist.
21
e) Die Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung, aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG).
22
aa) Der Haftrichter hat seine Prognose hierzu auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschl. v. 8. Juli 2010, V ZB 89/10, Umdruck S. 4 f.). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, aaO, S. 5). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken , die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können (Senat, aaO; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, Rn. 20, juris). Soweit die Ausländerbehörde konkrete Tatsachen hierzu nicht mitteilt, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG nachzufragen (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, aaO ).
23
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat sich mit § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG in seiner Entscheidung nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt. Die allgemeine Bezugnahme auf die Begründung des Amtsgerichts hilft über diese Auslassung nicht hinweg. Denn das Amtsgericht hat lediglich auf eine angebliche Mitteilung der Beteiligten zu 2 verwiesen, wonach die Abschiebung binnen drei Monaten möglich sei. Im Antrag der Beteiligten zu 2 wird jedoch nur auf die Mitteilungen des Auswärtigen Amtes und des Polizeipräsidiums Koblenz verwiesen, wonach Abschiebungen nach Guinea derzeit möglich seien. Dass die Abschiebung nach Haftanordnung unmittelbar eingeleitet würde, ist mangels genauer Darlegung ebenfalls wenig aussagekräftig.
24
cc) Diese Mängel haben sich hier aber nicht ausgewirkt. Der Ablauf der Geschehnisse lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass sich die Anordnung der Haft und deren Dauer unter Zugrundelegung einer sorgfältigen, alle Umstände berücksichtigenden Prognose als unangemessen erwiesen hätte. Der Betroffene ist innerhalb eines Monats seit seiner Inhaftierung abgeschoben worden. Das zeigt, dass das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) beachtet worden ist. Bedenkt man, dass das Ziel einer sorgfältigen Prog- nose darin besteht, die zu erwartenden Verfahrensabläufe möglichst genau zu erfassen, so kann aus den späteren Abläufen auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden. Eine solche Prognose hätte die Haft und deren Dauer gerechtfertigt.

IV.

25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Krüger Lemke Stresemann Richter am BGH Dr. Czub und Dr. Roth sind wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Emden, Entscheidung vom 18.11.2009 - 1 XIV 158/09 B -
LG Aurich, Entscheidung vom 27.01.2010 - 1 T 539/09 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2010 - V ZB 89/10

bei uns veröffentlicht am 08.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 89/10 vom 8. Juli 2010 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Ränts

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Juli 2010 - V ZB 10/10

bei uns veröffentlicht am 15.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 10/10 vom 15. Juli 2010 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die Richterin D

LGFREIB 4 T 55/04

bei uns veröffentlicht am 09.03.2004

Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 19.02.2004 (XIV 19/2004 A) aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten Ziffer 1 auf Anordnung von Abschiebungshaft wird zurückgewiesen. 2. Die B
55 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2010 - V ZB 29/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - V ZB 50/11

bei uns veröffentlicht am 14.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 50/11 vom 14. Juli 2011 in der Freiheitsentziehungssache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Ro

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - V ZB 75/11

bei uns veröffentlicht am 14.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 75/11 vom 14. Juli 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth u

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2011 - V ZB 178/11

bei uns veröffentlicht am 11.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 178/11 vom 11. August 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Czub und Dr. Roth und die Richt

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2011 - V ZB 133/11

bei uns veröffentlicht am 15.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 133/11 vom 15. September 2011 in der Abschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr.

Referenzen

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);
2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

22
3. Die Entscheidung des Amtsgerichts, die ebenfalls Gegenstand rechtlicher Nachprüfung durch den Senat ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/07, juris, Rdn. 14), hat den Betroffenen hingegen in seinen Rechten verletzt.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

22
3. Die Entscheidung des Amtsgerichts, die ebenfalls Gegenstand rechtlicher Nachprüfung durch den Senat ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/07, juris, Rdn. 14), hat den Betroffenen hingegen in seinen Rechten verletzt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 10/10
vom
15. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Betroffenen wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Dezem-ber 2009 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Anordnung der Haft über den 2. Dezember 2009 hinaus aufrechterhalten worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene ist nach ihren Angaben somalische Staatsangehörige. Aus Athen kommend reiste sie am 20. Oktober 2009 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein. Bei ihrer Ankunft auf dem Düsseldorfer Flughafen wies sie sich mit einem gefälschten nigerianischen Reisepass aus und legte ein gefälschtes Visum für die Schengenstaaten vor. Während der Befragung durch Beamte der Bundespolizei hat sie ein Asylbegehren geäußert.
2
Auf Antrag der Bundespolizei hat das Amtsgericht nach Anhörung der Betroffenen mit Beschluss vom 21. Oktober 2009 Zurückschiebungshaft für die Dauer von höchstens drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung angeordnet. Auf die Beschwerde, mit der der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen eine Begründung des Rechtsmittels nach erfolgter Akteneinsicht und Rücksprache mit der Betroffenen angekündigt hat, hat das Amtsgericht dem Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt, einer Begründung werde binnen zwei Wochen entgegen gesehen. Noch innerhalb dieser Frist hat der Verfahrensbevollmächtigte eine Begründung bis zum 2. Dezember 2009 angekündigt. Am 3. Dezember 2009 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Hiervon wurde der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen nicht benachrichtigt. Am 7. Dezember 2009 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen.
3
Noch vor der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts hatte die Betroffene um einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Sie hatte damit Erfolg und wurde einen Tag nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2009 aus der Haft entlassen. Unter dem 11. Dezember 2009 hat die Betroffene das Amtsgericht hiervon unterrichtet und beantragt, die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung festzustellen.
4
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Betroffene die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Oktober 2009 und der des Landgerichts vom 7. Dezember 2009 rechtswidrig waren. Hierzu macht sie insbesondere geltend, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe mit dem an das Amtsge- richt gesandten - aber nicht zu den Akten gelangten - Telefaxschreiben vom 2. Dezember 2009 unter Beifügung des an das Verwaltungsgericht gerichteten Eilantrages um Übersendung der bundespolizeilichen Akte gebeten und eine weitere Beschwerdebegründung angekündigt. Davon, dass das Schreiben nicht zu den Akten gelangt sei, das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen habe und die Sache bereits an das Landgericht abgegeben worden sei, habe sie erst nach Erlass der Beschwerdeentscheidung Kenntnis erlangt. Die beteiligte Bundespolizeidirektion (im Folgenden: Beteiligte zu 2) beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

5
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Haftanordnung sei nicht zu beanstanden. Aufgrund der unerlaubten Einreise sei die Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig. Es liege der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor. Nach § 14 Abs. 3 AsylVfG stehe der Asylantrag der Haft nicht entgegen. Unerheblich sei auch, dass einige Verwaltungsgerichte wegen der in Griechenland derzeit herrschenden Verhältnisse Abschiebungsmaßnahmen einstweilen ausgesetzt hätten. Dieser - den Verwaltungsgerichten obliegenden - Prüfung dürfe nicht vorgegriffen werden.

III.

6
1. Das Rechtsmittel ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen auch dann ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft, wenn sich die Hauptsache durch die Haftentlassung - wie hier - erledigt hat und mit dem Rechtsmittel nur noch das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG festzustel- len (vgl. nur Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Rdn. 9 ff., juris = InfAuslR 2010, 249, 250).
7
2. In der Sache ist das Rechtsmittel nur teilweise begründet.
8
a) Die mit Beschluss vom 21. Oktober 2009 getroffene Anordnung der Haft ist nicht zu beanstanden.
9
aa) Die Rüge der Betroffenen, sie sei zu keinem Zeitpunkt über ihr Recht belehrt worden, die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes nach Art. 36 Abs. 1b Satz 2 WÜK zu unterrichten, greift schon deshalb nicht durch, weil die Betroffene ausweislich des Ersuchens um Aufnahme zum Vollzug der Zurückschiebungshaft vom 21. Oktober 2009 (Abschnitt III Nr. 2) entsprechend belehrt worden ist. Entsprechendes ergibt sich aus den Protokollen über die Ingewahrsamnahme und die Beschuldigtenvernehmung vom 20. Oktober 2009. Dass sie von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht hat, beruht daher nicht auf einem grundlegenden Verfahrensmangel (dazu Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 223/09, Rdn. 18, juris), aufgrund dessen ohne weiteres die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen wäre. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, es sei nicht ersichtlich, dass die Betroffene die Belehrung trotz Übersetzung verstanden habe, verweist sie nicht auf Vortrag in den Tatsacheninstanzen , dass und aus welchen Gründen dies nicht der Fall gewesen sein könnte.
10
bb) Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, die Vorinstanzen hätten die Ausländerakte nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG beiziehen müssen, scheitert diese Verfahrensrüge jedenfalls daran, dass die Rechtsbeschwerde nicht aufzeigt, welche entscheidungserheblichen Tatsachen der Tatrichter der Ausländerakte hätte entnehmen müssen (vgl. auch Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, Rdn. 19 = InfAuslR 2010, 246, 248 f.).
11
cc) Die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung waren bei Erlass des Beschlusses vom 21. Oktober 2009 gegeben. Insbesondere war die Betroffene auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig (zur Prüfungspflicht des Haftrichters bei einer nicht bestandskräftigen, verwaltungsgerichtlich noch nicht überprüften und für sofort vollziehbar erklärten Zurückschiebungsverfügung nach § 57 Abs. 1 AufenthG vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, Rdn. 7, InfAuslR 2010, 50; Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Rdn. 15, juris, m.w.N.). Wie das Beschwerdegericht zutreffend und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet ausgeführt hat, lag auch der begründete Verdacht vor, die Betroffene werde sich einer Ab- oder Zurückschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG).
12
dd) Dass die Betroffene gegenüber der Beteiligten zu 2 bei der Ingewahrsamnahme um Asyl nachgesucht hat, stand nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG der Zurückschiebung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäschen Union die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht schon mit der Protokollierung des Asylersuchens durch die Grenzbehörde erworben wird, sondern erst mit der Stellung des Antrages bei dem zuständigen Bundesamt (vgl. Senat, BGHZ 153, 18, 20; Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Rdn. 17 ff., juris; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 213/09, Rdn. 9, juris). Er hat dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass der gegenteilige Rechtsstandpunkt nicht nur der bundesgesetzlichen Regelung in § 18 AsylVfG widerspricht, sondern auch nicht mit der europarechtlichen Vorschrift über das sog. Dringlichkeitsverfahren in Art. 17 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung) zu vereinbaren ist (Beschl. v. 25. Februar 2010, aaO). Hinzu kommt, dass nach der unzweideutigen Regelung des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-Verordnung ein Asylantrag erst dann als gestellt gilt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaates ein von dem Asylbewerber eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 213/09, aaO, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Rechtslage ist klar. Die von der Rechtsbeschwerde angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union scheidet damit aus (Senat, aaO; vgl. auch EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982, Rs 283/81 C.I.L.F., Slg 1982, 3415 Rdn. 16; Schmidt-Räntsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 23 Rdn. 31).
13
ee) Die Haftanordnung war auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Vorinstanzen verkannt haben, dass der Haftrichter bei der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG anzustellenden Prognose, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen muss. Wird solchen Eilanträgen - wie dies im Hinblick auf die Verhältnisse in Griechenland derzeit der Fall ist (vgl. Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Rdn. 25 f., juris, m.w.N.; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 213/09, Rdn. 15, juris) - regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, die Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen. Eine bereits angeordnete Haft ist auf die Beschwerde des Betroffenen nach § 426 FamFG aufzuheben (Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, Rdn. 24 ff., juris). Da das einem baldigen Vollzug des Zurückschiebungsbescheides entgegenstehende Hindernis nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG mit der dem Gericht zur Kenntnis gebrachten Antragstellung bei dem Verwaltungsgericht entsteht (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 213/09, Rdn. 15, juris), eine solche Mitteilung aber nach dem Vortrag der Betroffenen frühestens mit dem Faxschreiben vom 2. Dezember 2009 erfolgt ist, ist die Haftanordnung auch insoweit nicht zu beanstanden.
14
b) Ob die Aufrechterhaltung der Haft über den 2. Dezember 2009 hinaus unter dem zuletzt erörterten Gesichtspunkt rechtswidrig war, ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand offen.
15
aa) In diesem Zusammenhang rügt die Rechtsbeschwerde zunächst, das Faxschreiben vom 2. Dezember 2009 sei nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht erwogen worden. Von einem Verstoß gegen das Prozessgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG kann vorliegend jedoch nur ausgegangen werden, wenn das Faxschreiben bei Gericht eingegangen ist; ob es dem entscheidenden Richter vorgelegt wurde, ist dagegen unerheblich (vgl. BVerfG NJW 1998, 2044; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 44 Rdn. 38 m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG ist auch dann verletzt, wenn den Richter kein Verschulden an dem Verfahrensmangel trifft (BVerfGE 67, 199, 202). Sollte das Faxschreiben bei Gericht eingegangen sein, wäre die weitere Aufrechterhaltung der Haft nach der Senatsrechtsprechung daher rechtswidrig. Die notwendigen Feststellungen hierzu zu treffen, ist Sache des Tatrichters. Dieser wird - da Glaubhaftmachung insoweit nicht genügt - im Wege des Freibeweises zu klären haben, ob das Faxschreiben bei Gericht eingegangen ist. Die Beschwerdeentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen , damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 74 Abs. 5 u. 6 Satz 2 FamFG).
16
Bei der neuen Entscheidung wird das Beschwerdegericht zu berücksichtigen haben, dass die Einreichung eines bestimmten Schriftsatzes per Telefax nicht schon durch Vorlage des manipulierbaren Absendeprotokolls bewiesen wird. Entscheidendes Gewicht kommt vielmehr dem Status des Empfangsgerä- tes zu (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., vor § 230 Rdn. 2 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8. Mai 2007, VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045, 2046). Sollte dieses in dem fraglichen Zeitpunkt gestört gewesen sein, geht dies - auch wenn die Betroffene die Feststellungslast für das Vorliegen des von ihr gerügten Verfahrensfehlers trägt - nicht zu Lasten des Rechtssuchenden, weil Störungen in der Sphäre des Gerichts nicht auf den Bürger abgewälzt werden dürfen (BGHZ 105, 40, 44 f.; OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 355). Darüber hinaus wird das Beschwerdegericht auch den Umstand zu würdigen haben, dass es in der Verfügung des Amtsgerichts vom 3. Dezember 2009 u.a. heißt: "Nachricht an Ag.V, dass die Akte der Polizei hier nicht vorliegt." Da die Betroffene jedenfalls nach Aktenlage bis dahin Einsicht in die genannte Akte nicht beantragt hat, spricht dies dafür, dass das Telefax vom 2. Dezember 2009 nicht nur eingegangen, sondern sogar vorgelegt worden ist.
17
bb) Zudem rügt die Rechtsbeschwerde der Sache nach zu Recht, dass die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts der Betroffenen nicht mitgeteilt worden ist. Dieser Verfahrensfehler hindert zwar nicht die Durchführung des Beschwerdeverfahrens (Senat, Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, zur Veröffentlichung vorgesehen), führt aber bei Entscheidungserheblichkeit dazu, dass die Beschwerdeentscheidung keinen Bestand haben kann.
18
(1) Bei der Nichtabhilfeentscheidung handelt es sich nicht um eine gerichtsinterne Angelegenheit, sondern um eine echte Sachentscheidung, die in Beschlussform zu erlassen (OLG Stuttgart MDR 2003, 110, 111; OLG München Rpfleger 1990, 156, 157; Bassenge/Roth-Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 68, Rdn. 7; Keidel/Sternal, aaO, § 68 Rdn. 12) und den Beteiligten zumindest formlos bekannt zu geben ist (vgl. OLG München Rpfleger 1990, 156, 157; Bassenge /Roth-Gottwald, FamFG, aaO, § 68, Rdn. 8; Keidel/Sternal, aaO, § 68, Rdn. 12). Zwar kann dieser Verfahrensmangel durch das Beschwerdegericht dadurch geheilt werden, dass es die Beteiligten über die Nichtabhilfe unterrichtet (OLG München FGPrax 2008, 13) und insbesondere dem durch diese Entscheidung nachteilig Betroffenen zumindest dadurch Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme gibt, dass es mit der Beschwerdeentscheidung einen unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots (vgl. dazu Senat, BGHZ 133, 235, 239; Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, juris Rdn. 22) zu bemessenden angemessenen Zeitraum abwartet. Dem wird die Beschwerdeentscheidung aber nicht gerecht, weil das Beschwerdegericht bereits am Tage des Eingangs der Akten am 7. Dezember 2009 die Beschwerde zurückgewiesen hat.
19
(2) Die Beschwerdeentscheidung beruht auf diesem Verfahrensmangel, weil sich die Möglichkeit einer im Ergebnis abweichenden Entscheidung vorliegend nicht ausschließen lässt (zu dieser Voraussetzung vgl. nur BGH NJW 1990, 121, 122; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG [2009], § 72 Rdn. 20; Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 72, Rdn. 26). Hätte das Landgericht die Entscheidung über die Nichtabhilfe der Betroffenen mitgeteilt und mit der Beschwerdeentscheidung eine angemessene Zeit abgewartet, ist nicht auszuschließen, dass die Betroffene entsprechend ihrem Rügevorbringen, den Antrag auf einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz (ggf. erneut) vorgelegt und ab diesem Zeitpunkt § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG einer weiteren Aufrechterhaltung der Haft entgegen gestanden hätte. Auch insoweit unterliegt die Beschwerdeentscheidung daher der Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Den Zeitpunkt festzustellen, zu dem die Betroffene bei ordnungsgemäßer Verfahrensgestaltung den vor dem Verwaltungsgericht gestellten Eilantrag mitgeteilt hätte, obliegt ebenfalls dem Tatrichter.
20
c) Soweit die Rechtsbeschwerde schließlich rügt, auch das Beschwerdegericht hätte die Betroffene anhören müssen, ist daran zwar richtig, dass das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von einer eigenen Anhö- rung nur absehen darf, wenn durch eine erneute Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, Rdn. 13, juris). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verspricht jedoch allein der Umstand, dass die Betroffene nunmehr über anwaltlichen Beistand verfügt, keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Vielmehr obliegt es auch in solchen Konstellationen dem Betroffenen, Umstände aufzuzeigen, die neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse erwarten lassen. Daran fehlt es hier.

IV.

21
Im Hinblick auf die Kostenentscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass in Abschiebehaftsachen von der Erhebung der Dolmetscherkosten abzusehen ist (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, Rdn. 20, juris).

V.

22
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 128c Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Zugleich für RiBGH Dr. Klein, der wegen Urlaubs verhindert ist zu unterschreiben. Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.10.2009 - 150 XIV 123/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.12.2009 - 18 T 60/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 149/06
vom
8. März 2007
in der Abschiebehaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FreihEntzG § 3 Satz 2;
FGG § 25, 27

a) Der nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses gestellte Antrag auf Feststellung,
dass die Anordnung oder Verlängerung einer Abschiebehaft rechtswidrig war,
kann nicht auf Verfahrensfehler gestützt werden, die bis zu dem erledigenden Ereignis
geheilt wurden oder durch die Beschwerdeentscheidung geheilt worden wären.

b) Ein in der fehlenden örtlichen Zuständigkeit liegender Verfahrensfehler wird durch
eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts jedenfalls dann geheilt, wenn das
tätig gewordene und das zuständige Gericht zum Bezirk des Beschwerdegerichts
gehören.
BGH, Beschluss vom 8. März 2007 - V ZB 149/06 - OLG München
LG Nürnberg-Fürth
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. März 2007 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub

beschlossen:
Die Sache wird an das Oberlandesgericht München zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.

Gründe


I.


1
Der Betroffene wurde am 17. Oktober 2000 aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz mit zunächst unbefristeter Wirkung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Er reiste im Oktober 2003 freiwillig in die Türkei aus. Von dort betrieb er erfolglos die nachträgliche Befristung des Wiedereinreiseverbots. Zu einem nicht näher festgestellten Zeitraum reiste er ohne Erlaubnis mit einem gefälschten, auf andere Personalien lautenden türkischen Reisepass erneut in das Bundesgebiet ein, wo er am 30. Dezember 2005 festgenommen wurde.
2
Auf Antrag der beteiligten Ausländerbehörde ordnete das Amtsgericht Erlangen am 30. Dezember 2005 mit sofortiger Wirkung gegen den Betroffenen die Abschiebehaft zur Sicherung seiner Abschiebung bis längstens zum 30. März 2006 an, die in der Justizvollzugsanstalt N. vollzogen wurde. Das Amtsgericht Nürnberg hat am 28. März 2006 die Verlängerung der Abschiebehaft angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht am 22. Mai 2006 nach Anhördung des Betroffenen und seiner Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 23. Mai 2006 abgeschoben worden. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde beantragt er die Feststellung , dass die Verlängerung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht Nürnberg rechtswidrig war. Das vorlegende Oberlandesgericht möchte das Rechtsmittel zurückweisen. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28. Februar 2006 (InfAuslR 2006, 333) gehindert und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.


3
Die Vorlage ist nicht statthaft. Die Sache ist dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben
4
1. Der Bundesgerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG zwar an die Auffassung des vorlegenden Gerichts gebunden, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht entscheiden (Senat, BGHZ 99, 90, 92; Beschl. v. 22. Januar 2004, V ZB 51/03 NJW 2004, 937, 938, insoweit in BGHZ 157, 322, nicht abgedruckt). Auf der Grundlage des in dem Vorlagebeschluss mitgeteilten Sachverhalts und der darin zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falls prüft der Senat jedoch, ob eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die das vorlegende Gericht abweichend von der im Verfahren der weiteren Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen OLG oder von einer Entscheidung des BGH beantworten will, für die dieselbe Rechtsfrage ebenfalls erheblich war (Senat, BGHZ 156, 279, 284). Mithin können nur solche Entscheidungen herangezogen werden, die auf einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Dies setzt voraus, dass die strittige Rechtsfrage in der Entscheidung des anderen Gerichts erörtert und abweichend beantwortet wurde und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluss war (vgl. Senat, BGHZ 21, 234, 236; Beschl. v. 30. September 2004, V ZB 26/04, NJW 2004, 3339; Beschl. v. 29. September 2005, V ZB 107/05, NZM 2005, 952).
5
2. An einer solchen Divergenz fehlt es hier.
6
a) Das vorlegende Oberlandesgericht ist der Meinung, dass ein Verstoß des Amtsgerichts gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht zu der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer in der Sache zu Recht angeordneten Abschiebehaft oder Haftverlängerung führe. An einer entsprechenden Entscheidung sieht es sich durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28. Februar 2006 (InfAuslR 2006, 333) gehindert. Das ist nicht der Fall.
7
b) Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte zwar zu entscheiden, ob der Verstoß des Amtsgerichts gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nach Erledigung der Abschiebehaft zur Feststellung von deren Rechtswidrigkeit führt. Es hat diese Frage auch bejaht und den Zuständigkeitsmangel als nach Erledigung nicht heilbar angesehen. Zu diesem Ergebnis ist es aber deshalb gelangt, weil das bei der Haftverlängerung tätig gewordene Amtsgericht und das zuständige Amtsgericht in dem von ihm zu entscheidenden Fall nicht im selben Landgerichtsbezirk lagen und das für das tätig gewordene Amtsgericht als Beschwerdegericht zuständige Landgericht mangels örtlicher Zuständigkeit keine eigene Entscheidung treffen konnte (InfAuslR 2006, 333, 334).
8
c) Diese Besonderheit liegt hier aber gerade nicht vor. Sowohl das zuständige Amtsgericht Erlangen als auch das tätig gewordene Amtsgericht Nürnberg gehören nach Art. 4 Nr. 16 des bayerischen Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern (BayRS 300-2-2-J) zum Bezirk des Beschwerdegerichts. In einer solchen Konstellation führt ein Verstoß des Amtsgerichts gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht zur Rechtswidrigkeit der - in der Sache nicht zu beanstandenden - Haftanordnung oder -verlängerung.
9
d) Solche Verfahrensfehler rechtfertigen die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer sachlich gerechtfertigten Haftverlängerung nur, wenn sie bis zu dem erledigenden Ereignis nicht geheilt worden sind und auch nicht durch die Entscheidung über das gegebene Rechtsmittel geheilt worden wären. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag soll dem Betroffenen nämlich nur die Möglichkeit verschaffen, diesen Rechtsbehelf im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes und zur Wahrung seines Rehabilitierungsinteresses auszuschöpfen. Er soll ihm aber keinen zusätzlichen Rechtsschutz eröffnen, der ihm ohne die Erledigung nicht zustand. Hier hatte der Betroffene Beschwerde gegen die Haftverlängerung eingelegt und eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über diese Beschwerde erreicht. Durch die Abschiebung ist ihm die Möglichkeit entgangen, mit einer sofortigen weiteren Beschwerde die Aufhebung des Haftbefehls zu erreichen. Deshalb ist die Rechtswidrigkeit der Haftverlängerung nur festzustellen , wenn der Betroffene mit diesem Rechtsmittel eine Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und der Haftverlängerung hätte erreichen können. Dafür kommt es nach § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG nicht darauf an, ob dem Amtsgericht bei der Anordnung Verfahrensfehler unterlaufen sind, sondern darauf, ob das Beschwerdegericht aufgrund solcher Fehler die Haftverlängerung aus Rechtsgründen hätte aufheben müssen.
10
e) Das ist bei einem Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation, in der das zuständige und das tätig gewordene Amtsgericht zum Bezirk desselben Beschwerdegerichts gehören, nicht der Fall. Das Beschwerdegericht tritt nämlich in den Grenzen der Beschwerde als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts. Das hat zur Folge, dass Fehler des erstinstanzlichen Gerichts grundsätzlich nicht zur Aufhebung seiner Entscheidung und zu einer - in Fällen wie dem vorliegenden nicht mehr möglichen - Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht, sondern dazu führen, dass das Beschwerdegericht selbst die sachlich gebotene Entscheidung trifft. Zu einer solchen eigenen Sachentscheidung ist es auch dann berechtigt, wenn im Einzelfall im Hinblick auf einen Verfahrensfehler ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht (dazu: BayObLG NJW-RR 2002, 679, 680 und 1086; OLG Zweibrücken NJW-RR 1993, 649; KG OLGZ 1982, 394, 398; Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl. § 25 Rn. 11; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 25 Rdn. 8; Keidel /Kuntze/Winkler/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rdn. 21; von Schuckmann /Sonnenfeld/Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 25 Rdn. 23) gegeben sein sollten (BayObLG WE 1995, 32).
11
f) Hiervon geht auch das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem von dem vorlegenden Gericht angeführten Beschluss aus (InfAuslR 2006, 333, 334). Damit fehlt es an einer Divergenz.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Czub
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 22.05.2006 - 18 T 2729/06 -
OLG München, Entscheidung vom 19.09.2006 - 34 Wx 80/06 -

Die Beschlussformel zur Anordnung einer Freiheitsentziehung enthält auch

1.
die nähere Bezeichnung der Freiheitsentziehung sowie
2.
den Zeitpunkt, zu dem die Freiheitsentziehung endet.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 19.02.2004 (XIV 19/2004 A) aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten Ziffer 1 auf Anordnung von Abschiebungshaft wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte Ziffer 1 hat die vor dem Amtsgericht Emmendingen und im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen zu erstatten. 3. Das erst- und zweitinstanzliche Verfahren ist gerichtskostenfrei.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf EUR 3.000,-.

4. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

 
I. Gegen den Betroffenen wurde unter seinem Aliasnamen P. S. mit Verfügung der Stadt Ludwigshafen am Rhein vom 04.04.2003 die Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland verfügt.
Das unter dem Namen M. I. geführte Verfahren zur Anerkennung als Asylberechtigter wurde - rechtskräftig seit dem 21.11.2003 - durch Bescheid des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22.05.2003 durch Ablehnung des Asylantrages beendet. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung wurde angedroht.
Unter den Namen M. I. wurde dem Betroffenen durch Entscheidung der Stadt Emmendingen eine Duldung gem. § 55 AuslG gewährt (Verfügung vom 02.02.2004). Hiernach wurde die Abschiebung aus dem Geltungsbereich des AuslG ausgesetzt bis zum 01.05.2004. Angeordnet wurde des weiteren, dass die Duldung mit der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland erlischt. Sie erlischt auch mit der Bekanntgabe des Vorliegens eines Heimreisedokuments bzw. der Bekanntgabe einer Rückführungsmöglichkeit.
Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung Abschiebungshaft bis zum 18.05.2004 angeordnet und ausgeführt, dass die rechtsmissbräuchlich erschlichene Duldung vom 02.02.2004 kein Abschiebungshindernis darstelle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen, die dieser bislang nicht begründet hat.
Die Beteiligte Ziffer 1 hat auf telefonische Nachfrage dem Berichterstatter mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, die Duldung aufzuheben. Die Duldung stehe der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen.
II. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und begründet.
Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 AuslG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn einer der dort unter Nr. 1 bis 5 genannten Gründe vorliegt. Abschiebungshaft dient, wie sich dem Wortlaut des Gesetzes entnehmen lässt, der Sicherung der Abschiebung. Deshalb hat das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Abschiebungshaft in der Form der Sicherungshaft stets zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Abschiebung nach § 49 AuslG vorliegen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.02.2004 - 14 Wx 13/04).
Vorliegend dient die Anordnung der Abschiebungshaft nicht der Sicherung der Abschiebung. Dies ergibt sich daraus, dass die Beteiligte Ziffer 1 auf Nachfrage ausdrücklich mitgeteilt hat, dass die am 02.02.2004 bis zum 01.05.2004 ausgesprochene Duldung nicht aufgehoben wird. Diese Entscheidung der Verwaltungsbehörde bindet die Kammer, weil der Haftrichter der ordentlichen Gerichtsbarkeit an die Verwaltungsakte der Ausländerbehörde gebunden ist, es sei denn, diese erwiesen sich, wegen eines besonders schweren und offenkundigen Fehlers als nichtig (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.01.2003 - 14 Wx 73/02). Da die zuständige Verwaltungsbehörde entschieden hat, die Abschiebung des Betroffenen bis zum 01.05.2004 auszusetzen, mangelt es vorliegend an der für die Anordnung von Abschiebungshaft unabdingbaren Zielsetzung, die Abschiebung zu sichern.
10 
Überdies hat die Ausländerbehörde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit das Abschiebungsverfahren mit größtmöglicher Beschleunigung zu betreiben (vgl. OLG Köln, OLGR 2002,364). Vorliegend darf das Abschiebungsverfahren bis zum 1.5.2004 überhaupt nicht betrieben werden, weil die Verwaltungsbehörde an den durch die Duldung ausgesprochenen Verzicht auf die Abschiebung des Ausländers gebunden ist (vgl. Kloesel/Christ/Häuser, AuslG § 55 Rdnr. 9). Die Kammer hat nicht zu entscheiden, wie die Rechtslage wäre, wenn die Ausländerbehörde sich entschlossen hätte, die Duldung, die wohl erschlichen worden ist, zu widerrufen. An die Entschließung der Verwaltungsbehörde, dennoch die Duldung nicht zu widerrufen, ist die Kammer aus den dargelegten Gründen gebunden. Da das Abschiebungsverfahren aus Rechtsgründen bis zum 1.5.2004 nicht weiterbetrieben werden kann, ist es unverhältnismäßig, den Betroffenen über diesen Zeitraum in Haft zu halten.
11 
Nachdem die Beteiligte Ziffer 1 ersichtlich von vorneherein nicht vorhatte, die ausgesprochene Duldung zu widerrufen, lag ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vor (§ 16 FEVG).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die folgenden Verwaltungsakte bedürfen der Schriftform und sind mit Ausnahme der Nummer 5 mit einer Begründung zu versehen:

1.
der Verwaltungsakt,
a)
durch den ein Passersatz, ein Ausweisersatz oder ein Aufenthaltstitel versagt, räumlich oder zeitlich beschränkt oder mit Bedingungen und Auflagen versehen wird oder
b)
mit dem die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung zum Aufenthaltstitel versagt wird, sowie
2.
die Ausweisung,
3.
die Abschiebungsanordnung nach § 58a Absatz 1 Satz 1,
4.
die Androhung der Abschiebung,
5.
die Aussetzung der Abschiebung,
6.
Beschränkungen des Aufenthalts nach § 12 Absatz 4,
7.
die Anordnungen nach den §§ 47 und 56,
8.
die Rücknahme und der Widerruf von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz sowie
9.
die Entscheidung über die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11.
Einem Verwaltungsakt, mit dem ein Aufenthaltstitel versagt oder mit dem ein Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht wird, sowie der Entscheidung über einen Antrag auf Befristung nach § 11 Absatz 1 Satz 3 ist eine Erklärung beizufügen. Mit dieser Erklärung wird der Ausländer über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, und über die Stelle, bei der dieser Rechtsbehelf einzulegen ist, sowie über die einzuhaltende Frist belehrt; in anderen Fällen ist die vorgenannte Erklärung der Androhung der Abschiebung beizufügen.

(1a) Im Zusammenhang mit der Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte sind zusätzlich der aufnehmenden Niederlassung oder dem aufnehmenden Unternehmen schriftlich mitzuteilen

1.
die Versagung der Verlängerung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte,
2.
die Rücknahme oder der Widerruf einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte,
3.
die Versagung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder
4.
die Rücknahme oder der Widerruf eines Aufenthaltstitels zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte.
In der Mitteilung nach Satz 1 Nummer 1 und 2 sind auch die Gründe für die Entscheidung anzugeben.

(2) Die Versagung und die Beschränkung eines Visums und eines Passersatzes vor der Einreise bedürfen keiner Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung; die Versagung an der Grenze bedarf auch nicht der Schriftform. Formerfordernisse für die Versagung von Schengen-Visa richten sich nach der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(3) Dem Ausländer ist auf Antrag eine Übersetzung der Entscheidungsformel des Verwaltungsaktes, mit dem der Aufenthaltstitel versagt oder mit dem der Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht oder mit dem eine Befristungsentscheidung nach § 11 getroffen wird, und der Rechtsbehelfsbelehrung kostenfrei in einer Sprache zur Verfügung zu stellen, die der Ausländer versteht oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Besteht die Ausreisepflicht aus einem anderen Grund, ist Satz 1 auf die Androhung der Abschiebung sowie auf die Rechtsbehelfsbelehrung, die dieser nach Absatz 1 Satz 3 beizufügen ist, entsprechend anzuwenden. Die Übersetzung kann in mündlicher oder in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt werden. Eine Übersetzung muss dem Ausländer dann nicht vorgelegt werden, wenn er unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist ist oder auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist. In den Fällen des Satzes 4 erhält der Ausländer ein Standardformular mit Erläuterungen, die in mindestens fünf der am häufigsten verwendeten oder verstandenen Sprachen bereitgehalten werden. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn der Ausländer noch nicht eingereist oder bereits ausgereist ist.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

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b) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ZPO in der anzufechtenden Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, BGHZ 98, 109, 112 f.; OLG München OLGR 2005, 439; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 19 f.). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil der Betroffene durch wechselnde, falsche Angaben Behörden und Gerichte über seine Identität und Nationalität zu täuschen versucht hat, bei der Beschaffung der für seine Ausreise erforderlichen Ersatzpapiere nicht kooperiert und alles daran setzt, seine Abschiebung zu verhindern.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);
2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 5/00
vom
10. Februar 2000
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5; FGG § 27 Abs. 1
Die Feststellung eines begründeten Verdachts, der Ausländer wolle sich der Abschiebung
entziehen, ist eine auf der Grundlage relevanter Anknüpfungstatsachen
gezogene tatrichterliche Schlußfolgerung, die auf weitere Beschwerde nur einer
Rechtskontrolle dahin unterliegt, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen
eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen.
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2000 - V ZB 5/00 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Februar 2000 durch
die Richter Dr. Vogt, Tropf, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 22. Dezember 1999 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.

Gründe:

I.

Der Betroffene wurde am 28. November 1999 dem Bundesgrenzschutz überstellt, nachdem er ohne gültige Papiere aus dem Bundesgebiet in die Niederlande auszureisen versuchte. Nach seinen Angaben war er ca. eine Woche zuvor mit Hilfe eines Schleusers aus Indien über Moskau in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG bis längstens zum 28. Februar 2000 angeordnet. Mit Schreiben vom 9. Dezember 1999 stellte er aus der Haft heraus einen Asylantrag. Seine sofortige Beschwerde gegen die Abschiebehaft hat das Landgericht zurückgewiesen.
Der sofortigen weiteren Beschwerde des Betroffenen möchte das Oberlandesgericht Düsseldorf stattgeben. Es sieht sich daran jedoch durch den
Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30. April 1999 (InfAuslR 1999, 464) gehindert und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 5. Dezember 1999, zugestellt am 12. Januar 2000, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und die Abschiebung des Betroffenen angeordnet.

II.


Die Vorlage ist statthaft (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG). Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft , die sich allein auf § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG stützen lasse, komme nach einem aus der Haft gestellten Asylantrag nur dann in Betracht, wenn der Ausländer sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten habe (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG). Demgegenüber hat das Bayerische Oberste Landesgericht im genannten Beschluß die Auffassung vertreten, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts nach einer unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet stehe ein Asylantrag aus der Haft heraus der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG nicht entgegen. Von dieser Entscheidung will das vorlegende Gericht abweichen. Das trägt die Vorlage.

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG; § 103 Abs. 2 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG); sie bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Das vorlegende Oberlandesgericht verneint entgegen der Auffassung des Amts- und Landgerichts einen Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG. Diese Beurteilung ist für den Senat nur bindend, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Rede steht (vgl. BGHZ 7, 339, 341 und seither in st. Rspr.; Keidel/Kahl, FGG 14. Aufl. § 28 Rdn. 32 m.w.N.), sie hindert ihn jedoch nicht, den Fall bei der von ihm zu treffenden Sachentscheidung in jeder Richtung hin zu prüfen. Auf die Entscheidung der Vorlagefrage kommt es für das sachliche Ergebnis nicht an, weil das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß die Voraussetzungen eines Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG rechtsfehlerfrei bejaht hat und in diesem Fall ein aus der Haft heraus gestellter Asylantrag der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nicht entgegensteht (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG). § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG rechtfertigt die Sicherungshaft, wenn "der begründete Verdacht besteht, daß der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will". Richtig ist der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, daß dieser Haftgrund die Feststellung konkreter Umstände voraussetzt, die einen solchen Verdacht zu rechtfertigen vermögen, mithin allgemeine Vermutungen nicht genügen. Andererseits geht es allein um den aus konkreten äußeren Umständen des Einzelfalles zu begründenden Verdacht auf einen Entziehungswillen. Die-
ser ergibt sich immer nur aus einer Schlußfolgerung, die zunächst dem Tatrichter obliegt und die im Rahmen einer weiteren Beschwerde nur einer Rechtskontrolle unterliegt (§ 27 Abs. 1 FGG). Zu Unrecht vermißt das Oberlandesgericht die Feststellung konkreter einzelfallbezogener Umstände. Amtsund Landgericht haben vielmehr eine Reihe von Anhaltspunkten festgestellt und das Verhalten des Betroffenen insgesamt gewürdigt. Danach ist der Betroffene mit Hilfe eines Schleusers in die Bundesrepublik eingereist. Nach allgemeiner Erfahrung werden solche Dienste nur gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge geleistet (auch der Betroffene räumt solche Zahlungen ein, will deren Höhe aber nicht wissen), die der Betroffene nicht vergeblich aufgewendet haben will, wie es bei einer Abschiebung der Fall wäre. Er hat ohne Meldung bei Behörden der Bundesrepublik versucht, in die Niederlande auszureisen , um - wie er selbst angegeben hat - in einer großen Stadt wie Rotterdam "irgendwie unterzukommen". Soweit das Oberlandesgericht meint, dies könne den erforderlichen Verdacht nur rechtfertigen, wenn er es vor dem Hintergrund einer angedrohten Abschiebung getan hätte, verlangt es rechtsirrtümlich im Ergebnis die Voraussetzung eines besonderen anderen Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AuslG, bei dem sich der Betroffene einer Abschiebung schon entzogen haben muß. Über Ausweispapiere verfügt der Betroffene nicht und hat zudem versucht , insoweit die Behörden zu täuschen, indem er zunächst angab, der Schleuser habe ihm seinen Paß abgenommen. Er hat weder soziale Bindungen , noch verfügt er über finanzielle Mittel. Diese Feststellungen über äußere Umstände und das Verhalten des Betroffenen zieht die weitere Beschwerde nicht in Zweifel, sie macht lediglich pauschal geltend, der Verdacht nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG werde
"unzutreffend" angenommen und "nicht ausreichend begründet". Mit der Rechtsbeschwerde kann aber nicht geltend gemacht werden, die Folgerungen des Tatrichters seien nicht zwingend oder eine andere Schlußfolgerung liege ebenso nahe (vgl. Keidel/Kahl, FGG, aaO § 27 Rdn. 42 m.w.N.). Die Feststellung des Tatrichters ist vielmehr rechtsfehlerfrei, wenn sie - wie hier - vom richtigen rechtlichen Ausgangspunkt aus auf der Grundlage bestimmter Tatsachen als möglich erscheint. Danach vermag der Senat einen Rechtsfehler nicht erkennen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei auch, daß es sich um eine Gesamtwürdigung handelt, so daß offen bleiben kann, ob nur einzelne der oben angeführten Tatsachen für sich genommen ebenfalls den Verdacht auf einen Entziehungswillen rechtfertigen könnten (vgl. dazu auch die Zusammenstellung Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. § 57 AuslG Rdn. 19 und 20 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14, 16 FreihEntzG.
Vogt Tropf Schneider Krüger Klein

(1) Wer hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung vorbehaltlich des Artikels 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ausländischem Recht unterliegt, soll eine Ehe nicht eingehen, bevor er ein Zeugnis der inneren Behörde seines Heimatstaats darüber beigebracht hat, dass der Eheschließung nach dem Recht dieses Staates kein Ehehindernis entgegensteht. Als Zeugnis der inneren Behörde gilt auch eine Urkunde im Sinne von Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 200 vom 26.7.2016, S. 1) sowie eine Bescheinigung, die von einer anderen Stelle nach Maßgabe eines mit dem Heimatstaat des Betroffenen geschlossenen Vertrags erteilt ist. Das Zeugnis verliert seine Kraft, wenn die Ehe nicht binnen sechs Monaten seit der Ausstellung geschlossen wird; ist in dem Zeugnis eine kürzere Geltungsdauer angegeben, ist diese maßgebend.

(2) Von dem Erfordernis nach Absatz 1 Satz 1 kann der Präsident des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk das Standesamt, bei dem die Eheschließung angemeldet worden ist, seinen Sitz hat, Befreiung erteilen. Die Befreiung soll nur Staatenlosen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland und Angehörigen solcher Staaten erteilt werden, deren Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse im Sinne des Absatzes 1 ausstellen. In besonderen Fällen darf sie auch Angehörigen anderer Staaten erteilt werden. Die Befreiung gilt nur für die Dauer von sechs Monaten.

(3) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 204/09
vom
10. Juni 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Gerichtliche Entscheidungen, die eine Abschiebehaft anordnen, bestätigen oder
verlängern, sind nicht allein deshalb aufzuheben, weil sie ohne Beiziehung der
Ausländerakte ergangen sind.

b) Die unterlassene Beiziehung der Ausländerakte kann sich jedoch als eine Verletzung
der besonderen Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamfG) in Freiheitsentziehungssachen
darstellen.
BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09 - LG Bonn
AG Siegburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 6. November 2009 bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 6. November 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene reiste am 23. April 2007 ohne gültigen Pass und unter Umgehung der Einreise- und Visumsbestimmungen in das Bundesgebiet ein.
Ein von ihm gestellter Asylantrag wurde am 6. November 2007 abgelehnt, die Androhung der Abschiebung ist seit dem 21. November 2007 vollziehbar. Er reiste jedoch nicht aus, sondern tauchte im Mai 2008 im Bundesgebiet unter und wurde von der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern zur Festnahme ausgeschrieben. Am 22. September 2009 wurde er anlässlich einer Kontrolle des Hauptzollamts in einer Pizzeria in Sankt Augustin arbeitend angetroffen und festgenommen.
2
Auf Antrag der Ausländerbehörde am Aufgriffsort (Beteiligte zu 2) hat das Amtsgericht am 23. September 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der - am 1. Februar 2010 aus der Haft entlassene - Betroffene festzustellen, dass die Anordnung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht und die Inhaftierung des Betroffenen rechtswidrig waren.

II.

3
Das Beschwerdegericht hält die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG für gegeben. Die Regelung in § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG stehe der Inhaftierung des Betroffenen nicht entgegen. Aus den Angaben der für die Abschiebung zuständigen Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld ergebe sich, dass eine Abschiebung nach Indien innerhalb von drei Monaten erfolgen könne. Die Vorführung des Betroffenen bei der indischen Botschaft sei für die kommende (46.) Kalenderwoche vorgesehen, was darauf schließen lasse, dass das Abschiebungsverfahren zügig betrieben werde.

III.

4
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist ungeachtet der Erledigung der Hauptsache durch den Ablauf der angeordneten Haftdauer statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die Rechtsbeschwerde bleibt zulassungsfrei, da sie sich weiterhin gegen einen Beschluss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet worden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris

).

6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit der Betroffene die Feststellung erstrebt, dass die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde ihn in seinen Rechten verletzt hat (§ 72 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 62 Abs. 1 FamFG).
7
a) Ohne Erfolg macht der Rechtsbeschwerdeführer allerdings geltend, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts schon wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) rechtswidrig sei. Gerichtliche Entscheidungen, die eine Abschiebehaft anordnen , bestätigen oder verlängern, sind in einem Rechtsmittelverfahren nicht allein deshalb aufzuheben, weil sie ohne Beiziehung der Ausländerakte ergangen sind.
8
Gegen einen derartigen Aufhebungsgrund spricht bereits der Umstand, dass die Verpflichtung der Behörde zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) als Sollvorschrift bestimmt worden ist. Damit sollte klargestellt sein, dass die Aktenvorlage nicht eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Haftantrags ist (Beschlussempfehlung zum FamFG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299).
9
Aus demselben Grund kann auch die Beiziehung der Akten durch das Gericht nicht als eine in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung angesehen werden. Es liefe nämlich dem mit der Bestimmung der Aktenvorlage durch die Behörde als Sollvorschrift verfolgten Zweck zuwider, wenn bei einer für die Entscheidung über den Haftantrag eindeutigen Tatsachengrundlage die Behörde zwar von der Übersendung der Ausländerakte absehen dürfte, das Gericht gleichwohl aber deren Vorlage anordnen müsste, um seiner Verpflichtung zu eigenständiger Ermittlung der Voraussetzungen der Haftanordnung zu genügen.
10
b) Die - auf die Nichtvorlage der Ausländerakte gestützte - Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) durch das Beschwerdegericht ist im Ergebnis dennoch begründet. Das Beschwerdegericht hat nicht alle Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung verfahrensfehlerfrei festgestellt.
11
aa) Zutreffend bejaht hat das Beschwerdegericht die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG, weil die dem Betroffenen gesetzte Ausreisepflicht abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde seine Anschrift anzugeben, und weil infolge seines Untertauchens der begründete Verdacht besteht, er wolle sich der Abschiebung entziehen. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
12
bb) Im Ergebnis mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Haft nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig sei, weil nicht feststehe, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne.
13
(1) Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts allerdings, soweit sie sich auf die Anordnung der Sicherungshaft bezieht.
14
(a) Das Beschwerdegericht hat die notwendige, vom Amtsgericht unterlassene Prognose nachgeholt, das übersehen hatte, dass für die Anordnung von Sicherungshaft nur Raum ist, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht getroffen werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 17, juris).
15
(b) Die Prognose des Beschwerdegerichts, dass bei Anordnung der Haft eine Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten nicht unmöglich erschienen habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Beschwerdegericht durfte sich hierzu auf die bundesweite Fallsammlung der Zentralen Ausländerbehörden über die Ausstellung von Personalersatzpapieren durch das indische Generalkonsulat oder die indische Botschaft stützen, wonach im Jahr 2009 in Einzelfällen eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden konnte. Dass es sich hierbei um nur wenige Fälle handelt, ist unschädlich, da die Haftanordnung nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur zu unterbleiben hat, wenn feststeht, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten nicht möglich sein wird (vgl. OLG Hamm JMBl NRW 2007, 177, 178).
16
Die Prognose des Beschwerdegerichts beruht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar enthalten die Gründe des angefochtenen Beschlusses keine Auseinandersetzung mit dem Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt Bielefeld vom 6. März 2008, welches der Betroffene vorgelegt hat und in dem es heißt, dass die Passersatzpapierbeschaffung für einen näher bezeichneten indischen Staatsangehörigen etwa sechs Monate in Anspruch nehmen werde. Da ein Gericht nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, folgt hieraus für sich genommen keine Verlet- zung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine solche kann erst festgestellt werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung jedenfalls nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG NJW-RR 1995, 1033, 1034). Hieran fehlt es. Insbesondere lässt die Feststellung in dem angefochtenen Beschluss, die statistische Auswertung von Abschiebefällen der Zentralen Ausländerbehörden Köln und Bielefeld sei unwidersprochen geblieben , nicht den Schluss zu, dass das Gericht das Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld vom 6. März 2008 unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hat. Da es nicht den der Prognose zugrunde gelegten Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 betrifft, ist vielmehr davon auszugehen, dass es von dem Beschwerdegericht zwar zur Kenntnis genommen , aber - ebenso wie die von dem Betroffenen vorgelegten Gerichtsentscheidungen - als nicht aussagekräftig angesehen worden ist, weil es nicht aus jüngster Zeit stammt.
17
(2) Verfahrensfehlerhaft ist die Entscheidung jedoch, soweit das Beschwerdegericht an der Prognose auch nach den im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Umständen festgehalten hat.
18
(a) Ob die Abschiebung des Ausländers innerhalb des Zeitraumes von drei Monaten durchgeführt werden kann, ist auch nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde zu beurteilen. Ein die Freiheitsentziehung anordnender Beschluss ist nämlich in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen darauf zu untersuchen, ob der Grund für die Freiheitsentziehung entfallen ist (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG sowie Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 27). Vor der Zurückweisung einer Beschwerde, die sich gegen eine Sicherungshaftanordnung richtet, müssen deshalb die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unter Berück- sichtigung des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des Abschiebungsverfahrens erneut geprüft werden. Erscheint eine Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht mehr innerhalb von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der Sicherungshaft) möglich, darf die Haft nicht aufrechterhalten werden.
19
(b) Das hat das Beschwerdegericht zwar im Ansatz erkannt. Seine Annahme , es stehe derzeit nicht fest, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne, ist angesichts der getroffenen Feststellungen aber nicht nachvollziehbar und damit rechtsfehlerhaft. Nachdem bis zu der (geplanten) Vorführung des Betroffenen bei der indischen Botschaft sieben Wochen vergangen waren, konnte das Beschwerdegericht ohne nähere Sachaufklärung (§ 26 FamFG) nicht annehmen, dass es innerhalb der verbleibenden Zeit von etwa sechs Wochen zu der Ausstellung von Passersatzpapieren kommen würde. Wenn das Verfahren von der Ausländerbehörde tatsächlich zügig betrieben worden ist, wäre die lange Zeitspanne von der Inhaftierung des Betroffenen bis zu seiner Vorführung auf Unzulänglichkeiten bei der indischen Botschaft zurückzuführen. Sie ließe dann erwarten, dass auch die von der Botschaft zu veranlassende Ausstellung der Passersatzpapiere wochenlang dauern und nicht rechtzeitig vor Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erfolgen würde. Das Beschwerdegericht war deshalb gehalten aufzuklären, ob angesichts der bereits verstrichenen Zeit im konkreten Fall noch Aussicht bestand , die Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 durchzuführen; sofern dies aus von dem Betroffenen nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich erschien, hätte es ihn aus der Haft entlassen müssen.
20
cc) Rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme , die sieben Wochen nach der Inhaftierung vorgesehene Vorführung des Betroffenen bei der Botschaft lasse darauf schließen, dass das Abschiebeverfahren zügig betrieben werde.
21
(1) Das Beschwerdegericht hat sich zu vergewissern, ob die Abschiebung zügig durchgeführt wird. Auf Grund der Zweckbindung der Abschiebehaft, die nach § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise und zu keinem anderen Zweck angeordnet werden darf, muss die Freiheitsentziehung zu jedem Zeitpunkt ihrer Dauer von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein (BVerfG NVwZ 2007, 1296, 1297). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) verpflichtet die die Abschiebung betreibende Ausländerbehörde zudem dazu, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die für die Abschiebung erforderlichen Passersatzpapiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebehaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239). Das Beschwerdegericht darf deshalb die Sicherungshaft nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit , mit der größtmöglichen Beschleunigung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, juris, Rdn. 9; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 306).
22
Daran ändert sich nichts, wenn der Betroffene seine Mitwirkung im Verfahren verweigert. Die Ausländerbehörde ist dann gehalten, die Reisedokumente entweder ohne dessen Mitwirkung zu erlangen oder diese mit den gemäß der Rechtsordnung hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln zu erzwingen (BayObLG , Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, aaO). Dazu gehört die Abschiebehaft jedoch nicht, da sie sonst entgegen ihrer allein wesenseigenen Sicherungsfunktion zu einer Beugehaft mit repressivem Charakter würde, und als solche weder angeordnet noch aufrechterhalten werden darf (BayObLG, Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, aaO; OLG Saarbrücken NVwZ 1997, Beilage Nr. 1, 3; OLG Dresden OLG-NL 2001, 189, 190; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 305).
23
(2) Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Abschiebungsverfahren dem Zweck der Haft entsprechend mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden ist.
24
(a) Die entgegenstehende Wertung des Beschwerdegerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie beruht allein auf dem kurz vor der Entscheidung eingegangenen Schreiben der Beteiligten zu 2 an das Beschwerdegericht, in dem der Vorführungstermin in der Botschaft mitgeteilt und über einen erforderlichen angemessenen "Einwirkungszeitraum" für die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde berichtet worden ist, um im Sinne einer "Ausreiseberatung" erfolgreich zu sein. Der Inhalt der Mitteilung der Beteiligten zu 2 trägt die Annahme einer zügigen Durchführung der Abschiebung nicht, sondern gibt eher Anlass, an einem dem Zweck der Abschiebehaft entsprechenden Vorgehen der Behörden zu zweifeln.
25
(b) Vor allem aber durfte das Beschwerdegericht seine Auffassung nicht allein auf diese Mitteilung stützten. Die Rechtsbeschwerde sieht darin zu Recht eine Verletzung der durch Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG bestimmten Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamFG).
26
Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, müssen nämlich auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfGE 58, 208, 222; 70, 297, 308; NJW 1998, 1774, 1775; InfAuslR 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2662). Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat der Richter die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu übernehmen (BVerfGE 10, 302, 310; 83, 24, 33). Dazu muss er selbst die Tatsachen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen (BVerfGE 83, 24, 33), wofür in Abschiebehaftsachen in der Regel die Beiziehung der Ausländerakte erforderlich ist (BVerfG InfAuslR 2008, 358, 360; NVwZ 2008, 304, 305; NJW 2009, 2659, 2662).
27
Ein geeignetes Mittel des Gerichts, sich über die Maßnahmen der Behörde kundig zu machen, wäre auch hier die Beiziehung der Akten gewesen. Von deren Vorlage kann zwar abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen der Akte vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, Rdn. 19, juris). Davon kann hier keine Rede sein, weil die Beteiligte zu 2 nicht vorgetragen hat, was sie in den sieben Wochen seit der Inhaftierung des Betroffenen zur Durchführung der Abschiebung unternommen hat.
28
3. Der Senat kann über den Feststellungsantrag nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Beurteilung, ob der Vollzug und die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, weitere Sachverhaltsermittlungen erfordert. Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).

IV.

29
Die Rechtsbeschwerde ist dagegen unbegründet, soweit mit ihr die Feststellung beantragt wird, dass schon die Haftanordnung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
30
Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde allerdings auch hier einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG).
31
1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts genügte insgesamt nicht dem sich aus Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG ergebenden Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung. Dem die Haft anordnenden Beschluss ist zu den Grundlagen der Sachverhaltsfeststellung und der richterlichen Überzeugungsbildung überhaupt nichts zu entnehmen, obwohl die Tatsachengrundlage nicht eindeutig war.
32
Einzige Grundlage für die Haftanordnung war der Antrag der Beteiligten zu 2, der sich in einer schlagwortartigen, allgemeinen Schilderung des Sachverhalts und der Bitte an das Amtsgericht, die beantragte Haft zur Sicherstellung der Abschiebung für drei Monate anzuordnen, erschöpfte, verbunden mit Hinweisen auf eine Erklärung der Zentralen Ausländerbehörde zur Beschaffbarkeit eines Passersatzpapieres in diesem Zeitraum und das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 AufenthG. Die Ausländerakte war entgegen der Sollvorschrift in § 417 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ohne Angabe von Gründen von der Behörde nicht vorgelegt und von dem Gericht auch nicht beigezogen worden. Dasselbe gilt für die in dem Haftantrag zitierte Ausschreibung zur Festnahme (§ 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG), die nicht durch die Beteiligte zu 2, sondern durch die für den bisherigen Aufenthaltsort des Betroffenen örtlich zuständige Ausländerbehörde erfolgt war (zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden: Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 194/09, Rdn. 12 ff., juris). Der Betroffene hat das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag auch nicht dadurch bestätigt, dass er im Anhörungstermin geschwiegen hat.
33
Dringende Verdachtsgründe für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Freiheitsentziehung sowie ein Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts, die sich aus den Angaben der Beteiligten zu 2 in ihrem Haftantrag ergaben, hätten zwar eine einstweilige Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamfG zugelassen, rechtfertigten aber nicht die Haftanordnung für drei Monate, die eine richterliche Gewissheit von dem Vorliegen der Haftgründe erfordert (vgl. Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 194/09, Rdn. 24, juris).
34
2. Der darin liegende Verfahrensfehler des Amtsgerichts rechtfertigt jedoch nicht die beantragte Feststellung des Betroffenen, durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
35
a) Allerdings kann die allein auf einem Verfahrensfehler beruhende Anordnung der Haft den Betroffenen in seinen Rechten verletzen, selbst wenn der Verfahrensfehler später behoben wird und sich die Anordnung danach als in der Sache richtig darstellt. Voraussetzung dafür ist jedoch ein grundlegender Verfahrensfehler , der - wie das Unterlassen der nach § 420 Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen persönlichen Anordnung - einer gleichwohl angeordneten Haft zur Sicherung der Abschiebung den Makel der rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt, und der auch durch die Nachholung der Maßnahme nicht mehr zu tilgen ist (BVerfG InfAuslR 2006, 462, 464; Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, Rdn. 12, 16, juris). Ein solcher Verstoß gegen die Anhörungspflicht liegt hier jedoch nicht vor.
36
b) Bei anderen Verfahrensmängeln muss der Betroffene dagegen eine bis zu dem erledigenden Ereignis tatsächlich erfolgte Heilung - insbesondere in einem Beschwerdeverfahren - hinnehmen (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 23, juris; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 22). Das Verfahrensergebnis ist für ihn dann kein anderes, als wenn bereits das Amtsgericht das Verfahren fehlerfrei durchgeführt hätte (Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 23, juris; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 23).
37
So ist es hier. Der Mangel des amtsgerichtlichen Verfahrens ist durch die von dem Beschwerdegericht nachgeholte Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG geheilt worden (dazu oben III.2.b) bb) (1)). Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der amtsgerichtlichen Haftanordnung bedurfte es hier - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - weiterer Ermittlungen angesichts des Umstands nicht mehr, dass der im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertretene Betroffene ausdrücklich den Haftgrund zugestanden und seine Angriffe auf die Unverhältnismäßigkeit der Haftanordnung mit dem Hinweis darauf beschränkt hatte, dass eine Abschiebung nach Indien innerhalb der Frist von drei Monaten nicht durchführbar sei.
38
Vor dem Hintergrund des Vorbringens des Betroffenen in der Beschwerdebegründung durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass die die Haftanordnung begründenden Feststellungen den Tatsachen entsprachen. Das Beschwerdegericht muss nämlich nicht allen denkbaren Möglichkeiten nachgehen. Seine Pflicht zur Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen geht nur so weit, wie das Vorbringen der Beteiligten zu weiteren Erkundigungen Anlass gibt (vgl. OLG München, Beschl. v. 8. Oktober 2009, 34 Wx 64/09, juris, Rz. 24). Krüger Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 23.09.2009 - 241 XIV 16/09 B -
LG Bonn, Entscheidung vom 06.11.2009 - 4 T 454/09 -

(1) Wer hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung vorbehaltlich des Artikels 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ausländischem Recht unterliegt, soll eine Ehe nicht eingehen, bevor er ein Zeugnis der inneren Behörde seines Heimatstaats darüber beigebracht hat, dass der Eheschließung nach dem Recht dieses Staates kein Ehehindernis entgegensteht. Als Zeugnis der inneren Behörde gilt auch eine Urkunde im Sinne von Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 200 vom 26.7.2016, S. 1) sowie eine Bescheinigung, die von einer anderen Stelle nach Maßgabe eines mit dem Heimatstaat des Betroffenen geschlossenen Vertrags erteilt ist. Das Zeugnis verliert seine Kraft, wenn die Ehe nicht binnen sechs Monaten seit der Ausstellung geschlossen wird; ist in dem Zeugnis eine kürzere Geltungsdauer angegeben, ist diese maßgebend.

(2) Von dem Erfordernis nach Absatz 1 Satz 1 kann der Präsident des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk das Standesamt, bei dem die Eheschließung angemeldet worden ist, seinen Sitz hat, Befreiung erteilen. Die Befreiung soll nur Staatenlosen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland und Angehörigen solcher Staaten erteilt werden, deren Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse im Sinne des Absatzes 1 ausstellen. In besonderen Fällen darf sie auch Angehörigen anderer Staaten erteilt werden. Die Befreiung gilt nur für die Dauer von sechs Monaten.

(3) (weggefallen)

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

19
b) Bei Berücksichtigung des Vorbringens des Betroffenen im Schriftsatz vom 22. Januar 2010 war das Beschwerdegericht zur Anhörung des Betroffenen verpflichtet. Eine solche ist auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, zur Veröffentlichung bestimmt). Hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur abgesehen werden , wenn eine persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 28. Januar 2010, V ZB 2/10, zur Veröffentlichung bestimmt ; Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, zur Veröffentlichung bestimmt). So verhält es sich hier nicht, weil nach dem Vortrag im Schriftsatz vom 22. Januar 2010 neue Erkenntnisse durch die Anhörung des Betroffenen zu erwarten sind und es auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen ankommt, weil über die Glaubwürdigkeit seines neuen Vorbringens zu entscheiden ist. Krüger Klein Lemke Stresemann Roth

(1) Wer hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung vorbehaltlich des Artikels 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ausländischem Recht unterliegt, soll eine Ehe nicht eingehen, bevor er ein Zeugnis der inneren Behörde seines Heimatstaats darüber beigebracht hat, dass der Eheschließung nach dem Recht dieses Staates kein Ehehindernis entgegensteht. Als Zeugnis der inneren Behörde gilt auch eine Urkunde im Sinne von Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 200 vom 26.7.2016, S. 1) sowie eine Bescheinigung, die von einer anderen Stelle nach Maßgabe eines mit dem Heimatstaat des Betroffenen geschlossenen Vertrags erteilt ist. Das Zeugnis verliert seine Kraft, wenn die Ehe nicht binnen sechs Monaten seit der Ausstellung geschlossen wird; ist in dem Zeugnis eine kürzere Geltungsdauer angegeben, ist diese maßgebend.

(2) Von dem Erfordernis nach Absatz 1 Satz 1 kann der Präsident des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk das Standesamt, bei dem die Eheschließung angemeldet worden ist, seinen Sitz hat, Befreiung erteilen. Die Befreiung soll nur Staatenlosen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland und Angehörigen solcher Staaten erteilt werden, deren Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse im Sinne des Absatzes 1 ausstellen. In besonderen Fällen darf sie auch Angehörigen anderer Staaten erteilt werden. Die Befreiung gilt nur für die Dauer von sechs Monaten.

(3) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wer hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung vorbehaltlich des Artikels 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ausländischem Recht unterliegt, soll eine Ehe nicht eingehen, bevor er ein Zeugnis der inneren Behörde seines Heimatstaats darüber beigebracht hat, dass der Eheschließung nach dem Recht dieses Staates kein Ehehindernis entgegensteht. Als Zeugnis der inneren Behörde gilt auch eine Urkunde im Sinne von Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. L 200 vom 26.7.2016, S. 1) sowie eine Bescheinigung, die von einer anderen Stelle nach Maßgabe eines mit dem Heimatstaat des Betroffenen geschlossenen Vertrags erteilt ist. Das Zeugnis verliert seine Kraft, wenn die Ehe nicht binnen sechs Monaten seit der Ausstellung geschlossen wird; ist in dem Zeugnis eine kürzere Geltungsdauer angegeben, ist diese maßgebend.

(2) Von dem Erfordernis nach Absatz 1 Satz 1 kann der Präsident des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk das Standesamt, bei dem die Eheschließung angemeldet worden ist, seinen Sitz hat, Befreiung erteilen. Die Befreiung soll nur Staatenlosen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland und Angehörigen solcher Staaten erteilt werden, deren Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse im Sinne des Absatzes 1 ausstellen. In besonderen Fällen darf sie auch Angehörigen anderer Staaten erteilt werden. Die Befreiung gilt nur für die Dauer von sechs Monaten.

(3) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 148/09
vom
16. Dezember 2009
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG
muss der Haftrichter auch dann eigenverantwortlich prüfen, ob der Ausländer
infolge unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist, wenn die zuständige
Verwaltungsbehörde eine auf diesen Tatbestand gestützte, nicht bestandskräftige
Zurückschiebungsverfügung erlassen hat.
Ist ein Ausländer ohne gültigen Reisepass in die Bundesrepublik eingereist,
kommt ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei
oder aufgrund der in dem dazu vereinbarten Zusatzprotokoll vom 23. November
1970 enthaltenen "Stillhalteklausel" nicht in Betracht.
BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - V ZB 148/09 - LG Dresden
AG Pirna
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 25. September 2009 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene, der am Vortag aus der Tschechischen Republik in das Bundesgebiet eingereist war, wurde am 15. September 2009 als Beifahrer eines auf einer Bundesautobahn in Richtung Prag fahrenden Kraftfahrzeugs von einer Streife der gemeinsamen Fahndungsgruppe Pirna überprüft. Der türkische Pass, mit dem er sich auswies, wurde von den Beamten als Fälschung angesehen. Der Betroffene wurde daraufhin festgenommen. Am selben Tag erließ die Bundespolizeidirektion Pirna eine Verfügung über seine Zurückschiebung in die Türkei und beantragte die Anordnung von Sicherungshaft.
2
Eine erste Haftanordnung des Amtsgerichts wurde im Hinblick auf die eingeleitete Zurückschiebung des Betroffenen in die Tschechische Republik wieder aufgehoben. Nachdem die tschechischen Behörden seine Rücküber- nahme abgelehnt hatten, ordnete das Amtsgericht auf Antrag der Bundespolizeidirektion am 16. September 2009 erneut die Sicherungshaft an.
3
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen ist, von der Verkürzung der Höchstdauer der Haft abgesehen, ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt er weiterhin die Aufhebung der Haftanordnung.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Anordnung der Abschiebehaft sei rechtmäßig, weil die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG vorlägen. Es könne offen bleiben, ob der Betroffene als türkischer Staatsbürger berechtigt gewesen sei, ohne Visum einzureisen. Er sei jedenfalls deshalb vollziehbar ausreisepflichtig, weil er mit einem gefälschten Pass eingereist sei. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene einer Zurückschiebung in die Türkei nicht stellen werde. Er wolle zwar freiwillig ausreisen, jedoch nicht in die Türkei. Unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die Zurückschiebung voraussichtlich bis zum 16. Oktober 2009 durchgeführt werden könne, verstoße die Haftanordnung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

III.

5
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte, frist- und formgerecht (§ 71 FamFG) eingelegte Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
1. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Betroffene nach den Vorschriften der §§ 57 Abs. 3, 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in Sicherungshaft genommen werden durfte, weil er aufgrund unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet vollziehbar ausreisepflichtig ist.
7
a) Diese Voraussetzungen ergeben sich, was das Beschwerdegericht auch nicht verkennt, nicht schon bindend aus der - mit der unerlaubten Einreise des Betroffenen und seinem fehlenden Aufenthaltsrecht begründeten - Zurückschiebungsverfügung der gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zuständigen Beteiligten zu 2. Zwar hat der Haftrichter grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die zuständige Behörde die Abschiebung bzw. Zurückschiebung zu Recht betreibt (Senat, BGHZ 78, 145, 147; 98, 109, 112; BVerfG, Beschl. v. 1. April 1999, 2 BvR 400/99, juris Rdn. 3; BVerwGE 62, 325, 328), denn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden unterliegt allein der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Bei einer auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützten Haftanordnung liegt dies insofern anders, als die sofort vollziehbare Ausreisepflicht aufgrund unerlaubter Einreise den unmittelbaren Haftgrund bildet. Ergibt sich diese weder aus einer bestandskräftigen Abschiebungs- bzw. Zurückschiebungsverfügung noch aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, muss der Haftrichter die erforderliche Prüfung selbst vornehmen (vgl. KG NVwZ 1997, 516; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 AufenthG Rdn. 13). Es würde der Bedeutung des Richtervorbehalts bei Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 GG; vgl. BVerfGE 105, 239, 248; BVerfGK 7, 87, 98) und den Anforderungen in Bezug auf die tatsächlichen Grundlagen richterlicher Haftentscheidungen (vgl. BVerfGE 70, 297, 308) nicht gerecht, wenn dem Haftrichter im Rahmen des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG durch eine noch nicht bestandskräftige Verfügung über die Zurückschiebung nach § 57 AufenthG bereits die wesentlichen Voraussetzungen für die Haftanordnung vorgegeben wären.
8
b) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht von einer unerlaubten Einreise des Betroffenen aus. Die Einreise eines Ausländers ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dann unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz nach § 3 Abs. 1 AufenthG nicht besitzt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach den - von der Rechtsbeschwerde nicht mit einer Rüge im Sinne des § 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG angegriffenen und damit das Rechtsbeschwerdegericht bindenden (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO) - Feststellungen des Beschwerdegerichts war der Betroffene bei seiner Einreise nach Deutschland nicht im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes.
9
c) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Beschwerdegericht ferner die - hier gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbare - Ausreisepflicht des Betroffenen an. Nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet , wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG / Türkei nicht oder nicht mehr besteht. So liegt es hier. Ein - allein in Betracht kommendes - Aufenthaltsrecht des Betroffenen nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. 1964 II, 509) besteht nicht. Auf ein solches Aufenthaltsrecht kann sich nur berufen, wer rechtmäßig in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates eingereist ist (vgl. EuGH, Rs. C-37/98, EuZW 2000, 569, 572 Tz. 59 [Savas]; Rs. C-317/01 u. C-369/01, InfAuslR 2004, 32, 34 Tz. 65 [Abatay]; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 4 Rdn. 74). Ist die Einreise , wie hier, unter Verwendung eines falschen Passes und damit unter Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfolgt, fehlt es an dieser Ausgangslage.
10
Entsprechendes gilt, soweit sich der Betroffene auf die in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG / Türkei vom 23. No- vember 1970 (BGBl. 1972 II, 385 nachfolgend: ZPAssEWG-TR) enthaltene "Stillhalteklausel" beruft, in der sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen (Art. 41 Abs. 1 ZPAssEWG-TR; vgl. dazu EuGH, Rs. C-228/06, NVwZ 2009, 513 [Soysal]). Der Betroffene gehört schon nicht zu dem dadurch privilegierten Personenkreis. Die damals in der Bundesrepublik Deutschland geltende, sich aus § 2 Abs. 3 AuslG a.F. i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG 1965 ergebende Befreiung türkischer Staatsangehöriger, die sich nicht länger als drei Monate in der Bundesrepublik aufhalten und keiner Erwerbstätigkeit nachgehen wollten, von dem Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis war nämlich von dem Besitz eines (gültigen) Nationalpasses abhängig (vgl. Kanein, Ausländergesetz [1966], § 2 Anm. C.1. i.V.m. § 3 Anm. A., B.1.). Die Einreise ohne gültigen - im Streitfall gar mit einem gefälschten - Pass war schon vor Inkrafttreten von Art. 41 Abs. 1 ZPAssEWG-TR nicht privilegiert.
11
d) Die Anordnung der Sicherungshaft verstößt nicht gegen den im Rahmen der Prüfung des Haftgrundes zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
12
aa) Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Betroffene keine konkreten Umstände dargelegt hat, aus denen sich entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 62 Rdn. 39; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 15) ergibt, er werde sich der Zurückschiebung nicht entziehen. Soweit der Betroffene auf seine Bereitschaft verweist, nach Erhalt eines gültigen Passes in die Tschechische Republik, hilfsweise in einen anderen visumsfreien Drittstaat auszureisen, stellt er nicht die Verhältnismäßigkeit der - seine Zurückschiebung in die Türkei sichernden - Haft in Frage. Vielmehr wendet er sich gegen die von der Beteiligten zu 2 vorgenommene Bestimmung des Landes, in das er zurückgeschoben werden soll und damit gegen die - nicht von dem von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfende - Rechtmäßigkeit der Zurückschiebungsverfügung.
13
bb) Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Der Haftrichter hat auf Grundlage einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes eine Prognose zum Zeitpunkt der möglichen Zurückschiebung zu treffen (vgl. BVerfG NJW 2009, 2659, 2660). Dass die von dem Beschwerdegericht getroffene Prognose diesen Anforderungen nicht genügt, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Soweit sie, bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtsbeschwerdebegründung, rügt, die Ausländerbehörde habe bislang keine Maßnahmen zur Beschaffung der notwendigen Papiere ergriffen und damit die gebotene Beschleunigung des Verfahrens unterlassen , handelt es sich um neuen, im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigungsfähigen Tatsachenvortrag.
14
2. Ob das Beschwerdegericht auch die Voraussetzungen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG zu Recht angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung.

IV.

15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Pirna, Entscheidung vom 16.09.2009 - 23 XIV B 35/09 -
LG Dresden, Entscheidung vom 25.09.2009 - 2 T 780/09 -

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 89/10
vom
8. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 11. März 2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Rinkler beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 11. März 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist libanesischer Staatsangehöriger. 1993 und 1997 beantragte er in der Bundesrepublik Asyl. Die Anträge wurden bestandskräftig abgelehnt. 1997 wurde der Betroffene abgeschoben. Mit Hilfe einer Schleuserorganisation reiste er um die Jahreswende 2009/2010 wieder nach Deutschland ein. Am 10. Februar 2010 wurde er verhaftet.
2
Das Amtsgericht hat ihn angehört. Es hat auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 10. Februar 2010 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen für die Dauer von längstens drei Monaten angeordnet. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hiergegen ist ohne Erfolg geblieben.
3
Am 22. April 2010 nahm die Behörde den Antrag vom 10. Februar 2010 zurück, weil es nicht möglich sei, während der verbleibenden Haftzeit des Betroffenen das für die Abschiebung notwendige Passersatzpapier zu beschaffen. Der Betroffene wurde aus der Haft entlassen. Mit der gegen den Beschluss des Landgerichts gerichteten Rechtsbeschwerde erstrebt er, die Rechtswidrigkeit der Anordnung seiner Haft festzustellen.

II.


4
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Aufgrund seines Verhaltens sei nicht anzunehmen, dass er seiner Ausreisepflicht freiwillig nachkommen werde. Er sei daher nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zur Sicherung seiner Abschiebung in Haft zu nehmen. Zur Vorbereitung der Abschiebung sei eine Dauer der Haft von drei Monaten erforderlich und angemessen.

III.


5
Die 1. Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und zulässig, soweit der Betroffene im Hinblick auf die Rück- nahme des Haftantrags und seine Entlassung aus der Haft die Feststellung erstrebt , dass er durch die Anordnung der Haft in seinen Rechten verletzt worden ist (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, InfAuslR 2010, 249, 250; Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris Rdn. 11).
6
2. Das Beschwerdegericht geht zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen davon aus, dass der Betroffene aufgrund seiner unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist, §§ 50 Abs. 1, 2, 58 Abs. 1, 2 Nr. 1 AufenthG, und nicht glaubhaft gemacht hat, dass er sich seiner Abschiebung nicht entziehen will, § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG.
7
3. Trotzdem halten die Entscheidung des Beschwerdegerichts und die Haftanordnung des Amtsgerichts der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Zu diesen gehört die Feststellung, dass die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann, § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, sind weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht insoweit ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts in hinreichendem Umfang nachgekommen.
8
Haftrichter Der hat seine Prognose hierzu auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, juris Rdn. 17; Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 202/09, juris Rdn. 14, Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, juris Rdn. 18). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollstän- dig gewürdigt hat (Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, juris Rdn. 17, Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, juris Rdn. 20). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken, die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können (Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, juris Rdn. 17). Soweit die Ausländerbehörde konkrete Tatsachen hierzu nicht mitteilt, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG nachzufragen (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, juris Rdn. 20).
9
Den an die Beurteilungsgrundlage zu stellenden Anforderungen werden die angefochtene Entscheidung und die Haftanordnung des Amtsgerichts nicht gerecht. Bereits aus dem Antrag der beteiligten Behörde vom 10. Februar 2010 war ersichtlich, dass der Betroffene nicht im Besitz eines Ausweises ist. Ein solcher wurde der Beteiligten zu 2 trotz Ankündigung nicht vorgelegt. Vielmehr hat der Betroffene gegenüber der Beteiligten zu 2 erklärt, sein Ausweis befinde sich bei einem Schleuser. Zu der voraussichtlichen Dauer des damit offensichtlich notwendigen Verfahrens zur Beschaffung eines Passersatzpapiers enthält der Antrag der beteiligten Behörde keine Ausführungen. Die Dauer der beantragten Haft wird vielmehr mit der zur organisatorischen Vorbereitung allgemein üblichen Dauer begründet.
10
Auch bei seiner Anhörung durch das Amtsgericht hat der Betroffene erklärt , sein Pass sei bei einem Schleuser und werde von diesem nicht herausgegeben. Trotzdem haben weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht konkrete Feststellungen zur Dauer des für die Abschiebung damit notwendigen Verfahrens auf Beschaffung eines Passersatzpapiers getroffen. Die Entschei- dung des Beschwerdegerichts wiederholt vielmehr die nicht näher ausgeführte Angabe der beteiligten Behörde, eine Dauer der Haft von bis zu drei Monaten sei "zur organisatorischen Vorbereitung" der Abschiebung erforderlich.

IV.


11
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die zu § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG notwendige Prognoseentscheidung weitere Ermittlungen erfordert , die von dem Beschwerdegericht nachzuholen sind (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Osnabrück, Entscheidung vom 10.02.2010 - 246 XIV 8/10 -
LG Osnabrück, Entscheidung vom 11.03.2010 - 11 T 137/10 -
20
Der Senat kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts insoweit nur darauf prüfen, ob die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt worden sind (Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 72 Rdn. 18). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich insoweit nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken , die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können. Soweit die Ausländerbehörde keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es gemäß § 26 FamFG dem Gericht nachzufragen (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23. September 2008, 11 Wx 46/08, Rdn. 30, juris). Die Ungewissheit hinsichtlich der Dauer des - von ihm nicht zu vertretenden - Abschiebungshindernisses hat der Ausländer nur für einen begrenzten Zeitraum hinzunehmen (BVerfG NJW 2009, 2659 2660).

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.