Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - V ZB 50/11

bei uns veröffentlicht am14.07.2011
vorgehend
Landgericht Hamburg, 329 T 2/11, 18.02.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 50/11
vom
14. Juli 2011
in der Freiheitsentziehungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der Zivilkammer 29 des Landgerichts Hamburg vom 18. Februar 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 22. September 2000 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Die Entscheidung ist seit Januar 2003 bestandskräftig. Die Abschiebung des Betroffenen scheiterte, da seine Identitätspapiere fehlten und er über seine Herkunft unwahre Angaben machte. Erst durch eine Durchsuchung bei dem Betroffenen Ende Mai 2010 konnte seine Staatsangehörigkeit geklärt werden. Bei seiner Anhörung durch die Beteiligte zu 2 im November 2010 gab er an, zu einer freiwilligen Ausreise nicht bereit zu sein. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht, nachdem es zunächst die einstweilige Freiheitsentziehung angeordnet hatte, am 22. November 2010 Abschiebungshaft bis zum 7. Dezember 2010 und mit Beschluss vom 7. Dezember 2010 die Verlängerung der Haft bis zum 5. Januar 2011 angeordnet. Der Betroffene wurde am 3. Januar 2011 nach Nigeria abgeschoben. Seine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der amtsgerichtlichen Beschlüsse gerichtete Beschwerde ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Fortsetzungsfeststellungsantrag, soweit er die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 22. November 2010 und vom 7. Dezember 2010 betrifft, weiter.

II.

2
Das Beschwerdegericht stützt die Sicherungshaft auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Für eine Entziehungsabsicht sprächen insbesondere die wiederholten Versuche des Betroffenen, seine Identität und Herkunft zu verschleiern , seine bei der Anhörung durch die Beteiligte zu 2 geäußerte Absicht, einer Aufforderung, zum Abschiebetermin zu erscheinen, nicht Folge zu leisten, und sein gewaltsames Verhalten anlässlich der Durchsuchung seiner Handy-Daten zum Zwecke der Identitätsfeststellung sowie seine Vorstrafen, die unter anderem Gewaltdelikte betrafen.

III.

3
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE006400000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE007201160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE007201160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313532010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313532010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100074833&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE007300000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE006400000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100069009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100069009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ovw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100074833&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE550562006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE312872009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE312872009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE007600000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE065903301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE312872009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -
4
1. Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360 und vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, Rn. 10, juris) Rechtsbeschwerde ist gemäß § 71 FamFG form- und fristgerecht eingelegt. Hat - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden, geht es im Rechtsbeschwerdeverfahren allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist allerdings inzident auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4 und vom 28. April 2011 - V ZB 184/10, Rn. 7, juris).
5
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
6
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung allerdings nicht deshalb zu beanstanden, weil es an der Darstellung des Sachverhalts fehlt. Zwar müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030; Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135). Denn das Rechtsbeschwerdegericht ist ohne die Wiedergabe zu einer rechtlichen Überprüfung , die nach § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, nicht in der Lage (Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, aaO). Aber das Fehlen der Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hier deshalb nicht, weil sich die Vorgänge, auf die es ankommt , mit noch ausreichender Deutlichkeit dem vom Beschwerdegericht ausdrücklich in Bezug genommenen Haftantrag vom 17. November 2010 entnehmen lassen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/qgu/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE042300000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE042300000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE042300000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE013500314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313532010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306012010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306012010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t5f/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE043100000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 -
7
b) Ebenso ohne Erfolg rügt der Betroffene, dass der Haftanordnung und dem Verlängerungsbeschluss kein zulässiger Antrag zugrunde gelegen habe, da dieser nicht hinreichend begründet gewesen sei. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7).
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aa) Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags. Für Abschiebungshaftanträge werden nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt. Fehlt es an den erforderlichen Darlegungen, darf keine Haft angeordnet werden; vielmehr ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen, weil es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG erfordert (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, FGPrax 2010, 316, 317). In gleicher Weise zu begründen ist auch der Antrag der Behörde auf Verlängerung einer bereits angeordneten und vollzogenen Sicherungshaft. Nach § 425 Abs. 3 FamFG gelten für die Verlängerung der Freiheitsentziehung die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 252/10 Rn. 12, juris).
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cc) Der Haftantrag vom 22. November 2010 enthält lediglich den Hinweis auf den geplanten Abschiebungstermin. Im Übrigen nimmt er auf den Antrag vom 17. November 2010 auf Anordnung der einstweiligen Freiheitsentziehung Bezug. Der Haftverlängerungsantrag vom 3. Dezember 2010 äußert sich nur http://www.juris.de/jportal/portal/t/ncn/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR195010004BJNE006902310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ncn/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR195010004BJNE006902310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - zum Stand der Passersatzpapierbeschaffung sowie zu dem neuen Abschiebungstermin und bezieht sich ansonsten auf die Haftanordnung des Amtsgerichts. Diese verkürzte Begründung durch Bezugnahme auf den in der Gerichtsakte befindlichen und dem Betroffenen nach § 23 Abs. 2 FamFG übermittelten Haftantrag bzw. den Haftanordnungsbeschluss ist nur zulässig, wenn sich bei den nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden Umständen im Vergleich zu dem Haftantrag nichts geändert hat (offen gelassen Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 252/10, Rn. 15, juris). So liegt es hier. In den fünf Tagen, die zwischen dem in Bezug genommenen Antrag vom 17. November 2010 und dem Haftantrag lagen, hat sich die Sachlage nicht geändert. Auch im Zeitpunkt des Haftverlängerungsantrags waren keine Veränderungen gegenüber der im amtsgerichtlichen Beschluss, der sich im Wesentlichen auf eine Wiedergabe der Begründung im Antrag vom 17. November 2010 beschränkt, dargestellten Sachlage eingetreten. Soweit sich in den bis dahin vergangenen 16 Tagen nachträglich herausgestellt hatte, dass sich die Beschaffung von Passersatzpapieren und damit die geplante Abschiebung verzögert , werden die Gründe hierfür im Haftverlängerungsantrag ausgeführt.
10
dd) Der Antrag vom 17. November 2010 enthält die nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG erforderlichen Darlegungen. Insbesondere äußert sich die Beteiligte zu 2 auch zur Erforderlichkeit der Haft, indem sie auf die unwahren Angaben des Betroffenen über seine Identität sowie auf seine Bekundung, nicht zu einer freiwilligen Ausreise bereit zu sein, hinweist.
11
c) Auch die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der angefochtenen Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, http://www.juris.de/jportal/portal/t/ncn/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100065156&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, Rn. 12, juris).
12
Allerdings ergibt sich aus der Begründung des Amtsgerichts, der Betroffene habe durch seinen illegalen Aufenthalt und durch die Begehung von Straftaten deutlich gemacht, dass er die Gesetze nicht respektiere, das Vorliegen eines Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht. Dies wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht aus. Denn das Beschwerdegericht hat das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aus zutreffenden Erwägungen bejaht und damit den Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens geheilt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. März 2007 - V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 28, Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 62 Rn. 22 f.). Es hat rechtsfehlerfrei Umstände festgestellt, die den begründeten Verdacht rechtfertigen, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Er hat unwahre Angaben über seine Herkunft und Identität gemacht und sich auf diese Weise seit 2003 seinen Aufenthalt gesichert. Gegen eine Durchsuchung seiner Handy-Daten zum Zwecke der Identitätsfeststellung hat er sich gewaltsam gewehrt. Zudem hat er bei seiner Anhörung durch die Beteiligten zu 2 geäußert, dass er einer Aufforderung, zum Abschiebungstermin zu erscheinen, keine Folge leisten werde. Aus diesen Umständen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei gefolgert, es sei zu befürchten, dass der Betroffene versuchen wird, eine Abschiebung zu verhindern.
13
d) Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde jedoch darauf hin, dass in einem in der Ausländerakte befindlichen internen Vermerk vom 27. Dezember 2010, in welchem die zur Durchführung der Abschiebung beigefügten Dokumente aufgeführt werden, auch die Rubrik "Strafanzeige erstattet" angekreuzt ist. Daraus ist zu schließen, dass gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig war (Senat, Beschluss vom 27. April 2011 - V ZB 71/11, juris Rn. 8). Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer , gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Fehlt dieses Einvernehmen, darf die Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht angeordnet werden (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 22; Beschluss vom 10. Februar 2011 - V ZB 49/10, Rn. 7 ff. mwN). Dabei ist es unerheblich, ob der Haftrichter Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Prüfung hatte. Da das Einvernehmen nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eine essentielle Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechtslage an (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 189/10).

IV.

14
Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und deshalb nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dieses wird der Frage nachzugehen haben , ob bei Stellung des Haftantrags und bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren schon oder noch anhängig war. Sollte das der Fall sein, wäre weiter zu prüfen, ob die Staatsan- waltschaft ihr Einvernehmen zur Abschiebung im Zeitpunkt des Erlasses der Haftanordnung erteilt hatte.

V.

15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 128c Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Stresemann Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 17.11.2010, 22.11.2010 u. 07.12.2010 - 219d XIV 37292 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 18.02.2011 - 329 T 2/11, 3/11 u. 4/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - V ZB 50/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - V ZB 50/11

Referenzen - Gesetze

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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen
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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 218/09
vom
29. April 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Abschiebungshaftsachen muss aus den Verfahrensakten zu ersehen sein, dass
der Haftanordnung ein vollständiger Antrag der zuständigen Behörde zugrunde liegt.
BGH, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2010 durch die Richter
Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 16. November 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. Oktober 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Im Übrigen findet keine Auslagenerstattung statt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste über Pakistan, den Iran, die Türkei und Griechenland ohne Pass und Visum mit Hilfe einer Schleuserorganisation in das Bundesgebiet ein. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 wies er sich mit einem gefälschten französischen Identitätspapier aus und wurde festgenommen. Der Betroffene äußerte in seiner polizeilichen Vernehmung, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Die Beteiligte zu 2 verfügte die Zurückschiebung des Betroffenen nach Griechenland.
2
Bei dem Amtsgericht gingen nach dem Inhalt der Verfahrensakten per Telefax die ersten beiden Seiten des Formularantrags der Beteiligten zu 2 auf Anordnung der Freiheitsentziehung ein; die dritte Seite mit der Darstellung des Sachverhalts, der Antragsbegründung und der Unterschrift fehlte. Das Amtsgericht ordnete am 19. Oktober 2009 nach Anhörung des Betroffenen die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 18. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), bei dem ein am 19. Oktober 2009 gestellter Asylantrag registriert ist, richtete ein Übernahmeersuchen an die griechischen Behörden.
3
Die gegen die Haftanordnung gerichtete sofortige Beschwerde, mit der der Betroffene die fehlende Vorlage der "Ausländerakten" gerügt, auf seinen zwischenzeitlich gestellten Asylantrag hingewiesen, eine inhaltlich unzureichende Anhörung durch den Haftrichter und ferner geltend gemacht hat, dass die Zurückschiebung nach Griechenland vor dem Hintergrund der verwaltungsgerichtlichen Praxis nicht innerhalb des angeordneten Haftzeitraums durchgeführt werden könne, hat das Beschwerdegericht ohne erneute Anhörung des Betroffenen nach Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 16. November 2009 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Feststellung erreichen will, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der Asylantrag stehe nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG der Anordnung der Sicherungshaft nicht entgegen. Der im Rahmen der Vernehmung formlos gestellte Antrag des aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Betroffenen habe noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG zur Folge. Der förmliche Asylantrag sei erst aus der Haft heraus gestellt worden.
5
Angesichts des kurzen Zeitraums zwischen Festnahme und Anhörung des Betroffenen habe das Amtsgericht nicht auf den Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 zurückgreifen müssen. Ausländerakten seien im Übrigen noch nicht angelegt gewesen. Zudem sei ein etwaiger Verfahrensfehler durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs im Beschwerdeverfahren geheilt worden.
6
Zwar lägen wegen des Asylantrags die Voraussetzungen des in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrundes nicht mehr vor. Die Sicherungshaft könne jedoch auf den begründeten Verdacht gestützt werden, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG). Die Haftfristen seien gewahrt, die Inhaftierung sei nicht unverhältnismäßig. Da die Personalien des Betroffenen feststünden, sei nicht ersichtlich, dass die Abschiebung nicht innerhalb der Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG durchgeführt werden könne. Der Haftrichter sei an die Entscheidung der Beteiligten zu 2, den Betroffenen nach Griechenland zurückzuschieben, gebunden.
7
Schließlich sei der Betroffene nicht nach Ablauf von vier Wochen seit Stellung des Asylantrags aus der Haft zu entlassen. Denn diese Frist gelte nach § 14 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AsylVfG nicht, weil das BAMF ein Übernahmeersuchen an einen zur Übernahme verpflichteten Staat gestellt habe.
8
Von der mündlichen Anhörung habe abgesehen werden können, weil hiervon neue Erkenntnisse nicht zu erwarten gewesen seien und die wesentlichen Feststellungen anhand des Verwaltungsvorgangs hätten getroffen werden können.

III.

9
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). An der Statthaftigkeit des Rechtsmittels ändert die zwischenzeitliche Erledigung der Hauptsache nichts. Die Regelung in § 62 FamFG, nach der das Beschwerdegericht auf Antrag ausspricht, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn er an der Feststellung - wie hier - ein berechtigtes Interesse hat, gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 9). Denn unter dem Blickwinkel effektiven Rechtsschutzes ist es unerheblich, in welchem Stadium des Verfahrens sich die angegriffene Entscheidung in der Hauptsache erledigt (vgl. BVerfGK 6, 303, 311).
10
Mit dem auf Feststellung gerichteten Antrag greift der Betroffene einen Beschluss an, der eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet; damit bleibt die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG zulassungsfrei (Senat, aaO, Rdn. 10).
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist begründet. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts, die ebenfalls Gegenstand rechtlicher Nachprüfung durch den Senat ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 14), als auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist fehlerhaft und hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
13
aa) Ob es im Hinblick auf die Sollvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 FamFG zwingend eines unterschriebenen Antrags auf Freiheitsentziehung bedarf , kann allerdings ebenso offen bleiben wie die Frage, ob der von dem Vertreter der Beteiligten zu 2 bei der Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht mündlich gestellte Haftantrag rechtswirksam war (vgl. hierzu BKBahrenfuss /Rüntz, FamFG, § 25 Rdn. 9; Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 25 Rdn. 19; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG [2009], § 23 Rdn. 10, § 25 Rdn. 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, aaO, § 25 Rdn. 30 f.). Denn der Antrag war jedenfalls mangels vollständiger Begründung unzulässig.
14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).
15
cc) Danach war der dem Amtsgericht nach dem Inhalt der Verfahrensakten vorliegende schriftliche Antrag der Beteiligten zu 2 unzureichend begründet.
16
(1) Aus dem per Telefax übersandten Antragsfragment und den zusätzlich überreichten Unterlagen ergaben sich die Identität des Betroffenen, die unerlaubte Einreise über den Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 und das Fehlen eines festen Wohnsitzes im Bundesgebiet. Hieraus konnte der Haftrichter zu den Voraussetzungen der Haft, zu ihrer Verhältnismäßigkeit sowie zu der Erforderlichkeit der Haftdauer keine Anhaltspunkte für eine Überprüfung und weitere Aufklärung des Sachverhalts entnehmen. Über die fehlende Antragsbegründung können die Angaben des Betroffenen in seiner Anhörung nicht hinweghelfen.
17
(2) Daran ändert das Vorbringen der Beteiligten zu 2 nichts, dass anhand des in ihrem Verwaltungsvorgang enthaltenen Telefax-Sendeberichts und auf Grund der Angaben des Betroffenen von einem vollständigen Zugang des Haftantrags auszugehen sei. Sinn und Zweck der Antragsbegründung (s. dazu die Ausführungen unter 2. a) bb) a.E.) erfordern es, dass ihr Vorliegen bei der Anhörung des Betroffenen aus den Verfahrensakten ersichtlich ist. Diese müssen entweder den vollständigen schriftlichen Haftantrag enthalten, oder die Antragsbegründung muss sich aus dem Protokoll über die Anhörung ergeben. Fehlt beides, ist eine Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Haftanordnung in den Rechtsmittelinstanzen nicht möglich. Das wirkt zu Lasten der antragstellenden Behörde.
18
(3) Da hier aus den Verfahrensakten, die der Senat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hat (vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 1092; Jansen /Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 27 Rdn. 90; Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 74 Rdn. 27), nicht ersichtlich ist, dass ein vollständiger Haftantrag vorlag oder gestellt wurde, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass er fehlte.
19
dd) Durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit dem vollständigen Haftantrag in der Beschwerdeinstanz konnte der Verstoß gegen § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht geheilt werden (vgl. hierzu KG InfAuslR 2009, 356, 357; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 23). Denn bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde handelt es sich um eine Verfahrensgarantie , deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 24; Prütting/ Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 10).
20
ee) Wegen des Verstoßes gegen diese Verfahrensgarantie hat die Entscheidung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
21
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt ebenfalls nicht stand.
22
aa) Da ihm der Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 vorlag, fehlte es allerdings nicht mehr an dem Antrag der zuständigen Behörde auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG).
23
(1) Die Beteiligte zu 2 war für die Stellung des Haftantrags sachlich und örtlich zuständig. Sie ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde. Ihr sind nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 13).
24
(2) Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung lag der Haftantrag der Beteiligten zu 2 dem Beschwerdegericht im Original vor. Aus der Seite 3 des Antrags ergeben sich die für die Haftanordnung nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlichen Darlegungen. Darauf hat die Beteiligte zu 2 in ihrer Beschwerdeerwiderung Bezug genommen.
25
bb) Mit Erfolg macht der Betroffene jedoch geltend, das Beschwerdegericht habe ihn nach Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG anhören müssen. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Anhörung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG) lagen nicht vor. Der Betroffene hatte nämlich zuvor keine Gelegenheit, zu einem zulässigen Antrag auf Anordnung der Haft und damit zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn verhängten Freiheitsentziehung zu äußern und persönlich zu den Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, auf die es für die Entscheidung über die Freiheitsentzie- hung ankommt, insbesondere zu den von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG geforderten Grundlagen. Nach dem Protokoll der Anhörung am 19. Oktober 2010 ist nämlich davon auszugehen, dass dem Betroffenen bei dem Amtsgericht lediglich der fragmentarisch vorhandene Haftantrag übersetzt worden ist.
26
cc) Wegen dieses Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 12 m.w.N.).

IV.

27
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2 FamFG, 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Bundesrepublik Deutschland als diejenige Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG), zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffen zu verpflichten.

28
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 19.10.2009 - 381 XIV 198/09 B -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.11.2009 - 84 T 441/09 B -
10
1. Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360) Rechtsbeschwerde ist gemäß § 71 FamFG form- und fristgerecht eingelegt.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);
2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

4
1. Mit der nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaften und auch im Übrigen grundsätzlich zulässigen (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde kann der Betroffene allein die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung erreichen. Soweit er mit seinem Antrag gesondert auch die Überprüfung der Haftanordnung durch das Amtsgericht erstrebt, ist das Rechtsmittel unzulässig. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei Erledigung der Hauptsache nach Erlass der Beschwerdeentscheidung neben dieser Entscheidung auch die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung Gegenstand des dann auf § 62 FamFG gestützten Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann (Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154; Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 22). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden hat. Im Rechtsbeschwerdeverfahren geht es dann allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist inzident allerdings auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen.
7
Hat - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden, geht es im Rechtsbeschwerdeverfahren allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist allerdings inzident auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4 und vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, Rn. 11, juris).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 70/05
vom
11. Mai 2006
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 11. Mai 2006 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann
und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. März 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 929,60 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Koblenz zurückgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, die anwaltliche Prozessvertretung der beiden sukzessive am Rechtsstreit beteiligten Beklagten stelle eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit dar. Da der Auftrag vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden sei, sei diese Angelegenheit nach den Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte zu beurteilen. Auf Seiten der Beklagten sei lediglich eine nach § 6 Abs. 1 BRAGO erhöhte Prozessgebühr angefallen. Dies gelte jedenfalls deshalb, weil sich aus dem Sitzungsprotokoll ergebe, dass der Pro- zessbevollmächtigte der Beklagten bereits bei Vollzug des Parteiwechsels von der Beklagten zu 2 bevollmächtigt gewesen sei. Weitere Angaben zum Sachverhalt enthält die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts nicht; auch das Ziel der sofortigen Beschwerde wird nicht wiedergegeben.
2
Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihre "Sachanträge im Verfahren der sofortigen Beschwerde (Festsetzung der beantragten Gebühren)" weiter.

II.

3
1. Da die Beklagte zu 2 mit Wirkung zum 1. Januar 2005 ihre Rechtsform identitätswahrend von einer offenen Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft geändert hat (vgl. BayObLG, NJW-RR 1998, 1565 und 2002, 1363) und seither als Shopping-Center-A. M. & L. GmbH & Co. KG firmiert, ist das Rubrum entsprechend zu berichtigen.
4
2. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt nach § 577 Abs. 4 S. 1 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, weil dessen Entscheidung nicht mit Gründen im Sinne der §§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO versehen ist.
5
Nach gefestigter Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649; Beschl. v. 5. August 2002, IX ZB 51/02, NJW-RR 2002, 1571; Beschl. v. 12. Juli 2004, II ZB 3/02, NJW-RR 2005, 78 und Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916) müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (für Urteile vgl. auch BGH, Urt. v. 30. September 2003, VI ZR 438/02, m.w.N.). Nach §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht fest- gestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne. Sie begründen einen Verfahrensmangel, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist und die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht.
6
Die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses scheitert bereits daran, dass der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht erkennbar ist. Das Beschwerdegericht bezeichnet weder die zur Festsetzung angemeldeten noch die vom Landgericht festgesetzten Kosten noch teilt es mit, in welchem Umfang die Kostenfestsetzung angegriffen wurde. Auch die Kostengrundentscheidungen und der für die Kostenerstattung erhebliche Sachverhalt lassen sich weder der Beschwerdeentscheidung noch dem erwähnten Sitzungsprotokoll entnehmen.
7
3. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 13.01.2005 - 8 O 354/03 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 09.03.2005 - 14 W 153/05 u. 154/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/08
vom
14. Mai 2009
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann bei einem Verbandsprozess die Erstattung
der durch die interne Unterrichtung ihrer Mitglieder über den Prozess entstehenden
Kosten nicht verlangen.

b) Das gilt auch bei einer Beschlussanfechtung, wenn sich die Wohnungseigentümer
von dem Verwalter oder dem von diesem beauftragten Prozessbevollmächtigten
vertreten lassen, den Anfechtungsprozess damit ähnlich einem Prozess des Verbands
führen.

c) Betrifft die Beschlussanfechtung die Rechtsstellung des Verwalters, sind allerdings
die Kosten der Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer über die Anfechtungsklage
und ihre Begründung erstattungsfähig, weil sich ein Beschlussanfechtungsprozess
nur bei Sicherstellung dieser Unterrichtung ähnlich einem Verbandsprozess
führen lässt.
(Fortführung von BGHZ 78, 166)
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08 - LG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2008 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Kostenerstattungsantrag der Beklagten über den Betrag von 3.471,89 € nebst Zinsen hinaus zurückgewiesen worden ist.
Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 16. Mai 2008 und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags werden die den Beklagten von den Klägern zu erstattenden Kosten auf insgesamt 2.441,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 6. Juni 2008 festgesetzt.
Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren tragen die Kläger zu 10 % und die Beklagten zu 90 %.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.840,18 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger fochten einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung, mit welchem diese einen Antrag auf Abberufung des Verwalters ablehnte, an. Die Klage wurde auf Kosten der Kläger abgewiesen. Die Beklagten haben, soweit hier von Interesse, 2.670,05 € an Kosten für die Unterrichtung aller übrigen 107 Mitglieder der Gemeinschaft über die „Ladung des Amtsgerichts“ und 1.170,13 € an Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder über das Urteil des Amtsgerichts jeweils nebst Zinsen zur Festsetzung angemeldet. Das Amtsgericht hat diese Kosten festgesetzt. Auf die Beschwerde der Kläger hat das Landgericht den Antrag auf Erstattung dieser Kosten zurückgewiesen. Mit ihrer von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihren Kostenerstattungsanspruch weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


2
Das Beschwerdegericht hält die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht für notwendige Kosten der Prozessführung. Zwar sei nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband auf Beklagtenseite Partei des Rechtsstreits gewesen, sondern die übrigen Wohnungseigentümer selbst. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 78, 166) könnten die einzelnen Wohnungseigentümer von dem Verwalter Unterrichtung über einen Rechtsstreit verlangen. Das könne es im Einzelfall auch gebieten, dem Wohnungseigentümer ein Schriftstück in Ab- schrift zu überlassen. Die Kosten hierfür habe aber die Gemeinschaft selbst zu tragen. Sie könne diese nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abwälzen.

III.


3
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis überwiegend stand.
4
1. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Beschwerdeentscheidung sei schon deshalb aufzuheben, weil sie den maßgeblichen Sachverhalt nicht wiedergebe.
5
a) Richtig ist, dass Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, nach gefestigter Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649; Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916; Senat, Beschl. v. 11. Mai 2006, V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030) den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben müssen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist nämlich ohne die Wiedergabe dieses Sachverhalts zu einer rechtlichen Überprüfung, die nach §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, nicht in der Lage. Das Fehlen eines prüffähigen Sachverhalts führt deshalb im Regelfall zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung.
6
b) In der Beschwerdeentscheidung wird der maßgebliche Sachverhalt so knapp beschrieben, dass eine rechtliche Prüfung unter normalen Umständen nicht mehr möglich, deshalb die Beschwerdeentscheidung aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen wäre. Hier liegt aber der Sonderfall vor, dass die Beteiligten um die überschaubare Frage streiten, ob die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erstattungsfähig sind. Die Beschwerdeentscheidung lässt immerhin noch erkennen, dass die Beklagten die Frage bejahen und die Kläger gegenteiliger Ansicht sind. Das reicht für eine rechtliche Prüfung gerade noch aus.
7
2. Zu Recht wenden sich die Beklagten jedoch dagegen, dass das Beschwerdegericht die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer gänzlich außer Ansatz gelassen hat.
8
a) Dem Beschwerdegericht ist allerdings einzuräumen, dass die Erstattung der Kosten für die Unterrichtung der Mitglieder großer Wohnungseigentümergemeinschaften über einen Rechtsstreit der Gemeinschaft bislang abgelehnt wird (OLG Koblenz NJW 2005, 3789; LG Hannover NJW-RR 1998, 303). Eine Unterrichtung des Verwalters sei ausreichend. Wie dieser die Wohnungseigentümer unterrichte, bleibe ihm überlassen. Das entspricht in der Sache der Begründung, mit welcher der Bundesgerichtshof die Zustellung einer Klage an die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft durch Zustellung an den Verwalter für ausreichend gehalten hat. Aus § 27 Abs. 2 und 3 WEG a.F. ergebe sich eine Zustellungsvollmacht des Verwalters; dies sei für die Wohnungseigentümer auch nicht unzumutbar. Sie könnten unverzügliche Unterrichtung über den Rechtsstreit verlangen; wie der Verwalter diese Information vornehme , sei seine Sache (BGHZ 78, 166, 173). Erscheine es geboten, dem einzelnen Wohnungseigentümer eine Abschrift des zugestellten Schriftstücks zu übermitteln, könne und müsse der Verwalter solche Abschriften herstellen lassen ; die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten müssten billigerweise den Wohnungseigentümern zur Last fallen, weil sie in der Gemeinschaft ihren Grund hätten (BGHZ 78, 166, 173).
9
b) An dieser Überlegung hält der Senat im Grundsatz auch nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (dazu Senat BGHZ 163, 154, 162 ff.; jetzt: § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG) fest. Die damalige Entscheidung betraf einen Fall, in dem ein Dienstleister von den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft Bezahlung für seine Leistungen zur Versorgung der Wohnungseigentumsanlage verlangte. Das wäre nach § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG kein Individualprozess gegen die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft , sondern ein Rechtsstreit gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Als Verband handelt die Wohnungseigentümerschaft durch den Verwalter. Die Unterrichtung ihrer Mitglieder ist aus dieser Perspektive eine interne Angelegenheit. Die Erstattung derartiger, durch die interne Organisation verursachter Kosten wird bei staatlichen Stellen (OLG Schleswig JurBüro 1990, 622, 623 und LAG Berlin JurBüro 1995, 38 f.: Kosten der Unterrichtung anderer Stellen der Verwaltung; OLG München JurBüro 1992, 170, 171: Reisekosten eines Beamten der Zentralbehörde; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichwort „Behörde“; ähnlich BVerwG JurBüro 2005, 314, 315: Verdienstausfall bei Terminswahrung durch Behördenvertreter) und Unternehmen (LAG Düsseldorf MDR 1991, 996, 997 OLG Köln Rpfleger 1993, 420 und LAG Nürnberg JurBüro 1993, 297: zentrale Prozessführung; OLG Stuttgart JurBüro 1992, 688: Kosten der Dezentralisierung; Zöller/Herget, aaO, § 91 Rdn. 13 Stichwort "Mehrkosten") abgelehnt. Als Verband unterscheidet sich die Wohnungseigentümergemeinschaft hiervon nicht. Auch sie kann Kosten ihrer internen Kommunikation nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abwälzen.
10
c) Das Beschwerdegericht hat aber nicht ausreichend gewürdigt, dass es hier nicht um einen solchen Verbandsprozess, sondern um eine Beschlussan- fechtung ging. Auf sie können die vorstehenden Überlegungen nicht ohne Einschränkungen übertragen werden.
11
aa) Die Beschlussanfechtung ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband zu richten, sondern gegen die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft. Sie ist also gerade kein Verbands -, sondern ein Individualprozess gegen die Mitglieder der Gemeinschaft. Dieser Individualprozess ist jedoch einem Verbandsprozess gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft angenähert. Die Klage ist nicht jedem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern dem Verwalter zuzustellen, der nach § 45 Abs. 1 WEG für die Wohnungseigentümer zustellungsbevollmächtigt ist. Der Verwalter ist nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt, die Wohnungseigentümer in dem Rechtstreit zu vertreten oder anwaltlich vertreten zu lassen (Merle in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 27 Rdn. 118, 121). Diese Ähnlichkeit in der technischen Abwicklung spricht dafür, die Unterrichtung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter auch bei einer Beschlussanfechtung als interne Angelegenheit der Gemeinschaft anzusehen, deren Kosten nicht auf den unterlegenen Anfechtungskläger abgewälzt werden können. Das entspricht im Ergebnis der Intention des Gesetzgebers. Dieser hat die Zustellungsbevollmächtigung des Verwalters u.a. vorgesehen, um die der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehenden Kosten gering zu halten (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/887 S. 36 f.). Sie werden zwar vor allem im Obsiegensfall teilweise auf die Wohnungseigentümergemeinschaft verlagert, weil sie eine interne Kommunikation einrichten und die Kosten dafür tragen muss. Diese kann dann aber kostensparend ausgestaltet werden, etwa indem die Unterrichtung auf einer Versammlung (dazu BGHZ 78, 166, 173) oder per E-Mail erfolgt. Diese Gleichstellung mit dem Verbandsprozess gilt jedenfalls dann, wenn die Wohnungseigentümer den Anfechtungsprozess verbandsähnlich führen und, wie hier, von ihrer Möglichkeit, den Prozess selbst zu führen (dazu Merle in Bärmann , aaO, § 27 Rdn. 129), keinen Gebrauch machen.
12
bb) Auch dann gilt allerdings eine Ausnahme. Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG verpflichtet, die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten , dass ein Rechtsstreit gemäß § 43 WEG anhängig ist. Nach § 45 Abs. 1 WEG ist der Verwalter nicht zustellungsbevollmächtigt, wenn er als Gegner der Wohnungseigentümer an dem Verfahren beteiligt ist oder wenn auf Grund des Streitgegenstandes die Gefahr besteht, er werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Im ersten Fall kann der Anfechtungsprozess nicht ähnlich wie ein Verbandsprozess der Gemeinschaft geführt werden. Im zweiten Fall ist das nur möglich, wenn eine sachgerechte Unterrichtung der Wohnungseigentümer über ihren Prozess sichergestellt ist. Die Unterrichtung der Wohnungseigentümer wird in dieser Fallgruppe zur Voraussetzung für die Zustellungsvollmacht des Verwalters. Sie kann dann, bezogen auf die Zustellung der Klage, nicht mehr als interne Angelegenheit der Gemeinschaft angesehen werden. Es ist folglich nicht billig, die Kosten der Unterrichtung über ihren individuellen Rechtsstreit auch im Obsiegensfall den Wohnungseigentümern anzulasten. Vielmehr sind sie notwendig, um die Zustellung der Anfechtungsklage an den Verwalter zu ermöglichen.
13
cc) Der zweite Fall liegt hier vor. Gegenstand der Anfechtungsklage war ein Beschluss, mit dem der Antrag auf Abberufung des Verwalters zurückgewiesen wurde. Das wird zwar die Interessen der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht berühren. Zu verklagen sind aber nicht nur die Mitglieder, die für den angefochtenen Beschluss gestimmt haben, sondern auch die, die gegen ihn gestimmt oder sich enthalten haben (Wenzel in Bärmann, aaO, § 46 Rdn. 38). Deren Interessen können bei einer solchen Beschlussanfechtung be- rührt sein. Ob die abstrakte Gefahr nicht sachgerechter Unterrichtung ausreicht oder ob die Zustellungsvollmacht nur bei einer konkreten Interessengefährdung entfällt (dazu Wenzel in Bärmann, aaO, § 45 Rdn. 18), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Sicherstellung einer Unterrichtung der Wohnungseigentümer ist im einen wie im anderen Fall im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig.
14
dd) Danach waren hier die Kosten für die Unterrichtung der Wohnungseigentümer über die Erhebung der Klage dem Grunde nach erstattungsfähig. Anders liegt es dagegen bei den Kosten der Unterrichtung über den Ausgang des Verfahrens. Diese sind schon dem Grunde nach nicht erstattungsfähig, weil die Wohnungseigentümer den Rechtsstreit wie einen Verbandsprozess geführt haben.
15
3. Die Kosten für die Unterrichtung der Wohnungseigentümer sind der Höhe nach nur insoweit erstattungsfähig, als sie notwendig sind (dazu OLG Koblenz NJW 2005, 3789). Das trifft im Ergebnis nur für 377,20 € zu, nicht aber für die übrigen angemeldeten Kosten.
16
a) Um die Wohnungseigentümer über ihren Anfechtungsstreit sachgerecht zu unterrichten, war es nötig, ihnen die Klageschrift und die Klagebegründung mit einem Anschreiben zuzuleiten, das sie auch über die Ladung zum Termin unterrichtete. Dazu waren die abgerechneten 92 Briefsendungen nebst Porto und jeweils 15 Kopien (2 Blatt Anschreiben, 3 Blatt Klageschrift und 10 Blatt Klagebegründung) erforderlich. Die Kosten hierfür belaufen sich auf der Grundlage der eingereichten Abrechnungen auf 377,20 €. Es war nicht geboten , bei mehreren zusammen wohnenden Wohnungseigentümern jedem von ihnen die Unterlagen zuzusenden.
17
b) Eine Übersendung der umfangreichen Anlagen war nicht notwendig. Zweck der Unterrichtung über die Klage ist es, den Wohnungseigentümern die Entscheidung zu ermöglichen, ob sie sich selbst oder durch den Verwalter gegen die Klage verteidigen oder den Kläger unterstützen wollen. Dazu ist bei der im Kostenfestsetzungsrecht gebotenen (dazu Senat, Beschl. v. 25. Januar 2007, V ZB 85/06, NJW 2007, 2048, 2049) typisierenden Betrachtungsweise eine Zusendung der Anlagen zur Klageschrift oder Klagebegründung im Grundsatz nicht erforderlich.
18
c) Nicht angesetzt werden kann auch der Zeitaufwand für das Zusammenstellen und das Absenden der Briefsendungen an die Wohnungseigentümer. Dieser Aufwand gehört zu den Aufgaben des Verwalters und kann jedenfalls nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abgewälzt werden.

V.


19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Stresemann

Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 04.08.2008 - 72 C 188/07 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2008 - 84 T 355/08 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/08
vom
14. Mai 2009
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann bei einem Verbandsprozess die Erstattung
der durch die interne Unterrichtung ihrer Mitglieder über den Prozess entstehenden
Kosten nicht verlangen.

b) Das gilt auch bei einer Beschlussanfechtung, wenn sich die Wohnungseigentümer
von dem Verwalter oder dem von diesem beauftragten Prozessbevollmächtigten
vertreten lassen, den Anfechtungsprozess damit ähnlich einem Prozess des Verbands
führen.

c) Betrifft die Beschlussanfechtung die Rechtsstellung des Verwalters, sind allerdings
die Kosten der Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer über die Anfechtungsklage
und ihre Begründung erstattungsfähig, weil sich ein Beschlussanfechtungsprozess
nur bei Sicherstellung dieser Unterrichtung ähnlich einem Verbandsprozess
führen lässt.
(Fortführung von BGHZ 78, 166)
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08 - LG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2008 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Kostenerstattungsantrag der Beklagten über den Betrag von 3.471,89 € nebst Zinsen hinaus zurückgewiesen worden ist.
Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 16. Mai 2008 und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags werden die den Beklagten von den Klägern zu erstattenden Kosten auf insgesamt 2.441,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 6. Juni 2008 festgesetzt.
Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren tragen die Kläger zu 10 % und die Beklagten zu 90 %.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.840,18 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger fochten einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung, mit welchem diese einen Antrag auf Abberufung des Verwalters ablehnte, an. Die Klage wurde auf Kosten der Kläger abgewiesen. Die Beklagten haben, soweit hier von Interesse, 2.670,05 € an Kosten für die Unterrichtung aller übrigen 107 Mitglieder der Gemeinschaft über die „Ladung des Amtsgerichts“ und 1.170,13 € an Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder über das Urteil des Amtsgerichts jeweils nebst Zinsen zur Festsetzung angemeldet. Das Amtsgericht hat diese Kosten festgesetzt. Auf die Beschwerde der Kläger hat das Landgericht den Antrag auf Erstattung dieser Kosten zurückgewiesen. Mit ihrer von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihren Kostenerstattungsanspruch weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


2
Das Beschwerdegericht hält die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht für notwendige Kosten der Prozessführung. Zwar sei nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband auf Beklagtenseite Partei des Rechtsstreits gewesen, sondern die übrigen Wohnungseigentümer selbst. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 78, 166) könnten die einzelnen Wohnungseigentümer von dem Verwalter Unterrichtung über einen Rechtsstreit verlangen. Das könne es im Einzelfall auch gebieten, dem Wohnungseigentümer ein Schriftstück in Ab- schrift zu überlassen. Die Kosten hierfür habe aber die Gemeinschaft selbst zu tragen. Sie könne diese nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abwälzen.

III.


3
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis überwiegend stand.
4
1. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Beschwerdeentscheidung sei schon deshalb aufzuheben, weil sie den maßgeblichen Sachverhalt nicht wiedergebe.
5
a) Richtig ist, dass Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, nach gefestigter Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649; Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916; Senat, Beschl. v. 11. Mai 2006, V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030) den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben müssen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist nämlich ohne die Wiedergabe dieses Sachverhalts zu einer rechtlichen Überprüfung, die nach §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, nicht in der Lage. Das Fehlen eines prüffähigen Sachverhalts führt deshalb im Regelfall zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung.
6
b) In der Beschwerdeentscheidung wird der maßgebliche Sachverhalt so knapp beschrieben, dass eine rechtliche Prüfung unter normalen Umständen nicht mehr möglich, deshalb die Beschwerdeentscheidung aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen wäre. Hier liegt aber der Sonderfall vor, dass die Beteiligten um die überschaubare Frage streiten, ob die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erstattungsfähig sind. Die Beschwerdeentscheidung lässt immerhin noch erkennen, dass die Beklagten die Frage bejahen und die Kläger gegenteiliger Ansicht sind. Das reicht für eine rechtliche Prüfung gerade noch aus.
7
2. Zu Recht wenden sich die Beklagten jedoch dagegen, dass das Beschwerdegericht die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer gänzlich außer Ansatz gelassen hat.
8
a) Dem Beschwerdegericht ist allerdings einzuräumen, dass die Erstattung der Kosten für die Unterrichtung der Mitglieder großer Wohnungseigentümergemeinschaften über einen Rechtsstreit der Gemeinschaft bislang abgelehnt wird (OLG Koblenz NJW 2005, 3789; LG Hannover NJW-RR 1998, 303). Eine Unterrichtung des Verwalters sei ausreichend. Wie dieser die Wohnungseigentümer unterrichte, bleibe ihm überlassen. Das entspricht in der Sache der Begründung, mit welcher der Bundesgerichtshof die Zustellung einer Klage an die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft durch Zustellung an den Verwalter für ausreichend gehalten hat. Aus § 27 Abs. 2 und 3 WEG a.F. ergebe sich eine Zustellungsvollmacht des Verwalters; dies sei für die Wohnungseigentümer auch nicht unzumutbar. Sie könnten unverzügliche Unterrichtung über den Rechtsstreit verlangen; wie der Verwalter diese Information vornehme , sei seine Sache (BGHZ 78, 166, 173). Erscheine es geboten, dem einzelnen Wohnungseigentümer eine Abschrift des zugestellten Schriftstücks zu übermitteln, könne und müsse der Verwalter solche Abschriften herstellen lassen ; die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten müssten billigerweise den Wohnungseigentümern zur Last fallen, weil sie in der Gemeinschaft ihren Grund hätten (BGHZ 78, 166, 173).
9
b) An dieser Überlegung hält der Senat im Grundsatz auch nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (dazu Senat BGHZ 163, 154, 162 ff.; jetzt: § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG) fest. Die damalige Entscheidung betraf einen Fall, in dem ein Dienstleister von den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft Bezahlung für seine Leistungen zur Versorgung der Wohnungseigentumsanlage verlangte. Das wäre nach § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG kein Individualprozess gegen die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft , sondern ein Rechtsstreit gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Als Verband handelt die Wohnungseigentümerschaft durch den Verwalter. Die Unterrichtung ihrer Mitglieder ist aus dieser Perspektive eine interne Angelegenheit. Die Erstattung derartiger, durch die interne Organisation verursachter Kosten wird bei staatlichen Stellen (OLG Schleswig JurBüro 1990, 622, 623 und LAG Berlin JurBüro 1995, 38 f.: Kosten der Unterrichtung anderer Stellen der Verwaltung; OLG München JurBüro 1992, 170, 171: Reisekosten eines Beamten der Zentralbehörde; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichwort „Behörde“; ähnlich BVerwG JurBüro 2005, 314, 315: Verdienstausfall bei Terminswahrung durch Behördenvertreter) und Unternehmen (LAG Düsseldorf MDR 1991, 996, 997 OLG Köln Rpfleger 1993, 420 und LAG Nürnberg JurBüro 1993, 297: zentrale Prozessführung; OLG Stuttgart JurBüro 1992, 688: Kosten der Dezentralisierung; Zöller/Herget, aaO, § 91 Rdn. 13 Stichwort "Mehrkosten") abgelehnt. Als Verband unterscheidet sich die Wohnungseigentümergemeinschaft hiervon nicht. Auch sie kann Kosten ihrer internen Kommunikation nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abwälzen.
10
c) Das Beschwerdegericht hat aber nicht ausreichend gewürdigt, dass es hier nicht um einen solchen Verbandsprozess, sondern um eine Beschlussan- fechtung ging. Auf sie können die vorstehenden Überlegungen nicht ohne Einschränkungen übertragen werden.
11
aa) Die Beschlussanfechtung ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband zu richten, sondern gegen die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft. Sie ist also gerade kein Verbands -, sondern ein Individualprozess gegen die Mitglieder der Gemeinschaft. Dieser Individualprozess ist jedoch einem Verbandsprozess gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft angenähert. Die Klage ist nicht jedem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern dem Verwalter zuzustellen, der nach § 45 Abs. 1 WEG für die Wohnungseigentümer zustellungsbevollmächtigt ist. Der Verwalter ist nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt, die Wohnungseigentümer in dem Rechtstreit zu vertreten oder anwaltlich vertreten zu lassen (Merle in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 27 Rdn. 118, 121). Diese Ähnlichkeit in der technischen Abwicklung spricht dafür, die Unterrichtung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter auch bei einer Beschlussanfechtung als interne Angelegenheit der Gemeinschaft anzusehen, deren Kosten nicht auf den unterlegenen Anfechtungskläger abgewälzt werden können. Das entspricht im Ergebnis der Intention des Gesetzgebers. Dieser hat die Zustellungsbevollmächtigung des Verwalters u.a. vorgesehen, um die der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehenden Kosten gering zu halten (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/887 S. 36 f.). Sie werden zwar vor allem im Obsiegensfall teilweise auf die Wohnungseigentümergemeinschaft verlagert, weil sie eine interne Kommunikation einrichten und die Kosten dafür tragen muss. Diese kann dann aber kostensparend ausgestaltet werden, etwa indem die Unterrichtung auf einer Versammlung (dazu BGHZ 78, 166, 173) oder per E-Mail erfolgt. Diese Gleichstellung mit dem Verbandsprozess gilt jedenfalls dann, wenn die Wohnungseigentümer den Anfechtungsprozess verbandsähnlich führen und, wie hier, von ihrer Möglichkeit, den Prozess selbst zu führen (dazu Merle in Bärmann , aaO, § 27 Rdn. 129), keinen Gebrauch machen.
12
bb) Auch dann gilt allerdings eine Ausnahme. Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG verpflichtet, die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten , dass ein Rechtsstreit gemäß § 43 WEG anhängig ist. Nach § 45 Abs. 1 WEG ist der Verwalter nicht zustellungsbevollmächtigt, wenn er als Gegner der Wohnungseigentümer an dem Verfahren beteiligt ist oder wenn auf Grund des Streitgegenstandes die Gefahr besteht, er werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Im ersten Fall kann der Anfechtungsprozess nicht ähnlich wie ein Verbandsprozess der Gemeinschaft geführt werden. Im zweiten Fall ist das nur möglich, wenn eine sachgerechte Unterrichtung der Wohnungseigentümer über ihren Prozess sichergestellt ist. Die Unterrichtung der Wohnungseigentümer wird in dieser Fallgruppe zur Voraussetzung für die Zustellungsvollmacht des Verwalters. Sie kann dann, bezogen auf die Zustellung der Klage, nicht mehr als interne Angelegenheit der Gemeinschaft angesehen werden. Es ist folglich nicht billig, die Kosten der Unterrichtung über ihren individuellen Rechtsstreit auch im Obsiegensfall den Wohnungseigentümern anzulasten. Vielmehr sind sie notwendig, um die Zustellung der Anfechtungsklage an den Verwalter zu ermöglichen.
13
cc) Der zweite Fall liegt hier vor. Gegenstand der Anfechtungsklage war ein Beschluss, mit dem der Antrag auf Abberufung des Verwalters zurückgewiesen wurde. Das wird zwar die Interessen der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht berühren. Zu verklagen sind aber nicht nur die Mitglieder, die für den angefochtenen Beschluss gestimmt haben, sondern auch die, die gegen ihn gestimmt oder sich enthalten haben (Wenzel in Bärmann, aaO, § 46 Rdn. 38). Deren Interessen können bei einer solchen Beschlussanfechtung be- rührt sein. Ob die abstrakte Gefahr nicht sachgerechter Unterrichtung ausreicht oder ob die Zustellungsvollmacht nur bei einer konkreten Interessengefährdung entfällt (dazu Wenzel in Bärmann, aaO, § 45 Rdn. 18), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Sicherstellung einer Unterrichtung der Wohnungseigentümer ist im einen wie im anderen Fall im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig.
14
dd) Danach waren hier die Kosten für die Unterrichtung der Wohnungseigentümer über die Erhebung der Klage dem Grunde nach erstattungsfähig. Anders liegt es dagegen bei den Kosten der Unterrichtung über den Ausgang des Verfahrens. Diese sind schon dem Grunde nach nicht erstattungsfähig, weil die Wohnungseigentümer den Rechtsstreit wie einen Verbandsprozess geführt haben.
15
3. Die Kosten für die Unterrichtung der Wohnungseigentümer sind der Höhe nach nur insoweit erstattungsfähig, als sie notwendig sind (dazu OLG Koblenz NJW 2005, 3789). Das trifft im Ergebnis nur für 377,20 € zu, nicht aber für die übrigen angemeldeten Kosten.
16
a) Um die Wohnungseigentümer über ihren Anfechtungsstreit sachgerecht zu unterrichten, war es nötig, ihnen die Klageschrift und die Klagebegründung mit einem Anschreiben zuzuleiten, das sie auch über die Ladung zum Termin unterrichtete. Dazu waren die abgerechneten 92 Briefsendungen nebst Porto und jeweils 15 Kopien (2 Blatt Anschreiben, 3 Blatt Klageschrift und 10 Blatt Klagebegründung) erforderlich. Die Kosten hierfür belaufen sich auf der Grundlage der eingereichten Abrechnungen auf 377,20 €. Es war nicht geboten , bei mehreren zusammen wohnenden Wohnungseigentümern jedem von ihnen die Unterlagen zuzusenden.
17
b) Eine Übersendung der umfangreichen Anlagen war nicht notwendig. Zweck der Unterrichtung über die Klage ist es, den Wohnungseigentümern die Entscheidung zu ermöglichen, ob sie sich selbst oder durch den Verwalter gegen die Klage verteidigen oder den Kläger unterstützen wollen. Dazu ist bei der im Kostenfestsetzungsrecht gebotenen (dazu Senat, Beschl. v. 25. Januar 2007, V ZB 85/06, NJW 2007, 2048, 2049) typisierenden Betrachtungsweise eine Zusendung der Anlagen zur Klageschrift oder Klagebegründung im Grundsatz nicht erforderlich.
18
c) Nicht angesetzt werden kann auch der Zeitaufwand für das Zusammenstellen und das Absenden der Briefsendungen an die Wohnungseigentümer. Dieser Aufwand gehört zu den Aufgaben des Verwalters und kann jedenfalls nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abgewälzt werden.

V.


19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Stresemann

Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 04.08.2008 - 72 C 188/07 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2008 - 84 T 355/08 -
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 218/09
vom
29. April 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Abschiebungshaftsachen muss aus den Verfahrensakten zu ersehen sein, dass
der Haftanordnung ein vollständiger Antrag der zuständigen Behörde zugrunde liegt.
BGH, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2010 durch die Richter
Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 16. November 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 19. Oktober 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt. Im Übrigen findet keine Auslagenerstattung statt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste über Pakistan, den Iran, die Türkei und Griechenland ohne Pass und Visum mit Hilfe einer Schleuserorganisation in das Bundesgebiet ein. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 wies er sich mit einem gefälschten französischen Identitätspapier aus und wurde festgenommen. Der Betroffene äußerte in seiner polizeilichen Vernehmung, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Die Beteiligte zu 2 verfügte die Zurückschiebung des Betroffenen nach Griechenland.
2
Bei dem Amtsgericht gingen nach dem Inhalt der Verfahrensakten per Telefax die ersten beiden Seiten des Formularantrags der Beteiligten zu 2 auf Anordnung der Freiheitsentziehung ein; die dritte Seite mit der Darstellung des Sachverhalts, der Antragsbegründung und der Unterschrift fehlte. Das Amtsgericht ordnete am 19. Oktober 2009 nach Anhörung des Betroffenen die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 18. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), bei dem ein am 19. Oktober 2009 gestellter Asylantrag registriert ist, richtete ein Übernahmeersuchen an die griechischen Behörden.
3
Die gegen die Haftanordnung gerichtete sofortige Beschwerde, mit der der Betroffene die fehlende Vorlage der "Ausländerakten" gerügt, auf seinen zwischenzeitlich gestellten Asylantrag hingewiesen, eine inhaltlich unzureichende Anhörung durch den Haftrichter und ferner geltend gemacht hat, dass die Zurückschiebung nach Griechenland vor dem Hintergrund der verwaltungsgerichtlichen Praxis nicht innerhalb des angeordneten Haftzeitraums durchgeführt werden könne, hat das Beschwerdegericht ohne erneute Anhörung des Betroffenen nach Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 16. November 2009 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Feststellung erreichen will, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der Asylantrag stehe nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG der Anordnung der Sicherungshaft nicht entgegen. Der im Rahmen der Vernehmung formlos gestellte Antrag des aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Betroffenen habe noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG zur Folge. Der förmliche Asylantrag sei erst aus der Haft heraus gestellt worden.
5
Angesichts des kurzen Zeitraums zwischen Festnahme und Anhörung des Betroffenen habe das Amtsgericht nicht auf den Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 zurückgreifen müssen. Ausländerakten seien im Übrigen noch nicht angelegt gewesen. Zudem sei ein etwaiger Verfahrensfehler durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs im Beschwerdeverfahren geheilt worden.
6
Zwar lägen wegen des Asylantrags die Voraussetzungen des in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrundes nicht mehr vor. Die Sicherungshaft könne jedoch auf den begründeten Verdacht gestützt werden, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG). Die Haftfristen seien gewahrt, die Inhaftierung sei nicht unverhältnismäßig. Da die Personalien des Betroffenen feststünden, sei nicht ersichtlich, dass die Abschiebung nicht innerhalb der Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG durchgeführt werden könne. Der Haftrichter sei an die Entscheidung der Beteiligten zu 2, den Betroffenen nach Griechenland zurückzuschieben, gebunden.
7
Schließlich sei der Betroffene nicht nach Ablauf von vier Wochen seit Stellung des Asylantrags aus der Haft zu entlassen. Denn diese Frist gelte nach § 14 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AsylVfG nicht, weil das BAMF ein Übernahmeersuchen an einen zur Übernahme verpflichteten Staat gestellt habe.
8
Von der mündlichen Anhörung habe abgesehen werden können, weil hiervon neue Erkenntnisse nicht zu erwarten gewesen seien und die wesentlichen Feststellungen anhand des Verwaltungsvorgangs hätten getroffen werden können.

III.

9
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG). An der Statthaftigkeit des Rechtsmittels ändert die zwischenzeitliche Erledigung der Hauptsache nichts. Die Regelung in § 62 FamFG, nach der das Beschwerdegericht auf Antrag ausspricht, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn er an der Feststellung - wie hier - ein berechtigtes Interesse hat, gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 9). Denn unter dem Blickwinkel effektiven Rechtsschutzes ist es unerheblich, in welchem Stadium des Verfahrens sich die angegriffene Entscheidung in der Hauptsache erledigt (vgl. BVerfGK 6, 303, 311).
10
Mit dem auf Feststellung gerichteten Antrag greift der Betroffene einen Beschluss an, der eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet; damit bleibt die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG zulassungsfrei (Senat, aaO, Rdn. 10).
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist begründet. Sowohl die Entscheidung des Amtsgerichts, die ebenfalls Gegenstand rechtlicher Nachprüfung durch den Senat ist (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 14), als auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist fehlerhaft und hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
13
aa) Ob es im Hinblick auf die Sollvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 FamFG zwingend eines unterschriebenen Antrags auf Freiheitsentziehung bedarf , kann allerdings ebenso offen bleiben wie die Frage, ob der von dem Vertreter der Beteiligten zu 2 bei der Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht mündlich gestellte Haftantrag rechtswirksam war (vgl. hierzu BKBahrenfuss /Rüntz, FamFG, § 25 Rdn. 9; Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 25 Rdn. 19; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG [2009], § 23 Rdn. 10, § 25 Rdn. 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, aaO, § 25 Rdn. 30 f.). Denn der Antrag war jedenfalls mangels vollständiger Begründung unzulässig.
14
bb) Die Begründung des Haftantrags ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zwingend; ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Antrags (Bassenge/Roth/Gottwald, FamFG, 12. Aufl., § 417 Rdn. 5; BK-Bahrenfuss/Grotkopp, aaO, § 417 Rdn. 4, 6; Keidel/Budde, aaO, § 417 Rdn. 3; Prütting/Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 6). Für Abschiebungshaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht , zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG). Durch diese Angaben soll dem Gericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung und ggf. für weitere Ermittlungen zugänglich gemacht werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 23. Juni 2008, BT-Drs. 16/9733 S. 299).
15
cc) Danach war der dem Amtsgericht nach dem Inhalt der Verfahrensakten vorliegende schriftliche Antrag der Beteiligten zu 2 unzureichend begründet.
16
(1) Aus dem per Telefax übersandten Antragsfragment und den zusätzlich überreichten Unterlagen ergaben sich die Identität des Betroffenen, die unerlaubte Einreise über den Flughafen Berlin-Tegel am 19. Oktober 2009 und das Fehlen eines festen Wohnsitzes im Bundesgebiet. Hieraus konnte der Haftrichter zu den Voraussetzungen der Haft, zu ihrer Verhältnismäßigkeit sowie zu der Erforderlichkeit der Haftdauer keine Anhaltspunkte für eine Überprüfung und weitere Aufklärung des Sachverhalts entnehmen. Über die fehlende Antragsbegründung können die Angaben des Betroffenen in seiner Anhörung nicht hinweghelfen.
17
(2) Daran ändert das Vorbringen der Beteiligten zu 2 nichts, dass anhand des in ihrem Verwaltungsvorgang enthaltenen Telefax-Sendeberichts und auf Grund der Angaben des Betroffenen von einem vollständigen Zugang des Haftantrags auszugehen sei. Sinn und Zweck der Antragsbegründung (s. dazu die Ausführungen unter 2. a) bb) a.E.) erfordern es, dass ihr Vorliegen bei der Anhörung des Betroffenen aus den Verfahrensakten ersichtlich ist. Diese müssen entweder den vollständigen schriftlichen Haftantrag enthalten, oder die Antragsbegründung muss sich aus dem Protokoll über die Anhörung ergeben. Fehlt beides, ist eine Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Haftanordnung in den Rechtsmittelinstanzen nicht möglich. Das wirkt zu Lasten der antragstellenden Behörde.
18
(3) Da hier aus den Verfahrensakten, die der Senat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hat (vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 1092; Jansen /Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 27 Rdn. 90; Keidel/Meyer-Holz, aaO, § 74 Rdn. 27), nicht ersichtlich ist, dass ein vollständiger Haftantrag vorlag oder gestellt wurde, ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass er fehlte.
19
dd) Durch die Vorlage des Verwaltungsvorgangs der Beteiligten zu 2 mit dem vollständigen Haftantrag in der Beschwerdeinstanz konnte der Verstoß gegen § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht geheilt werden (vgl. hierzu KG InfAuslR 2009, 356, 357; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 23). Denn bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde handelt es sich um eine Verfahrensgarantie , deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 304, 305; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 24; Prütting/ Helms/Jennissen, aaO, § 417 Rdn. 10).
20
ee) Wegen des Verstoßes gegen diese Verfahrensgarantie hat die Entscheidung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
21
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt ebenfalls nicht stand.
22
aa) Da ihm der Verwaltungsvorgang der Beteiligten zu 2 vorlag, fehlte es allerdings nicht mehr an dem Antrag der zuständigen Behörde auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG).
23
(1) Die Beteiligte zu 2 war für die Stellung des Haftantrags sachlich und örtlich zuständig. Sie ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde. Ihr sind nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 13).
24
(2) Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung lag der Haftantrag der Beteiligten zu 2 dem Beschwerdegericht im Original vor. Aus der Seite 3 des Antrags ergeben sich die für die Haftanordnung nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlichen Darlegungen. Darauf hat die Beteiligte zu 2 in ihrer Beschwerdeerwiderung Bezug genommen.
25
bb) Mit Erfolg macht der Betroffene jedoch geltend, das Beschwerdegericht habe ihn nach Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG anhören müssen. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Anhörung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG) lagen nicht vor. Der Betroffene hatte nämlich zuvor keine Gelegenheit, zu einem zulässigen Antrag auf Anordnung der Haft und damit zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der gegen ihn verhängten Freiheitsentziehung zu äußern und persönlich zu den Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, auf die es für die Entscheidung über die Freiheitsentzie- hung ankommt, insbesondere zu den von § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG geforderten Grundlagen. Nach dem Protokoll der Anhörung am 19. Oktober 2010 ist nämlich davon auszugehen, dass dem Betroffenen bei dem Amtsgericht lediglich der fragmentarisch vorhandene Haftantrag übersetzt worden ist.
26
cc) Wegen dieses Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat auch die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris, Rdn. 12 m.w.N.).

IV.

27
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2 FamFG, 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Bundesrepublik Deutschland als diejenige Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG), zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffen zu verpflichten.

28
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 19.10.2009 - 381 XIV 198/09 B -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.11.2009 - 84 T 441/09 B -
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).

(1) In dem Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist eine Frist für die Freiheitsentziehung bis zur Höchstdauer eines Jahres zu bestimmen, soweit nicht in einem anderen Gesetz eine kürzere Höchstdauer der Freiheitsentziehung bestimmt ist.

(2) Wird nicht innerhalb der Frist die Verlängerung der Freiheitsentziehung durch richterlichen Beschluss angeordnet, ist der Betroffene freizulassen. Dem Gericht ist die Freilassung mitzuteilen.

(3) Für die Verlängerung der Freiheitsentziehung gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung entsprechend.

12
c) In gleicher Weise zu begründen ist auch der Antrag der Behörde auf Verlängerung einer bereits angeordneten und vollzogenen Sicherungshaft.

(1) Ein verfahrenseinleitender Antrag soll begründet werden. In dem Antrag sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben sowie die Personen benannt werden, die als Beteiligte in Betracht kommen. Der Antrag soll in geeigneten Fällen die Angabe enthalten, ob der Antragstellung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. Urkunden, auf die Bezug genommen wird, sollen in Urschrift oder Abschrift beigefügt werden. Der Antrag soll von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden.

(2) Das Gericht soll den Antrag an die übrigen Beteiligten übermitteln.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

12
c) In gleicher Weise zu begründen ist auch der Antrag der Behörde auf Verlängerung einer bereits angeordneten und vollzogenen Sicherungshaft.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

12
b) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ZPO in der anzufechtenden Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, BGHZ 98, 109, 112 f.; OLG München OLGR 2005, 439; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 19 f.). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil der Betroffene durch wechselnde, falsche Angaben Behörden und Gerichte über seine Identität und Nationalität zu täuschen versucht hat, bei der Beschaffung der für seine Ausreise erforderlichen Ersatzpapiere nicht kooperiert und alles daran setzt, seine Abschiebung zu verhindern.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

7
b) Der Senat hält daran fest, dass Abschiebungshaft ohne das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen nicht angeordnet werden darf (dazu Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574 f.; Beschluss vom 18. August 2010, V ZB 211/10, InfAuslR 2010, 440; Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, Rn. 22; krit. LG Hamburg, Beschluss vom 20. August 2010 - 329 T 71/10 u. 75/10). Die Gegenauffassung, wonach die Haft zur Sicherung der Abschiebung schon dann angeordnet werden darf, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, das Einvernehmen werde innerhalb der DreiMonats -Frist nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erteilt (so etwa OLG Frankfurt, StV 2000, 377; OLG Düsseldorf, FGPrax 2001, 130; OLG Hamburg, InfAuslR 2006, 27, 28; OLG Saarbrücken, OLGR 2008, 63, 64; Hailbronner, Ausländerrecht , Stand 61. Aktual. Dezember 2008, § 62 AufenthG Rn. 110; aA wohl HKAusländerrecht /Hofmann [2008], § 72 AufenthG Rn. 34), wird dem hohen Rang des Freiheitsrechtes aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gerecht.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.