Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2002 - V ZB 40/02

bei uns veröffentlicht am21.11.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 40/02
vom
21. November 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Rechtsbeschwerde kann im Verfahren über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
nur wegen solcher Fragen zugelassen werden, die das Verfahren oder
die persönlichen Voraussetzungen betreffen.

b) Hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung grundsätzliche
Bedeutung oder wirft sie Fragen auf, die einer Klärung durch höchstrichterliche
Entscheidung bedürfen, so verspricht die Sache Aussicht auf Erfolg und es ist
Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 40/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. November 2002 durch
die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Gründe


I.


Mit notariellem Vertrag vom 30. Juli 1970 übertrug die Antragstellerin ihrer Tochter, der Ehefrau des Antragsgegners, das Eigentum an ihrem Hausgrundstück. Im Vertrag ist folgendes bestimmt:
"III. Die Beteiligte zu 2. [das ist die Ehefrau des Antragsgegners] räumt ihrer Mutter, der Beteiligten zu 1. [das ist die Antragstellerin] ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht an sämtlichen Räumen in der ersten Etage, mit Ausnahme eines Zimmers straßenwärts gelegen, ein.

IV.

Die Beteiligte zu 2. verpflichtet sich auf jederzeit zulässiges Verlangen der Beteiligten zu 1., dieser bis zum Lebensende unentgeltlich Pflege und Aufwartung zu gewähren."
Der Vertrag wurde im Grundbuch vollzogen. Die bei Abschluß des Vertrages 54 Jahre alte Antragstellerin lebte bis zum Ablauf des März 2001 wei-
terhin in dem Anwesen. Der Antragsgegner und seine Ehefrau lebten in den Räumen des Erdgeschosses. Am 21. November 1994 verstarb die Ehefrau des Antragsgegners. Sie wurde von diesem beerbt. Er zog Ende Februar 1998 aus dem Hause aus.
Seit dem 1. April 2001 lebt die Antragstellerin in einem Altenheim, weil sie pflegebedürftig ist. Sie hat beantragt, ihr Prozeßkostenhilfe für eine auf Zahlung einer monatlichen Rente und von Rückständen auf eine solche Rente gerichtete Klage zu gewähren. Die Antragstellerin ist der Auffassung, daß sie von dem Antragsgegner als Rechtsnachfolger seiner Ehefrau die Zahlung einer monatlichen Rente verlangen könne, da sie infolge ihrer Pflegebedürftigkeit außerstande sei, das ausbedungene Wohnrecht weiterhin in Anspruch zu nehmen. Sie stützt den Antrag in erster Linie auf Art. 15 § 9 Abs. 3 des Preußischen „Allgemeinen Landrechts“ und hilfsweise auf ergänzende Vertragsauslegung sowie den Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Der Antrag ist vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der – zugelassenen – Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsstellerin ihren Antrag weiter.

II.


Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint.
1. Die Rechtsbeschwerde hätte allerdings nicht zugelassen werden dür- fen. Die Zulassung setzt nach § 574 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO voraus, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder daß die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sie erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen kommen bei der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozeßkostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht. Hängt die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe , wie im vorliegenden Fall, allein von Frage ab, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kommt eine Rechtsbeschwerde dagegen nicht in Betracht. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung kann zwar Fragen aufwerfen, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen oder Veranlassung für eine Vertiefung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geben. Das Prozeßkostenhilfeverfahren hat aber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (BVerfG, Beschl. v. 13. März 1990, 2 BvR 94/88 u. a., NJW 1991, 413, 414; BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, MDR 1997, 1147, 1148; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 114 Rdn. 100; MünchKomm -ZPO/Wax, 2. Aufl., § 114 Rdn. 104; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 114 Rdn. 20; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 114 Rdn. 21). Deshalb ist die Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Rechtsverfolgung zu bejahen und Prozeßkostenhilfe , wenn die persönlichen Voraussetzungen gegeben sind, zu gewähren , wenn ein Rechtsmittel zugelassen werden müßte, weil die durch die Rechtsverfolgung aufgeworfenen Rechtsfragen einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen (OLG Karlsruhe, IPRax 1988, 176; OLG Köln, MDR 2000, 601; OLG Celle, FamRZ 2001, 700, 701). Ein Beschwerdegericht, das wegen der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung die Voraussetzungen
des § 574 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO für gegeben hält, muß deshalb Prozesskostenhilfe bewilligen; es darf die Prozeßkostenhilfe nicht ablehnen, gleichzeitig aber die Rechtsbeschwerde wegen eben jener Fragen zulassen. Geschieht dies dennoch, ist das Rechtsbeschwerdegericht allerdings daran gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Geldrente läßt sich nicht auf Art. 15 § 9 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (PrAGBGB) vom 20. September 1899 in der im Land Nordrhein-Westfalen fortgeltenden Fassung (SGVNW Nr. 40) stützen. Bei dem Vertrag vom 30. Juli 1970 handelt es sich, wie das Beschwerdegericht mit Recht ausgeführt hat, nicht um einen Altenteils - oder Leibgedingvertrag im Sinne des Einleitungssatzes von Art. 15 PrAGBGB, Art. 96 EGBGB. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats wird eine Grundstücksübertragung noch nicht allein durch eine Wohnrechtsgewährung mit Pflege- und Versorgungsverpflichtung zu einem Altenteils- oder Leibgedingvertrag (Senatsurt. v. 3. April 1981, V ZR 55/80, NJW 1981, 2568, 2569; v. 28. Oktober 1988, V ZR 60/87, NJW 1989, 451, 452; v. 23. September 1994, V ZR 113/93, NJW-RR 1995, 77, 78, v. 28. Januar 2000, V ZR 252/98, WM 2000, 586; u. v. 25. Oktober 2002, V ZR 293/01, zur Veröffentlichung vorgesehen ). Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, daß dem Übernehmer ein Gut oder Grundstück überlassen wird, kraft dessen Nutzung er sich eine eigene Lebensgrundlage verschaffen und gleichzeitig den dem Altenteil geschuldeten Unterhalt gewinnen kann (BGHZ 53, 41, 43). Der verstorbenen Ehefrau des Antragsgegners war indessen nur ein Hausgrundstück übertragen worden, das
keine eine Existenz – wenigstens teilweise – begründende Wirtschaftseinheit (Senatsurt. v. 28. Oktober 1988, V ZR 60/87, NJW 1989, 451, 452; u. v. 25. Oktober 2002, V ZR 293/01) darstellt.

b) Der Beschluß hat im Ergebnis auch insoweit Bestand, als er einen Anspruch unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung verneint.
aa) Beim Abschluß des Übergabevertrags vom 30. Juli 1970 mögen die Vertragsparteien nicht im einzelnen erwogen haben, daß die Antragstellerin ihre Tochter überleben werde. Das würde aber nichts daran ändern, daß der in diesem Vertrag ausbedungene Anspruch der Antragstellerin auf Wart und Pflege nunmehr auf den Antragsgegner als Erben seiner zunächst verpflichteten Ehefrau übergegangen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats sind solche Pflichten grundsätzlich nicht höchstpersönlicher Natur (BGHZ 25, 293, 299). Dem entspricht auch die Formulierung des Vertrags ("hat zu gewähren"), zumal die Ehefrau des Antragsgegners damals schon verheiratet war und kaum anzunehmen ist, daß die Antragstellerin die Erfüllung der Pflegeverpflichtung durch ihren Schwiegersohn oder andere Mitglieder der Familie ihrer Tochter abgelehnt hätte.
bb) Die Vertragsparteien sind, wie sich aus dem Text des Vertrags er- gibt, davon ausgegangen, daß die Antragstellerin zu Hause würde gepflegt werden können. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Das macht eine Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung erforderlich. Bei einem Übergabevertrag stellt die Einräumung des Anspruchs auf Wart und Pflege (zusammen mit dem Wohnrecht) die Gegenleis-
tung für die Übertragung des Eigentums an dem Hausgrundstück dar. Dem Absicherungsinteresse des Übergebenden entspricht es, daß ihm im Umfang der ersparten Aufwendungen ein Anspruch auf Beteiligung an den Pflegekosten zusteht, wenn der Pflegeverpflichtete seine Pflegeverpflichtung nicht mehr selbst erfüllen kann, weil der Übergebende in einem Maße pflegbedürftig wird, daß er professionelle Pflege braucht (Senatsurt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, WM 2002, 598, 599; OLG Koblenz, MittBayNK 1999, 284). Der Umfang der ersparten Aufwendung richtet sich nach dem Inhalt der ursprünglich bestehenden Pflicht zu Wart und Pflege (Senatsurt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, WM 2002, 598, 599). Diese Verpflichtung ist in dem vorliegenden Vertrag in allgemeiner Form bestimmt. Das bedeutet nicht, daß sich die Ehefrau des Antragsgegners und Tochter der Antragstellerin in unbegrenztem Umfang zu Wart und Pflege verpflichtet hätte. Sie war bei Abschluß des Vertrags verheiratet und Hausfrau. Daraus ergibt sich, daß die Ehefrau des Antragsgegners die Antragstellerin in einem Umfang pflegen sollte, wie es einer Tochter auch unter Berücksichtigung ihrer Pflichten gegenüber der eigenen Familie und ihrer berechtigten eigenen Lebensführungsinteressen zumutbar ist (vgl. Krauß, DNotZ 2002, 705, 711, 712). Hierzu findet sich in dem Antrag nichts. Auf seiner Grundlage konnte der Antragstellerin daher auch nicht teilweise Prozeßkostenhilfe bewilligt werden. Der Antragstellerin bleibt es jedoch unbenommen, mit einem neuen Prozeßkostenhilfeantrag das Streitverhältnis umfassend, auch unter diesem Gesichtspunkt, darzustellen.
Tropf Klein Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2002 - V ZB 40/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2002 - V ZB 40/02

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2002 - V ZB 40/02 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2002 - V ZB 40/02 zitiert oder wird zitiert von 44 Urteil(en).

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 293/01 Verkündet am: 25. Oktober 2002 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 14/01 Verkündet am: 21. September 2001 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2000 - V ZR 252/98

bei uns veröffentlicht am 28.01.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 252/98 Verkündet am: 28. Januar 2000 R i e g e l , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
41 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2002 - V ZB 40/02.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 624/12 vom 8. Mai 2013 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 114, 574; FamFG § 114 Abs. 2 1. Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auff

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Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 252/98 Verkündet am:
28. Januar 2000
R i e g e l ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Januar 2000 durch die Richter Dr. Vogt, Dr. Lambert-Lang, Tropf,
Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. Februar 1998 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Durch notariellen Vertrag vom 23. November 1989 übertrug der Kläger der Beklagten, seiner Tochter, "im Wege vorweggenommener Erbfolge" das Erbbaurecht an einem Grundstück in W. , N. Weg , bebaut mit einem Wohnhaus, in dem der Kläger mit seiner Ehefrau und die Beklagte mit ihrer Familie wohnte. Dem Kläger und seiner Ehefrau wurde ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an zwei Zimmern, Küche und Bad des Hauses ein-
geräumt. Ergänzend verpflichtete sich die Beklagte zu notarieller Urkunde vom 5. Februar 1990, den Kläger und seine Ehefrau bei Bedarf in gesunden und kranken Tagen "zu pflegen und zu betreuen bzw. kostenlos pflegen und betreuen zu lassen". Sie wurde als Erbbauberechtigte in das Grundbuch eingetragen. Im Mai 1995 zog sie nach Scheitern ihrer Ehe aus dem Haus aus. Die Mutter der Beklagten litt zu dieser Zeit bereits an Blutzucker, Herzinsuffizienz und Bluthochdruck; der Kläger erlitt im Juni 1995 einen Schlaganfall. Pflegeleistungen wurden von der Beklagten trotz Aufforderung nicht mehr erbracht. Die im Haushalt anfallenden Arbeiten und die Versorgung des Klägers und seiner Ehefrau wurden, soweit nötig, von den Brüdern der Beklagten und deren Ehefrauen geleistet.
In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien über Inhalt und Umfang der von der Beklagten übernommenen Pflegeverpflichtung. Mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 8. Juni, 30. Juni und 25. Juli 1995 forderte der Kläger die Beklagte auf, Pflegeleistungen zu erbringen und setzte ihr dafür eine Frist bis zum 4. August 1995, für deren fruchtlosen Ablauf er ankündigte , zukünftig Pflegeleistungen abzulehnen. Nachdem die Beklagte der Aufforderung nicht nachkam, erklärte er mit Schreiben vom 17. August 1995 den Rücktritt vom Vertrag. Am 28. Juni 1996 belastete die Beklagte das Erbbaurecht mit einer Grundschuld über 130.000 DM.
Der Klage auf Rückauflassung des Erbbaurechts hat das Landgericht stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat unter anderem ausgeführt: Ein Rücktrittsrecht des Klägers sei nach § 9 Nds. AGBGB i.V.m. mit Art. 96 EGBGB ausgeschlossen , da ein Altenteilsvertrag vorliege. Auch wenn man dieser Auffassung nicht folge, scheide ein Rücktritt des Klägers nach § 326 BGB aus. Zwar sei die Beklagte mit tatsächlich erforderlichen Pflegeleistungen in Verzug gewesen. Der Kläger habe aber das Unterbleiben der Leistungen in wesentlicher Weise durch unberechtigte Forderungen mitverursacht, was eine eigene Vertragsuntreue darstelle.

II.


Die Revision hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückauflassung des Erbbaurechts (§ 327 Satz 1; § 346 Satz 1 BGB), weil er wirksam vom Vertrag mit der Beklagten zurückgetreten ist (§ 326 Abs. 1 BGB).
1. Zu Unrecht beurteilt das Berufungsgericht das Schuldverhältnis zwischen den Parteien als Altenteilsvertrag. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, wird eine Grundstücksübertragung allein durch eine Wohnrechtsgewährung mit Pflege- und Versorgungsverpflichtung im Bedarfsfall noch nicht zum Altenteilsvertrag (vgl. z.B. Urteile v. 4. Dezember 1981, V ZR 37/81, WM 1982, 208, 209; v. 28. Oktober 1988, V ZR 60/87, WM 1989, 70; v. 23. September 1994, V ZR 113/93, NJW-RR 1995, 77, 78). Dieser hat in der Regel die Gewährung des vollen Unterhalts mit Wohnrechtsgewährung zum Inhalt, wobei dem Übernehmer ein Gut oder Grundstück überlassen wird,
kraft dessen Nutzung er sich eine eigene Lebensgrundlage verschaffen und gleichzeitig den dem Altenteiler geschuldeten Unterhalt gewinnen kann (BGHZ 53, 41, 43). Der Wesenszug eines solchen Altenteils liegt in dem Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz - wenigstens teilweise - begründende Wirtschaftseinheit (vgl. Senatsurt. v. 28. Oktober 1988, aaO, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind weder behauptet noch festgestellt. Das Berufungsgericht gelangt zu einer anderen Beurteilung nur deshalb, weil es im rechtlichen Ansatzpunkt von der Senatsrechtsprechung abweicht.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind nach seinen Feststellungen auch die Voraussetzungen eines wirksamen Rücktritts nach § 326 Abs. 1 BGB erfüllt.

a) Das Schuldverhältnis zwischen den Parteien ist nach seiner Ergänzung um die Pflegeverpflichtung der Beklagten ein gegenseitiger Vertrag nach §§ 320 ff BGB. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe die Pflegeverpflichtung für die Übertragung des Erbbaurechts übernommen. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, sondern geht in ihrer Berufungsbegründung selbst davon aus, daß zwischen den Parteien ein gegenseitiger Vertrag bestehe , auf den die Regeln der §§ 320 ff BGB anzuwenden seien. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist unerheblich, ob der Wert der Pflegeverpflichtung den Wert des Erbbaurechts erreicht. Auch wenn die Parteien im Hinblick auf die objektiven Wertverhältnisse eine teilweise unentgeltliche Zuwendung beabsichtigten, liegt ein gegenseitiger Vertrag nach §§ 320 ff BGB vor.

b) Das Berufungsgericht nimmt nach seinen unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen an, daß sich die Beklagte mit den übernommenen Pfle-
geleistungen in Verzug befand. Sie hat die unstreitig nötigen Leistungen nach ihrem Auszug trotz Mahnung weder erbracht noch erbringen lassen und diese auch nicht in der erforderlichen Weise tatsächlich angeboten (§ 294 BGB). Auch die Voraussetzungen für ein bloß wörtliches Angebot (§ 295 BGB) lagen nicht vor.

c) Rechtsfehlerhaft hält es einen Rücktritt des Klägers wegen eigener Vertragsuntreue für ausgeschlossen. Es sieht diese in einer angeblich unberechtigten Zuvielforderung des Klägers, weil er mit Schreiben vom 8. Juni 1995 eine 24-stündige Betreuung der Mutter gefordert habe, die in diesem Umfang nicht erforderlich gewesen sei. Ferner habe er Betreuungsleistungen Dritter grundsätzlich abgelehnt, obwohl diese nach dem Vertragswortlaut ohne Einschränkung zulässig gewesen seien. Jedenfalls aber habe der Kläger bei ergänzender Vertragsauslegung im Hinblick auf die veränderten Lebensverhältnisse der Beklagten in einem zumutbaren Rahmen die Einschaltung von Dritten als Hilfspersonen zur Betreuung und Pflege hinnehmen müssen.
Der vom Berufungsgericht angesprochene Gesichtspunkt einer angeblichen Zuvielforderung des Klägers betrifft allerdings nicht die aus § 242 BGB abgeleitete ungeschriebene Voraussetzung von § 326 BGB, nämlich die eigene Vertragstreue des Gläubigers (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 326 Rdn. 10 m.w.N.), sondern greift in den geschriebenen Tatbestand ein, weil in diesem Zusammenhang nach den Umständen des Falles zu entscheiden ist, ob eine Zuvielforderung die Wirksamkeit der Mahnung (und damit den Verzug) oder die Nachfristsetzung in Frage stellt (vgl. auch Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 6. Aufl., Rdn. 143). Das Berufungsgericht gerät damit in Wi-
derspruch zu seiner eigenen Auffassung, die Beklagte habe sich mit den Pflegeleistungen in Verzug befunden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt aber eine relevante Zuvielforderung des Klägers nicht vor. Es bestehen schon erhebliche Zweifel daran, ob er mit Schreiben vom 8. Juni 1995 von der Beklagten eine Betreuung "rund um die Uhr" forderte. Dies kann jedoch offenbleiben, denn er hat mit Schreiben vom 30. Juni 1995 eine solche Forderung jedenfalls nicht wiederholt, sondern sich darauf beschränkt, ganz konkrete Betreuungsleistungen , nämlich die Bereitung des Frühstücks und eines warmen Abendessens sowie die Sauberhaltung der Wohnung und das Wäschewaschen mit Bügeln, zu fordern und im Fristsetzungsschreiben vom 25. Juli 1995 hierauf Bezug genommen sowie dargelegt, daß die Beklagte diese Leistungen außerhalb ihrer Arbeitszeit erbringen könne. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 1995 die Erbringung von Pflegeleistungen durch Dritte nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern ist der Auffassung der Beklagten entgegengetreten, daß die Pflegeleistungen generell von Dritten erbracht werden könnten und nahm eine solche Berechtigung nur für Ausnahmefälle (z.B. Krankheit oder Urlaub der Beklagten) an. Läge darin auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung eine Zuvielforderung des Klägers, so würde dies jedenfalls nach den Umständen des Falles weder die Wirksamkeit der Mahnung noch die der Fristsetzung in Zweifel ziehen. Es wäre vielmehr von einer wirksamen Aufforderung zur Erbringung der Leistung im geschuldeten Umfang auszugehen (§ 242 BGB). Die Differenzen der Parteien betrafen die schwierige Frage der Vertragsauslegung. Die Eltern der Beklagten befanden sich unstreitig in einer gesundheitlich bedrohlichen Situation. Der Kläger hatte einen Schlaganfall er-
litten und war gerade eben aus dem Krankenhaus entlassen worden, seine Frau war ebenfalls nur bedingt einsatzfähig. Eine Betreuung war für die Eltern der Beklagten von herausragender Bedeutung. Ihr Wunsch, von einer ihnen vertrauten Person gepflegt zu werden, erscheint verständlich und auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung (Drittleistungen in zumutbarem Rahmen) ebenfalls nicht unverhältnismäßig und überzogen. Vor diesem Hintergrund mußte die Beklagte die Mahnung und Fristsetzung jedenfalls als Aufforderung verstehen, nunmehr überhaupt tätig zu werden und konnte nicht davon ausgehen, die Eltern würden tatsächlich angebotene Pflegeleistungen ablehnen. Demgegenüber hat sie sich nur darauf beschränkt, verbal ihre Pflegebereitschaft auszudrücken und durch ihr Schreiben vom 14. Juni 1995 auch noch den Eindruck erweckt, es bedürfe zunächst einer Begutachtung zur Pflegebedürftigkeit. Dies blieb ganz entscheidend hinter ihrer vertraglichen Verpflichtung zurück.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Vogt Lambert-Lang Tropf Schneider Lemke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 293/01 Verkündet am:
25. Oktober 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Will der Tatrichter von der Aussage eines sachverständigen Zeugen über sachkundig
getroffene Feststellungen abweichen, muß er seine bessere Sachkunde darlegen.
EGBGB Art. 96
Den Voraussetzungen eines Altenteils ist nicht genügt, wenn der Übernehmer in den
übergebenen Räumen seine Berufstätigkeit aufnimmt oder fortsetzt.
BGH, Urt. v. 25. Oktober 2002 - V ZR 293/01 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2002 durch die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein,
Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Geschwister. Mit notariellem Vertrag vom 20. Mai 1994 übergaben die Eltern den Beklagten ein Hausgrundstück unter gleichzeitiger Bestellung eines lebenslangen Wohnrechts im Erdgeschoß und einer Pflegeverpflichtung der Beklagten. Der Beklagte zu 1 wohnte bereits seit 1993 in dem Haus und betrieb dort ein Atelier mit Werkstatt. Mit notariellem Vertrag vom 11. Juli 1995 ließen die Vertragsparteien die Eintragung der Pflegeverpflichtung im Grundbuch löschen, waren sich aber darüber einig, daß sie gleichwohl weiter gelten solle. Ende 1995 kehrte der Kläger nach einem Auslandsaufenthalt zurück. In der Folge kam es zu erheblichen Spannungen, die schließlich
dazu führten, daß der Beklagte zu 1 das Haus verließ. Am 12. April 1996 schloß der Kläger mit seinen Eltern einen Erbvertrag, worin er zum Schlußerben des letztversterbenden Elternteils bestimmt wurde.
Die Eltern haben von den Beklagten die Rückübertragung und Räumung des Hausgrundstücks verlangt. Nach deren Tod hat der Kläger den Rechtsstreit als Erbe fortgesetzt. Er hat an dem erstinstanzlichen Vortrag festgehalten , die Eltern seien bei Abschluß des Vertrages von den Beklagten über deren Bereitschaft, die Pflegeleistungen zu erbringen, arglistig getäuscht worden. Außerdem habe ein wichtiger Grund zur Kündigung des Vertrags wegen Vernachlässigung der Pflegeverpflichtung und weiteren Verpflichtungen bestanden. Im zweiten Rechtszug hat der Kläger zusätzlich behauptet, die Mutter der Parteien sei bei Abschluß des Übergabevertrages geschäftsunfähig gewesen.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Geschäftsunfähigkeit der Mutter bei Abschluß des Übergabevertrages am 20. Mai 1994 lasse sich nicht feststellen. Gleiches gelte für eine arglistige Täuschung durch die Beklagten. Einem Rücktritts- oder Kündigungsrecht der Eltern stehe § 13 BWüAGBGB i.V.m. Art. 96 EGBGB entgegen, weil der Übergabevertrag ein Altenteil zum Inhalt
habe. Auf die Frage des Umfanges und der Qualität der erbrachten Pflegeleistungen komme es deshalb nicht an. Ebenfalls nicht festzustellen sei ein grober Undank. Eine von dem Kläger zum Beweis hierfür angebotene Tonbandaufnahme sei nicht verwertbar, weil die Umstände ihres Zustandekommens nicht bekannt seien. Weitere Rückforderungsgründe bestünden nicht.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

II.


1. Die Verneinung von Ansprüchen, denen die Nichtigkeit des Übergabevertrags vom 20. Mai 1994 wegen Geschäftsunfähigkeit der Übergeberin zugrunde liegt, hat keinen Bestand.

a) Zu Recht rügt die Revision eine Verletzung des § 286 ZPO bei den zur Geschäftsunfähigkeit der Mutter der Parteien bei Übergabe des Hausgrundstücks getroffenen Feststellungen. Der von dem Berufungsgericht bestellte Sachverständige war in seinem schriftlichen Gutachten zu der Auffassung gelangt, die Übergeberin sei zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig gewesen. Bei seiner mündlichen Anhörung hat er dieses Urteil aber von der Voraussetzung abhängig gemacht, daß der Zustand der Geschäftsunfähigkeit der Übergeberin bereits bei deren Einweisung in die vom ihm geleitete gerontopsychiatrische Klinik durch den als sachverständigen Zeugen vernommenen Neurologen und Psychiater am 17. Mai 1994 bestanden habe. Zu dieser Frage hat er im Hinblick darauf, daß die Einlieferung erst am 24. Mai 1994 erfolgt war, keine eigenen Feststellungen zu treffen vermocht. Der sachverständige Zeuge
hat zu dem Zustand der Übergeberin am 17. Mai 1994 bekundet, auslösender Faktor der Einweisung sei ein von der Übergeberin (unter Alkoholeinfluß) verursachter Verkehrsunfall gewesen. Der Unfall habe bei der Übergeberin - die nach dem Urteil beider Ärzte manisch depressive Züge aufwies - zur psychischen Dekomposition geführt. Schon vor dem Unfall habe sich eine manische Phase angekündigt, die auch mit vermehrtem Alkoholgenuß verbunden gewesen sei. Es hätte die Möglichkeit bestanden, diese Phase im häuslichen Bereich "wieder in den Griff zu bekommen", wenn es nicht zu dem Unfall gekommen wäre. Der Unfall habe aus medizinischer Sicht bewirkt, daß bei der Übergeberin "als Folge hiervon und im Anschluß hieran" Geschäftsunfähigkeit anzunehmen sei. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit am 17. Mai 1994 mit der Begründung in Zweifel gezogen, daß der stationären Einweisung lediglich ein Telefongespräch mit der Übergeberin und deren Angehörigen zugrunde gelegen habe, daß der Wunsch nach stationärer Behandlung wesentlich von der Übergeberin selbst ausgegangen und es offenbar ohne weiteres möglich gewesen sei, die Einlieferung auf den 24. Mai 1994, die Zeit nach den Pfingsttagen, zu verlegen. Damit hat sich das Berufungsgericht, ohne seine eigene bessere Sachkunde darzulegen, über das sachkundige Zeugnis des behandelnden Facharztes hinweggesetzt. Dies verstößt gegen § 286 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es der Darstellung entsprechender Sachkunde, wenn ein Gericht fachlichen Feststellungen oder fachlichen Schlußfolgerungen eines herangezogenen Gutachters nicht folgen will (Urt. v. 15. März 1988, VI ZR 81/87, VersR 1988, 837; v. 21. Januar 1997, VI ZR 86/96, NJW 1997, 1446; vgl. auch BGH, Urt. v. 17. Oktober 2001, IV ZR 205/00, BGHR ZPO § 286 Abs. 1, Sachverständigenbeweis 34). Dies gilt auch für den Fall der Abweichung von der Bekundung eines sachverständigen Zeugen über die von ihm sachkundig getrof-
fene Feststellung der Befundtatsachen oder, wie hier, der Haupttatsache des Beweises. Der zusätzliche Hinweis, manische Phasen könnten sich kurzfristig aufhellen, stimmt zwar mit der Beurteilung beider Sachverständigen überein, sie ersetzt aber nicht die von dem sachverständigen Zeugen getroffene Beurteilung des tatsächlichen Krankheitsbildes der Übergeberin am 20. Mai 1994. Die abschließende Überlegung, für den Zeitpunkt einer Notfalleinweisung im Jahre 1995 habe der Zeuge Geschäftsunfähigkeit nicht ausschließen können, trägt nichts zur Sache bei.

b) Die Hilfserwägung, die Vertragsparteien hätten den Übergabevertrag durch die Urkunde vom 11. Juli 1995, bei deren Erstellung die Übergeberin geschäftsfähig gewesen sei, bestätigt (§ 141 BGB), geht fehl. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht kein denknotwendiger Zusammenhang zwischen der Aufhebung eines Teiles des Vereinbarten, hier der übernommenen Pflegeverpflichtung, und der Bestätigung des Restes. Der nach § 141 BGB erforderliche Bestätigungswille setzt voraus, daß die Beteiligten die Nichtigkeit des Vereinbarten kannten oder doch Zweifel an seiner Rechtsbeständigkeit hegten (BGHZ 129, 371, 377). Mit Zweifeln an der Rechtsbeständigkeit des von der Aufhebungsvereinbarung nicht betroffenen Teils des Vertrags ist die Teilaufhebung weder notwendig noch auch nur im Sinne einer Beweiserwägung mit Wahrscheinlichkeit verbunden. Das Berufungsgericht sieht die Bestätigungswirkung der Teilaufhebung vom 11. Juli 1995, kontradiktorisch zu § 141 BGB, gerade darin, daß Zweifel an der Rechtsgültigkeit der unberührten Vertragsteile nicht bestanden hatten. Daß die Vertragsbeteiligten, wovon das Berufungsgericht auszugehen hatte, den Wegfall der Pflegeverpflichtung in Wirklichkeit nicht wollten (§ 117 Abs. 1 BGB), bestätigt das Fehlen eines rechtlichen Bestätigungswillens. Im übrigen erfordert die Bestätigung eines
formbedürftigen Geschäfts zumindest die Bezugnahme auf das ursprünglich Vereinbarte (BGH, Urt. v. 6. Mai 1985, VIII ZR 119/84, NJW 1985, 2579 f). Die notarielle Urkunde vom 11. Juli 1995 läßt den Übergabevertrag vom 20. Mai 1994 unerwähnt.
2. Auch die Verneinung eines Rücktrittsrechts der Übergeber wegen Nichterfüllung der übernommenen Pflegepflichten hat keinen Bestand. Das Berufungsgericht läßt offen, ob das Geschuldete erbracht wurde, und meint, ein Rücktrittsrecht sei nach § 13 BWAGBG, der nach dem Vorbehalt für Altenteilsverträge in Art. 96 EGBGB heranzuziehen sei, ausgeschlossen. Hierzu reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts indessen nicht hin. Im Ausgangspunkt zutreffend hebt dieses zwar darauf ab, daß der wesentliche Grundzug des Altenteils in einem Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz - wenigstens teilweise - begründende Wirtschaftseinheit besteht (Senat , BGHZ 53, 41, 43; Urt. v. 28. Oktober 1988, V ZR 60/87, WM 1989, 70). Erforderlich ist danach, daß ein Beteiligter dem anderen nach Art einer vorweggenommenen Erbfolge seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um dafür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten, während der Übernehmer eine wirtschaftlich selbständige Stellung erlangt (Senat, BGHZ 3, 206, 211; 107, 156, 160). Es genügt mithin nicht, daß der Übernehmer das erlangte Grundstück zur Schaffung seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlage nutzt, erforderlich ist vielmehr zusätzlich, daß die Existenzgrundlage vom Übergeber bereits geschaffen war und der Übernehmer in diese eintritt. Der Umstand, daß der Beklagte zu 1 im elterlichen Haus ein Atelier mit Werkstatt eingerichtet hatte und dort nach Übergabe beibehielt , auf den sich das Berufungsurteil stützt, läßt ein Einrücken in eine bereits von den Übergebern geschaffene Existenzgrundlage nicht erkennen.
Denn es reicht nicht aus, daß der Übernehmer in den übergebenen Räumen seine Berufstätigkeit aufnimmt oder, wie hier, fortsetzt.
3. Sollte sich das Berufungsgericht erneut mit der Frage des Schenkungswiderrufs wegen groben Undanks der Beklagten (§ 530 BGB) zu befassen haben, wird es beachten müssen, daß die Tonbandaufzeichnung, durch die der Kläger Augenscheinsbeweis antritt, nach dessen Behauptung mit Einwilligung der Übergeber erfolgt ist (zur Verwertbarkeit des Beweismittels vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1981, VI ZR 164/79, NJW 1982, 277; v. 13. Oktober 1987, VI ZR 83/87, NJW 1988, 1016). Zu berücksichtigen werden auch die Auswirkungen des Todes der Übergeber auf das Fortwirken ihres Persönlichkeitsrechts sein.
Tropf Krüger Klein
Lemke Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 14/01 Verkündet am:
21. September 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kann der Übernehmer die in einem Übergabevertrag vereinbarte Verpflichtung zur
umfassenden Pflege des Übergebers wegen dessen medizinisch notwendiger Unterbringung
in einem Pflegeheim nicht mehr erfüllen, muß er ohne entsprechende
Abrede die Kosten der Heimunterbringung nicht tragen; wohl aber muß er sich an
ihnen in Höhe seiner ersparten Aufwendungen beteiligen.
BGH, Urt. v. 21. September 2001 - V ZR 14/01 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel, die
Richterin Dr. Lambert-Lang und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und
Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. November 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. Oktober 1983 erhielt die Beklagte von ihrer Groûmutter, die Hofvorerbin war, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den Hof M. in V. übertragen; der Vater der Beklagten stimmte als Hofnacherbe dieser Übertragung zu. Die Beklagte übernahm sämtliche im Grundbuch eingetragenen Rechte einschlieûlich der schuldrechtlichen Verpflichtungen sowie die auûerhalb des Grundbuchs bestehenden persönlichen Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des Hofs
angefallen waren. Für die Groûmutter und den Vater bestellte die Beklagte als "Altenteile" bezeichnete Rechte (Wohnrechte, verbunden mit einer umfassenden Pflegepflicht), zu denen es in dem Vertrag u.a. heiût:
"Die Erschienene zu 2 (= Beklagte) verpflichtet sich den Erschienenen zu 1 und 3 (= Groûmutter und Vater) gegenüber, diesen Hege und Pflege in gesunden und kranken Tagen angedeihen zu lassen und für den Fall einer bestehenden Notwendigkeit auch für die Gestellung einer Pflegeperson zu sorgen, so daû dadurch eine umfassende Pflege und Versorgung der Erschienenen zu 1 und 3 gewährleistet ist. Zu dem Recht auf Pflege zählen auch der freie Bezug von Arzneimitteln, ärztliche Versorgung und freier Krankenhausaufenthalt, sofern solche Leistungen nach ärztlichen Anordnungen notwendig werden. Sämtliche vorstehenden Verpflichtungen der Erschienenen zu 2 in bezug auf etwaige Kranken- und Heilbehandlungsmaûnahmen greifen jedoch erst dann ein, wenn die anfallenden Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung der Erschienenen zu 1 und 3 nicht oder nicht mehr in vollem Umfang getragen werden."
Die Groûmutter der Beklagten verstarb in der Folgezeit. Der Vater zog im Jahr 1984 aus seiner Wohnung auf dem Hof aus. Im März 1989 wurde er zur stationären Pflege in ein Seniorenheim aufgenommen. Da seine Rente zur Begleichung der Pflegekosten nicht ausreichte, zahlte der Kläger den Differenzbetrag. Er leitete deswegen eine Reihe von Ansprüchen des Pflegebedürftigen gegen die Beklagte auf sich über. Das von der Beklagten hiergegen angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren war für sie erfolglos.
Am 24. November 1995 verstarb der Vater der Beklagten in dem Pflegeheim.
Der auf Erstattung von Pflegekosten in Höhe von 28.160,30 DM für die Zeit von Januar 1993 bis Oktober 1993 gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Revision des Klägers, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht verneint eine aus dem Hofübergabevertrag folgende Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die ungedeckten Kosten der Heimunterbringung zu erstatten. Die Erklärungen der Vertragsparteien lieûen nämlich nur den Schluû zu, daû die Beklagte für Pflegekosten, die auûerhalb des Hofes und nicht in einem Krankenhaus anfielen, nicht aufkommen sollte. Weiter besteht nach Auffassung des Berufungsgerichts kein übergeleiteter Anspruch des Klägers aus Art. 96 EGBGB in Verbindung mit Art. 15 § 9 PrAGBGB, weil kein Altenteilsvertrag im Sinne der letztgenannten Vorschrift vereinbart worden sei; eine generationsübergreifende Nutzung des Grundstücks als Existenzgrundlage sei nämlich nicht erkennbar. Auch ergebe sich ein Zahlungsanspruch des Klägers nicht nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage; denn die für die Festsetzung der vereinbarten Leistungen maûgeblichen Verhältnisse hätten sich seit Vertragsschluû nicht wesentlich verändert. Schlieûlich bestünden auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche des Klägers, da die Beklagte nichts ohne Rechtsgrund erlangt habe.

II.


Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Falls das Berufungsgericht, wie es in seinem Urteil anklingt, davon ausgeht, daû der Vertrag vom 13. Oktober 1983 hinsichtlich der Pflegeverpflichtung der Beklagten eindeutig und deswegen nicht auslegungsfähig sei, wäre das fehlerhaft. Der Annahme, die Beklagte werde bei einer Unterbringung ihres Vaters in einem Pflegeheim von sämtlichen ihm gegenüber übernommenen Verpflichtungen frei, weil der Vertrag keine ausdrückliche Regelung für den Fall der Heimunterbringung enthält, läge ein falsches Verständnis von der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit notarieller Urkunden zugrunde. Sie erstreckt sich nämlich nur auf die vollständige (und richtige) Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen (Senatsurt. v. 1. Februar 1985, V ZR 180/83, WM 1985, 699 f m.w.N.), besagt jedoch nichts über den Vertragswillen der Parteien; der muû nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) ermittelt werden. Anderenfalls wäre eine ergänzende Vertragsauslegung niemals möglich , weil mit einer Vollständigkeitsvermutung in dem vom Berufungsgericht eventuell verstandenen Sinn jede Vertragslücke zu verneinen wäre. Es liegt auf der Hand, daû das nicht richtig sein kann.
2. Jedenfalls ist die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts fehlerhaft.

a) Die Auslegung einzelvertraglicher Regelungen durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht insoweit nachgeprüft werden, als gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (st.Rspr., s. nur
Senatsurt. v. 1. Oktober 1999, V ZR 168/98, WM 1999, 2513, 2514 m.w.N.). Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (Senatsurt. v. 1. Oktober 1999, aaO). Dagegen hat das Berufungsgericht verstoûen. Seine Auslegung läuft darauf hinaus, daû die Vertragspartner hinsichtlich der Verpflichtung zur Tragung der Kosten für die Unterbringung des Vaters der Beklagten in einem Pflegeheim einen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich des zuständigen Trägers der Sozialhilfe, abgeschlossen haben. Das ist jedoch sinnlos; denn solche Verträge kennt unsere Rechtsordnung nicht (BGHZ 78, 369, 374 f). Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist aber anzunehmen, daû eine vertragliche Bestimmung nach dem Willen der Parteien einen bestimmten rechtserheblichen Inhalt haben soll; deswegen ist bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben, bei welcher der Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese Regelung ansonsten als (teilweise) sinnlos erweisen würde (Senatsurt. v. 1. Oktober 1999, aaO). Möglich ist hier auch die Auslegung , daû die Klägerin für den Fall der Unterbringung ihres Vaters in einem Pflegeheim nicht von allen aus dem "Altenteil" folgenden Verpflichtungen befreit werden sollte.

b) Die Auslegung des Berufungsgerichts verletzt auch die Interessenlage des Vaters der Beklagten. Es ist allgemein bekannt, daû bei der Hofübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge der Übergeber sich deswegen von dem Übernehmer ein umfangreiches Pflegerecht zusagen läût, damit er weiterhin auf dem Hof leben und dort versorgt werden kann; falls aus gesundheitlichen Gründen eine Unterbringung auûerhalb des Hofes erforderlich wird, soll der Übernehmer die - von einer Versicherung nicht gedeckten - Kosten tragen. Die Vorstellung, zum "Sozialfall" zu werden, ist in bäuerlichen Kreisen
geradezu unerträglich. Das galt im Jahr 1983 vielleicht in einem noch höheren Maû als heute. Jedenfalls schwebten damals (zumindest) dem Vater der Beklagten diese allgemein gültigen Sichtweisen bei dem Abschluû des Hofübergabevertrags vor; das zeigt die Aufnahme der Regelungen über die umfassende Pflege und Versorgung einschlieûlich freier ärztlicher Versorgung und freiem Krankenhausaufenthalt.

c) Die Auslegung des Berufungsgerichts hat deshalb keinen Bestand. Weitere tatsächliche Feststellungen kommen nicht mehr in Betracht. Das Revisionsgericht ist damit zu eigener Auslegung befugt. Sie führt dazu, daû die Beklagte in dem hier streitigen Zeitraum nicht von allen in dem Hofübergabevertrag übernommenen Verpflichtungen befreit war. Das bedeutet allerdings nicht, daû sie die vollen Kosten der Heimunterbringung ihres Vaters tragen muû. Eine solche Annahme läût zum einen die vertraglichen Regelungen über etwaige Kranken- und Heilbehandlungsmaûnahmen auûer acht. Danach sollte eine Zahlungspflicht der Beklagten nur insoweit bestehen, als die anfallenden Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung des Vaters nicht oder nicht mehr in vollem Umfang getragen wurden. Diesen Leistungen von dritter Seite sind für den Fall der Heimunterbringung die Renteneinkünfte des Vaters gleichzustellen; sie sind - in dem gesetzlich zulässigen Umfang - zuerst zur Bezahlung der Pflegeheimkosten einzusetzen. Zum anderen scheidet eine volle Kostentragungspflicht der Beklagten auch deswegen aus, weil die Vertragsparteien die Pflege des Vaters auf dem Hof vereinbart hatten; die Beklagte muûte somit nur die dadurch anfallenden Kosten tragen. Das hat zur Folge, daû sie zu den Heimkosten nur einen Betrag in Höhe der eigenen ersparten Aufwendungen beizutragen hat. Damit ist gewährleistet, daû sie durch die Heimunterbringung finanziell weder zusätzlich belastet noch ungerechtfer-
tigt, weil auf Kosten der Allgemeinheit, entlastet wird. Dieser Gesichtspunkt ist im übrigen auch dann zu beachten, wenn man von der Auslegung des Berufungsgerichts ausgeht; sie betrifft nämlich nur die Frage der Übernahme der Heimkosten und besagt nichts über die ersparten Aufwendungen der Beklagten für die Pflege auf dem Hof.
4. Der Umstand, daû der Vater bereits im Jahr 1984 aus seiner Wohnung auf dem Hof ausgezogen ist, ändert nichts an der Verpflichtung der Beklagten. Zumindest für den hier streitigen Zeitraum steht nämlich nach dem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten die medizinische Notwendigkeit der Unterbringung des Vaters in einem Pflegeheim fest; die Beklagte konnte ihrer Pflegeverpflichtung auf dem Hof selbst unter Hinzuziehung einer Pflegeperson nicht mehr nachkommen. Deshalb scheidet die Annahme eines Verzichts des Vaters auf Leistungen der Beklagten von vornherein aus.

III.


Nach alledem kommt es auf die Erwägungen des Berufungsgerichts zu Ansprüchen gegen die Beklagte nach Art. 96 EGBGB in Verbindung mit Art. 15 § 9 PrAGBGB und den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sowie auf die dagegen gerichteten Revisionsangriffe nicht mehr an. Beide Ansprüche scheiden im übrigen - auch nach dem vom Berufungsgericht eingeschlagenen Lösungsweg - bereits wegen der vorrangigen vertraglichen Regelung aus.

IV.


Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es ermitteln kann, welche Aufwendungen die Beklagte für die Pflege auf dem Hof in dem hier streitigen Zeitraum dadurch erspart hat, daû ihr Vater in dem Pflegeheim untergebracht war.
Vorsitzender Richter am BGH Dr. Wenzel und Richterin am BGH Dr. Lambert-Lang sind infolge Krankheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Krüger Krüger Lemke Gaier