Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2005 - VI ZB 4/05

bei uns veröffentlicht am12.07.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 4/05
vom
12. Juli 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2005 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Januar 2005 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 11.616,52 €

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen das ihre Klage teilweise abweisende Urteil des Landgerichts vom 16. Juli 2004, das ihr am 10. August 2004 zugestellt worden ist, mit Telefax vom 16. September 2004 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie hat hierzu vorgetragen, daß die Berufungsschrift ausweislich der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Auszubildenden L. am 8. September 2004 vor 18.00 Uhr durch Einwurf in den Briefkasten zur Post aufgegeben worden ist. Dies sei auch
in den Akten vermerkt und vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin geprüft worden. Der Schriftsatz sei offensichtlich auf dem Postweg verloren gegangen. Die Akte sei am 10. September 2004 zur Fristenkontrolle durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf dessen Schreibtisch gelegt worden. Dem Prozeßbevollmächtigten sei es aufgrund einer schweren Magen-Darm-Grippe, an der er in der Nacht zum 10. September 2004 überraschend erkrankt sei, unmöglich gewesen, die Frist selbst zu kontrollieren oder sich organisatorisch um eine ausreichende Fristenkontrolle durch die Kanzlei zu kümmern. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 13. Januar 2005 den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Es hat der Klägerin eine schuldhafte Fristversäumnis ihres Prozeßbevollmächtigten zugerechnet. Dieser habe versäumt, auch im Fall einer plötzlichen Erkrankung sicherzustellen, daß ein Vertreter vorhanden ist oder vom Büropersonal zum Zwecke der Erledigung fristgebundener Handlungen beigezogen werden kann. Gegen den am 20. Januar 2005 zugestellten Beschluß hat die Klägerin am 5. Februar 2005 Rechtsbeschwerde eingelegt. Diese hat sie nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 14. April 2005 begründet.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß den §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und im übrigen zulässig (vgl. §§ 574 ff. ZPO). Sie ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hinreichend
sichergestellt hat, daß im Falle seiner plötzlichen Erkrankung ein Vertreter vorhanden ist oder zum Zwecke der Erledigung fristgebundener Handlungen vom Büropersonal beigezogen werden kann. Er war nämlich nicht verpflichtet, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes telefonisch zu erkundigen und eine gesonderte Fristenkontrolle durchzuführen, nachdem die Berufungsschrift wie von der Klägerin glaubhaft gemacht, zwei Tage vor Fristablauf von seiner Büroangestellten zur Post gegeben wurde und besondere Umstände, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeit führen könnten, ersichtlich nicht gegeben sind. Da die normale Postlaufzeit bei Briefen erfahrungsgemäß nicht mehr als zwei Werktage (Zustelltage) beträgt (vgl. § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV), genügte es, die Berufungsschrift zwei Tage vor Ablauf der geltenden Berufungsfrist abzusenden (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Januar 2003 - X ZB 7/02 - NJW-RR 2003, 1000 und vom 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89 - VersR 90, 326, BVerfG NJW 1992, 38 ff. und NJW 1994, 1854 ff.). Der Prozeßbevollmächtigte durfte auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten und den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht vertrauen (st.Rspr. vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - VersR 2004, 354, 355 m.w.N.). Zu weiteren Vorkehrungen, um den fristgerechten Eingang eines Schriftsatzes sicherzustellen , war er nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet. Trifft ein Anwalt darüber hinaus Vorkehrungen zur Fristenkontrolle und unterlaufen ihm hierbei Fehler, so ist deshalb die Versagung der Wiedereinsetzung nicht gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - aaO;
BGH, Beschluß vom 5. Juli 2001 - VII ZB 2/00 - BRAK-Mitteilungen 2001, 215 m. Anm. Borgmann; vom 8. April 1992 - XII ZB 34/92 - NJW-RR 1992, 1020, 1021 und vom 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89 - VersR 1990, aaO).
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2005 - VI ZB 4/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2005 - VI ZB 4/05

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Post-Universaldienstleistungsverordnung - PUDLV | § 2 Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung


Für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen gelten die folgenden Qualitätsmerkmale: 1. Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen im Sinne des § 1 A
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2005 - VI ZB 4/05 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Post-Universaldienstleistungsverordnung - PUDLV | § 2 Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung


Für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen gelten die folgenden Qualitätsmerkmale: 1. Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen im Sinne des § 1 A

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2001 - VII ZB 2/00

bei uns veröffentlicht am 05.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZB 2/00 vom 5. Juli 2001 in dem Rechtsstreit Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juli 2001 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kuffer, Dr. Kniffka und Bauner beschlossen: Auf die sofort

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2003 - X ZB 7/02

bei uns veröffentlicht am 28.01.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 7/02 vom 28. Januar 2003 in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Ase

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2003 - VI ZB 60/02

bei uns veröffentlicht am 30.09.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 60/02 vom 30. September 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO § 233 Fc Den Prozeßbevollmächtigten einer Partei trifft im Regelfall kein Verschulden an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatz

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen gelten die folgenden Qualitätsmerkmale:

1.
Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abgeschlossen und abgewickelt werden können. Die Anforderung nach Satz 1 wird bis zum 31. Dezember 2007 unter Berücksichtigung der Nachfrage überprüft. Bis zum 31. Dezember 2007 müssen mindestens 5.000 stationäre Einrichtungen mit unternehmenseigenem Personal betrieben werden. In allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern muss mindestens eine stationäre Einrichtung vorhanden sein; dies gilt in der Regel auch für Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben. In Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern und Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben, ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung in maximal 2.000 Metern für die Kunden erreichbar ist. Bei Veränderungen der stationären Einrichtungen ist frühzeitig, mindestens zehn Wochen vor der Maßnahme, das Benehmen mit der zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft herzustellen. Daneben muss in allen Landkreisen mindestens je Fläche von 80 Quadratkilometern eine stationäre Einrichtung vorhanden sein. Alle übrigen Orte müssen durch einen mobilen Postservice versorgt werden. Die Einrichtungen müssen werktäglich nachfragegerecht betriebsbereit sein.
2.
Briefkästen müssen so ausreichend vorhanden sein, dass die Kunden in zusammenhängend bebauten Wohngebieten in der Regel nicht mehr als 1.000 Meter zurückzulegen haben, um zu einem Briefkasten zu gelangen. Briefkästen sind jeden Werktag sowie bedarfsgerecht jeden Sonn- und Feiertag so zu leeren, dass die in Nummer 3 bestimmten Qualitätsmerkmale eingehalten werden können. Dabei sind die Leerungszeiten der Briefkästen an den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens zu orientieren; die Leerungszeiten und die nächste Leerung sind auf den Briefkästen anzugeben. Briefkästen im Sinne der Sätze 1 und 2 sind auch andere zur Einlieferung von Briefsendungen geeignete Vorrichtungen.
3.
Von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen müssen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 vom Hundert an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 vom Hundert bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden. Im grenzüberschreitenden Briefverkehr mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die im Anhang der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. EG 1998 Nr. L 15 S. 14) festgelegten Qualitätsmerkmale. Wird der Anhang der Richtlinie geändert, so gelten die Qualitätsmerkmale in der geänderten Fassung vom ersten Tage des dritten auf die Veröffentlichung der Änderung folgenden Monats an.
4.
Briefsendungen sind zuzustellen, sofern der Empfänger nicht durch Einrichtung eines Postfaches oder in sonstiger Weise erklärt hat, dass er die Sendungen abholen will. Die Zustellung hat an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Einwurf in eine für den Empfänger bestimmte und ausreichend aufnahmefähige Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen oder durch persönliche Aushändigung an den Empfänger zu erfolgen. Kann eine Sendung nicht gemäß Satz 2 zugestellt werden, ist sie nach Möglichkeit einem Ersatzempfänger auszuhändigen, soweit keine gegenteilige Weisung des Absenders oder Empfängers vorliegt. Ist die Wohn- oder Geschäftsadresse des Empfängers nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erreichen oder fehlt eine geeignete und zugängliche Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen, kann der Empfänger von der Zustellung ausgeschlossen werden. Der Betroffene ist von dem beabsichtigten Ausschluss zu unterrichten.
5.
Die Zustellung hat mindestens einmal werktäglich zu erfolgen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 7/02
vom
28. Januar 2003
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen,
Keukenschrijver und Asendorf
am 28. Januar 2003

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 22. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 17. Dezember 2001 aufgehoben.
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Der Beschwerdewert beträgt 258.236,15

Gründe:


I. Die Klägerin begehrt in dem wegen eines Schenkungsvertrags geführten Rechtsstreit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, die nach Verlängerung durch den Vorsitzenden des Kammergerichts am 27. September 2001 ablief. Das Original der
14-seitigen, von Rechtsanwalt L. , einem der zweitinstanzlichen Prozeßbe- vollmächtigten der Klägerin, auf der letzten Seite unterschriebenen Berufungsbegründungsschrift ging erst am 28. September 2001 beim Kammergericht ein. Zuvor, nämlich laut Eingangsstempel des Kammergerichts am 26. September 2001, erreichte das Berufungsgericht lediglich die erste Seite dieser Berufungsbegründungsschrift als Telefax.
Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin durch am 17. Dezember 2001 gefaßten Beschluß unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen, weil es im Zusammenhang mit der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift zu einer Häufung von Fehlern gekommen sei, die den Schluß rechtfertigten, daß entweder die erforderlichen Anweisungen an das Büropersonal in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht umfassend oder nicht mit der hinreichenden Klarheit erfolgt seien oder daß eine ausreichende Kontrolle des Büropersonals bezüglich der Einhaltung der Anweisungen nicht stattgefunden habe.
Gegen diesen, den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 21. Januar 2002 zugegangenen Beschluß hat die Klägerin am 4. Februar 2002 sofortige Beschwerde einlegt, mit der sie ihren Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt und Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt.
II. 1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 519 b Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung statthaft. Diese Fassung ist nach § 26 Nr. 10 EGZPO maßgeblich, weil der die Berufung der Klägerin verwerfende Beschluß des Kammergerichts vom
17. Dezember 2001 der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts vor dem 1. Januar 2002 übergeben worden ist.
2. Das auch im übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

a) Der Klägerin ist gemäß §§ 234, 235 ZPO auf ihren in rechter Form und Frist angebrachten Antrag Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Daß die von Rechtsanwalt L. unterschriebene , 14 Seiten umfassende Berufungsbegründungsschrift erst am 28. September 2001 und damit verspätet beim Kammergericht eingegangen ist, beruhte darauf, daß sie am 25. September 2001 als einfacher Brief bei der Deutschen Post AG unter versehentlicher Angabe einer unrichtigen Postleitzahl bei im übrigen zutreffender Anschrift des Kammergerichts aufgegeben wurde. Dem liegt jedoch kein Verschulden eines Prozeßbevollmächtigten zugrunde, das die Klägerin gemäß § 85 ZPO zu vertreten hat, so daß die Klägerin ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
(1) Den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, daß die Berufungsbegründungsschrift erst zwei Werktage vor Ablauf der geltenden Berufungsbegründungsfrist abgesandt worden ist. Einem Anwalt ist es nicht verwehrt, die einzuhaltende Frist bis zum letztmöglichen Tag auszunutzen (vgl. BGHZ 9, 118, 119). Außerdem darf - wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgesprochen hat - damit gerechnet werden, daß von der mit der Beförderung eines Schriftstücks betrauten Post die von ihr nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden (vgl. z.B. Beschl. v. 27.02.1992 - 1 BvR 1294/91, NJW 1992, 1952). Diese Recht-
sprechung hat - jedenfalls in dem hier interessierenden Rahmen - ihre Berechtigung nicht durch die "Privatisierung" der Deutschen Bundespost verloren, weil die Deutsche Post AG hinsichtlich der Beförderung von normalen Briefen nach wie vor ein Monopol hat. Da die normale Postlaufzeit bei derartigen Briefen erfahrungsgemäß nicht mehr als zwei Werktage (Zustelltage; vgl. BGH, Beschl. v. 11.10.1989 - IVa ZB 7/89, NJW 1990, 188) beträgt, genügte es deshalb, die Berufungsbegründungsschrift - wie geschehen - am 25. September 1991 an das Kammergericht abzusenden.
(2) Daß bei dieser Absendung der Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein Fehler unterlief, weil die Anschrift des Kammergerichts mit einer unrichtigen Postleitzahl angegeben war, gereicht den Prozeßbevollmächtigten ebenfalls nicht zum Verschulden. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherungen von Rechtsanwältin Dr. H. und der in der Berliner Praxis als Büroleiterin tätigen Rechtsanwaltsfachangestellten A. L. , deren Richtigkeit in dieser Hinsicht keinen greifbaren Zweifeln unterliegt, ist insoweit als glaubhaft gemacht davon auszugehen, daß diese zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, als sie die hergestellte Berufungsbegründungsschrift am Vormittag des 25. September 2001 auf Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit überprüfte, die Büroleiterin anwies, vor Absendung, die noch am selben Tag erfolgen sollte, die auf der Schrift vermerkte Postleitzahl zu kontrollieren und im Falle eines Fehlers zu berichtigen, daß die Büroleiterin dieser Anweisung jedoch versehentlich nicht Folge leistete. Hiernach ist durch einen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eine konkrete Einzelanweisung an eine bestimmte weisungsgebundene Angestellte gegeben worden, die für den betreffenden Einzelfall bestimmt, geeignet und ausreichend war, bei entsprechender Befolgung den dann aufgetretenen Fehler zu verhin-
dern. Die Kontrolle und eventuell notwendig werdende Korrektur einer Postleit- zahl der Anschrift eines ortsansässigen Gerichts sind einfache Aufgaben, von denen ein Rechtsanwalt ohne weiteres annehmen darf, daß sie auf entsprechende Anweisung hin von einer ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten ohne weitere Anleitung und Überprüfung erledigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823; auch Sen.Beschl. v. 27.10.1998 - X ZB 20/98, NJW 1999, 429). Sie durften deshalb - ohne sich einem Verschuldensvorwurf auszusetzen - auch Frau L. übertragen werden, die ausweislich der bereits genannten eidesstattlichen Versicherungen und der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwältin N. damals bereits seit fünf Jahren im Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten tätig war und sich bisher als zuverlässig und gewissenhaft erwiesen hatte. Unter den glaubhaft gemachten Umständen beruhte die Fristversäumung mithin ausschließlich auf einem schuldhaften Fehlverhalten einer durch eine konkrete Einzelanweisung herangezogenen Kanzleiangestellten. Für deren Fehlverhalten hat eine Partei nach § 85 ZPO jedoch nicht einzustehen.
(3) Daran, daß die Klägerin, ohne es vertreten zu müssen, verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, ändert auch der ebenfalls durch die eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwältin Dr. H. und der Büroleiterin L. glaubhaft gemachte Umstand nichts, daß erst nach der Einzelanweisung an Frau L. die Berufungsbegründungsschrift Rechtsanwalt L. zur Unterschrift vorgelegt wurde und dieser zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seine Unterschrift leistete, ohne den Fehler bei der Angabe der Postleitzahl zu bemerken. Denn ein Prozeßbevollmächtigter ist bei Unterzeichnung eines fristwahrenden Schriftstücks nach ständiger Rechtsprechung nicht gehalten, die Vollständigkeit einer im übrigen richtigen
Anschrift des Empfängers selbst zu prüfen (z.B. BGH, Urt. v. 15.10.1999 - V ZR 50/99, NJW 2000, 82).
(4) Da die Überprüfung der Postleitzahl durch einen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mittels einer Einzelanweisung an eine Kanzleiangestellte veranlaßt war, die - nach Maßgabe des unter (1) Ausgeführten - bei Befolgung die Fristversäumung verhindert hätte, berührt es die Verschuldensfrage im vorliegenden Fall auch nicht, ob in der Berliner Kanzlei der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin allgemein geeignete anwaltliche Maßnahmen ergriffen waren, die sicherstellten, daß fristwahrende Schriftstücke von den Mitarbeitern vollständig und richtig adressiert werden (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823).
(5) Unter den gegebenen Umständen ist es schließlich auch ohne Belang , ob ein Fehlverhalten der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin dazu beigetragen hat, daß bei der am 25. September 2001 ebenfalls versuchten Telefaxübermittlung der Berufungsbegründungsschrift nur deren erste Seite an das Kammergericht übertragen wurde. Die Übermittlung einer Berufungsbegründungsschrift per Telefax stellt gegenüber der Übersendung des Originals per Post eine zusätzliche Maßnahme dar, zu welcher ein Prozeßbevollmächtigter nicht verpflichtet ist. Daß sie und wie sie im Einzelfall tatsächlich durchgeführt wurde, kann deshalb der vertretenen Partei nicht zum Nachteil gereichen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.04.1992 - XII ZB 34/92, NJW-RR 1992, 1020, 1021 m.w.N.).
3. Da sonach der Klägerin Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist, ist die Verwerfung der Berufung durch das Kammergericht gegenstandslos (vgl. BGH, Beschl. v. 01.07.2002 - II ZB 11/01, MDR 2002, 1095, 1096 m.w.N.).
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 60/02
vom
30. September 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Den Prozeßbevollmächtigten einer Partei trifft im Regelfall kein Verschulden an dem
verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, wenn er veranlaßt, daß der Schriftsatz so
rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, daß er nach den normalen Postlaufzeiten
fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen. Wenn dem Prozeßbevollmächtigten
keine besonderen Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung
der normalen Postlaufzeiten führen können, darf er darauf vertrauen, daß diese eingehalten
werden.
BGH, Beschluß vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - AG Hannover
LG Hannover
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. September 2003 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Wellner, Diederichsen,
Stöhr und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden die Beschlüsse der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 1. August 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 2.255,39

Gründe:


I.

Die Klägerin hat gegen ein ihre Klage abweisendes Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 7. Februar 2002, das ihr am 25. März 2002 zugestellt worden ist, am 25. April 2002 Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Juni 2002 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2002, der den Eingangsstempel des Landgerichts vom 26. Juni 2002 trägt, hat die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die eingelegte Berufung begründet. Auf die entsprechende Mitteilung des Landgerichts über den verspäteten Eingang der Berufungsbegründungsschrift, welche der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 3. Juli 2002 zugestellt worden ist, hat diese mit Schriftsatz vom 4. Juli 2002 vorsorglich Wiedereinsetzung in den vo-
rigen Stand beantragt. Sie hat hierzu vorgetragen, daß die Berufungsbegründung ausweislich des Postausgangsbuchs und der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihrer Fachangestellten am 24. Juni 2002 persönlich in der örtlichen Poststelle abgegeben worden sei. In der eidesstattlichen Versicherung heißt es weiter, dies sei ca. 17.10 Uhr erfolgt. Die Leerungszeiten der Postfiliale seien täglich um 8.00 Uhr und um 17.30 Uhr, wobei die Postbedienstete zugesichert habe, daß alle abgegebenen Schreiben auch am 24. Juni 2002 die Postfiliale verließen. Die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu weiter vorgetragen, daß grundsätzlich davon auszugehen sei, daß ein Brief von der örtlichen Postfiliale nach Hannover an einem Tag den Empfänger erreiche. Darüber hinaus hat sie dargelegt, daß ihre Angestellte am Nachmittag des 25. Juni 2002 mit der zuständigen Abteilung des Landgerichts telefoniert und sich von einem Mitarbeiter den Eingang der Berufungsbegründungsschrift vorsorglich habe bestätigen lassen. Das Landgericht hat mit Beschlüssen vom 1. August 2002 die Berufung der Klägerin gegen das am 7. Februar 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover als unzulässig verworfen und ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat es nicht als hinreichend glaubhaft erachtet, daß die Klägerin ohne Verschulden an der Wahrung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen sei. Da die Berufungsbegründungsschrift erst am Tag vor Fristablauf zur Post abgegeben worden sei, habe sich die Klägerin bzw. ihre Prozeßbevollmächtigte nicht darauf verlassen können , daß diese bereits am Folgetag in Hannover ausgeliefert werde. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hätten Zweifel an dem rechtzeitigen Zugang bestanden , denn die Angestellte ihrer Prozeßbevollmächtigten wolle am 25. Juni 2002 telefonisch bei der Geschäftsstelle nach dem Eingang der Berufungsbe-
gründung nachgefragt haben. Indes sei der Klägerin eine entsprechende Glaubhaftmachung durch die eidesstattliche Versicherung der Angestellten ihrer Prozeßbevollmächtigten nicht gelungen. Abgesehen davon, daß nicht nachvollziehbar sei, daß sich die Angestellte habe verbinden lassen, obwohl die Telefonnummer der Geschäftsstelle ausweislich der Akten dort bekannt gewesen sei, könne diese auch den Namen des Mitarbeiters nicht angeben. Eine Notiz über dieses wichtige Telefonat sei offenbar nicht gefertigt worden. Es verblieben schon deswegen Zweifel, ob ein Telefonat mit dem behaupteten Inhalt am 25. Juni 2002 überhaupt stattgefunden habe, zumal sich die Akten an diesem Tage noch auf der Geschäftsstelle befunden hätten und der zuständige Geschäftsstellenbeamte erklärt habe, daß er sich ziemlich genau erinnere, daß er keine Auskunft über den Eingang der Berufungsbegründungsschrift gegeben habe. Es bleibe daher die Möglichkeit offen, daß die Fristversäumung verschuldet gewesen sei, weshalb Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne. Gegen die ihr am 12. August 2002 zugestellten Beschlüsse des Landgerichts vom 1. August 2002 hat die Klägerin am 11. September 2002 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist um zwei Monate mit Schriftsatz vom 12. November 2002, eingegangen am selben Tage, begründet.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238, 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig (vgl. §§ 574 ff ZPO). Sie ist auch begründet und führt zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht (§ 577 Abs. 4 ZPO). 1. Den Prozeßbevollmächtigten einer Partei trifft im Regelfall kein Verschulden an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, wenn er veranlaßt, daß der Schriftsatz so rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, daß er nach den normalen Postlaufzeiten fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen. Wenn dem Prozeßbevollmächtigten keine besonderen Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können , darf er darauf vertrauen, daß diese eingehalten werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluß vom 5. Juli 2001 - VII ZB 2/00 - BRAK-Mitt. 2001, 215 m. Anm. Borgmann; Beschluß vom 9. Februar 1998 - II ZB 15/97 - NJW 1998, 1870). Da keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die im vorliegenden Fall zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeit hätten führen können, hätte das Berufungsgericht Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin darauf vertrauen durfte, daß der Brief nach den normalen Postlaufzeiten am Folgetag fristgerecht beim Berufungsgericht eingeht. 2. In diesem Falle käme es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob die Klägerin glaubhaft gemacht hat, daß der Angestellten ihrer Prozeßbevollmächtigten auf entsprechende telefonische Nachfrage am 25. Juni 2002 seitens des Berufungsgerichts mitgeteilt worden ist, die Berufungsbegründungsschrift sei eingegangen. Der Prozeßbevollmächtigte, der auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten vertrauen darf, ist nämlich nicht
verpflichtet, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes telefonisch zu erkundi- gen (vgl. BGH, Beschluß vom 5. Juli 2001 - VII ZB 2/00 - aaO; Beschluß vom 8. April 1992 - XII ZB 34/92 - NJW-RR 1992, 1020, 1021).
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 2/00
vom
5. Juli 2001
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juli 2001 durch die Richter
Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Kuffer, Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 13. Dezember 1999 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den v origen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Der Wert der Beschwer beträgt 16.385,60 DM.

Gründe:

I.

1. Die Beklagte hat gegen ein ihr nachteiliges Urteil des Landgerichts Würzburg rechtzeitig am 27. Juli 1999 Berufung eingelegt. Der Berufungsbegründungsschriftsatz vom 27. August 1999 ist ohne Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten per Fax beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangen. Das Original des vom Prozeßbevollmächtigten unterschriebenen Schriftsatzes ist am 30. August 1999 eingegangen. 2. Die Beklagte hat nach Mitteilung dieses Sachverhaltes rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beru-
fungsbegründungsfrist beantragt. Sie hat unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen zur Begründung folgendes ausgeführt: Die unterschriebene Berufungsbegründungsschrift sei am 26. August 1999 gegen 12.15 Uhr von einer Büroangestellten in den Briefkasten eingeworfen worden. Ausweislich eines Hinweisschildes auf dem Briefkasten und der Auskunft der Kundenberaterin der Niederlassung Würzburg der Bundespost würden Postsendungen mit vollständiger und lesbarer Anschrift im Regelfall am nächsten Werktag beim Empfänger ankommen. Am 27. August 1999 habe ihr Prozeßbevollmächtigter gegen 11.00 Uhr vorsorglich beim Oberlandesgericht Bamberg angerufen. Da der Anruf ergeben habe, daß der Schriftsatz noch nicht vorgelegen habe, habe der Prozeßbevollmächtigte angeordnet, diesen Schriftsatz nochmals durch Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Durch ein Büroversehen sei der Schriftsatz ohne die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten gefaxt worden. 3. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die fristgerechte sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. 1. Den Prozeßbevollmächtigten einer Partei trifft im Regelfall kein Verschulden an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, wenn er veranlaßt, daß der Schriftsatz so rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, daß er
nach den normalen Postlaufzeiten fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen. Wenn dem Prozeßbevollmächtigten keine besonderen Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können , darf er darauf vertrauen, daß die normalen Postlaufzeiten eingehalten werden (st.Rspr., BGH, Beschluß vom 9. Februar 1998 - II ZB 15/97, NJW 1998, 1870). Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten durfte auf die normale Postlaufzeit von einem Tag vertrauen. Besondere Umstände, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeit hätten führen können, lagen zu dem maßgeblichen Zeitpunkt, als der Schriftsatz in den Briefkasten eingeworfen wurde, nicht vor. 2. Der mißglückte Versuch, den Berufungsbegründungsschriftsatz vorsorglich per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln, begründet kein Verschulden. Der Prozeßbevollmächtigte war, da er auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten vertrauen durfte, nicht verpflichtet, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes telefonisch zu erkundigen und den Schriftsatz zusätzlich per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln (vgl. BGH, Beschluß vom 8. April 1992 - XII ZB 34/92 = NJW-RR 1992, 1020 m.w.N.). Thode Haß Kuffer Kniffka Bauner