Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2019 - VI ZR 328/18

bei uns veröffentlicht am28.05.2019
vorgehend
Landgericht Neubrandenburg, 3 O 343/14, 19.07.2016
Oberlandesgericht Rostock, 5 U 86/16, 12.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 328/18
vom
28. Mai 2019
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen
Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Das ist unter
anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots
darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen
an den Vortrag einer Partei gestellt hat.

b) Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich
, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem
Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als
in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer
Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht
von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund
des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen
Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten
Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters
, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten
Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten
zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen
zu unterbreiten.
ECLI:DE:BGH:2019:280519BVIZR328.18.0


c) Von einem Kläger, der Schadensersatz wegen Verletzung seines Körpers oder seiner Gesundheit verlangt, kann keine genaue Kenntnis medizinischer Zusammenhänge erwartet und gefordert werden. Ihm fehlt insoweit das nötige Fachwissen. Er ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen.
BGH, Beschluss vom 28. Mai 2019 - VI ZR 328/18 - OLG Rostock LG Neubrandenburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Mai 2019 durch die Richterin am Bundesgerichtshof von Pentz als Vorsitzende, die Richterinnen Dr. Oehler und Müller, die Richter Dr. Allgayer und Böhm
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 12. Juli 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 19. Juli 2016 zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: bis 30.000 €

Gründe:


I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf weiteres Schmerzensgeld, Schadensersatz und Feststellung in Anspruch. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Vor dem Unfall war der Kläger an der Wirbelsäule und am rechten Ellenbogen operiert worden. Durch den Unfall erlitt er zumindest eine Schürfwunde am rechten Unterarm sowie Prellungen des rechten Schultergelenks, der rechten Hüfte und des linken Knies.
Der Kläger behauptet, darüber hinaus unter anderem an der Wirbelsäule und am rechten Ellenbogen verletzt worden zu sein.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss teilweise verworfen und im Übrigen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde , soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist.

II.

3
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat.
4
1. Das Berufungsgericht hat - soweit hier relevant - ausgeführt, dass mangels erheblichen Sachvortrags die Voraussetzungen für die Vernehmung der benannten Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Kausalität des Unfalls für die behaupteten Verletzungen nicht vorlägen. Sowohl an der Wirbelsäule als auch am rechten Ellenbogen sei der Kläger vorgeschädigt gewesen. Sachvortrag, der auch nur annähernd eine erneute Verletzung im Bereich der Wirbelsäule und am rechten Ellenbogengelenk sowie eine Kausalität des Unfallgeschehens erkennen lasse, fehle. Hinsichtlich der Unfallbedingtheit habe der Geschädigte darzulegen, welche Körperverletzung er aus welchen Gründen auf den Unfall zurückführe. Die bloße Möglichkeit oder der Verdacht einer Verletzung genüge nicht. Ob die Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen seien, unterliege den strengen Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO, weil die Frage, ob sich der Kläger überhaupt eine Verletzung zugezogen habe, in den Bereich der haftungs- ausfüllenden Kausalität falle. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass und in welchem Umfang die behaupteten Verletzungen an der Wirbelsäule (In welchem Bereich der Wirbelsäule? Art der Verletzung?) sowie am rechten Ellenbogengelenk (Art der Verletzung?) auf den Unfall zurückzuführen seien. Insoweit fehle es bereits an substantiiertem Vortrag, der als Behauptung der begehrten Vernehmung der Zeugen zu Grunde zu legen wäre. Auch aus den vorgelegten Attesten ergäben sich die behaupteten Verletzungen nicht. Die Hausärztin habe lediglich die unstreitigen Verletzungen bescheinigt. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und der in ihrem Arztbericht vom 23. Mai 2013 erstmals attestierte HWS-Distorsion erschließe sich ohne weiteren Sachvortrag des Klägers nicht. Der Orthopäde habe ausweislich seines Arztberichts lediglich die rechte Schulter behandelt, die danach beschwerdefrei gewesen sei. Den rechten Ellenbogen habe er erstmals ein Jahr später untersucht.
5
2. Der Kläger rügt mit seiner Beschwerde zu Recht, dass das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es erhebliche Beweisanträge nicht berücksichtigt hat.
6
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17, NJW 2019, 607 Rn. 7; vom 10. April 2018 - VI ZR 378/17, NJW 2018, 2803 Rn. 7; vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 355/14, NJW 2016, 641 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 12. März 2019 - XI ZR 437/17, juris Rn. 10; jeweils mwN; BVerfG [K], Beschluss vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1819/10, juris Rn. 14). Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17, NJW 2019, 607 Rn. 7 mwN; BGH, Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 170/18, juris Rn. 8).
7
b) Nach diesen Grundsätzen verletzt die Würdigung des Berufungsgerichts , der Vortrag zur Kausalität des Unfalls für weitere Verletzungen sei nicht hinreichend substantiiert, den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
8
aa) Zwar hat das Berufungsgericht hinsichtlich der Behauptung des Klägers , dass er durch den Unfall außer der Schürfwunde am rechten Unterarm sowie den Prellungen des rechten Schultergelenks, der rechten Hüfte und des linken Knies auch Verletzungen an der Wirbelsäule und am rechten Ellenbogengelenk erlitten habe, zutreffend das strenge Beweismaß des § 286 ZPO statt des erleichterten Beweismaßes des § 287 ZPO mit den sich daraus ergebenden geringeren Darlegungsanforderungen zu Grunde gelegt (vgl. dazu Senat , Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 113/17, VersR 2019, 694 Rn. 10 ff.).
9
bb) Allerdings hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags überspannt.
10
(1) Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. Senat , Beschlüsse vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17, NJW 2019, 607 Rn. 8; vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16, VersR 2017, 966 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 25. April 2019 - I ZR 170/18, juris Rn. 9; jeweils mwN).
11
Von einem Kläger, der Schadensersatz wegen Verletzung seines Körpers oder seiner Gesundheit verlangt, kann keine genaue Kenntnis medizinischer Zusammenhänge erwartet und gefordert werden. Ihm fehlt insoweit das nötige Fachwissen. Er ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen (vgl. zum Arzthaftungsprozess : Senat, Beschluss vom 12. März 2019 - VI ZR 278/18, juris Rn. 8; Urteile vom 19. Februar 2019 - VI ZR 505/17, NJW-RR 2019, 467 Rn. 15; vom 14. März 2017 - VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 19; vom 24. Februar 2015 - VI ZR 106/13, NJW 2015, 1601 Rn. 19; vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 252, 254; jeweils mwN).
12
(2) Danach hätte das Berufungsgericht die beantragte Beweiserhebung nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass der Vortrag des Klägers zur Kausalität der behaupteten Verletzungen unsubstantiiert sei. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht, hatte der Kläger als Folge des Unfalls Verletzungen an der Wirbelsäule und am rechten Ellenbogengelenk behauptet. In diesem Zusammenhang hatte er die ärztliche Bescheinigung vom 23. Mai 2013, aus der sich unter anderem eine HWS-Distorsion ergab, und den Arztbericht vom 7. April 2014, aus dem eine Behandlung des rechten Ellenbogens hervorging, vorgelegt. Auch wenn der Kläger insoweit vorgeschädigt war, konnte von ihm kein weiterer Vortrag zur Unfallursächlichkeit verlangt werden, zumal der Kläger kurz vor dem Unfall in den Bereichen, in denen die behaupteten Verletzungen erfolgt sein sollen, operiert worden war. Hierdurch war eine Zuordnung oder Differenzierung von konkreten Verletzungsfolgen und Beschwerden zusätzlich erschwert.
13
c) Die Gehörsverletzung ist erheblich. Abweichendes ergibt sich nicht daraus , dass das Berufungsgericht vom Kläger vorgelegte Atteste und Behandlungsunterlagen gewürdigt hat. Denn eigene besondere Sachkunde hat das Berufungsgericht insoweit weder ausgewiesen noch ist sie sonst ersichtlich (vgl. dazu Senat, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 113/17, VersR 2019, 694 Rn. 32). Zudem würden allein die vom Berufungsgericht erwähnten Unterlagen keine aus- reichende Beurteilungsgrundlage darstellen (vgl. dazu Senat, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 113/17, VersR 2019, 694 Rn. 33). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung und zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat.
von Pentz Oehler Müller
Allgayer Böhm

Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 19.07.2016 - 3 O 343/14 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 12.07.2018 - 5 U 86/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2019 - VI ZR 328/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2019 - VI ZR 328/18

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2019 - VI ZR 328/18 zitiert 6 §§.

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

7
a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen , dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt - auch bei Kenntnisnahme des Vorbringens durch den Tatrichter - dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16, VersR 2017, 966 Rn. 7; vom 27. September 2016 - VI ZR 565/15 Rn. 6, juris; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - III ZR 210/17, WM 2018, 1252 Rn. 4; jeweils mwN).

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten zu 2 und der Streithelferin des Beklagten zu 1 wird der Beschluss des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24. August 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 20.539,90 €

Gründe

I.

1

Der Kläger beansprucht von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls. Am Abend des 4. November 2015 gegen 18:00 Uhr fuhren der Kläger mit seinem Fahrzeug und der Beklagte zu 1 als Fahrer des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeugs Mercedes S 500 L nebeneinander; der Kläger auf dem linken Fahrtrichtungsstreifen und der Beklagte zu 1 auf dem rechten Fahrtrichtungsstreifen. Als sich die Fahrzeuge annähernd auf gleicher Höhe befanden, kam es zur seitlichen Kollision beider Fahrzeuge. An dem Pkw des Klägers entstand ein Sachschaden in Höhe von 18.923,00 €. Diesen, die Kostenpauschale sowie Freistellungsansprüche wegen vorgerichtlicher Gutachterkosten und Anwaltskosten macht der Kläger mit der vorliegenden Klage geltend. Die Beklagte zu 2 beruft sich darauf, dass der Unfall von dem Kläger und dem Beklagen zu 1 willentlich herbeigeführt worden sei.

2

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu 2 und der Streithelferin des Beklagten zu 1 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte zu 2 - zugleich auch als Streithelferin des Beklagten zu 1 (beide im folgenden auch "Beklagte zu 2") - mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden.

II.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerden haben Erfolg. Sie führen gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

4

1. Das Berufungsgericht hat - soweit hier erheblich - ausgeführt, die Beweiswürdigung des Landgerichts in Bezug auf die Behauptung der Beklagten zu 2, es liege ein manipulierter Unfall vor, sei nicht zu beanstanden. Die Haftung des Schädigers entfalle nur dann, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorlägen, die die Feststellung gestatteten, dass es sich bei dem behaupteten Unfall um ein manipuliertes Geschehen handele. Hier sei zwar nicht von der Hand zu weisen, dass es einige solche Anzeichen gebe. Im Ergebnis reichten diese Umstände aber nicht aus. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zu 1 möglicherweise nur unaufmerksam oder abgelenkt gewesen sei und deshalb seine Fahrspur nicht eingehalten habe. Der Unfall habe sich auf einer vielbefahrenen Straße bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h ereignet. Die Ehefrau des Klägers sei mit im Fahrzeug und dem Risiko eines Personenschadens ausgesetzt gewesen.

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Für die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens fehle es an entsprechenden Anknüpfungstatsachen. Durch ein solches Gutachten könne nämlich nicht bewiesen werden, ob der Beklagte zu 1 willentlich oder absichtlich die Kollision herbeigeführt habe oder nicht. Es sei unstreitig, dass es eine streifende Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen gegeben habe. Auf den ersten Blick ergebe sich anhand der eingereichten Fotodokumentationen der beteiligten Fahrzeuge ein kompatibles Schadensbild, das mit der Schilderung des Unfallhergangs durch die unbeteiligten Zeugen K. in Einklang zu bringen sei.

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2. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand und verletzen die Beklagte zu 2 in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.

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a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 355/14, NJW 2016, 641 Rn. 6 mwN; BVerfG, WM 2012, 492 f.).

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b) So verhält es sich im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten zu 2, bei einem (tatsächlichen) Unfall sei ein unfallverhütendes bzw. beendendes Fahrmanöver (auch) des Klägers zu erwarten gewesen, nicht ausreichend berücksichtigt hat und aus diesem Grund einem erheblichen Beweisangebot nicht nachgegangen ist.

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aa) Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Ungeeignetheit des Beweismittels kommt nur dann in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Beweismittel zu dem Beweisthema sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - III ZR 82/13, WM 2014, 2212 Rn. 17 mwN). Insoweit ist größte Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 26. November 2003 - IV ZR 438/02, BGHZ 157, 79, 84 f.). Darüber hinaus scheidet die Ablehnung eines Beweisantrags als ungeeignet aus, wenn dadurch ein noch nicht erhobener Beweis vorab gewürdigt wird, weil dies eine unzulässige Beweisantizipation darstellt (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014, ebenda).

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bb) Das Berufungsgericht hat (nur) darauf abgestellt, dass ein Sachverständiger keine Aussage dazu treffen kann, ob der Beklagte zu 1 das Fahrzeug willentlich auf die andere Spur gelenkt hat, oder schlicht abgelenkt war. Es hat sich in diesem Zusammenhang nicht mit dem Vortrag der Beklagten zu 2 auseinandergesetzt, dass (auch) die (Nicht-)reaktion des Klägers nicht plausibel zu erklären sei und ein Unfallrekonstruktionsgutachten insoweit weiteres ergeben könne. Das ist auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers bei seiner Anhörung nicht von der Hand zu weisen, vor allem, nachdem der Vorgang nach der Aussage der Zeugen K. so viel Zeit in Anspruch genommen hat, dass der Zeuge K. noch vor dem Unfall die Lichthupe getätigt und die Warnblinkanlage angeschaltet hat. Vor diesem Hintergrund findet die Nichtberücksichtigung des Antrags der Beklagten zu 2 auf Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens im Prozessrecht keine Stütze, Art. 103 Abs. 1 GG.

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c) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten zu 2 zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre. Bei der neuen Würdigung wird das Berufungsgericht auch zu beachten haben, dass der Tatrichter bei der Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten kann, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014, aaO, Rn. 18 mwN).

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3. Die weitere Rüge der Nichtzulassungsbeschwerden hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).

Galke     

      

von Pentz     

      

Offenloch

      

Roloff     

      

Allgayer     

      

Berichtigungsbeschluss vom 28. Juni 2018

Der Beschluss des Senats vom 10. April 2018 wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wie folgt berichtigt: In der Randnummer 3 (Gründe) muss es anstatt "des Klägers" lauten: "der Beklagten zu 2".

Galke     

      

von Pentz     

      

Offenloch

      

Roloff     

      

Allgayer     

      

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a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Gerichte, erheblichen Beweisanträgen nachzugehen. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 16. September 2014 - VI ZR 118/13, VersR 2015, 338 Rn. 4; BGH, Beschluss vom 23. April 2015 - V ZR 200/14, juris Rn. 7; BVerfGE 69, 141, 143 f.; BVerfG, WM 2012, 492 f.; NJW 1993, 254).
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a) Art. 103 Abs. 1 GG gebietet in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt - auch bei Kenntnisnahme des Vorbringens durch den Tatrichter (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1655; BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rn. 9 mwN und vom 20. Mai 2015 - VII ZR 78/13, juris Rn. 7) - dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, NJW-RR 2001, 1006, 1007; NJW 2003, 1655).
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a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen , dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt - auch bei Kenntnisnahme des Vorbringens durch den Tatrichter - dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16, VersR 2017, 966 Rn. 7; vom 27. September 2016 - VI ZR 565/15 Rn. 6, juris; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - III ZR 210/17, WM 2018, 1252 Rn. 4; jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 170/18
vom
25. April 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:250419BIZR170.18.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler, Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. September 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 76.153,88 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Klägerin wurde mit einem Transport von Damenschuhen von Italien
1
nach Mönchengladbach beauftragt. Sie führte den Transport nicht selbst durch, sondern beauftragte die Beklagte, die ihrerseits den Transport durch einen Unterfrachtführer durchführen ließ. Die Schuhe kamen beschädigt in Mönchengladbach an. Die Klägerin wurde von der Transportversicherung ihrer Auftraggeberin in
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einem Vorprozess aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach vorprozessualer Anspruchsstellung übermittelte die Klägerin ihrer Versicherung die Schadensunterlagen. Im Vor- prozess verkündete die Klägerin der hiesigen Beklagten den Streit. Über die Zustellung der nicht übersetzten Streitverkündungsschrift an die Beklagte liegt ein internationaler Rückschein vor, der als Zustellungsdatum den 25. Juli 2014 ausweist. Eine Rücksendung der Streitverkündungsschrift durch die Beklagte ist nicht zu den Akten gelangt. Die Klägerin wurde im Vorprozess rechtskräftig zur Zahlung von 65.102,55 € nebst Zinsen verurteilt. Das Gericht stellte dabei eine qualifizierte Haftung aufgrund eines leichtfertigen Verhaltens des Fahrers des von der Beklagten beauftragten Unterfrachtführers fest. Die Versicherung der Klägerin beglich die ausgeurteilte Forderung und die festgesetzten Kosten. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung des im Vorprozess ausgeurteilten Betrags nebst festgesetzter Kosten sowie der Kosten ihrer eigenen Prozessbevollmächtigten in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung
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der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten. II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie
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führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die
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Beklagte ein Schadensersatzanspruch zu. Aufgrund des Vorprozesses stehe fest, dass das Transportgut während eines grenzüberschreitenden Landtransports in der Obhutszeit der Beklagten beschädigt worden sei und die Beklagte hierfür unbeschränkt hafte. Nach §§ 74, 68 ZPO greife die Interventionswirkung der im Vorprozess erklärten Streitverkündung. Die Streitverkündungsschrift sei ordnungsgemäß zugestellt worden, was sich aus dem Rückschein ergebe. Die Beklagte behaupte zwar unter Beweisantritt, dass in ihrem Unternehmen alle Schriftstücke, die nicht in italienischer Sprache abgefasst seien, an den Absender zurückgesendet würden. Dieser Vortrag sei aber unzureichend. Es sei nicht erkennbar, wie und an wen eine Rücksendung erfolgt sein soll. Das Berufen auf eine allgemeine Anweisung sage nichts über das konkrete Vorgehen aus, zumal eine Kopie des Rücksendungsschreibens nicht vorliege. Es sei auch wenig wahrscheinlich, dass ein international tätiges Transportunternehmen Post in fremder Sprache immer retourniere. Die dreijährige Verjährungsfrist sei durch die Zustellung der Streitverkündungsschrift und die Zustellung der übersetzten Klageschrift gehemmt worden. Die Klägerin sei als Anspruchsinhaberin jeweils berechtigt gewesen, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Die Überlassung von Vertrags- und Schadensunterlagen zur Abwehr des gegen sie gerichteten Anspruchs im Vorprozess habe nicht zu einer konkludenten Abtretung ihres eigenen Anspruchs gegen die Beklagte geführt; etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus den Schreiben an den bevollmächtigten Assekuradeur (Anlagen B 3 und B 4). Erst am 8. September 2015 sei der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 86 VVG auf ihre Transportversicherung übergegangen , nach dem 12. Oktober 2015 aber rückabgetreten worden. 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht
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habe die Anforderungen an die Substantiierungs- und Darlegungslast der Beklagten zur Rücksendung der Streitverkündungsschrift im Vorprozess in gehörsverletzender Weise überspannt. Auch mit ihrer Rüge, die Würdigung des Berufungsgerichts beruhe auf einer gehörswidrigen Vorwegnahme der Beweisaufnahme , dringt die Nichtzulassungsbeschwerde durch.
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a) Die Nichtberücksichtigung des Beweisantritts der Beklagten zur Rücksendung der Streitverkündungsschrift verletzt diese in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht soll sicher8 stellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet daher in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge aufgrund eines hinreichend substantiierten Vortrags (vgl. BVerfG, WM 2012, 492, 493 [juris Rn. 14] mwN). Beruht die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17, NJW 2019, 607 Rn. 7 mwN). Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig und da9 mit als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist dann Sache des Tatgerichts, bei der Beweisaufnahme die Zeugen nach Einzelheiten zu befragen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen. Im Interesse der Wahrung des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (vgl. BGH, Be- schluss vom 7. Juni 2018 - III ZR 210/17, WM 2018, 1252 Rn. 4). Diesen Maßstäben genügt das Berufungsurteil nicht. bb) Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zur Zurücksen10 dung der Streitverkündungsschrift zu Unrecht als unsubstantiiert angesehen. Die Beklagte hat vorgetragen, Schriftstücke in fremder Sprache würden regelmäßig an den Absender zurückgeschickt; das werde durch den gescheiterten Versuch der Klagezustellung ohne Übersetzung im hiesigen Prozess belegt. Zum Beweis hat sie sich auf das Zeugnis zweier ehemaliger Angestellter berufen , die in die Korrespondenz zum streitgegenständlichen Schadensfall eingebunden gewesen seien. cc) Dieser Vortrag ist hinreichend substantiiert, um den angebotenen Be11 weis dafür, dass auch die Streitverkündungsschrift zurückgeschickt wordenist, zu erheben. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Beklagte vorgetragen, dass Schreiben "an den Absender" zurückgeschickt werden. Damit wird hinreichend deutlich, dass das Schreiben an das Landgericht Mönchengladbach zurückgeschickt worden sein soll. Auch wenn der Hinweis auf eine allgemeine Anweisung nicht zwingend etwas über das Vorgehen im konkreten Fall aussagt, ist daneben die Indizwirkung der zurückgesandten Klageschrift im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen. Zudem waren beide von der Beklagten benannten Zeugen nach deren Vortrag mit der konkreten Schadensabwicklung befasst. Weitere Einzelheiten sind dann in einer Beweisaufnahme zu klären.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei wenig wahrscheinlich, ein
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international tätiges Transportunternehmen retourniere alle Post in fremder Sprache, stellt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar und verletzt damit Art. 103 Abs. 1 GG.
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aa) Ein Gericht verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 8). Eine unzulässige Beweisantizipation liegt vor, wenn der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - V ZR 64/17, juris Rn. 19). So liegt es hier. bb) Das Berufungsgericht hat seine Annahme, der Vortrag der Beklagten
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zur Zurücksendung der Streitverkündungsschrift sei unzureichend, weshalb kein Beweis erhoben werden müsse, auch damit begründet, es sei wenig wahrscheinlich , dass ein international tätiges Transportunternehmen Post in fremder Sprache immer retourniere. Daneben hat es dem Umstand Bedeutung zugemessen , dass keine Kopie eines Rücksendeschreibens vorgelegt worden sei. Diese Umstände mögen zwar im Rahmen einer Beweiswürdigung nach einer Beweisaufnahme Berücksichtigung finden. Sie berechtigen das Tatgericht aber nicht, den angebotenen Beweis nicht zu erheben.
c) Diese Gehörsverletzungen sind entscheidungserheblich. Ohne die Ge15 hörsverletzungen hätte das Berufungsgericht die Zeugen vernehmen müssen. Die Beweisanträge sind nicht nach § 531 Abs. 1 oder 2 ZPO präkludiert. aa) Nach § 531 Abs. 1 ZPO bleiben Angriffs- und Verteidigungsmittel, die
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im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, ausgeschlossen. Hieran fehlt es. Das Landgericht hat den Antrag auf Vernehmung der Zeugen nicht nach § 296 Abs. 1 oder 2 ZPO zurückgewiesen, sondern lediglich ausgeführt , die Vernehmung der Zeugen sei nicht möglich, weil der Auslagenvorschuss nicht gezahlt und die ladungsfähigen Anschriften gar nicht oder zu spät benannt worden seien. Weder ist die Vorschrift des § 296 ZPO zitiert noch sind deren Voraussetzungen geprüft worden. In einem solchen Fall scheidet eine Zurückweisung durch das Berufungsgericht nach § 531 Abs. 1 ZPO von vornherein aus (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2017 - VIII ZR 69/16, NJW 2017, 2288 Rn. 12 bis 14). bb) Auch ein Ausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.
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Nach dieser Vorschrift sind in der Berufungsinstanz neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter bestimmten (eingeschränkten) Voraussetzungen zuzulassen. Neu sind dabei alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht vorgebracht worden sind; dazu gehören auch solche, die die Partei zwar zunächst vorgebracht, dann aber hat fallen lassen. Neu ist danach ein Beweisantritt nur, wenn er entweder in der ersten Instanz überhaupt nicht oder zwar zunächst gestellt, aber im Folgenden auf ihn verzichtet worden ist. Die bloße Nichtzahlung eines Vorschusses - wie hier - kann grundsätzlich nicht als Verzicht auf das Beweismittel angesehen werden (vgl. BGH, NJW 2017, 2288, 2289 Rn. 18 bis 21). 3. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg eine Verletzung von
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Art. 103 Abs. 1 GG auch insoweit, als das Berufungsgericht angenommen hat, der Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt, weil sie im Zeitpunkt der Streitverkündung im Juli 2014 aktivlegitimiert gewesen sei. Das Berufungsgericht hat dabei entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten dazu übergangen, dass die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch bereits im Jahr 2013 konkludent an ihren Versicherer abgetreten hat.
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführun19 gen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist allerdings davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt erst in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen , dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1584 f. [juris Rn. 14] mwN; FamRZ 2013, 1953 Rn. 14).
b) Hier liegen besondere Umstände vor, aus denen geschlossen werden
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kann, dass das Berufungsgericht Vortrag der Beklagten übergangen hat. Aus dem Schreiben des Assekuradeurs an die Beklagte vom 1. August 2013 (Anlage B 4) geht hervor, dass dieser sich als Bevollmächtigter des Transportversicherers der Klägerin mit einer Regressforderung an die Beklagte gewandt hat. Das zeigt, dass die Überlassung von Vertrags- und Schadensunterlagen (auch) dazu diente, Ansprüche aktiv geltend zu machen. Ohne das Schreiben vom 1. August 2013 zu erörtern, konnte das Berufungsgericht deshalb nicht davon ausgehen, die Unterlagen seien nicht zur aktiven Geltendmachung von Ansprüchen , sondern nur zur Abwehr der Inanspruchnahme überlassen worden. Der bloße Hinweis auf die Anlage B 4 im Berufungsurteil reicht dafür nicht aus.

c) Auch diese Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Hätte das Be21 rufungsgericht die Anlage B 4 näher geprüft, ist nicht ausgeschlossen, dass es zu dem Schluss gekommen wäre, dass eine konkludente Abtretung erfolgt ist. War die Klägerin aber im Zeitpunkt der Streitverkündung nicht materiell Berechtigte , hat die Streitverkündung die Verjährung gegenüber der Beklagten nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt. Die Hemmung setzt voraus, dass die Streitverkündung vom Berechtigten ausgeht (vgl. zum Beweissicherungsantrag BGH, Urteil vom 4. März 1993 - VII ZR 148/92, NJW 1993, 1916 [juris Rn. 11]; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, [Neubearb. 2014], § 204 Rn. 77; Palandt /Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 204 Rn. 21). Der Anspruch wäre nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts dann am 14. November 2015 verjährt. Die (übersetzte) Klageschrift ist erst am 14. Januar 2016 zugestellt worden.
Koch Kirchhoff Löffler
Feddersen Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 24.02.2017 - 7 O 29/15 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.09.2018 - I-18 U 46/17 -

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

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1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß §§ 7, 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG wegen einer unfallursächlichen Knieschädigung verneint, weil es sich aufgrund der Beweisaufnahme keine Überzeugung im Sinne des § 286 ZPO hat bilden können, dass sich der Kläger durch den Unfall auch eine Verletzung des Kniegelenkes sowie eine Außenmeniskusläsion und eine Kreuzbandläsion zugezogen hat.
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a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen , dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt - auch bei Kenntnisnahme des Vorbringens durch den Tatrichter - dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16, VersR 2017, 966 Rn. 7; vom 27. September 2016 - VI ZR 565/15 Rn. 6, juris; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 - III ZR 210/17, WM 2018, 1252 Rn. 4; jeweils mwN).
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1. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Partei in der nach Art. 103 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (BGH, Urteil vom 29. Februar 2012 - VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647 Rn. 14 mwN). Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, WM 2007, 1569 Rn. 8; BGH, Urteil vom 29. Februar 2012 - VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647 Rn. 16; jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 170/18
vom
25. April 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:250419BIZR170.18.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler, Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. September 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 76.153,88 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Klägerin wurde mit einem Transport von Damenschuhen von Italien
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nach Mönchengladbach beauftragt. Sie führte den Transport nicht selbst durch, sondern beauftragte die Beklagte, die ihrerseits den Transport durch einen Unterfrachtführer durchführen ließ. Die Schuhe kamen beschädigt in Mönchengladbach an. Die Klägerin wurde von der Transportversicherung ihrer Auftraggeberin in
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einem Vorprozess aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach vorprozessualer Anspruchsstellung übermittelte die Klägerin ihrer Versicherung die Schadensunterlagen. Im Vor- prozess verkündete die Klägerin der hiesigen Beklagten den Streit. Über die Zustellung der nicht übersetzten Streitverkündungsschrift an die Beklagte liegt ein internationaler Rückschein vor, der als Zustellungsdatum den 25. Juli 2014 ausweist. Eine Rücksendung der Streitverkündungsschrift durch die Beklagte ist nicht zu den Akten gelangt. Die Klägerin wurde im Vorprozess rechtskräftig zur Zahlung von 65.102,55 € nebst Zinsen verurteilt. Das Gericht stellte dabei eine qualifizierte Haftung aufgrund eines leichtfertigen Verhaltens des Fahrers des von der Beklagten beauftragten Unterfrachtführers fest. Die Versicherung der Klägerin beglich die ausgeurteilte Forderung und die festgesetzten Kosten. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung des im Vorprozess ausgeurteilten Betrags nebst festgesetzter Kosten sowie der Kosten ihrer eigenen Prozessbevollmächtigten in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung
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der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten. II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie
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führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die
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Beklagte ein Schadensersatzanspruch zu. Aufgrund des Vorprozesses stehe fest, dass das Transportgut während eines grenzüberschreitenden Landtransports in der Obhutszeit der Beklagten beschädigt worden sei und die Beklagte hierfür unbeschränkt hafte. Nach §§ 74, 68 ZPO greife die Interventionswirkung der im Vorprozess erklärten Streitverkündung. Die Streitverkündungsschrift sei ordnungsgemäß zugestellt worden, was sich aus dem Rückschein ergebe. Die Beklagte behaupte zwar unter Beweisantritt, dass in ihrem Unternehmen alle Schriftstücke, die nicht in italienischer Sprache abgefasst seien, an den Absender zurückgesendet würden. Dieser Vortrag sei aber unzureichend. Es sei nicht erkennbar, wie und an wen eine Rücksendung erfolgt sein soll. Das Berufen auf eine allgemeine Anweisung sage nichts über das konkrete Vorgehen aus, zumal eine Kopie des Rücksendungsschreibens nicht vorliege. Es sei auch wenig wahrscheinlich, dass ein international tätiges Transportunternehmen Post in fremder Sprache immer retourniere. Die dreijährige Verjährungsfrist sei durch die Zustellung der Streitverkündungsschrift und die Zustellung der übersetzten Klageschrift gehemmt worden. Die Klägerin sei als Anspruchsinhaberin jeweils berechtigt gewesen, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Die Überlassung von Vertrags- und Schadensunterlagen zur Abwehr des gegen sie gerichteten Anspruchs im Vorprozess habe nicht zu einer konkludenten Abtretung ihres eigenen Anspruchs gegen die Beklagte geführt; etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus den Schreiben an den bevollmächtigten Assekuradeur (Anlagen B 3 und B 4). Erst am 8. September 2015 sei der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 86 VVG auf ihre Transportversicherung übergegangen , nach dem 12. Oktober 2015 aber rückabgetreten worden. 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht
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habe die Anforderungen an die Substantiierungs- und Darlegungslast der Beklagten zur Rücksendung der Streitverkündungsschrift im Vorprozess in gehörsverletzender Weise überspannt. Auch mit ihrer Rüge, die Würdigung des Berufungsgerichts beruhe auf einer gehörswidrigen Vorwegnahme der Beweisaufnahme , dringt die Nichtzulassungsbeschwerde durch.
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a) Die Nichtberücksichtigung des Beweisantritts der Beklagten zur Rücksendung der Streitverkündungsschrift verletzt diese in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht soll sicher8 stellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet daher in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge aufgrund eines hinreichend substantiierten Vortrags (vgl. BVerfG, WM 2012, 492, 493 [juris Rn. 14] mwN). Beruht die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17, NJW 2019, 607 Rn. 7 mwN). Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig und da9 mit als Prozessstoff erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss anhand des Parteivortrags beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden; es ist dann Sache des Tatgerichts, bei der Beweisaufnahme die Zeugen nach Einzelheiten zu befragen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen. Im Interesse der Wahrung des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (vgl. BGH, Be- schluss vom 7. Juni 2018 - III ZR 210/17, WM 2018, 1252 Rn. 4). Diesen Maßstäben genügt das Berufungsurteil nicht. bb) Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zur Zurücksen10 dung der Streitverkündungsschrift zu Unrecht als unsubstantiiert angesehen. Die Beklagte hat vorgetragen, Schriftstücke in fremder Sprache würden regelmäßig an den Absender zurückgeschickt; das werde durch den gescheiterten Versuch der Klagezustellung ohne Übersetzung im hiesigen Prozess belegt. Zum Beweis hat sie sich auf das Zeugnis zweier ehemaliger Angestellter berufen , die in die Korrespondenz zum streitgegenständlichen Schadensfall eingebunden gewesen seien. cc) Dieser Vortrag ist hinreichend substantiiert, um den angebotenen Be11 weis dafür, dass auch die Streitverkündungsschrift zurückgeschickt wordenist, zu erheben. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Beklagte vorgetragen, dass Schreiben "an den Absender" zurückgeschickt werden. Damit wird hinreichend deutlich, dass das Schreiben an das Landgericht Mönchengladbach zurückgeschickt worden sein soll. Auch wenn der Hinweis auf eine allgemeine Anweisung nicht zwingend etwas über das Vorgehen im konkreten Fall aussagt, ist daneben die Indizwirkung der zurückgesandten Klageschrift im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen. Zudem waren beide von der Beklagten benannten Zeugen nach deren Vortrag mit der konkreten Schadensabwicklung befasst. Weitere Einzelheiten sind dann in einer Beweisaufnahme zu klären.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, es sei wenig wahrscheinlich, ein
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international tätiges Transportunternehmen retourniere alle Post in fremder Sprache, stellt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar und verletzt damit Art. 103 Abs. 1 GG.
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aa) Ein Gericht verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 8). Eine unzulässige Beweisantizipation liegt vor, wenn der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - V ZR 64/17, juris Rn. 19). So liegt es hier. bb) Das Berufungsgericht hat seine Annahme, der Vortrag der Beklagten
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zur Zurücksendung der Streitverkündungsschrift sei unzureichend, weshalb kein Beweis erhoben werden müsse, auch damit begründet, es sei wenig wahrscheinlich , dass ein international tätiges Transportunternehmen Post in fremder Sprache immer retourniere. Daneben hat es dem Umstand Bedeutung zugemessen , dass keine Kopie eines Rücksendeschreibens vorgelegt worden sei. Diese Umstände mögen zwar im Rahmen einer Beweiswürdigung nach einer Beweisaufnahme Berücksichtigung finden. Sie berechtigen das Tatgericht aber nicht, den angebotenen Beweis nicht zu erheben.
c) Diese Gehörsverletzungen sind entscheidungserheblich. Ohne die Ge15 hörsverletzungen hätte das Berufungsgericht die Zeugen vernehmen müssen. Die Beweisanträge sind nicht nach § 531 Abs. 1 oder 2 ZPO präkludiert. aa) Nach § 531 Abs. 1 ZPO bleiben Angriffs- und Verteidigungsmittel, die
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im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, ausgeschlossen. Hieran fehlt es. Das Landgericht hat den Antrag auf Vernehmung der Zeugen nicht nach § 296 Abs. 1 oder 2 ZPO zurückgewiesen, sondern lediglich ausgeführt , die Vernehmung der Zeugen sei nicht möglich, weil der Auslagenvorschuss nicht gezahlt und die ladungsfähigen Anschriften gar nicht oder zu spät benannt worden seien. Weder ist die Vorschrift des § 296 ZPO zitiert noch sind deren Voraussetzungen geprüft worden. In einem solchen Fall scheidet eine Zurückweisung durch das Berufungsgericht nach § 531 Abs. 1 ZPO von vornherein aus (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2017 - VIII ZR 69/16, NJW 2017, 2288 Rn. 12 bis 14). bb) Auch ein Ausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.
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Nach dieser Vorschrift sind in der Berufungsinstanz neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter bestimmten (eingeschränkten) Voraussetzungen zuzulassen. Neu sind dabei alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht vorgebracht worden sind; dazu gehören auch solche, die die Partei zwar zunächst vorgebracht, dann aber hat fallen lassen. Neu ist danach ein Beweisantritt nur, wenn er entweder in der ersten Instanz überhaupt nicht oder zwar zunächst gestellt, aber im Folgenden auf ihn verzichtet worden ist. Die bloße Nichtzahlung eines Vorschusses - wie hier - kann grundsätzlich nicht als Verzicht auf das Beweismittel angesehen werden (vgl. BGH, NJW 2017, 2288, 2289 Rn. 18 bis 21). 3. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg eine Verletzung von
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Art. 103 Abs. 1 GG auch insoweit, als das Berufungsgericht angenommen hat, der Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt, weil sie im Zeitpunkt der Streitverkündung im Juli 2014 aktivlegitimiert gewesen sei. Das Berufungsgericht hat dabei entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten dazu übergangen, dass die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatzanspruch bereits im Jahr 2013 konkludent an ihren Versicherer abgetreten hat.
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführun19 gen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist allerdings davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt erst in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen , dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1584 f. [juris Rn. 14] mwN; FamRZ 2013, 1953 Rn. 14).
b) Hier liegen besondere Umstände vor, aus denen geschlossen werden
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kann, dass das Berufungsgericht Vortrag der Beklagten übergangen hat. Aus dem Schreiben des Assekuradeurs an die Beklagte vom 1. August 2013 (Anlage B 4) geht hervor, dass dieser sich als Bevollmächtigter des Transportversicherers der Klägerin mit einer Regressforderung an die Beklagte gewandt hat. Das zeigt, dass die Überlassung von Vertrags- und Schadensunterlagen (auch) dazu diente, Ansprüche aktiv geltend zu machen. Ohne das Schreiben vom 1. August 2013 zu erörtern, konnte das Berufungsgericht deshalb nicht davon ausgehen, die Unterlagen seien nicht zur aktiven Geltendmachung von Ansprüchen , sondern nur zur Abwehr der Inanspruchnahme überlassen worden. Der bloße Hinweis auf die Anlage B 4 im Berufungsurteil reicht dafür nicht aus.

c) Auch diese Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Hätte das Be21 rufungsgericht die Anlage B 4 näher geprüft, ist nicht ausgeschlossen, dass es zu dem Schluss gekommen wäre, dass eine konkludente Abtretung erfolgt ist. War die Klägerin aber im Zeitpunkt der Streitverkündung nicht materiell Berechtigte , hat die Streitverkündung die Verjährung gegenüber der Beklagten nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt. Die Hemmung setzt voraus, dass die Streitverkündung vom Berechtigten ausgeht (vgl. zum Beweissicherungsantrag BGH, Urteil vom 4. März 1993 - VII ZR 148/92, NJW 1993, 1916 [juris Rn. 11]; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, [Neubearb. 2014], § 204 Rn. 77; Palandt /Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 204 Rn. 21). Der Anspruch wäre nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts dann am 14. November 2015 verjährt. Die (übersetzte) Klageschrift ist erst am 14. Januar 2016 zugestellt worden.
Koch Kirchhoff Löffler
Feddersen Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 24.02.2017 - 7 O 29/15 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.09.2018 - I-18 U 46/17 -
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a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats sind an die Substantiierungspflichten des Patienten im Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen zu stellen. Vom Patienten kann keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden. Ihm fehlt die genaue Einsicht in das Behandlungsgeschehen und das nötige Fachwissen zur Erfassung und Darstellung des Konfliktstoffs; er ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen. Die Patientenseite darf sich deshalb auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet (Senatsurteil vom 19. Februar 2019 - VI ZR 505/17, juris Rn. 15; vgl. weiter Senatsurteile vom 14. März 2017 - VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 19; vom 24. Februar 2015 - VI ZR 106/13, NJW 2015, 1601 Rn. 19; vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 252, 254).
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1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß §§ 7, 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG wegen einer unfallursächlichen Knieschädigung verneint, weil es sich aufgrund der Beweisaufnahme keine Überzeugung im Sinne des § 286 ZPO hat bilden können, dass sich der Kläger durch den Unfall auch eine Verletzung des Kniegelenkes sowie eine Außenmeniskusläsion und eine Kreuzbandläsion zugezogen hat.