Bundesgerichtshof Urteil, 05. Dez. 2017 - 1 StR 416/17

bei uns veröffentlicht am05.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 416/17
vom
5. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:051217U1STR416.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff,
Richterin am Landgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -, Justizangestellte - bei der Verkündung - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu Lasten des Zeugen M. verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgerichtskammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel wendet sich die Staatsanwaltschaft mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen dagegen , dass der Angeklagte hinsichtlich der Tat zum Nachteil des Zeugen M. nicht auch wegen versuchten Totschlags verurteilt worden ist. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision allein den Rechtsfolgenausspruch.
3
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat im Umfang der Anfechtung Erfolg. Die Revision des Angeklagten dringt dagegen nicht durch.

I.

4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Am Tattag kam es zwischen dem alkoholisierten Angeklagten und dem später geschädigten Zeugen M. zunächst zu einer kurzen verbalen und geringfügig tätlichen Auseinandersetzung in der von beiden bewohnten Asylbewerberunterkunft. Der Streit konnte durch das Eingreifen Dritter beendet und der Angeklagte in sein Zimmer verbracht werden. Kurze Zeit später kehrte er zurück, trat die Tür zu dem Zimmer ein, in dem sich der Zeuge M. aufhielt und griff mit einem Messer bewaffnet den auf einem Bett sitzenden Zeugen an. Dabei stach der Angeklagte, der äußerte, er werde den Zeugen umbringen, dreimal von oben nach unten in Richtung von dessen Oberkörper. M. konnte die Stiche jeweils auf unterschiedliche Weise abwehren. Nach dem dritten Stich wurde der Angeklagte, der weiter entweder mit dem zuvor benutzten oder einem anderen, erstmals zur Hand genommenen, Messer gegen den Zeugen M. vorgehen wollte, von anderen Bewohnern festgehalten und einem Mitarbeiter des für die Unterkunft zuständigen Sicherheitsdienstes übergeben. Der Zeuge M. erlitt u.a. eine Schnittverletzung an der Hand.
6
Der Angeklagte wurde durch den Sicherheitsdienst des Wohnheims in einen Küchenraum verbracht. Dort traf er auf den Zeugen A. . Als dieser den noch aufgebrachten Angeklagten beruhigen wollte, versetzte dieser dem Zeugen einen Kopfstoß mit der Stirn gegen die linke Gesichtshälfte des Zeugen. Dieser fiel daraufhin zu Boden und wurde für kurze Zeit ohnmächtig.
7
2. Das Landgericht hat hinsichtlich des Vorgehens gegen den Zeugen M. einen (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatz des alkoholbedingt nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkten Angeklagten verneint und ihn insoweit wegen gefährlicher Körperverletzung bei Verwirklichung der Qualifikation aus § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt. Die Tat zum Nachteil des Zeugen A. ist als vorsätzliche Körperverletzung gewertet worden.

II.

Revision der Staatsanwaltschaft
8
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in dem Umfang der Anfechtung Erfolg. Die der Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes bei der Tat zu Lasten des Zeugen M. zugrunde liegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
1. Die ausdrücklich erklärte Beschränkung der Revision auf die vorgenannte Tat und das Ausnehmen der Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff sind wirksam.
10
a) Ein Rechtsmittel kann wirksam auf solche Beschwerdepunkte beschränkt werden, die losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 9. Juni 1999 – 3 StR 77/99, NStZ-RR 1999, 359; KK-StPO/Paul, 7. Aufl., § 318 Rn. 1 jeweils mwN). Das ist im Verhältnis zwischen Straftaten, die tatmehrheitlich (§ 53 StGB) verwirklicht worden sind, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig der Fall (näher BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185, 188 f. und vom 9. November 1972 – 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 74; ausführlich SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., Band VI, § 318 Rn. 32-35).
11
Diese Voraussetzung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen mit der Körperverletzungstat zum Nachteil des Zeugen M. einerseits und der zeitlich nachfolgenden, in einem anderen Raum sowie aufgrund eines neuen Tatentschlusses begangenen Körperverletzung zu Lasten des Zeugen A. andererseits gegeben.
12
b) Der Wirksamkeit der Beschränkung steht für die vorliegende Konstellation nicht entgegen, dass die der Annahme einer alkoholbedingt nicht ausschließbar erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zugrunde liegenden Feststellungen angesichts des recht kurzen zeitlichen Aufeinanderfolgens der Straftaten für beide Bedeutung entfalten und deshalb die Gefahr sich widersprechender Urteilsgründe begründen könnten (zur Bedeutung der Widerspruchsfreiheit für die Trennbarkeitsfrage BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16, NJW 2017, 2847, 2848). Denn ungeachtet der hier fraglichen tatsächlichen Konstellation kommt es für die Schuldfähigkeitsbeurteilung stets darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und Hemmungsvermögen entgegenzusetzen (BGH, Beschluss vom 2. August 2011 – 3 StR 199/11, NStZ2012, 44 mwN). Dafür ist auf den jeweiligen konkreten Rechtsverstoß abzustellen, so dass jedenfalls bei verschiedenartigen Straftaten sich ein einheitliches Eingangsmerkmal auf die Unrechtseinsichts- und die Steuerungsfähigkeit unterschiedlich auswirken kann (vgl. BGH aaO mwN). Die Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe steht daher der Trennbarkeit zwischen den beiden hier verfahrensgegenständlichen Straftaten und damit der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung nicht entgegen. Vorliegend kommt trotz der für beide Taten maßgeblichen Tatzeitalkoholisierung schon wegen der verschiedenen Motivlage für die jeweiligen Tatgeschehen unterschiedliche Auswirkungen auf das Hemmungsvermögen und damit die Steuerungsfähigkeit in Betracht.
13
c) Die Staatsanwaltschaft konnte die Ablehnung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) wirksam von ihrem Rechtsmittelangriff ausnehmen.
14
Die Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB ist ein für eine selbständige Nachprüfung geeigneter Urteilsteil und damit ein Beschwerdepunkt, auf den ein Rechtsmittel grundsätzlich beschränkt werden kann (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Dementsprechend ist für Rechtsmittel des Angeklagten anerkannt, dass dieser die Nichtanwendung des § 64 StGB von seinem Rechtsmittelangriff ausnehmen kann (BGH aaO BGHSt 38, 362, 363 mwN; van Gemmeren in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl., Band 2, § 64 Rn. 128 mwN). Nichts anderes gilt für ein zu Ungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft (vgl. aber van Gemmeren aaO § 64 Rn. 125 mit Fn. 511). Liegen – wie regelmäßig bei der Entscheidung über die Maßregel des § 64 StGB – die Voraussetzungen der Trennbarkeit von den übrigen Urteilsteilen vor, stehen keine sonstigen rechtlichen Gründe einem wirksamen Ausnehmen der Überprüfung der Ablehnung einer Unterbringung vom Rechtsmittelangriff entgegen. Solche folgen vor allem nicht aus Schutzerwägungen zugunsten des Angeklagten, denn dieser ist allein durch die Anordnung der stationären Maßregel, nicht aber durch deren Unterbleiben beschwert (BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f. und vom 29. Juni 2016 – 1 StR 254/16, StV 2017, 592, 594).
15
Eine Konstellation, in der ausnahmsweise eine untrennbare Wechselwirkung zwischen der Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den sonstigen Urteilsgründe, insbesondere dem Strafausspruch, besteht (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363 mwN; Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 397/13, NStZ-RR 2014, 58) liegt nicht vor. Angesichts der völlig unterschiedlichen Zwecke von stationären Maßregeln einerseits und der Strafe andererseits (dazu BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15 Rn. 28, StV 2017, 29, 31; siehe auch Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16 Rn. 29 mwN) ist es regelmäßig auch nicht geboten, eine Verknüpfung zwischen dem Strafausspruch und der Entscheidung über die Maßregel herzustellen. Hat das Tatgericht – wie hier – die Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB abgelehnt, können ohnehin kaum jemals Wechselwirkungen zum Strafausspruch bestehen.

16
2. Das Landgericht hat die Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes des Angeklagten bei den Messerstichen gegen den Zeugen M. auf mehrere Aspekte gestützt, denen es „gewichtige“ indizielle Bedeutung gegen ein billigendes Inkaufnehmen des Todes des Zeugen beimisst. So habe es sich um eine Spontantat gehandelt, bei der der Angeklagte erheblich alkoholbedingt enthemmt war. Auch sei bei den Stichen nicht näher eingrenzbar gewesen, wohin der Angeklagte genau habe treffen wollen. Zudem hat das Landgericht kein „überzeugendes konkretes Tötungsmotiv“ erkennen können (UA S. 15).
17
3. Die der Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes zugrunde liegenden Erwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 10 jeweils mwN) – als rechtfehlerhaft. Das Landgericht hat seiner Beweiswürdigung bereits einen nicht rechtsfehlerfreien rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Zudem liegen revisible Fehler u.a. das Fehlen einer Gesamtwürdigung und überzogene Anforderungen an die eigene Überzeugungsbildung zugrunde.
18
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 11 mwN). Bezogen auf bedingten Tötungsvorsatz liegt bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet , das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH jeweils aaO). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 11) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Auf der Ebene der Beweiswürdigung ist eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f. Rn. 26 mwN und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 11).
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Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der gebotenen Gesamtschau auf eine „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ abgestellt worden ist (Nachw. in BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 189 Rn. 32), erschöpft sich dies in einem Hinweis auf die Bedeutung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) bezüglich der Überzeugungsbildung vom Vorliegen eines (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatzes (BGH aaO BGHSt 57, 183, 191 Rn. 34 und Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 12 mwN). Der Bundesgerichtshof hat immer wieder hervorgehoben, dass durch den Aspekt der „Hemmschwelle“ die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges, auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH aaO BGHSt 57, 183, 191 Rn. 34 mwN).
20
b) Die Ausführungen des Landgerichts lassen bereits besorgen, dass dieses rechtsfehlerhaft der „hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung“ (UA S. 14) eine den indiziellen Wert des objektiven Gefährlichkeitsgradesder vom Angeklagten ausgeführten Messerstiche relativierende Wirkung beigemessen hat, die dem Aspekt der „Hemmschwelle“ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zukommt. So führt das Tatgericht gerade die „Hemmschwelle“ als Grund dafür an, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Angeklagte die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder zumindest darauf vertraut habe, ein als möglich erkannter Erfolg werde nicht eintreten (UA S. 14). Darüber hinaus rekurriert das Landgericht beweiswürdigend auf die „Hemmschwel- le“ auch bei der Prüfung eines möglichen Beweggrunds des Angeklagten und führt aus, es sei kein „überzeugendes konkretes Tötungsmotiv“ erkennbar, das geeignet gewesen wäre, die „Hemmschwelle zur Tötung“ erklärbar zu überwin- den (UA S. 15).
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c) Die den (möglichen) Tötungsvorsatz des Angeklagten betreffende tatrichterliche Beweiswürdigung hält zudem unabhängig von dem aufgezeigten nicht rechtsfehlerfreien Maßstab rechtlicher Prüfung nicht stand.
22
aa) Die Erwägungen zum objektiven Gefährlichkeitsgrad der Messerstiche als Grundlage für die Würdigung der Voraussetzungen bedingten Tötungsvorsatzes enthalten Rechtsfehler. Sie sind teils lückenhaft, teils stellen sie überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung (zum Maßstab näher BGH, Urteile vom 13. Juli 2015 – 1 StR 128/16 Rn. 21, NStZ 2016, 670 und vom 22. November 2016 – 1 StR 194/16 Rn. 14 jeweils mwN).
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(1) Das Landgericht geht unter der Sache nach erfolgender Anwendung des Zweifelssatzes von der Verwendung eines Messers mit einer abgerundeten Spitze aus, obwohl der geschädigte Zeuge M. in seiner ersten polizeilichen Zeugenvernehmung – anders als in der tatrichterlichen Hauptverhandlung – angegeben hatte, das Messer sei vorne nicht rund gewesen (UA S. 12). Soweit die Strafkammer meint, sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit von der Richtigkeit der ersten Schilderung des Zeugen überzeugen zu können , wird dies nicht rechtsfehlerfrei begründet. Die diesbezügliche Beweiswürdigung ist lückenhaft und nicht widerspruchsfrei. Das Landgericht nimmt nicht erkennbar in den Blick, dass es seinen Feststellungen zur Anzahl der vom Angeklagten ausgeführten Stiche gerade die Angaben des Zeugen in seiner ersten polizeilichen Vernehmung mit der Erwägung zugrunde gelegt hat, zu diesem Zeitpunkt sei die Erinnerung des Zeugen noch frisch gewesen. Angesichts dessen hätte es ungeachtet der nur begrenzten Überprüfbarkeit der vom Tatrichter gezogenen Schlüsse näherer Ausführungen bedurft, warum der zeitliche Abstand zwischen der Wahrnehmung und der Bekundung über das Wahrgenommene bezüglich der Beschaffenheit der Klinge eine andere Beweisbedeutung haben soll als hinsichtlich der Anzahl der Stiche. Dem Hinweis des Landgerichts, es sei zweifelhaft, ob der Zeuge die Beschaffenheit der Klinge überhaupt habe wahrnehmen können, liegt selbst wiederum eine lückenhafte Würdigung zugrunde. Der Angeklagte ist nach den drei Stichen überwältigt und in den Küchenraum gesperrt worden. Es wird nicht erörtert, ob für den Zeugen die Möglichkeit bestand, das Messer nach dem Ende des Angriffs und dem Überwältigen des Angeklagten wahrzunehmen.

24
Das Landgericht hat sich in der die objektive Gefährlichkeit der Messerstiche betreffenden Beweiswürdigung auch nicht erkennbar mit dem im Übrigen berücksichtigten Umstand auseinandergesetzt, dass der Zeuge dem Angeklag- ten „emotional zugetan“ sei und ihn so wenig wie möglich belasten wollte. Dies wäre im Rahmen der Würdigung der unterschiedlichen Aussagen des Zeugen zu berücksichtigen gewesen. Dem Urteil lässt sich zudem nicht nachvollziehbar entnehmen, welche Inhalte die (teils verlesenen) Aussagen der Zeugen Mu. und N. (UA S. 12) hatten und warum sie „wenig erhellend“ gewesen seien. Da nach den getroffenen Feststellungen beide Zeugen an der Überwältigung des Angeklagten beteiligt waren, können sie naheliegender Weise Wahrnehmungen zur Beschaffenheit der Messerklinge getroffen haben. Ob dies der Fall war, kann der Senat mangels Wiedergabe des jeweiligen Aussageinhalts nicht prüfen.
25
(2) Auch die weitere Beweiswürdigung zur objektiven Gefährlichkeit der Messerstiche enthält Rechtsfehler. Die Annahme des Landgerichts, es sei nicht näher eingrenzbar, wo der Angeklagte genau habe treffen wollen, so dass zu seinen Gunsten nicht ausschließbar lediglich auf die Schultern oder die Arme habe eingewirkt haben können, beruht auf einer lückenhaften Beweiswürdigung. Es wird in diesem Zusammenhang weder die geäußerte Tötungsabsicht noch das mehrfache und lediglich durch das Eingreifen weiterer Personen letztlich beendete Einstechen berücksichtigt. Die die Bedeutung der geäußerten Tötungsabsicht relativierende Bewertung, es könne sich um „verbale Kraftmeierei“ oder „Ausdruck von Erregung“ handeln, blendet die Entwicklung bis hin zu den Stichen aus. Der Angeklagte war bereits zuvor in eine auch tätliche Auseinandersetzung mit dem Zeugen verwickelt und hat von sich aus nach Entfernung aus dem Zimmer des Zeugen erneut die Konfrontation, dieses Mal unter Einsatz eines Messers, gesucht.
26
Im Übrigen hat das Landgericht bei der Annahme, es müsse zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dieser habe lediglich irgendwo auf den Bereich des Oberkörpers einwirken wollen, also nicht ausschließbar lediglich auf die Schultern oder Arme, die Bedeutung des Zweifelsgrundsatzes verkannt. Dieser ist auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung nicht anzuwenden (BGH, Urteile vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85 und vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184 jeweils mwN); für entlastende Indiztatsachen gilt er dementsprechend nicht (BGH, Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184 mwN).
27
bb) Ein weiterer Rechtsfehler der Beweiswürdigung zum bedingten Tötungsvorsatz liegt darin, dass das Landgericht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 187 Rn. 27) lediglich formelhaft (UA S. 16) vorgenommen hat. Eine solche Gesamtschau darf – nicht anders als hinsichtlich der auf die Täterschaft bezogenen Beweiswürdigung – sich nicht darauf beschränken, die jeweiligen Indizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 5 StR 181/16, NStZ 2017, 600, 601). So verhält es sich jedoch vorliegend.
28
Das Landgericht handelt mehrere Indiztatsachen nacheinander ab, denen es Gewicht mit einer Beweisrichtung gegen die Willenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes zumisst. Es versäumt jedoch, diese Umstände von indizieller Bedeutung in ihrer Zusammenschau zu würdigen und zu erwägen, ob sich in der Gesamtbetrachtung eine andere Bewertungsrichtung ergeben kann.
Zudem sind Umstände nicht in den Blick genommen worden, deren Berücksichtigung – wie bereits ausgeführt – sich nach den getroffenen Feststellungen und der sonstigen Beweiswürdigung aufdrängten.
29
(1) Soweit das Landgericht im Hinblick auf das Vorgehen mit dem Messer von einer Spontantat ausgeht, findet dies keine tragfähige Stütze in den sonstigen Feststellungen. Dem hier fraglichen Tatgeschehen war bereits eine auch tätliche Auseinandersetzung vorausgegangen, die durch das Eingreifen Dritter beendet worden war. Der Angeklagte hat eine erneute Konfrontation mit dem Zeugen M. gesucht und sich – nach den Feststellungen nahe liegend – dafür durch eine Bewaffnung vorbereitet. Selbst unter Berücksichtigung der Alkoholisierung des allerdings alkoholgewöhnten Angeklagten ist die Spontaneität der Tat nicht ausreichend belegt.
30
(2) Entsprechendes gilt im Hinblick auf das vom Tatgericht als gegen die Willenskomponente sprechend gewertete Fehlen eines „überzeugenden konkreten“ Tatmotivs. Zwar war die Strafkammer nicht gehindert, aus der festgestellten Freundschaft zwischen dem Angeklagten und dem geschädigten Zeugen einen gegen das Willenselement sprechenden Schluss zu ziehen. Abgesehen von der rechtsfehlerhaften Verknüpfung des vom Landgericht nicht gefundenen Tatmotivs mit der höheren Hemmschwelle, eine Tötungshandlung vorzunehmen, hätte es jedoch bei der Frage des Motivs die vorausgegangene Auseinandersetzung sowie die im Tatzeitpunkt hochgradige Aggressivität des Angeklagten berücksichtigen müssen. Diese hat vor allem in dem Vorgehen gegen den bis dahin gänzlich unbeteiligten Zeugen A. Ausdruck gefunden.
31
4. Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung zum bedingten Tötungsvorsatz beruht der Schuldspruch bezüglich der zum Nachteil des Zeugen M. begangenen Tat. Da der Angeklagte erst durch das Eingreifen Dritter sowie das anschließende Verbringen in den Küchenraum von weiteren körperlichen Angriffen mit dem Messer auf den Zeugen abgehalten werden konnte, scheidet ein strafbefreiender Rücktritt von vornherein aus.
32
Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung bedingen die Aufhebung der insgesamt zu dieser Straftat getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
33
5. Die Aufhebung der Verurteilung wegen der gegen den Zeugen M. begangenen Straftat entzieht auch der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
34
6. Der wegen der vorgenannten Tat ergangene Schuldspruch und der zugehörige Strafausspruch enthalten keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, worauf die Prüfung des Senats gemäß § 301 StPO wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft begrenzt ist (BGH, Urteil vom 20. September 2017 – 1 StR 112/17, StRR 2017, Nr. 12, 2 Rn. 32 mwN).

III.

Revision des Angeklagten
35
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten erzielt keinen Erfolg. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte für eine untrennbare Verknüpfung mit dem Schuldspruch bestehen nicht. Eine nicht lediglich erheblich verminderte, sondern sogar aufgehobene Schuldfähigkeit des Angeklagten ist ausgeschlossen.

36
1. Weder die Verhängung der beiden Einzelstrafen noch der Gesamtstrafenausspruch enthalten Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Nach dem die tatrichterliche Strafzumessung betreffend eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts, der für die Entscheidung des Tatgerichts über das Vorliegen eines minder schweren Falls ebenfalls gilt (näher dazu BGH, Urteile vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16, NStZ-RR 2017, 117 f. und vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, wistra 2017, 400 Rn. 13 f. mwN), ist es insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB für die Tat zum Nachteil des Zeugen M. nicht zu einem minder schweren Fall gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbs. StGB gelangt ist.
37
2. Auch die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erweist sich im Ergebnis als nicht rechtsfehlerhaft. Das sachverständig beratene Landgericht hat in nicht zu beanstandender Weise einen hinreichend konkreten Therapieerfolg wegen der völlig unzureichenden Sprachkenntnisse (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 StR 254/16, StV 2017, 592, 594 mwN) des Angeklagten verneint.
Graf Jäger Radtke Bär Hohoff

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 05. Dez. 2017 - 1 StR 416/17

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2013 - 2 StR 397/13

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. März 2012 - 4 StR 558/11

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2016 - 5 StR 181/16

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Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Juni 2016 - 1 StR 254/16

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2016 - 1 StR 526/15

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Bundesgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2019 - 4 StR 432/18

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2019 - 1 StR 590/18

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2018 - 1 StR 136/18

bei uns veröffentlicht am 25.04.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 136/18 vom 25. April 2018 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2018:250418B1STR136.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat na

Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 458/16
vom
20. Juni 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
1. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft
sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand
eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen
Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen
an.
2. Ob es sich dabei um einen Umstand handelt, der der Tatausführung das
entscheidende Gepräge gibt, von ihm also nicht trennbar ist, wird von dem
Grundsatz der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe bestimmt.
3. Die Gewerbsmäßigkeit als Handlungsmotivation im Rahmen der Verwirklichung
eines Regelbeispiels ist – anders als die von der Bindungswirkung erfassten
subjektiven Elemente der Tatbegehung – in der Regel vom Tatgeschehen
abtrennbar, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe zu gefährden.
ECLI:DE:BGH:2017:200617B1STR458.16.0
BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16 – LG München I
in der Strafsache gegen

wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 20. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 22. Juni 2016, soweit es ihn betrifft, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
In einem ersten Rechtsgang wurde der Angeklagte S. wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in 35 Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken, in einem Fall auch in Tateinheit mit Inverkehrbringen von bedenklichen Arzneimitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 25. November 2015 das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2
Nach Rechtskraft des Schuldspruchs ist der Angeklagte S. nunmehr zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Hiergegen wendet er sich mit der Sachrüge.
3
Das Rechtsmittel hat Erfolg; der Strafausspruch, über den allein noch zu entscheiden war, weist durchgreifende Rechtsfehler auf; denn das Landgericht hat den Umfang der innerprozessualen Bindung an die Feststellungen des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils verkannt.
4
1. Es hat Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten S. getroffen, welche aber fast wortgleich mit denen des ersten Urteils sind. Des Weiteren hat es – freilich unnötigerweise (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 9. April 2015 – 4 StR 585/14, NStZ 2015, 600 und vom 4. Dezember 1984 – 1 StR 430/84, NJW 1985, 638) – über mehrere Seiten wörtlich wiedergegeben , welche Feststellungen im ersten Rechtsgang getroffen worden waren. Ungeachtet des Aufhebungsumfangs hat es dieses Urteil soweit zitiert, als es darin heißt, die Angeklagten „handelten dabei in der Absicht, sich durch den wiederholten Verkauf der Präparate eine Einnahme von einiger Dauer und eini- gem Umfang zu erschließen“ bzw. „er handelte dabei bereits damals in der Ab- sicht, sich durch den wiederholten Verkauf der Präparate eine Einnahme von einiger Dauer und einigem Umfang zu erschließen“. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht nur ausgeführt, dass sich der Strafrahmen aus § 95 Abs. 3 AMG ergebe, die Regelwirkung nicht entfalle und diesen erhöhten Strafrahmen sodann zugrunde gelegt. In der Liste der angewendeten Vorschriften – gegenüber dem Urteil im ersten Rechtsgang unverändert – findet sich § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG. Diese Vorschrift erfasste u.a. das gewerbsmäßige Handeln als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport. Eigene, mit ei- ner eigenständigen Beweiswürdigung belegte Feststellungen zur gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten oder eine Bewertung derselben hat es nicht getroffen.
5
2. Allein ausweislich der Liste der angewendeten Vorschriften ergibt sich, dass das Landgericht § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b AMG zugrunde gelegt hat. Die Anwendung dieser Strafzumessungsregel ist für sich genommen im Ergebnis nicht zu beanstanden, auch wenn die Vorschrift seit dem 18. Dezember 2015, mithin zur Zeit des Urteils – vom Landgericht nicht ersichtlich in den Blick genommen – nicht mehr galt.
6
a) Gemäß § 2 Abs. 1 StGB findet das sogenannte Tatzeitprinzip Anwendung , wonach sich die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, welches zur Zeit der Tat galt. Im Tatzeitraum galt § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b AMG. Abweichend von diesem Tatzeitprinzip kann sich die Strafbarkeit gemäß § 2 Abs. 3 StGB nach dem Meistbegünstigungsprinzip bestimmen. Danach ist das mildeste Gesetz anzuwenden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 StR 527/14, wistra 2015, 99 mwN), wenn sich die Gesetzeslage seit der Beendigung der Tat geändert hat. Dem entspricht es, dass der Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG insoweit auf die rückwirkende Anwendung neuen materiellen Rechts zuungunsten des Täters beschränkt ist, wobei sowohl die rückwirkende Strafbegründung als auch die rückwirkende Strafverschärfung hiervon erfasst wird (BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 Rn. 67 ff.; Kammerbeschluss vom 22. August 1994 – 2 BvR 1884/93, NJW 1995, 315; Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68 Rn. 72, BVerfGE 25, 269, 284 ff.).
7
b) Im vorliegenden Fall hat sich das Gesetz seit der Tatbegehung geändert. § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AMG ist zum 17. Dezember 2015 außer Kraft getreten. Das dort geregelte Unrecht – Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken – ist jedoch seitdem in § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz) erfasst.
8
c) Dieses neue Recht erweist sich aber für den Angeklagten im konkreten Einzelfall nicht als günstiger. Denn eine Betrachtung des alten und neuen Gesetzes als jeweils Ganzes ergibt keine Begünstigung des Angeklagten durch das neue Recht. So hat zwar § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b AMG für die Fälle der gewerbsmäßigen Begehung einen besonders schweren Fall vorgesehen, der einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren eröffnete. Bei Entfallen der Regelwirkung sah der Normalstrafrahmen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Im neuen Gesetz ist für die gewerbsmäßige Begehung allerdings ein Qualifikationstatbestand vorgesehen, der den Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren enthält (§ 4 IV Nr. 2 lit. b Anti-Doping-Gesetz), für den Fall der Annahme eines minder schweren Falls steht ein abgesenkter Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren zur Verfügung (§ 4 V Anti-Doping-Gesetz).
9
Damit verbleibt es bei der Anwendbarkeit des zur Tatzeit geltenden Rechts.
10
3. Jedoch hat das Landgericht diese Strafzumessungsregel auf Feststellungen des Urteils im ersten Rechtsgang gestützt, die – weil hier allein den Strafausspruch betreffend – durch den Beschluss des Senats im ersten Revisionsverfahren mit aufgehoben waren (vgl. jeweils zur gewerbsmäßigen Begehung BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 – 3 StR 156/12, wistra 2012, 356; vom 22. April 2008 – 3 StR 52/08; allgemein zu besonders schweren Fällen und vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teil- rechtskraft 18; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 353 Rn. 20 unter Bezugnahme auf die oben zitierten Entscheidungen, die diese Ansicht jedoch nicht tragen; abw. noch bis zur 57. Aufl.). Den Strafzumessungserwägungen fehlt insoweit die tatsachengestützte Grundlage und eine eigene Bewertung dieser Tatsachen.
11
a) Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsfeststellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten und sind für das weitere Verfahren bindend (BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 363/15, StV 2017, 520; vom 10. Juni 2015 – 1 StR 217/15 und vom 29. September 2009 – 3 StR 301/09, NStZ-RR 2010, 74; Urteil vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340; kritisch Grünwald JR 1980, 303, 305; ders. JZ 1966, 106, 109; Kemper, Horizontale Teilrechtskraft des Schuldspruchs, 1993).
12
Eine Bindung des neuen Tatgerichts an das insoweit teilweise aufgehobene Urteil besteht in der Regel hinsichtlich festgestellter Sachverhaltsumstände , in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat gefunden worden sind und an solche Bestandteile der Sachverhaltsschilderung , aus denen das frühere Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat. Hierunter sollen solche Umstände fallen, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 363/15, StV 2017, 520; Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182; Beschluss vom 29. September 2009 – 3 StR 301/09, NStZ-RR 2010, 74; Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317; Beschlüsse vom 17. November 1998 – 4 StR 528/98, StV 1999, 417 und vom 11. Dezember 1986 – 1 StR 574/86, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 1; Urteil vom 14. Januar 1982 – 4StR 642/81, BGHSt 30, 340; Beschluss vom 17. Dezember 1971 – 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274; enger BGH, Urteil vom 6. Mai 1981 – 2 StR 105/81: Umstand bezieht sich auch auf den Schuldspruch; BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448: untrennbar mit dem Schuldspruch verbunden ; vgl. auch LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 29 ff.). Es kann von den Schuldspruch lediglich illustrierenden, ihn aber nicht beeinflussenden Tatsachen gesprochen werden (vgl. Bruns, Teilrechtskraft und innerprozessuale Bindungswirkung des Strafurteils, 1961, S. 58, 81 ff. mwN und mit einer kritischen Darstellung der die Bindungswirkung ausweitenden Entwicklung der Rechtsprechung).
13
Insoweit darf der neue Tatrichter keine neuen, den bisherigen widersprechende Feststellungen treffen und seiner Entscheidung zugrunde legen (BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203; vom 21. Oktober 1987 – 2 StR 345/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 4 und vom 21. Mai 1987 – 2 StR 166/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 2). Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet , oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird (BGH, Urteil vom 9. April 2015 – 4 StR 585/14; Beschlüsse vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359 und vom 19. Dezember 1956 – 4 StR 524/56, BGHSt 10, 71, 74; diff. Kemper aaO S. 322, 329). Der neue Tatrichter muss die bestehen gebliebenen Feststellungen deswegen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH, Urteil vom 9. April 2015 – 4 StR 585/14, NStZ 2015, 600; Beschluss vom 13. Mai 2003 – 1 StR 133/03, StraFo 2003, 384; Urteil vom 24. September 1987 – 4 StR 413/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft

3).


14
b) Das Merkmal der gewerbsmäßigen Begehung nach § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG ist – anders als bei der Ausgestaltung der Gewerbsmäßigkeit als Qualifikationstatbestandsmerkmal, wie z.B. in § 152a Abs. 3 StGB oder § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b Anti-Doping-Gesetz – kein tatbestandsbegründendes und mithin den Schuldspruch unmittelbar tragendes Element. Es handelt sich nach der Gesetzestechnik um ein Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund (Raum in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Aufl., § 95 Rn. 47 mwN). Zwar charakterisieren solche Regelbeispiele ähnlich wie selbständige Qualifikationstatbestände einen erhöhten, in der Regel zur Strafrahmenverschiebung führenden Unrechts- und Schuldgehalt. Dennoch sind die Merkmale der Regelbeispiele keine Tatbestandsmerkmale, da ihre Indizwirkung durch das Hinzutreten von besonderen strafmildernden Umstände entkräftet werden kann (grundsätzlich hierzu BGH, Urteil vom 31. März 2004 – 2 StR 482/03, NJW 2004, 2394). Damit handelt es sich auch nicht um den Schuldspruch tragende Feststellungen. Infolgedessen muss für sie gelten, was für andere Umstände gilt, welche die Strafbarkeit erhöhen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359 und vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 18).
15
c) Die gewerbsmäßige Begehung nach § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG stellt jedenfalls im hier vorliegenden Fall auch keinen doppelrelevanten Umstand in dem beschriebenen Sinne dar.
16
aa) Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448; Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359 mit der Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung; Beschluss vom 24. Juli 1963 – 4 StR 168/63, BGHSt 19, 46, 48; Ernemann in Festschrift für Meyer-Goßner, S. 619, 622) auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an (BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448: untrennbar mit dem Schuldspruch verbunden; Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359; gegen die Annahme einer Trennbarkeit Kemper aaO S. 201 ff., 257 ff. mwN, der selber von „100 % Doppelrelevanz“ und einem umfassenden Beweiserhebungsgebot zum Strafzumessungssachverhalt ausgeht). Die Bestimmung, ob es sich um einen Umstand handelt, der der Tatausführung das entscheidende Gepräge gibt, es mithin im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreibt, wird dabei von dem Grundsatz der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe überwölbt und daran ausgerichtet. Hierin liegt der Unterschied zum prozessualen Tatbegriff nach § 264 StPO, der der Bestimmung der Reichweite der Kognitionspflicht des Gerichts und des bei Aburteilung eintretenden Strafklageverbrauchs dient (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2016 – 3 StR 186/16, StraFo 2017, 26 mwN; Radtke in Hohmann/Radtke, StPO, § 264 Rn. 6 ff.). Geschichtlicher Vorgang in einem von der inneren Einheit der Urteilsgründe – und nicht wie beim prozessualen Tatbegriff von der Vermeidung einer unnatürlichen Aufspaltung ei- nes einheitlichen Lebensvorganges – geprägten Sinne sind danach die den Schuldspruch näher beschreibenden Feststellungen über die einzelnen, auch außertatbestandlichen Tatmodalitäten, die Handlungsabläufe und die Identität der Handelnden, die über das Mindestmaß an Tatsachen hinausgehen, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand hätte (BGH, Urteil vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340; enger noch RG, Urteil vom 29. Januar 1935 – 4 D 981/34, RGSt 69, 110, 114). Ist es danach möglich, einen Umstand herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen , ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, wird es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache handeln.
17
bb) Dem entspricht es, dass eine Beurteilung, ob der Strafschärfungsgrund des gewerbsmäßigen Handelns gegeben ist, in der Regel möglich ist, ohne dass die bestandskräftigen Feststellungen hierdurch berührt werden. Denn die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Tatsachen sind nach der „Denkfolge“, die das Gericht bei derEntscheidung einzuhalten hat, abtrennbar (vgl. zur gleichgelagerten Frage der Beschränkbarkeit des Rechtsmittels, BGH, Beschluss vom 24. Juli 1963 – 4 StR 168/63, BGHSt 19, 46, 48). Die gewerbsmäßige Begehung hat auf das eigentliche Tatbild keinen Einfluss, ist für die Tatausführung nicht entscheidend prägend, so dass die innere Einheit der Urteilsgründe ohne eine Bindungswirkung grundsätzlich nicht gefährdet ist. Das unterscheidet dieses Regelbeispiel auch von den Regelbeispielen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 4 StGB, die Umstände des äußeren Tatgeschehens als strafschärfendes Merkmal erfassen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359: Doppelrelevanz in der Regel gegeben [zur Beschränkbarkeit des Rechtsmittels]; vgl. aber auch BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teil- rechtskraft 18: Doppelrelevanz für Voraussetzungen und Anwendbarkeit besonders schwere Fälle pauschal abgelehnt).
18
cc) Eine solche, eben nicht durch die Tat im Sinne von § 264 StPO geprägte Auslegung des Begriffs der doppelrelevanten Tatsachen wird belegt durch die diesbezügliche Handhabung der Voraussetzungen und der Anwendbarkeit des § 21 StGB durch die Rechtsprechung. Danach sind die Feststellungen zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit ausschließlich dem Rechtsfolgenausspruch zugehörig (BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2015 – 3StR 363/15, StV 2017, 520; vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 II Teilrechtskraft 18 und vom 10. Mai 1995 – 2 StR 160/95, BGHR StPO § 353 II Teilrechtskraft 16; kritisch hierzu Ernemann in Festschrift für Meyer-Goßner, S. 619, 622). Zwar handelt es sich bei den Voraussetzungen des § 21 StGB um Umstände, die im Rahmen des konkreten geschichtlichen Vorkommnisses nach § 264 StPO im Sinne eines zeitlich abgeschlossenen Vorgangs verwirklicht sind. Sie sind aber – jedenfalls solange das Revisionsgericht bei der vorhergehenden Entscheidung eine Beeinflussung des Schuldspruchs durch Annahme von nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit ausschließen konnte – vom Schuldspruch in der Regel widerspruchsfrei trennbar und für das Gepräge der Tatausführung nicht entscheidend. Eine vom ersten Urteil abweichende Beurteilung der Voraussetzungen des § 21 StGB würde das Tatgeschehen nicht im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs umschreiben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NJW 2006, 3794; Beschlüsse vom 17. November 1998 – 4 StR 528/98, StV 1999, 417 und vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203). Es mag zwar im Einzelfall denkbar sein, dass die neu festgestellten Anknüpfungspunkte für die Voraussetzungen des § 21 StGB den bindenden Feststellungen zum Tathergang (vgl. BGH aaO; Beschlüsse vom 17. November 1998 – 4 StR 528/98, NStZ 1999, 149 und vom 3. November 1998 – 4 StR 523/98, NStZ 1999, 154; Urteil vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340) hierzu widersprechen, an solchen Feststellungen wäre das Tatgericht allerdings schon nach den allgemeinen Regeln im Hinblick auf die innere Einheit der Urteilsgründe gehindert (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 18).
19
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass subjektive Elemente der Tatbegehung wie Beweggründe bzw. das tatauslösende Moment (BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182; Beschlüsse vom 16. Mai 2002 – 3 StR 124/02, NStZ-RR 2003, 101 und vom 11. Dezember 1987 – 2 StR 635/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 5; Urteile vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340 und vom 6. Mai 1981 – 2 StR 105/81; zum Motiv BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448; Beschluss vom 23. Februar 1978 – 2 StR 728/78 hatte die Frage der Doppelrelevanz des Tatmotivs noch offengelassen) als doppelrelevante Tatsachen anzusehen sind, die trotz Aufhebung des Strafausspruchs das neu zuständige Tatgericht binden. Dafür, dass die Gewerbsmäßigkeit nach der bisherigen Rechtsprechung hiervon nicht erfasst sein soll, spricht schon, dass die diese betreffenden und eine Bindungswirkung insoweit eindeutig verneinenden Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 – 3 StR 156/12, wistra 2012, 356 und vom 22. April 2008 – 3 StR 52/08; vgl. allgemein zu besonders schweren Fällen BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 18) zu keinem Zeitpunkt aufgegeben oder relativiert worden sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182: weitgehende Formulierung hinsichtlich der Bindungswirkung: nur insoweit keine Bindung als nicht zum Tatgeschehen gehörend; Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 363/15, StV 2017, 520 [sog. Rückläufer zu 3 StR 139/14]: Feststellungen zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit gehören nur zum Rechtsfolgenausspruch).
20
Zwar handelt es sich bei der Gewerbsmäßigkeit auch um eine Handlungsmotivation. Denn gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt. Ob die Angeklagten gewerbsmäßig gehandelt haben, beurteilt sich nach ihren ursprünglichen Planungen sowie ihrem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihnen jeweils anzulastenden Tatzeitraum (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181). Demnach hebt sich die Gewerbsmäßigkeit als Handlungsmotivation aber von den von der Bindungswirkung erfassten subjektiven Elementen der Tatbegehung ab. Während letztere das Tatgeschehen maßgeblich prägen, von ihm als geschichtlichen Vorgang nicht loslösbar sind, ohne denselben umzuschreiben , gilt dies für die Gewerbsmäßigkeit in der Regel nicht. Das liegt daran , dass der maßgebliche Bezugspunkt für die zugrunde liegende besondere subjektive Einstellung des Täters – anders als das Merkmal des Eigennutzes (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448) oder die Gewinnabsicht (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 1987 – 2 StR 635/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 5) – nicht die konkrete Tat ist, sondern darüber hinausreicht. Der besondere Unrechtsgehalt liegt gerade in der auf die Begehung weiterer Taten gerichteten Planung. Die die Gewerbsmäßigkeit begründenden Umstände können deswegen in der Regel hinzugedacht oder hinweggedacht werden, ohne dass der den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde.
21
Solchen Feststellungen freilich, die darauf hinausliefen, der Angeklagte habe bei den Taten nicht mit der Absicht gehandelt, Einkünfte zu erzielen, würde die Bindungswirkung entgegenstehen. Denn der Tatbestand des Inverkehrbringens ist ausweislich der Feststellungen des ersten Urteils durch Verkauf der Substanzen verwirklicht worden. Dieser Umstand gehört damit zu den den Schuldspruch tragenden, das Tatgeschehen prägenden und mithin bindenden Feststellungen. Ob aber dieser Verkauf von der Absicht getragen war, zukünftig weitere solche Taten zu begehen, um sich hieraus eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen, kann das neu zuständige Tatgericht regelmäßig und auch im vorliegenden Fall prüfen und bewerten, ohne sich mit dem bindend gewordenen Teil der Feststellungen in Konflikt zu setzen.
Graf Jäger Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 199/11
vom
2. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. August 2011 einstimmig

beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 2011 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
In Ergänzung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte 350 Gramm Kokain (116 Gramm Kokainhydrochlorid), verkaufte plangemäß die Hälfte davon in mehreren Handlungen gewinnbringend an einen Dritten und konsumierte die andere Hälfte selbst. Das Landgericht hat ihn deshalb wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Es ist, soweit der Angeklagte Handel getrieben hat, von uneingeschränkter Schuldfähigkeit ausgegangen, da er "infolge seiner guten finanziellen Situation … der aus den Abverkäufen erzielten Gewinne nicht (bedurfte), um seinen eigenen Drogenkonsum zu sichern". Im Hinblick auf (Erwerb und) Besitz von Rauschgift zum Eigenkonsum hat das Landgericht indes erheblich verminderte Schuldfähigkeit angenommen, da "die Hemmungsfähigkeit des Angeklagten durch die Angst vor Entzugserscheinungen herabgesetzt war". Die Strafe hat es wegen des uneingeschränkt schuldfähig begangenen Betäubungsmittelhandels aus dem nicht gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG entnommen.
1. Der Senat hat gegen eine geteilte Beurteilung der Schuldfähigkeit, wie sie das Landgericht bezüglich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einerseits und des (Erwerbs und) Besitzes von Betäubungsmitteln andererseits vorgenommen hat, rechtliche Bedenken.
Es kommt für die Schuldfähigkeitsbeurteilung darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und Hemmungsvermögen entgegenzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1984 - 3 StR 22/84, StV 1984, 419 mwN). Die Antwort darauf bezieht sich jeweils auf einen konkreten Rechtsverstoß. Dabei ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass ein bestimmtes psychisches Störungsbild sich bei Begehung verschiedenartiger Straftaten jeweils unterschiedlich auswirken kann. "So kann ein Betrunkener, der seinen Geschlechtstrieb nicht mehr zu beherrschen vermag und deshalb im Rausch einen Notzuchtsversuch begeht, möglicherweise sehr wohl noch fähig sein, Hemmungen gegenüber einem Raubmotiv einzuschalten; wer sich infolge seines Rausches schuldlos zu einer Beleidigung hinreißen lässt, kann für eine gefährliche Körperverletzung noch verantwortlich sein" (BGH, Urteil vom 3. Februar 1960 - 2 StR 640/59, BGHSt 14, 114, 116). Auch mag eine "neurotische Überempfindlichkeit" eines Angeklagten "bei typischen Querulantendelikten (Verleumdungen, Beleidigungen, falschen Anschuldigungen) einen im Rechtssinne erheblichen Einfluss auf seine Hemmungsfähigkeit haben", was bei einem Mordversuch gegenüber Beamten nicht der Fall ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1966 - 5 StR 190/66, NJW 1966, 1871). Ein Angeklagter, der wegen sexueller Abartigkeit und Alkoholisierung bei Vornahme der - nach § 154 Abs. 1 StPO aus dem Verfahren ausgeschiedenen - sexuellen Handlungen an einem Kind nachweislich oder nicht ausschließbar vermindert schuldfähig war, könnte wegen der insoweit höheren Hemmschwelle gleichwohl bei der nachfolgenden Tötung des Opfers voll schuldfähig sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 - 3 StR 370/89, NStZ 1990, 231).
Verwirklicht der Täter hingegen - wie hier der Angeklagte durch den Erwerb des Betäubungsmittels in der Absicht des teilweisen Weiterverkaufs - durch eine einheitliche Handlung zwei Tatbestände, so scheint dem Senat die Schuldfähigkeitsbeurteilung nicht teilbar zu sein. Es kann für diese Entscheidung nicht auf die jeweils unterschiedliche rechtliche Einordnung der Handlung ankommen. Soweit ersichtlich, hat sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage noch nicht befasst. Die in der Literatur (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 20 Rn. 5; LK-Schöch, 12. Aufl., § 20 Rn. 184) für die gegenteilige Auffassung in Anspruch genommenen Judikate behandeln eine solche Teilbarkeit jedenfalls nicht.
2. Der Senat braucht die Frage nicht zu entscheiden, denn der Angeklagte ist durch die Beurteilung der Schuldfähigkeit durch das Landgericht nicht beschwert.
Die Feststellungen belegen in keiner Weise, dass eine der Voraussetzungen vorgelegen hat, unter denen nach der ständigen Rechtsprechung Betäubungsmittelabhängigkeit zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit führen kann (vgl. hierzu Fischer, StGB, 58. Aufl., § 21 Rn. 13 mwN). Das gilt auch für eine vom Landgericht zur Begründung herangezogene Angst vor Entzugser- scheinungen. Eine solche käme als Ursache für eine relevante Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nur in Betracht, wenn der Angeklagte Angst vor Entzugserscheinungen , die er schon als äußerst unangenehm erlebt und als nahe bevorstehend eingeschätzt hat, gehabt hätte. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte aber stets Geld, um seinen Bedarf an Betäubungsmitteln zu decken. Nach seiner kurzzeitigen Inhaftierung konnte er ohne gesundheitliche Probleme den Kokainkonsum einstellen. Dass er jemals Entzugserscheinungen gehabt hätte, ist nicht festgestellt und nach allem äußerst fernliegend.
VRiBGH Becker befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Pfister von Lienen Pfister Schäfer Menges

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 6/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:250216B3STR6.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der auswärtigen großen Jugendkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 7. Oktober 2015 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist; diese entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, dem unter anderem gefährliche Körperverletzung und schwere Brandstiftung vorgeworfen worden waren, freigesprochen; zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug der Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2
Während die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, hält die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die sachverständig beratene Kammer rechtsfehlerfrei damit begründet, dass dieser an einer wahnhaften Psychose leide und beide ihm zur Last gelegten Taten im Zustand krankheitsbedingter Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen habe; tatauslösend seien jeweils akute wahnhafte Vorstellungen des Angeklagten gewesen, die möglicherweise schon seine Unrechtseinsichtsfähigkeit , in jedem Fall aber seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben hätten. Die daneben angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Kammer darauf gestützt, dass der Angeklagte zudem den Hang habe, berauschende Mittel, insbesondere Alkohol, Cannabis und Amphetamine, im Übermaß zu sich zu nehmen, und beide Taten im Rausch begangen habe. Das trägt die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht.
4
Hat der Täter den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, so kommt die Anordnung der Maßregel nach § 64 Satz 1 StGB nur in Betracht, wenn er eine rechtswidrige Tat im Rausch begangen hat oder sie auf seinen Hang zurückgeht. Dabei ist die erste Alternative nur ein Unterfall der zweiten, so dass diese den Oberbegriff darstellt. In beiden Fällen muss zwischen der Tat und dem Hang ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn die Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Sie muss also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Rauschmitteln haben, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert (BGH, Urteil vom 11. September 1990 - 1 StR 293/90, NStZ 1991, 128; Beschluss vom 9. März 2006 - 4 StR 472/05, NStZ-RR 2006, 204). Daran fehlt es hier.
5
Nach den Feststellungen waren jeweils die akuten wahnhaften Vorstellungen des Angeklagten tatauslösend, während weder seine Betäubungsmittelbzw. Alkoholabhängigkeit noch seine - mehr oder weniger tragfähig festgestellte - aktuelle Intoxikation zu den Tatzeiten als konstellativer Faktor für die Aufhebung seiner Schuldfähigkeit bedeutsam waren. Die Taten fanden ihre Wurzel jeweils in der Psychose des Angeklagten, die unabhängig vom Betäubungsmittel - und Alkoholmissbrauch besteht, sich vielmehr losgelöst vom Drogen- und Alkoholkonsum verselbständigt oder sogar bereits vor dem Beginn des Konsums vorgelegen und ihrerseits die Drogensucht zur Folge gehabt hat.
6
Auch die vom Landgericht angenommene hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen (§ 64 Satz 2 StGB), findet in den Feststellungen keine Grundlage. Der Sachverständige vermochte die konkreten Erfolgsaussichten einer Entziehungsbehandlung nicht einzuschätzen. Demgegenüber erschöpfen sich die Erwägungen, auf die das Landgericht seine positive Prognose gründet, darin, dass der marokkanische Angeklagte mehrfach seine Therapiebereitschaft geäußert habe und "bei optimalem Verlauf" binnen zwei Jahren in der Entziehungsanstalt verbesserte Kenntnisse der deutschen Sprache erlangen und stärker sozialisiert werden könne. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Therapieerfolg trotz der psychotischen Erkrankung des Angeklagten erreichbar sein könnte, lassen die Urteilsgründe in diesem Zusammenhang vermissen.
7
Letztlich geht die Strafkammer selbst nicht davon aus, dass sich die Gefährlichkeit des Angeklagten allein durch seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beseitigen lässt, sondern stützt die kumulative Anordnung der Maßregeln nach § 63 StGB und § 64 StGB auf die Erwägung, dass der Angeklagte dadurch weniger belastet werde als durch die alleinige Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB. Dabei verkennt sie indes, dass die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB neben derjenigen nach § 63 StGB eine zusätzliche Beschwer für den Angeklagten bedeutet.
8
Da nicht ersichtlich ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen möglich sind, die die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen könnten, lässt der Senat diese Anordnung entfallen (§ 354 Abs. 1 analog StPO). Die Alkohol- und Betäubungsmittelsucht des Angeklagten ist in der Unterbringung nach § 63 StGB mitzubehandeln.
9
Der verhältnismäßig geringe Teilerfolg des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels gebietet es nicht, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen auch nur teilweise von der Belastung mit Kosten und notwendigen Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Hubert Mayer Gericke Tiemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 254/16
vom
29. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290616B1STR254.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 5. auf dessen Antrag – am 29. Juni 2016 gemäß § 44 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Februar 2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 7. April 2016, mit dem die Revision als unzulässig verworfen worden ist, ist gegenstandslos. 3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Maßregelausspruch aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der ihm vorgeworfenen Tat sicher erheblich beeinträchtigt und nicht ausschließbar vollständig aufgehoben war. Er ist durch das angefochtene Urteil aber wegen einer als versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewerteten Anlasstat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden.
2
Der Angeklagte begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Mit der auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision wendet er sich u.a. gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes bei der Anlasstat sowie gegen diejenige der Voraussetzungen des § 63 StGB.

I.


3
Die Wiedereinsetzung war auf den zulässig erhobenen Antrag (§ 45 StPO) zu gewähren, weil der Angeklagte nach seinem noch ausreichend glaubhaft gemachten Vorbringen ohne sein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) gehindert war, die Frist des § 345 Abs. 1 StPO zur Begründung der Revision einzuhalten. Die Fristversäumung beruht auf dem für den Angeklagten unverschuldeten Umstand einer mit Arbeitsunfähigkeit einhergehenden Erkrankung seines Verteidigers am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist.
4
Durch die Wiedereinsetzung ist der die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO verwerfende Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 7. April 2016 gegenstandslos (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 StR 435/15, wistra 2016, 163).

II.


5
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
6
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte seit mindestens drei Jahren an einer dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB zugeordneten anhaltenden wahnhaften Störung (ICD-10: F22.8). Diese zeigt sich u.a. darin, dass er Stimmen aus dem Radio wahrnimmt, die schlecht über ihn sprechen und ihn beleidigen. Seit wenigstens einem Jahr vor Begehung der Anlasstat glaubt der Angeklagte krankheitsbedingt zudem, von anderen Personen häufig beschimpft und beleidigt zu werden. Zu den Personen, von denen solche vermeintlichen Kränkungen ausgehen, gehört nach den krankheitsbedingten Wahrnehmungen des Angeklagten auch der Nebenkläger, ein in seiner Nachbarschaft wohnender und arbeitender Mann, zu dem der Angeklagte früher einen guten Kontakt hatte. Außer der wahnhaften Störung hat die sachverständig beratene Strafkammer bei dem Angeklagten eine langjährig andauernde Alkoholerkrankung festgestellt. In alkoholisiertem Zustand verstärke sich seine Aggressivität gegenüber denjenigen Personen, von denen er sich aufgrund seiner wahnhaften bzw. psychotischen Wahrnehmungen beschimpft und beleidigt fühlt.
7
Bei Begehung der Anlasstat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund der anhaltenden wahnhaften Störung im Zusammenwirken mit der akuten Alkoholisierung von maximal 2,8 Promille BAK (UA S. 25) sicher erheblich vermindert und – bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit – nicht ausschließbar vollständig aufgehoben.
8
2. Diese Feststellungen tragen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) nicht in jeder Hinsicht. Zwar ist sowohl die Annahme der rechtswidrigen Anlasstat als auch diejenige deren Begehung im Zustand wenigstens erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat aber nicht erkennbar in den Blick genommen, dass bei dem Angeklagten aufgrund der Alkoholabhängigkeit , die sich bei der Begehung der Anlasstat ausgewirkt hat, auch die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in Betracht kamen. Hätte die Strafkammer dies bedacht, lässt sich im Rahmen von § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB die Anordnung ausschließlich der Maßregel des § 64 StGB durch das Landgericht nicht völlig sicher ausschließen.
9
a) Die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB setzt voraus, dass der Ausschluss (§ 20 StGB) oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) auf einem länger andauernden psychischen Defekt des Täters beruht. Ein solcher Zustand kann auch dann vorliegen, wenn die für die Maßregelanordnung erforderliche, sicher zumindest erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit auf einem Zusammenwirken einer länger andauernden geistigseelischen Störung und dem Konsum von Alkohol beruht (BGH, Urteile vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374 f. und vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 und vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42). Insoweit genügt, dass bei länger andauernden Störungen im Sinne von §§ 20, 21 StGB bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dieses getan haben (BGH jeweils aaO).
10
Diese Voraussetzungen sind festgestellt. Das Zusammenwirken der seit mehreren Jahren durchgängig auftretenden „anhaltenden wahnhaften Störung“ (ICD-10: F22.8) und des am Tattag konsumierten Alkohols ist der Grund für die wenigstens erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Ausführung des Messerstichs gegen den Oberkörper des Nebenklägers. Die mit der wahnhaften Störung einhergehende (verbale und körperliche ) Aggressivität des Angeklagten gegenüber den Personen, von denen er sich beschimpft und beleidigt wähnt, wird – wie auch in der konkreten Tatsituation – durch den Konsum von Alkohol gesteigert.
11
b) Das angefochtene Urteil belegt zudem in einer die revisionsgerichtlichen Überprüfung genügend ermöglichenden Weise (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342 mwN) die Auswirkungen der vorhandenen wahnhaften Störung des Angeklagten auf dessen Steuerungsfähigkeit in der konkreten Tatsituation und warum die Anlasstat auf den festgestellten psychischen Zustand zurückzuführen ist.
12
c) Die Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält dennoch rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich das Landgericht nicht zu den Voraussetzungen von § 72 Abs. 1 und 2 StGB verhält, obwohl die getroffenen Feststellungen dies geboten.
13
aa) § 72 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB gestatten, mehrere Maßregeln nebeneinander anzuordnen, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Das gilt auch für die Maßregeln gemäß § 63 StGB und § 64 StGB (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 – 2 StR 283/97, StV 1998, 72; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 72 Rn. 3 und 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 72 Rn. 21). Allerdings darf die parallele Anordnung lediglich dann erfolgen, wenn von mehreren zur Erreichung des Maßregelzwecks gleich ge- eigneten Maßregeln nicht bereits die Anordnung einer von ihnen zur Zweckerreichung genügt (§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB). In diesem Fall verlangt § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allein die Maßregel anzuordnen, die mit dem geringeren Eingriff in die Rechte des Betroffenen verbunden ist. Im Verhältnis der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und der in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist dies bereits wegen der gesetzlichen Begrenzung der zulässigen Vollzugsdauer Letztgenannte (vgl. BGH aaO mwN; Fischer aaO § 72 Rn. 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, aaO § 72 Rn. 21; Stree/Kinzig in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 72 Rn. 4c).
14
bb) Im Hinblick auf die festgestellten Gesamtumstände zu der Person des Angeklagten und der begangenen Anlasstaten hätte das Tatgericht die Voraussetzungen von § 72 Abs. 1 und 2 StGB erörtern müssen. Denn außer der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus kam auch eine solche in einer Entziehungsanstalt in Betracht.
15
(1) Nach den Feststellungen des Landgerichts besteht bei dem Angeklagten ein Alkoholabhängigkeitssyndrom (UA S. 7 und 8). Der Konsum von Alkohol verstärkt seine wahnhaften Wahrnehmungen und steigert vor allem seine Aggressivität gegenüber Personen, die ihn vermeintlich beschimpfen und beleidigen (UA S. 9). Auf die Begehung der Anlasstat haben sich Abhängigkeit und die akute mittelgradige Alkoholisierung von maximal 2,8 Promille ausgewirkt , weil Letztere im Zusammenwirken mit der anhaltenden wahnhaften Störung die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sicher erheblich beeinträchtigt und nicht ausschließbar vollständig aufgehoben hat. Damit liegt der für die Anordnung der Maßregel des § 64 StGB erforderliche symptomatische Zusammenhang vor. Denn dieser ist bereits dann gegeben, wenn der Hang – gege- benenfalls neben anderen Ursachen – dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat (BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15 Rn. 3, NStZ-RR 2016, 173; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15 Rn. 8 mwN). Angesichts der die krankheitsbedingte Aggressivi- tät verstärkenden Wirkung des übermäßigen Alkoholkonsums kann nicht von vornherein eine (auch) auf die Alkoholabhängigkeit zurückgehende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten verneint werden.
16
Der Senat vermag nicht völlig sicher auszuschließen, dass das Landgericht auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg (§ 64 Satz 2 StGB) angenommen hätte, wenn es die Möglichkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt des Angeklagten in den Blick genommen hätte. Zwar könnten die offenbar weitgehend fehlenden deutschen Sprachkenntnisse (UA S. 9) des seit 1968 im Inland lebenden Angeklagten einer Anordnung der Maßregel des § 64 StGB entgegenstehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138 f.; siehe aber auch BGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – 5 StR 378/12, NStZ-RR 2013, 171; Beschluss vom 10. Juli 2012 – 2 StR 85/12, NStZ 2012, 689 f.; näher dazu auch van Gemmeren in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 71 und 80 mwN). Ebenso könnte die vorhandene anhaltende wahnhafte Störung ein der hinreichenden Aussicht eines Therapieerfolges entgegenstehender Umstand sein (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 341/14, NStZ 2015, 539 f. sowie BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315 f.). Da das Landgericht jedoch ungeachtet dessen § 64 StGB trotz festgestellter Alkoholabhängigkeit des Angeklagten gar nicht erörtert hat, vermag eine Anordnung dieser Maßregel durch den Tatrichter seitens des Senats nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen zu werden.
17
(2) Dies entzieht wegen der Regelung in § 72 Abs. 1 StGB der alleinigen Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) die Grundlage. Zwar wird der Angeklagte durch die unterbliebene zusätzliche Maßregel gemäß § 64 StGB nicht beschwert; vielmehr bedeutete eine kumulative Anordnung des § 64 StGB eine zusätzliche Beschwer (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f.). Der Senat kann aber wiederum nicht völlig sicher ausschließen, dass das Tatgericht in Anwendung von § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB den Angeklagten allein gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht hätte, wenn es die Voraussetzung dieser Maßregel erörtert und zudem die Regelungen in § 72 Abs. 1 StGB bedacht hätte. Da dies zum Wegfall der den Angeklagten im Verhältnis zu § 64 StGB stärker beschwerenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 – 2 StR 283/97, StV 1998, 72; Fischer aaO § 72 Rn. 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, aaO § 72 Rn. 21; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder aaO § 72 Rn. 4c) hätte führen können , ist der Angeklagte aber insoweit durch die unterbliebene Erörterung von § 64 StGB beschwert.
18
cc) Einer Aufhebung des Freispruchs im Hinblick auf die Wertung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf es vorliegend nicht, weil die den Freispruch tragenden Feststellungen zur Schuldunfähigkeit des Angeklagten ebenso rechtsfehlerfrei sind wie diejenigen zu den Voraussetzungen des § 63 StGB und lediglich noch zu prüfen ist, ob gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB anstelle der Maßregel des § 63 StGB eine solche nach § 64 StGB angeordnet wird.
19
dd) Der Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Rechtsfehler besteht lediglich in einer unzureichenden Erörterung der in Frage kommenden Rechtsfolgen der Anlasstat. Insbesondere zu den Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt werden ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen dürfen, getroffen werden müssen. Da die besondere funktionelle Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben ist, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2015 – 3 StR 444/15 Rn. 10).

III.


20
Der neue Tatrichter wird bei der Entscheidung über die Anordnungvon Maßregeln nicht aus dem Blick verlieren, dass die Anlasstat ihre Wurzel in der anhaltenden wahnhaften Störung des Angeklagten hat, bei der es sich nicht um eine durch den Alkoholmissbrauch hervorgerufene Psychose handelt (UA S. 24). Angesichts der Feststellungen zur Gefährlichkeitsprognose dürfte es auch nicht naheliegen, dass die Gefährlichkeit des Angeklagten allein durch eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beseitigt werden könnte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f.; siehe auch Grünebaum R&P 2004, 187, 188 f.). Seine Alkoholabhängigkeit wird zudem regelmäßig im Vollzug der Maßregel des § 63 StGB mitbehandelt werden können (BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 341/14, NStZ 2015, 539 f.). Sollte sich im Verlauf des Vollzugs der eventuell erneut angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ergeben, dass der Vollzug der Maßregel aus § 64 StGB geeigneter ist, kommt regelmäßig § 67a Abs. 1 StGB zur Anwendung.
Raum Graf Radtke RiinBGH Dr. Fischer ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Mosbacher Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 397/13
vom
24. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. September 2013
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 29. April 2013 im Ausspruch über den Vorwegvollzug von vier Monaten der Freiheitsstrafe vor der Maßregel aufgehoben ; der Ausspruch entfällt.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, wegen „Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren“ in drei Fällen sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass vier Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und des Wertersatzverfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
3
2. Die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregel hat keinen Bestand.
4
a) Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Willen des Beschwerdeführers die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB sowie die Anordnung des Vorwegvollzugs vom Rechtsmittelangriff ausgenommen sein sollen.
5
Eine Beschränkung der Revision nach § 344 Abs. 1 StPO ist nur zulässig , soweit die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils - losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil - tatsächlich und rechtlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Weiter muss gewährleistet sein, dass die nach Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 f.; Urteil vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59). Die Revisionsbeschränkung unter Ausklammerung eines Maßregelausspruchs ist deshalb unwirksam, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2012 - 2 StR 605/11 mwN); die Feststellung einer Symptomtat ist unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung und damit auch für die Anordnung des Vorwegvollzugs (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171, 172).
6
Der Angeklagte, der mit der Sachrüge auch den Schuldspruch angreift, kann daher mit der erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht wirksam auf die Anfechtung der Anordnung der Unterbringung und des Vorwegvollzugs verzichten.
7
b) Die Dauer des vorweg zu vollziehenden Strafteils wurde rechtsfehlerhaft bemessen. Das Landgericht hat übersehen, dass die erlittene Untersuchungshaft bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe nach § 67 Abs. 2 StGB außer Betracht zu bleiben hat, weil die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB anzurechnende Untersuchungshaft im Vollstreckungsverfahren auf den vor der Unterbringung zu vollziehenden Teil der Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - 4 StR 210/10; Beschlüsse vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171, 172; vom 15. November 2007 - 3 StR 390/07, NStZ 2008, 213, 214).
8
Angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei bestimmten voraussichtlich erforderlichen Behandlungsdauer von 24 Monaten, wären bei richtiger Berechnung sechs Monate der Freiheitsstrafe vorweg zu vollziehen.
9
c) Da sich der mögliche Vorwegvollzug durch die von dem Angeklagten vom 5. September bis 27. November 2012 und seit dem 22. April 2013 erlittene Untersuchungshaft zwischenzeitlich aber bereits erledigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 318/11), bleibt für eine weitere Anordnung des Vorwegvollzugs kein Raum mehr, so dass die Anordnung entfallen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 5 StR 35/12; Beschluss vom 1. September 2009 - 3 StR 349/09; Beschluss vom 30. Januar 2008 - 2 StR 4/08; vgl. auch Beschluss vom 15. November 2007 - 3 StR 390/07, NStZ 2008, 213 f.).
10
3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer - teilweise - von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen. Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
29
5. Der rechtsfehlerfreie Strafausspruch (oben II.2.) ist angesichts der kategorialen Unterschiede zwischen Strafe und Maßregel (vgl. näher BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, StV 2017, 29, 31; siehe auch BGH, Urteile vom 24. November 2011 – 4 StR 331/11, NStZ-RR 2012, 156 f. und vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Fn. 23 mwN [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]) von der Aufhebung der Maßregelanordnung nicht betroffen. Eine Konstellation, in der das Tatgericht – entgegen der gesetzlichen Konzeption – eine innere Verknüpfung zwischen Strafe und Maßregel hergestellt hätte, ist nicht gegeben.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

10
2. Diese Beweiserwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 mwN und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 20 f.) – als rechtsfehlerhaft. Die Begründung, mit der das Landgericht darlegt, sich keine Überzeugung zumindest vom bedingten Tötungsvorsatz verschaffen zu können, legen bereits einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab zugrunde. Zudem sind sie teils lückenhaft, teils stehen sie in Widerspruch zu sonstigen getroffenen Feststellungen.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
10
2. Diese Beweiserwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 mwN und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 20 f.) – als rechtsfehlerhaft. Die Begründung, mit der das Landgericht darlegt, sich keine Überzeugung zumindest vom bedingten Tötungsvorsatz verschaffen zu können, legen bereits einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab zugrunde. Zudem sind sie teils lückenhaft, teils stehen sie in Widerspruch zu sonstigen getroffenen Feststellungen.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
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2. Diese Beweiserwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 mwN und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 20 f.) – als rechtsfehlerhaft. Die Begründung, mit der das Landgericht darlegt, sich keine Überzeugung zumindest vom bedingten Tötungsvorsatz verschaffen zu können, legen bereits einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab zugrunde. Zudem sind sie teils lückenhaft, teils stehen sie in Widerspruch zu sonstigen getroffenen Feststellungen.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
10
2. Diese Beweiserwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 mwN und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 20 f.) – als rechtsfehlerhaft. Die Begründung, mit der das Landgericht darlegt, sich keine Überzeugung zumindest vom bedingten Tötungsvorsatz verschaffen zu können, legen bereits einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab zugrunde. Zudem sind sie teils lückenhaft, teils stehen sie in Widerspruch zu sonstigen getroffenen Feststellungen.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

10
2. Diese Beweiserwägungen erweisen sich – auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (etwa BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 25 mwN und vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16 Rn. 20 f.) – als rechtsfehlerhaft. Die Begründung, mit der das Landgericht darlegt, sich keine Überzeugung zumindest vom bedingten Tötungsvorsatz verschaffen zu können, legen bereits einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab zugrunde. Zudem sind sie teils lückenhaft, teils stehen sie in Widerspruch zu sonstigen getroffenen Feststellungen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 2 7 / 1 4
vom
5. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 24. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf zweier weiterer Taten hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, gestützt auf die Sachrüge, die Beweiswürdigung.
Sie wendet sich sowohl gegen die Nichtverurteilung wegen eines Sexualdelikts, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, als auch gegen den Teilfreispruch. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts, soweit er verurteilt wurde. Das in der Revisionshauptverhandlung auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel ist unbegründet.

A.

I.

Im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten hat das Landgericht im
4
Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der im Jahr 1979 geborene ledige Angeklagte hatte bereits mehrfach feste Beziehungen für einen Zeitraum von maximal einem Jahr. Anfang des Jahres 2012 wurde er wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat.
6
2. Anfang September 2012 lernte der Angeklagte über die Internetplatt- form „friend-Scout24“ dieNebenklägerin kennen. Nach mehreren telefonischen Kontakten und weiterer Kommunikation mittels SMS verabredeten sich beide für den 14. September 2012 an der Wohnung des Angeklagten in S. .
7
Am Nachmittag dieses Tages fragte die Nebenklägerin vor ihrer Abfahrt per SMS bei dem Angeklagten an, ob sie am Folgetag noch bei ihm duschen könne. Ebenfalls per SMS forderte der Angeklagte ein Foto von ihr in Unterwäsche , um überprüfen zu können, ob sie auch tatsächlich schlank sei. Die Ne- benklägerin lehnte dies ab, schickte ihm aber mittels MMS ein Bild von ihrem nackten Bauch sowie ein Ganzkörperfoto, jedoch in bekleidetem Zustand. Ihrer Mutter, die am 15. September 2012 gegen 15.00 Uhr einen Arzttermin hatte, versprach die Nebenklägerin, früh morgens wieder nach Hause zu fahren, sodass sie gegen Mittag spätestens wieder daheim sein werde.
8
Nachdem die Nebenklägerin am 14. September 2012 gegen 20.00 Uhr bei der Wohnung des Angeklagten in S. angekommen war, fuhren beide zunächst mit dem PKW des Angeklagten zu einer Lounge in R. , wo sie sich bis etwa 23.00 Uhr aufhielten. Der Angeklagte konsumierte dort keinen Alkohol; die Nebenklägerin trank etwa einen halben Longdrink. Das Gespräch beider hatte alltägliche Dinge ohne sexuellen Hintergrund zum Gegenstand.
9
Nach der gemeinsamen Rückkehr in seine Wohnung empfahl der Angeklagte der Nebenklägerin zur Entspannung und gegen den inneren Stress die Einnahme von Globuli. Die Nebenklägerin nahm daraufhin gegen Mitternacht fünf vom Angeklagten übergebene Tabletten mit Wasser ein. Er hatte diese zuvor aus dem oberen Fach des Wohnzimmerschranks geholt und als solche seiner Mutter bezeichnet, die als Heilpraktikerin tätig sei. Die Nebenklägerin machte sich über das Aussehen der Tabletten und die fehlende Verpackung keine Gedanken. Nach ihrer Meinung sahen die Tabletten wie Schüssler Salze aus; zudem hatte ihr der Angeklagte gesagt, „es sei nur etwas Pflanzliches“. Tatsächlich handelte es sich um benzodiazepinhaltige Tabletten wie Valium, deren Einnahme zu einer erheblich über dem therapeutischen Bereich von etwa 200 ng/ml liegenden Konzentration von insgesamt 700 ng/ml Diazepam im Blut führte.

10
Aufgrund der Wirkung der Tabletten trat bei der Nebenklägerin eine plötzliche Müdigkeit auf. Sie legte sich auf die Couch im Wohnzimmer des Angeklagten. Zuvor hatte sie, da sie ihre eigene mitgebrachte Schlafhose nicht mehr finden konnte, die Jogginghose des Angeklagten als Schlafhose erhalten und angezogen. Die Nebenklägerin geriet sodann in einen sedierten, muskulaturentspannten unnatürlichen Schlafzustand, in dem die ordnungsgemäßen körperlichen Funktionen, wie die Wahrnehmungsfähigkeit, gestört waren.
11
Als die Nebenklägerin nach Mitternacht im Bett des Angeklagten in dem beschriebenen Zustand „schlief“, fasste sie der Angeklagte massiv im Hüft-, Oberschenkel- sowie im gesamten Beinbereich an und verursachte dadurch insbesondere an ihrem linken Oberschenkel zwei schmerzhafte Hämatome und weitere Hämatome an ihren Beinen, sowie Hüftschmerzen. Desweiteren wurden ihr durch den Angeklagten die Beine auf die Brust gedrückt. Die Nebenklägerin spürte hierdurch einen länger anhaltenden Druck auf ihren Brustkorb. Die Handlungen des Angeklagten nahm die Nebenklägerin jeweils im Halbschlaf bei teilweisem Bewusstsein wahr.
12
Durch die verabreichten Mittel bestand die Gefahr des Erbrechens sowie der Aspiration, sodass für die Nebenklägerin aufgrund des nicht kontrollierbaren Zustands Lebensgefahr durch die Gefahr des Erstickens an Erbrochenem bestand.
13
Der Angeklagte wusste bei Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten, dass diese eine schlafmittelähnliche Wirkung entfalteten, und wollte die Nebenklägerin in den unnatürlichen Schlafzustand bringen. Ihm war die gesundheitsschädliche Wirkung der Tabletten bewusst. Zudem erkannte er, dass deren Verabreichung zu einem für ihn nicht mehr kontrollierbaren Zustand der Nebenklägerin führen konnte mit der Möglichkeit einer Lebensgefahr in Form der Gefahr des Erstickens nach Erbrechen und Aspiration des Erbrochenen.
14
3. Am nächsten Morgen wachte die Nebenklägerin im Bett des Angeklagten auf; sie hatte nur noch ihren Slip, ihren BH und ein Achsel-T-Shirt an. Die Nebenklägerin konnte kaum aufstehen bzw. stehen bleiben und hatte Schmerzen im Hüftbereich. Während der Heimfahrt fühlte sie sich sehr müde und stark benommen. Nach ihrer Rückkehr gegen 14.00 Uhr schlief sie nochmals ein. Auch danach und am Folgetag verblieb es bei der Benommenheit und Übelkeit bzw. einem gewissen Rauschzustand der Nebenklägerin. Sie verständigte deshalb den medizinischen Notdienst.
15
4. Ein DNA-Vergleich der Spuren an dem von der Nebenklägerin in der Tatnacht getragenen Slip erbrachte am Bund (Außenseite sowie Innenseite) Y-chromosomale Merkmale, die in sieben von neun Merkmalen mit den Y-Chromosomen des Angeklagten übereinstimmten. Ein Spermatest im Zwickelbereich des Slips der Nebenklägerin sowie die Untersuchung eines Genitalabstrichs von ihr auf Spermien hin blieben negativ. Am Bett des Angeklagten befanden sich dessen Spermaspuren.
16
5. Im Zusammenhang mit dem festgestellten Geschehen hat das Landgericht auch zwei Ermittlungsvorgänge der Polizeidirektion Nabburg in den Blick genommen. Am 4. März 2010 hatte eine junge Frau berichtet, sie sei stark alkoholisiert gewesen und sei nach einem Diskothekenbesuch von dem Angeklagten heimgefahren worden. Sie konnte noch in der Nacht im PKW des Angeklagten aufgefunden werden. Die junge Frau behauptete später, es habe sich nach zwei Monaten der Verdacht einer Geschlechtskrankheit ergeben, die nicht von ihrem Freund habe stammen können. Ende März 2010 hatte eine andere junge Frau gegenüber der Polizei angegeben, im Mai 2009 in einer Diskothek in N. gewesen zu sein, sich aber an nichts mehr erinnern zu können, bis sie in der Wohnung des Angeklagten erwacht sei. In beiden Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt.
17
6. In der Hauptverhandlung schloss der Angeklagte mit der Nebenklägerin nach einer Entschuldigung für die Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten einen Vergleich, in dem er sich im Hinblick auf Ansprüche aus Delikt zur Zahlung von 5.000 Euro in monatlichen Teilbeträgen von 250 Euro verpflichtete.
18
7. Von dem festgestellten Tatgeschehen hat sich das Landgericht im Wesentlichen aufgrund eines Geständnisses des Angeklagten sowie der Angaben der Nebenklägerin überzeugt. Es hat die Richtigkeit des Geständnisses anhand von weiteren Zeugenaussagen sowie gestützt auf Sachverständigengutachten , insbesondere zur Konzentration der im Blut der Nebenklägerin festgestellten Benzodiazepine und der Wirkungen auf sie, überprüft.
19
8. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung durch Beibringen eines gesundheitsschädlichen Stoffes und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 StGB) gewertet. Die durch das Wenden und Drehen der Nebenklägerin entstandenen Hämatome hat das Landgericht als tateinheitlich begangene vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB eingestuft.
20
Von der Vornahme sexueller Handlungen (§ 184g Nr. 1 StGB) des Angeklagten an der Nebenklägerin und damit einer Sexualstraftat konnte sich das Landgericht nicht überzeugen (UA S. 24 f.). Es sei nicht zweifelsfrei festgestellt, dass die DNA-Spuren am Bund des Slips der Nebenklägerin von dem Angeklagten stammten. Zudem würde selbst solches nicht zwingend eine sexuelle Handlung belegen, weil die Spuren auch beim bloßen Entfernen der Kleidung entstanden sein konnten. Das festgestellte Drehen und Wenden der Nebenklägerin durch den Angeklagten und die von ihm verursachten Hämatome ließen nach Auffassung des Landgerichts ebenfalls keine sichere Überzeugung von sexuellen Handlungen des Angeklagten an der Nebenklägerin zu. Dasselbe gelte im Hinblick auf die beiden von der Polizeidirektion Nabburg gegen den Angeklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen, die später eingestellt worden seien.
21
9. Das Vorliegen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung lehnte das Landgericht auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände ab. Die Voraussetzungen eines Täter-OpferAusgleichs i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB hielt das Landgericht nicht für gegeben.

II.

1. Aufgrund einer weiteren Anklage der Staatsanwaltschaft Amberg
22
(Az. 109 Js ) lagen dem Angeklagten darüber hinaus folgende Taten zur Last:
a) Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2008,
23
vermutlich am 22. Juni 2008, habe der Angeklagte in seiner Wohnung einer unbekannt gebliebenen Geschädigten Schlafmittel oder Ähnliches verabreicht, um sie zum Einschlafen zu bringen oder sie bewusstlos zu machen und um sich an ihr in diesem Zustand ohne ihr Einverständnis zu vergehen. Als die Geschädigte fest geschlafen habe oder bewusstlos gewesen sei
24
und weder zu einer Willensentscheidung noch zu einer Gegenwehr fähig gewesen sei, habe sie der Angeklagte im Genitalbereich berührt, um sich sexuell zu befriedigen. Dabei habe er gewusst, dass die Geschädigte damit nicht einverstanden gewesen wäre.
b) Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2010 ha25 be der Angeklagte dieses Vorgehen in gleicher Weise gegenüber einer anderen unbekannten Geschädigten im Stadtgebiet von R. oder M. wiederholt.
26
2. Zu diesen Tatvorwürfen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
27
a) Der Angeklagte filmte eine unbekannte junge Frau, die sich nur mit einem Slip bekleidet auf dem Rücken oder seitwärts liegend auf einem Bett in seiner Wohnung befand. Ihre Augen waren geschlossen. Nach der Berührung von Gesicht, Händen und Fingern der Frau durch den Angeklagten fiel eine Hand der Frau nach unten, nachdem sie losgelassen wurde. Anschließend wurde das Geschlecht der Geschädigten durch Wegschieben des Slipzwickels sichtbar; die Hand des Angeklagten manipulierte am Genital der Geschädigten. Bei den Berührungen zeigte die Frau keine Reaktion.
28
b) Zu einem weiteren Zeitpunkt filmte der Angeklagte wiederum eine unbekannte Frau, die bäuchlings auf einem Bett oder einer Couch lag und von dem Angeklagten berührt wurde. Zu sehen ist auch der unbekleidete Po der Frau und deren Genital, das von dem Angeklagten mit den Fingern berührt wurde. Ihr rechter Arm war um ihren Kopf gelegt. Bei der Berührung zeigte die Frau keine Reaktion. Auf dem Computer bzw. Mobiltelefon des Angeklagten befanden sich zudem vier Bilddateien dieser Frau, darunter ein Nacktbild von ihr.
29
3. Für beide Sachverhalte gelangte der medizinische Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sich die in den Videosequenzen erkennbaren jungen Frau- en in einem Zustand tiefer Bewusstseinsbeeinträchtigung, mithin – aus medizinischer Sicht – einer Widerstandsunfähigkeit, befunden hatten. Der Angeklagte gab zu diesen Vorwürfen an, die beiden Frauen seien mit seinen Handlungen einverstanden gewesen.
30
4. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die unbekannten Frauen mit den sexuellen Manipulationen des Angeklagten nicht einverstanden gewesen seien. Zwar sei in der Stellungnahme seines Verteidigers zur Haftbeschwerde zunächst angegeben worden, es habe sich bei beiden Frauen um Gelegenheitsbekanntschaften gehandelt, an deren Einwilligung zu Foto- und Videoaufnahmen der Angeklagte keine Zweifel gehabt habe. Hierin liege jedoch kein Widerspruch zu der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung , die Frauen seien mit den Handlungen einverstanden gewesen. Die Einlassung gehe lediglich über die Erklärung seines Verteidigers im Zusammenhang mit der Haftbeschwerde hinaus.
31
Wie die beiden Frauen in den auf den beiden kurzen Videoclips erkennbaren Zustand gekommen seien, sei völlig offen. Möglicherweise sei dies auf genossenen Alkohol zurückzuführen. Auch ihr Einverständnis mit den sexuellen Handlungen des Angeklagten könne nicht ausgeschlossen werden. Dass die eine Frau zumindest mit der Erstellung der aufgefundenen Fotoaufnahmen einverstanden gewesen sei, sei naheliegend (UA S. 35).

B.

32
Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

33
Die Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der ihm durch die Anklage der Staatsanwaltschaft Amberg vom 14. Oktober 2014 (Az. 109 Js ) zur Last gelegten Sexualdelikte zum Nachteil von zwei von ihm im bewusstlosen oder schlafenden Zustand gefilmten unbekannten Frauen hat keinen Bestand. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
34
1. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft oder, wie hier, am Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines strafbaren Verhaltens nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15; vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9; vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 Rn. 10; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 28 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt].
35
2. Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
36
a) Die Urteilsgründe lassen bereits besorgen, dass das Landgericht, das das Einverständnis der beiden unbekannten Frauen mit den an ihnen vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht auszuschließen vermochte (UA S. 35), insoweit einen falschen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt hat.
37
Einlassungen, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen. Das Tatgericht hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen außer den nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85 und vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34).
38
Das Landgericht hätte deshalb das vom Angeklagten behauptete Einverständnis der von ihm gefilmten unbekannten jungen Frauen nicht ohne nähere Wiedergabe und Erörterung seiner Einlassung als nicht ausgeschlossen ansehen dürfen (UA S. 35). Es hätte sich jedenfalls mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass es sich um eine eher fernliegende Annahme handelt, die Frauen könnten damit einverstanden gewesen sein, dass sexuelle Handlungen an ihnen im Zustand tiefgreifender Bewusstseinsstörung vorgenommen und davon Fotoaufnahmen angefertigt werden.
39
b) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft.
40
Angesichts der Feststellungen zur Verabreichung der Tabletten an die Nebenklägerin hätte das Landgericht näher erörtern müssen, ob die unbekannten Frauen damit einverstanden waren, dass an ihnen im schlafenden oder bewusstlosen Zustand sexuelle Handlungen vorgenommen werden. Zeigte sich nämlich im Fall der Nebenklägerin, dass es dem Angeklagten nicht wesensfremd war, eine Frau gegen deren Willen in einen Zustand der Bewusstlosigkeit oder der Widerstandsunfähigkeit zu versetzen, konnte dies jedenfalls ein Indiz dafür sein, dass auch die gefilmten Frauen nicht freiwillig in diesen Zustand geraten waren. Einer Erörterung hätte dieser Umstand auch deswegen bedurft, weil die Nebenklägerin geäußert hatte, sie habe im Halbschlaf wahrgenommen, dass der Angeklagte ihre Hand hochhob und wieder fallen ließ (UA S. 14). Eine solche Handlung ist auch auf einer der Filmaufnahmen zu sehen (UA S. 31).
41
c) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1).

II.

42
Soweit das Landgericht bei der vom Angeklagten eingeräumten Tat zum Nachteil der Nebenklägerin sexuelle Handlungen und damit eine sexuelle Nöti- gung oder Vergewaltigung (§ 177 StGB) als nicht nachweisbar angesehen hat (UA S. 24 ff.), hält die Beweiswürdigung ebenso rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
43
Zwar wurde der Angeklagte insoweit nicht freigesprochen, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) sowie – insoweit rechtsfehlerhaft (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 223 Rn. 116, § 224 Rn. 52) – in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 StGB) verurteilt. Im Fall einer Nichtverurteilung wegen eines idealkonkurrierenden Delikts aus tatsächlichen Gründen gilt jedoch für das Revisionsgericht derselbe Prüfungsmaßstab wie bei Freisprüchen. Es hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob die Beweise erschöpfend gewürdigt worden sind. Solche Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegen hier vor.
44
1. Das Landgericht hat bereits den Anwendungsbereich des Zweifelssat- zes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06).
45
Hier hat das Landgericht einzelne Indizien, wie etwa das Vorhandensein männlicher DNA am Bund des von der Nebenklägerin getragenen Slips oder das festgestellte Drehen und Wenden der Nebenklägerin jeweils isoliert mit der Begründung als Belastungsindiz ausgeschieden, dass sich daraus nicht zwingend eine sexuelle Handlung ergebe bzw. dies keine sichere Überzeugung von sexuellen Handlungen zulasse (UA S. 24). Dies ist rechtsfehlerhaft. Das Land- gericht hätte der DNA-Spur am Bund des Slips der Nebenklägerin nicht deshalb jegliche Indizwirkung absprechen dürfen, weil es Zweifel an ihrer Verursachung durch den Angeklagten hatte (UA S. 24). Vielmehr hätte es dieses Indiz, wenn auch mit eingeschränktem Beweiswert, in die gebotene Gesamtwürdigung einstellen müssen.
46
2. Zudem werden wesentliche Umstände vom Landgericht nicht erörtert, obwohl dies nahegelegen hätte.
47
a) Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, an welchen Stellen genau die Nebenklägerin Hämatome erlitten hat und welche Handlungen des Angeklagten hierfür ursächlich gewesen sein können. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um einen möglichen Sexualbezug der Gewaltanwendung beurteilen zu können. So lässt sich etwa der Umstand, dass der Angeklagte der Nebenklägerin ihre Knie auf die Brust drückte und diese daraufhin einen länger anhaltenden Druck auf dem Brustkorb verspürte (UA S. 9, 14), nicht ohne weiteres mit einem vom Landgericht in den Blick genommenen nicht sexualbezogenen „Entfernen der Kleidung“ (UA S. 24)erklären. Vielmehr legt dies eine der Nebenklägerin aufgezwungene unnatürliche Haltung nahe, bei der das Genital entblößt wird, was eine nachfolgende Manipulation, wie sie auf den Videos der unbekannten Frauen erkennbar ist, leicht ermöglicht.
48
b) Soweit sich das Landgericht nicht davon überzeugen konnte, dass der Angeklagte Spurenverursacher der DNA-Antragungen männlichen Ursprungs am Bund (Innen- und Außenseite) des Slips der Nebenklägerin war (UA S. 24), verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, ob überhaupt ein anderer Spurenverursacher in Betracht kommt.
49
c) Schließlich hätte das Landgericht erörtern müssen, dass die auf den Videosequenzen an den unbekannten Frauen dokumentierten sexuellen Hand- lungen ebenfalls nicht mit einem Eindringen verbunden waren, sodass – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – das Fehlen entsprechender medizinischer Befunde oder von Sperma vor dem Hintergrund der von dem Angeklagten geübten Praktiken sexuelle Handlungen nicht ausschließt.
50
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen tatgerichtlichen Hauptverhandlung eine Verurteilung des Angeklagten wegen Sexualdelikten möglich ist.

III.

51
Das Urteil ist somit auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben; die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

C.

52
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten ist unbegründet, die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
53
1. Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten hat das Landgericht die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB als vertyptem Strafmilderungsgrund ohne Rechtsfehler verneint.
54
a) Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund muss bereits aus gesetzessystematischer Sicht der vertyp- te Strafmilderungsgrund des § 46a StGB an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2002, 646).
55
Nach § 46a Nr. 1 StGB kann zwar das ernsthafte Bemühen des Täters um Wiedergutmachung, das darauf gerichtet ist, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, genügen. Die Vorschrift setzt aber nach der gesetzgeberischen Intention (BT-Drucks. 12/6853, S. 21, 22) und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29). Wenn auch ein Wiedergutmachungserfolg nicht zwingende Voraussetzung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29), so muss sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereitfinden und sich auf ihn einlassen. Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (vgl. BGH, Urteile vom 26. August 2003 – 1 StR 174/03, NStZRR 2003, 363 und vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439; jeweils mwN). Das ergibt sich aus der ratio und der Entstehungsgeschichte dieser Norm. Der Täter muss zudem mit dem ernsthaften Bestreben handeln, das Op- fer „zufriedenzustellen“. Ob dernach § 46a Nr. 1 StGB erforderliche kommunikative Prozess gegeben ist, ist im Einzelfall anhand deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646, 647).

56
b) Hier hat das Landgericht ausgehend von zutreffenden Maßstäben das Vorliegen der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
57
Zwar schloss der Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung mit der Nebenklägerin einen Vergleich über ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro, das ab dem 1. Januar 2015 in monatlichen Teilbeträgen von 250 Euro gezahlt werden sollte. Dies genügte für die Annahme eines TäterOpfer -Ausgleichs hier jedoch nicht.
58
Dem Vergleich fehlte bereits die für einen friedensstiftenden Ausgleich mit der Nebenklägerin erforderliche Einbeziehung des Sexualbezugs der dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen. Er bezog sich ersichtlich – ebenso wie die zuvor erfolgte Entschuldigung – allein auf die Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten, nicht aber auf die Vornahme sexueller Handlungen (UA S. 11).
59
Zudem hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der in der Hauptverhandlung abgeschlossene Vergleich ohne vorherige Einbeziehung der Nebenklägerin in einen kommunikativen Prozess vorwiegend Mittel zur Vermeidung einer längeren Freiheitsstrafe für den Angeklagten sein sollte. Im Hinblick darauf, dass noch keinerlei Zahlungen geleistet waren und auch der in Aussicht gestellte Zahlungsbeginn erst zehn Monate in der Zukunft liegen sollte, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht dieses Verhalten gegenüber dem Opfer nicht als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung , sondern als prozesstaktisches Vorgehen des Angeklagten (UA S. 29) gewertet hat. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass auch in der Hauptverhandlung noch ein friedensstiftender Täter-Opfer-Ausgleich möglich ist. Es hat sich vielmehr davon überzeugt, dass die vom Angeklagten vorgenommenen Ausgleichsbemühungen nicht vom Willen zu einem friedensstiftenden Gesamtausgleich mit der Nebenklägerin getragen waren. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Somit fehlte es an einem Täter-OpferAusgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB.
60
Der Angeklagte wird jedoch Gelegenheit haben, bis zur neuen Hauptverhandlung vor dem Tatgericht weitere Bemühungen um einen Täter-OpferAusgleich mit der Nebenklägerin zu unternehmen, um dadurch die Voraussetzungen einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu schaffen.

61
2. Auch im Übrigen hält die Strafzumessung rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere hat das Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung ausgeschlossen. Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 78/16
vom
1. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts des Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010217U2STR78.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 25. Januar 2017 in der Sitzung am 1. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten C. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten K. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger N. R. und St. K. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreterin der Nebenkläger L. F. und S. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger I. B. und A. B. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 25. Januar 2017, Justizangestellte in der Sitzung am 1. Februar 2017 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger N. R. und St. K. wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 5. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Tat zu Lasten der Geschädigten S. K. betrifft. Im Übrigen werden die Revisionen dieser Nebenkläger als unzulässig verworfen. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. B. vom Vorwurf des Totschlags und den Angeklagten K. B. vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger haben, soweit sie sich im Rahmen ihrer jeweiligen Nebenklagebefugnis halten, mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. sind unzulässig, soweit sie die Tat zum Nachteil des Geschädigten H. K. betreffen.

I.

2
Die zugelassene Anklage legt den Angeklagten folgendes zur Last:
3
Am 6. Juni 2014 habe der Angeklagte C. B. auf der „M. “ in Ma. im Rahmen eines Streits mit anschließender Rangelei dem Geschädigten H. K. ein von diesem mitgeführtes Messer abgenommen und hiermit insgesamt 17 Mal auf den Bauch- und Rückenbereich des Geschädigten eingestochen, bis dieser infolge der massiven Stichverletzungen verstorben sei.
4
Die Ehefrau des H. K. , die Geschädigte S. K. , habe mit einem Beil bewaffnet die Auseinandersetzung aus unmittelbarer Nähe beobachtet , ohne in das Geschehen einzugreifen. Der Angeklagte K. B. sei sodann von einem hinteren Teil des Geländes zu dem Kampfgeschehen hinzugekommen und habe erkannt, dass sein Sohn C. den Geschä- digten H. K. getötet habe. Daraufhin habe er sich entschlossen, die Geschädigte S. K. durch gezielte Kopfschüsse aus einer von ihm mitgeführten Pistole zu töten, um die Überführung seines Sohnes zu verhindern. In Ausführung seines Tatplans habe der Angeklagte K. B. daraufhin der Geschädigten aus kurzer Distanz zweimal hintereinander in deren Arm /Schulter-/Kopfbereich geschossen, wodurch S. K. sofort, wie vom Angeklagten K. B. beabsichtigt, verstorben sei. Die Angeklagten hätten anschließend die Kampfspuren zu verwischen gesucht, die Tatwerkzeuge beiseite geschafft und das getötete Ehepaar zunächst unter einem Sandhaufen, in der Nacht darauf in einer Jauchegrube vor der Ranch vergraben. Das Auto der Getöteten habe der Angeklagte K. B. auf einem Supermarktparkplatz in Ma. abgestellt.

II.

5
Zu den den Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
1. Der Geschädigte H K. und seine Tochter waren seit Mai 2007 Pächter der „M. “, eines sich außerhalb des Stadtrands von Ma. befindlichen Grundstücks mit direktem Zugang zum Mainufer. Im März 2012 schlossen der Geschädigte und seine Ehefrau, die Geschädigte S. K. , mit den beiden Angeklagten einen Untermietvertrag, der diesen gegen einen Mietzins von monatlich 906 Euro in bar das Recht einräumen sollte, ein auf dem Anwesen befindliches Gebäude zu Wohnzwecken und Teile des Grundstücks für Tierhaltung zu nutzen. Den Geschädigten war bekannt, dass sie zu dieser Untervermietung nicht berechtigt waren und das Grundstück zu Wohnzwecken nicht genutzt werden durfte.
7
Ab dem Jahr 2013 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Angeklagten und den Geschädigten zunehmend. Grund hierfür war zum einen, dass die Angeklagten aufgrund ihrer äußerst angespannten finanziellen Situation den vereinbarten Mietzins nicht immer pünktlich zum jeweiligen Monatsanfang an die Geschädigten zahlen konnten. Die Geschädigten, die nur über geringe Einkünfte verfügten, waren auf diese Zahlungen dringend angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und den Mietzins für eine von ihnen auf Mallorca angemietete Wohnung entrichten zu können. Infolge der unregelmäßigen Zahlung der Miete kam es daher immer wieder zu verbalen Streitigkeiten zwischen den ihre Forderungen vehement einfordernden Geschädigten und den Angeklagten. Zu Konflikten zwischen den Angeklagten und Geschädigten trug zum anderen bei, dass Letztere nicht mit der Haltung der auf dem Hof lebenden Ziegen durch den Angeklagten C. B. einverstanden waren und deshalb mehrfach das staatliche Veterinäramt zu Kontrollen veranlassten. Dass sich die Angeklagten und Geschädigten täglich auf dem Gelände der Ranch begegneten, verschärfte das vorhandene Konfliktpotential zusätzlich. Auf die häufigen aggressiven Anwürfe der Geschädigten, die in Beleidigungen und Drohungen gipfelten, reagierten die Angeklagten passiv, demütig und verängstigt. Aufgrund der stetig zunehmenden Angst vor etwaigen Übergriffen der Geschädigten bewahrten die Angeklagten spätestens seit Dezember 2013 eine Pistole griffbereit hinter der Eingangstür des von ihnen bewohnten Gebäudes der Ranch auf.
8
In den letzten Wochen vor der Tat kam es beinahe täglich zu immer lautstärkeren – und seitens der Geschädigten sehr emotional und aggressiv geführten – Auseinandersetzungen zwischen den Geschädigten und den Angeklagten. Nachdem der Eigentümer des Grundstücks Ende April 2014 erstmals erfahren hatte, dass das Grundstück zu Wohnzwecken untervermietet worden war, forderte dessen Rechtsanwalt Anfang Mai 2014 die Geschädigten und An- geklagten schriftlich auf, das illegale Untermietverhältnis zu beenden. Am 2. Juni 2014 suchten die Angeklagten ihren Rechtsanwalt auf, der ihnen dazu riet, keinerlei Mietzins mehr an die Geschädigten zu entrichten und ihnen zusicherte , sich mit dem Grundstückseigentümer in Verbindung zu setzen, um eine direkte Anmietung oder einen Erwerb des Grundstücks zu erreichen. Am selben Tag zahlten die Angeklagten im Anschluss an das Beratungsgespräch für Juni 2014 dennoch einen (Teil-) Mietzins in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten. Sie waren hiernach jedoch definitiv nicht mehr bereit, weitere Zahlungen zu leisten.
9
Am 6. Juni 2014 zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr befanden sich die Geschädigten auf dem Grundstück der Ranch direkt vor dem Eingang des von den Angeklagten bewohnten Gebäudes. Hierbei führte der Geschädigte H. K. – wie üblich – ein Messer mit sich. Die Geschädigten hatten sich vorgenommen – wie mit den Angeklagten zuvor am 2. Juni 2014 verabredet – den noch offenen Mietzins für den Monat Juni 2014 zu erhalten und waren zur Durchsetzung ihrer Forderung bereit, falls erforderlich, auch Gewalt anzuwenden.
10
Während sich der Angeklagte K. B. im hinteren Teil des Grundstücks mit den Tieren beschäftigte, traf der Geschädigte H. K. an der Eingangstür des bewohnten Gebäudes den Angeklagten C. B. an und forderte ihn zur unverzüglichen Zahlung des restlichen Mietzinses für Juni 2014 sowie zusätzlich auch des Mietzinses für Juli 2014 auf. Als der Angeklagte gegenüber H. K. und dessen Ehefrau, die ein Beil mit sich führte, trotz Drohungen mit Gewalt jede weitere Zahlung ablehnte und von der Einschaltung seines Anwalts berichtete, zog H. K. das von ihm mitgeführte Messer und setzte es dem von ihm am Hals festgehaltenen C. B. auf die Brust. Als sich der Angeklagte C. B. zu wehren versuchte, stach H. K. mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer in Richtung des Oberkörpers des Angeklagten, der den Stich jedoch ablenken konnte. Im weiteren Verlauf der tätlichen Auseinandersetzung gelang es C. B. , dem Geschädigten H. K. das Messer abzunehmen und sich durch einen Stich in dessen Oberkörper aus dem Griff am Hals zu lösen. Sein anschließender Versuch, von der Ranch zu flüchten, scheiterte, weil ihm die noch immer mit dem Beil bewaffnete Geschädigte S. K. den Fluchtweg versperrte. Dadurch gelang es dem Geschädigten H. K. , ihn einzuholen, in den Schwitzkasten zu nehmen und die wieder vor die Eingangstür verlagerte, zwischenzeitlich auf dem Boden geführte Auseinandersetzung fortzusetzen.
11
Währenddessen kam der Angeklagte K. B. zum Geschehen hinzu. Als er sah, dass sein Sohn mit dem Rücken auf dem Boden liegend mit dem auf ihm sitzenden H. K. kämpfte, und die Geschädigte S. K. mit einem Gegenstand in der Hand neben beiden kniete, versuchte er zunächst vergeblich S. K. wegzustoßen. Daraufhin begab er sich in den Vorraum des Hauses und ergriff die dort gelagerte Pistole.
12
Trotz der Fixierung seiner rechten Hand durch die linke Hand des Geschädigten H. K. war es dem Angeklagten C. B. nunmehr unter erheblicher Kraftanstrengung möglich, mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer noch insgesamt drei Stiche in den oberen Brustbereich des auf ihm sitzenden Geschädigten H. K. anzubringen, der ihn weiterhin mit seiner rechten Hand am Hals festhielt und versuchte, ihm das Messer zu entwinden.
13
In der Zwischenzeit kam der Angeklagte K. B. mit der Pistole zum Geschehen zurück. Als er erkannte, dass die Geschädigte S.
K. ein Beil in der Hand hielt und ausholend dazu ansetzte, hiermit auf C. B. einzuhacken, schoss er – um seinen Sohn vor dem Angriff mit dem Beil zu verteidigen – aus einer Entfernung von mindestens zwei Metern zwei Mal auf den Arm-/Schulterbereich der S. K. , die dadurch am Rücken getroffen wurde und sofort verstarb.
14
Der Angeklagte K. B. zog nun den Geschädigten von seinem Sohn herunter, woraufhin H. K. leblos auf dem Rücken neben C. B. zum Liegen kam. Der Angeklagte C. B. kniete sich daraufhin neben H. K. , der – was er nicht erkannte – bereits infolge beidseitigen Pneumothorax verstorben war, und fügte diesem mit dem Messer weitere 12 Stiche in den Brustkorb zu.
15
Der Angeklagte K. B. entschied sich gegen eine Verständigung der Polizei, da er davon ausging, dass diese ihnen das Tatgeschehen nicht glauben würde. Gemeinsam mit seinem Sohn, der – noch unter dem Einfluss des Tatgeschehens stehend – die Anweisungen seines Vaters mechanisch ausführte, beseitigten die Angeklagten die Tatspuren, parkten das Fahrzeug der Geschädigten auf dem Parkplatz eines Supermarkts, warfen das Tatmesser und das Beil in den Main, versteckten die Pistole und vergruben die Leichen auf dem Gelände der Ranch. Aufgrund von Hinweisen des Angeklagten C. B. vom 14. Oktober 2014 konnten die Leichname der Geschädigten später dort aufgefunden werden.
16
2. Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten zum Tatgeschehen , der die weiteren Beweisergebnisse nicht widersprächen, als unwiderlegbar angesehen. Unter Zugrundelegung der Einlassungen hat es angenommen , das Handeln des Angeklagten C. B. sei durch Notwehr gerechtfertigt. Der Geschädigte H. K. habe den Angeklagten C.
B. rechtswidrig angegriffen, indem er mit der linken Hand an dessen Hals griff und mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer auf ihn einstach. Dieser Angriff sei auch noch nach dem Entwinden des Messers nicht beendet gewesen, da der Geschädigte den Angeklagten weiter mit seiner linken Hand am Hals festgehalten und um das Messer gekämpft habe. Über diese fortdauernde Intensität der Kampflage hinaus habe die jederzeitige Möglichkeit eines Eingreifens der anwesenden und mit einem Beil bewaffneten Ehefrau des Geschädigten bestanden. Als der Angeklagte C. B. auf den bereits verstorbenen Geschädigten H. K. weiter einstach, habe er sich im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befunden.
17
Hinsichtlich der vom Angeklagten K. B. auf die Geschädigte S. K. abgegebenen zwei Schüsse hat das Landgericht angenommen , diese seien als Nothilfe gerechtfertigt. Dadurch, dass die Geschädigte S. K. gerade mit dem Beil ausholte, um auf den Angeklagten C. B. einzuhacken, habe sie diesen rechtswidrig angegriffen.

III.

18
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Nebenkläger N. R. und St. K. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. und A. B. sowie der Nebenkläger L. F. und S. B. haben mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich im Rahmen ihrer sich aus §§ 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 401 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Nebenklagebefugnis halten, im Übrigen sind sie unzulässig. Wegen des Erfolgs der Sachrüge bedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrügen. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
19
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
20
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen aus- zugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
21
2. Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das Urteil nicht.
22
a) Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, dass das Landgericht die im Rahmen der sachlich-rechtlichen Begründungspflicht gebotene nähere Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten unterlassen und den Zeitpunkt der jeweiligen Einlassungen in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt hat.
23
Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, hat der Tatrichter sich seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung des Angeklagten aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu bilden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR48/86, BGHSt 34, 29, 34). Dabei kann ein Wechsel der Einlassung im Laufe des Verfahrens ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen (Senat, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme kann auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt, ein Umstand sein, der im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 580/00, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 21).
24
Zwar hat die Kammer in den Urteilsgründen dargestellt, dass die Einlassung der Angeklagten über ihre Verteidiger durch Verlesung von vorbereiteten, schriftlichen Erklärungen in der Hauptverhandlung erfolgte (UA S. 57). Auch werden inhaltliche Angaben hierzu gemacht (UA S. 27, 51 bis 56). Es bleibt jedoch offen, zu welchem Zeitpunkt im Rahmen der mehrtägigen Hauptverhandlung diese Einlassungen verlesen wurden und ob und insbesondere mit welchem Inhalt sich die Angeklagten vor diesem Zeitpunkt eingelassen haben. Dass es frühere Einlassungen der Angeklagten gegeben hat, folgt bezüglich des Angeklagten C. B. aus der Erwähnung eines Hinweises zum Fundort der Leichen (UA S. 27) und bezüglich des Angeklagten K. B. aus der Mitteilung, dass er am 8. Juni 2014 vom Zeugen KOK P. zur Sache vernommen worden ist (UA S. 35). Das Urteil teilt auch nicht mit, wie im Einzelnen sich der Angeklagte C. B. im Rahmen des letzten Wortes geäußert hat. Insoweit wird lediglich wiedergegeben, dass der Angeklagte anschaulich geschildert habe, noch immer beinahe jede Nacht vom Tatgeschehen zu träumen (UA S. 83).
25
b) Das Landgericht hat darüber hinaus den Anwendungsbereich des Zweifelssatzes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14 Rn. 44, NStZ-RR 2015, 83, 85 mwN). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 3 StR 136/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24).
26
Nachdem das Landgericht bei der Bewertung des Kampfgeschehens und der Interessenlage der Beteiligten zunächst zu der Annahme gelangt war, dass „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sowohl der Geschädigte H. K. als auch der Angeklagte C. B. am Tattag das Tatmesser mitgebracht und als Erstes eingesetzt haben könnten, da beide ohnehin messergewohnt waren“ (UA S. 59), ist es unter rechtsfehlerhafter Anwendung des Grund- satzes „in dubio pro reo“ der Einlassung der Angeklagten gefolgt und zu deren Gunsten davon ausgegangen, dass „der Streit am Tattag von den Geschädig- ten begonnen wurde und der Geschädigte H. K. hierbei derjenige war, der das Tatmesser mit sich führte, dieses auch zog und zuerst gegen den Angeklagten C. B. einsetzte“ (UA S. 62).
27
c) Die Beweiswürdigung weist zudem durchgreifende Lücken auf.
28
aa) Die Wertung des Landgerichts, es sei kein Motiv der Angeklagten ersichtlich , mit den Geschädigten am Tattag zunächst einen verbalen Streit und sodann gar eine körperliche Auseinandersetzung zu beginnen (UA S. 61), beruht auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.
29
Das Landgericht stellt insoweit darauf ab, dass die Angeklagten nach dem Beratungsgespräch mit ihrem Rechtsanwalt wussten, dass der mit den Geschädigten geschlossene Untermietvertrag illegal war und sie den Geschädigten deshalb künftig keine Mietzinszahlungen mehr schuldeten. Außerdem habe ihnen der Anwalt zugesichert, mit dem Eigentümer Kontakt aufzunehmen und zu versuchen, für die Angeklagten einen Mietvertrag über das Grundstück direkt mit dem Eigentümer ohne Einschaltung der Geschädigten abzuschließen (UA S. 61, 79). Das Landgericht sieht die Angeklagten daher in einer „geradezu komfortablen Lage“, weshalb sie auch keine Veranlassunggehabt hätten, mit den Geschädigten Streit zu beginnen (UA S. 62).
30
Bei dieser Wertung hat das Landgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die Angeklagten bereits eine Woche zuvor ein Schreiben der Stadt Ma. erhalten hatten, aus dem sich ergab, dass die Ranch künftig an die Angeklagten nicht mehr zu Wohnzwecken vermietet werden durfte (UA S. 38). Der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken standen nicht nur die Bestimmungen des Pachtvertrags, sondern auch öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (UA S. 37). Da die Zeugin Kl. über den eingeschalteten Rechtsanwalt die Räumung des Grundstücks von den Angeklagten verlangt hatte (UA S. 37), hatten diese daher Anfang Juni das Ende des Mietverhältnisses über das Grundstück und die Zwangsräumung zu befürchten. Für sie bestand daher nicht nur die Gefahr, ihre Wohnung auf der Ranch, sondern vor allem ihren Lebensmittelpunkt und die von ihnen auf dem Grundstück betreuten Tiere zu verlieren, an denen der Angeklagte C. B. besonders hing und die sein Lebensinhalt waren. Selbst in dem von ihrem Rechtsanwalt ins Spiel gebrachten Fall der eigenen Anmietung des Grundstücks hätten die Angeklagten ihre Wohnmöglichkeit verloren. Den drohenden Verlust der bisherigen Lebensumstände der Angeklagten hätte die Strafkammer bei der Frage, ob die Angeklagten Anlass hatten, mit den Geschädigten einen Streit zu beginnen , mitberücksichtigen müssen.
31
bb) Die Wertung der Kammer, eine geplante Tötung der Geschädigten seitens der Angeklagten scheide aus, blendet einen wesentlichen Aspekt des festgestellten Geschehensablaufs aus. So erklärt das Landgericht die – gegen den unmittelbar zuvor erteilten Rat ihres Rechtsanwalts am 2. Juni 2014 erfolgte – Zahlung der Angeklagten in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten mit dem Ziel, „zunächst weiteren Streitigkeiten und Anfeindungen der Geschädigten zu entgehen“ (UA S. 50). Nicht in die Wertung einbezogen hat das Landgericht jedoch den festgestellten Umstand, dass die Angeklagten noch am selben Tag mit den Geschädigten verabredet hatten, am 6. Juni 2014 den offenen Restbetrag zu bezahlen und sich die Geschädigten gerade aus diesem Grund am Tattag zur Ranch begaben (UA S. 10, 18). Dass die Angeklagten am 2. Juni 2014 mit den Geschädigten die Verabredung einer weiteren Geldübergabe trafen, ist im Übrigen nicht mit der vom Landgericht getroffenen Annahme in Einklang zu bringen, die Angeklagten seien nach der Teilmietzinszahlung „definitiv nicht mehr bereit [gewesen], weiteren Mietzins an die Geschädigten zu entrichten“ (UA S. 18).
32
cc) Auch hinsichtlich der Geschehnisse am Tattag zwischen 11 Uhr und 13 Uhr weist die Beweiswürdigung eine Lücke auf. Wie das Landgericht aufgrund der Angaben diverser Zeugen festgestellt hat, waren die Geschädigten regelmäßig täglich zwischen 11 und 13 Uhr auf der Ranch (UA S. 12 ff.; 28 ff., 46 ff.). Nach ihrer (insoweit vom Landgericht nicht in Zweifel gezogenen) Aussage traf die Zeugin S. die Geschädigte auch am 6. Juni 2014 gegen 11 Uhr nahe der Ranch, als diese mit ihren Hunden am Mainufer spazieren ging (UA S. 68). Diese Aussage hat das Landgericht nicht zum Anlass genommen, sich mit der naheliegenden Frage auseinanderzusetzen, ob sich die Geschädigten bereits etwa zwei Stunden vor der Tat auf der Ranch aufgehalten haben und was zwischen 11 Uhr und der zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr angesetzten Tatzeit auf der Ranch geschehen ist.
33
dd) Bei der Würdigung der Einlassung des Angeklagten C. B. zum Tathergang hat die Kammer nicht erörtert, dass die Einlassung zum auslösenden Ereignis für den Messereinsatz durch den Geschädigten H. K. in offenkundigem Widerspruch zur Tatvorgeschichte steht. Der Angeklagte hat sich eingelassen, der Geschädigte habe ein Messer gezogen, nachdem er durch ihn davon erfahren habe, dass der Eigentümer der Ranch von dem illegalen Untermietverhältnis nunmehr Kenntnis erlangt habe (UA S. 52). Demgegenüber ist das Landgericht im Rahmen der Tatvorgeschichte davon ausgegangen, dass die Geschädigten von dem Schreiben bereits mindestens eine Woche vor der Tat Kenntnis erhalten hatten (UA S. 17, 37, 38, 60).
34
d) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85).
35
3. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten gewonnen hätte. Vors.RiBGH Prof. Dr. Fischer Appl Eschelbach ist wegen Krankheit an der Unterschrift gehindert. Appl Zeng Grube
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 181/16
vom
11. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:111016U5STR181.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider, Richter Prof. Dr. König, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 4. November 2015 hinsichtlich des Angeklagten L. mit den Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Diebstahl und in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl, freigesprochen und eine Entscheidung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen getroffen. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision, die vom Generalbundesanwalt hinsichtlich der Sachrüge vertreten wird. Die Revision hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht mehr ankommt.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
Zwischen April und September 2014 sprengte der wegen dieser Taten rechtskräftig verurteilte B. im Zusammenwirken mit einem Mittäter, der in Größe und Statur dem Angeklagten entsprach, vier Geldautomaten durch Zünden eines zuvor in diese eingeleiteten Gasgemisches. Bei den ersten drei Taten erbeuteten die Täter rund 400.000 €. Bei der vierten Tat verhinderte eine zu- sätzliche Sicherheitsvorkehrung des bereits teilweise gesprengten Geldautomaten , dass die Täter an das Bargeld gelangten. Bei allen vier Taten waren die Täter maskiert und trugen orange-schwarze Handschuhe. Unmittelbar nach der letzten Tat flüchteten sie mit einem Fahrzeug über die nahe gelegene Grenze nach Forbach in Frankreich, wo sie an einem Wald anhielten, um die Kennzeichen des Fahrzeugs auszutauschen. Als sich ihnen eine Zivilstreife der französischen Polizei näherte, ergriffen sie zu Fuß die Flucht und konnten sich der Festnahme entziehen. Einer der Flüchtenden verlor im Wald einen orangeschwarzen Handschuh, an dessen Innenseite DNA-Spuren des Angeklagten gesichert werden konnten. An einem im Fluchtfahrzeug sichergestellten weiteren Paar orange-schwarzer Handschuhe befanden sich DNA-Spuren des B. .
4
Sieben Wochen später wurden B. und der Angeklagte in einem von B. geführten Pkw in Südfrankreich von französischen Polizeibeamten kontrolliert. In dem Fahrzeug wurden Notizzettel sichergestellt, auf denen die Standorte von Geldautomaten im Bliesgau und an der südlichen Weinstraße jeweils in Grenznähe zu Frankreich notiert waren, ein Navigationsgerät, in dem die Adressen der vier Tatorte gespeichert waren, ein Computer, mit dem nach Bankfilialen in der Region der Tatorte sowie nach Gasen recherchiert worden war, eine Kapuzenjacke, die derjenigen glich, die der in den Bankfilialen gefilm- te Täter trug, und eine Bohrmaschine der Art, wie sie auch bei den Taten benutzt worden war.
5
In den jeweiligen Tatzeiträumen bewohnte B. mit einer anderen männlichen Person ein Zimmer in einem Hotel in Yutz in Frankreich nahe der deutschen Grenze. Ein an der Rezeption des Hotels tätiger Zeuge hat bekundet , er glaube, den Angeklagten als Hotelgast im Verlauf des Jahres 2014 wiedererkannt zu haben, sicher sei er sich jedoch nicht. B. und der Angeklagte stammen aus demselben Ort in Rumänien. Im Mai 2014 überwies B. dem Angeklagten einen Geldbetrag von 7.300 €.
6
2. Das Landgericht vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der im Verfahren schweigende Angeklagte an den Taten beteiligt war. Zwar stelle die in dem Handschuh sichergestellte DNA des Angeklagten ein gewichtiges Indiz für dessen Täterschaft dar. Allerdings stehe lediglich fest, dass der Angeklagte den Handschuh einmal angefasst habe; es gebe zahlreiche Möglichkeiten , wie seine DNA an die Innenseite des Handschuhs gekommen sein könne. Ein weiteres Indiz für eine Tatbeteiligung des Angeklagten stelle dessen Bekanntschaft mit B. dar. Diese beiden Indiztatsachen seien jedoch „weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtschau“ (UA S. 41) geeignet, die Überzeu- gung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen.
7
3. Der Freispruch leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
8
a) Das Revisionsgericht hat es zwar grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Es hat jedoch das Urteil darauf zu überprüfen , ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12, und vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109).
9
b) Gemessen hieran hält die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Prüfung nicht stand. In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht nicht nur mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind. Es muss sich auch aus den Urteilsgründen ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur für sich genommen gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
10
Denn aus dem Urteil ergibt sich nicht, dass das Landgericht überhaupt eine Gesamtbetrachtung in dem gebotenen Umfang vorgenommen hat. Eine solche setzt voraus, dass sämtliche vorhandenen Beweisanzeichen erkennbar zueinander in Beziehung gesetzt und gegeneinander abgewogen werden. Eine diesen Anforderungen genügende Darstellung weist das Urteil mit seiner lediglich formelhaften Erwähnung einer „Gesamtschau“ nicht auf. Dies lässt besorgen , dass die Strafkammer den Blick dafür verloren hat, dass Indizien, auch wenn sie einzeln für sich betrachtet nicht zum Nachweis der Täterschaft ausreichen , doch in ihrer Gesamtheit die entsprechende Überzeugung vermitteln können (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12; vom 16. Dezember 2009 – 1 StR 491/09, und vom 26. Mai 1999 – 3 StR 110/99, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 20).
11
Insbesondere hat die Strafkammer ihre „Gesamtschau“ dadurch unzulässig verkürzt, dass sie lediglich die vom Angeklagten stammende DNA-Spur an der Innenseite des Handschuhs sowie die Bekanntschaft der beiden Angeklagten gewürdigt hat (UA S. 41). Weitere Umstände hat sie außer Betracht gelassen, obwohl ihnen indizielle Bedeutung für die Beteiligung des Angeklagten zukommt. So stellt das Landgericht nicht in seine Gesamtwürdigung ein, dass der Angeklagte und B. nur wenige Wochen nach der letzten Tat fernab ihrer rumänischen Heimat in einem Fahrzeug angetroffen wurden, in dem sich Tatwerkzeuge und weitere im Zusammenhang mit einschlägigen Taten stehende Gegenstände befanden (Navigationsgerät, Notebook, Zettel mit den Adressen von Geldautomaten, Kapuzenjacke). Auch befasst es sich nicht mit der Überweisung eines nicht unerheblichen Geldbetrages durch B. an den Angeklagten innerhalb des Tatzeitraums und dem – wenngleich nicht sicheren – Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Angestellten des Hotels, in dem B. bei Begehung der Taten mit einer anderen männlichen Person wohnte. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass die von mehreren Zeugen bekundete Täterbeschreibung in Größe und Statur auf den Angeklagten zutrifft.
12
4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei fehlerfreier Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Sache bedarf daher, soweit sie den Angeklagten betrifft, neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
5. Mit der Aufhebung des freisprechenden Urteils werden die Entschädigungsgrundentscheidung und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos (vgl. BGH, Urteile vom 25. April 2013 – 4 StR 551/12, dort nicht abgedruckt und vom 25. März 2010 – 1 StR 601/09).

Sander Schneider König
Bellay Feilcke

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

32
7. Der Schuldspruch im Fall B.II.2. der Urteilsgründe und der Rechtsfolgenausspruch insgesamt enthalten keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten D. , worauf die Prüfung des Senats gemäß § 301 StPO wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft begrenzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 334/16
vom
19. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:190117U4STR334.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 29. Februar 2016 werden verworfen; jedoch wird auf die Revision des Angeklagten der Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln sowie des Raubes schuldig ist. 2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Kosten seines Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln“ so- wie wegen Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte rügt mit seinem unbeschränkten Rechtsmittel allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erhebt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Einzelstrafe zu Fall II. 2 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe beschränkten Revision ebenfalls die Sachrüge. Sie beanstandet, das Landgericht habe im Fall II. 2 zu Unrecht einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angenommen.
3
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet und führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Neufassung des Schuldspruchs (zur Entbehrlichkeit des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ beim bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln siehe BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14, NStZ-RR 2015, 144 [Ls]).
4
2. Der wirksam beschränkten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ebenfalls der Erfolg versagt.
5
a) Das Landgericht hat zu Fall II. 2 der Urteilsgründe im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
Am 21. September 2015 erwarb der Angeklagte, der bereits zuvor mit Amphetamin gehandelt hatte, zumindest 328,5 g dieses Betäubungsmittels mit einer Wirkstoffkonzentration von 9,2 %. 70 g waren für seinen Eigenkonsum, der Rest zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das Amphetamin lagerte der Angeklagte im Kühlschrank in der Küche seiner Wohnung. In seinem offen mit der Küche verbundenen Wohnzimmer bewahrte er ein 104 cm langes Samurai-Schwert mit einer spitz zulaufenden, jedoch stumpfen Klinge auf, das zur Verletzung von Personen geeignet und von ihm hierzu auch bestimmt war. Bei einer polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung am 22. September 2015 befand sich das Schwert in einer Schwertscheide auf einem vor dem Wohnzimmersofa stehenden Tisch. In der Wohnung wurden weiterhin eine Feinwaage, ein Vakuumierer, dazugehöriges Verpackungsmaterial und handschriftliche Aufzeichnungen über den Handel mit verschiedenen Betäubungsmitteln sichergestellt.
7
Das Landgericht hat diese Tat als minder schweren Fall eines bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG gewürdigt , unter Beachtung der Sperrwirkung der Mindeststrafe des zugleich verwirklichten § 29a Abs. 1 BtMG einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe angewandt und auf die Einsatzstrafe von vier Jahren und drei Monaten erkannt.
8
b) Die Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung stand.
9
aa) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldaus- gleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatgericht obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, welches Gewicht es den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. BGH, Urteile vom 29. August 2001 – 2 StR 276/01, StV 2002, 20; vom 14. Dezember 2016 – 2 StR 338/16).
10
bb) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Bestand. Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des Täters wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom Landgericht zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Beschwerdeführerin dringt mit ihren Einzelangriffen gegen die Strafrahmenwahl daher nicht durch.
11
(1) Soweit das Landgericht neben dem umfassenden Geständnis des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt hat, dass er bei der Durchsuchung seiner Wohnung durch die Polizei keinerlei Anstalten unternahm, sich der Waffe zu bedienen, ist hiergegen von Rechts wegen nichts zu erinnern. Zwar könnte auf das Fehlen des Strafschärfungsgrundes eines denkbaren Einsatzes der Waffe ein minder schwerer Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG nicht gestützt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 StR 536/14). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Denn nach dem Zusammenhang der Ausführungen hat die Strafkammer nicht maßgeblich auf den fehlenden Gebrauch der Waffe abgestellt , sondern vorrangig dem Angeklagten zugutegehalten, dass er sogleich bei Eintreffen der Polizei signalisierte, er werde keinen Widerstand leisten, und sich insoweit kooperativ verhielt (UA 35).
12
(2) Es stellt hier ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl auch die lange Dauer der Untersuchungshaft zugunsten des Angeklagten angeführt hat. Zwar ist erlittene Untersuchungshaft bei einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteile vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100, und vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ 2014, 31); eine strafmildernde Berücksichtigung kommt nur in Betracht, wenn mit ihrem Vollzug ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Diese Grundsätze hat das Landgericht indes nicht verkannt. Vielmehr hat es bei Fall II.1 der Urteilsgründe relativierend ausgeführt , dass erlittene Untersuchungshaft auf eine Haftstrafe angerechnet wird (UA 33). Insoweit hat es der – überdies lediglich ergänzend erwähnten – langen Dauer der Untersuchungshaft des Angeklagten erkennbar kein bestimmendes Gewicht beigemessen.
13
(3) Soweit die Strafkammer bei ihrer Strafrahmenwahl nicht (erneut) erwähnt hat, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat unter Führungsaufsicht stand, schließt der Senat aus, dass ihr dieser Umstand aus dem Blick geraten ist. Denn das Urteil teilt an anderer Stelle mit, dass der Angeklagte noch bis zum 18. Dezember 2016 unter Führungsaufsicht stand (UA 14). Zudem hat das Landgericht im Zusammenhang mit der Erörterung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG ausdrücklich zulasten des Angeklagten die erst kurz zuvor erfolgte „Vollverbüßung“ der Jugendstrafevon zwei Jahren und vier Monaten gewertet, die von Gesetzes wegen (§ 68f Abs. 1 Satz 1 StGB) die Anordnung der Führungsaufsicht nach sich zieht.
14
(4) Die von der Strafkammer zugunsten des Angeklagten berücksichtigten tatbezogenen Umstände begegnen ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat in zulässiger Weise für den Angeklagten in Ansatz gebracht, dass das Schwert aufgrund seiner geringen Qualität – hierzu ist im Urteil festgestellt, dass dem Angeklagten durch den Verkäufer des Schwertes mitgeteilt worden war, die Waffe sei nicht geeignet, um damit auf feste Gegenstände zu schlagen –, seiner stumpfen Klinge und seiner Aufbewahrung in einer Schwertscheide nur ein eingeschränktes Gefährdungspotential besaß. Weiter hat das Landgericht in seine Abwägung miteinstellen dürfen, dass sich die Straftat auf ein Betäubungsmittel mit im Vergleich insbesondere zu Heroin und Kokain geringerem Suchtpotential bezog und die Drogenmenge innerhalb der erfahrungsgemäß vorkommenden Bandbreite der nicht geringen Menge im unteren Bereich lag (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 235/12, NStZRR 2013, 150, 152; Beschluss vom 14. November 2003 – 2 StR 404/03, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Strafzumessung 1). Schließlich hat auch die Sicherstellung der Betäubungsmittel zu Recht zugunsten des Angeklagten Berücksichtigung gefunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2012 – 5 StR 252/12, NStZ 2013, 50, und vom 25. Februar 2016 – 3 StR 513/15).
15
c) Gegen die konkrete Strafzumessung im Fall II. 2 der Urteilsgründe sowie den Gesamtstrafenausspruch ist gleichfalls von Rechts wegen nichts zu erinnern.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke
13
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Januar 2015 – 1 StR 142/14, NStZ 2015, 466 und vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127 sowie Beschluss vom 13. Juni 2013 – 1 StR 226/13, wistra 2013, 471, jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 254/16
vom
29. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290616B1STR254.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 5. auf dessen Antrag – am 29. Juni 2016 gemäß § 44 Satz 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Februar 2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 7. April 2016, mit dem die Revision als unzulässig verworfen worden ist, ist gegenstandslos. 3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Maßregelausspruch aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der ihm vorgeworfenen Tat sicher erheblich beeinträchtigt und nicht ausschließbar vollständig aufgehoben war. Er ist durch das angefochtene Urteil aber wegen einer als versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewerteten Anlasstat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden.
2
Der Angeklagte begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Mit der auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision wendet er sich u.a. gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes bei der Anlasstat sowie gegen diejenige der Voraussetzungen des § 63 StGB.

I.


3
Die Wiedereinsetzung war auf den zulässig erhobenen Antrag (§ 45 StPO) zu gewähren, weil der Angeklagte nach seinem noch ausreichend glaubhaft gemachten Vorbringen ohne sein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) gehindert war, die Frist des § 345 Abs. 1 StPO zur Begründung der Revision einzuhalten. Die Fristversäumung beruht auf dem für den Angeklagten unverschuldeten Umstand einer mit Arbeitsunfähigkeit einhergehenden Erkrankung seines Verteidigers am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungsfrist.
4
Durch die Wiedereinsetzung ist der die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO verwerfende Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 7. April 2016 gegenstandslos (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 StR 435/15, wistra 2016, 163).

II.


5
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
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1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte seit mindestens drei Jahren an einer dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB zugeordneten anhaltenden wahnhaften Störung (ICD-10: F22.8). Diese zeigt sich u.a. darin, dass er Stimmen aus dem Radio wahrnimmt, die schlecht über ihn sprechen und ihn beleidigen. Seit wenigstens einem Jahr vor Begehung der Anlasstat glaubt der Angeklagte krankheitsbedingt zudem, von anderen Personen häufig beschimpft und beleidigt zu werden. Zu den Personen, von denen solche vermeintlichen Kränkungen ausgehen, gehört nach den krankheitsbedingten Wahrnehmungen des Angeklagten auch der Nebenkläger, ein in seiner Nachbarschaft wohnender und arbeitender Mann, zu dem der Angeklagte früher einen guten Kontakt hatte. Außer der wahnhaften Störung hat die sachverständig beratene Strafkammer bei dem Angeklagten eine langjährig andauernde Alkoholerkrankung festgestellt. In alkoholisiertem Zustand verstärke sich seine Aggressivität gegenüber denjenigen Personen, von denen er sich aufgrund seiner wahnhaften bzw. psychotischen Wahrnehmungen beschimpft und beleidigt fühlt.
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Bei Begehung der Anlasstat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund der anhaltenden wahnhaften Störung im Zusammenwirken mit der akuten Alkoholisierung von maximal 2,8 Promille BAK (UA S. 25) sicher erheblich vermindert und – bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit – nicht ausschließbar vollständig aufgehoben.
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2. Diese Feststellungen tragen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) nicht in jeder Hinsicht. Zwar ist sowohl die Annahme der rechtswidrigen Anlasstat als auch diejenige deren Begehung im Zustand wenigstens erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat aber nicht erkennbar in den Blick genommen, dass bei dem Angeklagten aufgrund der Alkoholabhängigkeit , die sich bei der Begehung der Anlasstat ausgewirkt hat, auch die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in Betracht kamen. Hätte die Strafkammer dies bedacht, lässt sich im Rahmen von § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB die Anordnung ausschließlich der Maßregel des § 64 StGB durch das Landgericht nicht völlig sicher ausschließen.
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a) Die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB setzt voraus, dass der Ausschluss (§ 20 StGB) oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) auf einem länger andauernden psychischen Defekt des Täters beruht. Ein solcher Zustand kann auch dann vorliegen, wenn die für die Maßregelanordnung erforderliche, sicher zumindest erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit auf einem Zusammenwirken einer länger andauernden geistigseelischen Störung und dem Konsum von Alkohol beruht (BGH, Urteile vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374 f. und vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 und vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42). Insoweit genügt, dass bei länger andauernden Störungen im Sinne von §§ 20, 21 StGB bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dieses getan haben (BGH jeweils aaO).
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Diese Voraussetzungen sind festgestellt. Das Zusammenwirken der seit mehreren Jahren durchgängig auftretenden „anhaltenden wahnhaften Störung“ (ICD-10: F22.8) und des am Tattag konsumierten Alkohols ist der Grund für die wenigstens erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Ausführung des Messerstichs gegen den Oberkörper des Nebenklägers. Die mit der wahnhaften Störung einhergehende (verbale und körperliche ) Aggressivität des Angeklagten gegenüber den Personen, von denen er sich beschimpft und beleidigt wähnt, wird – wie auch in der konkreten Tatsituation – durch den Konsum von Alkohol gesteigert.
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b) Das angefochtene Urteil belegt zudem in einer die revisionsgerichtlichen Überprüfung genügend ermöglichenden Weise (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341, 342 mwN) die Auswirkungen der vorhandenen wahnhaften Störung des Angeklagten auf dessen Steuerungsfähigkeit in der konkreten Tatsituation und warum die Anlasstat auf den festgestellten psychischen Zustand zurückzuführen ist.
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c) Die Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält dennoch rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich das Landgericht nicht zu den Voraussetzungen von § 72 Abs. 1 und 2 StGB verhält, obwohl die getroffenen Feststellungen dies geboten.
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aa) § 72 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB gestatten, mehrere Maßregeln nebeneinander anzuordnen, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Das gilt auch für die Maßregeln gemäß § 63 StGB und § 64 StGB (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 – 2 StR 283/97, StV 1998, 72; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 72 Rn. 3 und 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 72 Rn. 21). Allerdings darf die parallele Anordnung lediglich dann erfolgen, wenn von mehreren zur Erreichung des Maßregelzwecks gleich ge- eigneten Maßregeln nicht bereits die Anordnung einer von ihnen zur Zweckerreichung genügt (§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB). In diesem Fall verlangt § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allein die Maßregel anzuordnen, die mit dem geringeren Eingriff in die Rechte des Betroffenen verbunden ist. Im Verhältnis der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und der in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ist dies bereits wegen der gesetzlichen Begrenzung der zulässigen Vollzugsdauer Letztgenannte (vgl. BGH aaO mwN; Fischer aaO § 72 Rn. 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, aaO § 72 Rn. 21; Stree/Kinzig in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 72 Rn. 4c).
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bb) Im Hinblick auf die festgestellten Gesamtumstände zu der Person des Angeklagten und der begangenen Anlasstaten hätte das Tatgericht die Voraussetzungen von § 72 Abs. 1 und 2 StGB erörtern müssen. Denn außer der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus kam auch eine solche in einer Entziehungsanstalt in Betracht.
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(1) Nach den Feststellungen des Landgerichts besteht bei dem Angeklagten ein Alkoholabhängigkeitssyndrom (UA S. 7 und 8). Der Konsum von Alkohol verstärkt seine wahnhaften Wahrnehmungen und steigert vor allem seine Aggressivität gegenüber Personen, die ihn vermeintlich beschimpfen und beleidigen (UA S. 9). Auf die Begehung der Anlasstat haben sich Abhängigkeit und die akute mittelgradige Alkoholisierung von maximal 2,8 Promille ausgewirkt , weil Letztere im Zusammenwirken mit der anhaltenden wahnhaften Störung die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sicher erheblich beeinträchtigt und nicht ausschließbar vollständig aufgehoben hat. Damit liegt der für die Anordnung der Maßregel des § 64 StGB erforderliche symptomatische Zusammenhang vor. Denn dieser ist bereits dann gegeben, wenn der Hang – gege- benenfalls neben anderen Ursachen – dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat (BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15 Rn. 3, NStZ-RR 2016, 173; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15 Rn. 8 mwN). Angesichts der die krankheitsbedingte Aggressivi- tät verstärkenden Wirkung des übermäßigen Alkoholkonsums kann nicht von vornherein eine (auch) auf die Alkoholabhängigkeit zurückgehende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten verneint werden.
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Der Senat vermag nicht völlig sicher auszuschließen, dass das Landgericht auch eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg (§ 64 Satz 2 StGB) angenommen hätte, wenn es die Möglichkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt des Angeklagten in den Blick genommen hätte. Zwar könnten die offenbar weitgehend fehlenden deutschen Sprachkenntnisse (UA S. 9) des seit 1968 im Inland lebenden Angeklagten einer Anordnung der Maßregel des § 64 StGB entgegenstehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138 f.; siehe aber auch BGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – 5 StR 378/12, NStZ-RR 2013, 171; Beschluss vom 10. Juli 2012 – 2 StR 85/12, NStZ 2012, 689 f.; näher dazu auch van Gemmeren in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 71 und 80 mwN). Ebenso könnte die vorhandene anhaltende wahnhafte Störung ein der hinreichenden Aussicht eines Therapieerfolges entgegenstehender Umstand sein (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 341/14, NStZ 2015, 539 f. sowie BGH, Urteil vom 10. April 2014 – 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315 f.). Da das Landgericht jedoch ungeachtet dessen § 64 StGB trotz festgestellter Alkoholabhängigkeit des Angeklagten gar nicht erörtert hat, vermag eine Anordnung dieser Maßregel durch den Tatrichter seitens des Senats nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen zu werden.
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(2) Dies entzieht wegen der Regelung in § 72 Abs. 1 StGB der alleinigen Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) die Grundlage. Zwar wird der Angeklagte durch die unterbliebene zusätzliche Maßregel gemäß § 64 StGB nicht beschwert; vielmehr bedeutete eine kumulative Anordnung des § 64 StGB eine zusätzliche Beschwer (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f.). Der Senat kann aber wiederum nicht völlig sicher ausschließen, dass das Tatgericht in Anwendung von § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB den Angeklagten allein gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht hätte, wenn es die Voraussetzung dieser Maßregel erörtert und zudem die Regelungen in § 72 Abs. 1 StGB bedacht hätte. Da dies zum Wegfall der den Angeklagten im Verhältnis zu § 64 StGB stärker beschwerenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1997 – 2 StR 283/97, StV 1998, 72; Fischer aaO § 72 Rn. 5; Hanack in Leipziger Kommentar zum StGB, aaO § 72 Rn. 21; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder aaO § 72 Rn. 4c) hätte führen können , ist der Angeklagte aber insoweit durch die unterbliebene Erörterung von § 64 StGB beschwert.
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cc) Einer Aufhebung des Freispruchs im Hinblick auf die Wertung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf es vorliegend nicht, weil die den Freispruch tragenden Feststellungen zur Schuldunfähigkeit des Angeklagten ebenso rechtsfehlerfrei sind wie diejenigen zu den Voraussetzungen des § 63 StGB und lediglich noch zu prüfen ist, ob gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 StGB anstelle der Maßregel des § 63 StGB eine solche nach § 64 StGB angeordnet wird.
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dd) Der Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Rechtsfehler besteht lediglich in einer unzureichenden Erörterung der in Frage kommenden Rechtsfolgen der Anlasstat. Insbesondere zu den Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt werden ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen dürfen, getroffen werden müssen. Da die besondere funktionelle Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer nicht mehr gegeben ist, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2015 – 3 StR 444/15 Rn. 10).

III.


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Der neue Tatrichter wird bei der Entscheidung über die Anordnungvon Maßregeln nicht aus dem Blick verlieren, dass die Anlasstat ihre Wurzel in der anhaltenden wahnhaften Störung des Angeklagten hat, bei der es sich nicht um eine durch den Alkoholmissbrauch hervorgerufene Psychose handelt (UA S. 24). Angesichts der Feststellungen zur Gefährlichkeitsprognose dürfte es auch nicht naheliegen, dass die Gefährlichkeit des Angeklagten allein durch eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beseitigt werden könnte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 3 StR 6/16, NStZ-RR 2016, 169 f.; siehe auch Grünebaum R&P 2004, 187, 188 f.). Seine Alkoholabhängigkeit wird zudem regelmäßig im Vollzug der Maßregel des § 63 StGB mitbehandelt werden können (BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 341/14, NStZ 2015, 539 f.). Sollte sich im Verlauf des Vollzugs der eventuell erneut angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ergeben, dass der Vollzug der Maßregel aus § 64 StGB geeigneter ist, kommt regelmäßig § 67a Abs. 1 StGB zur Anwendung.
Raum Graf Radtke RiinBGH Dr. Fischer ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Mosbacher Raum