Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00

bei uns veröffentlicht am20.06.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 123/00
vom
20. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. Juni 2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. Dezember 1999
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie des unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist und
b) im Strafausspruch im Falle 11 der Anklage und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) in drei Fällen, jeweils in nicht geringer Menge, und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt" und angeordnet, daß "die unter Ta-
gebuch-Nr. 779/99 sichergestellten Schlagstöcke und die Doppelflinte Nr. 38927 sowie das unter gleicher ZK-Nr. 779/99 sichergestellte Rauschgift eingezogen" werden. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, soweit der Angeklagte wegen des dritten Falles des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und tatmehrheitlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt wurde (Ziffer 11 der Anklage). Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechtes. Sie ist der Auffassung, es sei von einem unerlaubten bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auszugehen, zu dem das Waffendelikt in Tateinheit stehe. Der Senat hat insoweit in der Hauptverhandlung die Verfolgung der Tat mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Vorwurf des unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beschränkt (§ 154 a Abs. 2 StPO). Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.

II.

Das Landgericht hat für diesen Fall des Betäubungsmittelhandels folgende Feststellungen getroffen: Bei einer für den Angeklagten überraschenden Durchsuchung seiner Wohnung durch die Polizei am 9. März 1999 öffnete er auf das Klingeln hin die Tür. Er trug eine Art Jogginghose und hielt eine Hand in der Tasche. Die Be-
amten fanden in dieser Hosentasche einen Teleskopschlagstock. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden ein zweiter Schlagstock, sowie eine Flinte (ohne Munition) mit abgesägten Läufen und abgesägtem Schaft gefunden. Die Schlagstöcke hatte der Anklagte in Besitz, um sich gegen Überfälle aus der Szene zu sichern. Weiter fanden die Beamten 18.440 DM aus Rauschgifterlösen und 2.567 g Haschisch mit einem mittleren THC-Gehalt von 17,4 %. Der Angeklagte hatte am 5./6. März 1999 von M. 3 kg Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben und einen Teil davon schon veräußert. Die Strafkammer hat die Verwirklichung des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen und insoweit eine Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Anwendung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat sie abgelehnt , da der Angeklagte im Verhältnis zu den Beamten das Rauschgift bloß besessen und nicht gehandelt habe. Tatmehrheitlich habe er durch Erwerb und Besitz der Waffen gegen das Gesetz verstoßen (Einzelstrafe ein Jahr).

III.

Die Verurteilung in den beiden ersten Fällen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr wird von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen. Die Revision ist insoweit wirksam beschränkt. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte darüber hinaus hinsichtlich der unter Ziffer 11 angeklagten Tat des unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.
Der Angeklagte hat mit den zum gewinnbringenden Verkauf bestimmten 3 kg Haschisch unerlaubt Handel getrieben und dabei sonstige Gegenstände mit sich geführt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. Dies liegt hinsichtlich der griffbereiten Schlagstöcke auf der Hand (vgl. BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 - Gegenstand 2). Die Gefahr, der § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begegnen will, ist jedenfalls dann stets gegeben, wenn der Täter Betäubungsmittel und Schußwaffen zugleich verfügungsbereit hat (vgl. Sen.Urt. v. 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96 = BGHSt 43, 8, 13; zustimmend BGH, Beschl. v. 13. April 1999 - 1 ARs 3/99; BGH, Beschl. v. 25. Juni 1999 - 3 StR 372/98 = StV 1999, 650 und BGH, Urt. v. 11. Januar 2000 - 5 StR 444/99). Das Schutzgut der Volksgesundheit ist besonders gefährdet, wenn sich der Täter mittels des gefährlichen Gegenstandes in Besitz des zum Verkauf bestimmten Rauschgifts halten kann (vgl. BGHSt 43, 8, 14). Deshalb schützt diese Vorschrift natürlich auch die Polizeibeamten, die das unerlaubte Handeltreiben unterbinden wollen. Denn die Gefahr des Einsatzes des gefährlichen Gegenstandes besteht gerade auch ihnen gegenüber. Soweit die Strafkammer für ihre Auffassung, es liege kein bewaffnetes Handeltreiben vor, weiter anführt: "die Argumentation des 2. Strafsenates des Bundesgerichtshofes (BGH StV 97, 305 f.), der Besitz sei hier bewußt ausgenommen , weil minder gefährlich, übersieht, daß zum Besitz jedenfalls auch das 'sich verschaffen' gehört und diese Deliktsform fällt wieder unter § 30 a II Nr. 2 BtMG", kann dem nicht gefolgt werden. Die Gefahr des Einsatzes des gefährlichen Gegenstandes ist beim "Sichverschaffen" erheblich höher als beim bloßen Besitz, da das "Sichver-
schaffen" wesentlich häufiger Kontakt mit anderen Personen voraussetzt, als der bloße Besitz, der zudem mittelbar sein kann. Deshalb ist der Tatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hier objektiv erfüllt. Für die subjektive Seite genügt das Bewußtsein über den gefährlichen Gegenstand jederzeit verfügen zu können. Der Wille des Täters, die Waffe gegebenenfalls einzusetzen, ist nicht erforderlich (vgl. u.a. BGHSt 43, 8, 14). Daß der Angeklagte zumindest einen gefährlichen Gegenstand hier bewußt gebrauchsbereit bei sich hatte, liegt schon im Hinblick auf den in seiner Hosentasche befindlichen Teleskopschlagstock auf der Hand. Daher hat im vorliegenden Fall der Angeklagte objektiv und subjektiv den Tatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verwirklicht. Da andere - für den Angeklagten günstigere - Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat selbst den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen; der nunmehrige Schuldspruch entspricht hinsichtlich dieser Tat der Anklage. Die Ä nderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung der Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für das Betäubungsmitteldelikt; die Einzelstrafe von einem Jahr für den Verstoß gegen das Waffengesetz ist durch
die Beschränkung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO weggefallen. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die zugehörigen Feststellungen sind vom Rechtsfehler jedoch nicht betroffen und können - genauso wie die Einziehungsanordnung - bestehenbleiben. Jähnke Detter Bode Otten Rothfuß

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s
Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Jan. 2000 - 5 StR 444/99

bei uns veröffentlicht am 11.01.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES 5 StR 444/99 URTEIL vom 11. Januar 2000 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitz
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00.

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bei uns veröffentlicht am 24.06.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 25/03 vom 24. Juni 2003 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsm

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 444/99
URTEIL
vom 11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Januar
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin Z
als Verteidigerin des Angeklagten H ,
Rechtsanwalt Sch
als Verteidiger des Angeklagten O ,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. April 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen - G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegten – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten im Herbst 1997 gemeinsam den Entschluß gefaßt, durch den gewinnbringenden Verkauf von Cannabis sich das Startkapital für den Betrieb einer Holz- und Bautenschutzfirma zu verschaffen. Von Ende Oktober 1997 bis Anfang Februar 1998 erwarben sie von dem anderweitig verfolgten B insgesamt fünf bis sechs kg Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 7 % THC. Das Cannabis bestand je zur Hälfte aus Haschisch und Marihuana. Die Lieferung erfolgte in dem genannten Zeitraum in mindestens 26 Teilmengen, wobei sich der Lieferumfang von anfangs 50 bis 200 g pro Einheit zum Ende des Tatzeitraumes auf Einzellieferungen von 500 g bis zu 1 kg steigerte, während gleichzeitig sich der Bezugspreis für die Angeklagten verringerte. Die Angeklagten orderten jeweils Nachlieferungen, bevor der Vorrat im Keller des von ihnen gemeinsam bewohnten Hauses zur Neige ging. Das Rauschgift veräußerten die Angeklagten im Dezember 1997 und am 13. Februar 1998 unter anderem an den am 21. Februar 1980 geborenen W , ohne allerdings damit zu rechnen, daß dieser das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben könnte. Am 13. Februar 1998 lieferte der anderweitig verfolgte Bo 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat aus, wobei er einen neun Monate alten Pitbullterrier und eine „CO2Luftdruckpistole“ mit sich führte. Diese sowie eine weitere gleichartige Waffe hatten die Angeklagten wenige Tage zuvor erworben.
II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das Urteil unterliegt der Aufhebung, weil das Landgericht den Verbrechenstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht ausreichend geprüft und damit seiner Kognitionspflicht nicht genügt hat.

a) Das Landgericht hat offen gelassen, ob der gesondert verfolgte Bo die Luftdruckpistole auf Anweisung der Angeklagten bei der Auslieferung von 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat mit sich führte. Eine mittäterschaftliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Waffen gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG komme nach seiner Auffassung nicht in Betracht, weil die Angeklagten keine Sachherrschaft über die Waffe gehabt hätten. Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Anstiftung würde aber nicht zu einer höheren Strafe führen. In diesem Falle wäre im Hinblick auf die dargestellten Milderungsgründe von einem minder schweren Fall auszugehen und dieselbe Strafe festzusetzen.


b) Diese Erwägungen sind nicht geeignet, die Prüfung einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG entbehrlich zu machen.
aa) Grundsätzlich stellt eine funktionsfähige Luftdruckpistole – ebenso wie eine CO2-Pistole – eine Schußwaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dar (Weber, BtMG, § 30a Rdn. 114). Maßgeblich ist dabei, daß die jeweiligen Geschosse – entsprechend der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 1 WaffG – durch einen Lauf getrieben werden (BGHSt 24, 136). Dies ist bei Luftpistolen grundsätzlich der Fall (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1974, 547 hinsichtlich des wortgleichen Tatbestandsmerkmals in § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F.).
bb) Zwar trifft zu, daß als Täter nur derjenige bestraft werden kann, der die Waffe gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich ihrer jeder Zeit bedienen kann (BGHSt 42, 368). Auch wenn diese Voraussetzung bei den während der Rauschgiftauslieferung ortsabwesenden Angeklagten im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, schließt dies eine Verurteilung wegen Anstiftung nicht aus (BGHSt 42, 368, 371). Sowohl das Rauschgift als auch die Luftdruckpistole stammten aus dem Besitz der Angeklagten. Bei dieser Sachverhaltskonstellation hätte die Prüfung nahegelegen, ob der anderweitig verfolgte Bo nicht nur Cannabis, sondern auch die Luftdruckpistole auf Veranlassung der Angeklagten an sich genommen hat.
cc) Zudem läge ein Verbrechen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht nur vor, wenn bei der Auslieferung der Betäubungsmittel der Täter einen entsprechenden Gegenstand mit sich führt. Zur Tatbestandserfüllung reicht ein Mitsichführen bei jedem Teil des Handeltreibens aus, mithin auch während der Besitzausübung an dem zum Verkauf bereit gehaltenen Rauschgift (BGHSt 43, 8, 11). Hier lagerten die Angeklagten das Cannabis in dem von ihnen bewohnten Haus. Nach dem Gesamtzusammenhang liegt nahe, daß sie gleichzeitig die beiden Luftdruckpistolen dort aufbewahrten und sie zudem teilweise das Rauschgift aus dem Haus heraus unmittelbar verkauften. Abhängig von den räumlichen Verhältnissen kann dies genügen, um in dieser Tatphase eine gleichzeitige Verfügbarkeit der Waffe anzunehmen (vgl. BGHSt 43, 8, 14 auch zu den Anforderungen an die subjektive Tatseite).

c) Das Landgericht konnte das Vorliegen des Qualifikationstatbestandes , aus dessen Strafrahmen möglicherweise die zu verhängende Strafe hätte gebildet werden müssen, nicht dahin stehen lassen. Insoweit hat es den grundsätzlichen Vorrang des Schuldspruches vor dem Sanktionsausspruch (vgl. BGH NJW 1997, 1455) hintangestellt. Regelmäßig kann aber die Strafzumessung erst nach der Entscheidung, welcher Straftatbestand verwirklicht ist, erfolgen. Hier hat der Tatrichter zudem die mögliche Erfüllung des Qualifikationstatbestands nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht erschöpfend gewürdigt (vgl. oben b, cc). 2. Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft ebenfalls beanstandeten Konkurrenzfrage, deren Beurteilung („Silotheorie”) zwischen den Senaten des Bundesgerichtshofs nicht im einzelnen geklärt ist (vgl. nur BGHR BtMG § 29 – Bewertungseinheit 3 und 9 einerseits, 10 andererseits), beschränkt sich der Senat auf folgenden Hinweis: es besteht jedenfalls insoweit Einigkeit , daß allein der gleichzeitige Besitz zum Handel bestimmter Betäubungsmittelmengen aus verschiedenen Liefervorgängen nicht geeignet ist, mehrere selbständige Taten des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit zu verbinden (BGHR aaO 9 und 10). Insbesondere weist der Senat aber darauf hin, daß bei feststehendem Gesamtschuldumfang eine Zusammenfassung von Einzelakten zu Tateinheit oder deren tatmehrheitliche Aburteilung regelmäßig ohne Einfluß auf die für das gesamte Tatgeschehen im Ergebnis zu verhängende Sanktion zu bleiben hat (BGHR aaO 9 m.w.N.).
Der neue Tatrichter wird Gelegenheit zur Prüfung haben, ob der Pitbullterrier als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG einzuordnen ist. Dies ist dann der Fall, wenn er seiner Art nach zur Verlet- zung von Personen geeignet und bestimmt ist. Da es sich bei einem Pitbullterrier nicht um eine Waffe im technischen Sinne handelt, bedarf es für die Tatbestandsverwirklichung einer konkreten Zweckbestimmung durch den Täter (BGHSt 43, 266). Diese könnte dann gegeben sein, wenn der Hund speziell abgerichtet und „scharf“ gemacht worden wäre. Selbst wenn im Hinblick auf den Pitbullterrier oder die Luftdruckpistole der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt sein sollte, muß dies – insbesondere wegen des mittlerweile eingetretenen weiteren Zeitablaufes – allerdings nicht notwendig zu einer anderen Sanktion führen.
Harms Häger Basdorf Tepperwien Raum

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.