Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2016 - 2 StR 344/14

bei uns veröffentlicht am24.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 344/14
vom
24. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
ECLI:DE:BGH:2016:240316U2STR344.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am 16. März 2016 in der Sitzung vom 24. März 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung am 16. März 2016, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung am 24. März 2016 als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin in der Verhandlung am 16. März 2016, Rechtsanwalt in der Verhandlung am 16. März 2016, Rechtsanwalt in der Verhandlung am 16. März 2016 als Verteidiger, Justizangestellte in der Verhandlung am 16. März 2016, Justizangestellte bei der Verkündung am 24. März 2016 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. März 2014 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 42 Fällen, davon in 18 Fällen wegen tateinheitlich begangenen zweifachen Betrugs, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.


2
1. Nach den Feststellungen vertrieb der Angeklagte über seine Firma P. GmbH (künftig: P. ), deren Geschäftsführer er war, analoge Werbebeamer, deren Verkehrswert je nach Gerätetyp zwischen ca. 1.800 € und 2.700 € betrug. Um die nur schwer verkäuflichen Produkte besser vermarkten zu können, hatte der Angeklagte am 15. März 2005 für die P. einen Kooperationsvertrag mit der Firma G. (im Folgenden: G. ) abgeschlossen. Danach war die Firma des Angeklagten berechtigt, für die G. Leasingverträge zu vermitteln und zu diesem Zweck schriftliche Leasinganträge potentieller Leasingnehmer einzureichen. Nach den Bestimmungen des Kooperationsvertrags hatte die Firma P. dafür einzustehen, dass mit den Leasingnehmern keine von den Bestimmungen des Leasingvertrags abweichenden mündlichen oder schriftlichen Vereinbarungen getroffen werden. Die G. verpflichtete sich bei erfolgreicherVermittlung eines Leasingvertrags dazu, die Werbebeamer von der Firma P. zu erwerben und den Kaufpreis in Höhe von – je nach Modell – etwa 8.000 € an sie zu zahlen.
3
Um eine möglichst hohe Anzahl von Leasingverträgen vermitteln und eine entsprechende Anzahl von Werbebeamern an die G. verkaufen zu können, setzte der Angeklagte Mitarbeiter seiner Firma ein, die er zuvor geschult hatte und die seinen Vorgaben entsprechend die Anwerbung von Kunden übernahmen. Die Mitarbeiter suchten gezielt und ohne vorherige Anmeldung Kleingewerbetreibende auf und erklärten diesen, sie könnten die Werbebeamer nebst Zubehör für einen Komplettpreis von etwa 8.000 € über einen Zeitraum von 48 Monaten bei einer monatlichen Leasingrate von 199 € leasen; nach Ab- lauf eines Jahres bestehe die Möglichkeit, von einer so genannten „RückkaufOption“ Gebrauch zu machen und das Gerät zu einem festgelegten Preis von in der Regel etwa 5.600 € an die P. zurückzugeben. Daneben miete die P. einen der acht Bildplätze des Werbebeamers zum Zwecke der Eigenwerbung an und zahle während des über 48 Monate laufenden Leasingvertrags eine Gesamtmiete von 2.040 €. Die Miete werde jeweils im Voraus gezahlt, und zwar in Höhe von 50 % bei Inbetriebnahme des Beamers und zu weiteren 50 % nach Ablauf von sechs Monaten. Zur Erläuterung der entstehenden Kosten legten die Vermittler den Kunden eine so genannte Konditionenübersicht vor, wo- nach sich die anfallenden Kosten im ersten Jahr bei Ausübung der „RückkaufOption“ unter Berücksichtigung der Mietzahlungen auf nur 29 € belaufen sollten. In einer von den Kunden im Vertrauen auf die Erklärungen der Vermittler unterschriebenen Vereinbarung, dem so genannten „P. -Vertrag“, vermerkten die Vermittler als Zahlungsweise handschriftlich die Option „Leasingvermittlung gewünscht“.
4
Dem Tatplan des Angeklagten entsprechend wiesen die Vermittler die Kunden bei Abschluss des P. -Vertrags nicht darauf hin, dass die Aus- übung der „Rückkauf-Option“ gegenüber der Firma P. nicht von der Ver- pflichtung befreit, die Leasingraten weiterzuzahlen. Die Kunden wurden außer- dem nicht darauf hingewiesen, dass die Ausübung der „Rückkauf-Option“ den Nachweis des Eigentums voraussetzte; ein Hinweis auf dieses Erfordernis war lediglich in den auf der Rückseite des P. -Vertrags abgedruckten Allge- meinen Geschäftsbedingungen enthalten, wonach der Kunde bei „Inanspruchnahme der „Rückkauf-Option“ [...] der P. Marketing GmbH gegenüber den Nachweis zu erbringen“ habe, „dass sich die zur Zurückgabe anstehenden Vertragswaren in seinem Eigentum befinden“. Um Eigentümer des Beamers zu werden, mussten die Leasingnehmer den Beamer daher zunächst von der Leasinggesellschaft , der G. , erwerben. Die Ausübung der „Rückkauf-Option“ und die Rückgabe des Werbebeamers an die P. hatte darüber hinauszur Folge, dass die P. berechtigt war, die als Vorschuss für die gesamte vierjährige Vertragslaufzeit gezahlte Miete in Höhe von 75 % zurückzufordern und mit der Auszahlung des Rückkaufpreises zu verrechnen. Auch hierauf wiesen die Vermittler die Kunden nicht hin. Anlässlich des Abschlusses des P. - Vertrags machten die Vermittler die Leasingnehmer auch nicht auf die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Bestimmung aufmerksam, wo- nach die Ausübung der „Rückkauf-Option“ frühestens ab dem 9. Monat nach Vertragsschluss und spätestens sechs Wochen vor Ablauf der Optionsfrist gegenüber der P. GmbH schriftlich und per Einschreiben anzuzeigen war und die Optionsfrist ein Jahr nach Vertragsabschluss endete.
5
Aufgrund des von den Kunden unterschriebenen P. -Vertrags stellte der Angeklagte für jeden Kunden eine Leasinganfrage bei der G. , ohne dabei jedoch auf die mit den Kunden vereinbarte „Rückkauf-Option“ hinzuwei- sen. Nachdem die G. positiv über die Anfrage entschieden hatte, übersandte der Angeklagte den Leasingvertrag an den jeweiligen Kunden oder ließ den Vertrag von einem Vertriebsmitarbeiter dem Kunden persönlich zur Unterschrift vorlegen. Nach den Bestimmungen des Leasingvertrags hatten die Kunden bei einer Vertragslaufzeit von vier Jahren an die G. monatliche Leasingraten von in der Regel 199 € zu zahlen. Die mit der Firma P. vereinbarte „Rückkauf-Option“ war ebensowenig Gegenstand des mit der G. abge- schlossenen Leasingvertrags wie der vierjährige Mietvertrag über einen der Bildplätze des Beamers. Die Leasingnehmer, die auf die mündlichen Zusagen der Vermittler vertrauten, unterschrieben den Leasingvertrag. Dabei erkannte ein Teil der Leasingnehmer nicht, dass es sich dabei um einen eigenständigen Leasingvertrag mit der G. handelte. Alle Leasingnehmer gingen zudem da- von aus, sie könnten die „Rückkauf-Option“ gegenüber der Firma P. aus- üben, ohne dass ihnen weitere Kosten entstünden. Tatsächlich waren die Leasingnehmer jedoch verpflichtet, einen Betrag in Höhe von etwa 99 % des Geldwerts der nach einem Jahr noch offenen Leasingforderungen an die G. zu zahlen, wenn sie das Eigentum an dem Gerät erwerben wollten, um von der „Rückkauf-Option“ gegenüber der P. Gebrauch zu machen.
6
Den von den Kunden unterzeichneten Leasingvertrag reichte der Angeklagte bei der G. ein, die anschließend den Kaufpreis für den Beamer an die P. zahlte. Die Mitarbeiter der G. , die die Auszahlungen freigaben, hatten dabei jeweils keine Kenntnis von der mit den Leasingnehmern vereinbar- ten „Rückkauf-Option“; sie gingen entsprechend den Bestimmungen des Ko- operationsvertrags vielmehr davon aus, dass mit den Leasingnehmern keine mit dem Leasingvertrag in Widerspruch stehenden Nebenabreden getroffen worden waren.
7
2. Das Landgericht hat die Taten als Betrug zum Nachteil der Leasingnehmer sowie als Betrug zum Nachteil der G. gewertet.
8
Der G. sei durch die im Kooperationsvertrag enthaltene Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises an die P. ein Vermögensschaden entstanden. Der Wert des der G. zustehenden und gegen die Leasingnehmer gerichteten Anspruchs auf Zahlung der Leasingraten über einen Zeitraum von 48 Monaten übersteige zwar die Höhe des an die P. zu zahlenden Kaufpreises für die Werbebeamer. Der Anspruch auf Zahlung der Leasingraten sei aber nur im ersten Jahr bis zur Ausübung der „Rückkauf-Option“ durch die Lea- singnehmer werthaltig gewesen; aufgrund bestehender Gegenrechte der Leasingnehmer und des damit verbundenen signifikanten Ausfallrisikos seien die Leasingforderungen dagegen für die letzten drei Jahre wirtschaftlich wertlos. Das Landgericht hat den Wert der Leasingforderungen daher mit 25 % des Nominalwerts angesetzt und unter Berücksichtigung eines geringfügigen Restwerts der Werbebeamer nach Ablauf des Leasingvertrags einen Gefährdungsschaden von in der Regel etwa 5.500 € angenommen.
9
Daneben sei den Leasingnehmern durch Abschluss des von der P. vermittelten Leasingvertrages mit der G. und der daraus folgenden Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten über einen Zeitraum von zumindest zwölf Monaten ebenfalls ein Vermögensschaden entstanden. Die Leasingnehmer hätten zwar Gegenleistungen in Form der Nutzungsmöglichkeit des Beamers , des Anspruchs auf Zahlung des Rückkaufpreises und auf Zahlung des Mietzinsanspruchs erhalten. Aufgrund der bei Ausübung der „Rückkauf-Option“ entstehenden Kosten für den Erwerb des Gerätes von der G. und des anteilig gekürzten Mietzinsanspruchs errechne sich aber jeweils ein Negativsaldo, der auf Seiten der Leasingnehmer einen Gefährdungsschaden in Höhe von etwa 3.100 € begründe.
10
Soweit das Landgericht nicht sicher festzustellen vermochte, dass ein Leasingnehmer bei Abschluss des Leasingvertrags im Vertrauen auf die Zu- sagen der Vermittler davon ausgegangen ist, er könne die „Rückkauf-Option“ ohne zusätzliche Kosten ausüben, hat es die Tatvorwürfe gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Betrug zum Nachteil der G. beschränkt. In gleicher Weise hat es eine Beschränkung auf die Betrugstaten zum Nachteil der G. vorgenommen , wenn auf Seiten des Leasingnehmers kein bleibender Schaden entstanden ist, weil dieser die Zahlung der Leasingraten frühzeitig eingestellt hatte. Soweit der G. durch die Zahlung der Leasingraten im Ergebnis kein bleibender Schaden entstanden ist, hat das Landgericht gemäß § 154a Abs. 2 StPO eine Beschränkung auf die Betrugstaten zum Nachteil der Leasingnehmer vorgenommen. Im Ergebnis ist das Landgericht daher von fünf Fällen des Betrugs zum Nachteil der Leasingnehmer, 19 Fällen des Betrugs zum Nachteil der G. und 18 Fällen des Betrugs sowohl zum Nachteil der Leasingnehmer als auch der G. ausgegangen.

II.


11
Die Revision des Angeklagten führt aufgrund der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
12
1. Die Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1b StPO) ist unbegründet.
13
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
14
Die zur Entscheidung des Verfahrens berufene 9. Große Strafkammer war nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Bonn für das Geschäftsjahr 2013 neben dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden mit Richter am Landgericht Dr. W. als Beisitzer besetzt. MitPräsidiumsbeschluss vom 20. September 2013 wurde unter anderem bestimmt, dass Richter am Landgericht Dr. W. mit Wirkung zum 1. Oktober 2013 zur 23. Zivilkammer wechsele und bis zum Abschluss eines einzelnen laufenden Verfahrens formal Mitglied der 9. Großen Strafkammer bleibe. An der am 1. Oktober 2013 beginnenden Hauptverhandlung nahm daher Richter am Landgericht Wu. als Beisitzer teil, welcher durch den Präsidiumsbeschluss zum Nachfolger bestimmt wurde.
15
Nach Bekanntgabe der Gerichtsbesetzung zu Beginn der Hauptverhandlung am 1. Oktober 2013 und nach Einsichtnahme in den Präsidiumsbeschluss vom 20. September 2013 rügte der Angeklagte die Besetzung der Richterbank, weil der Präsidiumsbeschluss vom 20. September 2013 gegen § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG verstoße. Er enthalte keine Begründung für den Beisitzerwechsel zwischen der 23. Zivilkammer und der 9. Großen Strafkammer; ein kausaler Zusammenhang zu dem Änderungsbedarf der durch das wegen Mutterschutzes und Elternzeit absehbare Ausscheiden einer Beisitzerin der 25. Zivilkammer ausgelöst werde, sei weder dargetan noch sonst ersichtlich. Es fehle daher an zwingenden sachlichen Gründen für den im laufenden Geschäftsjahr erfolgenden Richterwechsel.
16
Aufgrund dieses Besetzungseinwands fasste das Präsidium des Landgerichts Bonn am 7. Oktober 2013 einen weiteren Beschluss, in dem es die unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans damit begründete, dass ein Fall dauernder Verhinderung vorliege, nachdem eine bisher in der 25. Zivilkammer tätige Beisitzerin zum November 2013 aufgrund Mutterschutzes und anschließender Elternzeit ausscheide. Die Geschäftslage der mit rund 600 laufenden Verfahren erheblich belasteten 25. Zivilkammer dulde keine Vakanzen. Da die Tätigkeit in der für Arzthaftungssachen zuständigen Kammer besondere fachliche und soziale Fähigkeiten erfordere, habe das Präsidium als Nachfolgerin die besonders erfahrene und langjährig als stellvertretende Vorsitzende in der 23. Zivilkammer tätige Richterin am Landgericht Gr. bestimmt. Durch deren Wechsel in die 25. Zivilkammer sei der stellvertretende Vorsitz in der 23. Zivilkammer zu besetzen gewesen, für den das Präsidium den bisher in der 9. Strafkammer tätigen Richter am Landgericht Dr. W. als besonders geeignet angesehen habe; zur Sicherung der Kontinuität der Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der speziellen Zuständigkeit der 23. Zivilkammer habe es das Präsidium für erforderlich erachtet, den Wechsel bereits zum 1. Oktober 2013 vorzunehmen, um eine Einarbeitung des neuen stellvertretenden Vorsitzenden zu ermöglichen. Dadurch sei schließlich eine Umbesetzung der 9. Großen Strafkammer bereits zum 1. Oktober 2013 veranlasst gewesen, weil die besonders starke Belastung der 9. Großen Strafkammer ebenfalls keine Vakanz zugelassen habe. Durch die Zuweisung des für die Tätigkeit in einer Wirtschaftsstrafkammer besonders geeigneten Richtersam Landgericht Wu. und die damit bewirkte kurzfristige Überbesetzung der sich an der Grenze zur Überlastung bewegenden 9. Großen Strafkammer habe die zügige Verhandlung weiterer Sachen begünstigt und damit dem in Strafsachen geltenden Beschleunigungsgebot Rechnung getragen werden sollen, zumal Richter am Landgericht Dr. W. durch die Abfassung eines Urteils in einer Umfangssache mit einem Teil seiner Arbeitskraft gebunden gewesen sei. Darüber hinaus sei auch berücksichtigt worden, dass ein Proberichter allein in der 23. Zivilkammer sinnvoll eingesetzt werden könne und auch deshalb ein eingearbeiteter stellvertretender Vorsitzender in der 23. Zivilkammer erforderlich gewesen sei, welcher dem Proberichter als „Ansprechpartner“ zur Verfügung stehe.
17
b) Die Besetzungsrüge hat keinen Erfolg. Das Tatgericht war infolge der Änderung des Geschäftsverteilungsplans durch den Präsidiumsbeschluss vom 20. September 2013 vorschriftsgemäß besetzt.
18
aa) Zwar enthielt der Präsidiumsbeschluss vom 20. September 2013 nicht die von Rechts wegen erforderliche Dokumentation der für die Änderung des Geschäftsverteilungsplans maßgeblichen Gründe (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08, NJW 2010, 625, 626). Eine fehlende Dokumentation kann jedoch bis zum Zeitpunkt des Beschlusses, mit dem gemäß § 222b Abs. 2 StPO über den Besetzungseinwand entschieden wird, nachgeholt werden (BVerfG, Beschluss vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09, NJW 2009, 1734, 1735; BGH, Beschluss vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 276 f.; BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288, 289). Dies ist hier durch den Beschluss des Präsidiums vom 7. Oktober 2013, in welchem das Präsidium die Erwägungen für die unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans niedergelegt hat, rechtzeitig geschehen.
19
bb) Die unterjährige, weitreichende Änderung des Geschäftsverteilungsplans war mit § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG noch zu vereinbaren. Nach dieser als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden Norm darf der Geschäftsverteilungsplan im Laufe des Geschäftsjahres geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter unerlässlich ist. Nachträgliche, auf die Vorschrift des § 21e Abs. 3 GVG gestützte Änderungen der Geschäftsverteilung unterliegen dabei im Revisionsverfahren einer umfassenden inhaltlichen Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690; BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288).
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Die Annahme des Präsidiums, es liege infolge des am 13. November 2013 beginnenden Mutterschutzes einer Richterin und der anschließenden Elternzeit ein Fall dauernder Verhinderung im Sinne des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG vor, der in Ansehung der besonderen Belastung eine Vakanz nicht gestatte , ist nicht zu beanstanden. Eine dauernde Verhinderung liegt vor, wenn ein Richter – wie hier – aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für längere oder der Dauer nach ungewisse Zeit verhindert ist (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 154 [länger als 3 Monate]). Angesichts der Belastungssituation der von dem Ausfall betroffenen 25. Zivilkammer konnte der erforderliche Ausgleich auch nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden (vgl. zu dieser Voraussetzung Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 21e Rn. 112).
21
Bei der gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG zulässigen Änderung der Geschäftsverteilung während des laufenden Geschäftsjahres durfte das Präsidium alle Umstände berücksichtigen, die der Gewährleistung einer geordneten Rechtspflege dienten (BGH, Beschluss vom 19. April 2000 - 3 StR 32/00, BGHR GVG § 21e Abs. 3 Änderung 4). Das Präsidium durfte namentlich be- sondere Belastungen der Spruchkörper und besondere Kenntnisse und Fähigkeiten der in Frage kommenden Richter in seine Erwägungen einbeziehen (BGH, Urteil vom 12. April 1978 - 3 StR 58/78, BGHSt 27, 397, 398) und war nicht auf die Umbesetzung des unmittelbar von der Überlastung betroffenen Spruchkörpers beschränkt (SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 21e GVG Rn. 41). Ebenso war es zulässig, bei der Änderung der Geschäftsverteilung zu berücksichtigen , dass durch einen Wechsel eines Beisitzers der 9. Großen Strafkammer die zügige Bearbeitung anhängiger Sachen begünstigt und auf diese Weise dem Beschleunigungsgebot Rechnung getragen werden konnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09, NJW 2009, 1734 f.). Schließlich begegnet es keinen Bedenken, dass das Präsidium die Zuweisung eines Proberichters zur 25. Zivilkammer und zur 9. Großen Strafkammer nicht in Betracht gezogen hat. Um den Belangen einer geordneten Rechtspflege Rechnung zu tragen, kann das Präsidium auch auf die erforderliche Ausbildung des richterlichen Nachwuchses Rücksicht nehmen (BGH, Urteil vom 12. April 1978 - 3 StR 58/78, BGHSt 27, 397, 398 f.; vgl. auch KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 338 Rn. 30), sofern sich die Änderung der Geschäftsverteilung nicht ausschließlich auf diese Erwägung stützt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 1976 - 5 StR 314/76, BGHSt 26, 382, 383). Die ergänzende Berücksichtigung dieses Umstandes im Präsidiumsbeschluss vom 7. Oktober 2013 war daher zulässig.
22
Der Beschluss des Präsidiums vom 20. September 2013 führte auch nicht zu einer Änderung der Geschäftsverteilung, mit der ein Richter einem Spruchkörper in unzulässiger Weise nur für ein bestimmtes Verfahren zugewiesen worden ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 1963 - 2 StR 84/63, BGHSt 18, 386, 387 ff.; vgl. auch KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 388 Rn. 37). Die Zuweisung des Richters am Landgericht Wu. zur 9. Großen Strafkammer erfolgtenicht nur mit Blick auf das vorliegende Verfahren, sondern betraf auch alle weiteren bei der Strafkammer anhängigen und künftig eingehenden Strafsachen.
23
2. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
24
a) Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs zum Nachteil der G. .
25
aa) Die Vorlage der Leasingverträge gegenüber den zuständigen Mitarbeitern der G. enthielt die schlüssige Erklärung des Angeklagten, die vermittelten Verträge entsprächen den Vereinbarungen des abgeschlossenen Kooperationsvertrags und enthielten keine mit den Leasingnehmern getroffene Nebenabreden , die der Durchführung des Leasingvertrags entgegenstehen. Gegenstand schlüssiger Erklärungen können auch Negativtatsachen sein (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 171). Hierzu zählen insbesondere Umstände, die als Geschäftsgrundlage zur Voraussetzung des Vertragsschlusses gemacht worden sind (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 22a; Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 16e; NK-Kindhäuser, 4. Aufl., § 263 Rn. 132). Eine solche Negativtatsache war hier die der Durchführung des Leasingvertrags zuwiderlaufende Vereinbarung einer „Rückkauf-Option“, die der Angeklagte nicht offengelegt hat. Die G. ging davon aus, dass die von dem Angeklagten eingereichten Leasingverträge jeweils die Vorgaben des bestehenden Kooperationsvertrags erfüllten. Auch die Annahme des Leasingvertrags durch die G. erfolgte nach Maßgabe des Kooperationsvertrags; dieser war damit Geschäftsgrundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Firma P. GmbH und der G. .
26
bb) Die Täuschung führte zu einem entsprechenden Irrtum bei den für die Genehmigung des Leasingvertrags zuständigen Mitarbeitern der G. , die aufgrund der Fehlvorstellung den Leasingvertrag abschlossen und aufgrund der dadurch ausgelösten, im Kooperationsvertrag enthaltenden Verpflichtung zum Erwerb des Beamers zugleich die Anweisung erteilten, den Kaufpreis für den Beamer an die Firma P. GmbH zu zahlen.
27
cc) Die aus dem Kooperationsvertrag folgende Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung führte jeweils zu einem Vermögensschaden auf Seiten der G. .
28
Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung tritt ein Schaden ein, wenn die Verfügung zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwertes führt. Handelt es sich – wie hier – um einen Fall des Eingehungsbetrugs, hat ein Wertvergleich der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche zu erfolgen. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn sich dabei ein Negativsaldo zum Nachteil des Getäuschten ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12, NStZ 2013, 234, 236; Urteil vom 20. März 2013 - 5 StR 344/12, NJW 2013, 1460). Von einem Schaden ist auch im Fall einer konkreten Vermögensgefährdung auszugehen, wenn zwar noch kein bleibender Vermögensschaden eingetreten ist, aber die Gefahr eines Vermögensverlusts so nahe liegt, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Verfügung eine Minderung des Vermögens begründet (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 221 ff.; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 177; Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 188 f.).
29
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht einen Gefährdungsschaden der G. angenommen und ist zutreffend davon ausgegangen, dass der G. aufgrund des abgeschlossenen Leasingvertrages keine An- sprüche erwachsen sind, die geeignet waren, die durch die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises für den Beamer eingetretene Vermögensminderung auszugleichen.
30
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht den Wert der Leasingforderung der G. trotz einer Vertragsdauer von vier Jahren lediglich mit 25 % des Nominalwerts angesetzt hat, indem es nur die Leasingforderungen für das erste Jahr in voller Höhe berücksichtigt und den Ansprüchen der G. für den Rest der Vertragsdauer aufgrund des signifikanten Ausfallrisikos keinen wirtschaftlichen Wert beigemessen hat.
31
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei der Bestimmung des Geldwerts einer Forderung ein bestehendes Ausfallrisiko zu einer Abwertung des Nominalwerts der Forderung führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, NStZ 2012, 698, 699; Senat, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711, 712; vgl. auch BVerfG aaO, BVerfGE 126, 170, 225 ff.). Dabei können alle Umstände berücksichtigt werden, die eine Realisierung der Forderung zweifelhaft erscheinen lassen. Insbesondere die fehlende materiell-rechtliche Begründetheit und die sich daraus ergebende mangelnde Durchsetzbarkeit der Forderung sind für die Bewertung des Ausfallrisikos von Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2015 - 1 StR 334/15, StraFo 2016, 34, 35).
32
Dass das Landgericht angenommen hat, angesichts der erfolgten Ver- einbarung einer „Rückkauf-Option“ durch die für die Firma P. tätigen Vermittler, die den Bestimmungen des Leasingvertrags widersprach, sei die Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Zahlung der Leasingraten jedenfalls nach Ablauf des ersten Jahres aufgrund bestehender Gegenrechte der Leasingnehmer (§ 123, § 280 BGB) in einer Weise gefährdet gewesen, die es rechtfertige, die Forderung ab diesem Zeitpunkt als wirtschaftlich wertlos einzustufen, begegnet keinen Bedenken. Denn es hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die begründete Gefahr bestand, dass sich die Leasingnehmer auf die „Rückkauf- Option“ berufen und zudem die Zahlung der Leasingraten für die letzten drei Jahre der Vertragslaufzeit verweigern könnten.
33
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein zur Unwirksamkeit des Leasingvertrags führendes Anfechtungsrecht (§ 123, § 142 Abs. 1 BGB) und ein auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten gerichteter Schadensersatzanspruch des Leasingnehmers bestehen (§ 280 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2, § 249, § 311 Abs. 2 BGB), wenn ein Vermittler mit Wissen und Willen des Leasinggebers (Vor-)Verhandlungen mit dem Leasingnehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt und dabei schuldhaft den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt. Diese Gegenrechte können dem Anspruch des Leasinggebers auf Zahlung der Leasingraten entgegenstehen, da sich der Leasinggeber die fehlerhafte Information des Vermittlers, der als Erfüllungsgehilfe nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 2014 - VIII ZR 335/13, juris Rn. 11, 15; vgl. auch Urteil vom 30. März 2011 − VIII ZR 94/10, NJW 2011, 2874, 2875; Urteil vom 18. September 2013 - VIII ZR 281/12, NJW-RR 2014, 622, 624). Eine Zurechnung kann insbesondere dann erfolgen, wenn sich der Leasinggeber – wie hier – zum Abschluss des Leasingvertrags der Hilfe des Vermittlers bedient und diesem Leasingformulare überlässt (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2013 - VIII ZR 281/12, NJW-RR 2014, 622, 624). Dass die Firma P. nach den Bestimmungen des Kooperationsver- trags nicht berechtigt war, „im oder für Namen der G. zuhandeln und [...] nicht deren Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfe [ist]“, steht einer Zurechnung nicht entgegen. Von der Verantwortlichkeit einer falschen Auskunftserteilung kann sich ein Leasinggeber in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht freizeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 2014 - VIII ZR 335/13, juris Rn. 15). Vor diesem Hintergrund begegnet die Annahme, dass die Durchsetzbarkeit des Anspruchs der G. auf Zahlung der Leasingraten von vornherein gefährdet war, keinen Bedenken.
34
Darüber hinaus hat das Landgericht die Forderungsabwertung auch indiziell damit begründet, dass es der G. in keinem einzigen Fall gelungen ist, gegen einen Leasingnehmer „ein obsiegendes obergerichtliches Urteil zu erstreiten“ (UA S. 391/394) und siedie Forderungen intern frühzeitig abgeschrieben hat (UA S. 392). Für die Bestimmung des wirtschaftlichen Werts einer Forderung ist auch von Bedeutung, inwieweit eine Forderung später tatsächlich durchgesetzt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2015 - 1 StR 334/15, StraFo 2016, 34, 35).
35
Dass sich einige Leasingnehmer nicht auf Gegenrechte berufen und die Leasingraten über das erste Jahr hinaus weiter gezahlt haben, ändert nichts am Eintritt eines Gefährdungsschadens zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die tatsächlich erfolgten Zahlungen führten lediglich zu einem geringeren Erfüllungsschaden auf Seiten der G. , den das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt hat.
36
Da die G. zwar das Eigentum an den Beamern erworben hatte, aufgrund der Besitzübergabe an die Leasingnehmer ihr Eigentum aber erst nach der Rückgabe des Beamers verwerten konnte, hat das Landgericht den Verkehrswert der Beamer erst nach Ende der Vertragslaufzeit als Vermögenszuwachs zugunsten der G. berücksichtigt. Das sachverständig beratene Landgericht ist dabei mit tragfähiger Begründung von einem „linearen Wertever- lust ohne Restwert innerhalb der 48-monatigen Leasingzeit ausgegangen“ (UA S. 388).
37
dd) Der Angeklagte nahm die fehlende Durchsetzbarkeit der Leasingforderungen und damit den Eintritt eines Vermögensschadens auf Seiten der G. billigend in Kauf. Zugleich handelte er in Drittbereicherungsabsicht zugunsten der von ihm geführten Firma P. , an die der Kaufpreis für den Beamer zu zahlen war.
38
b) Darüber hinaus hat sich der Angeklagte wegen Betrugs zum Nachteil der Leasingnehmer strafbar gemacht.
39
aa) Nach den Feststellungen spiegelten die von dem Angeklagten eingesetzten und geschulten Vermittler den Kleingewerbetreibenden bei Abschluss des „P. -Vertrages“ vor, den Beamer nach Ablauf eines Jahres aufgrund der vereinbarten „Rückkauf-Option“ unproblematisch und ohne zusätzliche Kos- ten an die P. zurückgeben zu können und im Gegenzug den festgelegten Rückkaufswert ausgezahlt zu erhalten. Zugleich wurden die Leasingnehmer über die bei Ausübung der „Rückkauf-Option“ erfolgende Kürzung des Miet- zinsanspruchs um 75 % getäuscht. In den der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen entstand aufgrund dessen bei den Leasingnehmern jeweils eine entsprechende Fehlvorstellung.
40
Der Annahme einer Täuschungshandlung steht nicht entgegen, dass es für die Leasingnehmer bei sorgfältiger Lektüre der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des P. -Vertrags und des mit der G. abgeschlossenen Leasingvertrags erkennbar war, dass die vorzeitige Rückgabe des Beamers zu einer Kürzung des Mietzinsanspruchs führte und die Ausübung der „RückkaufOption“ den vorherigen Erwerb des Beamers voraussetzte, deren Eigentümerin die G. war. Die Erkennbarkeit einer Täuschung schließt weder die Täuschungshandlung noch eine irrtumsbedingte Fehlvorstellung aus (Senat, Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 616/12, NJW 2014, 2595, 2596 mwN). Dies gilt auch, soweit die Täuschung – wie hier – gegenüber einem Unternehmer erfolgt (Senat, Urteil vom 28. Mai 2014 - 2 StR 437/13, wistra 2014, 439, 441). Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall von diesen Grundsätzen abzuweichen. Ein Fall, in dem die Täuschung ohne Weiteres erkennbar ist und fraglich erscheint , ob die Vermögensverfügung auf einer rechtlich relevanten Fehlvorstellung beruhen kann (vgl. hierzu Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 56), liegt hier nicht vor.
41
bb) Durch den Abschluss des Leasingvertrags mit der G. ist den Leasingnehmern ein Vermögensschaden entstanden. Diesen hat das Landgericht zutreffend aus der Differenz zwischen der vertraglichen Zahlungsverpflichtung des Leasingnehmers (Leasingforderung für vier Jahre) und dem Wert der infolge des abgeschlossenen Leasingvertrags erlangten Gegenleistungen errechnet.
42
Bei der Berechnung des Gefährdungsschadens ist das Landgericht zu- gunsten des Angeklagten von der Ausübung der „Rückkauf-Option“ durch den Leasingnehmer ausgegangen, da sich in diesem Fall trotz der Kosten für den Erwerb des Beamers aufgrund der lediglich für ein Jahr zu zahlenden Leasingraten ein geringerer Schaden errechnet. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht dabei auf Seiten der Leasingnehmer 25 % des Geldwerts der auf vier Jahre angelegten Leasingforderung sowie den für den Erwerb des Beamers an die G. zu zahlenden Geldbetrag als Negativposten im Rahmen der Gesamtsaldierung angesetzt. Als infolge des abgeschlossenen Leasingvertrags entstandenen Vermögenszuwachs hat es den im P. -Vertrag festgelegten Rück- kaufpreis zugunsten des Leasingnehmers berücksichtigt und des Weiteren den gegen die Firma P. GmbH gerichteten Mietzinsanspruch in den Wertvergleich einbezogen, die Forderung aufgrund der Verpflichtung zur Rückgabe des Beamers nach einem Jahr aber folgerichtig nur in Höhe von 25 % ihres Werts berücksichtigt. Ferner hat das Landgericht die Möglichkeit zur Nutzung des Beamers als Wertzuwachs auf Seiten des Leasingnehmers in die Berechnung des Vermögensschadens einbezogen. Im Hinblick darauf, dass der Leasingnehmer den Beamer nach Ausübung der „Rückkauf-Option“ an die Fir- ma P. GmbH zurückzugeben hatte und den Beamer daher nur für die Dauer eines Jahres nutzen konnte, hat es den Nutzwert anteilig gekürzt und lediglich in Höhe von 25 % in die Saldierung eingestellt. Den wirtschaftlichen Wert der Nutzungsmöglichkeit des Werbebeamers hat die Strafkammer im Ausgangspunkt zutreffend nach dem Verkehrswert des Beamers bestimmt.
43
Als rechtsfehlerhaft erweist sich jedoch die Bewertung nach dem objektiven Verkaufspreis des Beamers, den die sachverständig beratene Strafkammer – jenach Modell – mit einem Betrag zwischen etwa 1.800 € bis 2.700 € angesetzt hat. Da die Werbebeamer jeweils als Leasingobjekte vertrieben worden sind, hätte das Landgericht den Verkehrswert nicht nach dem objektiven Verkaufswert , sondern anhand des objektiven Leasingwerts bestimmen müssen, der den Verkaufswert erfahrungsgemäß übersteigt.
44
Der Senat kann indes ausschließen, dass der Angeklagte durch diesen Rechtsfehler beschwert ist. Ein abweichender, über dem Verkaufswert liegender Leasingpreis hätte zwar im Rahmen der Gesamtsaldierung zugunsten der Leasingnehmer berücksichtigt werden müssen und gegebenenfalls zu einem niedrigeren Gefährdungsschaden geführt. Indem das Landgericht den ermittelten Verkehrswert um einen Sicherheitsaufschlag von 30 % erhöht hat (UA S. 341), hat sich die fehlerhafte Berechnung hier jedoch nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.
45
cc) Der Angeklagte, der wusste, dass die Leasingnehmer (faktisch) ge- zwungen waren, im Falle der Ausübung der „Rückkauf-Option“ eine Ablöse- summe an die G. zu zahlen, nahm die Schädigung der Leasingnehmer billigend in Kauf.
46
dd) Auch die erforderliche Absicht rechtswidriger Bereicherung eines Dritten lag vor. Die Täuschung des Angeklagten zielte auf eine Bereicherung der G. ab. Der Erfüllung des Betrugstatbestands steht nicht entgegen, dass es dem Angeklagten primär darauf ankam, die G. nach Annahme des Leasingvertrags zur Zahlung des Kaufpreises an die von ihm geführte Firma P. GmbH zu veranlassen; denn hierfür war der Abschluss des Leasingvertrags notwendige Voraussetzung. Die Bereicherungsabsicht muss nicht das ausschließliche Motiv oder das letztendliche Ziel der Tathandlung sein; es genügt vielmehr, dass der Täter die Bereicherung (eines Dritten) als notwendigen Zwischenerfolg für einen dahinter liegenden weiteren Zweck erstrebt (vgl. Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 176; Hefendehl in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 792).
47
c) Nach den Feststellungen leistete der Angeklagte in jedem Einzelfall einen eigenständigen, die konkrete Tat fördernden Beitrag, indem er die Leasinganträge selbst an die G. weiterleitete (UA S. 39/378 f.). Anders als in Fällen, in denen sich der Tatbeitrag auf die Organisation und Aufrechterhaltung eines auf Betrug angelegten Geschäftsbetriebs beschränkt, liegt daher kein uneigentliches Organisationsdelikt vor (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juli 2009 - 2 StR 91/09, NStZ 2010, 88, 89; BGH, Beschluss vom 9. November 2011 - 4 StR 252/11, juris Rn. 12). Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landge- richts, das in 18 Fällen jeweils von einer tateinheitlichen Verwirklichung der Betrugstaten ausgegangen ist, durch die der Angeklagte sowohl die G. als auch die Leasingnehmer geschädigt hat, lässt ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen.
48
3. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand.
49
Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass „die angeklagten Taten ca. 9 Jahre zurückliegen“ und darüber hinaus ausge- führt, es habe die konventionswidrige Verfahrensverzögerung „gesondert im Rahmen eines Vollstreckungsabschlages“ berücksichtigt (UA S. 548). Dies lässt besorgen, dass es der Verfahrensdauer im Rahmen der Strafzumessung keine eigenständige Bedeutung beigemessen hat. Eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer ist indes ungeachtet eines geringeren Strafbedürfnisses aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen Tatbegehung und Urteil (vgl. Stree/ Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 57, 57a) und eines gewährten Vollstreckungsabschlags bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 142; Beschluss vom 16. Juni 2009 - 3 StR 173/09, StV 2009, 638, 639) und stellt einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO dar (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 3 StR 157/08, juris Rn. 7).
50
Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der aufgezeigte Rechtsfehler sowohl auf die Höhe der Einzelstrafen als auch auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hat. Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 23). Ergänzende Feststellungen, die den bestehenden nicht widersprechen dürfen, sind möglich.
51
Unberührt von der Entscheidung des Senats bleibt der Ausspruch des Landgerichts zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 138; Beschluss vom 8. Januar 2013 - 1 StR 641/12, juris Rn. 6). Der neue Tatrichter wird aber zu prüfen haben, ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene Zeit zu erhöhen sein wird.
Fischer Krehl Eschelbach
Zeng Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2016 - 2 StR 344/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2016 - 2 StR 344/14

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg
Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2016 - 2 StR 344/14 zitiert 16 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse


(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhä

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung


(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 142 Wirkung der Anfechtung


(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen. (2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgesc

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21e


(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, wel

Strafprozeßordnung - StPO | § 222b Besetzungseinwand


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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 291/18 vom 19. Dezember 2018 in der Strafsache gegen wegen Betruges u. a. ECLI:DE:BGH:2018:191218U2STR291.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember 2

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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 376/08
vom
9. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
GVG § 21 e Abs. 3, StPO § 338 Nr. 1 Buchst. b
1. Der Präsidiumsbeschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die
Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen an diese (§ 21 e
Abs. 3 GVG) ist zu begründen.
2. Mängel dieser Begründung können spätestens bis zur Entscheidung der Hilfsstrafkammer
über einen in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwand
(§ 222 b StPO) behoben werden.
BGH, Urt. vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08 - LG Hannover
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. März 2009 in der Sitzung am 9. April 2009, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 - ,
Staatsanwältin - bei der Verkündung am 9. April 2009 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 12. März 2009 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 29. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen "gewer bsmäßigen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Besetzungsrüge Erfolg, soweit sie beanstandet, die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a durch das Präsidium des Landgerichts sei nicht gesetzmäßig erfolgt, so dass diese zur Verhandlung und Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht berufen und das erkennende Gericht somit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei (§ 338 Nr. 1 StPO i. V. m. § 21 e Abs. 3 GVG ).
2
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
3
Durch schriftliche "Anordnung (1/2007) gemäß § 21 e GVG" vom 10. Januar 2007 eröffnete das Präsidium des Landgerichts "mit Wirkung vom 11. Januar 2007" unter anderem die Hilfsstrafkammer 3 a und teilte dieser die in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 bei der Strafkammer 3 eingegangenen , dort noch anhängigen Haftsachen zu, die noch nicht terminiert waren. Außerdem wurden dieser Hilfsstrafkammer "mit Wirkung vom 1. März 2007" die nächsten zwei Haftsachen übertragen, für die nach der bisherigen Geschäftsverteilung die Strafkammer 3 zuständig gewesen wäre. Als Anlass für die Änderung der Geschäftsverteilung wurde eingangs der Anordnung insoweit eine Überlastung der Strafkammer 3 angegeben. Eine Begründung enthielt die Entscheidung des Präsidiums nicht. Die Überleitung der bei der Strafkammer 3 bereits anhängigen und noch nicht terminierten Haftsachen erfasste - neben einer weiteren Strafsache - auch das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren.
4
In diesem teilte die Hilfsstrafkammer 3 a mit Schreiben vom 1. Februar 2007 die Gerichtsbesetzung mit. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bat mit Schreiben vom 6. Februar 2007 an die Präsidialabteilung des Landgerichts, ihm je eine Kopie der Beschlussfassung über die Änderung der Geschäftsverteilung , des Protokolls der Präsidiumssitzung und der Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ehemals zuständigen Strafkammer zu überlassen. Daraufhin übersandte der Präsident des Landgerichts unter dem 8. Februar 2007 eine Kopie der "Anordnung (1/2007)" und teilte mit, dass die Übersendung eines Protokolls der Präsidiumssitzung nicht möglich sei, weil "dort Protokolle nicht geführt werden". Eine schriftliche Überlastungsanzeige sei nicht gefertigt worden. Sowohl dem Präsidium des Landgerichts als auch dem Oberlandesgericht Celle sei jedoch die Überlastung der Strafkammer bekannt, die die Eröffnung der Hilfsstrafkammer notwendig gemacht habe. Vor der Beschlussfassung des Präsidiums habe er als dessen Vorsitzender darüber hinaus Gespräche mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Strafkammer 3 geführt, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei.
5
In der Hauptverhandlung vom 26. Februar 2007 erhob der Angeklagte vor Einlassung zur Sache den Besetzungseinwand gemäß § 222 b Abs. 1 StPO. Zur Begründung beanstandete er unter anderem den Übergang des Verfahrens von der ordentlichen Strafkammer 3 in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer 3 a und begründete die Rüge insoweit damit, dass weder ein Protokoll der Präsidiumssitzung noch eine Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 vorliege. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer meinte beschließen zu müssen.
6
Die Große Hilfsstrafkammer 3 a wies den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vom 12. März 2007 als unbegründet zurück. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtige das Präsidium unter anderem dann zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes, wenn dies wegen Überlastung nötig werde. Ob ein Fall der Überlastung eingetreten sei, unterliege allein der Prüfung und Ermessensentscheidung des Präsidiums. Das Gesetz definiere den Begriff "Überlastung" nicht. Insbesondere setze es keine Überlastungsanzeige des betroffenen Spruchkörpers oder die Protokollierung der die Entscheidung vorbereitenden Beratung in der Präsidiumssitzung voraus. Dass Grundlage der "Anordnung (1/2007)" die Feststellung einer Überlastung der Strafkammer 3 gewesen sei, folge aus der Stellungnahme des Präsidenten vom 8. Februar 2007.
7
2. Die Besetzungsrüge ist zulässig erhoben. Sie ist weder wegen unzureichender Substantiierung des in der Hauptverhandlung erhobenen Besetzungseinwandes (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO) nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert (s. unten 4. a)) noch hat der Beschwerdeführer die Anforderungen an die Begründung der Besetzungsrüge in der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) verfehlt (s. unten 4. b)).
8
Die Rüge ist auch begründet. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die erforderliche Dokumentation der Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsverteilung veranlasst haben, und deshalb nicht beurteilt werden kann, ob die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a gesetzmäßig war oder ob der Angeklagte durch die Übertragung seines Verfahrens auf diese Strafkammer unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde.
9
a) Allerdings darf das Präsidium gemäß § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine solche liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum ein erheblicher Überhang der Eingänge über die Erledigungen zu verzeichnen ist, sodass mit einer Bearbeitung der Sachen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nicht zu rechnen ist (vgl. Velten in SK-StPO § 21 e Rdn. 26) und sich die Überlastung daher als so erheblich darstellt, dass der Ausgleich nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres zurückgestellt werden kann (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 21 e Rdn. 112). Die Rechtsprechungstätigkeit der Gerichte wird immer wieder mit nicht vorhersehbaren Ereignissen und Entwicklungen konfrontiert. Derartige Umstände erfordern ein Eingreifen des Spruchkörpers oder des Präsidiums , um die Effizienz des Geschäftsablaufes zu erhalten oder wiederherzu- stellen. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann auch verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt indes das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 m. w. N.; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
10
b) Zu den vor diesem Hintergrund zulässigen und unter den genannten Voraussetzungen auch gebotenen Änderungsmaßnahmen des Präsidiums im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG zählt auch die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer. Dieser im Gesetz nicht erwähnte Spruchkörper darf nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHSt 21, 260, 261) bei vorübergehender Überlastung eines ständigen Spruchkörpers für begrenzte Zeit errichtet werden (h. M.; aA Velten aaO § 21 e Rdn. 44); er gehört nicht zu den "institutionellen" Kammern des Landgerichts und vertritt die ordentliche Strafkammer in solchen Geschäften, die diese infolge anderweitiger Inanspruchnahme nicht selbst erledigen kann (vgl. BGHSt 31, 389, 391). Die Regelung der mit der Errichtung einer Hilfsstrafkammer verbundenen Übertragung von Aufgaben der ordentlichen Strafkammer hat denselben Grundsätzen zu folgen, wie sonstige Änderungen im Sinne von § 21 e Abs. 3 GVG; insbesondere ist auch insoweit das Abstraktionsprinzip zu beachten. Danach muss auch die Änderung des Geschäftsverteilungsplans die Aufgaben nach allgemeinen, sachlichobjektiven Merkmalen der Hilfsstrafkammer übertragen. Eine spezielle Zuwei- sung bestimmter einzelner Verfahren ist unzulässig (vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 99, 111). Nach diesen Maßstäben steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung der (funktionellen) Zuständigkeit auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger, gleichartiger Fälle erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht (BVerfGE 24, 33, 54 f.; BVerfG NJW 2003, 345; 2005, 2689, 2690 m. w. N.). In Ausnahmefällen kann aber auch eine Änderung der Geschäftsverteilung zulässig sein, die der Hilfsstrafkammer ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen (s. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) angemessen Rechnung getragen werden kann (vgl. BGHSt 44, 161, 165 ff.; BVerfG Beschl. vom 29. März 2007 - 2 BvR 188/07 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09; noch offen gelassen in BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Gleichgültig, ob der Hilfsstrafkammer ausschließlich anhängige Verfahren oder daneben auch zukünftig eingehende Verfahren zugewiesen werden, muss jedoch jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres , die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn Änderungen der Geschäftsverteilung, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht im Sinne des § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG nötig und können vor allem vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BVerfG NJW 2005, 2689, 2690).
11
c) Obwohl die Umverteilung von Geschäftsaufgaben auf eine Hilfsstrafkammer nach diesen Maßstäben grundsätzlich zulässig ist, birgt sie doch stets erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in sich. Dies gilt in besonderem Maße bei Überleitung bereits bei der überlasteten ordentlichen Strafkammer anhängiger Verfahren in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer, weil dann schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet worden war. Daher ist es in solchen Fällen geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern, zu dokumentieren und den Verfahrensbeteiligten - jedenfalls auf Verlangen - zur Kenntnis zu geben, um "dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung" entgegen zu wirken (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689, 2690; Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09). Eine solche Pflicht zur umfassenden, nachvollziehbaren Dokumentation und Darlegung der Gründe besteht auch dann, wenn neben der Umverteilung bereits anhängiger Verfahren auch zukünftig eingehende Sachen auf die Hilfsstrafkammer übertragen werden (vgl. hierzu einschränkend - nicht tragend - BGH - 2. Strafsenat - NStZ 2007, 537; vgl. auch 5. Strafsenat in BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 7; zur Begründungspflicht vgl. Kissel/Mayer aaO § 21 e Rdn. 73 aE; Velten aaO § 21 e Rdn. 30); denn auch bei einer derartigen Änderung der Geschäftsverteilung bedarf die Überleitung schon anhängiger Verfahren in eine neue Zuständigkeit besonderer Rechtfertigung.
12
Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG, durch die eine Hilfsstrafkammer errichtet wird und dieser bereits bei einer ordentlichen Strafkammer anhängige Verfahren zugewiesen werden, genügt die hier beanstandete Entscheidung des Präsidiums nicht. Dieses hat eine rechtzeitige Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe und Erwägungen völlig unterlassen. Deren revisionsrechtliche Überprüfung ist dem Senat daher nicht möglich.
13
3. Die Anforderungen an Inhalt und Umfang der gebotenen Dokumentation richten sich nach den Maßstäben, die für die revisionsgerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines derartigen Präsidiumsbeschlusses bestehen. Hierfür gilt:
14
a) Die revisionsrechtliche Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Abänderung der Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres ist nicht ausgeschlossen , sondern grundsätzlich möglich (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 353 ff.; 44, 161, 165, 170; Kissel/Mayer § 16 Rdn. 50 ff., § 21 e Rdn. 120). Sie beschränkt sich bei Errichtung einer Hilfsstrafkammer nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings darauf, ob der neue Spruchkörper in gesetzmäßiger Weise vom Präsidium errichtet worden ist und ob die für die Bildung der Hilfsstrafkammer als Grund angegebenen Tatsachen den Rechtsbegriff der (vorübergehenden) Überlastung erfüllen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 338 Rdn. 30 m. w. N.). Auf die Tatsachen, die zu der Änderung geführt haben, sowie darauf, ob die ordentliche Strafkammer tatsächlich überlastet war, erstreckt sich die Prüfung hingegen nicht (vgl. BGHR GVG § 21 e Abs. 3 Änderung 4; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 338 Rdn. 22). Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht sind danach enge Grenzen gesetzt (vgl. BGHR GVG § 21 e Hilfsstrafkammer 1 m. w. N.). Dies wird aus der eigenverantwortlichen Stellung des Präsidiums als Gremium verwaltungsunabhängiger Selbstorganisation der Gerichte und aus der Besonderheit der ihm übertragenen Aufgaben hergeleitet. Daraus folge, dass der Beurteilung durch das Präsidium wegen der Notwendigkeit flexibler, an die konkrete Situation angepasster und auf wesentliche Veränderungen zeitnah reagierender Entscheidungen schon deshalb ein gewisser Vorrang zukommen müsse, weil es über Entscheidungsgrundlagen verfüge, die dem sachverhaltsferneren Revisionsgericht durch dienstliche Äußerungen und andere Mittel des Beweises nur unvollkom- men vermittelt werden könnten. Hinzu komme, dass die Entscheidungen über die Geschäftsverteilung wesentlich von der Bewertung zukünftiger Entwicklungen insbesondere im Geschäftsanfall bestimmt seien und solche vorausschauenden Beurteilungen ihrer Natur nach eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle nicht zuließen. Aus diesen Gründen sei die Regelung der Geschäftsverteilung , soweit es an bindenden rechtlichen Vorgaben fehle, dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums zu überlassen. Im Bereich rechtlicher Einzelnormierung müsse den dargelegten Besonderheiten dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Präsidium bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt werde. Um einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff handele es sich bei der Voraussetzung vorübergehender Überlastung der ordentlichen Strafkammer, von der die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer abhänge. Ein durchgreifender Rechtsmangel sei daher erst dann begründet, wenn offen zu Tage liege, dass die Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer und/oder die damit verbundene Zuweisung von Geschäften an diese als objektiv willkürlich zu bewerten sei (vgl. Breidling in Löwe/Rosenberg aaO § 21 e GVG Rdn. 45).
15
b) Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Februar 2005 (NJW 2005, 2689, 2690) ausgeführt, dass es bei der Prüfung, ob in einem bestimmten Verfahren dem grundrechtsgleichen Anspruch des Betroffenen auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters genügt worden sei, zwar die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen grundsätzlich nur beanstande, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erschienen und offensichtlich unhaltbar - mithin willkürlich - seien. Jedoch sei dies anders, wenn nicht die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung einer Zuständigkeitsregel (etwa eines Geschäftsverteilungsplans oder der Voraussetzungen des § 21 e Abs.
3 GVG) durch das Gericht, sondern die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Geschäftsverteilungsplan, die der Rechtsanwendung zugrunde liege, betroffen sei. An die verfassungsrechtliche Überprüfung der Umverteilung von bereits anhängigen Verfahren durch das Präsidium müsse vielmehr ein Kontrollmaßstab angelegt werden, der über eine reine Willkürprüfung hinausgehe und in den Fällen der nachträglichen Zuständigkeitsänderung jede Rechtswidrigkeit einer solchen durch das Präsidium getroffenen Regelung im Geschäftsverteilungsplan erfasse.
16
c) Es liegt auf der Hand, dass der Maßstab der Fachgerichte bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Änderung der Geschäftsverteilung nach § 21 e Abs. 3 GVG und hier damit derjenige des Senats bei der revisionsrechtlichen Beurteilung der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a sowie der Umverteilung von Strafverfahren an diese aufgrund der Besetzungsrüge kein abweichender sein kann. Denn ansonsten fände die Überprüfung der Präsidiumsentscheidung nach den verfassungsrechtlich vorgegebenen Beurteilungskriterien erst in einem vom Angeklagten eventuell angestrengten Verfassungsbeschwerdeverfahren statt. An dem eingeschränkten Maßstab einer reinen Willkürprüfung kann daher insoweit nicht festgehalten werden.
17
Dies wirkt jedoch zurück auf die Anforderungen an den Inhalt der Dokumentation eines Präsidiumsbeschlusses über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung (auch) bereits anderweitig anhängiger Sachen auf diese. Der Beschluss muss so detailliert begründet sein, dass eine Prüfung seiner Rechtmäßigkeit nach den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Maßstäben möglich ist (s. näher BVerfG NJW 2005, 2689, 2690 f.).
18
d) Diese Dokumentation muss im erforderlichen Umfang grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung vorliegen. Denn sie dient nicht nur der notwendigen Unterrichtung der Präsidiumsmitglieder über die Gründe für die geplante Änderung des Geschäftsverteilungsplans, sondern bildet für diese auch die erforderliche umfassende Entscheidungsgrundlage. Die Ermittlung und Niederlegung aller bedeutsamen Umstände zu diesem Zeitpunkt stellt sicher, dass die Entscheidung des Präsidiums auf dem aktuellen Stand der Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer und der übrigen bedeutsamen Umstände beruht. Ferner ist die Dokumentation der Gründe der Umverteilung von Verfahren zu diesem Zeitpunkt am besten geeignet, gegenüber allen Verfahrensbeteiligten dem "Anschein der Willkürlichkeit" entgegenzuwirken. Schließlich können die zur Erhebung des Besetzungseinwands nach § 222 b Abs. 1 StPO Berechtigten nur bei Vorliegen der Änderungsgründe auf tragfähiger sachlicher Grundlage sowie rechtzeitig entscheiden, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts ordnungsgemäß ist oder ob es Umstände gibt, die einen Besetzungseinwand rechtfertigen (s. näher unten 4. a)).
19
e) Die Dokumentation der Änderungs- und Umverteilungsgründe muss jedenfalls spätestens in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem in einer der in die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer fallenden Sachen über einen (zulässig erhobenen) Besetzungseinwand nach § 222 b Abs. 2 StPO sachlich zu entscheiden ist. Unabhängig davon, dass bei Fehlen einer Begründung der Änderung zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses eine verlässliche Rekonstruktion der tatsächlichen Gründe für die Errichtung der Hilfsstrafkammer mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger wird, ergibt sich dies aus dem Sinn und Zweck der für die erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht bestehenden Rügepräklusion; denn mit den durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5. Oktober 1978 (BGBl I S. 1645) einge- führten Präklusionsvorschriften der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Besetzungsfehler bereits in einem frühen Verfahrensstadium erkannt und geheilt werden, um zu vermeiden, dass ein möglicherweise mit großem justiziellem Aufwand zustande gekommenes Urteil allein wegen eines derartigen Besetzungsfehlers im Revisionsverfahren aufgehoben und in der Folge die gesamte Hauptverhandlung - mit erheblichen Mehrbelastungen sowohl für die Strafjustiz als auch für den Angeklagten - wiederholt werden muss (vgl. BGH NJW 2003, 2545, 2546 unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs BTDrucks. 8/976 S. 25 ff.). Deshalb wurde ein Zwischenverfahren über die gegen die Besetzung erhobenen Beanstandungen geschaffen, um der Gefahr einer Ausuferung der Besetzungsrügen entgegenzuwirken und sie auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß zurückzuführen (vgl. Kissel/Mayer aaO § 16 Rdn. 60; Schlüchter in SK-StPO § 222 b Rdn. 1). Soll dieses Zwischenverfahren effektiv sein und seinen vom Gesetzgeber bestimmten Sinn und Zweck erfüllen, bereits zu Beginn der erstinstanzlichen Hauptverhandlung und nicht erst in der Revisionsinstanz zu klären, ob das erkennende Gericht vorschriftsmäßig besetzt ist, so müssen die Rügeberechtigten, die hinsichtlich des Einwands besonderen Begründungspflichten unterworfen sind, wie auch das nach § 222 b Abs. 2 StPO über den Einwand entscheidende Gericht in der Lage sein, anhand der maßgeblichen Tatsachen zu beurteilen, ob Besetzungsmängel vorhanden sind (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg aaO § 222 b Rdn. 25).
20
All dies erfordert im Falle der Änderung der Geschäftsverteilung wegen Überlastung eines Spruchkörpers im Sinne des § 21 e Abs. 3 StPO, insbesondere bei Umverteilung (auch) bereits anhängiger Verfahren eine Begründung der Anordnung zugleich mit dem maßgeblichen Beschluss des Präsidiums. Etwaige Begründungsmängel können spätestens bis zur Entscheidung über einen erhobenen Besetzungseinwand gemäß § 222 b StPO behoben werden, sofern der zunächst einer umfassenden Begründung ermangelnde Änderungsbeschluss des Präsidiums durch eine ausführliche, alle Gründe für die Umverteilung dokumentierende Begründung in einem ergänzenden Beschluss des Präsidiums bestätigt wird, so dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einen berechtigten Anlass zu der Annahme hatte, die Gerichtszuständigkeit sei zu seinen Lasten manipuliert worden (vgl. BVerfG, Beschl. vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09).
21
Daran gemessen war die vom Präsidenten des Landgerichts in seinem Schreiben an den Verteidiger vom 8. Februar 2007 vor Beginn der Hauptverhandlung erteilte Auskunft zwar noch rechtzeitig; indes war sie nach ihrem sachlichen Gehalt nicht geeignet, die Prüfung der Änderung der Geschäftsverteilung nachträglich zu ermöglichen. Das Schreiben enthielt lediglich die Behauptung einer - nur innerhalb der Justiz bekannten - Überlastung der Strafkammer 3 zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses, belegte diese jedoch nicht mit Tatsachen. Gleiches gilt für die Mitteilung des Landgerichtspräsidenten , dass er vor der Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a mit dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 Gespräche geführt habe, in denen die Überlastung der Kammer nochmals dargelegt und erörtert worden sei. Die erforderliche Dokumentation der Gründe des Präsidiumsbeschlusses wurde somit auch nicht rechtzeitig nachgeholt.
22
4. Aus all dem folgt für die Entscheidung über die Besetzungsrüge:
23
a) Da der Angeklagte mit seinem in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand alle Tatsachen vorgebracht hat, die ihm zu den Hintergründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer 3 a zugänglich waren, hat er die ihm gemäß § 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO insoweit obliegende Vortragslast erfüllt und ist daher mit der Besetzungsrüge nicht nach § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO präkludiert. Weiteres musste er nicht darlegen; insbesondere war er mangels jeder Dokumentation der für die "Anordnung (1/2007)" maßgeblichen Gründe nicht gehalten, seinerseits die Tatsachen vorzutragen, die die Hilfsstrafkammer benötigte, um die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung und damit ihre eigene Zuständigkeit sowie die Berechtigung des Besetzungseinwands inhaltlich prüfen zu können.
24
Das auf den Besetzungseinwand in den erstinstanzlichen Verfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten eröffnete Zwischenverfahren dient dazu, die Prüfung und Beanstandung der Gerichtsbesetzung auf den von § 222 b Abs. 1 Satz 1 StPO beschriebenen Zeitpunkt vorzuverlegen, damit ein Fehler rechtzeitig aufgedeckt und gegebenenfalls geheilt wird. Damit wird auch dem Recht des Angeklagten, sich nur vor seinem gesetzlichen Richter verantworten zu müssen, besser Rechnung getragen, als wenn er darauf verwiesen würde, dieses Recht erst mit der Revision geltend zu machen. Ist jedoch der Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung zur Wahrung der entsprechenden Revisionsrüge zu Beginn der Hauptverhandlung zu erheben, so muss rechtlich und faktisch auch die Möglichkeit zur Prüfung der Besetzung vor der Verhandlung bestehen, da andernfalls die Rechte der Prozessbeteiligten und insbesondere des Angeklagten in nicht hinnehmbarer Weise verkürzt würden. Ihm ist daher - jedenfalls auf sein Verlangen - die insoweit erforderliche Tatsachenkenntnis zu verschaffen, nicht etwa muss er diese Tatsachen selbst ermitteln. Denn aus dem Grundsatz einer rechtsstaatlichen, fairen Verfahrensführung folgt, dass ihm eine effektive Überprüfung der Besetzung ermöglicht werden muss, und dass die Präklusionswirkung des nicht vollständig erhobenen Einwandes für das Revisionsverfahren nur so weit reichen darf, wie diese Möglichkeit gewährt worden ist. Hieraus ergibt sich, dass in den in Betracht kommen- den Fällen eine Pflicht zur Mitteilung der Gerichtsbesetzung und zur Information über die hierfür maßgebenden Gründe besteht sowie ein ausreichend bemessener Zeitraum gewährt werden muss (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs BTDrucks. 8/976 S. 26).
25
Da hier die Gründe, die für die Einrichtung der Hilfsstrafkammer 3 a bestimmend waren, nicht dokumentiert worden sind, war es dem Angeklagten unmöglich, die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts auch nur im Ansatz zu überprüfen. Damit konnte er nicht beurteilen, ob ein Besetzungseinwand berechtigt war oder für seine Erhebung kein Anlass bestand. Demgemäß war er entweder darauf verwiesen, die Wahrung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter in der ersten Instanz ungeprüft zu lassen - was die Präklusion seiner erst im Revisionsverfahren geltend gemachten Besetzungsrüge zur Folge gehabt hätte - oder den Besetzungseinwand - wie geschehen - vorsorglich und "ins Blaue hinein" zu erheben. Zwar war er dabei nicht in der Lage, diesen Einwand in der vorgeschriebenen Art und Weise zu begründen; denn hierzu hätte er die Fehlerhaftigkeit der Besetzung substantiiert behaupten, also anhand von Tatsachen schlüssig darlegen (§ 222 b Abs. 1 Satz 2 StPO), sowie alle Beanstandungen gleichzeitig vorbringen müssen (§ 222 b Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. Gollwitzer aaO § 222 b Rdn. 17, 18; Schlüchter aaO § 222 a Rdn. 1). Dies kann jedoch aus den dargelegten Gründen nicht zu seinen Lasten gehen. Da ihm keine Dokumentation über die Gründe für die Änderung der Geschäftsverteilung zur Verfügung stand, durfte er sich zur Begründung des Besetzungseinwands daher auf die Beanstandung beschränken, dass mangels vorhandener Unterlagen nicht nachzuvollziehen sei, aufgrund welcher Tatsachen das Präsidium die Hilfsstrafkammer eingerichtet hat. Das aus § 222 a Abs. 3 StPO folgende Recht auf Einsicht in die Besetzungsunterlagen änderte hieran nichts, weil es - worauf der Präsident in seinem Schreiben an den Verteidiger hingewiesen hatte - eine Niederlegung der Gründe für die Umverteilung der Geschäfte nicht gab.
26
Demgegenüber kann vom Angeklagten nicht verlangt werden, dass er über die eingeholten Mitteilungen der Justizverwaltung hinaus selbst ermitteln müsse, ob die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Zuweisung der Geschäfte an diese ordnungsgemäß waren. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - jede Dokumentation zu der entsprechenden Entscheidung des Präsidiums fehlt. Denn dies würde bedeuten, dass dem Angeklagten die Pflicht auferlegt würde, selbst die gesamte Belastungssituation der ordentlichen Strafkammer in allen Einzelheiten zu erforschen und die insoweit maßgeblichen Tatsachen festzustellen. Dies wäre - falls es überhaupt gelingen könnte - mit einem enormen Aufwand verbunden und würde etwa auch die Einsicht in verfahrensfremde Akten sowie alle sonstige interne Unterlagen der als überlastet angesehenen Strafkammer, wie zum Beispiel Verhandlungskalender und Terminierungspläne erfordern. Solch umfangreiche Ermittlungen sind einem Angeklagten - zumal innerhalb der regelmäßig kurzen Zeit zwischen der Mitteilung der Gerichtsbesetzung und dem Beginn der Hauptverhandlung sowie ungeachtet der Frage, ob entsprechende Einsichtsrechte überhaupt bestünden - jedenfalls nicht zuzumuten und in der Regel tatsächlich auch gar nicht möglich. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine Begründung der Änderung der Geschäftsverteilung vorliegt und zusätzlich nur wenige einzelne Umstände ermittelt und vorgetragen werden müssen (vgl. BGHSt 44, 161, 163 f.), braucht hier nicht entschieden zu werden.
27
b) Für die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgende Vortragslast des Angeklagten zur Begründung der Besetzungsrüge in der Revision gilt das Entsprechende. Ist eine Dokumentation der Gründe für die Änderung der Ge- schäftsverteilung nicht vorhanden und hat der Angeklagte auf seinen Besetzungseinwand keine weitergehenden Informationen erhalten, so kann er auch die im Revisionsverfahren erhobene (nicht präkludierte) Besetzungsrüge nur ebenso pauschal ausführen, wie seinen Besetzungseinwand. Vom Angeklagten zu verlangen, dass er für das Revisionsverfahren darüber hinaus alle Tatsachen ermitteln (und vortragen) müsse, die eine nicht ordnungsgemäße Besetzung der Hilfsstrafkammer belegen, würde die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgenden Pflichten überspannen (vgl. BVerfG StV 2006, 57; StraFo 2005, 512 m. w. N.; Beschl. vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09).
28
c) Die vom Senat zu den Gründen der Errichtung der Hilfsstrafkammer eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Präsidenten des Landgerichts und des damaligen Vorsitzenden der ordentlichen Strafkammer 3 können nicht herangezogen werden, um die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nachträglich zu belegen. Denn aus dem dargelegten Sinn und Zweck der Rügepräklusion nach § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO folgt, dass jedenfalls dann, wenn jede Dokumentation der Gründe für die Errichtung einer Hilfsstrafkammer und die Übertragung bereits anderweit anhängiger Verfahren in deren Zuständigkeit unterblieben ist, ein Nachschieben von Gründen nach der Entscheidung über den Besetzungseinwand unbeachtlich ist und insbesondere einer mit der Revision erhobenen Besetzungsrüge nicht mehr den Boden entziehen kann. Vielmehr greift diese ohne weiteres durch. Denn in diesem Fall muss auch der im Revisionsverfahren herrschende Grundsatz zurückstehen, dass nur ein bewiesener Verfahrensmangel zur Aufhebung eines Urteils führen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 337 Rdn. 10). Hierzu gilt:
29
Im Allgemeinen sind die zu einer Besetzungsrüge vorgebrachten Tatsachenbehauptungen , die nicht durch den Inhalt des Protokolls bewiesen werden können (§ 274 StPO), zwar der Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich (vgl. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen , 6. Aufl. Rdn. 295 ff., 298). Eine abweichende Beurteilung ist aber dann geboten, wenn im Revisionsverfahren erstmals die auch dem Revisionsführer bisher unbekannten Tatsachen in vollem Umfang ermittelt werden müssten, die für die Beurteilung der Zuständigkeit des erstinstanzlich erkennenden Spruchkörpers maßgeblich sind, und dadurch der Regelungszweck der § 222 b Abs. 1, § 338 Nr. 1 StPO konterkariert würde. Hierfür ist auch von Belang, dass das Revisionsverfahren zur Ermittlung der Hintergründe der regelmäßig schon länger zurückliegenden Präsidiumsentscheidungen denkbar ungeeignet ist, weil eine exakte Aufklärung der entsprechenden Umstände wegen des erheblichen Zeitablaufs kaum geleistet werden kann. Aus diesem Grund könnten die Durchführung des Freibeweisverfahrens und die Heranziehung seiner Erkenntnisse im Übrigen darauf hinauslaufen, dass sich die Nachlässigkeit des Präsidiums im Ergebnis zu Lasten des Beschwerdeführers auswirkt. Denn führten die freibeweislichen Erhebungen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so bliebe der gerügte Besetzungsmangel unbewiesen mit der Folge, dass - verfassungsrechtlich unbedenklich - von einer ordnungsgemäßen Besetzung auszugehen wäre (vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 12). Danach ist es im vorliegenden Fall letztlich ohne Belang, ob die Besetzung des erkennenden Gerichts tatsächlich nicht vorschriftsmäßig im Sinne von § 338 Nr. 1 StPO war. Der Senat weist daher nur ergänzend darauf hin, dass auch der Inhalt der von ihm eingeholten dienstlichen Erklärungen nach den aufgezeigten Maßstäben die Rechtmäßigkeit der "Anordnung (1/2007)" zur Errichtung der Hilfsstrafkammer und Umverteilung von Strafverfahren nicht belegt.
30
Ob das Freibeweisverfahren in der Revision durchzuführen ist und dadurch erlangte Erkenntnisse heranzuziehen sind, wenn eine vorhandene Dokumentation nur punktuell zu ergänzen ist (vgl. BGHSt 44, 161), kann der Senat wiederum offen lassen.
31
d) Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Ist die Besetzung des Gerichts nach § 222a mitgeteilt worden, so kann der Einwand, daß das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, nur innerhalb einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung oder, soweit eine Zustellung nicht erfolgt ist, ihrer Bekanntmachung in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. Die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, sind dabei anzugeben. Alle Beanstandungen sind gleichzeitig vorzubringen. Außerhalb der Hauptverhandlung ist der Einwand schriftlich geltend zu machen; § 345 Abs. 2 und für den Nebenkläger § 390 Abs. 2 gelten entsprechend.

(2) Über den Einwand entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung. Hält es den Einwand für begründet, so stellt es fest, daß es nicht vorschriftsmäßig besetzt ist. Führt ein Einwand zu einer Änderung der Besetzung, so ist auf die neue Besetzung § 222a nicht anzuwenden.

(3) Hält das Gericht den Einwand für nicht begründet, so ist er spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Rechtsmittelgericht vorzulegen. Die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ergeht ohne mündliche Verhandlung. Den Verfahrensbeteiligten ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Erachtet das Rechtsmittelgericht den Einwand für begründet, stellt es fest, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 577/14
vom
21. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchter Anstiftung zum Mord
zu 2.: Verdachts des versuchten Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. Mai 2015
aufgrund der Hauptverhandlung vom 12. März 2015, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof - bei der Fortsetzung der
Verhandlung und bei der Verkündung -
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten Y. ,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 11. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die in dem vorgenannten Urteil getroffene Entschädigungsanordnung ist damit gegenstandslos.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. DenAngeklagten Y. hat es freigesprochen und eine Entschädigungsentscheidung wegen erlittener Untersuchungshaft getroffen. Gegen dieses Urteil haben die Staatsanwaltschaft zuungunsten beider Angeklagter und der Angeklagte S. Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts eine Verurteilung beider Angeklagter wegen versuchten gemeinschaftlichen Mordes. Mit der sofortigen Beschwerde wendet sie sich gegen die Entschädigungsentscheidung bezüglich des Angeklagten Y. . Der An- geklagte S. erhebt eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge. Alle drei Revisionen sind begründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte Y. ist der Sohn des in seiner libanesisch-kurdischen Großfamilie sehr respektierten Angeklagten S. . Während einer Hochzeitsfeier am 12. Juni 2011 erstachen zwei Söhne des Nebenklägers C. den ältesten Sohn des Angeklagten S. , I. Y. . Der Angeklagte S. war über den gewaltsamen Tod seines Sohnes bestürzt und traumatisiert. Innerhalb der Großfamilie S. wurde als Vergeltung für den Tod des I. Y. gefordert, ein hinsichtlich seiner Stellung geeignetes Mitglied der Familie C. zu töten.
4
Am 8. Februar 2012 fand auf telefonische Veranlassung des Angeklagten S. ein Treffen auf dem Autoplatz der Familie in G. statt, an dem neben den beiden Angeklagten ein weiterer Sohn des Angeklagten S. ,O. Y. , sein Bruder A. F. sowie ein Ad. , dessen Identität nicht geklärt werden konnte, teilnahmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sprachen die Anwesenden über die Möglichkeit einer Vergeltung für den Tod I. Y. und fassten dabei als potentielles Opfer den Nebenkläger als Oberhaupt der Familie C. ins Auge, dessen Tod nach ihrem Verständnis geeignet war, seiner Familie einen gleichwertigen Verlust zuzufügen. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein konkreter Tatplan gefasst wurde, einen körperlichen Angriff auf den Nebenkläger zu verüben, konnte die Strafkammer nicht feststellen. Die Anwesenden kamen vielmehr überein, zunächst die Möglichkeit einer Vergeltungsmaßnahme , insbesondere wann und wo sich der Nebenkläger in Freiheit bewegte, aufzuklären. Aus diesem Grund fuhren der Angeklagte Y. , der gesondert verfolgte A. F. und der Ad. mit dem PKW nach B. . Ihnen war bekannt, dass sich der Nebenkläger im offenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt B. befand und sich zeitweise im Stadtgebiet von B. aufhielt.
5
In einer Spielhalle erhielten A. F. und Ad. von einer unbekannten Person Hinweise, wo der Nebenkläger üblicherweise anzutreffen war. Der Angeklagte Y. und seine Begleiter begaben sich sodann in die Ba. straße und hielten nach dem Nebenkläger Ausschau, den sie gegen 17.25 Uhr in einem Internet-Café entdeckten. F. entschloss sich nunmehr, die sich bietende Gelegenheit zu nutzen und gemeinsam mit seinen Begleitern den Nebenkläger zu töten. Er fragte deshalb die beiden anderen, ob jemand ein Messer dabei habe, was diese jeweils bejahten, und schlug vor, den Nebenklä- ger zu „packen“, sobald er aus dem Café komme.
6
Dem Angeklagten Y. kamen Bedenken wegen eines Anschlags auf den Nebenkläger. Er rief um 17.27 Uhr seinen Vater in der Hoffnung an, dass dieser, der die Ahndung der Tötung seines Sohnes ausdrücklich staatlichen Stellen hatte überlassen wollen, einen Angriff ganz oder jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ablehnen würde.
7
Der Angeklagte S. , der über die Mitteilung des Auffindens des Nebenklägers überrascht war, entschloss sich jedoch nunmehr spontan, dem Vergeltungswunsch der Familie nachzugeben und den Nebenkläger töten zu lassen. Ihm war bewusst, dass der Nebenkläger nicht mit einem Angriff auf seine kör- perliche Integrität rechnete. Wörtlich erklärte der Angeklagte S. in dem Telefonat , nachdem er sich nach der Bewaffnung der nach B. gereisten Personen erkundigt und von Y. erfahren hatte, dass der Angeklagte Y. und Ad. im Besitz jeweils eines Messers waren: „Geht … rein und schlagt ihn von hinten!“ … „Du und dein Onkel A. , er soll euch nicht sehen!“, wo- raufhin der Angeklagte Y. erwiderte: „Ist o.k., los.“. Auf die weitere Aufforderung des Angeklagten S. „Reiße/Schneide ihn gut und lass ihn nicht am Leben!“ erklärte Y. : „Ja, o.k.“. Das Telefongespräch endete mit der Auffor- derung des Angeklagten S. : „Los!“.
8
Der Angeklagte Y. war – entgegen seiner Äußerung in dem Telefonat gegenüber dem Angeklagten S. – nichtbereit, an dem Überfall auf den Nebenkläger mitzuwirken. Er begab sich daher im Anschluss an das Telefonat zu A. F. und Ad. und erklärte ihnen, er werde sich nicht an einem Angriff auf den Nebenkläger beteiligen. A. F. beschimpfte ihn daraufhin als Feigling, spuckte vor seine Füße und forderte ihn auf, sich zu entfernen. Der Angeklagte Y. verließ sodann den Ort des Geschehens und ließ sich von seinem Bruder Al. Y. aus B. abholen. Ob er zuvor Ad. und A. F. vom Inhalt des Telefonats unterrichtete, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht.
9
Kurze Zeit später verließ der Nebenkläger das Café. Er rechnete zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Angriff. In etwa zwei Metern Entfernung erblickte er den F. , der ein Messer mit spitz zulaufender, mindestens 15 cm langer Klinge, dessen Herkunft die Kammer nicht klären konnte, in der ausgestreckten Hand hielt und so auf den Nebenkläger zuging, dass ihm ein Fluchtweg abgeschnitten war. Ad. hatte sich dem Nebenkläger inzwischen von hinten genähert und ergriff ihn. Sodann stachen sowohl F. als auch Ad. mehrfach auf den Körper, den Nacken und den Hinterkopf des Nebenklägers ein. Als beide davon ausgingen, dass der stark blutende Nebenkläger die Verletzungen nicht überleben werde, standen sie auf und liefen fort.
10
Der Nebenkläger erlitt durch zahlreiche Stich- und Schnittwunden schwerste Verletzungen, die mit erheblichem Blutverlust verbunden waren. Sein Leben konnte durch eine Notoperation gerettet werden.
11
2. Das Landgericht hat die Äußerungen des Angeklagten S. im Rahmen des Telefonats am 8. Februar 2012 als versuchte Anstiftung zum Mord (§§ 211, 30 Abs. 1 StGB) gewertet. Den Angeklagten Y. hat es freigesprochen , da es eine Beteiligung an dem Überfall auf den Nebenkläger nicht feststellen konnte und einer Verurteilung wegen Sichbereiterklärens zum Mord gemäß § 30 Abs. 2 StGB jedenfalls ein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch freiwilliges Aufgeben des Vorhabens entgegenstehe.

II.


12
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
13
Der Freispruch des Angeklagten Y. und die Verurteilung desAngeklagten S. (nur) wegen versuchter Anstiftung zum Mord halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
14
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326 und vom 16. August 2012 – 3 StR 180/12, NStZ-RR 2013, 20).
15
Sind mehrere einzelne Erkenntnisse angefallen, so ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. In deren Rahmen darf ein auf einen feststehenden Kern gestütztes Beweisanzeichen, dessen Bedeutung für sich genommen unklar bleibt, nicht vorab isoliert nach dem Zweifelssatz beurteilt werden. Beweisanzeichen können nämlich in einer Gesamtschau wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188; vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243; vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238; vom 24. Februar 2015 – 5 StR 621/14 jeweils mwN). Hat der Angeklagte Angaben gemacht, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, sind diese in die Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einzubeziehen und nicht ohne weiteres als unwiderlegt dem Urteil zu Grunde zu legen. Ihre Zurückweisung erfordert nicht, dass sich das Gegenteil der Behauptung positiv feststellen ließe (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2009, 285; Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 57 jeweils mwN). Auch im Übrigen gebietet es der Zweifelssatz nicht, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1995 – 4 StR 746/94, NJW 1995, 2300; Urteil vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057, 1059 mwN; Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 mwN). Der Tatrichter ist ferner gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 – 1 StR 40/02, NStZ 2002, 656, 657).
16
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig – „zwingend" – ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt.
17
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Tatbeteiligung des Angeklagten Y. in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
18
a) Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz auf einzelne Indizien angewendet und dabei mögliche Abläufe angenommen hat, für die sich aus den festgestellten Umständen keine Anhaltspunkte ergeben.
19
aa) Dies gilt insbesondere für den Inhalt des Telefonats zwischen den Angeklagten Y. und S. unmittelbar vor der Tat. Die Bekundung des Angeklagten Y. in diesem Telefonat, er werde der Aufforderung zur Tötung des Nebenklägers Folge leisten, relativiert das Landgericht u.a. mit der Mutmaßung , dass der Angeklagte Y. seine Absicht, an der Vergeltungsmaßnahme nicht teilzunehmen, gegenüber seinem Vater nicht offen legen wollte, um diesen nicht zu enttäuschen bzw. aus Respekt vor dessen Autorität als Familienoberhaupt. Hierauf hat sich der Angeklagte in seiner Einlassung nicht einmal selbst berufen. Die Formulierung im Urteil, der Inhalt des Telefonats spreche „nicht zwingend“ für die Tatbeteiligung des Angeklagten Y. , lässt zudem besorgen, dass das Landgericht bei der Würdigung dieses Indizes von zu hohen Anforderungen ausgegangen ist. Denn Indiztatsachen kann die Beweisbedeutung nicht damit abgesprochen werden, dass sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen.
20
bb) Von demselben fehlerhaften Ansatz, es sei kein „zwingender“ Schluss möglich, geht das Landgericht auch in Bezug auf das weitere gewichtige Indiz aus, dass bei der Tat zwei Messer verwendet wurden und lediglich der Angeklagte und Ad. , nicht aber A. F. zunächst ein Messer mit sich führten. Die naheliegende Möglichkeit, dass der Angeklagte Y. dem A. F. sein Messer für die Tat ausgehändigt haben könnte, relativiert die Strafkammer mit der Erwägung, A. F. könne sich anderweitig ein Messer beschafft, es etwa aus dem geparkten Kraftfahrzeug geholt oder in einem Geschäft in unmittelbarer Tatortnähe erworben haben. Für beide Varianten gibt es keine konkreten Anhaltspunkte.
21
cc) Das Landgericht hat ferner bei der Beweiswürdigung Teile der Einlassung des Angeklagten Y. als „unwiderlegbar“ zugrunde gelegt, obwohl sie keine Bestätigung durch sonstige Beweismittel gefunden haben. So hat es allein aus der Einlassung des Angeklagten Y. , A. F. sei etwa so groß wie er selbst, nämlich ca. 1,85 m, gefolgert, der Angeklagte könne nicht der größere der beiden Täter gewesen sein. Demgegenüber hat die Zeugin L. bei einer Wahllichtbildvorlage geäußert, A. F. könnte der kleinere der beiden Täter gewesen sein, dessen Größe drei Zeugen auf 1,70 bis 1,75 m geschätzt haben, während der größere der beiden Männer 1,85 bis 1,90 m groß gewesen sei.
22
b) Ein möglicherweise gewichtiges Indiz, nämlich das Tatmotiv der Rache des Angeklagten Y. als Bruder des von den Söhnen des Nebenklägers getöteten I. Y. , hat das Landgericht in den Urteilsgründen überhaupt nicht erwogen.
23
c) Vor allem aber fehlt eine Gesamtwürdigung aller Indizien. Es liegen mehrere den Angeklagten Y. erheblich belastende Beweisanzeichen vor, insbesondere objektivierbare, wie der Inhalt des Telefonats zwischen beiden Angeklagten kurz vor der Tat und der Einsatz von zwei Messern. Die Urteilsgründe lassen indessen nicht erkennen, ob und wie das Landgericht die einzeln abgehandelten Indizien in eine Gesamtschau einbezogen und gewichtet hat. Vielmehr lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, dass es lediglich rechtsfehlerhaft die einzelnen Indizien isoliert bewertet und ihnen für sich gesehen keinen „zwingenden" Beweiswert zugemessen hat. Eine Gesamtwür- digung wäre indes erforderlich gewesen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen.
24
3. Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung hinsichtlich der Tatbeteiligung des Angeklagten Y. beruht auch die Verurteilung des Angeklagten S. (nur) wegen versuchter Anstiftung zum Mord. Sollte sich der Angeklagte Y. an der Tat beteiligt haben, könnte auch die Mitwirkung des Angeklagten S. rechtlich anders zu beurteilen sein.

III.


25
Die Revision des Angeklagten S. hat mit der erhobenen Verfahrensrüge , das Schwurgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO), Erfolg.
26
1. Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
27
Nach Eingang der Anklageschrift am 4. Juni 2012 bei der 10. Strafkammer des Landgerichts teilte die der Strafkammer angehörende Richterin W. der Vorsitzenden mit, dass sie ein Liebesverhältnis zu einem als Strafverteidiger tätigen Partner der Rechtsanwaltssozietät unterhalte, der auch der Verteidiger des Angeklagten S. angehört. Hiervon unterrichtete die Vorsitzende das Präsidium des Landgerichts.
28
Am 28. Juni 2012 erließ das Präsidium den 10. Änderungsbeschluss zur Geschäftsverteilung für das Landgericht Bielefeld, nach dem die betreffende Richterin aus der 10. Strafkammer ausschied und einer Zivilkammer zugewiesen wurde. Gleichzeitig wurden der 10. Strafkammer zwei Richter (mit 1,8 AK) zugewiesen. Zur Begründung wurde auf eine Überlastung der 10. Strafkammer „wegen unerwartet hoher Eingänge“ verwiesen.
29
Am 3. August 2012 wurde erstmals mit der Hauptverhandlung begonnen. Am 2. Hauptverhandlungstag rügte der Verteidiger des Angeklagten S. die Besetzung der Schwurgerichtskammer.
30
Daraufhin erließ am 15. August 2012 das Präsidium einen weiteren Beschluss , in dem der Beschluss vom 28. Juni 2012 klarstellend dahin ergänzt wurde, dass das Ausscheiden von Richterin W. aus der 10. Strafkammer vor dem Hintergrund ihrer engen persönlichen Beziehung zu einem Strafverteidiger aus einer Rechtsanwaltskanzlei, deren Mitglieder „sehr häufig“ vor dem Land- gericht Bielefeld in Strafsachen auftreten, erfolgt sei. Durch einen Verbleib der Richterin in der 10. Strafkammer sei ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei. Daher halte das Präsidium einen Verbleib der Richterin im Strafbereich vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH vom 15. März 2012 (Az. V ZB 102/11) nicht für möglich. Bei der Umsetzung der Richterin verblieb es.
31
Nach Aussetzung der Hauptverhandlung wurde mit dieser am 31. August 2012 erneut begonnen.Der Verteidiger des Angeklagten S. rügte rechtzeitig wiederum die Besetzung des Schwurgerichts mit der Begründung, die Beschlüsse des Präsidiums zur Umsetzung der Richterin W. seien nicht mit § 21e Abs. 3 GVG vereinbar. Die Schwurgerichtskammer wies den Besetzungseinwand zurück.
32
2. Die zulässig erhobene Rüge greift durch. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil es an einer hinreichenden Dokumentation der maßgeblichen Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsverteilung am 28. Juni 2012 veranlasst haben. Es kann deshalb nicht beurteilt werden , ob die Auswechselung der Richterin W. während des laufenden Ge- schäftsjahres gesetzmäßig war, oder ob der Angeklagte dadurch unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde.
33
a) Gemäß § 21e Abs. 3 GVG kann die Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres u.a. wegen dauernder Verhinderung einzelner Richter geändert werden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 1977 – 5 StR 224/77, BGHSt 27, 209, 210; vom 8. April 1981 – 3 StR 88/81, NStZ 1981, 489; Löwe/Rosenberg/ Breidling, StPO, 26. Aufl., § 21e GVG, Rn. 44). Da jede Umverteilung von Geschäftsaufgaben während des laufenden Geschäftsjahres mit Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 273), ist es geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern , zu dokumentieren. Um dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1734, 1735), muss diese Dokumentation umfassend und nachvollziehbar sein (BGH, aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. März 2015 – 5 StR 70/15; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 21e GVG, Rn. 42).
34
Hinzu kommt, dass die revisionsgerichtliche Kontrolle nicht auf eine reine Willkürprüfung beschränkt ist, sondern sich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Änderung des Geschäftsverteilungsplans erstreckt (BVerfG, NJW 2005, 2689, 2690; BGH, aaO, BGHSt 53, 268, 275 f.). Auch deshalb muss die Dokumentation der Gründe für die Änderung des Geschäftsverteilungsplans so detailliert ausgestaltet sein, dass dem Revisionsgericht eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist (BVerfG, aaO). Die Dokumentation muss im erforderlichen Umfang grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung , spätestens aber in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem über einen Be- setzungseinwand nach § 222b Abs. 2 StPO zu entscheiden ist (BGH, aaO, BGHSt 53, 268, 276 f.).
35
b) Den vorgenannten Dokumentationsanforderungen genügt der Beschluss des Präsidiums des Landgerichts vom 15. August 2012 nicht. Zur Begründung der Besetzungsänderung in der 10. Strafkammer wird dort lediglich ausgeführt, dass Mitglieder der Kanzlei Dr. R. und Partner „sehr häufig“ vor dem Landgericht Bielefeld in Strafsachen auftreten und daher durch den Verbleib von Richterin am Landgericht W. in der 10. Strafkammer ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet sei, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei.
36
Anhand dieser Begründung des Präsidiumsbeschlusses kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob tatsächlich die Effizienz der Arbeitsweise in der 10. Strafkammer im laufenden Geschäftsjahr durch eine mögliche Verhinderung der Richterin infolge – nach Einschätzung des Präsidiums – begründeter Ablehnungsanträge in einer Weise in Frage gestellt sein konnte, dass eine – nur unter den engen Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 GVG zulässige – unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans gerechtfertigt war. Es fehlt bereits an einer Darlegung der Anzahl der Verfahren, in denen aufgrund einer Beteiligung der Kanzlei Dr. R. und Partner Befangenheitsanträge drohen konnten. Darüber hinaus fehlt – was für die Einschätzung der Begründetheit möglicher Befangenheitsgesuche von Bedeutung gewesen wäre – jegliche Mitteilung dazu, ob der Rechtsanwalt, zu dem die aus der Strafkammer ausgeschiedene Richterin eine Beziehung unterhielt, im Zeitpunkt der Änderung der Geschäftsverteilung selbst in einem vor der Schwurgerichtskammer anhängigen Verfahren als Verteidiger oder Nebenklägervertreter tätig war. Die Begründung ist auch nicht durch das Präsidium des Landgerichts bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand nach § 222b StPO nachgeholt worden (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1734, 1735; BGH, aaO, BGHSt 53, 268, 277 f.).
37
Erst in dem Beschluss der 10. Strafkammer vom 2. Oktober 2012, mit dem diese den Besetzungseinwand vom 31. August 2012 zurückgewiesen hat, wird ausgeführt, es sei der Kammer bekannt, dass Rechtsanwalt Dr. R. zum Zeitpunkt des 10. Änderungsbeschlusses zur Geschäftsverteilung für das Landgericht Bielefeld nach eigener Erklärung bereits in vier zur Hauptverhandlung anstehenden Schwurgerichtssachen mandatiert sei; nach der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden Richterin vom 3. September 2012 handelte es sich hingegen nur um drei Verfahren.
38
Der Senat kann auf der Grundlage dieser Begründungen nicht überprüfen , ob im Zeitpunkt des 10. Änderungsbeschlusses vom 28. Juni 2012 tatsächlich die Wahrscheinlichkeit bestand, dass im verbleibenden 2. Halbjahr des Geschäftsjahres 2012 in einer so großen Anzahl von Verfahren vor der 10. Strafkammer zum Vertretungsfall führende Befangenheitsanträge gestellt werden konnten, dass die Änderung der laufenden Geschäftsverteilung zur Gewährleistung der Effizienz der Arbeit der Strafkammer nicht bis zum folgenden Geschäftsjahr aufgeschoben werden konnte.

IV.


39
Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, letzte Alternative).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 577/14
vom
21. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchter Anstiftung zum Mord
zu 2.: Verdachts des versuchten Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. Mai 2015
aufgrund der Hauptverhandlung vom 12. März 2015, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof - bei der Fortsetzung der
Verhandlung und bei der Verkündung -
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten Y. ,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 11. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die in dem vorgenannten Urteil getroffene Entschädigungsanordnung ist damit gegenstandslos.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. DenAngeklagten Y. hat es freigesprochen und eine Entschädigungsentscheidung wegen erlittener Untersuchungshaft getroffen. Gegen dieses Urteil haben die Staatsanwaltschaft zuungunsten beider Angeklagter und der Angeklagte S. Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts eine Verurteilung beider Angeklagter wegen versuchten gemeinschaftlichen Mordes. Mit der sofortigen Beschwerde wendet sie sich gegen die Entschädigungsentscheidung bezüglich des Angeklagten Y. . Der An- geklagte S. erhebt eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge. Alle drei Revisionen sind begründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte Y. ist der Sohn des in seiner libanesisch-kurdischen Großfamilie sehr respektierten Angeklagten S. . Während einer Hochzeitsfeier am 12. Juni 2011 erstachen zwei Söhne des Nebenklägers C. den ältesten Sohn des Angeklagten S. , I. Y. . Der Angeklagte S. war über den gewaltsamen Tod seines Sohnes bestürzt und traumatisiert. Innerhalb der Großfamilie S. wurde als Vergeltung für den Tod des I. Y. gefordert, ein hinsichtlich seiner Stellung geeignetes Mitglied der Familie C. zu töten.
4
Am 8. Februar 2012 fand auf telefonische Veranlassung des Angeklagten S. ein Treffen auf dem Autoplatz der Familie in G. statt, an dem neben den beiden Angeklagten ein weiterer Sohn des Angeklagten S. ,O. Y. , sein Bruder A. F. sowie ein Ad. , dessen Identität nicht geklärt werden konnte, teilnahmen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sprachen die Anwesenden über die Möglichkeit einer Vergeltung für den Tod I. Y. und fassten dabei als potentielles Opfer den Nebenkläger als Oberhaupt der Familie C. ins Auge, dessen Tod nach ihrem Verständnis geeignet war, seiner Familie einen gleichwertigen Verlust zuzufügen. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein konkreter Tatplan gefasst wurde, einen körperlichen Angriff auf den Nebenkläger zu verüben, konnte die Strafkammer nicht feststellen. Die Anwesenden kamen vielmehr überein, zunächst die Möglichkeit einer Vergeltungsmaßnahme , insbesondere wann und wo sich der Nebenkläger in Freiheit bewegte, aufzuklären. Aus diesem Grund fuhren der Angeklagte Y. , der gesondert verfolgte A. F. und der Ad. mit dem PKW nach B. . Ihnen war bekannt, dass sich der Nebenkläger im offenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt B. befand und sich zeitweise im Stadtgebiet von B. aufhielt.
5
In einer Spielhalle erhielten A. F. und Ad. von einer unbekannten Person Hinweise, wo der Nebenkläger üblicherweise anzutreffen war. Der Angeklagte Y. und seine Begleiter begaben sich sodann in die Ba. straße und hielten nach dem Nebenkläger Ausschau, den sie gegen 17.25 Uhr in einem Internet-Café entdeckten. F. entschloss sich nunmehr, die sich bietende Gelegenheit zu nutzen und gemeinsam mit seinen Begleitern den Nebenkläger zu töten. Er fragte deshalb die beiden anderen, ob jemand ein Messer dabei habe, was diese jeweils bejahten, und schlug vor, den Nebenklä- ger zu „packen“, sobald er aus dem Café komme.
6
Dem Angeklagten Y. kamen Bedenken wegen eines Anschlags auf den Nebenkläger. Er rief um 17.27 Uhr seinen Vater in der Hoffnung an, dass dieser, der die Ahndung der Tötung seines Sohnes ausdrücklich staatlichen Stellen hatte überlassen wollen, einen Angriff ganz oder jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ablehnen würde.
7
Der Angeklagte S. , der über die Mitteilung des Auffindens des Nebenklägers überrascht war, entschloss sich jedoch nunmehr spontan, dem Vergeltungswunsch der Familie nachzugeben und den Nebenkläger töten zu lassen. Ihm war bewusst, dass der Nebenkläger nicht mit einem Angriff auf seine kör- perliche Integrität rechnete. Wörtlich erklärte der Angeklagte S. in dem Telefonat , nachdem er sich nach der Bewaffnung der nach B. gereisten Personen erkundigt und von Y. erfahren hatte, dass der Angeklagte Y. und Ad. im Besitz jeweils eines Messers waren: „Geht … rein und schlagt ihn von hinten!“ … „Du und dein Onkel A. , er soll euch nicht sehen!“, wo- raufhin der Angeklagte Y. erwiderte: „Ist o.k., los.“. Auf die weitere Aufforderung des Angeklagten S. „Reiße/Schneide ihn gut und lass ihn nicht am Leben!“ erklärte Y. : „Ja, o.k.“. Das Telefongespräch endete mit der Auffor- derung des Angeklagten S. : „Los!“.
8
Der Angeklagte Y. war – entgegen seiner Äußerung in dem Telefonat gegenüber dem Angeklagten S. – nichtbereit, an dem Überfall auf den Nebenkläger mitzuwirken. Er begab sich daher im Anschluss an das Telefonat zu A. F. und Ad. und erklärte ihnen, er werde sich nicht an einem Angriff auf den Nebenkläger beteiligen. A. F. beschimpfte ihn daraufhin als Feigling, spuckte vor seine Füße und forderte ihn auf, sich zu entfernen. Der Angeklagte Y. verließ sodann den Ort des Geschehens und ließ sich von seinem Bruder Al. Y. aus B. abholen. Ob er zuvor Ad. und A. F. vom Inhalt des Telefonats unterrichtete, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht.
9
Kurze Zeit später verließ der Nebenkläger das Café. Er rechnete zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Angriff. In etwa zwei Metern Entfernung erblickte er den F. , der ein Messer mit spitz zulaufender, mindestens 15 cm langer Klinge, dessen Herkunft die Kammer nicht klären konnte, in der ausgestreckten Hand hielt und so auf den Nebenkläger zuging, dass ihm ein Fluchtweg abgeschnitten war. Ad. hatte sich dem Nebenkläger inzwischen von hinten genähert und ergriff ihn. Sodann stachen sowohl F. als auch Ad. mehrfach auf den Körper, den Nacken und den Hinterkopf des Nebenklägers ein. Als beide davon ausgingen, dass der stark blutende Nebenkläger die Verletzungen nicht überleben werde, standen sie auf und liefen fort.
10
Der Nebenkläger erlitt durch zahlreiche Stich- und Schnittwunden schwerste Verletzungen, die mit erheblichem Blutverlust verbunden waren. Sein Leben konnte durch eine Notoperation gerettet werden.
11
2. Das Landgericht hat die Äußerungen des Angeklagten S. im Rahmen des Telefonats am 8. Februar 2012 als versuchte Anstiftung zum Mord (§§ 211, 30 Abs. 1 StGB) gewertet. Den Angeklagten Y. hat es freigesprochen , da es eine Beteiligung an dem Überfall auf den Nebenkläger nicht feststellen konnte und einer Verurteilung wegen Sichbereiterklärens zum Mord gemäß § 30 Abs. 2 StGB jedenfalls ein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch freiwilliges Aufgeben des Vorhabens entgegenstehe.

II.


12
Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
13
Der Freispruch des Angeklagten Y. und die Verurteilung desAngeklagten S. (nur) wegen versuchter Anstiftung zum Mord halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
14
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326 und vom 16. August 2012 – 3 StR 180/12, NStZ-RR 2013, 20).
15
Sind mehrere einzelne Erkenntnisse angefallen, so ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. In deren Rahmen darf ein auf einen feststehenden Kern gestütztes Beweisanzeichen, dessen Bedeutung für sich genommen unklar bleibt, nicht vorab isoliert nach dem Zweifelssatz beurteilt werden. Beweisanzeichen können nämlich in einer Gesamtschau wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188; vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243; vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238; vom 24. Februar 2015 – 5 StR 621/14 jeweils mwN). Hat der Angeklagte Angaben gemacht, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, sind diese in die Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einzubeziehen und nicht ohne weiteres als unwiderlegt dem Urteil zu Grunde zu legen. Ihre Zurückweisung erfordert nicht, dass sich das Gegenteil der Behauptung positiv feststellen ließe (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2009, 285; Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 57 jeweils mwN). Auch im Übrigen gebietet es der Zweifelssatz nicht, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1995 – 4 StR 746/94, NJW 1995, 2300; Urteil vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057, 1059 mwN; Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 mwN). Der Tatrichter ist ferner gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 – 1 StR 40/02, NStZ 2002, 656, 657).
16
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig – „zwingend" – ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt.
17
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Tatbeteiligung des Angeklagten Y. in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
18
a) Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz auf einzelne Indizien angewendet und dabei mögliche Abläufe angenommen hat, für die sich aus den festgestellten Umständen keine Anhaltspunkte ergeben.
19
aa) Dies gilt insbesondere für den Inhalt des Telefonats zwischen den Angeklagten Y. und S. unmittelbar vor der Tat. Die Bekundung des Angeklagten Y. in diesem Telefonat, er werde der Aufforderung zur Tötung des Nebenklägers Folge leisten, relativiert das Landgericht u.a. mit der Mutmaßung , dass der Angeklagte Y. seine Absicht, an der Vergeltungsmaßnahme nicht teilzunehmen, gegenüber seinem Vater nicht offen legen wollte, um diesen nicht zu enttäuschen bzw. aus Respekt vor dessen Autorität als Familienoberhaupt. Hierauf hat sich der Angeklagte in seiner Einlassung nicht einmal selbst berufen. Die Formulierung im Urteil, der Inhalt des Telefonats spreche „nicht zwingend“ für die Tatbeteiligung des Angeklagten Y. , lässt zudem besorgen, dass das Landgericht bei der Würdigung dieses Indizes von zu hohen Anforderungen ausgegangen ist. Denn Indiztatsachen kann die Beweisbedeutung nicht damit abgesprochen werden, dass sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen.
20
bb) Von demselben fehlerhaften Ansatz, es sei kein „zwingender“ Schluss möglich, geht das Landgericht auch in Bezug auf das weitere gewichtige Indiz aus, dass bei der Tat zwei Messer verwendet wurden und lediglich der Angeklagte und Ad. , nicht aber A. F. zunächst ein Messer mit sich führten. Die naheliegende Möglichkeit, dass der Angeklagte Y. dem A. F. sein Messer für die Tat ausgehändigt haben könnte, relativiert die Strafkammer mit der Erwägung, A. F. könne sich anderweitig ein Messer beschafft, es etwa aus dem geparkten Kraftfahrzeug geholt oder in einem Geschäft in unmittelbarer Tatortnähe erworben haben. Für beide Varianten gibt es keine konkreten Anhaltspunkte.
21
cc) Das Landgericht hat ferner bei der Beweiswürdigung Teile der Einlassung des Angeklagten Y. als „unwiderlegbar“ zugrunde gelegt, obwohl sie keine Bestätigung durch sonstige Beweismittel gefunden haben. So hat es allein aus der Einlassung des Angeklagten Y. , A. F. sei etwa so groß wie er selbst, nämlich ca. 1,85 m, gefolgert, der Angeklagte könne nicht der größere der beiden Täter gewesen sein. Demgegenüber hat die Zeugin L. bei einer Wahllichtbildvorlage geäußert, A. F. könnte der kleinere der beiden Täter gewesen sein, dessen Größe drei Zeugen auf 1,70 bis 1,75 m geschätzt haben, während der größere der beiden Männer 1,85 bis 1,90 m groß gewesen sei.
22
b) Ein möglicherweise gewichtiges Indiz, nämlich das Tatmotiv der Rache des Angeklagten Y. als Bruder des von den Söhnen des Nebenklägers getöteten I. Y. , hat das Landgericht in den Urteilsgründen überhaupt nicht erwogen.
23
c) Vor allem aber fehlt eine Gesamtwürdigung aller Indizien. Es liegen mehrere den Angeklagten Y. erheblich belastende Beweisanzeichen vor, insbesondere objektivierbare, wie der Inhalt des Telefonats zwischen beiden Angeklagten kurz vor der Tat und der Einsatz von zwei Messern. Die Urteilsgründe lassen indessen nicht erkennen, ob und wie das Landgericht die einzeln abgehandelten Indizien in eine Gesamtschau einbezogen und gewichtet hat. Vielmehr lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, dass es lediglich rechtsfehlerhaft die einzelnen Indizien isoliert bewertet und ihnen für sich gesehen keinen „zwingenden" Beweiswert zugemessen hat. Eine Gesamtwür- digung wäre indes erforderlich gewesen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen.
24
3. Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung hinsichtlich der Tatbeteiligung des Angeklagten Y. beruht auch die Verurteilung des Angeklagten S. (nur) wegen versuchter Anstiftung zum Mord. Sollte sich der Angeklagte Y. an der Tat beteiligt haben, könnte auch die Mitwirkung des Angeklagten S. rechtlich anders zu beurteilen sein.

III.


25
Die Revision des Angeklagten S. hat mit der erhobenen Verfahrensrüge , das Schwurgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO), Erfolg.
26
1. Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
27
Nach Eingang der Anklageschrift am 4. Juni 2012 bei der 10. Strafkammer des Landgerichts teilte die der Strafkammer angehörende Richterin W. der Vorsitzenden mit, dass sie ein Liebesverhältnis zu einem als Strafverteidiger tätigen Partner der Rechtsanwaltssozietät unterhalte, der auch der Verteidiger des Angeklagten S. angehört. Hiervon unterrichtete die Vorsitzende das Präsidium des Landgerichts.
28
Am 28. Juni 2012 erließ das Präsidium den 10. Änderungsbeschluss zur Geschäftsverteilung für das Landgericht Bielefeld, nach dem die betreffende Richterin aus der 10. Strafkammer ausschied und einer Zivilkammer zugewiesen wurde. Gleichzeitig wurden der 10. Strafkammer zwei Richter (mit 1,8 AK) zugewiesen. Zur Begründung wurde auf eine Überlastung der 10. Strafkammer „wegen unerwartet hoher Eingänge“ verwiesen.
29
Am 3. August 2012 wurde erstmals mit der Hauptverhandlung begonnen. Am 2. Hauptverhandlungstag rügte der Verteidiger des Angeklagten S. die Besetzung der Schwurgerichtskammer.
30
Daraufhin erließ am 15. August 2012 das Präsidium einen weiteren Beschluss , in dem der Beschluss vom 28. Juni 2012 klarstellend dahin ergänzt wurde, dass das Ausscheiden von Richterin W. aus der 10. Strafkammer vor dem Hintergrund ihrer engen persönlichen Beziehung zu einem Strafverteidiger aus einer Rechtsanwaltskanzlei, deren Mitglieder „sehr häufig“ vor dem Land- gericht Bielefeld in Strafsachen auftreten, erfolgt sei. Durch einen Verbleib der Richterin in der 10. Strafkammer sei ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei. Daher halte das Präsidium einen Verbleib der Richterin im Strafbereich vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH vom 15. März 2012 (Az. V ZB 102/11) nicht für möglich. Bei der Umsetzung der Richterin verblieb es.
31
Nach Aussetzung der Hauptverhandlung wurde mit dieser am 31. August 2012 erneut begonnen.Der Verteidiger des Angeklagten S. rügte rechtzeitig wiederum die Besetzung des Schwurgerichts mit der Begründung, die Beschlüsse des Präsidiums zur Umsetzung der Richterin W. seien nicht mit § 21e Abs. 3 GVG vereinbar. Die Schwurgerichtskammer wies den Besetzungseinwand zurück.
32
2. Die zulässig erhobene Rüge greift durch. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil es an einer hinreichenden Dokumentation der maßgeblichen Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsverteilung am 28. Juni 2012 veranlasst haben. Es kann deshalb nicht beurteilt werden , ob die Auswechselung der Richterin W. während des laufenden Ge- schäftsjahres gesetzmäßig war, oder ob der Angeklagte dadurch unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde.
33
a) Gemäß § 21e Abs. 3 GVG kann die Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres u.a. wegen dauernder Verhinderung einzelner Richter geändert werden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 1977 – 5 StR 224/77, BGHSt 27, 209, 210; vom 8. April 1981 – 3 StR 88/81, NStZ 1981, 489; Löwe/Rosenberg/ Breidling, StPO, 26. Aufl., § 21e GVG, Rn. 44). Da jede Umverteilung von Geschäftsaufgaben während des laufenden Geschäftsjahres mit Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen Richters verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 273), ist es geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern , zu dokumentieren. Um dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1734, 1735), muss diese Dokumentation umfassend und nachvollziehbar sein (BGH, aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. März 2015 – 5 StR 70/15; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 21e GVG, Rn. 42).
34
Hinzu kommt, dass die revisionsgerichtliche Kontrolle nicht auf eine reine Willkürprüfung beschränkt ist, sondern sich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Änderung des Geschäftsverteilungsplans erstreckt (BVerfG, NJW 2005, 2689, 2690; BGH, aaO, BGHSt 53, 268, 275 f.). Auch deshalb muss die Dokumentation der Gründe für die Änderung des Geschäftsverteilungsplans so detailliert ausgestaltet sein, dass dem Revisionsgericht eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist (BVerfG, aaO). Die Dokumentation muss im erforderlichen Umfang grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung , spätestens aber in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem über einen Be- setzungseinwand nach § 222b Abs. 2 StPO zu entscheiden ist (BGH, aaO, BGHSt 53, 268, 276 f.).
35
b) Den vorgenannten Dokumentationsanforderungen genügt der Beschluss des Präsidiums des Landgerichts vom 15. August 2012 nicht. Zur Begründung der Besetzungsänderung in der 10. Strafkammer wird dort lediglich ausgeführt, dass Mitglieder der Kanzlei Dr. R. und Partner „sehr häufig“ vor dem Landgericht Bielefeld in Strafsachen auftreten und daher durch den Verbleib von Richterin am Landgericht W. in der 10. Strafkammer ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet sei, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei.
36
Anhand dieser Begründung des Präsidiumsbeschlusses kann das Revisionsgericht nicht überprüfen, ob tatsächlich die Effizienz der Arbeitsweise in der 10. Strafkammer im laufenden Geschäftsjahr durch eine mögliche Verhinderung der Richterin infolge – nach Einschätzung des Präsidiums – begründeter Ablehnungsanträge in einer Weise in Frage gestellt sein konnte, dass eine – nur unter den engen Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 GVG zulässige – unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans gerechtfertigt war. Es fehlt bereits an einer Darlegung der Anzahl der Verfahren, in denen aufgrund einer Beteiligung der Kanzlei Dr. R. und Partner Befangenheitsanträge drohen konnten. Darüber hinaus fehlt – was für die Einschätzung der Begründetheit möglicher Befangenheitsgesuche von Bedeutung gewesen wäre – jegliche Mitteilung dazu, ob der Rechtsanwalt, zu dem die aus der Strafkammer ausgeschiedene Richterin eine Beziehung unterhielt, im Zeitpunkt der Änderung der Geschäftsverteilung selbst in einem vor der Schwurgerichtskammer anhängigen Verfahren als Verteidiger oder Nebenklägervertreter tätig war. Die Begründung ist auch nicht durch das Präsidium des Landgerichts bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand nach § 222b StPO nachgeholt worden (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1734, 1735; BGH, aaO, BGHSt 53, 268, 277 f.).
37
Erst in dem Beschluss der 10. Strafkammer vom 2. Oktober 2012, mit dem diese den Besetzungseinwand vom 31. August 2012 zurückgewiesen hat, wird ausgeführt, es sei der Kammer bekannt, dass Rechtsanwalt Dr. R. zum Zeitpunkt des 10. Änderungsbeschlusses zur Geschäftsverteilung für das Landgericht Bielefeld nach eigener Erklärung bereits in vier zur Hauptverhandlung anstehenden Schwurgerichtssachen mandatiert sei; nach der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden Richterin vom 3. September 2012 handelte es sich hingegen nur um drei Verfahren.
38
Der Senat kann auf der Grundlage dieser Begründungen nicht überprüfen , ob im Zeitpunkt des 10. Änderungsbeschlusses vom 28. Juni 2012 tatsächlich die Wahrscheinlichkeit bestand, dass im verbleibenden 2. Halbjahr des Geschäftsjahres 2012 in einer so großen Anzahl von Verfahren vor der 10. Strafkammer zum Vertretungsfall führende Befangenheitsanträge gestellt werden konnten, dass die Änderung der laufenden Geschäftsverteilung zur Gewährleistung der Effizienz der Arbeit der Strafkammer nicht bis zum folgenden Geschäftsjahr aufgeschoben werden konnte.

IV.


39
Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, letzte Alternative).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge
in Form eines "erfolgsqualifizierten Versuchs" ist
möglich.
BGH, Urt. v. 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02
LG Cottbus –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 9. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt S ,
Staatsanwältin K
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt Kl
als Verteidiger für den Angeklagten D ,
Rechtsanwalt Hi
als Verteidiger für den Angeklagten T ,
Rechtsanwalt N
als Verteidiger für den Angeklagten Ka ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger für den Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt Kn
als Verteidiger für den Angeklagten Sc ,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger für den Angeklagten P ,
Rechtsanwalt Na
als Verteidiger für den Angeklagten He ,
Rechtsanwalt Bl ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin C ,
Rechtsanwältin Gi
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Nebenklägers M G wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13. November 2000 dahin geändert, daß die Angeklagten B , D , T und Ka im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der tateinheitlich begangenen versuchten Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sind.
2. Auf die Revisionen des Nebenklägers Kab wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß die genannten Angeklagten und der Angeklagte Ha im Fall B. VII. der Urteilsgründe auch der tateinheitlich begangenen versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil dieses Nebenklägers schuldig sind.
3. Auf die Revisionen der Angeklagten Sc und He wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß diese Angeklagten im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit unter anderem mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (Tat zum Nachteil des Nebenklägers Kab ) schuldig sind.
4. Die Schuldsprüche lauten hiernach wie folgt: Der Angeklagte B ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperver- letzung, mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen.
Der Angeklagte D ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte T ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Körperverletzung.
Der Angeklagte Ka ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung.
Der Angeklagte Ha ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Kör- perverletzung sowie des Diebstahls sowie des versuchten Diebstahls.
Der Angeklagte Sc ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung , sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Diebstahls.
Der Angeklagte P ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte He ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung , mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis.
5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
6. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74 JGG). Die Nebenkläger M G und Kab tragen die Kosten ihrer Revisionen; jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit fahrlässiger Tötung – letzteres gilt nicht für die Angeklagten Ha und P – sowie wegen anderer Delikte zu Jugendstrafen verurteilt (B : zwei Jahre; D : ein Jahr zwei Monate; T : zwei Jahre acht Monate; Ka : ein Jahr; Ha : zwei Jahre; Sc : ein Jahr sechs Monate; He : ein Jahr sechs Monate). Die Vollstreckung der Jugendstrafen hat es, mit Ausnahme der gegen die Angeklagten B und T verhängten Strafen, zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten P hat das Landgericht verwarnt und ihm Auflagen sowie Weisungen erteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten – mit Ausnahme des Angeklagten Ha – und die Nebenkläger M G (als Bruder des Getöteten F G ) sowie Kab (als Geschädigter) Revision eingelegt. Die Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Nebenkläger – beschränkt auf die Entscheidung über die zu ihren Lasten bzw. zu Lasten ihrer Angehörigen von den damals Heranwachsenden begangenen Taten – führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung der Schuldsprüche, im übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

A.


Dem angefochtenen Urteil liegen – neben den Feststellungen zu anderen Taten – insbesondere folgende Feststellungen betreffend das Tatgeschehen in der Nacht zum 13. Februar 1999 zugrunde (siehe B. VII. der Urteilsgründe , UA S. 54 ff.):
In dieser Nacht besuchten der Angeklagte He , der rechtskräftig Verurteilte Ba und der Zeuge Pe die Diskothek „Dance-Club“ in Guben. Alsbald gerieten sie dort in einen Streit mit mehreren vietnamesischen Besuchern, der in eine tätliche Auseinandersetzung vor der Diskothek mündete. In deren Verlauf, es war etwa 2.30 Uhr, griff der Zeuge J N , ein kubanischer Staatsangehöriger mit dunkler Hautfarbe, zu einem flachen metallischen Gegenstand, der auch eine Machete gewesen sein kann. Als er damit auf die deutschen Jugendlichen zurannte, flüchteten diese. Er lief hinter dem Zeugen Pe her, erreichte diesen und schlug ihm mit dem Gegenstand auf den Rücken. Bei der weiteren Flucht zog sich der Zeuge Pe eine Prellung des Kniegelenks und eine oberflächliche Rißwunde zu. Im Laufe der nächsten beiden Stunden trafen der Angeklagte He und der rechtskräftig Verurteilte Ba in der Nähe der Diskothek auf die weiteren Angeklagten B , Ha , Ka , R , Sc und T sowie den gesondert Verfolgten Ku und berichteten ihnen, daß sie von Ausländern bedroht und von Vietnamesen mißhandelt worden seien. „In erregter Stimmung gegenüber dem Ausländer ‚J ‘, gegenüber Vietnamesen und gegenüber Ausländern im allgemeinen“ entschlossen sich die Angeklagten, den Kubaner auf eigene Faust zu suchen und zu ergreifen. Allen war bewußt, daß sie dabei Gewalt anwenden und die Person auch möglicherweise verletzen würden; auch die später hinzukommenden Angeklagten D und P erklärten sich damit einverstanden.
Alsbald nachdem diese nunmehr aus elf Personen bestehende Gruppe mit den, von den Angeklagten R , T und Ka geführten Fahrzeugen losgefahren waren, sahen die Angeklagten B und He in der Nähe der Diskothek die Zeugin Ga . Da sie annahmen, daß diese „mit Ausländern Bekanntschaften pflege“, sprangen beide aus den Wagen und liefen auf die Zeugin zu. Sie riefen dabei sinngemäß: „Wir haben dir was mitgebracht – Hass, Hass, Hass – Ausländer raus!“ und schütteten ihr dann Bier über den Kopf. Nach Rückkehr in die Fahrzeuge setzten die Angeklagten die Suche nach dem Kubaner fort. Dabei schrieen die Angeklagten B und
He weiterhin ausländerfeindliche Parolen; die Stimmung wurde durch das lautstarke Abspielen von Musikkassetten mit fremdenfeindlichen Texten weiter geschürt.
In dieser Situation – es war etwa 4.40 Uhr – bemerkten die Angeklagten drei Ausländer: die Zeugen (und Nebenkläger) Be und Kab , sowie den später verstorbenen F G , die nach dem Besuch des „DanceClubs“ auf dem Heimweg waren. Die Fahrer bremsten auf Höhe der Ausländer die Autos scharf ab. Die Angeklagten B und He sowie weitere Angeklagte stürmten laut schreiend aus den Fahrzeugen auf die Ausländer zu. Diese ergriffen beim Anblick der zum Teil mit sogenannten Bomberjacken und Springerstiefeln bekleideten Angeklagten angstvoll die Flucht zurück in Richtung Diskothek. Mittels der PKW, in die diese Angeklagten wieder eingestiegen waren, setzten sie die Verfolgung fort. Nach ca. 50 bis 100 m überholten sie die Flüchtlinge und bremsten die Wagen direkt vor ihnen ab, um den Weg zur Diskothek zu verstellen. Die Ausländer sahen, daß wiederum mehrere Angeklagte aus den Fahrzeugen sprangen – darin verblieben neben den Fahrern nur die Angeklagten Ha und P sowie der rechtskräftig Verurteilte Ba – und auf sie zuliefen. Aus Angst und in Panik liefen sie nunmehr in unterschiedliche Richtungen davon. Die Verfolger teilten sich entsprechend auf: Während Kab und F G durch die Angeklagten B und He verfolgt wurden, liefen der rechtskräftig verurteilte Ku sowie die Angeklagten Sc und D hinter Be her; als Ku diesen eingeholt hatte, versetzte er ihm mehrere Tritte, so daß das Opfer während des Laufs wiederholt zu Fall kam und schließlich gegen ein geparktes Auto stürzte, wobei er sich eine blutende Kopfwunde zuzog; ein in Richtung des Opfers geworfener Pflasterstein verfehlte dieses. Erst jetzt erkannte Ku an der Hautfarbe des am Boden Liegenden, daß es nicht der gesuchte Kubaner war. Er und die beiden anderen Angeklagten ließen vom Opfer ab und kehrten zu den Fahrzeugen zurück. Die Angeklagten B und He hatten hingegen die weitere Verfolgung der beiden anderen Flüchtenden nach „einigen Metern“ abgebrochen, weil sie sie aus den
Augen verloren hatten oder ihnen deren Vorsprung mittlerweile zu groß erschien. Ihre Suche nach den beiden weiteren gaben die Angeklagten jedoch nicht auf.
Indessen wähnten Kab und F G die Verfolger noch hinter sich. Sie liefen zu einem etwa 200 m von dem letzten Haltepunkt der PKW entfernten Mehrfamilienhaus. Da F G die Haustür nicht öffnen konnte, trat er in Todesangst die untere Glasscheibe der Tür ein. Dabei oder beim anschließenden Durchsteigen verletzte er sich an den im Türrahmen verbliebenen Glasresten; er zog sich eine 8,5 cm tiefe Wunde am rechten Bein und die Verletzung einer Schlagader zu. Binnen kurzer Zeit verblutete das Opfer.

B.


Die Revisionen der Nebenkläger Kab und M G führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung des Schuldspruchs bei den Angeklagten , die die Taten vom 13. Februar 1999 (Tatkomplex B. VII.) als Heranwachsende begangen haben (vgl. § 80 Abs. 3 JGG). Im übrigen bleiben diese Rechtsmittel ohne Erfolg.
I. Die Verfahrensrügen der Nebenkläger sind zum Teil unzulässig, weil sie nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt worden sind, im übrigen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Die von der Revision des Nebenklägers Kab erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Die Revision rügt, daß die Jugendkammer versäumt habe, den Psychiater Dr. H als Sachverständigen zu physischen und psychischen Folgen, die die Geschädigten Kab und Be infolge der zu ihrem Nachteil begangenen Taten erlitten hätten, zu vernehmen. Diese Beweiserhebung hätte sich nach dem Akteninhalt, insbesondere den von diesem Sachverständigen erstellten und zur Sachakte genommenen schriftli-
chen Gutachten aufgedrängt. Indes versäumt die Revision, eben diese Gutachten mitzuteilen. Zudem verschweigt die Revision, daß Dr. H in der Hauptverhandlung als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist (Protokollband IV, Bl. 812).
2. Entgegen der Ansicht des Nebenklägers M G liegt ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 6 StPO nicht vor.
Die Revision teilt nicht mit, daß die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten bereits durch den Beschluß vom 6. Juli 2000 ausgeschlossen worden war (Protokollband IV, Bl. 881, 888). Dieser Beschluß umfaßte damit auch die Einlassung des Angeklagten Ku vom 17. Juli 2000 zu dessen persönlichen Verhältnissen. Es kann hiernach offenbleiben, ob nicht bereits § 80 Abs. 3 JGG zum Ausschluß der Rüge führen müßte, da der gerügte Öffentlichkeitsausschluß im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vernehmung eines zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten stand.
Der weitere Vortrag der Revision, der Angeklagte Ha habe am 17. Juli 2000 zur Sache in nichtöffentlicher Sitzung ausgesagt, ist nicht bewiesen , findet insbesondere im Protokoll der Hauptverhandlung keine Stütze. Es trifft zwar zu, daß die Öffentlichkeit zuvor allein für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen worden war. Indes hat der Angeklagte Ha an diesem Tag nach erfolgtem Ausschluß keine Angaben zur Sache gemacht. In der Sitzungsniederschrift heißt es insoweit (Protokollband IV, Bl. 905): „Der AK Ha äußerte sich zu den persönlichen Verhältnissen (Anlage 8 zum Protokoll)“. Zwar enthält die Anlage 8, auf die hier hingewiesen wird (Protokollband IV, Bl. 918 ff.), in einem eigenen Abschnitt auch Ausführungen zur Sache. Doch ist die darin enthaltene Sacheinlassung ersichtlich schon früher abgegeben worden. Denn unmittelbar vor Öffentlichkeitsausschluß – auch dies teilt die Revision nicht mit – hat sich der Angeklagte ausweislich des Protokolls bereits zur Sache ge-
äußert. Der spätere Hinweis im Protokoll auf die Anlage 8 bezieht sich mithin allein auf die dort enthaltenen Angaben zur Person.
Die weitergehende Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes – betreffend die Vernehmung des Zeugen Z – hat ebenfalls keinen Erfolg, da schon das Beweisthema, zu dem der Zeuge gehört worden ist, nicht mitgeteilt wird. Hiernach kann nicht beurteilt werden, ob die Frage an den Zeugen, was er unter „rechtsextrem“ verstehe, und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Verfahrensvorgänge (vgl. dazu BGHR StPO § 338 Nr. 6 Ausschluß 2 m. w. N.) der Aufklärung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten dienten. Dienten sie diesem Zweck, wäre der Ausschluß der Öffentlichkeit auf Grundlage des oben genannten Beschlusses vom 6. Juli 2000 gerechtfertigt gewesen.
3. Der Nebenkläger M G rügt ferner, daß die Jugendkammer dem Zeugen Pe – bei der Beantwortung der Frage, ob er oder andere, die in der Tatnacht in seiner Wohnung gewesen seien, dem „nationalen Widerstand“ angehörten – zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt habe (§ 244 Abs. 2, § 245 StPO). Die Rüge ist unbegründet. Eine unzutreffende Beurteilung der Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 StPO in tatsächlicher Hinsicht ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. BGHSt 10, 104, 105; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 10, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; Lemke in HK-StPO, 3. Aufl. § 55 Rdn. 10). Rechtsfehler, die zu einer unzutreffenden Anwendung des § 55 Abs. 1 StPO geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß überhaupt beruhen könnte, kommt es daher nicht mehr an.
4. Jedenfalls unbegründet ist auch die Rüge, das Fragerecht der Nebenklage sei dadurch in unzulässiger Weise verkürzt worden, daß das Gericht Fragen an den als sachverständigen Zeugen vernommenen Dr. H (s. o. B. I. 1.) – über Befundtatsachen zu psychischen Folgen der Taten hin-
aus – zu etwaigen Schlußfolgerungen nicht zugelassen habe. Eine Verletzung der §§ 240, 241, 397 Abs. 1 Satz 3 StPO ist damit nicht dargetan.
Die Annahme der Revision, Dr. H hätte vorliegend zwingend als Sachverständiger vernommen werden müssen, mit der Folge, daß er auch zu etwaigen Schlußfolgerungen hätte befragt werden dürfen, geht fehl. Im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und gegebenenfalls nach Maßgabe der § 244 Abs. 3 bis 5, § 245 StPO bestimmt grundsätzlich allein der Tatrichter den Umfang der Beweisaufnahme. Sofern die genannten Vorschriften nicht zu einer weiteren Beweisaufnahme zwingen , steht es im Ermessen des Gerichts zu bestimmen, mit Hilfe welcher Beweismittel Beweis erhoben werden soll. Dabei hindert ein – wie hier – früher erteilter Sachverständigenauftrag das Gericht nicht, einen Sachverständigen später ausschließlich als Zeugen, somit auch nur zu von ihm wahrgenommenen Tatsachen zu vernehmen (vgl. dazu BGH GA 1976, 78, 79). Dies hat der Bundesgerichtshof für den erfolgreich als befangen abgelehnten Sachverständigen wiederholt entschieden (BGHSt 20, 222, 224; BGH NStZ 2002, 44; StV 2002, 4, 5). Fragen, die – wie vorliegend – reine Werturteile und Schlußfolgerungen betrafen, waren somit nicht zulässig und durften als „ungeeignet“ zurückgewiesen werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 241 Rdn. 15; Vor § 48 Rdn. 2, 3).
5. Auch die sich inhaltlich anschließende Aufklärungsrüge des Nebenklägers M G (Revisionsbegründung S. 151 f.) ist unbegründet. Denn originäre Beweismittel zur Feststellung etwaiger Tatfolgen waren die beiden als Zeugen gehörten Nebenkläger. Zudem ist der Psychiater Dr. H zu den bei den Explorationen von ihm wahrgenommenen Tatsachen ergänzend als sachverständiger Zeuge vernommen worden, so daß etwaige nach Vernehmung der Geschädigten verbliebene Aufklärungsdefizite jedenfalls beseitigt werden konnten. Konkrete Angaben zu dem verstorbenen Geschädigten hätte er ohnehin nicht machen können. Soweit die Revision darauf hinweist, daß mit Hilfe eines Sachverständigen als Folgen der Tat
„posttraumatische Belastungsstörungen im Sinne des ICD-10 F 43.1“ (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen , 4. Aufl.) hätten festgestellt werden können, war dies jedenfalls bei dem Geschädigten F G auszuschließen, da dieser innerhalb kürzester Zeit an den Folgen der Verletzungen verstorben war.
6. Keinen Erfolg haben auch die weiteren Rügen, mit denen der Nebenkläger M G die Verletzung seines Frage- und Beweisantragsrechts rügt.

a) In der Hauptverhandlung fragte eine der Nebenklägervertreterinnen den Sachverständigen Dr. Sch , ob ihm anläßlich der Begutachtung des Angeklagten He – zur Tatzeit noch Jugendlicher – eine freundschaftliche Beziehung zu dem Angeklagten B – zur Tatzeit Heranwachsender – mitgeteilt worden sei. Der Vorsitzende und das nach Beanstandung seiner Anordnung angerufene Gericht wiesen die Frage zurück, da die Nebenklage bezüglich des Angeklagten He nicht zugelassen und eine Befragung des Gutachters daher nicht möglich sei. Die Rüge der Verletzung des Fragerechts dringt nicht durch (§ 240 Abs. 2, § 241, § 397 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Bei der (früher getroffenen) Entscheidung über die nur partielle Zulassung der Nebenkläger hat sich die Jugendkammer ersichtlich an den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen orientiert. Hiernach ist in verbundenen Verfahren vor den Jugendgerichten die Nebenklage zulässig, soweit sie sich nicht gegen den Jugendlichen richtet. Dies hat der Bundesgerichtshof für nach § 103 Abs. 1 JGG verbundene Verfahren ausdrücklich entschieden (BGHSt 41, 288; BGH NStZ 1997, 97; zur Gegenansicht vgl. Eisenberg , JGG 9. Aufl. § 80 Rdn. 13, 13a). Da nach § 109 JGG die Regelung des § 80 Abs. 3 JGG auf Heranwachsende keine Anwendung findet, gilt der genannte Grundsatz auch für verbundene Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende (Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 109 Rdn. 6; Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. Vor § 395 Rdn. 6; Senge in KK 4. Aufl.
§ 395 Rdn. 18; jeweils m. w. N.). Indes hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont, daß das Nebeneinander von Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits im gleichen Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung der – das Jugendstrafrecht beherrschenden – erzieherischen Belange führen darf (BGHSt aaO S. 292). Daraus folgt, daß in Fällen gegenläufiger Interessen zwischen Nebenklage und Jugendlichen – etwa bei Ausübung des Frage- und Beweisantragsrechts zur Aufklärung des Vorwurfs gemeinsamer Tatbegehung von Jugendlichen und Heranwachsenden/Erwachsenen – im Zweifel der Position des Jugendlichen Vorrang einzuräumen ist (vgl. Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 80 Rdn. 1a; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Vor § 395 Rdn. 14 f.).
Die Entscheidung des Tatgerichts, die Frage der Nebenklage zurückzuweisen , läßt hiernach keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Zwar war die Frage der Nebenklage nicht unmittelbar an einen zur Tatzeit noch jugendlichen Angeklagten, sondern an den Sachverständigen gerichtet, doch diente sie ersichtlich (jedenfalls auch) dem Zweck, Informationen über die persönlichen Verhältnisse des bei Begehung der Tat jugendlichen Angeklagten He zu gewinnen. Sie war somit potentiell geeignet, dem mit § 80 Abs. 3 JGG verfolgten Zweck zuwiderzulaufen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Jugendkammer habe zu Unrecht die Vernehmung des Leiters der Polizeiwache Guben zum Inhalt von Ermittlungsverfahren abgelehnt, die gegen einzelne Angeklagte wegen weiterer Vorwürfe geführt worden seien (§ 244 Abs. 3 StPO). Allerdings trifft die Auffassung des Landgerichts nicht zu, die Unschuldsvermutung stehe der Einführung etwaiger Nachtaten im Strengbeweisverfahren grundsätzlich entgegen (vgl. BGHSt 34, 209; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 156; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 261 Rdn. 7). Gleichwohl hat die Rüge keinen Erfolg, da die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen auf der Hand liegt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12, 14). Soweit im Beweisantrag behauptet wird, daß sich
der Angeklagte He fünf Stunden nach der Schändung eines für den Verstorbenen aufgestellten Gedenksteines mit weiteren Personen in einem Auto befunden habe, auf dem ein Hakenkreuz geschmiert gewesen sei, läßt dies keinen Rückschluß darauf zu, daß er an dem genannten Geschehen teilgenommen hat; gleiches gilt für die Behauptung, daß die Polizei nach einer weiteren Schändung des Gedenksteines „einen der hier Angeklagten“ – eine nähere Individualisierung erfolgt im Antrag nicht – festgenommen habe.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Vernehmung des Zeugen Dr. Hä mit der Begründung abgelehnt, das im Beweisantrag näher bezeichnete Beweisthema sei bereits erwiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO); die Urteilsgründe stehen zu diesem Beweisergebnis nicht in Widerspruch (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 1). Ein Fehler liegt auch nicht darin, daß sich die Strafkammer mit dem Ergebnis im Urteil nicht auseinandersetzt. Eine Erörterung von für „erwiesen“ erklärten Tatsachen ist in den Urteilsgründen nicht zwingend erforderlich, zumal da die Beweiserhebung auch über nicht erhebliche Tatsachen mit dieser Begründung abgelehnt werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 57).
7. Der Revisionsführer rügt weiter einen Verstoß gegen das Gebot der „erschöpfenden Beweiswürdigung“ aus § 261 StPO (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 49 f.), da einzelne in der Hauptverhandlung erzielte Beweisergebnisse im Urteil nicht erörtert worden seien (vgl. Revisionsbegründung F G S. 36 – 132).
Diese Rügen sind bereits unzulässig. Denn die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn sich diese Aussage nicht aus dem Urteil selbst ergibt. Denn die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet
das Revisionsgericht. Eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist ihm grundsätzlich verwehrt (BGHSt 38, 14, 15; 43, 212, 213).
Dies gilt letztlich auch für die gemäß § 254 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungsniederschriften. Zwar ist der Inhalt von in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden im Revisionsverfahren regelmäßig rekonstruierbar (vgl. BGHSt 43, 212, 214). Doch legt die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dar, daß die verlesenen Protokolle zum Zeitpunkt der Urteilsberatung noch beweiserheblich waren. Der Tatrichter muß aber nur die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen erörtern. Ob der Inhalt einer Aussage zu diesem Zeitpunkt beweiserheblich war, läßt sich nur aus dem Inbegriff der gesamten Hauptverhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Beweiswert der Beweismittel beurteilen. Ein Widerspruch zwischen den Bekundungen verschiedener Beweispersonen kann sich durch eine einfache Erklärung einer dieser Personen oder durch sonstige Beweismittel für alle Verfahrensbeteiligten zweifelsfrei gelöst haben, so daß kein Anlaß für seine Darlegung in den Urteilsgründen mehr bestand (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 5, 6; Schäfer StV 1995, 147, 156 f.).
8. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Tatgericht hätte die Zeugen Ky und No angesichts ihrer bisherigen Angaben und der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme nochmals hören müssen. Die Revision legt nicht dar, welcher Aufklärungsgewinn durch die wiederholte Vernehmung zu erzielen gewesen wäre. Auch die weiteren Aufklärungsrügen sind unzulässig, da sie das jeweilige Ergebnis , das von den begehrten Beweiserhebungen zu erwarten gewesen wäre, nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behaupten (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1, 4, 6, 9; Sarstedt/Hamm, Revision im Strafverfahren 6. Aufl. Rdn. 554 f.).
II. Die sachlichrechtlichen Einwendungen der Nebenkläger haben dagegen zum Teil Erfolg.
Die Angeklagten haben sich durch die zum Nachteil der Geschädigten begangenen Taten nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung (Vorgehen gegen Be ) in Tateinheit mit Nötigung, sondern tateinheitlich dazu auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4, §§ 22, 23 StGB (Vorgehen gegen Kab ) und – ausgenommen die Angeklagten Ha und P – in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §§ 227, 22, 23 StGB (Vorgehen gegen F G ) schuldig gemacht. Im übrigen ist das sachlichrechtliche Vorbringen der Nebenkläger unbegründet.
1. Das Landgericht hat die Begehung versuchter Körperverletzungen zum Nachteil von F G und Kab verneint, da die Angeklagten zu diesen weiteren Delikten noch nicht „unmittelbar angesetzt“ hätten (§ 22 StGB). Das ist rechtsfehlerhaft.
Für ein unmittelbares Ansetzen ist nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auch auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt , so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (vgl. BGHSt 28, 162, 163; 26, 201, 202 ff.; BGH NStZ 2000, 422; 1999, 395, 396).
Es kann dabei offenbleiben, ob die Angeklagten etwa bereits mit dem ersten Bremsmanöver und dem folgenden Hinausspringen aus den Fahrzeugen unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben. Spätestens mit dem zweiten Halt, der Verfolgung der Flüchtenden zu Fuß und dem weiteren , dem Verhalten der Flüchtenden angepaßten arbeitsteiligen Vorgehen haben die Angeklagten die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten; eines weiteren „Willensimpulses“ oder „Willensrucks“ zur Umsetzung ihrer Pläne bedurfte es hiernach nicht mehr, was auch durch die unmittelbar folgende Mißhandlung des Geschädigten Be belegt wird.
2. Der für die Vollendung eines Körperverletzungsdeliktes nach §§ 223 ff. StGB erforderliche Verletzungserfolg ist – entgegen der Ansicht der Nebenkläger – bei den Geschädigten Kab und F G nicht eingetreten. Im Hinblick auf die Schnitt- und Stichverletzungen des F G haben die Angeklagten jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.
Zwar weisen die Nebenkläger zu Recht darauf hin, daß die Verfolgung bei den Opfern Angst- und Panikgefühle ausgelöst hätten. Jedoch genügen solche rein psychische Empfindungen nicht, um eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB zu begründen. Dafür spricht neben dem Wortlaut dieser Vorschrift auch § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB, der zwischen der Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen und der seelischen Entwicklung ausdrücklich unterscheidet. Vielmehr liegt in diesen Fällen eine Körperverletzung nur dann vor, wenn die psychischen Einwirkungen den Geschädigten in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzt haben (vgl. nur BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2, insoweit in BGHSt 41, 285 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1997, 123; 1986, 166; NStZRR 2000, 106). Ungeachtet der Frage, ob auch „posttraumatische Belastungsstörungen“ (sub I. 5.) einen „pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand“ begründen können, hat das Landgericht solche Störungen weder ausdrücklich festgestellt, noch sind sie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen.
Die Stich- und Schnittverletzungen, die sich F G bei der Flucht zugezogen hat und die innerhalb kürzester Zeit zu seinem Tod geführt haben, sind von den Angeklagten nicht vorsätzlich herbeigeführt worden. Angesichts der gesamten Tatumstände liegt insoweit eine wesentliche Abweichung zwischen vorgestelltem und tatsächlich eingetretenem Kausalverlauf vor (vgl. BGHSt 38, 32, 34; 37, 106, 131; 7, 325, 329).
3. Die genannten Angeklagten haben sich darüber hinaus auch wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. § 227 StGB setzt unter anderem voraus, daß der Tod der verletzten Person „durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226)“ verursacht worden ist, wobei dem Täter hinsichtlich dieser Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last fallen muß (§ 18 StGB).

a) Dabei reicht es nicht aus, daß zwischen der Körperverletzungshandlung und dem Todeserfolg überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang besteht, die Körperverletzung also nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß damit zugleich der Tod des Verletzten entfiele. § 227 StGB soll allein der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Die genannte Vorschrift erfaßt deshalb nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muß sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (BGHSt 31, 96, 98; BGHR StGB § 227 [i.d.F. 6. StrRG] Todesfolge 1; BGH NStZ 1992, 335; NJW 1971, 152, 153).
Eine solche deliktsspezifische Gefahr kann auch schon von der bloßen Körperverletzungshandlung ausgehen (BGHSt 14, 110, 112; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; aA Hirsch in LK 11. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; Küpper in FS H. J. Hirsch [1999] S. 615 ff.; jeweils m. w. N.). Der Wortlaut der Bestimmung steht einer solchen Auslegung nicht entgegen (BGHSt 14, 110, 112; Tröndle GA 1962, 225, 238). Auch der Gesetzgeber ist dieser Rechtsprechung nicht entgegengetreten. Vielmehr hat er § 227 Abs. 1 StGB durch den Zusatz „(§§ 223 bis 226)“ ergänzt (vgl. BGBl 1998 I 164),
ohne – was im Sinne der sogenannten Letalitätstheorie (vgl. Hirsch und Küpper aaO; Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 3. Aufl. § 10 Rdn. 115; jeweils m. w. N.) dann aber angezeigt gewesen wäre – die in §§ 223, 224, 225 StGB enthaltenen versuchten Körperverletzungsdelikte (jeweils Abs. 2) vom Anwendungsbereich des § 227 StGB auszunehmen (vgl. Rengier, Strafrecht BT II 4. Aufl. § 16 Rdn. 4; aA Kühl in 50 Jahre Bundesgerichtshof Festgabe Bd. IV S. 237, 255). Verwirklicht sich die von der Körperverletzungshandlung ausgehende Gefahr und führt dies zum Tod des Opfers, kann die Anwendbarkeit des § 227 StGB ferner nicht davon abhängen, ob darüber hinaus ein vorsätzlich herbeigeführter Körperverletzungserfolg eingetreten ist, da dieser für den Unrechtsgehalt der Tat allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein kann (aA zur Rechtslage vor der Versuchspönalisierung in § 223 Abs. 2 StGB [BGBl 1998 I 164]: BGH NJW 1971, 152 ohne Begründung und nicht tragend ). Mithin ist der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge auch in Form eines „erfolgsqualifizierten Versuchs“ möglich. Es gilt insoweit nichts anderes als bei sonstigen erfolgsqualifizierten Delikten wie beim Raub mit Todesfolge nach § 251 oder bei der Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB (vgl. BGHSt 7, 37; BGHSt 46, 24; BGHR StGB § 251 Todesfolge 3; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 4; Stree in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 5 m. w. N.; differenzierend Ferschl, Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt 1999 S. 128 ff.).

b) Eine solche im Rahmen der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB spezifische Gefahr ging von den Handlungen der genannten Angeklagten aus und führte zum Tod des F G. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang wurde auch nicht durch das eigene Verhalten des Opfers unterbrochen. Denn dessen Reaktion war eine naheliegende und nachvollziehbare Reaktion auf den massiven Angriff der Angeklagten. Ein solches durch eine Flucht „Hals über Kopf“ geprägtes Opferverhalten ist vielmehr bei den durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu
deliktstypisch und entspringt dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des Menschen (vgl. Wessels/Hettinger, Strafrecht BT Teil 1, 25. Aufl. Rdn. 301).
Zwar hat der Bundesgerichtshof in Einzelfällen eine Zurechnung in Folge selbstgefährdenden Verhaltens des Opfers ausgeschlossen (vgl. etwa NJW 1971, 152; siehe aber auch BGHR StGB § 226 Todesfolge 5, 8 und BGH, Urt. vom 28. Juni 1960 – 1 StR 203/60); doch steht dies hier – angesichts des außergewöhnlich massiven Vorgehens der Angreifer und der weiteren Besonderheiten – dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Schon angesichts der Anzahl der Fahrzeuge, des Gebarens der Fahrzeugführer, vor allem aber in Anbetracht der Anzahl und des aggressiven Auftretens der aus den Wagen überfallartig auf sie losstürmenden Angeklagten mußten alle Geschädigten damit rechnen, binnen kürzester Zeit heftig attackiert und mißhandelt zu werden. Dies veranlaßte (auch) F G in „Todesangst zur panischen Flucht in den Hauseingang“ (vgl. UA S. 170). Daß seine Verfolger zwischenzeitlich zu den Fahrzeugen zurückgekehrt waren, ohne indes die Suche endgültig aufgegeben zu haben, ist ohne Belang, da F G dies nicht bemerkt hatte. Um nicht dort noch von den Angeklagten ergriffen zu werden und um von den Bewohnern Beistand zu erlangen, sah er keine andere Möglichkeit, als die Glastür einzutreten und in das Treppenhaus einzusteigen, wobei er sich die tödlichen Verletzungen zuzog.

c) Der Tod des F G ist im Rahmen des § 227 StGB allen Angeklagten als Mittätern zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Anders als bei Fahrlässigkeitsdelikten, bedarf es bei der Körperverletzung mit Todesfolge nicht des Nachweises, daß ein jeder von mehreren Beteiligten einen für den Erfolg kausalen Beitrag erbracht hat. Es macht sich nach § 227 StGB nämlich auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt , jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt. Voraussetzung ist allerdings, daß – wie vorliegend festgestellt – die Handlung der anderen im
Rahmen des allseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag (vgl. BGHR StGB § 226 Kausalität 2, 3).

d) Zudem muß ein jeder hinsichtlich des Erfolges wenigstens fahrlässig gehandelt haben, insbesondere muß der Todeserfolg für jeden vorhersehbar gewesen sein. Hierfür reicht es aus, daß der Erfolg nicht außerhalb aller Lebenserfahrung liegt; alle konkreten Einzelheiten brauchen dabei nicht voraussehbar zu sein. Es genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolgs im allgemeinen (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 227 Rdn. 3; § 222 Rdn. 25, 26). Dies hat das Landgericht – im Rahmen des einen gleichgelagerten Prüfungsmaßstab aufweisenden § 222 StGB – hinsichtlich der aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten rechtsfehlerfrei bejaht, im Hinblick auf die in den Fahrzeugen passiv verbliebenen Angeklagten Ha und P dagegen verneint. Gegen diese Differenzierung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Soweit das Landgericht dieses Ergebnis u.a. mit den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten gerade dieser beiden Angeklagten und zudem, den Angeklagten P betreffend, mit dessen erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung begründet (UA S. 169), läßt auch das keinen Rechtsfehler erkennen.
4. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die hiervon betroffenen Angeklagten hätten sich gegen die Annahme einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung nicht anders verteidigen können.
5. Auf die Strafaussprüche bleibt dies ohne Einfluß. Der Senat schließt aus, daß ein neuerlich zur Entscheidung berufener Tatrichter auf Grundlage der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldsprüche gegen die Heranwachsenden andere Rechtsfolgen aussprechen würde. Die Körperverletzung mit Todesfolge weist zwar gegenüber den jeweiligen Grunddelikten einen gesteigerten Unrechtsgehalt auf. Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, daß seit Erlaß des tatrichterlichen Urteils beinahe zwei Jahre verstrichen
sind. Schon angesichts des außergewöhnlichen Umfangs des Verfahrens und der erforderlichen Zeit, das tatrichterliche Urteil abzusetzen, stellt dies zwar keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11). Doch müßte allein schon der Zeitablauf bei erneuter Strafzumessung jedenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Hinzu kommt, daß gerade im Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts einer zügigen strafrechtlichen Reaktion auf Straftaten ein besonderer Stellenwert zukommt (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 8; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. Einf. II Rdn. 25; Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 18 Rdn. 15e; Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 43 Rdn. 6, 8a).

C.


Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
I. Sämtliche von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind, soweit sie zulässig sind, unbegründet. Der Erörterung bedürfen nur folgende Rügen:
1. Die vom Angeklagten T erhobene Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1 StPO) ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Revision war das Präsidium des Landgerichts zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes während des laufenden Jahres befugt, weil die Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG vorlagen. Da der Beisitzer der 3. Strafkammer, Richter Kr , aus dem Richterdienst ausschied, lag ein „Wechsel“ im Sinne dieser Bestimmung vor (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 21e GVG Rdn. 15). Auch die zum 1. Juni 1999 und damit vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgte Abordnung der Richterin am Landgericht Has an das Oberlandesgericht Brandenburg für eine Dauer von neun Monaten stellt einen Grund dar, der das Präsidium zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes im laufenden Jahr berechtigte. Eine Abordnung eines Richters führt grundsätzlich zu einer „Verhinderung“ im Sinne des
§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, die jedenfalls dann auch „dauernd“ und nicht nur vorübergehend ist, wenn sie – wie hier – einen Zeitraum von drei Monaten überschreitet (so auch Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 21e Rdn. 9 und Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 21e GVG Rdn. 4 unter Hinweis auf § 21c Abs. 2 GVG; vgl. auch Kissel, GVG 3. Aufl. § 21e Rdn. 114).
2. Die von mehreren Angeklagten unter dem Gesichtspunkt etwaiger richterlicher Befangenheit (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) erhobenen Rügen haben ebensowenig Erfolg:

a) Die Rügen, mit denen behauptet wird, der Vorsitzende habe die Verteilung einzelner Flugblätter („Antifaschistisches Info-Blatt“) in der Nähe des Sitzungssaals während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gebilligt , genügen schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision des Angeklagten D teilt den Beschluß vom 7. September 1999 nicht vollständig mit (vgl. Protokollband I, Bl. 154 ff.); die Revision des Angeklagten Ka läßt die Wiedergabe der auf das Ablehnungsgesuch ergangenen dienstlichen Stellungnahmen vermissen. Vor allem aber ist in keiner Weise ersichtlich, daß die Verteilung von Flugblättern mit Wissen des Vorsitzenden erfolgte. Dieser hat vielmehr angebeben, daß er von diesem Vorgang nichts gewußt habe. Alles was die Revisionen hiergegen vorbringen, erschöpft sich in haltlosen Vermutungen und Spekulationen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, der Vorsitzende und ein Beisitzer des erkennenden Gerichts seien befangen gewesen, da sie eine Urkundsbeamtin „angewiesen“ hätten, nachträglich das Protokoll einer richterlichen Vernehmung des Angeklagten Ka zu unterschreiben, um dieses dann in der Hauptverhandlung verlesen zu können. Die Rüge ist unzulässig, da verschwiegen wird, daß die Staatsanwaltschaft zum Ablehnungsgesuch eine Stellungnahme abgegeben hat (vgl. Befangenheitsband II, Bl. 253 f.). Ungeachtet dessen sind aber auch auf Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts keine Umstände vorgetragen, die Mißtrauen in die Unparteilichkeit der bei-
den Richter rechtfertigen könnten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 24 Rdn. 8 m. w. N.). Schon aufgrund der dem Gericht obliegenden Amtsaufklärungspflicht war der Vorsitzende gehalten, die fehlende Unterschrift unter dem Vernehmungsprotokoll nachholen zu lassen. Soweit er diesen Vorgang in der Hauptverhandlung mit den Worten wiedergegeben hat, das Protokoll sei „auf mein Betreiben hin“ unterschrieben worden, läßt sich dieser Äußerung – entgegen der Ansicht der Revision – nicht entnehmen, daß die Urkundsbeamtin zur Unterschriftsleistung in unzulässiger Weise gedrängt worden sei, zumal da das Protokoll mit dem Zusatz übersandt wurde, daß die Urkundsbeamtin es unterschreiben solle, „sofern ihr das noch möglich ist“.
3. Die Rüge, die Hauptverhandlung habe am 29. Juni 2000 zwischen 10.50 und 11.10 Uhr in Abwesenheit der Verteidiger des Angeklagten Ka stattgefunden (§ 338 Nr. 5 StPO), ist unzulässig. Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hat der Revisionsführer die den Mangel enthaltenen Tatsachen nicht vollständig mitgeteilt. Zwar trägt er vor, daß Rechtsanwalt N in dieser Zeitspanne nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat und daß auch der weitere Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Now , die Verhandlung bereits um 10.10 Uhr verlassen habe. Doch verschweigt die Revision, daß letztgenannter Verteidiger nicht erst um 12.00 Uhr, sondern schon früher, möglicherweise schon vor 10.50 Uhr, in den Sitzungssaal zurückgekehrt ist. Denn im Protokoll der Hauptverhandlung heißt es (Protokollband IV, Bl. 861 R): „Die HV wurde ... um 11.25 Uhr unterbrochen und um 12:00 Uhr mit denselben Verfahrensbeteiligten wie vor der Unterbrechung fortgesetzt (außer Rechtsanwalt Now )“. Der Hinweis „außer Rechtsanwalt Now “ läßt eindeutig darauf schließen, daß dieser Verteidiger schon vor der Unterbrechung wieder an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte.
4. Die Revision des Angeklagten T rügt, daß „ausweislich“ der Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 1999 der Angeklagte und sein Verteidiger
durch Beschluß „gemäß § 231c StPO beurlaubt“ worden seien, gleichwohl sei der im Sitzungssaal verbliebene Angeklagte aber später, nachdem sich sein Verteidiger entfernt habe, zu Fall 2 der Anklage vom 23. Februar 1999 vernommen worden (§ 338 Nr. 5 StPO). Der Rüge muß der Erfolg versagt bleiben.
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsführer einen Verfahrensmangel , wie für § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlich, überhaupt bestimmt behauptet oder insoweit nur eine von vornherein unzulässige „Protokollrüge“ erhebt (vgl. BGHSt 7, 162; Dahs/Dahs, Revision im Strafprozeß 6. Aufl. Rdn. 471 m. w. N.). Ungeachtet dessen teilt die Revision aber auch die im Zusammenhang mit der Vernehmung in der Hauptverhandlung verlesene Urkunde inhaltlich nicht mit, obgleich diese für die Auslegung des in der Sitzungsniederschrift verwandten Begriffs der „Angeklagten“ von Bedeutung hätte sein können.
Zudem wird der bezeichnete Verfahrensverstoß durch die Sitzungsniederschrift nicht bewiesen. Zwar enthält das Protokoll die Angabe, daß (nach Beurlaubung u.a. des Revisionsführers, seines Verteidigers und Entfernung desselben) „die Angeklagten“ „bezüglich Fall 2 ... zur Sache“ ausgesagt hätten (Protokollband I, Bl. 20). Doch ergibt sich aus dem Zusammenhang eindeutig, daß der zu diesem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung noch anwesende und der Begehung dieser Tat – ein im September 1998 begangener Diebstahl – gar nicht beschuldigte Revisionsführer damit nicht gemeint war, sondern allein die Angeklagten Ha und Sc . Dies erschließt sich ohne weiteres schon aus dem vorhergehenden Inhalt der Sitzungsniederschrift : Da an diesem Verhandlungstag allein Beweis zu den Fällen 1 und 2 der genannten Anklageschrift erhoben werden sollte, deren Begehung aber allein den beiden genannten Angeklagten vorgeworfen worden ist, hat die Jugendkammer allen weiteren Angeklagten und deren Verteidigern gestattet, sich von der Verhandlung zu entfernen. Folgerichtig enthält das Protokoll die weitere Feststellung, daß (allein) die Angeklagten Ha und Sc
über ihr Recht, sich zu den Beschuldigungen zu äußern, belehrt worden sind (§ 243 Abs. 4 StPO) und eben (nur) diese – namentlich ausdrücklich bezeichnet; anders aber der Revisionsführer, der einen Belehrungsmangel im übrigen auch gar nicht rügt – daraufhin erklärten, aussagen zu wollen, und dies dann auch taten. Sofern unmittelbar danach im Protokoll festgehalten ist, daß sich „die Angeklagten“ zu Fall 2 der Anklage eingelassen haben, sind auch damit nur die Angeklagten Ha und Sc , nicht aber der Beschwerdeführer gemeint.
5. Die Revision des Angeklagten Ka rügt ferner die Verletzung von § 338 Nr. 6 StPO und stützt sich hierbei auf die Verlesung eines an einen der Nebenkläger gerichteten Briefes des Angeklagten R in nichtöffentlicher Hauptverhandlung. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision verschweigt, daß die Jugendkammer schon mit Beschluß vom 6. Juli 2000 (s. o.) „die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen“ hat (vgl. § 48 Abs. 3 JGG).
6. Die Revision des Angeklagten T macht weiter geltend, das Gericht habe die Nebenkläger entgegen § 80 Abs. 3 JGG zum Verfahren zugelassen.
Die Verfahrensrüge ist schon unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Beschluß des Gerichts vom 17. Mai 1999, mit der die Nebenkläger zum Verfahren zugelassen worden sind, nicht mitgeteilt wird. Im übrigen entsprach die Entscheidung, die Nebenklage nur im Hinblick auf die zur Tatzeit schon volljährigen Angeklagten zuzulassen, der Gesetzeslage (sub B. I. 6. a; vgl. zur Frage des Beruhens des Urteils nach fehlerhafter Entscheidung über die Zulassung der Nebenklage: BGH NStZ 1997, 97; Senge in KK 4. Aufl. § 396 Rdn. 13, 14 m. w. N.).
7. Schließlich macht der Angeklagte D geltend, daß das Urteil entgegen § 261 StPO eine Auseinandersetzung mit den in der Hauptverhandlung verlesenen Protokollen der richterlichen Vernehmungen der damaligen Beschuldigten T und Ka vermissen lasse.
Die Rüge kann schon deswegen keinen Erfolg haben, weil entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt wird, daß die genannten Aussagen der Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch beweiserheblich waren, und dem Revisionsgericht eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung versagt ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 6; s. o.). Die Rüge wäre im übrigen auch unbegründet. Die Angaben des Angeklagten T gegenüber dem Ermittlungsrichter deuten lediglich darauf hin, daß nach seiner Erinnerung der Angeklagte D nicht in seinem Wagen mitgefahren sei. Zu der insoweit allein bedeutsamen Frage, wer die Geschädigten zu Fuß verfolgt hat, konnte der Angeklagte aber keine eindeutigen Angaben machen; danach ist insbesondere nicht auszuschließen, daß auch der Angeklagte D einer der Verfolger der Opfer war. Gleiches gilt auch für die Angaben des Angeklagten Ka . Aber selbst wenn der Angeklagte D einer seiner Mitfahrer gewesen sein sollte, schließt dies nicht aus, daß dieser den PKW verlassen und die Geschädigten mit verfolgt hat, da der Angeklagte Ka es immerhin für möglich hielt, daß nach dem gemeinsamen Bremsmanöver aller drei Wagen, auch die Tür seines Fahrzeugs kurzzeitig geöffnet war. Einen Widerspruch vermag die Revision nach alledem nicht aufzuzeigen. Eine Erörterung dieser Umstände im Urteil war auch aus diesem Grund nicht erforderlich.
II. Die umfassende sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Das Vorbringen einzelner Angeklagter zur Beweiswürdigung hat keinen Erfolg. Die Angriffe der Revision hiergegen erschöpfen sich in dem un-
zulässigen Versuch, eine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (vgl. BGHSt 41, 376, 380 m. w. N.). Entsprechendes gilt für die Bemessung der Straftatfolgen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGHSt 34, 345, 349; 15, 224, 225 f. m. w. N.). Fehler der genannten Art liegen hier nicht vor.
Zum Vorgehen der Angeklagten T , Ka , Ha und Sc vom 28. November 1998 zum Nachteil des Zeugen Pl (B. VI. der Urteilsgründe, UA S. 50 ff.) ist folgendes anzumerken: Die Jugendkammer hat das Geschehen zutreffend als erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit räuberischer Erpressung bewertet. Es kann offenbleiben, ob das Verbringen des Opfers zum Kirchplatz gegen dessen ausdrücklich geäußerten Willen nicht bereits als „Entführen“ gemäß § 239a Abs. 1 StGB zu würdigen gewesen wäre. Jedenfalls erfüllten – angesichts der weiteren festgestellten Umstände – die sich über mehrere Minuten hinziehende Fahrt und das sich daran anschließende weitere Vorgehen der Angeklagten das Tatbestandsmerkmal „Sichbemächtigen“ im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB. Die hierfür erforderliche „gewisse Stabilisierung“ der Zwangslage (vgl. BGHSt 40, 350, 359) war dadurch schon eingetreten. Die relativ geringe Dauer und Intensität des Vorgehens gegen das Opfer hat die Jugendkammer ausdrücklich berücksichtigt und das Vorgehen der Angeklagten als minder schweren Fall eingeordnet.
Der Senat ändert auch die Schuldsprüche der zur Zeit der Tat vom 13. Februar 1999 noch nicht volljährigen Angeklagten Sc , He und P in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang. Denn auch diese Angeklagten haben sich jeweils (auch) wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und die Angeklagten Sc und He in Tateinheit dazu wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Zwar waren die von den Nebenklägern eingelegten Rechtsmittel von vornherein auf die anderen (zur Tatzeit heranwachsenden) Angeklagten beschränkt. Doch ist es hier – schon aus Gründen der Gleichstellung aller Tatbeteiligten – geboten, von der Möglichkeit (vgl. BGHSt 14, 5, 7) Gebrauch zu machen, die Schuldsprüche gegen die genannten Angeklagten allein auf deren Revision schärfend zu ändern.
Harms Häger Raum Brause Schaal

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 55/12
vom
20. Dezember 2012
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug (Fortführung von BGH, Urteil vom
15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165).
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 55/12 - LG Bochum
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. November 2012 in der Sitzung vom 20. Dezember 2012, an der teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten C. in der Verhandlung und
bei der Verkündung,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten S. in der Verhandlung
am 15. November 2012,
Justizangestellte in der Verhandlung am 15. November 2012,
Justizangestellte bei der Verkündung am 20. Dezember 2012
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten C. im Schuldspruch in den Fällen 2, 8, 18, 25 und 28, im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) hinsichtlich des Angeklagten S. im Schuldspruch in den Fällen 18, 25 und 28 sowie – insoweit unter Aufrechterhaltung der Feststellungen – in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 26 und 27, im Ausspruch über die Gesamtstrafe und hinsichtlich der Feststellung zu § 111i Abs. 2 StPO. 2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
4. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S. sowie die Revision des Angeklagten C. werden verworfen. 5. Der Angeklagte C. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten C. und S. wegen „gewerbsmäßigen“ Betrugs in 26 Fällen, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb (C. ) und „gewerbsmäßigen“ Betrugs in 22 Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb (S. ), jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es hinsichtlich beider Angeklagten Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten das Verfahren und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen, dass keine Verurteilung wegen Bandenbetrugs gemäß § 263 Abs. 5 StGB erfolgt ist und in den Fällen 2, 8, 18, 25 und 28 nur ein versuchter und kein vollendeter Betrug angenommen wurde. Außerdem habe das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht in seine Betrachtungen einbe- zogen, dass die Angeklagten in einer Vielzahl von Fällen „Vermögensverluste großen Ausmaßes“ im Sinne von § 263Abs. 3 Nr. 2 StGB verursacht haben. Soweit die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten wegen Bandenbetruges anstrebt, wird ihr Rechtsmittel durch den Generalbundesanwalt nicht vertreten.

I.


2
Nach den Feststellungen platzierten die Angeklagten zumeist gemeinsam , aber auch allein, bei verschiedenen Wettanbietern in Europa und Asien zu verbindlichen Quoten angebotene Wetten auf die Ergebnisse von Fußballspielen , auf deren Ausgang sie durch Zahlungen an Spieler oder Schiedsrichter Einfluss genommen hatten.
3
Bei Wetten mit verbindlichen Quoten lobt der Wettanbieter für das jeweilige Spiel eine bestimmte Wettquote aus, die das Verhältnis von Einsatz und möglichem Gewinn widerspiegelt. Dabei geht der Wettanbieter davon aus, dass sich die Wetteinsätze weitgehend nach den Wahrscheinlichkeiten verteilen werden, mit denen ein bestimmter Spielausgang zu erwarten ist. Die Wettquoten werden nach der zu erwartenden Verteilung der Wetteinsätze kalkuliert und so bemessen, dass „unter dem Strich“ unabhängig von dem Ergebnis des je- weiligen Spiels ein Gewinn verbleibt (UA 16). Wird auf das Spielergebnis manipulativ eingewirkt, kann der Wettanbieter das betroffene Spiel nicht mehr zuverlässig kalkulieren. Wetten auf bekannt manipulierte Spiele werden daher nicht angenommen (UA 17).
4
Soweit von den Angeklagten gemeinsam Wetten mit Anbietern aus Asien abgeschlossen wurden, geschah dies durch den Angeklagten S. , der sich dazu in der Regel der in London ansässigen Ltd. als Vermittler bediente (Fälle 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28). Dabei teilte der Angeklagte S. den Mitarbeitern der Firma Ltd. zumeist telefonisch mit, welche Wetten er platzieren wollte. Die Vermittler schlossen dann bei verschiedenen Wettanbietern einen oder mehrere Wettverträge auf das jeweilige Spiel ab. Nach der Ausführung des Auftrages erhielt der Angeklagte S. auf gleichem Weg eine Bestätigung. Den Mitarbeitern der Ltd. waren die Manipulationen bekannt. Bei einem Treffen am 11. August 2008 besprachen der Angeklagte S. und die für die Ltd. angereisten anderweitig verfolgten H. , Ch. und Cha. die Konditionen für die weitere Zusammenarbeit. Dabei wurde ein sog. „Sterne-System“ ent- wickelt, nach dem der Angeklagte S. bei der Aufgabe einer Wette den Mitarbeitern der Ltd. mitteilen sollte, in welchem Ausmaß er die zu bewettende Partie manipuliert hatte. Je mehr Spieler von ihm korrumpiert worden wa- ren, desto mehr „Sterne“ sollte er der Partie verleihen. Die Ltd. verdien- te an der Vermittlung, indem sie die von den Wettanbietern in Asien angebotenen Quoten gegenüber dem Angeklagten S. geringfügig verschlechterte. Spiele, die den Mitarbeitern der Firma Ltd. als „sicher“ erschienen, wurden von ihnen – ohne Wissen der Angeklagten – auch gezielt zu Wetten auf eigene Rechnung ausgenutzt. Weder der Angeklagte S. noch die von ihm beauftragten Vermittler der Firma Ltd. legten gegenüber den asiatischen Wettanbietern offen, dass die gewetteten Spiele manipuliert waren. Den Wettanbietern wurde auf diese Weise vorgespiegelt, dass es sich um „normale“ unbeeinflusste Spiele handelte (UA 20, 21 f.). Die erzielten Gewinne flossen über die Vermittler zunächst auf ein von dem Angeklagten S. geführtes Konto. Der Angeklagte C. erhielt seinen Anteil im Rahmen eines „Kontokorrentsystems“ , das von Zeit zu Zeit durch Zahlungen ausgeglichen wurde und bei dem es zu Verrechnungen mit neu zu leistenden Einsätzen kam (UA 24). In einem Fall platzierte der Angeklagte S. eine Wette für sich und den Angeklagten C. bei einem asiatischen Wettanbieter über den niederländischen Staatsangehörigen R. (Fall 22). In einem weiteren Fall wurde eine Wette durch den Angeklagten C. bei dem auf Malta registrierten Wettanbieter - auf ein von ihm zusammen mit dem Angeklagten S. beeinflusstes Spiel abgeschlossen. Der Angeklagte S. war an dem von dem Angeklag- ten C. erzielten Gewinn über eine Wette beteiligt, die C. von ihm auf dieses Spiel angenommen hatte (Fall 11). Auch in diesen Fällen wurden die Manipulationen nicht offengelegt (UA 30, 37).
5
In zwei Fällen schloss der Angeklagte S. Wettverträge auf manipulierte Spiele ohne Beteiligung des Angeklagten C. mit asiatischen Wettanbietern ab (Fälle 19, 20), wobei er sich ebenfalls der Ltd. als Vermittler bediente. Außerdem platzierte er auf ein manipuliertes Spiel neben der gemeinsamen auch eine eigene Wette, wobei er den Vertrag über einen griechischen Vermittler abschloss (Fall 27).
6
Neben den gemeinsamen Wetten mit dem Angeklagten S. schloss der Angeklagte C. in sechs weiteren Fällen allein oder mit anderen Mittätern Wetten bei dem Anbieter - oder bei asiatischen Wettanbietern auf manipulierte Fußballspiele ab (Fälle 2, 3, 4, 6, 8, 12) und platzierte zudem ohne Wissen des Angeklagten S. weitere eigene Wetten auf Spiele, auf die der Angeklagte S. oder beide bereits gemeinsam gewettet hatten (Fälle 7, 9, 10, 13, 14, 23). Auch dabei wurden die Manipulationen nicht offengelegt (UA 21 ff.).
7
Insgesamt wettete der Angeklagte S. gemeinsam mit dem Angeklagten C. oder allein auf 22 beeinflusste Fußballspiele, wobei es in 19 Fällen zu dem angestrebten Spielausgang kam. Dadurch konnte der Angeklagte S. Gewinne zwischen 7.500 Euro und 534.875,03 Euro erzielen. In drei Fällen verlor er seinen Einsatz, weil die Spiele anders als gewettet ausgingen. Der Angeklagte C. schloss allein oder gemeinsam mit dem Angeklagten S. auf 26 beeinflusste Fußballspiele Wetten ab. In 21 Fällen kam es zu dem von ihm gewetteten Spielausgang. Dabei erzielte er Gewinne zwischen 10.224,50 Euro und 561.262,53 Euro. In fünf Fällen gingen die Spiele anders als gewettet aus, sodass der Angeklagte C. seinen Einsatz verlor.
8
Das Landgericht hat bei beiden Angeklagten in allen Fällen einen vollendeten Betrug angenommen, in denen Gewinne erzielt und ausbezahlt wurden. Die Fälle, in denen die Angeklagten keine Zahlungen erhielten, hat das Landgericht als versuchten Betrug gewertet, weil den Wettanbietern kein Vermögensschaden entstanden sei. Ein sog. Quotenschaden, der bereits mit dem Abschluss des Wettvertrages eintreten soll, liege nicht vor, weil die Wettanbieter bei Kenntnis der Manipulationen die Wettverträge nicht lediglich anders kalkuliert , sondern gar nicht abgeschlossen hätten. Auch könne ein Quotenschaden nicht in einer Weise quantifiziert werden, die den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23. Juni 2010 (BVerfGE 126, 170) aufgestellten Anforderungen genüge.

II.


9
Die Revision des Angeklagten S. führt zur Aufhebung des ihn betreffenden Strafausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet. Die Revision des Angeklagten C. hat insgesamt keinen Erfolg.
10
1. Die von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
11
a) Die Rüge des Angeklagten S. , das Landgericht habe gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 1. Alt. StPO verstoßen, indem es ihn am 11. Hauptverhandlungstag durch die Androhung, den gegen ihn gerichteten Haftbefehl wie- der in Vollzug zu setzen, dazu veranlasst habe, sich von drei Beweisanträgen seiner Verteidiger und den darin aufgestellten Behauptungen zu einer Kenntnis der asiatischen Wettanbieter von den Manipulationen zu distanzieren und deren Rücknahme zu veranlassen, bleibt erfolglos, weil das hierzu angebrachte Tatsachenvorbringen , soweit es bewiesen ist, den geltend gemachten Rechtsverstoß nicht belegt.
12
aa) Der Angeklagte S. trägt – gestützt auf entsprechende anwaltliche Versicherungen – vor, der Vorsitzende habe nach der Stellung von drei Beweisanträgen erklärt, der Angeklagte rücke aus seiner Sicht mit diesen Anträgen von seiner Einlassung ab und stelle sein bisheriges Prozessverhalten infrage. Die Kammer werde deshalb die Frage der Fluchtgefahr neu zu bewerten haben, weil darin möglicherweise ein Abrücken von dem vorherigen Geständnis liege und damit die Straferwartung, die bei der Haftverschonung nach dem in der Hauptverhandlung abgegebenen Geständnis zugrunde gelegt worden sei, entfallen sein könnte. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe dem beigepflichtet. Da er, der Angeklagte S. , auf keinen Fall das Risiko einer erneuten Inhaftierung habe eingehen wollen, habe sein Verteidiger während der anschließenden Unterbrechung der Hauptverhandlung das Dienst- und Beratungszimmer des Gerichts aufgesucht. Dabei habe er die Richter in einer Situation angetroffen, die für ihn deutlich gemacht habe, dass diese gerade beim Abfassen eines Wiederinhaftierungsbeschlusses gewesen seien. Der Verteidiger habe den anwesenden Berufsrichtern erklärt, dass der Angeklagte auf keinen Fall eine erneute Inhaftierung riskieren wolle und bereit sei, die gestellten Beweisanträge zurückzunehmen. Der Vorsitzende habe daraufhin mitgeteilt, dass die Kammer in diesem Fall erwägen würde, von einer Wiederinhaftierung abzusehen. Nach einer Diskussion über die Bedingungen für ein Absehen von einer erneuten Inhaftierung habe der Vorsitzende schließlich auch noch erklärt, dass ihm eine Rücknahme der Beweisanträge nicht ausreiche; der Angeklagte müsse sich auch noch von den aufgestellten Beweisbehauptungen distanzieren. In der Folge habe er auch diese Erklärung abgegeben.
13
Nach dem Protokoll wurde im Anschluss an die Verlesung der Beweisanträge von dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft „in seiner Stellungnahme herausgestellt, ob die Frage der Haftverschonung angesichts der gestellten Beweisanträge möglicherweise neu zu beurteilen ist“. Wie sich aus der dienstlichen Stellungnahme der Berufsrichter ergibt, hat der Vorsitzende nach der Antragstellung mitgeteilt, dass der Angeklagte mit diesen Beweisanträgen von seiner bisherigen geständigen Aussage abrücke. Die Hauptverhandlung sei unterbrochen worden, um die auch von der Staatsanwaltschaft aufgeworfene Frage der Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls zu beraten. Der Verteidiger des Angeklagten habe das Dienstzimmer aufgesucht. Zu diesem Zeitpunkt sei noch keine irgendwie geartete konkrete Maßnahme zur Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls vorbereitet oder bereits durchgeführt worden. Der Verteidiger habe angekündigt, die gestellten Beweisanträge zurückzunehmen. Von der Kammer sei ihm zudem anheim gestellt worden, den Angeklagten auch selbst versichern zu lassen, dass er sich von den gestellten Anträgen und ihrem Inhalt distanziere.
14
bb) Eine Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme gemäß § 136a Abs. 1 Satz 3 1. Alt. StPO liegt vor, wenn eine in der konkreten Situation prozessual unstatthafte Maßnahme in Aussicht gestellt wird und dadurch für den Bedrohten eine Zwangslage entsteht, die ihm eine sofortige Entscheidung abnötigt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1961 – 2 StR 485/60, BGHSt 17, 14, 20 f.). Dies hat der Senat (Urteil vom 16. September 2004 – 4 StR 84/04, NStZ 2005, 279, 280) in einem Fall bejaht, in dem das Gericht eindeutig zum Aus- druck gebracht hatte, dass der Angeklagte in Haft genommen werde, falls er nicht gestehe, sondern den beabsichtigten Beweisantrag stelle.
15
Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich. Die eindeutig als eigene vorläufige Einschätzung gekennzeichnete Erklärung des Vorsitzenden zum Inhalt der Beweisanträge und ihrer möglichen Bedeutung für die Haftfrage („aus meiner Sicht“, „möglicherweise“) stellt noch keine zu einer Dro- hung verdichtete Ankündigung der sofortigen Inhaftierung dar (vgl. Gleß in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 136a Rn. 57). Auch war dem anwaltlich vertretenen Angeklagten bekannt, dass eine Invollzugsetzung des Haftbefehls nicht durch den Vorsitzenden allein, sondern nur durch eine Entscheidung aller drei Berufsrichter bewirkt werden konnte. Dass der Erklärung des Vorsitzenden eine Verständigung unter den Berufsrichtern vorangegangen ist, trägt die Revision nicht vor.
16
Auch in der Unterbrechung der Sitzung, um über eine Invollzugsetzung des Haftbefehls zu beraten, lag keine (konkludente) Androhung einer sofortigen Inhaftierung des Angeklagten. Nachdem auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in seiner Stellungnahme zu den Beweisanträgen diese Maßnahme ausdrücklich in den Raum gestellt hatte, bestand ein entsprechender Erörterungsbedarf. Soweit der Verteidiger bei seinem Erscheinen im Beratungszimmer den Eindruck gewonnen hatte, dass die Richter gerade mit der Abfassung eines Invollzugsetzungsbeschlusses befasst waren, stehen dem die dienstlichen Äußerungen entgegen. Der Vortrag, bei dem anschließenden Gespräch im Beratungszimmer sei dem Angeklagten über seinen Verteidiger die Distanzierungserklärung unter Hinweis auf eine sonst drohende Inhaftierung abverlangt worden, widerspricht ebenfalls den dienstlichen Erklärungen der beteiligten Richter („anheimgestellt“) und ist daher nicht bewiesen.
17
b) Die von den beiden Angeklagten erhobenen Aufklärungsrügen greifen aus den in den Zuschriften des Generalbundesanwalts vom 1. März 2012 genannten Gründen nicht durch.
18
2. Soweit die Angeklagten wegen (versuchten) Betrugs verurteilt worden sind, weist das Urteil keinen sie beschwerenden Rechtsfehler auf.
19
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Angeklagten selbst oder durch ihre Vermittler bei der Abgabe der Wetten gegenüber den Wettanbietern konkludent der Wahrheit zuwider erklärt haben, dass der Verlauf oder der Ausgang der gewetteten Spiele von ihnen nicht beeinflusst worden ist. Die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes gehört zur Geschäftsgrundlage der Wette. Beide Parteien sichern sich daher stillschweigend zu, auf das gewettete Spiel keinen Einfluss genommen zu haben. Dadurch wurde bei den Wettanbietern – jedenfalls in der Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins – ein entsprechender Irrtum erregt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 16 ff.; Urteil vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167 f.; RG, Urteil vom 17. Dezember 1928 – III 1006/28, RGSt 62, 415, 416), die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat (Cramer/Perron, in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 263 Rn. 16e; Fischer, 60. Aufl., § 263 Rn. 32; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 38; Fasten/Oppermann, JA 2006, 69, 71; Feinendegen, NJW 2007, 787, 788; Gaede, HRRS 2007, 16; Krack, ZIS 2007, 103, 105; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69 f.; Petropoulos/Morozinis, wistra 2009, 254, 255; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 53 f.; Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 ff.; vgl. auch Maaß, GA 1984, 264, 280 ff.; aus zivilrechtlicher Sicht Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , S. 471).
20
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Erfassung konkludenter Täuschungen ist vom Wortlaut der Vorschrift des § 263 Abs. 1 StGB gedeckt und führt nicht zu einer Entgrenzung des Tatbestandes, sodass im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG, NStZ 2012, 496 Rn. 168). Der Einwand, es liege keine Feststellung von Tatsachen mehr vor, wenn das Vorliegen einer konkludenten Täuschung über die Manipulationsfreiheit des gewetteten Spieles ohne Ermittlung des tatsächlichen Verständnisses der Beteiligten allein aus dem Wesen des Wettvertrages hergeleitet werde, verfängt nicht (Jahn/Maier, JuS 2007, 215, 217; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 362 f.; vgl. noch Kraatz, JR 2012, 329, 331). Ob in einer bestimmten Kommunikationssituation neben einer ausdrücklichen auch eine konkludente Erklärung abgegeben worden ist und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, der unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Verkehrsanschauung festzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, NStZ 2001, 430; Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 10; SSWStGB /Satzger, § 263 Rn. 37 f.). Wenn der Tatrichter dabei – wie hier – seine Bewertung maßgeblich auf die sich aus dem Wesen des abgeschlossenen Vertrages ergebende Risiko- und Pflichtenverteilung stützt, ist dies revisionsrechtlich bedenkenfrei (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 150; MünchKomm-StGB/Hefendehl, § 263 Rn. 86, 93; Kubiciel, HRRS 2007, 68, 69). Auch wird durch die Annahme einer konkludenten Täuschung die für die Strafbarkeit eines Unterlassens erforderliche Feststellung einer Garantenpflicht nicht umgangen (so aber Schild, ZfWG 2006, 213, 216 f.; Schlösser, NStZ 2005, 423, 426). Die Abgabe einer auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts gerichteten Erklärung ist positives Tun, auch wenn sie zugleich als (stillschweigende) Negativerklärung in Bezug auf zu dem Geschäftszweck in Widerspruch stehende Umstände verstanden wird (vgl. NK-StGB- Kindhäuser, § 263 Rn. 110; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 29; SSWStGB /Satzger, § 263 Rn. 41). Die Manipulationsfreiheit ist eine notwendige Bedingung für die Durchführbarkeit eines auf ein ungewisses Ereignis ausgerichteten Wettvertrages; sie gehört deshalb zum Inhalt eines in sich schlüssigen (konkludenten) Antrags auf dessen Abschluss (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 27).
21
Das Verhalten der in die Manipulationen eingeweihten als Vermittler tätigen Mitarbeiter der Ltd. ist den Angeklagten nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Hinsichtlich der Vermittler, die keine Kenntnis von den Manipulationen der Angeklagten hatten, erfolgt die Zurechnung nach den Grundsätzen zur mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 StGB).
22
b) In denjenigen Fällen, in denen die Wettanbieter den entsprechend der vereinbarten Quote berechneten Gewinn ausbezahlt und dadurch für sich den endgültigen Vermögensverlust in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn herbeigeführt haben, ist das Landgericht zu Recht von einem vollendeten Betrug und einem Schaden in dieser Höhe ausgegangen.
23
aa) Da nach den Feststellungen die Wettanbieter die Wettverträge nicht abgeschlossen und dementsprechend auch keine Gewinne ausbezahlt hätten, wenn ihnen die Manipulationen der gewetteten Spiele bekannt geworden wären , ist der für die Annahme eines Betruges erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem täuschungsbedingten Irrtum und der in der Gewinnausschüttung liegenden Vermögensverfügung gegeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 34).
24
Der Umstand, dass das Landgericht keine näheren Feststellungen dazu getroffen hat, wer bei den Wettanbietern im konkreten Fall die Wetten angenommen hat und wie die Gewinnauszahlungen veranlasst wurden, steht dem nicht entgegen, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es im Geschäftsbetrieb der Wettanbieter an irgendeiner Stelle ein Wissen um die Manipulationen gegeben hat und der durch die Täuschung ausgelöste Irrtum über die Manipulationsfreiheit deshalb nicht verfügungsursächlich geworden sein könnte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313 Rn. 8 f.; Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316). Auch hat das irrtumsbedingte Verhalten auf Seiten der Wettanbieter ohne weitere deliktische Zwischenschritte der Angeklagten zu der Vermögensverfügung geführt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1991 – 2 StR 421/90, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 29).
25
bb) Der Umstand, dass die Wettanbieter schon mit der auf derselben Täuschung beruhenden Eingehung der Wettverträge einen Vermögensnachteil erlitten haben (dazu unten III. 1), steht einer Schadensbestimmung nach Maßgabe der in der Erfüllungsphase geleisteten Zahlungen nicht entgegen. Die Erfüllung einer täuschungsbedingt eingegangenen vermögensnachteiligen Verpflichtung vertieft den bereits eingetretenen Schaden. Beide Verfügungen und die durch sie ausgelösten Nachteile bilden zusammen eine Betrugstat (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 162 f.; Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 35 f.; Urteil vom 29. Januar 1997 – 2 StR 633/96, NStZ 1997, 542, 543; RG, Urteil vom 17. März 1932 – III 841/31, RGSt 66, 175, 180; LK-StGB/Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 292 f.; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 274; Tenckhoff in FS Lackner, S. 677, 680). Dabei ist für die Schadensfeststellung jedenfalls dann allein auf die Erfüllungsphase abzustellen, wenn – wie hier – der Getäuschte seine Verpflichtung aus dem Vertrag restlos erfüllt hat und der mit dem Vertragsschluss ausgelöste Nachteil deshalb vollständig in dem durch die Vertragserfüllung herbeigeführten Schaden enthalten ist (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Rn. 12 a.E.; vgl. Klein, Das Verhältnis von Eingehungs- und Erfüllungsbetrug, 2003, S. 178 ff.).
26
Auf die Frage, ob die Manipulationen der Angeklagten tatsächlich den Ausgang der betroffenen Spiele beeinflusst haben, kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 35 f.; a.A. Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 368; Saliger in FS Samson, S. 455, 460). Entscheidend ist vielmehr, dass die Wettanbieter Wetten auf manipulierte Spiele nicht angenommen hätten. Dass es den Angeklagten in den Fällen, in denen das gewettete Spielergebnis unabhängig von ihrer Einflussnahme auf den Spielverlauf eintrat, möglich gewesen wäre, den Wettgewinn auch ohne Manipulation und damit ohne eine hierauf bezogene Täuschung zu erzielen, ist ohne Belang, weil für die innere Verknüpfung von Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung allein der tatsächliche Verlauf der Willensbildung maßgebend ist (BGH, Urteil vom 24. Februar 1959 – 5 StR 618/58, BGHSt 13, 13, 14 f.; im Ergebnis ebenso Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 250 f.).
27
3. Auf die Revision des Angeklagten S. ist jedoch der gesamte ihn betreffende Strafausspruch aufzuheben, weil das Landgericht eine Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erwogen hat.
28
Nach den Feststellungen hat der umfassend geständige Angeklagte im Ermittlungsverfahren bei über 30 Vernehmungen Angaben zu einer Vielzahl von Sachverhalten gemacht, die den Ermittlungsbehörden zuvor nicht bekannt wa- ren (UA 12). Danach liegt es nahe, dass die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO gegeben sind.
29
Das Landgericht hat die Angaben des Angeklagten S. im Ermittlungsverfahren nur im Rahmen der konkreten Strafzumessung als allgemeinen Strafmilderungsgrund berücksichtigt (UA 53). Es hat nicht erörtert, ob durch diese Angaben ein wesentlicher Aufklärungserfolg im Sinne des § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB eingetreten ist. Der Umstand, dass der Angeklagte C. im Ermittlungsverfahren ebenfalls ein Geständnis abgelegt hat (UA 51, 53), führt nicht dazu, dass dem Angeklagten S. die Vergünstigung des § 46b StGB nicht mehr zu Gute kommen kann. Die geständige Einlassung des Angeklagten C. erfolgte nach der Einlassung des Angeklagten S. . In der Regel sind die Vorteile des § 46b StGB zunächst demjenigen Mittäter zu gewähren, der als erster einen über seinen Tatbeitrag hinausgehenden Aufklärungsbeitrag leistet, weil dadurch die Möglichkeit der Strafverfolgung im Hinblick auf begangene Taten nachhaltig verbessert und die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden auch für die übrigen Mittäter zu einer naheliegenden Strategie wird (vgl.BGH, Beschluss vom 30. August 2011 – 2 StR 141/11, StV 2012, 80, 81; Beschluss vom 17. März 1992 – 5 StR 60/92, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 23).
30
Auf dem gezeigten Rechtsfehler beruht der gesamte Strafausspruch, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob die Strafrahmen gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB zu mildern sind und nicht auszuschließen ist, dass im Fall einer solchen Strafrahmenverschiebung niedrigere Einzelstrafen und eine geringere Gesamtstrafe verhängt worden wären (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2003 – 4 StR 94/03, NStZ-RR 2003, 297).

III.


31
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet. Darauf, dass die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es nach dem entsprechenden (Teil-)Erfolg der Revision des Angeklagten S. nicht mehr an (BGH, Urteil vom 28. September 2011 – 2 StR 93/11, Rn. 29; Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 144/08, Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 301 Rn. 3).
32
1. Das Urteil hat in den Fällen, in denen es nicht zu einer Gewinnauszahlung kam (Fälle 2 und 8 hinsichtlich des Angeklagten C. und Fälle 18, 25 und 28 hinsichtlich beider Angeklagten), keinen Bestand, weil das Landgericht die Annahme eines vollendeten Betruges mit nicht tragfähigen Erwägungen abgelehnt hat.
33
a) Der 5. Strafsenat hat entschieden, dass bei Wetten mit festen Quoten auf manipulierte Fußballspiele bereits mit Abschluss des Wettvertrages ein vollendeter Betrug zum Nachteil der getäuschten Wettanbieter gegeben ist. Die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote stelle gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar. Durch die Manipulationen sei das Wettrisiko erheblich zugunsten der täuschenden Wettkunden verschoben worden. Die bei Vertragsschluss von den Wettanbietern vorgegebene Quote entspreche deshalb nicht mehr dem Risiko, das ihrer Kalkulation zugrunde gelegen habe. Die von dem Wettkunden erkaufte Chance auf den Wettgewinn sei wesentlich mehr wert, als er dafür in Ausnutzung seiner Täuschung bezahlt habe. Für seine jeweiligen Einsätze hätte der Wettkunde bei realistischer Einschätzung des tat- sächlichen Wettrisikos einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stelle bei jedem Vertragsschlusseinen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser Quotenschaden müsse nicht beziffert werden. Es reiche aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 32 f.; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 212; Engländer, JR 2007, 477, 479; Gaede, HRRS 2007, 16, 18; Krack, ZIS 2007, 103, 109; Ostermeier, ZfWG 2007, 253, 260).
34
b) Auch der Senat bejaht grundsätzlich einen Vermögensschaden bereits mit Abschluss des Wettvertrags. Allerdings ist die eingetretene Vermögensminderung abweichend zu bestimmen.
35
aa) Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines gegenseitigen Vertrages verleitet (Eingehungsbetrug), sind bei der für die Schadensfeststellung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Täuschenden und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Rn. 12; Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 156; Beschluss vom 18. Februar 1999 – 5 StR 193/98, BGHSt 45, 1, 4; Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 160, 173). Ist der Getäuschte ein Risikogeschäft eingegangen, kommt es für die Bestimmung des Schadens maßgeblich auf die täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr an, die über die vertraglich zu Grunde gelegte hinausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 − 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638 Rn. 12; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Rn. 12 f.; Beschluss vom 23. Februar 1982 – 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; Jaath in FS Dünnebier , S. 583, 591 f.).
36
Auch ein nur drohender, ungewisser Vermögensabfluss kann einen Schaden darstellen, wenn der wirtschaftliche Wert des gefährdeten Vermögens bereits gesunken ist (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 263 Rn. 40 ff.; Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 529 f.; Riemann, Vermögensgefährdung und Vermögensschaden, 1989, S. 7). Die bloße Möglichkeit eines Wertverlustes genügt dabei allerdings noch nicht. Auch dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens ungewiss bleibt. Zur Verhinderung einer tatbestandlichen Überdehnung und zur Wahrung des Charakters des Betrugstatbestandes als Erfolgsdelikt ist der Schaden daher der Höhe nach zu beziffern und nachvollziehbar darzulegen. Bestehen Unsicherheiten, kann ein Mindestschaden unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege einer tragfähigen Schätzung ermittelt werden (BVerfG, NStZ 2012, 496 Rn. 176; vgl. NStZ 2010, 626 Rn. 28; BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 163; Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Rn. 13; LKStGB /Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 165 mwN; Kraatz, JR 2012, 329, 332 ff.). Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung des Schadens eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, NStZ 2012, 496 Rn. 176).
37
bb) Bei Wettverträgen auf Sportereignisse mit verbindlichen Quoten gestehen sich der Wettende und der Wetthalter gegenseitig je einen Anspruch auf einen bestimmten Geldbetrag zu und übernehmen das entsprechende Haftungsrisiko. Beide Ansprüche stehen zueinander im Verhältnis der Alternativität, weil sie mit unterschiedlichen Vorzeichen von dem Eintritt des gewetteten Spie- lergebnisses oder Spielverlaufs und damit von entgegengesetzten Bedingungen abhängen (vgl. Staudinger/Engel, BGB, Neubearb. 2008, § 762 Rn. 4 ff.; MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl., § 762 Rn. 7; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand , S. 440 ff.). Der Anspruch des Wettenden ist auf den seinen Einsatz entsprechend der vereinbarten Quote übersteigenden Wettgewinn und der Anspruch des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des vorgeleisteten Wetteinsatzes gerichtet. Ihr Geldwert bestimmt sich nach der vereinbarten Höhe (Einsatz x Quote – Einsatz bzw. Einsatz) sowie der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes des zur Bedingung gemachten Spielausganges. Wird durch eine nicht offen gelegte Manipulation des Wettenden die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu dem von ihm gewetteten Spielausgang kommt, erhöht sich damit auch der Geldwert seines Anspruchs gegen den getäuschten Wettanbieter und das korrespondierende Haftungsrisiko. Zugleich vermindert sich der Geldwert des alternativen Anspruchs des Wettanbieters auf ein Behaltendürfen des Einsatzes. Die getäuschten Wettanbieter haben mithin einen Vermögensschaden erlitten, wenn bei objektiver Betrachtung die von ihnen gegenüber den Angeklagten eingegangene – infolge der Manipulationen mit einem erhöhten Realisierungsrisiko behaftete – Verpflichtung zur Auszahlung des vereinbarten Wettgewinns nicht mehr durch den Anspruch auf den Wetteinsatz aufgewogen wird.
38
cc) Die Tatsache, dass die beeinträchtigten Ansprüche der Wettanbieter auf ein Behaltendürfen des Wetteinsatzes von dem Nichteintritt des gewetteten Spielergebnisses abhängen, lässt den strafrechtlichen Vermögensschutz nicht entfallen. Auch bedingte Forderungen gehören zum strafrechtlich geschützten Vermögen, wenn mit ihrer Realisierung ernsthaft zu rechnen ist und sie deshalb im Geschäftsverkehr als werthaltig angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627). Dies war hier ersichtlich der Fall.
39
dd) Soweit die getäuschten Wettanbieter in der Gesamtschau keinen Verlust erlitten haben, weil das auf die betroffenen Spiele entfallene Wettaufkommen die an die Angeklagten auszuschüttenden Gewinne gedeckt hat, steht dies der Annahme eines Vermögensschadens nicht entgegen (a.A. Saliger/ Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 366; Reinhart, SpuRt 2007, 52, 54 f.; Rönnau in FS Rissing-van Saan, S. 517, 528; Saliger in FS Samson, S. 455, 459 f.). Die dem Wettanbieter verbleibenden Wetteinsätze der Wettverlierer stellen im Verhältnis zu den manipulativ agierenden Wettgewinnern keinen unter dem Gesichtspunkt der Schadenskompensation zu berücksichtigenden Ausgleich dar. Kommt es im Zusammenhang mit einer nachteiligen Vermögensverfügung an anderer Stelle zu einem Vermögenszuwachs, scheidet die Annahme eines Vermögensschadens nur dann aus, wenn dieser Vorteil von der Verfügung selbst zeitgleich mit dem Nachteil hervorgebracht worden ist und nicht – wie hier – auf rechtlich selbstständigen Handlungen beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 4 StR 194/09, NStZ 2010, 330 Rn. 2; Beschluss vom 27. August 2003 – 5 StR 254/03, NStZ 2004, 205 Rn. 2; Urteil vom 23. Mai 2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 301 f.; Urteil vom 4. März 1999 – 5 StR 355/98, NStZ 1999, 353, 354; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 144).
40
ee) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – die Wahrscheinlichkeit eines Wetterfolges und dessen Beeinflussung durch die Manipulationen zu beurteilen und danach den wirtschaftlichen Wert sowohl der bedingten Verbindlichkeit (Zahlung des Wettgewinns) als auch des gegenüberstehenden Anspruchs (Behaltendürfen des Wetteinsatzes) des getäuschten Wettanbieters zu bestimmen haben. Dabei können die auf dem Wettmarkt für die jeweiligen Spiele anfänglich angebotenen Quoten einen An- halt für die Bewertung des Wettrisikos vor der Manipulation bieten. Für die Bewertung der Beeinflussung des Wettrisikos durch die Manipulation geben die Zahl und die Bedeutung der beeinflussten Spieler oder sonstigen Teilnehmer einen wesentlichen Anhaltspunkt.
41
Soweit für eine Schadensbestimmung eine Anknüpfung an die Grundsätze zu Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) in Betracht kommt (vgl. Kozikowski/Schubert in Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 249 Rn. 60; Kraatz, JR 2012, 329, 334), wird besonders zu beachten sein, dass es hier um die Ermittlung eines Mindestschadens geht. Betriebswirtschaftliche sowie handels- und gesellschaftsrechtliche Bewertungsverfahren sind in erheblichem Maß von Grundsätzen geprägt (Vorsichtsprinzip), die im Zweifel zur Annahme niedriger Werte und zu einer Überbewertung von Verlustrisiken führen, was ihrer Anwendung auf einen strafrechtlichen Sachverhalt Grenzen setzt (Schuhr, ZStW 123 [2011], 517, 530; Becker, HRRS 2009, 334, 338 f.; Kempf in FS Volk, S. 231, 240 f.; Tiedemann in FS Klug, Bd. II., S. 405, 415).
42
Lassen sich keine belastbaren Aussagen treffen und kann deshalb auch ein Mindestschaden nicht mehr geschätzt werden, scheidet ein Schuldspruch wegen vollendeten Betrugs aus.
43
ff) Eine Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG ist nicht erforderlich, weil der 5. Strafsenat die in seinem Urteil vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 32 f.) vertretene Auffassung, dass der eingetretene Vermögensschaden nicht beziffert werden müsse, mit Beschluss vom 13. April 2012 (5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 Rn. 7) aufgegeben und mit Rücksicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (2 BvR 2500/09 u.a., NStZ 2012, 496 Rn. 176) entschieden hat, dass es im Fall der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden bedarf.
44
2. Hinsichtlich des Angeklagten S. war das Urteil darüber hinaus auch in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 26 und 27 aufzuheben, weil das Landgericht bei der Ablehnung eines Bandenbetruges gemäß § 263 Abs. 5 StGB von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
45
a) Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz benannten Deliktstyps zu begehen. Ein „gefestigter Bandenwille“ oder ein „Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse“ ist nicht erforderlich. Es steht der Annahme einer Bande deshalb nicht entgegen , wenn deren Mitglieder bei der Tatbegehung ihre eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung sowie Beute- und Gewinnerzielung verfolgen (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 335; Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 204/06, NStZ 2007, 269).
46
b) Die Abrede zwischen dem Angeklagten S. und den Vermittlern der Ltd. (H. , Ch. und Cha. ) vom 11. August 2008 war ersichtlich auf eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger Betrugstaten zum Nachteil asiatischer Wettanbieter gerichtet. Soweit das Landgericht die Annahme einer Bande mit der Erwägung verneint hat, dass die gesondert verfolgten H. und Cha. lediglich aus eigenem Interesse an den Wetten des Angeklagten S. mitgewirkt und diesen zur Maximierung ihres Gewinnes regelmäßig übervorteilt haben (UA 48), wird ein Interessengleichlauf zur Bedingung für eine bandenmäßige Begehungsweise gemacht, der nach der Aufgabe der Rechtsprechung zum „übergeordneten Bandeninteresse“ (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 259 f.) gerade nicht mehr erforderlich ist. Dessen ungeachtet haben die Mitarbeiter der Ltd. in Bezug auf die getäuschten Wettanbieter tatsächlich dasselbe deliktische Ziel verfolgt wie der Angeklagte S. und seine weiteren Mittäter, denn auch ihr Gewinninteresse hing von einer erfolgreichen Platzierung der Wetten und deren Gewinn ab (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 204/06, NStZ 2007, 269, 270). Übervorteilen sich Beteiligte nach ihren gemeinsam begangenen Taten bei der Beute- oder Gewinnverteilung, stellt dies eine bandenmäßige Begehungsweise nicht in Frage.
47
Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da es sich um einen reinen Bewertungsfehler handelt, der auch die bereits aus anderen Gründen aufgehobenen Fälle 18, 25 und 28 betrifft, können in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 23, 24, 26 und 27 die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende – hierzu nicht in Widerspruch stehende – Feststellungen sind möglich. Sollte der Tatrichter zur Annahme eines Bandenbetruges gelangen, wird dieser in den Tenor aufzunehmen sein (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 204/06, NStZ 2007, 269, 270).
48
3. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
49
a) In Bezug auf den Angeklagten C. hat das Landgericht zu Recht eine bandenmäßige Begehungsweise gemäß § 263 Abs. 5 StGB verneint.
50
Nach den Feststellungen waren die manipulationswilligen Spieler nur für eng begrenzte Zeiträume in das Geschehen eingebunden, sodass eine (konkludente ) Bandenabrede mit dem Angeklagten C. insoweit nicht belegbar ist. Gleiches gilt für die verschiedenen Gehilfen und Mittäter, die bei einzelnen Spielen aufgrund von Einzelabsprachen im Verbund mit dem Angeklagten C. tätig waren. In die Absprachen mit der Ltd. war der Angeklagte C. nicht eingebunden.
51
b) Der Umstand, dass das Landgericht in den Fällen 1, 5, 7, 9, 10, 14, 15, 17, 19, 21, 23, 26 und 27 einen Vermögensverlust großen Ausmaßes gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB nicht ausdrücklich geprüft hat, lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
52
Die Annahme eines Vermögensverlustes von großem Ausmaß kommt in Betracht, wenn der angerichtete Schaden mehr als 50.000 Euro beträgt (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 – 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 362 ff.; Beschluss vom 11. Februar 2009 – 5 StR 11/09, wistra 2009, 236, 237; LK-StGB/ Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 298a mwN). Dabei ist der Umfang der Vermögenseinbuße opferbezogen zu bestimmen. Werden – wie hier durch die Platzierung mehrerer Wetten auf ein manipuliertes Spiel – mehrere Opfer geschädigt, kommt es auf die Verluste bei jedem einzelnen Opfer an. Eine Addition von Einzelschäden ist nur dann möglich, wenn sie dasselbe Opfer betreffen (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2011 – 4 StR 253/11, NStZ 2012, 213; Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 529/10, NJW 2011, 1825, 1827).
53
Danach kam in den Fällen 1, 5, 15, 17 und 26 die Annahme eines Vermögensverlustes von großem Ausmaß schon deshalb nicht in Betracht, weil die Feststellungen nicht belegen, dass bei einem der betroffenen Wettanbieter ein Verlust von mehr als 50.000 Euro eingetreten ist. In den übrigen Fällen vermag der Senat auszuschließen, dass eine ausdrückliche Berücksichtigung des Umstandes , dass die Verluste der einzelnen Wettanbieter mehr als 50.000 Euro betragen haben und damit auch das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB verwirklicht ist, zu einer höheren Bestrafung geführt hätte. Die Kammer ist in allen Fällen vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen, weil sie ein gewerbsmäßiges Vorgehen der Angeklagten angenommen hat. Die Höhe der verursachten Schäden wurde bei der Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt.

IV.


54
Wegen der Aufhebung des Schuldspruchs bei dem Angeklagten S. waren auch die – an sich rechtsfehlerfrei getroffenen – ihn betreffenden Feststellungen zur Rückgewinnungshilfe nach § 111i Abs. 2 StPO aufzuheben.
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin
Nachschlagewerk:
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Täuscht der Empfänger einer Sachleistung bei einem Eingehungsbetrug
über seine Zahlungsbereitschaft, bedarf es für die
Bemessung des Schadens regelmäßig keiner von dem ohne
Wissens- und Willensmängel vereinbarten Preis abweichenden
Bestimmung des Werts der Gegenleistung.
BGH, Urteil vom 20. März 2013 – 5 StR 344/12
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 20. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. März 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richter Dölp,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S. ,
Rechtsanwalt F. ,
Rechtsanwalt Sc.
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. April 2011 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, wobei es angeordnet hat, dass zwei Monate der verhängten Freiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht folgendes ausgeführt:
3
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte, ein vermögender Immobilienkaufmann, Geschäftsführer der B. GmbH (zukünftig: B. ). Die B. stand vor der bilanziellen Überschuldung. Dem Angeklagten war über den Zeugen W. zur Kenntnis gelangt, dass die L. GmbH (zukünftig: L. ) das ehemalige Rundfunkgelände der DDR verkaufen wollte. Dieses am Spreeufer in Berlin-Oberschöneweide gelegene Areal steht unter Denkmalschutz, Teile des Rundfunkgeländes sind mit Bodenkontaminationen belastet. Nach dem Einigungsvertrag – so die Urteilsgründe des Landgerichts – fiel das Eigentum an dem Rundfunkgelände den fünf neuen Bundesländern und dem Land Berlin zu, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit unterschiedlichen Anteilen bildeten.
4
Das Grundstück, das nach den Vorstellungen des Landes Berlin weiterhin als Medienstandort genutzt werden sollte, war teilvermietet. Es verur- sachte aber erhebliche monatliche Lasten, die sich auf zwischen 100.000 € und 150.000 € monatlich beliefen. Die von der L. vertreteneEigentü- mergemeinschaft drängte deshalb auf einen raschen Verkauf des Rundfunkgeländes.
5
Der Zeuge W. wusste um die Verkaufsbemühungen. Da er aber nicht über die erforderlichen Mittel verfügte, stellte ihm der Angeklagte die von der L. geforderten 350.000 € zur Verfügung, die W. nach einem privatschriftlichen Optionsvertrag hätte aufbringen müssen. Der Angeklagte erreichte, dass er an dessen Stelle für die B. das Rundfunkgelände erwerben konnte. Um den von der L. geforderten Bonitätsnachweis zu erbringen , überwies der Angeklagte kurzfristig auf die Konten der B. einen Be- trag von ca. 1 Mio. €, ließ sich über das Guthaben Bankbescheinigungen ausstellen und zog die Beträge sogleich wieder ab.
6
Im November 2005 kam es dann zum Abschluss des notariellen Kaufvertrages zwischen der B. und der Ländergemeinschaft. In dem Vertrag wurde neben dem bereits vorab gezahlten Kaufpreis von 350.000 €, der dann verrechnet wurde, als Gegenleistung vereinbart, dass der Erwerber schon ab dem 1. Dezember 2005 alle anfallenden Bewirtschaftungskosten und Lasten des Grundstücks tragen musste, auch wenn der Übergang von Nutzen und Lasten erst später erfolgen sollte. Die B. war bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtet, die Ländergemeinschaft gegebenenfalls im Innenverhältnis freizustellen. Dieser Verpflichtung ist die B. – wie der Angeklagte von vornherein vorhatte – nie nachgekommen. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Ländergemeinschaft ein Schaden aus den nicht erstatteten Betriebskosten und Lasten in Höhe von mindestens 290.000 € entstanden. Die Ländergemeinschaft erwirkte zwar gegen die B. im zivilgerichtlichen Verfahren einen Titel, konnte diesen aber nicht vollstrecken, weil die B. zwischenzeitlich vermögenslos geworden war. Bereits vier Wochen nach dem Abschluss des Kaufvertrages wurden die Grundstücke an dieN. GmbH i. G. (kaufpreisfrei) übertragen. Etwa acht Monate später wurde ein Teil der Grundstücke für knapp 3,5 Mio. € veräußert.
7
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Betrug gewertet. Der Angeklagte habe nie vorgehabt, dass die Betriebskosten und Lasten durch die B. getragen würden. Ihm sei bewusst gewesen, dass dies für die Ländergemeinschaft ein ganz wesentlicher Punkt in den Verhandlungen gewesen sei. Der Angeklagte habe deshalb bewusst den Ankauf über die vermögenslose B. gewählt, die auch die Grundstücke kurz danach weitergegeben habe, um spätere Vollstreckungen ins Leere laufen zu lassen. Die gegenüber der Ländergemeinschaft nicht ausgeglichenen Betriebskosten und Lasten, die in einer sehr restriktiven Berechnung ermittelt worden seien, bildeten den Schaden. Auf den objektiven Wert der Grundstücke könne es nicht ankommen. Das Rundfunkgelände stelle ein reines Spekulationsobjekt dar und entzöge sich einer Wertbestimmung im Sinne des § 194 BauGB. Wenn ein Marktpreis fehle, sei der Wert aus der Vereinbarung der Parteien zu entnehmen. Dass dieser Preis nicht zu hoch gegriffen sei, zeige im Übrigen die nachfolgende Entwicklung.

II.


8
Die Revision des Angeklagten ist hinsichtlich des Schuldspruchs unbegründet , hinsichtlich des Strafausspruchs führt sie zum Erfolg.
9
1. Das Landgericht hat das Vorliegen eines Betrugs rechtsfehlerfrei bejaht.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die strafrechtliche Würdigung unerheblich, ob das Rundfunkgelände im Gesamthands- oder im Bruchteilseigentum stand. Jedenfalls konnte an der Vollmacht der ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Struktur für die Ländergemeinschaft Handelnden kein Zweifel bestehen. Anhaltspunkte, die hier den Tatrichter zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Vollmacht hätten veranlassen können, sind nicht ersichtlich. Zudem ist – und nur hierauf kommt es bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung an (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263 Rn. 89 f.) – das Geschäft abgewickelt und vollzogen worden.
11
b) Ohne Rechtsverstoß ist das Landgericht von einem Vermögensschaden ausgegangen. Einer besonderen Verkehrswertermittlung (§ 194 BauGB), die unter sachverständiger Hilfe hätte erfolgen müssen, bedurfte es nicht.
12
aa) Das Landgericht nimmt hier zutreffend einen Betrug in Form eines Eingehungsbetruges an. In seiner rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung kommt es zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte, indem er den Kauf über eine vermögenslose GmbH abwickelte, die er zum Schein kurzfristig mit erheblichen Finanzmitteln ausstattete, von Anfang an vorhatte, die zweite Komponente des Kaufpreises, nämlich die Zahlung der erheblichen Betriebskosten und Lasten schon vor Gefahrübergang, nicht erbringen zu wollen. Um die B. wieder vermögenslos zu stellen, hat er das Rundfunkgelände kurze Zeit später weiterübertragen.
13
bb) Liegt ein Eingehungsbetrug vor, gilt für die Schadensbestimmung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Gesamtsaldierung vorzunehmen ist. Dabei sind der Geldwert des gegen den Täuschenden erworbenen Anspruchs und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen. Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 55/12 Rn. 35, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639).
14
cc) Ein solcher Vergleich ergibt hier, dass der täuschungsbedingte Nachteil der Verkäuferseite darin besteht, dass sie die zweite Kaufpreiskomponente nicht erhalten hat. Da es für die Ermittlung des Schadens beim Eingehungsbetrug auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, stellt letztlich der Betrag den Schaden dar, der an Betriebskosten und Lasten bei gewöhnlichem Verlauf bis zum Zeitpunkt des Übergangs von Nutzungen und Lasten angefallen wäre. Diese Summe stellt das täuschungsbedingte Minus im Vermögen der Verkäufer dar. Dieser sicher zu erwartende Fehlbetrag war im Vertrag mit dem insoweit nicht erfüllungswilligen Angeklagten angelegt; Umstände, die diesen Verlust auf der Verkäuferseite hätten ausgleichen können, sind nicht ersichtlich.
15
Entgegen der Auffassung der Verteidigung und des Generalbundesanwalts , die dieser seinem umfassenden Aufhebungsantrag gemäß § 349 Abs. 4 StPO zugrunde gelegt hat, kommt es nicht auf eine Bestimmung des objektiven Werts des Grundstücks an. Dieser ist in einem Fall der hier vorliegenden Art bei der erforderlichen Gesamtsaldierung der Vermögenslage keine anzusetzende Position. Das Landgericht hat deshalb im Ergebnis zu Recht keine Feststellungen zum objektiven Wert der Grundstücke getroffen und keine Sachverständigenbegutachtung hierzu in Auftrag gegeben. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes.
16
(1) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 7. Dezember 2011 (NStZ 2012, 496, 504 f.) ausgeführt, dass der Vermögensschaden – abgesehen von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen – der Höhe nach zu beziffern und in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzulegen ist. Dabei können normative Gesichtspunkte bei der Bewertung von Schäden eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen. Mit dieser Entscheidung knüpft das Bundesverfassungsgericht an seine grundlegende Entscheidung zur Nachteilsbestimmung bei der Untreue (§ 266 StGB) an (BVerfGE 126, 177), in der näher dargelegt ist, wie – dort allerdings für den Fall einer pflichtwidrigen Kreditvergabe – die Schadensbewertung vorzunehmen ist.
17
(2) Die Anforderungen an die Schadensfeststellung sind (jedenfalls was die Frage der Wertfeststellung anbelangt) gewahrt. Es liegt schon nahe, dass der hier zu beurteilende Sachverhalt ein hinsichtlich der Schadensfeststellung einfach gelagerter und eindeutiger Fall im Sinne der vorgenannten Entscheidung ist.
18
Der Angeklagte hat nämlich eine Leistung versprochen, die er von vornherein nicht zu erbringen beabsichtigte, wenngleich er sie im Blick auf sein Vermögen – wie sich aus den Urteilsgründen ergibt – ohne weiteres hätte erbringen können. Stattdessen hat er den Erwerb und gewinnbringenden Weiterverkauf über eine vermögenslose GmbH initiiert. Bei einer derartigen Konstellation bedarf es keiner Schätzung des objektiven Grundstückswertes, die ohne sachverständige Hilfe nicht sachgerecht zu treffen wäre.
19
(3) Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nach Auffassung des Senats nicht entnehmen, dass grundsätzlich bei betrügerischen Handlungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Aus- tauschverträgen es der Bestimmung des „objektiven Werts“ des Vertragsge- genstands bedürfte. Abgesehen davon, dass dies mit einem nicht hinzunehmenden Aufwand verbunden und für Fälle der gängigen Betrugskriminalität auch kriminalpolitisch fragwürdig wäre, ist eine solche verobjektivierte Feststellung auch im Regelfall nicht veranlasst, zumal solche Wertbestimmungen häufig nur scheingenau sind, weil sie ihrerseits auf Rückschlüssen aus den Marktgegebenheiten beruhen. Grundsätzlich legen in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten marktwirtschaftlichen System die Vertragsparteien den Wert des Gegenstandes fest. Diese intersubjektive Wertsetzung muss nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil – wie hier – eine Partei sich bei Vertragsschluss bereits vorgenommen hat, die vertraglich übernommene Verpflichtung ganz oder teilweise nicht zu erfüllen. Deswegen hat dieser von den Parteien selbst – auf der Grundlage übereinstimmender, von Willens- und Wissensmängeln nicht beeinflusster Vorstellungen über Art und Güte des Vertragsgegenstandes – bestimmte Wert grundsätzlich auch die Basis der Schadensfeststellung im Rahmen des Betruges zu sein. Dies wird sämtliche Fallgestaltungen betreffen, in denen Leistung und Gegenleistung in keinem augenfälligen Missverhältnis zueinander stehen (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 224).
20
Ein betrugsbedingter Schaden liegt danach vor, wenn täuschungsbedingt die getäuschte Vertragspartei einen geringerwertigen Anspruch erhält, als sie nach den vertraglich vorausgesetzten Synallagma hätte beanspruchen können. Dies wird sich freilich regelmäßig durch einen Vergleich der vertraglich vorausgesetzten mit der täuschungsbedingt erlangten Leistung feststellen lassen. Der sich daraus ergebende Minderwert ist – gegebenen- falls mit sachverständiger Hilfe – zu beziffern (Saliger in: Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 263 Rn. 243). Insoweit besteht zwar nicht beim Schadensbegriff , wohl aber bei der Schadensbestimmung ein Unterschied zwischen den Straftatbeständen des Betruges (§ 263 StGB) und der Untreue (§ 266 StGB). Bei der Untreue muss bewertet werden, ob und inwieweit die pflichtwidrige Einzelhandlung zu einem Nachteil für das betreute Vermögen geführt hat. Dies kann nur in der Form eines auf objektiven Kriterien beruhenden Gesamtvermögensvergleichs erfolgen. Dagegen liegt beim Eingehungsbetrug regelmäßig eine Bewertung des Vertragsgegenstandes durch die Vertragsparteien vor. Hieran kann die Schadensbestimmung grundsätzlich anknüpfen , indem nur noch bewertet wird, inwieweit infolge der Täuschung das vertragliche Synallagma verschoben worden ist. Die Feststellung eines vom vereinbarten Preis abweichenden „objektiven Werts“ des Vertragsgegenstands ist hiermit nicht verbunden.
21
Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Abweichendes. Die vom Landgericht und sämtlichen Prozessbeteiligten in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2010 (1 StR 245/09, NStZ 2010, 700) betrifft einen anderen Sachverhalt. Dort ging es um ein betrügerisch verkauftes Unternehmen, dessen Erwerb wirtschaftlich sinnlos war. Entsprechendes gilt auch für das Urteil vom 13. November 2007 (3 StR 462/06, NStZ 2008, 96) und für den Beschluss vom 18. Juli 1961 (1 StR 606/60, BGHSt 16, 220), denen eine objektive wertlose Leistung und das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft zugrunde lagen. Die Täuschungshandlung bezog sich dort jeweils auf den Kaufgegenstand, nicht auf die in einer Geldzahlung bestehende Gegenleistung. Ähnliches gilt für Geschäfte, die eine Risikobewertung beinhalten. Eine solche Fallkonstellation lag der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde (BVerfG, NStZ 2012, 496 – Lebensversicherung). Gleiches gilt für das Urteil des 4. Strafsenats vom 20. Dezember 2012 (4 StR 55/12 – Sportwetten) und den Senatsbeschluss vom 13. April 2012 (5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 – Kreditbetrug ). All diesen Fallgestaltungen ist gemeinsam, dass es dort um die Bewertung und Bezifferung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts ging. Aber auch dies setzt nicht voraus, dass die vertragliche Preisgestaltung an sich einer Überprüfung nach objektiven Wertmaßstäben unterzogen werden müsste. Der Schaden bestimmt sich in diesen Fällen immer aus der Verschiebung des synallagmatischen Zusammenhangs zu Lasten des Getäuschten. Eine solche betragsmäßige Bestimmung wird dann in Abhängigkeit zu dem konkreten in Frage stehenden Risiko regelmäßig unter sachverständiger Mithilfe vorgenommen werden (vgl. zur Berechnung des Wettbetrugsschadens 4 StR 55/12, Rn. 40).
22
Ein derartiges Risikogeschäft liegt hier nicht vor: Ein Schaden ist bei Vertragsschluss eingetreten, weil der Angeklagte – worüber er getäuscht hat – innerlich entschlossen war, die zweite Komponente des Kaufpreises nicht zu erbringen. Für die Schadensbestimmung, die beim Eingehungsbetrug bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erfolgen hat, ist deshalb allein der Betrag relevant, den der Angeklagte von vornherein nicht erbringen wollte, bis zum Gefahrübergang an Betriebskosten und Lasten indes vertragsgemäß hätte aufbringen müssen. Dies lässt sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne weiteres anhand der monatlich zu tätigenden Aufwendungen schätzen. Dass hiernach ein Schaden entstanden ist, versteht sich angesichts der angefallenen Kosten und Lasten von selbst.
23
2. Die Verfahrensrügen, die gleichfalls den Themenkreis des Betrugsschadens betreffen, bleiben ohne Erfolg. Die Verteidigung hat Hilfsbeweisanträge zum Ausmaß der Bodenkontamination und zu deren Einfluss auf den Preis beim späteren Weiterverkauf gestellt, deren Ablehnung in den Urteilsgründen sie beanstandet. Zu der Begründung, die unter Beweis gestellten Tatsachen seien bereits erwiesen, setzt sich das Landgericht in den Urteilsgründen nicht in Widerspruch. Wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt, kommt es auf die Frage nicht an, wie sich die den Vertragsparteien bekannten Altlasten auf den Grundstückswert ausgewirkt haben können.
24
3. Dagegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
25
a) Die Schadensbestimmung des Landgerichts weicht in ihrem Grundansatz von den obigen Ausführungen insoweit ab, als sie nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt, sondern den entstandenen Schaden aufgrund der nachträglich eingetretenen Entwicklung ermittelt. In der praktischen Auswirkung wird sich freilich die bereits im Vertragsschluss angelegte Schädigung regelmäßig in der weiteren Entwicklung tatsächlich konkretisieren. Deshalb begegnet es auch keinen Bedenken, wenn der Tatrichter – soweit keine Besonderheiten in der Schadensentwicklung bestehen – auf den konkret eingetretenen Schaden abstellt.
26
Hier mag sogar eine Besonderheit insoweit bestanden haben, als der Schaden durch die verzögerte Löschung der Auflassungsvormerkung weiter vertieft wurde. Allerdings ist die Schadensaufstellung (UA S. 28) – worauf die Verteidigung zu Recht hinweist – hier defizitär. Sie ist aus sich heraus nicht ohne weiteres verständlich und auch rechnerisch nicht nachvollziehbar. Freilich bewegen sich die Unklarheiten in einem Bereich von höchstens 5 % der vom Landgericht angenommenen Schadenssumme. Ob sich diese Mängel im Ergebnis ausgewirkt haben können – was eher fernliegt –, kann der Senat offenlassen, weil die Strafzumessung in einem weiteren Punkt fehlerbehaftet ist, der zur Aufhebung des Strafausspruchs führt.
27
b) Die Strafkammer wertet es als strafschärfend, dass der Angeklagte seine Mitarbeiterin, die Zeugin Wa. , zu einem Meineid verleitet hat. Diese Wertung wird von den Feststellungen jedoch nicht getragen. Zwar schildert das Landgericht die Aussage und das Aussageverhalten der Zeugin eingehend und plausibel. Dies belegt aber nicht ausreichend eine Anstiftungshandlung des Angeklagten. Denn trotz Kontakten zwischen dem Angeklagten und der Zeugin vor ihrer Aussage in der Hauptverhandlung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeugin letztlich, um ihren Arbeitsplatz zu retten , von sich aus die den Angeklagten entlastenden, falschen Angaben ge- macht hat. Das bloße Dulden einer Falschaussage kann aber nicht strafschärfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 – 4 StR 439/03, StV 2004, 480).
28
c) Dieser Fehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs einschließlich der zugehörigen Feststellungen. Dies ermöglicht dem neuen Tatrichter, eine geordnete und nachvollziehbare Schadensberechnung vorzunehmen. Der Ausspruch über die Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung bleibt bestehen (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 – 1 StR 641/12 mwN). Der neue Tatrichter wird aber zu prüfen haben, ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene Zeit zu erhöhen sein wird.
Basdorf Raum Sander Dölp Bellay
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. Dem Angebot auf Abschluss eines Sportwettenvertrages ist
in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen,
dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht
vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert ist (im Anschluss
an BGHSt 29, 165).
2. Zur Schadensfeststellung beim Sportwettenbetrug.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 28. November und 15. Dezember 2006, an der teilgenommen haben
:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B. ,
Rechtsanwalt C.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en A. S. ,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en M. S. ,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwalt D.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en R. H. ,
Rechtsanwältin Ko.
als Verteidigerin für den Angeklagten D. M. ,
Rechtsanwalt St.
alsVerteidigerfürdenAngeklagt en F. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 15. Dezember 2006 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. November 2005 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: A. S. wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, M. S. wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, R. H. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, D. M. (unter Freisprechung im Übrigen) wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie F. S. wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Soweit Freiheitsstrafen unter zwei Jahren verhängt worden sind, hat das Landgericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge und teilweise mit Verfahrensrügen geführten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte A. S. , ein jüngerer Bruder der Angeklagten M. und F. S. , beschäftigte sich seit vielen Jahren intensiv mit Sportwetten. Seit 2000 riskierte und gewann er jährlich sechsstellige Beträge. Aufgrund seines großen Insiderwissens im Sportbereich verfügte er vielfach über einen Wissensvorsprung gegenüber den Buchmachern und konnte deshalb erhebliche Gewinne erzielen. Die hohen Wetterfolge führten dazu, dass die in Berlin ortsansässigen Buchmacher seine Wettmöglichkeiten erheblich beschränkten und seinen Einsatz limitierten. Im Jahr 2003 konnte A. S. höhere Einsätze praktisch nur noch bei der von der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette plazieren; die dabei vorgegebenen festen Quoten empfand er als „die schlechtesten Wettquoten in ganz Europa“. Sein Wettverhalten wurde zusätzlich dadurch reglementiert, dass er Kombinationswetten spielen musste. Dabei kann der Wettende nicht mehr auf ein Sportereignis allein wetten, sondern muss das Ergebnis verschiedener Sportereignisse, vornehmlich Fußballspiele, vorhersagen.
4
Bis Frühjahr 2004 hatte A. S. bei Oddset insgesamt Spielverluste in Höhe von 300.000 bis 500.000 Euro erlitten. Zu dieser Zeit entschloss er sich, seine Gewinnchancen durch Einflussnahme auf das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern entscheidend zu erhöhen, um so den bei Oddset verlorenen Betrag zurückzugewinnen. Selbstverständlich hielt er diese Manipulationen vor dem jeweiligen Wettanbieter geheim, schon um von diesem nicht von der Spielteilnahme ausgeschlossen zu werden. In Ausführung seines Plans kam es zu zehn einzelnen Taten, wobei die Wetten jeweils zu festen Gewinnquoten abgeschlossen wurden.
5
Der Angeklagte A. S. gewann dabei, teilweise unter Mithilfe seiner Brüder, die angeklagten Schiedsrichter H. und M. sowie den gesondert verfolgten Fußballspieler K. und andere Fußballspieler gegen Zahlung oder das Versprechen von erheblichen Geldbeträgen (zwischen 3.000 und 50.000 Euro) dazu, dass diese den Ausgang von Fußballspielen durch falsche Schiedsrichterentscheidungen oder unsportliche Spielzurückhaltung manipulieren. In einem Fall half R. H. , seinen Kollegen M. für eine Manipulation zu gewinnen. Betroffen waren Fußballspiele in der Regionalliga, in der Zweiten Bundesliga und im DFB-Pokal. Teilweise gelangen die von A. S. geplanten Manipulationen nicht, teilweise hatten die kombiniert gewetteten Spiele nicht den von ihm erhofften Ausgang. In vier Fällen (Fälle 2, 6, 7 und 11 der Urteilsgründe) gewann A. S. ganz erhebliche Geldbeträge (zwischen 300.000 und 870.000 Euro), in den übrigen Fällen verlor er seine Einsätze. Im Fall 10 der Urteilsgründe setzte auch M. S. Beträge in eigenem Interesse. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag der bei den Wettanbietern in allen zehn Fällen insgesamt verursachte Vermögensschaden bei knapp 2 Mio. Euro (Gewinn abzüglich der jeweiligen Einsätze), in Fällen erfolgloser Wetten nahm das Landgericht darüber hinaus eine schadensgleiche Vermögensgefährdung von insgesamt etwa 1 Mio. Euro an.
6
Das Landgericht hat jeweils einen vollendeten Betrug durch A. S. (im Fall 10 auch durch M. S. ) aufgrund einer konkludenten Täuschung der Angestellten der Wettannahmestellen bei Abgabe der Wettscheine angenommen. Aufgrund dieser Täuschung sei das Personal der Wettannahmestellen dem Irrtum erlegen, es läge bei dem jeweils vorgelegten Spielschein nicht der Ablehnungsgrund einer unlauteren Einflussnahme des Wettenden auf ein wettgegenständliches Spiel vor. Der hierdurch bedingte Abschluss des Wettvertrages habe unmittelbar zu einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bei dem jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Einsatzes geführt.

II.


7
Die Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
8
1. Die Verfahrensrügen, in denen jeweils die Behandlung von Wettbedingungen als Verstoß gegen § 244 Abs. 2, Abs. 3 oder § 261 StPO beanstandet wird, zeigen – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Verfahrensbeanstandungen (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Revisionen sind die Teilnahmebedingungen der DKLB für Oddset-Wetten und die Bedingungen der übrigen Wettanbieter für die rechtliche Lösung des Falls unerheblich:
9
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden, könnten im vorliegenden Fall allenfalls dann beachtlich sein, wenn sie zum Vorteil manipulierender Wettkunden vom geltenden Recht abweichen würden, also etwa – was überaus fernliegend ist und von den Revisionen auch nicht behauptet wird – ausnahmsweise eine Manipulation des Wettgegenstandes erlauben oder eine diesbezügliche Überprüfung des Wettkunden bzw. der Wetten auf Manipulation ausschließen würden.
10
b) Im Übrigen ergibt sich schon aus dem (allgemein) geltenden Zivilrecht , dass bei einer Wette auf den Ausgang eines zukünftigen Sportereignisses eine vorsätzliche Manipulation des Wettereignisses vertragswidrig ist. Schon hiernach ist selbstverständlich, dass kein Wettanbieter Wetten auf Sportereignisse entgegennehmen muss oder zur Auszahlung des Wettbetrages verpflichtet ist, wenn der Wettende das Wettrisiko durch eine Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten erheblich verschiebt. Die Teilnahmebedingungen haben aus diesem Grund auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Feststellung des Erklärungsinhalts im Rahmen des Wettvertragsschlusses. Denn dass der Wettanbieter bei einer Manipulation des Sportereignisses nicht an den Wettvertrag gebunden bleibt, ergibt sich schon aus der gravierenden Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Wettenden. Ob die Teilnahmebedingungen der DKLB nach den jeweiligen Taten geändert wurden oder nicht, ist entgegen der Auffassung einzelner Revisionen rechtlich unerheblich, weil es allein auf die Umstände zur Tatzeit ankommt.
11
Es ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier auch – anders als etwa im Fall der Fehlbuchung (dazu näher BGHSt 39, 392; 46, 196) – kein Ansatzpunkt zum Verständnis der Erklärungen bei Wettabschluss. Bei einer arglistigen Manipulation der Vertragsgrundlage bedarf es keiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um eine entsprechende Prüfungspflicht bzw. ein Ablehnungs- oder Anfechtungsrecht des Wettanbieters zu statuieren. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Anders als einige Revisionen meinen, bestimmen oder begrenzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nicht Prüfungsrecht und Prüfungspflicht desjenigen, der den Wettschein für den Wettanbieter entgegennimmt. Für den Erklärungsinhalt und die Überprüfungspflicht wichtig können Allgemeine Geschäftsbedingungen allerdings dann sein, wenn es nicht um die aktive Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um das Ausnutzen von Fehlern wie etwa bei einer Fehlbuchung geht (vgl. BGHSt 46,

196).


12
Auf Allgemeine Geschäftsbedingungen kommt es vorliegend auch deshalb nicht entscheidend an, weil weder die Feststellungen des Landgerichts noch der Revisionsvortrag eine wirksame Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegen (vgl. §§ 305, 305a BGB).
13
c) Dies gilt unabhängig davon, ob es um Wettabschlüsse mit deutschen oder mit ausländischen Wettanbietern über deutsche Sportwettenvermittler geht. In allen diesen Fällen bestimmt sich die Rechtslage nach dem dargestellten deutschen Recht (Art. 28 und Art. 29 EGBGB; vgl. auch Heldrich in Palandt, BGB 66. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 19; Martiny in MünchKomm-BGB 4. Aufl. Art. 28 EGBGB Rdn. 376).
14
2. Auch die Sachrügen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
15
a) Das Landgericht hat die Taten im Ergebnis zutreffend als zehn Fälle des Betruges zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter angesehen.
16
Der Angeklagte A. S. (im Fall 10 auch M. S. ) hat bei Abgabe der Wettscheine konkludent erklärt, nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt zu sein, und hat hierdurch den Mitarbeiter der Annahmestelle getäuscht, so dass dieser irrtumsbedingt die jeweiligen Wettverträge abschloss, wodurch den Wettanbietern täuschungsbedingt ein Schaden entstanden ist.
17
aa) Der 3. Strafsenat hat bereits entschieden, dass ein Wettteilnehmer , der den Gegenstand des Wettvertrages zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt (BGHSt 29, 165, 167 – „Pferdewetten“): Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGHSt 29, 165, 167 f.). Der Senat sieht entgegen der Bundesanwaltschaft keinen Anlass, von dieser in der Literatur vielfach geteilten Auffassung (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 18; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 16e; Hefendehl in MünchKomm-StGB § 263 Rdn. 113; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 263 Rdn. 9; Kindhäuser in NK-StGB 2. Aufl. § 263 Rdn. 133; Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 71; Valerius SpuRt 2005, 90, 92; Weber in Pfister [Hrsg.], Rechtsprobleme der Sportwette [1989] S. 39, 62; a. A. etwa Schlösser NStZ 2005, 423, 425 f.; jeweils m.w.N.) im Ergebnis abzurücken.
18
Gegen die Auffassung, beim Abschluss einer Sportwette erkläre der Wetter zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses, wird – im Anschluss an BGHSt 16, 120 („Spätwette“, m. abl. Anm. Bockelmann NJW 1961, 1934) – geltend gemacht, die Annahme einer solchen Erklärung liefe auf eine „willkürliche Konstruktion“ hinaus (vgl. Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung [2001] S. 164 f.; Weber aaO S. 57 f.; Schlösser aaO S. 425 f.; Schild ZfWG 2006, 213, 215 ff.); damit werde zudem in unzulässiger Weise ein lediglich gemäß § 13 StGB strafbares Unterlassen in ein aktives Tun umgedeutet (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216). Gegen diese auch von der Bundesanwaltschaft erhobenen Einwände spricht folgendes:
19
(1) In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass außer durch ausdrückliche Erklärung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen , eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 47, 1, 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 22; jeweils m.w.N.).
20
Der Erklärungswert eines Verhaltens ergibt sich demnach nicht nur aus demjenigen, was ausdrücklich zum Gegenstand der Kommunikation gemacht wird, sondern auch aus den Gesamtumständen der konkreten Situation (vgl. Vogel in Gedächtnisschrift für Rolf Keller [2003] S. 313, 315). Dieser unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 12). Derartige tatsächliche Erwartungen werden ganz wesentlich auch durch die Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise und die in der Situation relevanten rechtlichen Normen geprägt (vgl. auch Hefendehl aaO § 263 Rdn. 88; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 30). In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen ersichtlich die Erwartungen der Kommunikationspartner geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind daher sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15; Vogel aaO S. 316).
21
Entscheidende Kriterien für die Auslegung eines rechtsgeschäftlich bedeutsamen Verhaltens sind neben der konkreten Situation der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 14/15). Liegen keine Besonderheiten vor, kann der Tatrichter regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Ein derartiger Schluss des Tatrichters von den Gesamtumständen eines Geschehens, die auch von normativen Erwartungen geprägt sind, auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt führt nicht zur „Fiktion“ einer Erklärung.
22
Für eine Vielzahl von Fallgruppen hat die Rechtsprechung anhand des jeweiligen Geschäftstyps und der dabei üblichen Pflichten- und Risikoverteilung den jeweils typischen Inhalt konkludenter Kommunikation herausgearbeitet (vgl. näher Tiedemann aaO § 263 Rdn. 31 ff.; Hefendehl aaO § 263 Rdn. 93 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 13 ff.; je m.w.N.). Erklärungsinhalt kann danach auch sein, dass etwas nicht geschehen ist (sog. „Negativtatsache“ ), etwa ein Angebot ohne vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande kam (vgl. BGHSt 47, 83, 87). Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es um erhebliche vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht (vgl. RGSt 20, 144: Überstreichen schwammbefallener Hausteile; RGSt 59, 299, 305 f.: Überdecken schlechter Ware; RGSt 29, 369, 370; 59, 311, 312; BGH MDR 1969, 497 f.: Verfälschen von Lebensmitteln; BGHSt 8, 289: Zurückbehalten des Hauptgewinnloses einer Lotterie; BGH NJW 1988, 150: Erschleichen einer Prädikatsbezeichnung für Wein; BGHSt 38, 186; 47, 83: unzulässige vorherige Preisabsprache; vgl. zur konkludenten Täuschung bei Manipulation auch Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug [1999] S. 87). Zwar reicht die allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen nicht aus. Abgesehen davon , dass die Vertragspartner aber ein Minimum an Redlichkeit im Rechtsverkehr , das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen dürfen (vgl. Cramer /Perron aaO § 263 Rdn. 14/15), ist die Erwartung, dass keine vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht, unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.
23
Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH NStZ 2003, 372, 373; Hofmann/Mosbacher NStZ 2006, 249, 251 m.w.N.), ist Gegenstand des Vertrages das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand [1994] S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug. Beim Abschluss einer Sportwette erklärt demnach regelmäßig jeder der Beteiligten konkludent, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch eine von ihm veranlasste, dem Vertragspartner unbekannte Manipulation des Sportereignisses zu seinen Gunsten verändert wird (BGHSt 29, 165). Denn dies erwartet nicht nur der Wettanbieter vom Wettenden, sondern auch umgekehrt der Wettende vom Wettanbieter.
24
Weil sich eine Sportwette zwangsläufig auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis bezieht, kann sich die Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits endgültig durchgeführte, sondern nur auf eine beabsichtigte Manipulation beziehen. Eine Täuschung ist jedenfalls dann anzunehmen , wenn zu dem konkreten Plan der Manipulation des zukünftigen Sportereignisses die konkrete Einflussnahme tritt, etwa wie hier durch die vorherigen Abreden mit Teilnehmern an dem Sportereignis, die ihre Manipulationsbereitschaft zugesagt haben. Nur in einem solchen Fall wird der Wettende auch – wie hier – erhebliche Beträge auf einen eher unwahrscheinlichen (und dafür zu hohen Gewinnquoten angebotenen) Spielausgang setzen. Wer erhebliche Beträge zu hoher Quote auf einen unwahrscheinlichen Spielausgang setzt und in Manipulationen des Spielgeschehens verstrickt ist, hat diese regelmäßig bereits zuvor schon so hinreichend konkret ins Werk gesetzt, dass es bei normalem Lauf der Dinge allein von ihm abhängt, ob es zu der unlauteren Beeinflussung des Spielverlaufs kommt. Dass dies bei A. S. jeweils der Fall war, ist den Feststellungen des Landgerichts zu den Wettvertragsabschlüssen insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.
25
Dieser Begründung steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 16, 120 („Spätwette“) nicht entgegen. Dort ging es nicht um eine Manipulation des Vertragsgegenstandes, sondern um ein überlegenes Wissen des Wettenden , das aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammte. Ob der Wettende bei Abschluss einer Wette auf ein zukünftiges Ereignis auch konkludent erklärt, dieses sei noch nicht eingetreten, so dass er davon nichts wisse, bedarf hier deshalb keiner Entscheidung. Dagegen mag sprechen, dass das Einholen allgemein zugänglicher Informationen über den Wettgegenstand typischerweise in das Risiko jedes Vertragspartners fällt. Berechtigterweise erwartet der Vertragspartner einer Sportwette jedenfalls, dass der andere Teil nicht über Sonderwissen verfügt, das aus einer verwerflichen Manipulation des Wettgegenstandes resultiert (vgl. aber auch Habersack in MünchKomm-BGB 4. Aufl. § 762 Rdn. 19).
26
(2) Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Schlösser aaO S. 426; Schild aaO S. 216) handelt es sich bei der Täuschung der jeweiligen Wettbüro-Mitarbeiter um eine konkludente Täuschung durch aktives Tun und nicht um eine Täuschung durch Unterlassen.
27
Die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen (missverständlich deshalb BGHSt 29, 165, 167, soweit dort auf ein „Verschweigen“ abgestellt wird), wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die – wie oben dargestellt – zur unverzichtbaren Grundlage des Geschäfts zählen. Deshalb ist im vorliegenden Fall ein aktives Verhalten, nämlich der Abschluss des Wettvertrages, die strafbarkeitsbegründende Täuschungshandlung , weil ihm der Erklärungswert zukommt, nicht auf Manipulationen des Vertragsgegenstandes hingewirkt zu haben. Da bereits ein Betrug durch aktives Tun vorliegt, kann dahinstehen, ob hier auch ein Betrug durch Unterlassen der Aufklärung über die Spielmanipulation (vgl. zu einer möglichen Aufklärungspflicht Henssler aaO S. 471; Habersack aaO § 762 Rdn. 19) oder später (vgl. etwa in Fall 7 der Urteilsgründe das Gespräch mit den Vertretern des Wettveranstalters) gegeben ist (vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen einer Täuschung durch Tun und durch Unterlassen Tiedemann aaO § 263 Rdn. 29 m.w.N.; Schlösser aaO S. 426).
28
bb) Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes ist bei den jeweiligen Mitarbeitern der Wettanbieter auch ein entsprechender Irrtum erregt worden (vgl. BGHSt 29, 165, 168). Die Mitarbeiter der Wettanbieter gingen – jedenfalls in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins (hierzu näher Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 35 m.w.N.) – jeweils davon aus, dass das wettgegenständliche Risiko nicht durch Manipulation des Sportereignisses zu Ungunsten ihres Unternehmens ganz erheblich verändert wird. Ansonsten hätten sie die jeweiligen Wettangebote zu der angebotenen Quote zurückgewiesen. Gerade weil die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes beim Abschluss einer Sportwette mit festen Quoten für die Vertragspartner von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wettrisikos ist, verbinden Wettender und Wettanbieter mit ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen regelmäßig die Vorstellung, dass der Wettgegenstand nicht manipuliert wird (vgl. auch BGHSt 24, 386, 389). Hierüber irren sie aber infolge des Verhaltens des anderen Teils. Dieser Irrtum führte auch zu einer Vermögensverfügung, nämlich zum Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Wettanbieter.
29
cc) Bei den jeweiligen Wettveranstaltern ist durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung auch ein Schaden entstanden.
30
(1) In allen Fällen liegt bereits mit Abschluss der jeweiligen Wettverträge ein vollendeter Betrug vor.
31
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) ergibt der Vergleich der Vermögenslage vor und nach Abschluss des Vertrages , ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. Wenn der Wert des Anspruchs auf die Leistung des Täuschenden hinter dem Wert der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten zurückbleibt, ist der Getäuschte geschädigt (vgl. BGHSt 16, 220, 221; BGH NStZ 1991, 488). Entscheidend ist für die Tatbestandserfüllung beim (Eingehungs-)Betrug nämlich, dass der Verfügende aus dem Bestand seines Vermögens aufgrund der Täuschung mehr weggibt, als er zurückerhält (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64 m.w.N.). Diese für übliche Austauschgeschäfte entwickelte Rechtsprechung bedarf der Anpassung an die Besonderheiten der hier gegenständlichen Sportwetten , bei denen zur Eingehung der vertraglichen Verpflichtungen der Aus- tausch von Einsatz und Wettschein (einer Inhaberschuldverschreibung, vgl. Sprau in Palandt aaO § 793 Rdn. 5) hinzukommt:
32
Bei Sportwetten mit festen Quoten (sog. Oddset-Wetten) stellt die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar; die Quote bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Weil die von A. S. geplante und ins Werk gesetzte Manipulation der Fußballspiele das Wettrisiko ganz erheblich zu seinen Gunsten verschoben hatte, entsprachen die bei dem Vertragsschluss vom Wettanbieter vorgegebenen Quoten nicht mehr dem Risiko, das jeder Wettanbieter seiner eigenen kaufmännischen Kalkulation zugrunde gelegt hatte. Eine derart erheblich höhere Chance auf den Wettgewinn ist aber wesentlich mehr wert, als A. S. hierfür jeweils in Ausnutzung der erfolgten Täuschung gezahlt hat. Für seinen jeweiligen Einsatz hätte er bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn erkaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stellt bereits bei jedem Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar. Dieser ähnelt infolge des für Wetten typischen Zusammenhangs zwischen Wettchance und realisiertem Wettrisiko der vom Landgericht angenommenen schadensgleichen Vermögensgefährdung (gegen deren Annahme indes durchgreifende Bedenken bestehen, vgl. unten [3]) und stellt wirtschaftlich bereits einen erheblichen Teil des beabsichtigten Wettgewinns dar. Dass Wetten für erkannt manipulierte Spiele nicht angeboten werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt aus seinem Vermögen eine Gewinnchance einräumt, die (unter Berücksichtigung der Preisbildung des Wettanbieters) gemessen am Wetteinsatz zu hoch ist. Mithin verschafft sich der Täuschende eine höhere Gewinnchance , als der Wettanbieter ihm für diesen Preis bei richtiger Risikoeinschätzung „verkaufen“ würde.
33
Ein derartiger Quotenschaden muss nicht beziffert werden. Es reicht aus, wenn die insoweit relevanten Risikofaktoren gesehen und bewertet werden. Realisiert sich der vom Wettenden infolge seiner Manipulation erstrebte Gewinn nicht, verbleibt es vielmehr bei dem mit erfolgreicher Täuschung bereits erzielten Quotenschaden, so ist dem wegen der geringeren Auswirkungen der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
34
(2) In denjenigen Fällen, in denen es zur Auszahlung von Wettgewinnen auf manipulierte Spiele kam (Fälle 2, 6, 7, 11), ist das mit dem Eingehungsbetrug verbundene erhöhte Verlustrisiko in einen endgültigen Vermögensverlust der jeweiligen Wettanbieter in Höhe der Differenz zwischen Wetteinsatz und Wettgewinn umgeschlagen (vgl. zur Schadensberechnung näher Fasten/Oppermann JA 2006, 69, 73; Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 71 m.w.N.); der so erzielte Vermögensvorteil war insbesondere das Endziel des mit Hilfe von Manipulationen Wettenden. Weil sich Sportwettenverträge auf ein in der Zukunft stattfindendes Ereignis beziehen, stellt der Quotenschaden das notwendige Durchgangsstadium und damit einen erheblichen Teil des beabsichtigten endgültigen Schadens bei dem Wettanbieter dar.
35
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Kutzner JZ 2006 S. 712, 717; Schild aaO S. 219) liegt der betrugsrelevante Vermögensschaden in diesen Fällen nicht in der – kaum feststellbaren – Differenz zwischen der auf Grund des „normalen Wettverhaltens“ prognostizierten Gesamtgewinnausschüttung und der nach Manipulation tatsächlich auszuschüttenden Gesamtgewinnsumme. Diese mögliche Vermögenseinbuße stünde zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vom Wettenden beabsichtigten Vermögensmehrung, so dass insoweit Bedenken hinsichtlich der Stoffgleichheit der erstrebten Bereicherung bestünden. Ausreichend und allein maßgeblich ist, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt den Wettgewinn auszahlt, auf den der Wettende wegen der Spielmanipulation keinen Anspruch hat, und in dieser Höhe sein Vermögen mindert; gerade diese Bereicherung erstrebt auch der Wettende. Die Ersparnis anderweitig zu erwartender Gewinnausschüttungen durch den Wettanbieter infolge der Manipulation ist allenfalls mittelbar relevant (vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 54).
36
Für die Schadensfeststellung kommt es entgegen der Auffassung einiger Revisionen auch nicht darauf an, ob sich die von A. S. ins Werk gesetzten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder wenigstens entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es reicht vielmehr aus, dass der jeweilige Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtigten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte. Denn nicht der Erfolg der Manipulation ist Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB, sondern allein die täuschungsbedingte Vermögensschädigung. Im Übrigen ist für die Risikoverschiebung die Zusage der Manipulation durch einen Mannschaftsspieler oder gar einen Schiedsrichter – anders als von einigen Verteidigern in der Revisionshauptverhandlung vorgetragen – regelmäßig von erheblicher Bedeutung.
37
(3) In denjenigen Fällen, in denen die Manipulationen keinen oder keinen vollständigen Wetterfolg einbrachten, hat das Landgericht allerdings den Schaden nicht gemäß den vorstehenden Grundsätzen bestimmt. Abgesehen davon sind auch die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts nicht tragfähig , soweit es bereits beim Abschluss der Wettverträge eine schadensgleiche Vermögensgefährdung der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des möglichen Wettgewinns (abzüglich des Einsatzes) angenommen hat.
38
Zwar kann auch schon die bloße konkrete Gefährdung einen Vermögensschaden i. S. von § 263 StGB darstellen. Diese Gefährdung muss aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten. Die täuschungsbedingte Gefahr des endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils muss zum Zeitpunkt der Verfügung so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Ge- samtvermögens zur Folge hat (vgl. BGHSt 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264). Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht , kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betrogene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat (BGHSt 21, 112, 113). Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt, die sich einer Einflussnahme trotz der Manipulation immer noch in ganz wesentlichem Umfang entziehen.
39
Durch den Abschluss der Wettverträge ist es über den oben dargestellten Quotenschaden hinaus erst zu einer abstrakten Gefährdung der Vermögen der jeweiligen Wettanbieter in Höhe des durch die Wettquote bestimmten Auszahlungsbetrages abzüglich des Einsatzes gekommen. Ein Erfolg der Manipulationen war nach den Feststellungen des Landgerichts nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, sondern schlug in vielen Fällen trotz beträchtlicher Eingriffe in das Spielgeschehen fehl, insbesondere auch, weil die kombinierten Spiele teilweise einen anderen Ausgang nahmen; dies macht deutlich, dass die Manipulation des Spielgeschehens nur die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Spielausgangs um einen gewissen – regelmäßig freilich, wie ausgeführt, erheblichen – Grad erhöhen konnte (vgl. dazu Kutzner aaO S. 717; Mosbacher NJW 2006, 3529, 3530).
40
b) Die Feststellungen des Landgerichts belegen ohne Weiteres die abgeurteilten Beihilfehandlungen der Angeklagten M. und F. S. sowie R. H. und D. M. .
41
aa) Die Betrugstaten des Haupttäters A. S. waren in dem von ihm beabsichtigten und von den Teilnehmern erkannten Umfang frühestens mit der Auszahlung des zu Unrecht beanspruchten Wettgewinns beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt förderten alle Handlungen, die unmittelbar der Manipulation des wettgegenständlichen Spielereignisses dienten oder durch die Spieler bzw. Schiedsrichter zur Manipulation des Spielgeschehens angehal- ten oder dabei bestärkt wurden, den beabsichtigten unrechtmäßigen Wettgewinn von A. S. . Aufgrund der Eigenart der Sportwette, die ein in der Zukunft liegendes Sportereignis betrifft, ist eine derartige Beihilfe zum Wettbetrug mittels Manipulation des Wettereignisses nicht nur durch deren vorherige Zusage, sondern auch nach Wettvertragsabschluss möglich. Dass die jeweiligen Teilnehmer insoweit vorsätzlich gehandelt haben, ergibt sich nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Kenntnis vom beabsichtigten bzw. erfolgten Abschluss der Sportwetten; nur der Wettvertragsabschluss gab den Spielmanipulationen aus Sicht der Beteiligten hier einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Sinn.
42
bb) Der Angeklagte H. hat auch im Fall 8 der Urteilsgründe eine Beihilfe zum Wettbetrug A. S. begangen. Entgegen der Auffassung der Revision zu diesem Fall belegen die Feststellungen des Landgerichts hinreichend, dass H. in diesem Fall dem Haupttäter A. S. konkret bei seinem Betrug geholfen hat, indem er ihn bei der Anwerbung des Angeklagten M. für eine Spielmanipulation unterstützte. Soweit das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Taten und im Rahmen der Strafzumessung – ersichtlich versehentlich – nicht zwischen dem Fall 8 der Urteilsgründe und den Einflussnahmen H. s als Schiedsrichter auf dem Spielfeld differenziert hat (vgl. UA S. 47, 53), ist dies im Ergebnis unschädlich: Das Unrecht H. s wiegt in Fall 8 nicht minder schwer als in den Fällen einer Manipulation auf dem Spielfeld. H. hat in diesem Fall sogar ganz erheblich dazu beigetragen, einen weiteren zur Unparteilichkeit verpflichteten Schiedsrichter in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
43
cc) Im Fall 10 tragen die Feststellungen des Landgerichts auch die Annahme einer Beihilfe F. S. s zum gemeinschaftlich von A. und M. S. begangenen Betrug. F. S. hat danach R. H. ausdrücklich zur Manipulation des Fußballspiels in dem von seinem Bruder A. S. gewünschten Sinne ermutigt. Er hat aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens auch ersichtlich in der Kenntnis gehandelt, dass auf dieses manipulierte Spiel Sportwetten abgeschlossen sind oder werden und dass sein Handeln den beabsichtigten Eintritt des Wetterfolges fördert.
44
c) Dass im Fall 10 der Urteilsgründe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen M. S. die Sportwetten in Italien abgeschlossen hat, hindert eine Bestrafung der in diesem Fall Beteiligten nach deutschem Recht nicht:
45
Eine als Betrug nach § 263 StGB strafbare Haupttat M. S. s ist noch hinreichend durch Feststellungen belegt. Wie sich aus den gleichsam „vor die Klammer“ gezogenen Feststellungen des Landgerichts ergibt, gab der Angeklagte M. S. die Wettscheine auch in diesem Fall in den Geschäftsräumen des Wettanbieters ab und erklärte damit zugleich konkludent, nicht an einer Manipulation des wettgenständlichen Sportereignisses beteiligt zu sein. Aus dem einschlägigen italienischen Recht ergibt sich weder zum Erklärungswert seines Verhaltens noch in anderer Hinsicht ein relevanter Unterschied zum deutschen Recht; insbesondere besteht auch dort die Möglichkeit , sich bei einer bewussten Täuschung ohne weiteres vom Vertrag zu lösen (vgl. Art. 1427 ff. Codice Civile).
46
Für die Tat von M. S. im Fall 10 der Urteilsgründe gilt nach § 3 StGB das deutsche Strafrecht, weil die Tat (auch) im Inland begangen worden ist. Weil M. S. nach den (insoweit tragfähigen) Feststellungen des Landgerichts in diesem Fall als Mittäter des Angeklagten A. S. gehandelt hat, und ihm deshalb aufgrund des gemeinsamen Tatplans das Handeln A. S. s in Deutschland und auch der Ort dieses Handelns zuzurechnen ist, ist Tatort im Sinne von § 9 StGB auch für M. S. Deutschland (vgl. BGHSt 39, 88, 91; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3). Für die Teilnehmer ergibt sich ein Tatort im Bundesgebiet in diesem Fall jedenfalls aus § 9 Abs. 2 StGB. Zudem ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass auch A. S. in diesem Fall – was angesichts der von ihm versprochenen Bestechungssumme von 50.000 Euro mehr als nahe liegt – auf das ma- nipulierte Spiel gewettet hat; das Landgericht konnte lediglich keine Feststellungen dazu treffen, wo und in welcher Höhe dies geschehen ist.
47
d) Auch die weiteren Einwände der Revisionen gegen den Schuldspruch tragen nicht:
48
Soweit unter Hinweis auf nicht im Urteil wiedergegebene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgetragen wird, beim Wettvertragsschluss könnte keine reale Person getäuscht werden, weil der Vertragsschluss letztlich nur elektronisch erfolge, widerspricht dies den (nicht angegriffenen) Feststellungen des Landgerichts. Danach hat stets ein Mitarbeiter des Wettbüros die Wettscheine entgegengenommen, nach Prüfung weitergeleitet und insbesondere den Wetteinsatz vereinnahmt.
49
Der Einwand der Revision, ausländischen Wettanbietern könne in Hinblick auf §§ 762, 763 BGB wegen der Rechtswidrigkeit ungenehmigter ausländischer Wetten kein Schaden entstehen, verfängt nicht. Zwar findet auf Sportwetten § 763 Satz 2 i.V.m. § 762 BGB grundsätzlich Anwendung (vgl. BGH NJW 1999, 54). Unabhängig von der Frage, ob im EU-Ausland genehmigte Sportwetten auch im Bundesgebiet ohne zusätzliche Genehmigung zulässig vermittelt werden dürfen oder nicht (vgl. hierzu OLG München NJW 2006, 3588; Mosbacher NJW 2006, 3529), ist hier jedenfalls aus wirtschaftlicher Sicht eine Schädigung der ausländischen Wettanbieter eingetreten (vgl. auch Weber aaO S. 67; Cramer/Perron aaO § 263 Rdn. 91; RGSt 68, 379, 380).
50
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Angeklagten M. . Die Feststellungen des Landgerichts zu seiner Tatbeteiligung beruhen auf einer tragfähigen Grundlage, nämlich auf seinem Eingeständnis, von A. S. die festgestellten Zahlungen erhalten zu haben, sowie im Übri- gen auf den vom Landgericht als glaubhaft angesehenen Angaben der geständigen Angeklagten A. S. und R. H. .
51
e) Die Rechtsfolgenaussprüche können bestehen bleiben.
52
aa) Auch wenn das Landgericht in demjenigen Teil der Fälle, in denen die Manipulationen nicht zu dem gewünschten Spielergebnis geführt haben oder die Kombinationswetten aus anderen Gründen keinen Erfolg hatten, der Strafzumessung einen zu großen Schadensumfang zugrunde gelegt hat, kann der Senat ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei einer zutreffenden rechtlichen Bewertung niedrigere Einzelstrafen und niedrigere Gesamtstrafen verhängt hätte: Zum einen ist ein Gefährdungsschaden für die Strafzumessung ohnehin nicht mit dem darüber hinaus erstrebten endgültigen Schaden gleichzusetzen (vgl. BGH wistra 1999, 185, 187). Zum zweiten ähnelt der vom Landgericht nicht ausdrücklich bezifferte Quotenschaden dem angenommenen Gefährdungsschaden und stellt jedenfalls einen erheblichen Teil hiervon dar; die Wettanbieter hätten bei nicht täuschungsbedingter Fehleinschätzung des Wettrisikos für die gezahlten Einsätze allenfalls wesentlich geringere Wettchancen eingeräumt. Schließlich war ohnehin strafschärfend zu berücksichtigen, dass sich der Vorsatz über den durch Eingehung der Wetten bereits vollendeten Schadenseintritt hinaus auf eine ganz erhebliche Gewinnsumme bezog und damit das vom Vorsatz umfasste Handlungsziel den als „Durchgangsschaden“ erfassten Quotenschaden des Wettanbieters jeweils ganz erheblich überstieg (vgl. auch BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ 2000, 38, 39).
53
bb) Auch im Übrigen hält die Strafzumessung im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand: Das Landgericht hat zwar verkannt, dass es sich bei § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nicht um einen Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Betruges, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt, die grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte erfordert (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 2 Besonders schwerer Fall 1) und insbesondere auch deshalb ausscheiden kann, weil die Voraussetzungen eines vertypten Strafmilderungsgrunds (hier etwa §§ 21, 27 StGB) vorliegen (BGH wistra 2003, 297). Bei den wegen Beihilfe zum Betrug verurteilten Angeklagten hat das Landgericht auch nicht bedacht, dass die Teilnahmehandlung als solche als besonders schwerer Fall zu werten sein muss (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 105 m.w.N.) und das täterbezogene Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur demjenigen Tatbeteiligten angelastet werden kann, der dieses Merkmal selbst aufweist (vgl. Eser in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 243 Rdn. 47 m.w.N.). Der Senat kann jedoch ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass sich diese Fehler bei der Strafzumessung ausgewirkt haben.
54
(1) Bei A. S. war ein Absehen von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 erste Alt. StGB nach den Gesamtumständen der mit hoher krimineller Energie ins Werk gesetzten Betrügereien, bei denen es jeweils um ganz erhebliche Summen ging, auch unter Berücksichtigung von § 21 StGB offensichtlich nicht veranlasst. Dem Senat erscheint es im Übrigen angesichts des jahrelangen professionellen Agierens von A. S. auf dem Sportwettenmarkt, seines kompliziert angelegten Wett- und Manipulationssystems und des damit verbundenen erheblichen organisatorischen Aufwands ohnehin eher fernliegend, dass bei diesem Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Begehung sämtlicher Taten wegen „Spielsucht“ erheblich eingeschränkt gewesen sein soll (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 49, 365, 369 f. m.w.N.). Die vom Landgericht angenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB beschwert den Angeklagten jedoch nicht. In den Fällen 2, 6, 7 und 11 liegen zudem zusätzlich – auch bei den Teilnehmern, die angesichts der Kenntnis von den Gesamtumständen und angesichts der Höhe der gezahlten Bestechungsgelder insoweit zumindest mit bedingtem Vorsatz handelten – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erste Alt. StGB vor.
55
(2) Bei den Angeklagten H. und M. hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass auch diese Angeklagten selbst gewerbsmäßig gehandelt haben. Sie wollten sich durch die Zusammenarbeit mit A. S. eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle von einigem Umfang erschließen. Bei diesen Angeklagten liegt aufgrund der besonders pflichtwidrigen Ausnutzung ihrer Stellung als unparteiische Schiedsrichter im Übrigen auch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf der Hand.
56
(3) Eigenes gewerbsmäßiges Handeln hat das Landgericht auch für M. S. festgestellt. Es kann dahinstehen, ob diese Wertung tatsächlich ausreichend belegt ist. Der Senat kann angesichts der Vielzahl erschwerender Gesichtspunkte jedenfalls ausschließen (§ 354 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei den Angeklagten M. und F. S. bei bloßer Anwendung von § 263 Abs. 1 StGB auf noch niedrigere Einzel- und Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der ohnehin maßvollen Strafen ersichtlich nicht am oberen Ende des – abgesehen von Fall 10 für M. S. – gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmens des § 263 Abs. 3 StGB orientiert.
57
(4) Die verhängten Einzelstrafen und die verhängte Gesamtstrafe sind darüber hinaus auch aus folgenden Gründen angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO: Es geht bei den durch die Angeklagten unterstützen Betrügereien von A. S. ganz überwiegend um erhebliche Summen und insgesamt um Beträge von mehreren Millionen Euro. Die Spielmanipulationen haben nicht nur die jeweiligen Wettanbieter geschädigt, sondern – wie die Angeklagten wussten – einer Vielzahl Unbeteiligter ganz erhebliche Schäden zugefügt: Die jeweiligen Fußballmannschaften und alle zahlenden Zuschauer wurden um ein faires Spiel gebracht. Die infolge von Manipulationen unterlegenen Mannschaften und ihre Trainer mussten erhebliche wirtschaftliche Schäden gewärtigen, die sich etwa im Fall des Ausscheidens des Hamburger SV aus dem DFB-Pokal auch durch die Entlas- sung des damaligen Trainers realisiert haben. Die massive Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zum Zweck der Spielmanipulation hat zudem dem gesamten professionellen Fußballsport einen ganz erheblichen Rufschaden zugefügt, indem das Vertrauen von Millionen sportbegeisterter Zuschauer in die Fairness des Fußballsports und in die Unparteilichkeit der Schiedsrichter massiv enttäuscht wurde. Im Übrigen sind auch viele redliche Wettkunden, die auf ein anderes Ergebnis gesetzt hatten, im Falle gelungener Spielmanipulationen um ihre Gewinnchancen gebracht worden. Diese offenkundigen erschwerenden Gesichtspunkte hat das Landgericht im Rahmen seiner Strafzumessung nicht einmal umfassend ausdrücklich bedacht.
58
(5) Bei F. S. ist die Gesamtstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auch deshalb angemessen, weil das Landgericht zugunsten dieses Angeklagten einen nicht gerechtfertigten Härteausgleich vorgenommen hat. Die Strafkammer hat sich hierfür auf eine am 25. Oktober 2004 erfolgte Verurteilung zu einer bereits vollstreckten Geldstrafe bezogen und mit Rücksicht auf die fehlende Gesamtstrafenfähigkeit einen Härteausgleich in Höhe von einem Monat Freiheitsstrafe gewährt. Unbeachtet blieb dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Tat Nr. 10 der Urteilsgründe noch nicht begangen worden war. Wegen der Erledigung der Geldstrafe entfiel mithin lediglich die Zäsurwirkung der Verurteilung vom 25. Oktober 2005. Daher hat sich der Angeklagte durch die Erledigung der Geldstrafe die Verhängung zweier – notwendig in der Summe gegenüber der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe höherer – Freiheitsstrafen erspart, mithin keinen Nachteil, sondern einen Vorteil erlangt. Deshalb war kein Härteausgleich gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 4).
59
3. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die missverständliche Entscheidung des Landgerichts im Adhäsionsverfahren nicht bedeutet, dass die Adhäsionskläger ihr Ziel nicht anderweitig weiter verfolgen könnten (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Daher wäre lediglich ein Absehen von einer Ent- scheidung, nicht etwa, wie zu weitgehend erfolgt, eine Antragsabweisung zu tenorieren gewesen (vgl. BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters für Kautionen
bei Wohnraum- und Gewerberaummiete (im Anschluss an
BGHSt 41, 224).
BGH, Beschluss vom 2. April 2008 – 5 StR 354/07
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 2. April 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Untreue u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. April 2008

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Februar 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat – neben Teileinstellung und -freispruch – den Angeklagten G. S. wegen Untreue in 201 Fällen – unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt sowie gegen ihn ein Berufsverbot für vier Jahre ausgesprochen. Gegen seine Ehefrau E. S. und seinen Sohn M. S. hat das Landgericht wegen Beihilfe zur Untreue Geldstrafen in Höhe von 150 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen verhängt. Gegen dieses Urteil wenden sich sämtliche Angeklagten mit ihren Revisionen, die jeweils mit der Sachrüge im vollen Umfang Erfolg haben. Der Generalbundesanwalt hat – ohne Begründung – Terminsantrag gestellt und zur Sache keine Ausführungen gemacht (vgl. zur gleichwohl zulässigen Verfahrensweise nach § 349 Abs. 4 StPO Hanack in Löwe /Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 349 Rdn. 37; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 349 Rdn. 30).

I.


2
Das landgerichtliche Urteil enthält folgende Feststellungen und Wertungen :
3
1. Der Angeklagte G. S. war faktischer Geschäftsführer der W. Q. GmbH, der Komplementärin der KG, sowie der Sa. GmbH, die Komplementärin der Sa. KG war. An beiden Unternehmen hielten Familienmitglieder die Mehrzahl der Geschäftsanteile, nämlich unter anderem seine mitangeklagte Ehefrau E. (bei der ) und sein mitangeklagter Sohn M. (bei der Sa. ). Die Angeklagten E. und M. S. waren auch jeweils Geschäftsführer des Unternehmens, an dem sie eine Mehrheitsbeteiligung innehatten.
4
Sowohl die KG als auch die Sa. KG vermieteten ihnen gehörende Wohn- und Gewerbeimmobilien. Entsprechend der mietvertraglichen Regelungen waren die Mieter zur Stellung von Kautionen verpflichtet. Die Kautionen wurden meist in bar übergeben oder per Überweisung an die beiden Gesellschaften geleistet. Der Angeklagte G. S. , der in beiden Unternehmen alle wesentlichen Entscheidungen traf, zahlte die Kautionen jeweils auf ein Girokonto bei der Sparkasse zwischen August 1994 und März 1997 ein. Beide Konten waren – für jede der beiden Gesellschaften separat – seit August 1993 in eine Kontokorrentvereinbarung einbezogen, was dazu führte, dass zwischen sämtlichen Konten ein täglicher Ausgleich stattfand. Damit konnten auf einigen Konten entstandene Negativsalden durch Guthaben auf anderen Konten der Gesellschaft, unter anderem auch durch das Kautionskonto, ausgeglichen werden. Die eingezahlten Kautionen wurden auf diese Weise in das allgemeine Umlaufvermögen der beiden Unternehmen überführt und standen für die Deckung sämtlicher Verbindlichkeiten zur Verfügung. Es kam ebenfalls zu Transaktionen zwischen der KG und der Sa. KG. Insgesamt hat der Angeklagte G. S. Kautionen in einer Höhe von mindestens 500.000 DM vereinnahmt. Über das Vermögen der KG wurde später das Insolvenzverfahren eröffnet. Die einzelnen Mieter konnten bis heute ihre Kautionsansprüche nicht realisieren , weil der Insolvenzverwalter das noch vorhandene Guthaben in Höhe von 260.000 DM hinterlegt und bislang nicht an die Mieter als Gläubiger der Kautionen ausbezahlt hatte.
5
2. Das Landgericht hat bereits die Einzahlungen der Kautionen auf die beiden Girokonten als jeweils selbständige Untreuehandlungen gewürdigt. Damit habe der Angeklagte G. S. als faktischer Geschäftsführer seine treuhänderische Pflicht gegenüber den Mietern verletzt, die Kautionen so anzulegen, dass sie vor einem Zugriff der Gläubiger der jeweils vermietenden Gesellschaft geschützt seien. Dies gelte nicht nur für die Wohnraummiete , für die eine solche Pflicht ausdrücklich geregelt sei (§ 550b Abs. 2 BGB a.F. – jetzt § 551 Abs. 3 BGB), sondern ebenso für die Vermietung von Gewerberaum. Die Einzahlung der Gelder auf das Girokonto habe in jedem Falle eine schadensgleiche Vermögensgefährdung begründet, zumal die eingezahlten Kautionen die Liquiditätslage der Gesellschaften abgesichert hätten.
6
Die Angeklagten E. und M. S. hätten Beihilfe zur Untreue geleistet, weil sie durch ihre Strohmanntätigkeit dem Angeklagten G. S. die einzelnen Taten erst ermöglichten.

II.


7
Die Revisionen aller drei Angeklagten führen zur umfassenden Aufhebung der landgerichtlichen Verurteilungen.
8
1. Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte G. S. habe mit der Einzahlung der von den Mietern geschuldeten Kautionen auf das Girokonto bei der Sparkasse jeweils eine selbständige Untreuehandlung begangen, begegnet durchgreifenden Bedenken.
9
a) Allerdings hat das Landgericht ohne Rechtsverstoß angenommen, dass durch die gesetzliche Regelung des § 550b Abs. 2 BGB a.F. (nunmehr § 551 Abs. 3 BGB) zugleich eine auf Gesetz beruhende Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB begründet wurde. Wie der Bundesgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 23. August 1995 (BGHSt 41, 224) ausgeführt hat, stellt diese gesetzliche Regelung einen Ausgleich zwischen dem Sicherungsbedürfnis des Vermieters auf der einen und dem Schutzbedürfnis des Mieters auf der anderen Seite her; sie schützt dabei insbesondere den Rückzahlungsanspruch des Mieters im Falle einer Zahlungsunfähigkeit des Vermieters vor dem Zugriff von dessen Gläubigern. Deshalb habe der Gesetzgeber die Mietkaution in Anlehnung an die Vorschriften über die Anlage von Einnahmen des Wohnungsverwalters (§ 27 Abs. 4 WEG) oder über den Umgang mit Mündelgeldern (§§ 1806, 1807 BGB) im Rahmen der Wohnungsmiete als Treuhandverhältnis ausgestaltet (BGHSt 41, 224, 228 unter Bezugnahme auf BT-Drucks 9/2079, S. 10). Auch wenn der dem Vermieter insoweit verbleibende Ermessensspielraum relativ eng gezogen sei, entstehe mit der Entgegennahme der Kautionsleistung eine Vermögensbetreuungspflicht , die für den Vermieter durch die mietrechtlich vorgesehene Verwendung dieser Gelder begründet werde (BGHSt aaO S. 229; Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 113; kritisch hierzu: Dierlamm in MK-StGB 2006 § 266 Rdn. 11; Samson/Günther in SK-StGB 39. Lfg. § 266 Rdn. 29).
10
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, wobei es keiner Vertiefung bedarf, ob die in der Literatur kritisierte Anknüpfung der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB an eine vertragliche Nebenpflicht aufrechtzuerhalten ist (Sowada JR 1997, 28; Dierlamm aaO). Der Senat hat vielmehr deutlich gemacht, dass sich die Vermögensbetreuungspflicht aus den Sonderregeln für die Wohnraummiete (§ 550b Abs. 2 BGB a.F.) ergibt (BGHSt 41, 224, 227 f.), also keine durch Rechtsgeschäft, sondern eine durch Gesetz begründete Vermögensbetreuungspflicht darstellt. Mit der Anlage der Gelder unter Verstoß gegen die gesetzliche Regelung des § 550b Abs. 2 BGB a.F. hat der Angeklagte G. S. deshalb pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gehandelt.
11
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts entsteht eine solche Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nur bei der Wohnraummiete. Das Landgericht hat eine Erstreckung auf gewerbliche Mietverhältnisse damit begründet, dass aus der Sicht dieser Mieter ebenfalls eine Sicherung der eingebrachten Kautionen erforderlich sei, weil auch die gewerblichen Mieter nicht unerhebliche Risiken eingingen. Die gewerblichen Mieter müssten deshalb gleichermaßen am strafrechtlichen Schutz des § 266 Abs. 1 StGB teilnehmen. Dieser Ansatz des Landgerichts begegnet in zweifacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken.
12
aa) Eine durch Gesetz begründete Vermögensbetreuungspflicht in Bezug auf die Mietkaution scheidet bei der Gewerberaummiete aus. Die gesetzlichen Regelungen über die Anlage von Mietkautionen beziehen sich allein auf Mietverhältnisse über Wohnraum. Dies ergibt sich aus der Überschrift des Untertitels 2: „Mietverhältnisse über Wohnraum“ und aus § 549 Abs. 1 BGB, der insoweit den spezialgesetzlichen Charakter der Regelungen über Wohnraummietverhältnisse klarstellt. Dies bedeutet aber auch, dass selbst eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 551 Abs. 3 BGB auf gewerbliche Mietverhältnisse ausscheidet. Da der Gesetzgeber die Regelung bewusst nicht als allgemeine mietvertragliche Regelung ausgestaltet, sondern auf Mietverträge über Wohnraum beschränkt hat, fehlt eine Lücke, die im Wege einer Analogie geschlossen werden könnte. Der Senat kann es daher dahinstehen lassen, ob im Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot (§ 1 StGB) überhaupt eine derartige – über den Wortsinn hinausgehende – Auslegung mittelbar strafrechtsbegründender zivilrechtlicher Normen zulässig ist (vgl. Dannecker in LK 12. Aufl. § 1 Rdn. 262). Es liegt bei der Gewerberaummiete mithin keine gesetzlich begründete Vermögensbetreuungspflicht im Hinblick auf die Kaution vor. Schon deshalb geht die Erwägung des Landgerichts, auch der gewerbliche Mieter verdiene den Schutz des § 266 StGB, ins Leere.
13
bb) Eine anderweitige Entstehung einer Vermögensbetreuungspflicht ist nicht ersichtlich. Zwar ist eine mietvertragliche Regelung denkbar, die eine entsprechende Anlagepflicht der eingezahlten Kautionen vorsieht. In diesem Fall läge eine rechtsgeschäftliche Begründung einer entsprechenden Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB vor. Dass eine derartige Vereinbarung erfolgt ist, hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt. Sie liegt auch nicht nahe, zumal die Verträge durch die Vermieterseite vorformuliert gewesen sein dürften.
14
Hingegen begründet die bloße Vereinbarung einer Kaution als solche keine Vermögensbetreuungspflicht. Es ist schon zweifelfhaft, ob für die Kaution bei der Gewerberaummiete vergleichbare Regelungen gelten, der Vermieter also überhaupt zu einer abgesonderten und verzinslichen Anlage der Kautionssumme verpflichtet ist. Solches ist schon deshalb fraglich, weil der Gesetzgeber dieses ausdrücklich nur für die Wohnraummiete angeordnet hat. Zudem würde es der unterschiedlichen Interessenlage bei der Gewerberaummiete widersprechen, wenn dort ohne weiteres gleiche Pflichten bestünden. Für die Gewerberaummiete gilt nämlich das Primat der freien Vereinbarung (Palandt/Weidenkaff, BGB 67. Aufl. Einf. v. § 535 Rdn. 122).
15
Für die strafrechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Untreue kann die Frage der Behandlung einer Kaution im Rahmen eines Gewerberaummietverhältnisses aber letztlich offen bleiben. Selbst wenn sich aus der Kautionsvereinbarung nämlich entsprechende Nebenpflichten ergeben sollten (so zur abgesonderten Anlage der Kaution – OLG Nürnberg MDR 2006, 1100 –; zu deren Verzinsung – BGH NJW 1994, 3287), führt dies nicht zur Annahme einer durch Rechtsgeschäft begründeten Vermögensbetreuungspflicht. Allgemeine schuldrechtliche Pflichten aus einem Vertragsverhältnis genügen für sich genommen nicht (BGHSt 33, 244, 249; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11, 14, 16; vgl. auch Fischer , StGB 55. Aufl. § 266 Rdn. 29). Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn es sich um Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten zugunsten des Vertragspartners handelt (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 266 Rdn. 23; vgl. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

9).


16
Vertragliche Pflichten müssen, um eine Vermögensbetreuungspflicht begründen zu können, im besonderen Maße den Interessen des Vertragspartners dienen und gerade deshalb vereinbart worden sein. Die vereinbarte Regelung muss – als rechtsgeschäftlich eingegangene Vermögensbetreuungspflicht – mithin zugunsten des geschützten Vertragspartners Elemente einer Geschäftsbesorgung aufweisen (Lenckner/Perron aaO Rdn. 27; vgl. auch BGHSt 28, 20, 23 f.). Das bedeutet, dass sich die Vertragspartner nicht nur über die Zahlung einer Kaution an sich, sondern auch über deren besondere Anlageform geeinigt haben müssen. Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses eine besondere Sicherung nicht ausdrücklich und bringen dadurch nicht zum Ausdruck, dass der Vermieter im Hinblick auf die Kaution treuhänderische Pflichten zu übernehmen habe, kann deshalb nicht von der Annahme einer rechtsgeschäftlichen Vermögensbetreuungspflicht ausgegangen werden.
17
Treffen den Empfänger der Kaution keine besonderen, ihm vertraglich auferlegten Sicherungspflichten, ist die Einzahlung einer Kaution nicht anders zu beurteilen, als wenn der Mieter für einen künftigen Sicherungsfall vorleistet. Insoweit besteht an sich immer ein Sicherungsbedürfnis, das der vorleistende Mieter aber durch eine entsprechende Fassung der Vereinbarung minimieren könnte. Einem gewerblichen Mieter ist die Durchsetzung einer entsprechenden vertraglichen Absicherung auch abzuverlangen. Ein gewisses Sicherungsbedürfnis wohnt im Übrigen letztlich jeder Vorleistung inne. Dieses dem Leistenden verbleibende Restrisiko reicht jedoch grundsätzlich nicht aus, den Empfänger der Vorleistung mit einer Vermögens- betreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zu belasten (BGHSt 28, 20, 23 f.). Gerade im Rahmen von Austauschverhältnissen bedarf es deshalb – sofern eine gesetzliche Bestimmung fehlt – einer ausdrücklichen Vereinbarung , die den Vertragsschließenden insoweit zu einer besonderen Vermögensfürsorge zugunsten des anderen Vertragspartners verpflichtet. Andernfalls erschöpft sich der Verstoß in einer Verletzung der Pflicht, sich vertragsgemäß zu verhalten. Dies begründet aber als solches noch keine Untreue (BGHSt 22, 190, 191; 33, 244, 250).
18
2. Da in den Gewerberaummietfällen nach den Feststellungen keine besonderen Kautionsvereinbarungen in dem oben dargestellten Sinne abgeschlossen wurden, führt dies dazu, dass nur in den Fällen, in denen ein Mietverhältnis über Wohnraum begründet worden ist, hinsichtlich der eingezahlten Kautionen eine Vermögensbetreuungspflicht hat entstehen können. Da sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, in welchem der 201 Einzelfälle es sich jeweils um Wohn- oder Gewerberaummiete handelte, kann das Urteil gegen den Angeklagten G. S. schon deshalb insgesamt keinen Bestand haben. Es lässt sich nämlich für keinen der ausgeurteilten 201 Fälle ausschließen, dass es sich insoweit nicht um ein Gewerbemietverhältnis gehandelt haben könnte. Im Gegenteil spricht in mehreren Fällen für Gewerberaummietverhältnisse, dass eine juristische Person als Mieter auftritt oder die Höhe der Kaution dies nahelegt. Im Fall 169 der Urteilsgründe hat dies das Landgericht ausdrücklich festgestellt. Die unterbliebene Zuordnung, ob es sich um Wohnraummietverhältnisse handelt, bedingt auch die umfassende Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen.
19
3. Die Verurteilungen der Angeklagten E. und M. S. wegen Beihilfe zur Untreue haben auch deswegen keinen Bestand, weil durchgreifende Bedenken gegen die Annahme eines Gehilfenvorsatzes bestehen.
20
a) Das Landgericht leitet einen Gehilfenvorsatz daraus ab, dass beide Angeklagte jeweils dem Angeklagten G. S. die von ihnen als formelle Geschäftsführer geführten Unternehmen in dem Bewusstsein überlassen hätten, dass es zu einer strafrechtlich erheblichen Schädigung der Mieter dieser Gesellschaften kommen könnte. Die Einzelheiten der Taten hätten sie als Gehilfen nicht wissen müssen. Die billigende Inkaufnahme einer Nachteilszufügung zu Lasten der Mieter begründet das Landgericht damit, dass beide Angeklagte von der Vorverurteilung des Angeklagten G. S. durch das Landgericht Berlin vom 5. März 1992 Kenntnis gehabt hätten. Der Angeklagte G. S. wurde dort wegen Untreue, Meineides und versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
21
b) Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennen und in dem Bewusstsein handeln muss, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Einzelheiten der Haupttat braucht er dabei jedoch nicht zu kennen (BGHSt 46, 107, 109; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7, 9). Die hierzu bislang getroffenen Feststellungen tragen jedoch bezüglich der Angeklagten E. und M. S. nicht ohne weiteres eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Beihilfe zur Untreue.
22
Zwar ist die Würdigung der Beweise grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat seine Schlussfolgerungen, die nur möglich, aber nicht zwingend sein müssen, grundsätzlich hinzunehmen (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 21). Eine Grenze findet dies jedoch dort, wo sich die tatrichterliche Würdigung in Vermutungen erschöpft, die nicht durch entsprechende Tatsachen belegt sind. Entfernt sich der Tatrichter in seinen Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage, dass sie nur noch einen Verdacht, nicht dagegen die für eine Verurteilung erforderliche Überzeugung zu begründen vermögen, liegt hierin ein Verstoß gegen § 261 StPO (BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26; Vermutung 1, 7).
Allein das Vorhandensein einer – im Übrigen nicht einmal tatsächlich sehr ähnlich gelagerten – einschlägigen Vorverurteilung, deren Vollstreckung zudem wegen der positiven Sozialprognose des Angeklagten G. S. zur Bewährung ausgesetzt wurde, rechtfertigt einen solchen Schluss nicht ohne weiteres. Ohne entsprechende nähere Anhaltspunkte ist die Feststellung des Landgerichts nicht tragfähig, die Angeklagten E. und M. S. hätten mit einer vorsätzlichen Nachteilszufügung der Mieter durch den Angeklagten G. S. gerechnet. Es hätte zumindest der Kenntnis bestimmter Vorkommnisse bedurft, die für E. und M. S. einen entsprechenden konkreten Verdacht hätten begründen können. Ohne weitere Aufklärung zu dem Wissensstand dieser Angeklagten bleibt die Annahme des Landgerichts spekulativ, zumal es sich nicht ernsthaft mit der Möglichkeit auseinandersetzt, dass die beiden Angeklagten von entsprechenden strafbaren Handlungen des faktischen Geschäftsführers G. S. keine Kenntnis hatten, sondern letztlich dem Ehemann bzw. Vater vertrauten. Insoweit hätte es einer weitergehenden und tieferen Erörterung bedurft.
23
c) Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten E. und M. S. sind deshalb aufzuheben. Dies führt bezüglich dieser Angeklagten zu einer umfassenden Aufhebung der Feststellungen, weil sich insoweit der Rechtsfehler im Hinblick auf die Haupttat auch zu ihren Lasten auswirkt.

III.


24
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf Folgendes hin:
25
1. Bei den Kautionen für Wohnraummiete bewirkt die Einzahlung der Kaution auf das Girokonto noch nicht ohne weiteres eine (vollendete) Untreue im Sinne des § 266 StGB. Die pflichtwidrige Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht indiziert hier nämlich – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht die Feststellung eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB.
26
a) Die Strafbarkeit wegen Untreue setzt voraus, dass ein Vermögensnachteil entstanden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bereits dann eingetreten sein, wenn eine schadensgleiche Vermögensgefährdung gegeben ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Gefährdung nach wirtschaftlicher Betrachtung bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeutet (BGHSt 44, 376, 384; 48, 354, 357).
27
Eine solche schadensgleiche Vermögensgefährdung entsteht allerdings nicht bereits, wenn die Kaution nicht vom sonstigen Betriebsvermögen abgesondert, sondern auf ein „allgemeines“ Konto eingezahlt wird. Insoweit ist die Sachverhaltskonstellation nicht anders zu beurteilen als allgemein die unterlassene Einzahlung von Fremdgeldern auf einem Anderkonto, obwohl eine Rechtspflicht zu einer abgesonderten Anlage dieser Gelder besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung führt ein solches Verhalten nicht zu einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB, soweit der Betreffende jederzeit bereit und fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren (BGHSt 15, 342; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 56). Hierzu fehlen bislang Feststellungen. Zwar stünde die auf dem Girokonto eingezahlte Kaution grundsätzlich dem Zugriff von Privatgläubigern des Vermieters offen; damit waren diese Guthaben gefährdet. Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung begründet diese bloße abstrakte Möglichkeit jedoch noch nicht. Die Gefahr eines endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils muss vielmehr so groß sein, dass sie schon jetzt eine Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat (BGHSt 51, 165, 177; vgl. auch BGHSt 21, 112 ff.; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 32).
28
Im Rahmen der Prüfung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung kommt es deshalb insgesamt auf die Vermögensverhältnisse des Ver- mieters an. Nur soweit aufgrund der Gesamtumstände die naheliegende Gefahr besteht, dass auf dieses „allgemeine“ Konto zugegriffen werden könnte, liegt eine zu einer Minderbewertung führende Vermögensgefährdung vor (vgl. BGHSt 44, 376, 384). Dies setzt – sofern man schon in der Einzahlung auf das allgemeine Konto eine Untreuehandlung sehen wollte – voraus, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine drohende Überschuldung der vermietenden Gesellschaft bestand, die einen Zugriff der Gläubiger erwarten ließ.
29
Eine solche Prüfung wird der neue Tatrichter vorzunehmen haben. Dabei wird auch dem Umstand Beachtung einzuräumen sein, dass der Angeklagte G. S. mit dem Kontoausgleichssystem sämtliche Konten der Gesellschaft miteinander verbunden hat, um so Negativsalden weitgehend zu vermeiden. Dies hat indizielle Wirkung für die wirtschaftliche Gesamtsituation der Gesellschaft, weil ersichtlich ab diesem Zeitpunkt die Kautionen für die Deckung anderweitiger Verbindlichkeiten verwandt wurden und damit ihre Rückzahlbarkeit unmittelbar gefährdet war. Gleiches gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Ausgleich des Hauptkontos Ende 1995 und die Querüberweisungen zwischen und Sa . Ergäbe sich eine entsprechende angespannte Vermögenslage beider Gesellschaften, dann wäre eine Einzahlung auf den Girokonten, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Kontenausgleich bereits institutionalisiert war, regelmäßig mit einer schadensgleichen Vermögensgefährdung verbunden. Dies gilt jedenfalls, solange sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft nicht nachhaltig gebessert haben, wofür allerdings nach den bisherigen Feststellungen kein Anhalt besteht.
30
Eine Untreue durch Unterlassen käme in Betracht, falls die einzelne Kaution im Zeitpunkt ihrer Einzahlung noch nicht gefährdet und ihre Rückzahlbarkeit erst später aufgrund der Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse beider Unternehmen nicht mehr gewährleistet gewesen sein sollte. Insoweit würde die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten G. S. zugleich eine Garantenpflicht begründen. Ihm obliegt es nämlich, die eingezahlten Kautionen so zu sichern, dass sie nicht zur Deckung von Verbindlichkeiten der beiden Gesellschaften herangezogen werden können (vgl. BGHSt 49, 147, 164).
31
b) Das Vorliegen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung begründet bei dem Angeklagten G. S. einen Tatvorsatz, wenn er die zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände erkannt hat. Zu dem kognitiven Element, nämlich dass er aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaften eine nicht gegebene Rückzahlbarkeit der Mietkaution zumindest für möglich gehalten hatte (vgl. BGHSt 48, 331, 348), muss zusätzlich noch das voluntative Element hinzutreten. Dies bedeutet, dass der Angeklagte G. S. die konkrete Gefahr erkannt und zudem deren Realisierung gebilligt haben muss, sei es auch nur in der Form, dass er sich mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolges abfindet (BGHSt 51, 100, 120 f.; vgl. auch BGHSt 48, 331, 347 ff.).
32
2. Ließe sich feststellen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der beiden Gesellschaften so angespannt waren, dass die eingezahlten Kautionen schon aus diesem Grund erheblich gefährdet waren, käme auch eine Verurteilung wegen Betrugs nach § 263 StGB in Betracht, wenn dem Angeklagten G. S. hinsichtlich einer sich aus der schlechten Vermögenssituation der Gesellschaften möglicherweise ergebenden schadensgleichen Vermögensgefährdung insoweit Vorsatz nachgewiesen werden könnte (vgl. BGHSt 48, 331, 346 f.). Da dies nicht völlig ausgeschlossen werden kann, scheidet ein Freispruch auch in den Fällen aus, in denen eine Gewerberaummiete unzweifelhaft vorliegt (wie im Fall 169 der Urteilsgründe).
33
3. Ein von der Verteidigung behaupteter Verbotsirrtum ist nicht ersichtlich. Die Verteidigung meint, dass jedenfalls erst nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. August 1995 (BGHSt 41, 224) und deren Veröffentlichung den Angeklagten die Kenntnis von der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorgeworfen werden könne.
34
Die Verteidigung belegt mit der von ihr dargestellten Fehlvorstellung der Angeklagten – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – noch keinen Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB. Ein Verbotsirrtum nach dieser Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs braucht der Täter die Strafbarkeit seines Vorgehens nicht zu kennen; es genügt, dass er wusste oder hätte erkennen können, Unrecht zu tun (BGHSt 15, 377, 383; BGH NStZ 1996, 236, 237; wistra 1986, 218). Der Unrechtsgehalt wird hier aber bereits durch den Verstoß gegen die gesetzlich normierten Pflichten zur Anlage einer Kaution vermittelt (§ 550b BGB a.F. = § 551 Abs. 3 BGB). Hiergegen verstieß der Angeklagte G. S. . Die Annahme, er habe diese Vorschrift des Mietrechts zumindest ihrem Inhalt nach nicht gekannt, liegt bei ihm ebenso fern wie bei den Mitangeklagten E. und M. S. . Es ist deshalb schon kein Irrtum im Sinne des § 17 StGB gegeben, sondern allenfalls eine unbeachtliche falsche rechtliche Einordnung (vgl. BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 14). Selbst wenn die Angeklagten die Kautionsregelung für den Bereich der Wohnraummiete nicht gekannt haben sollten, wäre ein solcher Irrtum, der die Normen ihres unmittelbaren beruflichen Bereichs betraf, ohne weiteres vermeidbar gewesen.
35
4. Zur Bestimmung des Schuldumfangs bedarf es der Feststellung des tatsächlich eingetretenen Schadens (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 27). Hierbei kommt einem bloßen Gefährdungsschaden nicht das gleiche Gewicht zu wie dem endgültig eingetretenen Nachteil (Fischer, StGB 55. Aufl. § 266 Rdn. 82). Dies erfordert grundsätzlich, dass der Tatrichter Feststellungen zu dem Ausfall trifft, der dem einzelnen Mieter entstanden ist. Dafür kann der Tatrichter gehalten sein, für die einzelne Kaution mögliche Gegenansprüche des Vermieters zu berechnen, die durch die Kaution gesichert werden sollen. Ein Schaden scheidet bei der im Rahmen der Untreue gebotenen gesamtbilanzierenden Betrachtung (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 55) nämlich dann aus, wenn der durch den Kautionsverlust geschä- digte Mieter seinerseits von Ersatzansprüchen gegenüber dem Vermieter frei wird.
36
Lässt sich die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens nicht ermitteln , kann der Tatrichter auf den Gefährdungsschaden abstellen. Belässt er es dabei, muss er dann allerdings zugunsten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung davon ausgehen, dass tatsächlich kein endgültiger Schaden eingetreten ist.
37
5. Der neue Tatrichter wird die Frage einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung umfassend zu prüfen haben. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu begegnen Bedenken. Es reicht nicht aus, in den Urteilsgründen lediglich auf die bisher verstrichene Verfahrensdauer zu verweisen (hier: mehr als neun Jahre). Der Tatrichter ist vielmehr verpflichtet, das Maß der eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu bestimmen (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 17, 20, 21) und hierfür eine Kompensation festzulegen (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 2 StR 356/07). Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2008 (NJW 2008, 860 ff. zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen) hat die Kompensation nunmehr grundsätzlich in der Form zu erfolgen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt. Dabei wird der neue Tatrichter den im angefochtenen Urteil vorgenommenen Strafabschlag berücksichtigen können. Gegen die vom 3. Strafsenat erwogene Möglichkeit einer Erhöhung der bisher verhängten Strafe (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2008 – 3 StR 388/07) hätte der Senat indes dogmatische Bedenken. Für den Fall, dass nach dem Ergebnis der neuen Hauptverhandlung ein Schuldspruch gegen die Angeklagten E. und M. S. noch in Betracht kommen sollte, wird eine Einstellung des Verfahrens, jedenfalls aber eine Sanktion unterhalb einer Geldstrafe in Betracht zu ziehen sein. Die grundsätzlich übliche Kompensation schließt nämlich nicht aus, in besonders krassen Fällen der Verfahrensverzögerung das Verfahren wegen eines dann eingetretenen Verfahrenshindernisses abzubrechen (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung
2) oder nach §§ 153 ff. StPO einzustellen. Weiterhin kann auch das Absehen von Strafe oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt geboten sein (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 21), wenn allein eine vollstreckungsrechtliche Anrechnung nicht mehr ausreicht.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Schadensberechnung bei täuschungsbedingt gewährtem Darlehen.
BGH, Beschluss vom 13. April 2012 – 5 StR 442/11
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. April 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2012

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten W. , Ü. , B. und G. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juli 2010 mit den zugehörigen Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit diese Angeklagten verurteilt worden sind; aufrecht erhalten bleiben jedoch die Feststellungen zu den äußeren Umständen der Kreditgewährungen, zu den Beziehungen der Beteiligten untereinander sowie zur inneren Tatseite beim Angeklagten G. ; insoweit werden die Revisionen als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten W. und Ü. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 15 bzw. 14 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren bzw. zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten B. hat es wegen Betrugs in vier Fällen schuldig gesprochen und mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten belegt, wobei die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen den Angeklagten G. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum Betrug in elf Fällen eine – gleichfalls zur Bewährung ausgesetzte – Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Daneben hat es als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bei den Angeklagten zwei bis sechs Monate auf die ausgeurteilten Freiheitsstrafen als vollstreckt angerechnet. Die Revisionen der Angeklagten haben in dem sich aus dem Beschlusstenor ergebenden Umfang mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge , mit der die ordnungsgemäße Durchführung des Selbstleseverfahrens III beanstandet wird, kommt es mithin nicht mehr an. Im Übrigen sind die Verfahrensrügen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Die Angeklagten W. und Ü. entwickelten zusammen mit dem bereits verstorbenen O. den Plan, bei Immobilienverkäufen einen wesentlich höheren Betrag als tatsächlich vereinbart als Kaufpreis auszuweisen , der dann von der LBS als der kreditgewährenden Bank – gegebenenfalls mit Abschlägen bis zu 30 % – finanziert wurde, wobei Ausfallbürgschaften der Bremer Landesbank beigebracht wurden, soweit die Kreditsumme die Beleihungsgrenze überstieg. Den Plan setzten sie in den 15 Verurteilungsfällen auch um. Auf diese Art sollten auf dem stagnierenden Berliner Wohnungsmarkt Immobilien auch an Personen ohne Eigenkapital oder an Bezieher geringerer Einkommen veräußert werden. Zum Teil wurden aus der im Vergleich zum tatsächlich vereinbarten Kaufpreis überschießenden Kreditsumme auch Altschulden der Kunden abgelöst.
4
Der Angeklagte B. warb in vier Fällen als freiberuflich tätiger Kreditvermittler die Kunden. Der Angeklagte G. nahm als Notar in elf Fällen die Beurkundungen vor. Er teilte der finanzierenden LBS dann mit, dass ihm gegenüber das (tatsächlich nicht vorhandene) Eigenkapital nachgewiesen sei. Tatsächlich lag ihm zu diesem Zeitpunkt lediglich ein von der Verkäuferseite ausgestellter (gedeckter) Scheck vor, den er bei Auszahlungsreife des Kaufpreises an den Aussteller zurückgab. Die Darlehen zum Kauf der Immo- bilien, für die Grundschulden zugunsten der LBS eingetragen wurden, konnten von den Erwerbern teilweise nicht zurückgeführt werden.
5
2. Das Landgericht geht ersichtlich von einem Eingehungsbetrug aus, den Ü. , W. und O. als Bande begangen hätten. Täuschungsbedingt sei die LBS bei der Kreditgewährung ein höheres Wagnis eingegangen. Den Schaden berechnet das Landgericht aus der Differenz der Kreditsumme zum tatsächlichen Verkehrswert der Grundstücke, wobei es – zugunsten der Angeklagten – den Verkehrswert mit dem tatsächlich be- zahlten Kaufpreis gleichsetzt. Gestellte Bürgschaften hat es hiervon in Abzug gebracht. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht einen Gesamtschaden in Höhe von über 170.000 Euro festgestellt.

II.


6
Die Schadensberechnung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Schuldsprüche.
7
1. Unter Beachtung des – nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen – Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (NJW 2012, 907 ff.) bedarf es im Falle der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten Vermögensschäden. Da speziell beim Eingehungsbetrug die Schadenshöhe entscheidend von der Wahrscheinlichkeit und vom Risiko eines zukünftigen Verlusts abhängt, setzt die Bestimmung eines Mindestschadens voraus, dass die Verlustwahrscheinlichkeit tragfähig eingeschätzt wird (BVerfG aaO, 915 ff.). Hierbei können die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigungen Anwendung finden (vgl. § 253 Abs. 4; § 340f HGB). Denn ist aufgrund der fehlenden Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen ist, müssen entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden, die ihrerseits – ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten ihrer Ermittlung – auch im Rahmen der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden können (vgl. auch BVerfGE 126, 170, 226 ff.).
8
2. Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht, wenn es die Schadensbezifferung allein auf die Differenz zwischen Kredithöhe und tatsächlichem Kaufpreis (als von ihm angenommenen maximalen Verkehrswert) stützt. Wie die Strafkammer im Ansatz richtig erkannt hat, ist die Darlehensgewährung ein Risikogeschäft. Der im Sinne des § 263 StGB relevante Vermögensschaden liegt deshalb bei diesen Fallgestaltungen immer in der Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 – 5 StR 508/02, StV 2003, 446; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 174 f.). Für dessen Berechnung ist maßgeblich, ob und in welchem Umfang die das Darlehen ausreichende Bank ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestanden hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren zutreffend gewesen wären. Dann verschiebt sich zu ihren Lasten der synallagmatische Zusammenhang. So hätte die kreditgewährende Bank in Kenntnis dieser Umstände die von ihr verlangte Gegenleistung, die Zinshöhe des Darlehens, entsprechend angepasst oder weitergehende Sicherheiten verlangt. Nur in diesem Zusammenhang sind die bestellten Sicherheiten hier von Bedeutung. Deshalb hat die Rechtsprechung schon immer einen Vermögensschaden dann verneint, wenn der Rückzahlungsanspruch aufgrund der Vermögenslage des Darlehensnehmers oder sonstiger Umstände, die den Gläubiger vor einem Verlust seines Geldes schützen, wirtschaftlich gesichert ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2009 – 3 StR 475/08, wistra 2009, 350; vom 12. Juni 2001 – 4 StR 402/00, StV 2002, 133).
9
Die Schadensfeststellung hätte deshalb – naheliegend mit sachverständiger Beratung – bei einem solchen Sachverhalt in einem Vergleich und einer bilanziellen Bewertung der von der Bank zugrunde gelegten Vertragsgestaltung – im Gegensatz zu der tatsächlich durchgeführten – bestehen müssen. Die Verlustwahrscheinlichkeiten dürfen allerdings nicht so diffus sein oder sich in so geringen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich ungewiss bleibt (vgl. BVerfGE 126, 170, 229; BVerfG NJW 2012, 907, 916). Im Rahmen der wirtschaftlichen Bewertung des täuschungsbedingt veränderten Kreditrisikos kann auch dem Umstand Gewicht zukommen, dass die LBS als kreditgewährende Bank der Ermittlung der Verkehrswerte der einzelnen Grundstücke wohl keinen wesentlichen Stellenwert beigemessen hat, weil sie die Beleihungsgrenze nur im Wege von prozentualen Abschlägen bestimmt hat, deren Höhe ersichtlich im Belieben des jeweiligen Kreditsachbearbeiters gestanden hat.

III.


10
Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in sämtlichen Fällen, weil der Senat in keinem Fall mit letzter Sicherheit auszuschließen vermag, dass sich gar kein ansatzfähiger Vermögensschaden ergibt. Bestehen bleiben können jedoch – wobei insoweit ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zulässig sind – die Feststellungen zu den äußeren Umständen der Kreditgewährungen wie auch zu den Beziehungen der Beteiligten untereinander, weil sie von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler nicht berührt sind. Gleichfalls aufrechterhalten werden die Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Angeklagten G. . Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht aus dem Umstand, dass er von Verkäuferseite eingereichte Schecks entgegengenommen hat – dieer später zurückgeschickt hat –, rechtsfehlerfrei auf den Gehilfenvorsatz dieses Angeklagten geschlossen. Die hierzu vorgebrachten Einwände der Revision sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
11
Für das neue tatrichterliche Verfahren weist der Senat – sollte es erneut zu Schuldsprüchen kommen – im Hinblick auf die vom Landgericht festgestellte Verfahrensverzögerung auf Folgendes hin:
12
Bei der Bemessung der Höhe der im Wege der Anrechnung auf die vollstreckte Strafe vorzunehmenden Kompensation sind in einer einzelfallbezogenen Abwägung der Umfang der staatlicherseits zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die konkreten Auswirkungen auf die Angeklagten zu würdigen. Auf die Höhe der verwirkten Strafe kommt es dabei grundsätzlich nicht an (BGH, Beschluss vom 30. September 2010 – 5 StR 259/10, wistra 2011, 22; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 138). Es ist deshalb grundsätzlich bedenklich, die Kompensation mit einem Sechstel der verhängten Strafe zu begründen. Im neuen tatgerichtlichen Verfahren wird in diesem Zusammenhang zudem weiter aufzuklären sein, warum die Verfahrensakten erst knapp 15 Monate nach Urteilsverkündung beim Generalbundesanwalt eingegangen sind.
Basdorf Raum Schaal Schneider Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 422/12
vom
29. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch in den Fällen III. 2-5 der Urteilsgründe,
b) im Strafausspruch in den Fällen III. 1 und 6 der Urteilsgründe sowie
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Kompensationsentscheidung. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtszug mit Urteil vom 22. Dezember 2009 wegen Betruges in acht tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil hob der Senat auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 (2 StR 386/10) wegen eines durchgreifenden Verfahrensfehlers auf. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil nunmehr wegen Betruges in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass hiervon ein Jahr und acht Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte und der gesondert verfolgte R. faktische Geschäftsführer der F. AG mit Sitz in der Schweiz, der Angeklagte zudem Vertreter der Zweigniederlassung dieser Gesellschaft in Fr. . In diesem geschäftlichen Rahmen boten sie Eigentumswohnungen auch Personen an, die sich in einer angespannten finanziellen Lage befanden und Geldmittel benötigten, wegen fehlender Kreditwürdigkeit und mangels Sicherheiten aber keine Bankdarlehen erhielten. Sie empfahlen den Kunden den Kauf von Eigentumswohnungen mit der Zusage, ihnen 10 % des Kaufpreises in bar als kick-back-Zahlung zur freien Verwendung zu überlassen und mit dem Versprechen, die F. AG werde die Grunderwerbssteuer und die Vertragsnebenkosten übernehmen. Die Wohnungen wurden erst kurz vor dem Weiterverkauf im Auftrag der F. AG von Dritten erworben und mit einem Aufschlag von rund 100 % an die Käufer weiterverkauft. Dem so erhöhten Kaufpreis wurden die Vermittlungsprovisi- onen, die Erwerbsnebenkosten der Käufer und die ihnen zugesagten kick-backZahlungen entnommen, was den Banken, die 80 bis 90 % des (überhöhten) Kaufpreises finanzierten, nicht bekannt war. Die zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche zugunsten der Banken bestellten Grundschulden waren dementsprechend minderwertig, was von diesen unentdeckt blieb.
3
Die Banken machten die Darlehensgewährung davon abhängig, dass die Käufer die Zahlung des Restkaufpreises nachwiesen. Da die Käufer in der Regel über kein Eigenkapital verfügten, bestätigten der Angeklagte und der gesondert verfolgte R. oder die beteiligten und in das Geschäftsmodell eingeweihten Notare gegenüber den Kreditinstituten wahrheitswidrig, dass die Käufer den Restkaufpreis entweder durch Zahlung oder Verrechnung geleistet hätten. Zudem legten der Angeklagte bzw. R. den Banken jeweils falsche Bonitätsnachweise der Käufer vor, um deren Kreditfähigkeit vorzutäuschen. Hätten die Banken Kenntnis gehabt von der schlechten Bonität der Käufer und deren fehlendem Eigenkapital einerseits sowie der Erhöhung der Kaufpreise zwischen An- und Verkauf um rund 100 % mit der Folge, dass der Betrag der bestellten Grundschulden den Verkehrswert der Immobilien deutlich überstieg, andererseits , so hätten sie die Kredite nicht bewilligt. Sämtliche Finanzierungen wurden - teilweise bereits nach wenigen Monaten - notleidend, so dass die Kreditinstitute die Verwertung der als Sicherheit bestellten Grundschulden betrieben und mit Ausnahme des Falls III. 2 Verluste erlitten.
4
Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind Finanzierungsgeschäfte betreffend Wohneinheiten in H. und S. sowie Wohnungen in einem Studentenwohnheim in W. . Betreffend die Wohnungen in W. warben der Angeklagte und R. mit einer zweijährigen Mietgarantie, die sie zuvor durch eine Zahlung an die Hausverwaltung des Wohnheims finanziert hatten, da sie wussten, dass die Wohnungen allenfalls zur Hälfte des garantierten Mietpreises zu vermieten waren.
5
Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:
6
Fall 1
7
Die F. AG verkaufte dem Erwerber A. 1997 drei Eigentumswohnungen des Objekts in H. . A. war geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, für deren Verbindlichkeiten er in Höhe von 500.000 DM als Bürge haftete. Daneben hatte er Schulden mit seiner Ehefrau in Höhe von 1,6 Mio. DM. Gegen ihn erging am 24. Februar 1997 ein Vollstreckungsbescheid. Da er die titulierte Forderung nicht begleichen konnte, gab er 1998 die eidesstattliche Versicherung ab. Der Angeklagte vermittelte A. zur Finanzierung seiner Wohnungskäufe an die Deutsche Hypothekenbank und gab dieser gegenüber wahrheitswidrig an, dass A. die Erwerbsnebenkosten trage. In der von ihm abgegebenen Selbstauskunft verschwieg A. seine Bürgschaftsverpflichtung sowie sonstigen Verbindlichkeiten. Auf die ihm gewährten Darlehen in Höhe von zweimal je 342.000 DM und 227.000 DM erbrachte er keine Zahlungen.
8
Fälle 2 bis 5
9
Dem Erwerber B. verkaufte die F. AG Anfang 1998 insgesamt neun Wohnungen, wobei sechs Finanzierungsgeschäfte verfahrensgegenständlich sind. Bei B. handelt es sich insofern um einen atypischen Kunden, als er aufgrund eines monatlichen Nettoverdienstes von 3.800 DM und der Auszahlung eines Bausparvertrages über 120.000 DM ursprünglich grundsätzlich solvent und zahlungswillig war. Indes reichten seine Mittel nicht aus, um Kredite für sämtliche von ihm erworbenen Immobilien auf Dauer zu bedie- nen. Der Angeklagte reichte daher die Bonitätsunterlagen gezielt gleichzeitig bei verschiedenen Banken ein, ohne die jeweils anderen davon zu unterrichten. B. kam in den Fällen 2 bis 5 im Jahr 2000 in Zahlungsverzug; im Fall 5 wurde das Darlehen im Jahr 2003 gekündigt. Insgesamt erbrachte er folgende Zahlungen auf die Darlehen: - im Fall 2: 123.343,12 DM (Darlehensvaluta: 202.000 DM) - im Fall 3: 178.155,81 DM (Darlehensvaluta: 240.000 DM) - im Fall 4: 77.456,34 DM (Darlehensvaluta: 134.000 DM) - im Fall 5: 102.796,48 DM (Darlehensvaluta: 251.000 DM)
10
Fall 6
11
Dem Erwerber D. verkaufte die F. AG ebenfalls neun Wohnungen , wobei hiervon zwei Finanzierungsgeschäfte verfahrensgegenständlich sind. D. wurde von seiner Hausbank als nicht mehr kreditwürdig angesehen , da er nicht nur eigene hohe finanzielle Belastungen hatte, sondern auch als Mitgesellschafter eines Baustoffhandels für dessen Verbindlichkeiten in Höhe von 200.000 bis 300.000 DM als Bürge haftete. Auf Veranlassung des Angeklagten täuschte D. ein höheres Einkommen vor. Bereits 1999 konnte D. das ihm ein Jahr zuvor gewährte Darlehen in Höhe von 273.000 DM nach Erbringung von Rückzahlungen in Höhe von 14.763,64 DM nicht mehr bedienen.
12
Bei den geschädigten Banken verblieb letztlich nach Abzug der von den Kreditnehmern erbrachten Zahlungen und der Verwertungserlöse aus den Zwangsversteigerungsverfahren von der Summe der Darlehensvaluta ein Ge- samtschaden von 470.581 €. Diesen Betrag hat das Landgericht als Betrugsschaden zugrunde gelegt.

II.

13
Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge überwiegend begründet. Die Berechnung des Betrugsschadens durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dieser Rechtsfehler führt in den Fällen III. 2-5 der Urteilsgründe zur Aufhebung der Schuldsprüche, in den Fällen III. 1 und 6 der Urteilsgründe zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen.
14
1. In den Fällen III. 2-5 der Urteilsgründe belegen die getroffenen Feststellungen nicht, dass den kreditgebenden Banken ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB entstanden ist.
15
a) Ein derartiger Schaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung , also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639). Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist daher durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht daher nur, wenn die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 576/08, StV 2010, 78) und auch gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2005 - 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374; BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 559/08, NStZ-RR 2009, 206). Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht demnach kein Schaden, wenn und soweit der getäuschte Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die sein Ausfallrisiko abdecken und - ohne dass der Schuldner dies vereiteln kann - mit unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150). Ein Minderwert des Rückzahlungsanspruchs , etwa infolge einer Täuschung über die Bonität, kann mithin durch den Wert hinreichend werthaltiger und liquider Sicherheiten kompensiert werden (vgl. BGH, aaO, NStZ-RR 2005, 374; BGH, aaO, NStZ-RR 2009, 206; Fischer StGB 60. Aufl. § 263 Rn. 133).
16
Dieser Minderwert des im Synallagma Erlangten ist dabei unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 5 StR 307/12, wistra 2013, 20; BGH, Beschluss vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, NStZ 2012, 698, 699; BGH, aaO, NStZ 2011, 638, 639; BGH, aaO, BGHSt 53, 198, 202 f.). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229; BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47) ist er konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigungen können hierbei Anwendung finden; denn ist aufgrund fehlender Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen, so müssen entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden (BGH, aaO, NStZ 2012, 698, 699). Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung dieses Ausfallrisikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen.
17
b) Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht, wenn es zur Feststellung des Schadens im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB allein auf den Vermögensverlust abstellt, der den geschädigten Banken nach Abzug der geleisteten Zahlungen und Verwertung der Grundschulden im Rahmen der Zwangsversteigerung verblieben ist (UA S. 47). Die Strafkammer hätte vielmehr - naheliegend mit sachverständiger Beratung - den Wert des Rückzahlungsanspruchs gegenüber dem Darlehnsschuldner B. unter Berücksichtigung seiner Bonität und der Werthaltigkeit der als Sicherheit bestellten Grundschulden zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung ermitteln müssen. Nur bei Vorliegen eines täuschungsbedingten Minderwerts des gesicherten Darlehnsrückzahlungsanspruchs wäre die Annahme eines Schadens - ohne dass es auf den tatsächlichen Verlauf des Darlehnsverhältnisses (noch) ankommt - gerechtfertigt.
18
Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen III. 2-5, da der Senat unter Berücksichtigung der in den Urteilsgründen mitgeteilten Umstände zur Leistungsfähigkeit des Darlehnsschuldners B. und zur Werthaltigkeit der bestellten Sicherheiten nicht ausschließen kann, dass letztlich in jedem der fünf Fälle kein relevanter Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB entstanden ist. Zwar spricht Einiges dafür, dass durch die nahezu gleichzeitige Inanspruchnahme von neun Krediten zur Finanzierung von Immobilienerwerben die finanzielle Leistungsfähigkeit des Käufers B. in maßgeblicher Weise überstiegen wurde, obwohl er grundsätzlich solvent war, über nicht unerhebliche Rücklagen verfügte und zudem eine wert- haltige Aussicht auf kick-back-Zahlungen besaß. Ob aber deshalb auch von einer Minderwertigkeit des (gesicherten) Darlehensrückzahlungsanspruchs ausgegangen werden muss, lässt sich anhand der landgerichtlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Es erscheint durchaus möglich, dass eine eventuelle Wertminderung des persönlich gegen den Erwerber B. gerichteten schuldrechtlichen Anspruchs durch die dingliche Sicherung der erworbenen Grundstücke mit Grundschulden ausgeglichen worden ist. Zwar geht das Landgericht in seinen Feststellungen insoweit davon aus, dass die jeweilige Grundschuld wegen des nicht dem Darlehensbetrag entsprechenden Verkehrswerts der Wohnung (allein) keine "ausreichende Sicherheit" für das gewährte Darlehen geboten habe (vgl. UA S. 36), doch berücksichtigt es damit nicht, dass auch eine unter dem Darlehensbetrag liegende dingliche Sicherung im Zusammenhang mit jedenfalls teilweise werthaltigen schuldrechtlichen Ansprüchen gegen den Darlehensschuldner die Werthaltigkeit des Darlehnsrückzahlungsanspruchs erhalten kann. Im Ergebnis kann der Senat nicht ausschließen , dass unter Berücksichtigung einer gewissen Werthaltigkeit des schuldrechtlichen Rückzahlungsanspruches und des konkreten Werts der Grundschulden zum Zeitpunkt der Darlehensauskehrung ein relevanter Vermögensschaden nicht gegeben ist.
19
2. Der Schuldspruch in den Fällen III. 1 und 6 der Urteilsgründe begegnet dagegen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Angesichts der offensichtlichen Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers A. bereits zum Zeitpunkt der Darlehensgewährungen, die durch seine Überschuldung und das Ausbleiben jeglicher Rückzahlungen an das Kreditinstitut belegt wird, kann ausgeschlossen werden, dass im Fall III. 1 überhaupt kein Schaden entstanden ist. Gleiches gilt im Fall III. 6. Zwar hat der Erwerber D. in geringerem Umfang zunächst Ratenzahlungen erbracht. Jedoch ist angesichts des Umstandes, dass er trotz erheblicher Verschuldung insgesamt neun über Darlehen finan- zierte Wohnungen gekauft hat, von fehlender Zahlungsunfähigkeit auszugehen, die mangels hinreichender Kompensation durch die bestellten Grundschulden einen Vermögensschaden begründet. Da der Rechtsfehler allein in der unterbliebenen Bezifferung des Schadensumfangs liegt, sind in beiden Fällen lediglich die Strafaussprüche aufzuheben.
20
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen III. 2-5 und der Strafaussprüche in den Fällen III. 1 und 6 zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe und der Kompensationsentscheidung nach sich.
Becker Berger Krehl RiBGH Dr. Eschelbach ist Ott erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR334/15
vom
19. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung , wegen Betrugs in sechs Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Untreue in zwei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Der Schuldspruch wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die Strafkammer hat bei der Schadensfeststellung im Wege der gebotenen Gesamtsaldierung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 und vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711) zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass für die Schadensberechnung der Wert der von den Geschädigten an die J. AG abgetretenen Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung entscheidend ist, weil die Zahlungsansprüche der Geschädigten objektiv wertlos waren; denn die von dem Angeklagten vertretene J. AG war von Anfang an nicht bereit, den Kaufpreis für die Forderungen zu entrichten. Den Wert der jeweils abgetretenen Forderung hat das Landgericht aber nicht tragfähig bestimmt.
5
b) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB tritt nur ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung , vgl. Senat aaO). Bei der hier vorgenommenen Wertberechnung hat die Strafkammer zu Unrecht die Grundkaufpreise der Forderungen als Schaden angesetzt. Dieser errechnete sich aus einem Prozentsatz von 20 bis 25 % des „FairValue“. Die sogenannten Grundkaufpreise sind damit auf eine typisierte Durchschnittsbetrachtung zurückgeführt und stellen schon deshalb keine geeignete Basis für die Schadensbestimmung im Sinne des § 263 StGB dar. Demnach sind die verfahrensgegenständlichen Factoringverträge auch keine Verträge, in denen die Vertragsparteien in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten marktwirtschaftlichen System den Wert eines häufig verkauften oder gehandelten Gegenstandes festsetzen, und deshalb bei der Darlegung des Schadens auf nähere Ausführungen verzichtet werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte für die völlig überschuldete J. AG die Forderungen zwar schnell erwerben und verwerten wollte, er von vorneherein jedoch nie vorhatte, den Kaufpreis zu zahlen. Deshalb lässt sich aus dem Kaufpreis kein tragfähiges Indiz für den objektiven Wert der abgetretenen Forderung ableiten.
6
Die Berechnung des wirtschaftlichen Werts der durch die Forderungsabtretung aus dem Vermögen der Geschädigten ohne werthaltigen Gegenanspruch ausgeschiedenen Forderungen hätte das Landgericht deshalb - gegebenenfalls im Wege der Schätzung oder mit sachverständiger Hilfe - anhand der insoweit maßgeblichen Wertkriterien (etwa: materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs nebst Anspruchsgrundlage und -höhe, Beweisbarkeit im Gerichtsverfahren, Bonität des Schuldners, Vergleichsbereitschaft des Schuldners - Einwendungen/Einreden) ermitteln müssen. Für diese Wertermittlung kann als Indiz auch relevant sein, inwieweit eine Forderung später tatsächlich durchgesetzt werden konnte.
7
c) Vor dem Hintergrund, dass in der Mehrzahl der hier abgeurteilten Fälle die Forderungseintreibung erfolglos blieb, kann der Senat nicht ausschließen, dass die abgetretenen Forderungen im Einzelfall wirtschaftlich wertlos waren und den Getäuschten deshalb im Ergebnis kein Schaden entstanden ist. Der Rechtsfehler betrifft deshalb nicht nur den Schuldumfang, sondern in jedem Fall auch den Schuldspruch des Betrugs.
8
d) Von dem Rechtsfehler sind auch die zugehörigen Feststellungen betroffen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche Feststellungen zu den genannten Taten auf.
9
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs zieht auch die Aufhebung der tateinheitlich abgeurteilten Untreue und des Strafausspruchs nach sich (vgl. zum Verhältnis Betrug und Untreue RG, Urteil vom 6. Juli 1933 - III 598/33, RGSt 67, 273 ff.; BGH, Urteile vom 22. April 1954 - 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68 und vom 22. Juli 1970 - 3 StR 237/69, BGHSt 23, 304, 306; Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195, 196; Urteil vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 492/10, NStZ 2011, 280, 281).
10
3. Unberührt von der Entscheidung des Senats bleibt der Ausspruch des Landgerichts zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 1 StR 641/12 mwN). Der neue Tatrichter wird aber zu prüfen haben, ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene Zeit zu erhöhen sein wird.
Raum Graf Jäger
Mosbacher Fischer

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

11
aa) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der Leasinggeber nach § 278 BGB haftet, wenn der Verkäufer/Lieferant der Leasingsache schuldhaft den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt, sofern der Verkäufer/Lieferant mit Wissen und Willen des Leasinggebers (Vor-)Verhandlungen mit dem Leasingnehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt. Dies folgt daraus, dass der Leasinggeber im Interesse der Vereinfachung der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung einen Dritten - den Verkäufer/Lieferanten - mit Aufgaben betraut, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Dabei kann der Umstand , dass der Verkäufer/Lieferant - wie hier - im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über Leasingantragsformulare der Klägerin und deren Berechnungsgrundlagen für die Bestimmung der Leasingraten verfügt hat, ein Indiz dafür sein, dass die Verhandlungen des Lieferanten mit Wissen und Wollen des Leasinggebers erfolgt sind (Senatsurteil vom 18. September 2013 - VIII ZR 281/12, NJW-RR 2014, 622 Rn. 18 mwN). Damit einher geht in diesen Fällen eine Erweiterung der Aufklärungs-, Hinweis- und Beratungspflichten des Lieferanten ; diesen trifft in einer dem Leasinggeber zurechenbaren Weise auch die Verantwortung dafür, dass das Verhandlungsergebnis gleichermaßen im Er- werbsgeschäft und im Leasingvertrag aufgeht (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rn. 1781).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 94/10 Verkündet am:
30. März 2011
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zur Frage einer Zurechnung des Verhaltens eines vom Leasinggeber mit der
Vorbereitung des Leasingvertrags betrauten Lieferanten, der dem Leasingnehmer
unter Hinweis auf eine angebliche "Kostenneutralität" des Gesamtgeschäfts
ohne Wissen des Leasinggebers den Abschluss eines "Werbevertrags"
anrät (im Anschluss an BGH, Urteile vom 20. Oktober 2004 - VIII ZR
36/03, NJW 2005, 365; vom 1. Juni 2005 - VIII ZR 234/04, NJW-RR 2005,
1421).

b) Zur Frage des Vorliegens eines einheitlichen Rechtsgeschäfts, wenn der
Leasingnehmer neben dem Leasingvertrag einen "Werbevertrag" mit einem
Dritten abschließt, der eine Erstattung der Leasingraten gegen Empfehlung
von Neukunden vorsieht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 8. Juli 2009
- VIII ZR 327/08, NJW 2009, 3295).
BGH, Urteil vom 30. März 2011 - VIII ZR 94/10 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Dr. Milger, Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 23. März 2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers der Beklagten zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger schloss am 27./30.Oktober 2006 unter Vermittlung des Autohauses T. Autoex- und Import GmbH (im Folgenden Autohaus T. ) mit der Beklagten einen Leasingvertrag über einen für seinen Geschäftsbetrieb bestimmten Pkw Audi A6 Avant 2,7 TDI Automatic mit einer Laufzeit von 54 Monaten. Die vom Kläger monatlich zu erbringenden Leasingraten belaufen sich auf 759 € netto zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer. Das Fahrzeug wurde dem Kläger vom Autohaus T. bereits am 27. Oktober 2006 ausgehändigt.
2
Am 27. Oktober 2006 traf der Kläger zudem mit der H. , L. , (im Folgenden H. ) eine als "Werbevertrag" bezeichnete Vereinbarung. In § 4 dieses Vertrags verpflichtete sich H. als Gegenleistung für die Empfehlung von mindestens drei neuen Kunden zur Zahlung eines mo- natlichen "Werbekostenzuschusses" an den Kläger. Die näheren Einzelheiten sind unter §§ 5, 6 der Vereinbarung wie folgt geregelt, wobei der Kläger als Werbepartner bezeichnet wird: "§ 5 Höhe des Werbekostenzuschusses (1) Der Werbepartner hat eine monatliche Darlehensrate in Höhe von € …..880,44 ………………(i.W.: € achthundertachtzig 44/100) [zu zahlen]. (2) Der Werbepartner erhält monatlich folgenden Werbekostenzuschuss für maximal 54 Monate. Die 1. Zahlung beginnt am: sofort für die ersten sechs Monate zu 50 % (440,22 Euro) ab dem 7. Monat zu 100 % € ….. 880,44 …………………..(i.W.: € achthundertachtzig 44/100) (In diesem Betrag ist die jeweils gültige gesetzliche Mehrwertsteuer enthalten.) § 6 Fälligkeit des Werbekostenzuschusses (1) Der Werbekostenzuschuss ist jeweils zum Monatsende fällig. (2) Die Zahlung erfolgt ab dem 25. des Folgemonats (der Betrag soll somit vor der Belastung der Darlehnsrate auf dem Konto sein) auf folgendes Konto des Werbepartners : (…) (3) Bei der Variante "Empfehlung für mindestens 3 neue Kunden" tritt H. in Vorleistung. Die Empfehlung soll in den nächsten 24 Monaten zum Abschluss gebracht werden. Die Empfehlung gilt dann als erfüllt, wenn auf den jeweiligen neuen Kunden das Auto zugelassen ist."
3
Der Kläger führte dem Autohaus T. drei neue Kunden zu, die ebenfalls ein Fahrzeug leasten und "Werbeverträge" mit der H. abschlossen. Die H. leistete den vereinbarten "Werbekostenzuschuss" bis November 2007 und stellte danach die Zahlungen an den Kläger ein. Mit Schreiben vom 1. September 2008 focht der Kläger den Leasingvertrag sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber dem Autohaus T. wegen arglistiger Täuschung an und forderte die Beklagte vergeblich zur Rückzahlung der geleisteten Leasingraten Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf.
4
Der Kläger verlangt unter Anrechnung gezogener Gebrauchsvorteile und des von der H. geleisteten "Werbekostenzuschusses" Rückzahlung erbrachter Leasingraten in Höhe von zuletzt 11.612,08 € (nebst Zinsen) Zug um Zug gegen Rückholung des Leasingfahrzeugs und begehrt außerdem die Feststellung , dass der Leasingvertrag durch die erklärte Anfechtung wirksam beendet worden sei und dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7
Das Feststellungsbegehren des Klägers sei zwar zulässig, weil er ein rechtliches Interesse daran habe, Klarheit über den Bestand der Rechtsbeziehungen zur Beklagten zu erhalten. Es sei jedoch unbegründet.
8
Die vom Kläger ausgesprochene Anfechtung des Leasingvertrags wegen arglistiger Täuschung sei nicht wirksam, weil dem Kläger gegenüber der Beklagten kein Anfechtungsrecht zustehe. Eine Anfechtung wegen Täuschung über den Fahrzeugwert oder die Angemessenheit der Leasingraten komme schon im Hinblick darauf nicht in Betracht, dass der Kläger nach eigenen Anga- ben vor Vertragsschluss über die Möglichkeit unterrichtet gewesen sei, das Fahrzeug günstiger von Dritten zu beziehen. Eine auf eine arglistige Täuschung über die Refinanzierung der Leasingraten gestützte Anfechtung scheitere daran , dass die vom Geschäftsführer des Autohauses T. insoweit abgegebenen Erklärungen der Beklagten nicht zuzurechnen seien. Zwar lägen gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem von H. praktizierten Geschäftsmodell um ein sittenwidriges Schneeballsystem gehandelt habe, das dem Streithelfer bekannt gewesen sei. Das Autohaus T. und dessen Geschäftsführer seien aber, soweit ihre Handlungen den mit H. abgeschlossenen Werbevertrag beträfen, als Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB und nicht als Repräsentanten oder Vertrauenspersonen der Beklagten tätig geworden. Erklärungen eines Lieferanten, die - wie hier - den Abschluss atypischer Sondervereinbarungen mit dem Leasingnehmer beträfen, seien dem Leasinggeber regelmäßig nicht zuzurechnen, weil sie außerhalb des dem Lieferanten übertragenen Pflichtenkreises abgegeben worden seien. Demzufolge seien Aufklärungspflichtverletzungen und Täuschungshandlungen des Lieferanten, die sich auf ein solches Nebengeschäft bezögen, nicht der Leasinggeberin anzulasten. Dieser Beurteilung stehe auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 2009 (VIII ZR 327/08) nicht entgegen. Denn die Beklagte habe - anders als der Leasinggeber in dem dort entschiedenen Fall - unstreitig keine Kenntnis von der Existenz einer Zusatzvereinbarung gehabt.
9
Eine Unwirksamkeit des Leasingvertrags ergebe sich auch nicht aus einer möglichen Sittenwidrigkeit des "Werbevertrags". Denn es handele sich hierbei um getrennte Vertragsverhältnisse, die nicht zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbunden worden seien. Die Beklagte habe unstreitig keine Kenntnis vom Abschluss eines "Werbevertrags" gehabt. Eine Zurechnung des Wissens der H. , des Autohauses T. oder dessen Geschäftsführers komme nicht in Betracht, weil diese nicht als "Wissensvertreter" der Beklagten (§ 166 Abs. 1 BGB) eingesetzt gewesen seien. Auch habe die Beklagte nicht damit rechnen müssen, dass der Geschäftsführer des Autohauses T. als von ihr beauftragter Vermittler weitere Personen als Untervermittler einschalten werde.
10
Rechte wegen Nichterfüllung des "Werbevertrags" nach § 359 Satz 1 BGB, § 358 Abs. 3 BGB, § 500 BGB [aF] stünden dem Kläger schon deswegen nicht zu, weil er das Leasingfahrzeug nicht als Verbraucher (§ 13 BGB) bezogen habe. Außerdem seien Leasing- und "Werbevertrag" nicht derart miteinander verknüpft, dass das Leasinggeschäft der Finanzierung der Werbevereinbarung dienen sollte und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bildeten.

II.

11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
12
Das Berufungsgericht hat das Feststellungsbegehren des Klägers, das allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, rechtsfehlerfrei abgewiesen. Die rechtliche Verbindlichkeit des Leasingvertrags vom 27./30. Oktober 2006 ist weder durch die mit Schreiben vom 1. September 2008 gegenüber der Beklagten erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung noch aus sonstigen Gründen entfallen. Demzufolge ist auch der weitere Antrag des Klägers auf Feststellung eines Verzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Leasingfahrzeugs unbegründet.
13
1. Der Antrag des Klägers, festzustellen, "dass der Leasingvertrag durch die Anfechtung wirksam beendet wurde", ist dahin zu verstehen, dass sich dieses Begehren nicht auf die Feststellung einer aus §§ 142, 123 BGB folgenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts beschränkt, sondern der Kläger letztlich bestätigt wissen will, dass er keinen leasingvertraglichen Bindungen mehr unterliegt. Ein Rechtsschutzbegehren ist so auszulegen, wie dies nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der betroffenen Partei entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 9 mwN). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, das zwar die Reichweite des Feststellungsantrags nicht erörtert, wohl aber eine umfassende Prüfung der Rechtslage vorgenommen hat.
14
2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine Unwirksamkeit des Leasingvertrags nach §§ 142, 123 BGB verneint. Unstreitig hat die Beklagte den Kläger nicht selbst zum Abschluss des "Werbevertrags" bewogen oder durch eigene Erklärungen beim Kläger eine unzutreffende Einschätzung über die mit dem Abschluss des Leasingvertrags verbundenen wirtschaftlichen Belastungen hervorgerufen. Entgegen der Auffassung der Revision muss sich die Beklagte auch nicht ein mögliches arglistiges Verhalten des Autohauses T. und dessen Geschäftsführers oder der H. nach § 123 BGB zurechnen lassen.
15
a) Da die Beklagte nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts beim Abschluss des Leasingvertrags unstreitig vom Zustandekommen eines "Werbevertrags" und der in diesem Zusammenhang möglicherweise von der Lieferantin oder deren Geschäftsführer verübten arglistigen Täuschung des Klägers keine Kenntnis besaß, kann ihr ein solches Verhalten nur dann entgegengehalten werden, wenn das Autohaus T. oder dessen Geschäftsführer hierbei nicht als Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB gehandelt haben. Als Dritter gilt nicht, wer bei Abgabe der täuschenden Erklärung mit Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners als dessen Vertrauensperson oder Repräsentant auftritt (Senatsurteile vom 28. September 1988 - VIII ZR 160/87, NJW 1989, 287 unter II 4 a; vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, CR 1995, 527 unter 2 a). Diese Voraussetzungen entsprechen denjenigen, die für eine Erfüllungsgehilfenstellung nach § 278 BGB gefordert werden (Senatsurteile vom 28. September 1988 - VIII ZR 160/87, aaO unter II 4 c; vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, aaO). Ob sie vorliegen, kann nicht allgemein, sondern nur unter Würdigung der jeweiligen Gesamtumstände und unter Abwägung der betroffenen Interessen beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 28. September 1988 - VIII ZR 160/87, aaO unter II 4 a; vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, aaO).
16
aa) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Es hat nicht in Zweifel gezogen, dass die Beklagte das Autohaus T. bei den Verhandlungen zum Abschluss des Leasingvertrags mit dem Kläger als Repräsentanten eingesetzt hat. Jedoch hat es auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen eine Repräsentantenstellung des Lieferanten und dessen Geschäftsführers im Zusammenhang mit dem vom Kläger zu Refinanzierungszwecken abgeschlossenen "Werbevertrag" verneint. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt nicht jeder von einem Verhandlungsführer arglistig hervorgerufene Motivirrtum eine Anfechtung des vorgenommenen Rechtsgeschäfts. Da sich die Zurechenbarkeit des Verhaltens einer Hilfsperson nach denselben Maßstäben wie bei § 278 BGB bestimmt (Senatsurteile vom 28. September 1988 - VIII ZR 160/87, aaO unter II 4 c; vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, aaO), ist entscheidend, ob eine von ihr vorgenommene Handlung zu dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs gehört, zu dessen Wahrnehmung sie bestellt worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 1959 - VI ZR 222/58, BGHZ 31, 358, 366; vom 14. Februar 1989 - VI ZR 121/88, NJW-RR 1989, 723 unter II 2 a dd; Senatsurteil vom 20. Oktober 2004 - VIII ZR 36/03, NJW 2005, 365 unter II 2 d). Dies ist nicht der Fall, wenn zwischen der aufgetragenen Verrichtung und der Handlung zwar ein kau- saler und zeitlicher Zusammenhang, nicht aber ein innerer, sachlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 121/88, aaO).
17
(1) So liegen die Dinge hier. Die Revision verweist zwar auf Vorbringen in den Tatsacheninstanzen, wonach die Beklagte dem Autohaus T. die Software für die Berechnung der jeweiligen Leasingraten und etwaiger Sonderzahlungen einschließlich der Dateien mit den Antragsformularen überlassen, es mit der Aushandlung der Vertragsmodalitäten betraut und es mit einer Inkassovollmacht für Sonderzahlungen ausgestattet hatte. Dem Autohaus war damit aber nur die Betreuung der notwendigen Vertragsvorbereitung (vgl. hierzu Senatsurteile vom 4. November 1987 - VIII ZR 313/86, NJW-RR 1988, 241 unter II 2 c aa; vom 28. September 1988 - VIII ZR 160/87, aaO), nicht dagegen die Aufgabe übertragen worden, durch die Vermittlung von Geschäften mit Dritten Anreize für den Abschluss von Leasingverträgen zu schaffen. Wird einem Leasingnehmer vom Lieferanten vorgespiegelt, die Belastungen aus dem Leasingvertrag würden in wirtschaftlicher Hinsicht durch ein mit einem anderen Vertragspartner abzuschließendes Nebengeschäft kompensiert, wird der Lieferant regelmäßig nicht in Ausübung, sondern nur bei Gelegenheit der ihm von der Leasinggeberin übertragenen Aufgaben tätig (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, aaO unter 3).
18
(2) Daran ändert auch der vom Kläger angeführte Umstand nichts, dass die ihm für den Fall des Abschlusses eines "Werbevertrags" in Aussicht gestellte Erstattung der Leasingraten durch die H. ausschlaggebend dafür gewesen sei, sich für ein Leasingfahrzeug zu entscheiden. Denn auch aus Sicht eines Außenstehenden war erkennbar, dass das vom Autohaus und der H. praktizierte Geschäftsmodell mit den leasingvertraglichen Rechten und Pflichten in keinem inhaltlichen Zusammenhang stand.
19
Weder das Antragsformular noch die "Leasingbestätigung" enthalten einen Hinweis auf den Abschluss eines "Werbevertrags" mit der H. . Nach dem von der Revision in Bezug genommenen Vorbringen des Klägers ist der von ihm auf dem Antragsformular handschriftlich vermerkte Zusatz "Werbevertrag H. " vom Autohaus nicht akzeptiert und der Kläger veranlasst worden, ein neues Formular zu unterzeichnen, das einen solchen Vermerk nicht aufwies. Selbst wenn dieser Vorgang - so das Vorbringen des Klägers - vom Geschäftsführer des Autohauses mit dem Hinweis begründet worden sein sollte, die Beklagte wisse Bescheid, durfte der Kläger bei objektiver Betrachtung angesichts der Gestaltung des "Werbevertrags" und des Leasingbestellformulars nicht davon ausgehen, bei dem ihm angepriesenen "Werbevertrag" handele es sich um ein von der Beklagten aufgezogenes "Geschäftsmodell" oder um eine im weitesten Sinne in deren Pflichtenkreis fallende Aufgabe. Da die Beklagte an dem "Werbevertrag" nicht als Vertragspartnerin beteiligt ist und dessen Abschluss nicht zu den Aufgaben zählt, die das Autohaus für sie zu erledigen hatte, muss sie sich das praktizierte "Geschäftsmodell" nicht im Hinblick auf eine Repräsentantenstellung des Autohauses zurechnen lassen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 1. Juni 2005 - VIII ZR 234/04, NJW-RR 2005, 1421 unter II 2 a; OLG Düsseldorf , OLGR 1992, 154 f.).
20
bb) Ein mögliches arglistiges Verhalten des Geschäftsführers des Autohauses ist der Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines verbundenen Geschäfts zuzurechnen. Zwar muss sich eine Bank, die ein Anlagengeschäft eines Verbrauchers finanziert, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG (heute § 358 BGB) eine arglistige Täuschung des Vermittlers über das Anlageobjekt zurechnen lassen mit der Folge, dass der Verbraucher in diesem Fall auch den Darlehensvertrag nach § 123 BGB anfechten kann (BGH, Urteile vom 25. April 2006 - XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239 Rn. 29; vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 24; vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, NJW 2010, 602 Rn. 19; jeweils mwN). Leasingvertrag und "Werbevertrag" bilden jedoch schon deswegen kein verbundenes Geschäft im Sinne von § 359 Abs. 1, § 358 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 500 BGB aF (mit Wirkung zum 11. Juni 2010 aufgehoben durch das Gesetz vom 29. Juli 2009 zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht , BGBl. I S. 2355), weil der Kläger den Leasingvertrag nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB abgeschlossen hat. Zudem setzt die in § 500 BGB aF angeordnete entsprechende Anwendung der §§ 358, 359 BGB auf Finanzierungsleasingverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher voraus, dass ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder Erbringung einer anderen Leistung mit dem Leasingvertrag derart verknüpft ist, dass das Leasing ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden (Senatsurteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 327/08, NJW 2009, 3295 Rn. 15). Vorliegend fehlt es schon am Vorliegen der ersten Voraussetzung, da die vorgesehenen Leistungen der H. ("Werbekostenzuschüsse" ) nicht durch den Leasingvertrag finanziert, sondern von dieser gegen "Empfehlung" neuer Kunden erbracht werden sollten (vgl. auch Senatsurteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 327/08, aaO). Der Umstand, dass durch die "Werbekostenzuschüsse" der H. die vom Kläger zu zahlenden Leasingraten "refinanziert" werden sollten, führt nicht zur Annahme verbundener Verträge im Sinne der §§ 358, 359 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 327/08, aaO).
21
cc) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte müsse sich das Handeln des Geschäftsführers des Autohauses T. jedenfalls insoweit zurechnen lassen, als dieser arglistig eine wirksame Einbeziehung des "Werbe- vertrags" in das Vertragsverhältnis mit der Beklagten vorgetäuscht habe. Denn auch insoweit ist der Geschäftsführer des Autohauses nicht als Repräsentant oder Vertrauensperson der Beklagten aufgetreten. Das Anraten zum Abschluss eines "Werbevertrags" stand - wie bereits unter II 2 a aa ausgeführt - nicht in einem inneren, sondern allenfalls in einem kausalen Zusammenhang mit den dem Autohaus von der Beklagten übertragenen Aufgaben. Für eine mögliche Vortäuschung eines einheitlichen Vertragsverhältnisses gilt nichts anderes. Insbesondere obliegt dem Leasinggeber - entgegen der Auffassung der Revision - nicht die Verpflichtung, bei der Vertragsanbahnung darauf hinzuweisen, dass im Falle einer ohne seine Kenntnis oder Beteiligung abgeschlossenen Subventionsvereinbarung mit einem anderen Vertragspartner die beiden Vereinbarungen nicht Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Sinne von § 139 BGB würden. Ein Leasinggeber muss nicht ohne weiteres damit rechnen, dass sein Lieferant dem Leasingnehmer den Abschluss von Sondervereinbarungen zur Subventionierung der Leasingraten anträgt.
22
b) Die Beklagte muss sich schließlich auch nicht ein etwaiges Fehlverhalten der H. oder deren Mitarbeiter anrechnen lassen. Dass diese als Repräsentanten oder Vertrauenspersonen der Beklagten in Erscheinung getreten sind, macht auch die Revision nicht geltend. Sie will deren Tätigwerden der Beklagten aber deswegen zurechnen, weil diese nach kaufmännischer Lebenserfahrung habe damit rechnen müssen, dass das Autohaus T. "Untervermittler" einschalten werde. Diese Rüge bleibt jedoch schon deswegen ohne Erfolg, weil sich die Beklagte - wie bereits ausgeführt - nicht des Autohauses als Repräsentanten oder Erfüllungsgehilfen zur Anbahnung des "Werbevertrags" bedient hat und die H. oder deren Mitarbeiter nicht in die Anbahnung des Leasingvertrags eingebunden waren. Die Frage der Erkennbarkeit des Tätigwerdens weiterer Personen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - VII ZR 181/02, NJW 2004, 2156 unter II 2 d (5) mwN) stellt sich damit nicht.
23
3. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, eine mögliche Nichtigkeit des "Werbevertrags" wegen Sittenwidrigkeit (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. März 2008 - III ZR 282/07, NJW 2008, 1942 Rn. 6 mwN) führe nicht gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des Leasinggeschäfts.
24
a) Zwar können auch selbständige Vereinbarungen unter bestimmten Umständen ein einheitliches Rechtsgeschäft darstellen mit der Folge, dass die Nichtigkeit eines der Verträge gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit der Gesamtvereinbarung führt. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsgeschäfte in mehreren Urkunden niedergelegt sind, unterschiedlichen Geschäftstypen angehören und an ihnen zum Teil verschiedene Personen beteiligt sind (vgl. BGH, Urteile vom 20. Mai 1966 – V ZR 214/64, WM 1966, 899 unter IV 2; vom 30. April 1976 - V ZR 143/74, NJW 1976, 1931 unter II 1; vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91, NJW 1992, 3237 unter A I 1 b; jeweils mwN). Die Verknüpfung mehrerer Verträge zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft setzt aber voraus, dass sie nach dem Willen der Vertragsschließenden nicht für sich allein gelten, sondern miteinander "stehen und fallen" sollen (so genannter "Einheitlichkeitswille"; vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 1968 - V ZR 188/64, BGHZ 50, 8, 13; vom 20. Mai 1966 - V ZR 214/64, aaO; vom 30. April 1976 - V ZR 143/74, aaO; vom 19. Februar 1998 - III ZR 169/97, BGHZ 138, 91, 98; vom 24. Oktober 2006 - XI ZR 216/05, NJW-RR 2007, 395 Rn. 17; jeweils mwN). Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitlichkeitswillen erkennen lässt und der andere ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitlicher Vertrag vorliegen (BGH, Urteile vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 49; vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91, aaO; vgl. ferner Senatsurteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 327/08, aaO Rn. 17). Erforderlich ist aber ein Wille zu einer rechtlichen Verknüpfung; ein rein wirtschaftlicher Zusammenhang genügt für sich allein nicht (BGH, Urteile vom 20. Mai 1966 - V ZR 214/64, aaO; vom 9. Februar 1990 - V ZR 274/88, NJW 1990, 1473 unter II 1 b, insoweit in BGHZ 110, 230 nicht abgedruckt; vom 24. Oktober 2006 - XI ZR 216/05, aaO). Ob gemessen an diesen Grundsätzen ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB vorliegt, ist Tatfrage und durch Ermittlung und Auslegung des Parteiwillens festzustellen (BGH, Urteile vom 30. April 1976 - V ZR 143/74, aaO; vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 313/78, aaO; vom 19. Februar 1998 - III ZR 169/97, aaO; vom 10. Oktober 2006 - XI ZR 265/05, NJW 2007, 1131 Rn. 24). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden die widerlegliche Vermutung begründet, dass die Verträge nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen (BGH, Urteile vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 313/78, aaO; vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91, aaO).
25
b) Nach diesen Grundsätzen ist entgegen der Auffassung der Revision nicht davon auszugehen, dass Leasing- und "Werbevertrag" jeweils Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts wären mit der Folge, dass eine mögliche Nichtigkeit des "Werbevertrags" (etwa wegen Sittenwidrigkeit) gemäß § 139 BGB auch zur Nichtigkeit des Leasinggeschäfts führen würde. Zwar kann eine solche rechtliche Verknüpfung auch in den Fällen angenommen werden, in denen der Vermittler eines Leasingvertrags dem Leasingnehmer unter besonderer Hervorhebung der damit verbundenen Kostenneutralität des Gesamtgeschäfts den Abschluss eines Dienstleistungsvertrags mit Subventionscharakter anträgt und dem Leasinggeber die entsprechende Bewerbung des Gesamtgeschäfts bekannt ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 327/08, aaO). Daher hat der Senat in einem solchen Fall unter gebotener Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der beiderseitigen Erklärungen angenommen, dass die wirtschaftliche Einheit der beiden Vereinbarungen Vertragsinhalt des Leasinggeschäftes geworden ist (Senatsurteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 327/08, aaO).
26
So liegen die Dinge im Streitfall jedoch nicht. Der Beklagten war nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bekannt, dass dem Kläger unter Hinweis auf die Kostenneutralität des Gesamtgeschäfts der Abschluss eines "Werbevertrags" mit der H. angetragen worden war. Das Antragsformular mit dem von ihm angebrachten Zusatz "Werbevertrag H. " ist der Beklagten nicht zugegangen; vielmehr wurde ihr ein vom Kläger neu unterzeichnetes Formular übermittelt, das diesen Vermerk nicht enthielt. Ihr ist auch nicht das Wissen des Geschäftsführers des Autohauses T. in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen, denn dieser ist bei der Vermittlung des "Werbevertrags" nicht als deren Wissensvertreter tätig geworden. Dies würde voraussetzen, dass der Geschäftsführer des Autohauses auch insoweit eine ihm von der Beklagten übertragene Aufgabe wahrgenommen hätte und hierbei als deren Repräsentant tätig geworden wäre (vgl. Senatsurteile vom 1. Juni 2005 - VIII ZR 234/04, aaO; vom 20. Oktober 2004 - VIII ZR 36/03, aaO unter II 3). Das ist - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - nicht der Fall. Mangels Kenntnis der Beklagten von der Existenz eines "Werbevertrags" konnte und musste sie das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Leasingvertrags nicht dahin verstehen, dass der Kläger beide Verträge zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft zusammengefasst wissen wollte. Folglich ist die wirtschaftliche Einheit des Gesamtgeschäfts nicht Inhalt des Leasingvertrags geworden.
27
4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Kläger könne gemäß §§ 249, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 278 BGB Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten verlangen. Entgegen der Auffassung der Revision war die Beklagte, die keine Kenntnis von dem Abschluss des "Werbevertrags" hatte, nicht verpflichtet, den Kläger bei den Vertragsverhandlungen vorsorglich darüber zu belehren oder durch Erfüllungsgehilfen belehren zu lassen, dass im Falle einer mit einem Dritten möglicherweise gesondert zu- stande kommenden Subventionierungsvereinbarung die beiden Verträge nicht zu einem einheitlichen Gesamtgeschäft verknüpft würden. Denn es ist Sache des ein solches Nebengeschäft abschließenden Leasingnehmers, dem Leasinggeber gegenüber deutlich zu machen, dass er den Leasingvertrag nur im Verbund mit dem Nebengeschäft abschließen will. Die von der Revision verlangte Belehrung liegt damit außerhalb des Pflichtenkreises der Beklagten. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 17.04.2009 - 8 O 2983/08 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 23.03.2010 - 7 U 62/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 281/12 Verkündet am:
18. September 2013
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage einer Zurechnung des Verhaltens eines vom Leasinggeber mit der
Vorbereitung des Leasingvertrags betrauten Lieferanten, der weitere Personen
einschaltet, die dem Leasingnehmer unter Hinweis auf eine angebliche "Kostenneutralität"
des Gesamtgeschäfts ohne Wissen des Leasinggebers den Abschluss
eines "Kooperationsvertrags" mit einem Dritten anraten (im Anschluss
an Senatsurteile vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, CR 1995, 527 ff.; vom
30. März 2011 - VIII ZR 94/10, NJW 2011, 2874 ff., und VIII ZR 99/10, juris).
BGH, Urteil vom 18. September 2013 - VIII ZR 281/12 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Dr. Milger und Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 2. August 2012 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte betreibt eine freiberufliche Arztpraxis. Am 30. Juni 2008 unterzeichnete sie einen Vertrag mit der M. GmbH (im Folgenden : M. GmbH), mit dem sie ihre Anmeldung als Koop-Partnerin der M. GmbH erklärte. Der ihr von einem Mitarbeiter der M. GmbH vorgelegte Vertrag sah vor, dass sie sich vier Stunden im Monat für eine medizinische telefonische Beratung der von der M. GmbH vermittelten Anrufer bereithalten sollte. Hierfür sollte sie ein Honorar von monatlich 685 € netto und für jede Gesprächsminute zusätzlich 1 € netto erhalten. In der Vorbemerkung des Koope- rationsvertrags ist folgende Regelung enthalten: "Über die Vertragsinhalte vereinbaren die M. GmbH und der Koop-Partner Stillschweigen."
2
Voraussetzung für die Vertragsdurchführung war der Erwerb einer speziellen Telekommunikationsanlage ("kommunikationstechnischer Praxismanager" ) auf Kosten der Beklagten. Hierzu legte der Mitarbeiter der M. GmbH ein Informationsblatt vor, nach dem das Geschäft für die Beklagte bei einer Finanzierung der Anlage durch eine Leasinggesellschaft (mindestens) kostenneutral ausgestaltet werden könne.
3
Daraufhin unterzeichnete die Beklagte am 30. Juni 2008 zusätzlich einen - ihr ebenfalls von dem Mitarbeiter der M. GmbH vorgelegten - Antrag auf Abschluss eines Leasingvertrags mit der Klägerin über eine von dieser zum Preis von 28.000 € netto zu erwerbende Telekommunikationsanlage "Praxismana- ger". Danach sollte die Beklagte während der 48-monatigen Laufzeit des Lea- singvertrags monatliche Leasingraten von 691,60 € zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer in Höhe von 131,40 € erbringen. Die Klägerin nahm dieses Ver- tragsangebot am 22. Juli 2008 an. Einen Hinweis auf den zwischen der Beklagten und der M. GmbH geschlossenen Kooperationsvertrag enthielt der Leasingvertrag nicht, wohl aber den fettgedruckten Passus, dass der Lieferant nicht bevollmächtigt sei, im Namen der Klägerin Erklärungen abzugeben oder Vereinbarungen zu treffen, die nicht in diesem Vertrag niedergelegt sind.
4
Nach Abschluss des Leasingvertrags erwarb die Klägerin von der Herstellerin , der T. Vertriebs- und Beratungsgesellschaft Telekommunikationssysteme mbH (im Folgenden: T. GmbH), die Anlage zum Preis von 32.320 € brutto. Deren Geschäftsführer war zugleich Geschäftsführer der M. GmbH. Die Beklagte bestätigte am 12. August 2008 die ordnungsgemäße Auslieferung der Telekommunikationsanlage.
5
Ab Januar 2009 leistete die M. GmbH für die Beratungsleistungen der Beklagten keine Zahlungen mehr. Zwischenzeitlich ist sie insolvent. Im Hinblick auf die ausgebliebenen Honorarzahlungen der M. GmbH stellte die Beklagte nach dem 31. Januar 2009 die Zahlung der Leasingraten an die Klägerin ein. Am 2. August 2009 kündigte die Klägerin den Leasingvertrag wegen Zahlungsverzugs fristlos und rechnete den vorzeitig beendeten Vertrag ab. Sie verlangt von der Beklagten Ausgleich rückständiger Leasingraten (nebst Verzugskosten) und Ersatz des durch die vorzeitige Vertragsbeendigung eingetretenen Schadens (jeweils nebst Zinsen).
6
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 24.207,62 € nebst Zinsen ge- richteten Klage - mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat Erfolg.

I.

8
Das Berufungsgericht (OLG Dresden, WM 2013, 1092) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
9
Eine Nichtigkeit des Leasingvertrags wegen sittenwidriger Überteuerung der Telekommunikationsanlage könne nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte, aufgrund derer die Klägerin auch nur die Vermutung habe hegen müssen, dass die Anlage überteuert gewesen wäre, habe die Beklagte nicht dargetan. Dagegen spreche insbesondere das von der Klägerin angeführte, in einem anderen Gerichtsverfahren erstattete Sachverständigengutachten, das zu dem Ergebnis gekommen sei, wegen des individuellen Zuschnitts der Software sei ein Vergleichswert nicht festzustellen. Zudem habe die Beklagte nicht dargelegt, welcher Preis für eine Anlage mit vergleichbarer Hard- und Software-Ausstattung im Juni 2008 üblich gewesen sei.
10
Der Anspruch der Klägerin sei jedoch deswegen unbegründet, weil sie ihre vorvertraglichen Pflichten bei der Anbahnung des Leasingvertrags nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB verletzt und die Beklagte daher so zu stellen habe, als hätte diese den Leasingvertrag nicht abgeschlossen. Ein Leasinggeber habe seinen Vertragspartner auch über solche Umstände aufzuklären , die einer dargestellten Kostenneutralität entgegenstünden, soweit sie ihm bekannt seien oder bekannt sein müssten. Wenn - wovon nach dem Inhalt des Informationsblatts und den Angaben der Beklagten im Verhandlungstermin auszugehen sei - mit dem zentralen Argument eines für den Leasingnehmer kostenneutralen Geschäfts geworben werde, werde bei diesem regelmäßig der Eindruck entstehen, es handele sich um ein einheitliches wirtschaftliches Geschäft , bei dem er von der Zahlung der Leasingraten entbunden sei, wenn der Lieferant oder ein Dritter seine Zusage nicht einhalte, die Leasingraten im wirtschaftlichen Ergebnis zu übernehmen. Bei der Vertragsanbahnung erfolgte Angaben des Lieferanten oder dessen Hilfspersonen über eine angebliche Kostenneutralität des Leasinggeschäfts stellten eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten dar, wenn eine Aufklärung über die fehlende wirtschaftliche Verknüpfung beider Vertragsverhältnisse unterbleibe.
11
Die - eine eigene Verpflichtung der Klägerin zur Aufklärung über die wahre Sachlage auslösenden - Erklärungen des Mitarbeiters der M. GmbH seien der Klägerin gemäß § 278 BGB unabhängig davon zuzurechnen, ob sie konkrete Kenntnis davon gehabt habe, dass der Beklagten das Gesamtgeschäft als kostenneutral dargestellt worden sei. Die Zurechnung hänge allein davon ab, dass der Leasinggeber den Lieferanten bei der Anbahnung des Leasingvertrags einsetze. Voraussetzung sei danach lediglich, dass der Lieferant Pflichten verletzt habe, die im Bereich des vom Leasinggeber geschuldeten Gesamtverhaltens lägen, und dass er mit Wissen und Wollen des Leasinggebers in die den Leasingvertrag betreffenden Verhandlungen eingeschaltet worden sei.
12
Hiervon sei im Streitfall auszugehen. Denn die mit Wissen und Wollen der Klägerin in die Vertragsverhandlungen eingeschaltete Lieferantin T. GmbH sei als ihre Erfüllungsgehilfin tätig geworden. Diese habe ihrerseits die M. GmbH und diese wiederum ihren Mitarbeiter als Hilfsperson eingesetzt mit der Folge, dass sich die Klägerin auch das Verhalten der M. GmbH und deren Mitarbeiters zurechnen lassen müsse. Die Zurechnung setze nicht voraus, dass die Klägerin mit der Einschaltung der M. GmbH und deren Mitarbeiter einverstanden gewesen sei. Davon abgesehen sei der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin Kenntnis davon besessen habe, dass sich die T. GmbH bei der Anbahnung von Leasingverträgen der M. GmbH bedient habe; durch die Hinnahme dieses Umstandes habe sie stillschweigend ihr Einverständnis mit deren Einschaltung erklärt.
13
Der für eine Zurechnung nach § 278 BGB erforderliche innere und sachliche Zusammenhang zwischen dem der Lieferantin T. GmbH erteilten Auftrag und der Fehlberatung durch den Mitarbeiter der M. GmbH sei gegeben. Denn dessen Darstellung der Kostenneutralität des Gesamtgeschäfts betreffe nicht nur den Kooperationsvertrag, sondern wegen der aufgrund seiner Erklärungen von der Beklagten vorausgesetzten wirtschaftlichen Einheit beider Vertragsverhältnisse auch den Leasingvertrag selbst. Die Klägerin müsse dem im Rahmen der Vertragsverhandlungen hergestellten inneren Zusammenhang zwischen beiden Verträgen dadurch Rechnung tragen, dass sie die Beklagte ausdrücklich auf die fehlende Kongruenz zwischen Leasing- und Kooperationsvertrag hinweise. Dies gelte unabhängig davon, ob sie die konkreten Vertragsverhältnisse kenne, denn die sie treffende Pflicht zur Richtigstellung unzutreffender Angaben des Mitarbeiters der M. GmbH werde hier nicht durch einen von der Klägerin selbst begangenen Pflichtverstoß, sondern durch eine ihr zurechenbare Pflichtverletzung bei der Anbahnung des Leasingvertrags ausgelöst.
14
Die Aufklärungspflichtverletzung der Klägerin sei kausal für den Schaden der Beklagten geworden, der in der Belastung mit aus dem Leasingvertrag resultierenden Zahlungspflichten bestehe. Den ihr damit gegen die Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruch könne die Beklagte dem Zahlungsanspruch der Klägerin entgegenhalten, so dass die Klage abzuweisen sei.

II.

15
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat das Berufungsgericht zutreffend eine Nichtigkeit des Leasingvertrags wegen sittenwidriger Übervorteilung der Beklagten ausgeschlossen. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch, soweit es einen Anspruch der Klägerin auf Ausgleich rückständiger Leasingraten (§ 535 Abs. 2 BGB i. V. m. dem Leasingvertrag ), auf Ersatz des Verzugsschadens (§ 280 Abs. 2, § 286 Abs. 2 Ziff. 1 und 3 BGB) und auf Ersatz des durch die fristlose Kündigung der Klägerin entstandenen Schadens (§ 543 Abs. 2 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. Ziff. 9 der Allgemeinen Vertragsbedingungen) mit der Begründung verneint hat, die Klägerin sei aus einer eigenen vorvertraglichen Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB und aufgrund des ihr gemäß § 278 BGB zuzurechnenden Fehlverhaltens des Mitarbeiters der M. GmbH gehalten, die Beklagte so zu stellen, als hätte sie den Leasingvertrag nicht abgeschlossen.
16
1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht eine Nichtigkeit des Leasingvertrags gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung rechtsfehlerfrei verneint. Das Berufungsgericht hat - anders als die Revisionserwiderung meint - die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, die Tele- kommunikationsanlage habe nur einen Wert von 5.000 €, nicht als unsubstanti- iert zurückgewiesen. Vielmehr hat es entscheidend auf die unzureichende Darlegung einer verwerflichen Gesinnung abgestellt. Es hat im Hinblick auf ein in einem anderen Prozess eingeholtes und von der Klägerin vorgelegtes Sachverständigengutachten tragfähige Anhaltspunkte dafür vermisst, dass für die Klägerin ein - von der Beklagten behauptetes - auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erkennbar gewesen ist. Nach den im Gutachten getroffenen Feststellungen ist wegen des individuellen Zuschnitts der verwendeten Software ein üblicher Marktwert für diesen Teil der Anlage nicht zu ermitteln. Der Gutachter hat daher den von T. GmbH hierfür angesetzten Betrag von 10.500 € netto zugrunde gelegt und für die Anlage einen Gesamt- wert von 22.715 € ermittelt.Die Beklagte, die eine selbständige freiberufliche Tätigkeit ausübt und damit die Darlegungs- und Beweislast für eine verwerfliche Gesinnung der Klägerin trägt (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 1995 - VIII ZR 82/94, BGHZ 128, 255, 268), hat keine weiterführenden Angaben dazu gemacht , welcher Preis für eine Anlage mit vergleichbarer Soft- und HardwareAusstattung im Juni 2008 üblich gewesen ist, der der Klägerin als Vergleichsmaßstab hätte dienen können. Ob objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung der Klägerin und den Leasingraten vorliegt (vgl. hierzu Se- natsurteile vom 11. Januar 1995 - VIII ZR 82/94, aaO S. 259 ff.; vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, CR 1995, 527 unter 1 b), kann daher offen bleiben.
17
2. Dagegen ist dem Berufungsgericht nicht darin beizupflichten, die - im Revisionsverfahren der Höhe nach nicht angefochtene - Zahlungspflicht der Beklagten sei im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung der Klägerin (§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 278 BGB) entfallen. Anders als das Berufungsgericht meint, hat die Klägerin nicht gemäß § 278 BGB dafür einzustehen, dass ein Mitarbeiter der M. GmbH durch im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung abgegebene Erklärungen bei der Beklagten die Erwartung geweckt hat, die mit dem Abschluss des Leasingvertrags verbundenen finanziellen Belastungen würden durch das ihr aufgrund des Kooperationsvertrags mit der M. GmbH zustehende Honorar vollständig und dauerhaft kompensiert. Sie war daher nicht gehalten, den von diesem hervorgerufenen Eindruck der Kostenneutralität des Leasinggeschäfts vor oder bei Abschluss des Leasingvertrags richtig zu stellen.
18
a) Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der Leasinggeber nach § 278 BGB haftet, wenn der Verkäufer/Lieferant der Leasingsache schuldhaft den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt, sofern der Verkäufer /Lieferant mit Wissen und Willen des Leasinggebers Vorverhandlungen mit dem Leasingnehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt (Senatsurteile vom 15. Juni 2011 - VIII ZR 279/11, NJW 2011, 2877 Rn. 19; vom 3. Juli 1985 - VIII ZR 102/84, BGHZ 95, 170, 179 f.; vom 4. November 1987 - VIII ZR 313/86, NJW-RR 1988, 241 unter II 2 c aa). Dies folgt daraus, dass der Leasinggeber im Interesse der Vereinfachung der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung einen Dritten - den Verkäufer/Lieferanten - mit Aufgaben betraut , die in seinem Verantwortungsbereich liegen (Senatsurteile vom 15. Juni 2011 - VIII ZR 279/11, aaO; vom 4. November 1987 - VIII ZR 313/86, aaO). Der Umstand, dass der Verkäufer/Lieferant im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über Leasingantragsformulare der Klägerin und deren Berechnungsgrundlagen für die Bestimmung der Leasingraten verfügte, kann ein Indiz dafür sein, dass die Verhandlungen des Lieferanten mit Wissen und Wollen des Leasinggebers erfolgten (Senatsurteil vom 15. Juni 2011 - VIII ZR 279/11, aaO Rn. 25, 19).
19
b) Im Streitfall ist jedoch bei dem Vertragsgespräch nicht die Lieferantin T. GmbH tätig geworden, der die Klägerin nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen zu diesem Zweck Antragsformulare überlassen und im Erfolgsfall auch Provisionen gezahlt hat. Für das Verhalten des Mitarbeiters der M. GmbH hätte die Klägerin daher nur dann nach § 278 BGB einzustehen, wenn die Lieferantin ihrerseits - der Klägerin zurechenbar - die M. GmbH zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben eingeschaltet hätte und die von deren Mitarbeiter gemachten Angaben über die angebliche Kostenneutralität des Leasinggeschäfts zum allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs gehört hätten, zu dessen Wahrnehmung die Lieferantin bestimmt worden war (vgl. Senatsurteile vom 30. März 2011 - VIII ZR 94/10, NJW 2011, 2874 Rn. 16, und VIII ZR 99/10, juris Rn. 18 mwN). Dies ist nicht der Fall, wenn zwischen der aufgetragenen Verrichtung und der Handlung zwar ein kausaler und zeitlicher Zusammenhang, nicht aber ein innerer, sachlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 121/88, NJW-RR 1989, 723 unter II 2 a dd; Senatsurteile vom 30. März 2011 - VIII ZR 94/10, aaO, und VIII ZR 99/10, aaO).
20
Gemessen hieran ist eine Einstandspflicht der Klägerin für die Angaben des Mitarbeiters der M. GmbH zu verneinen. Dabei kann offen bleiben, ob die T. GmbH sich der M. GmbH - wie das Berufungsgericht annimmt, die Revision aber in Frage stellt - nicht nur zur Veräußerung ihrer Geräte, sondern auch zur Vermittlung von Leasingverträgen mit der Klägerin bedient hat. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, scheiterte eine Zurechnung der vom Mitarbeiter der M. GmbH im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung gemachten Angaben zur vermeintlichen Kostenneutralität des Leasinggeschäfts daran, dass diese nicht in einem inneren und sachlichen Zusammenhang mit den von der Klägerin der Lieferantin übertragenen Aufgaben erfolgt sind.
21
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Lieferantin T. GmbH von der Klägerin mit der Betreuung der für die Anbahnung von Leasingverträgen notwendigen Vertragsvorbereitungen betraut worden (vgl. hierzu Senatsurteile vom 30. März 2011 - VIII ZR 94/10, aaO Rn. 17, und VIII ZR 99/10, aaO Rn. 19 mwN). Damit ist ihr aber nicht die Aufgabe übertragen worden, durch die Vermittlung von Geschäften mit Dritten Anreize für den Abschluss von Leasingverträgen zu schaffen. Wird einem Leasingnehmer vom Lieferanten oder dessen Gehilfen vorgespiegelt, die Belastungen aus dem Leasingvertrag würden in wirtschaftlicher Hinsicht durch ein mit einem anderen Vertragspartner abzuschließendes Nebengeschäft kompensiert, wird der Lieferant regelmäßig nicht in Ausübung, sondern nur bei Gelegenheit der ihm von der Leasinggeberin übertragenen Aufgaben tätig (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1995 - VIII ZR 328/93, aaO unter 3; vom 30. März 2011 - VIII ZR 94/10,aaO, und VIII ZR 99/10, aaO).
22
bb) Da sich das auf den Abschluss eines solchen Koppelungsgeschäfts gerichtete Verhalten des Erfüllungsgehilfen auf ein außerhalb seines Pflichtenkreises stehendes Geschehen bezieht, ist der Leasinggeber regelmäßig nicht verpflichtet, den Leasingnehmer bei den Vertragsverhandlungen darüber aufklären zu lassen, dass Leasingvertrag und Koppelungsgeschäft nicht zu einem einheitlichen Gesamtgeschäft verknüpft sind und daher die angestrebte Kostenneutralität nicht für die Dauer des Leasingverhältnisses sichergestellt ist (Senatsurteile vom 30. März 2011 - VIII ZR 94/10, aaO Rn. 27, und VIII ZR 99/10, aaO Rn. 29; vgl. auch Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rn. 1776).
23
cc) Anders als das Berufungsgericht meint, wird der für die Zurechnung des Verhaltens eines Erfüllungsgehilfen erforderliche innere und sachliche Zusammenhang mit dem übertragenen Aufgabenkreis also nicht schon dadurch hergestellt, dass dieser beim Leasingnehmer den Eindruck erweckt, durch den zusätzlichen Abschluss eines Koppelungsvertrags sei der Leasingvertrag wirtschaftlich betrachtet für den Leasingnehmer mit keinen Kosten verbunden. Denn ob und welche Verhaltensweisen in einem - für eine Zurechnung erforderlichen - inneren und sachlichen Zusammenhang zum Leasingvertrag stehen, bestimmt sich allein nach den dem Erfüllungsgehilfen vom Leasinggeber übertragenen Aufgaben. Der Erfüllungsgehilfe selbst kann in den Fällen, in denen er außerhalb dieses Aufgabenkreises wirkt, einen inneren und sachlichen Zusammenhang mit den ihm übertragenen Pflichten nicht dadurch herstellen, dass er (oder seine Hilfsperson) die Erledigung dieser Aufgaben mit Geschäften verknüpft , die von dem ihm übertragenen Aufgabenkreis so weit entfernt sind, dass auch aus Sicht eines objektiven Außenstehenden ein innerer Zusammenhang nicht mehr zu erkennen ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 121/88, aaO). Hierdurch wird allenfalls ein kausaler, nicht aber ein innerer und sachlicher Zusammenhang mit den für den Geschäftsherrn zu erfüllenden Pflichten begründet.
24
Dass der vom Mitarbeiter der M. GmbH angebotene Vertrag über medizinische Beratungsleistungen keinen inneren Zusammenhang mit den leasingvertraglichen Rechten und Pflichten aufwies, war für die Beklagte bei der Unterzeichnung der Verträge erkennbar. Denn das übersichtlich gefasste Antragsformular der Klägerin enthielt keinen Hinweis auf eine solche Vertragsge- staltung, sondern im Gegenteil den drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis, dass der Lieferant nicht befugt ist, abweichend vom Inhalt des Formulars Erklärungen abzugeben oder Vereinbarungen im Namen der Klägerin zu treffen. Hinzu kommt, dass sich die Beklagte und die M. GmbH in dem abgeschlossenen Kooperationsvertrag verpflichtet haben, über dessen Inhalt Stillschweigen zu bewahren, so dass die Beklagte damit rechnen musste, dass die Klägerin von den darin getroffenen Absprachen keine Kenntnis hatte.
25
3. Die Klägerin haftet auch nicht gemäß § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 276 BGB wegen Verletzung einer sie selbst treffenden Aufklärungspflicht. Sie war nicht gehalten, die Beklagte im Vorfeld des Vertragsabschlusses darüber zu belehren oder durch Erfüllungsgehilfen belehren zu lassen , dass im Falle einer mit einem Dritten möglicherweise gesondert zustande kommenden Subventionierungsvereinbarung die beiden Vertragsverhältnisse nicht zu einem einheitlichen Gesamtgeschäft verknüpft würden (vgl. hierzu Senatsurteile vom 30. März 2011 - VIII ZR 94/10, aaO Rn. 27, und VIII ZR 99/10, aaO Rn. 29). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Klägerin die Verfahrensweise der M. GmbH - insbesondere die Andienung eines Kooperationsvertrags - bekannt war. Die Klägerin hat unwiderlegt vorgetragen, sie habe von dem Vorgehen der M. GmbH keine Kenntnis erlangt und lehne solche Geschäftsmodelle ausdrücklich ab.
26
Eine Aufklärungspflicht der Klägerin folgt auch nicht daraus, dass sie hätte wissen müssen, dass die Lieferantin - über von ihr eingeschaltete Personen - die ihr übertragene Stellung als Erfüllungsgehilfin für die Anbahnung von Leasingverträgen dazu missbrauchen würde, Kunden mit dem Abschluss eines medizinischen Beratungsvertrags zu ködern und bei ihnen einen unzutreffenden Eindruck über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Leasinggeschäfts zu wecken (vgl. hierzu Wolf/Eckert/Ball, aaO). Denn von einem Kennenmüssen die- ser Geschäftspraxis ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen.
27
Das Berufungsgericht hat nur festgestellt, es sei nicht völlig abwegig, dass sich die Lieferantin und deren Hilfspersonen beim Vertrieb von Produkten und Leasingverträgen der Andienung von Koppelungsgeschäften bedienen würden; die Klägerin habe selbst vorgetragen, diese beim Vertrieb von Leasingverträgen weit verbreitete Vertragsgestaltung sei ihr bekannt. Diese Feststellungen reichen entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht aus, um eine Aufklärungspflicht der Klägerin zu begründen. Hieraus ergibt sich lediglich eine allgemeine Kenntnis der Klägerin davon, dass bei der Vermittlung von Leasingverträgen auch (unseriöse) Koppelungsgeschäfte getätigt werden. Dieses Wissen erklärt, weshalb sie in ihren Antragsformularen drucktechnisch hervorgehoben darauf hinweist, dass der Lieferant nicht bevollmächtigt sei, im Namen der Klägerin Erklärungen abzugeben oder Vereinbarungen zu treffen, die nicht in dem Vertragsformular schriftlich niedergelegt sind. Dass die Klägerin darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte gehabt hätte, die auf ein entsprechendes Vorgehen der Lieferantin oder deren Hilfspersonen hätten schließen lassen, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts dagegen nicht zu entnehmen.

III.

28
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist entscheidungsreif, weil die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche der Höhe nach nicht im Streit stehen. Der Senat hat daher in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 23.02.2012 - 1 O 1411/10 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 02.08.2012 - 8 U 460/12 -
11
aa) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der Leasinggeber nach § 278 BGB haftet, wenn der Verkäufer/Lieferant der Leasingsache schuldhaft den Leasingvertrag betreffende Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Leasingnehmer verletzt, sofern der Verkäufer/Lieferant mit Wissen und Willen des Leasinggebers (Vor-)Verhandlungen mit dem Leasingnehmer über den Abschluss eines Leasingvertrages führt. Dies folgt daraus, dass der Leasinggeber im Interesse der Vereinfachung der Vertragsanbahnung und Vertragsabwicklung einen Dritten - den Verkäufer/Lieferanten - mit Aufgaben betraut, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Dabei kann der Umstand , dass der Verkäufer/Lieferant - wie hier - im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen über Leasingantragsformulare der Klägerin und deren Berechnungsgrundlagen für die Bestimmung der Leasingraten verfügt hat, ein Indiz dafür sein, dass die Verhandlungen des Lieferanten mit Wissen und Wollen des Leasinggebers erfolgt sind (Senatsurteil vom 18. September 2013 - VIII ZR 281/12, NJW-RR 2014, 622 Rn. 18 mwN). Damit einher geht in diesen Fällen eine Erweiterung der Aufklärungs-, Hinweis- und Beratungspflichten des Lieferanten ; diesen trifft in einer dem Leasinggeber zurechenbaren Weise auch die Verantwortung dafür, dass das Verhandlungsergebnis gleichermaßen im Er- werbsgeschäft und im Leasingvertrag aufgeht (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rn. 1781).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR334/15
vom
19. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. August 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung , wegen Betrugs in sechs Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue sowie wegen Untreue in zwei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Bankrott zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Der Schuldspruch wegen Betrugs in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Untreue, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die Strafkammer hat bei der Schadensfeststellung im Wege der gebotenen Gesamtsaldierung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 und vom 29. Januar 2013 - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711) zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass für die Schadensberechnung der Wert der von den Geschädigten an die J. AG abgetretenen Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung entscheidend ist, weil die Zahlungsansprüche der Geschädigten objektiv wertlos waren; denn die von dem Angeklagten vertretene J. AG war von Anfang an nicht bereit, den Kaufpreis für die Forderungen zu entrichten. Den Wert der jeweils abgetretenen Forderung hat das Landgericht aber nicht tragfähig bestimmt.
5
b) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB tritt nur ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung , vgl. Senat aaO). Bei der hier vorgenommenen Wertberechnung hat die Strafkammer zu Unrecht die Grundkaufpreise der Forderungen als Schaden angesetzt. Dieser errechnete sich aus einem Prozentsatz von 20 bis 25 % des „FairValue“. Die sogenannten Grundkaufpreise sind damit auf eine typisierte Durchschnittsbetrachtung zurückgeführt und stellen schon deshalb keine geeignete Basis für die Schadensbestimmung im Sinne des § 263 StGB dar. Demnach sind die verfahrensgegenständlichen Factoringverträge auch keine Verträge, in denen die Vertragsparteien in einem von Angebot und Nachfrage bestimmten marktwirtschaftlichen System den Wert eines häufig verkauften oder gehandelten Gegenstandes festsetzen, und deshalb bei der Darlegung des Schadens auf nähere Ausführungen verzichtet werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte für die völlig überschuldete J. AG die Forderungen zwar schnell erwerben und verwerten wollte, er von vorneherein jedoch nie vorhatte, den Kaufpreis zu zahlen. Deshalb lässt sich aus dem Kaufpreis kein tragfähiges Indiz für den objektiven Wert der abgetretenen Forderung ableiten.
6
Die Berechnung des wirtschaftlichen Werts der durch die Forderungsabtretung aus dem Vermögen der Geschädigten ohne werthaltigen Gegenanspruch ausgeschiedenen Forderungen hätte das Landgericht deshalb - gegebenenfalls im Wege der Schätzung oder mit sachverständiger Hilfe - anhand der insoweit maßgeblichen Wertkriterien (etwa: materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruchs nebst Anspruchsgrundlage und -höhe, Beweisbarkeit im Gerichtsverfahren, Bonität des Schuldners, Vergleichsbereitschaft des Schuldners - Einwendungen/Einreden) ermitteln müssen. Für diese Wertermittlung kann als Indiz auch relevant sein, inwieweit eine Forderung später tatsächlich durchgesetzt werden konnte.
7
c) Vor dem Hintergrund, dass in der Mehrzahl der hier abgeurteilten Fälle die Forderungseintreibung erfolglos blieb, kann der Senat nicht ausschließen, dass die abgetretenen Forderungen im Einzelfall wirtschaftlich wertlos waren und den Getäuschten deshalb im Ergebnis kein Schaden entstanden ist. Der Rechtsfehler betrifft deshalb nicht nur den Schuldumfang, sondern in jedem Fall auch den Schuldspruch des Betrugs.
8
d) Von dem Rechtsfehler sind auch die zugehörigen Feststellungen betroffen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat sämtliche Feststellungen zu den genannten Taten auf.
9
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs zieht auch die Aufhebung der tateinheitlich abgeurteilten Untreue und des Strafausspruchs nach sich (vgl. zum Verhältnis Betrug und Untreue RG, Urteil vom 6. Juli 1933 - III 598/33, RGSt 67, 273 ff.; BGH, Urteile vom 22. April 1954 - 4 StR 807/53, BGHSt 6, 67, 68 und vom 22. Juli 1970 - 3 StR 237/69, BGHSt 23, 304, 306; Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195, 196; Urteil vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 492/10, NStZ 2011, 280, 281).
10
3. Unberührt von der Entscheidung des Senats bleibt der Ausspruch des Landgerichts zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 1 StR 641/12 mwN). Der neue Tatrichter wird aber zu prüfen haben, ob die Kompensation im Hinblick auf die nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstrichene Zeit zu erhöhen sein wird.
Raum Graf Jäger
Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 616/12
vom
5. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom
5. Februar 2014 in der Verhandlung am 5. März 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott
und der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (in der Verhandlung am
5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Verhandlung
am 5. Februar 2014),
Rechtsanwalt (in der Verhandlung
am 5. Februar 2014 und bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Verteidiger,
Justizangestellte (in der Verhandlung am 5. Februar 2014),
Justizangestellte (bei der Verkündung am 5. März 2014)
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2012 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund überlanger Verfahrensdauer hat es angeordnet, dass vier Monate der verhängten Strafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A.


2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
1. Der Angeklagte war Geschäftsführer der Firma N. Ltd. Das von dieser betriebene Unternehmen unterhielt von August 2006 bis zum 31. August 2007 verschiedene kostenpflichtige Internetseiten, unter anderem die Seite „www.routenplaner-server.com“, auf der ein Online-Routenplaner angeboten wurde.
4
Diese Internetseite, für deren Gestaltung der Angeklagte verantwortlich war, war dergestalt aufgebaut, dass bei ihrem Aufruf zunächst eine Startseite erschien, auf der von dem Nutzer verschiedene Angaben zum Stand- und Zielort zu machen waren. Auf der Startseite befand sich in Fettdruck auch ein Hinweis auf ein Gewinnspiel. Eine Information darüber, dass für die Nutzung des Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war, enthielt die Startseite nicht.
5
Nach Betätigung der Schaltfläche „Route berechnen!“ erschien eine neue Seite, über der sich eine Grafik befand, in der wiederum auf das Gewinnspiel hingewiesen wurde. Auf derselben Seite gab es auch eine so genannte Anmeldemaske , in welche der Nutzer seinen Vor- und Zunamen nebst Anschrift, E-Mail-Adresse und Geburtsdatum einzutragen hatte. Die Anmeldemaske war in kursiver Schrift mit den Worten überschrieben: „Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus!“ Im unteren Bereich der Seite war von dem Nutzer die Schaltfläche „ROUTE PLANEN“ anzuklicken. Unterhalb dieser Schaltfläche befand sich ein Fußnotentext, auf den mit einem Sternchenhinweis verwiesen wurde. Am Ende dieses mehrzeiligen Fußnotentextes war der Preis für einen dreimonatigen Zugang zu dem Routenplaner in Höhe von 59,95 € in Fettdruck ausgewiesen. In Abhängigkeit von der Größe des Monitors und der verwendeten Bildschirmauflösung endete der sichtbare Teil der Internetseite unmittelbar nach der Schaltfläche „ROUTE PLANEN“,so dass der Hinweis auf das zu zahlende Entgelt auf den ersten Blick nicht wahrzunehmen war. Das zu zahlende Entgelt in Höhe von 59,95 € war auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf- geführt, die über den Link „AGB und Verbraucherinformation“ aufrufbarwaren und von dem Nutzer akzeptiert werden mussten. Die Allgemeinen Geschäfts- bedingungen enthielten darüber hinaus eine Bestimmung, wonach dem Nutzer über den Betrag in Höhe von 59,95 € eine Rechnung zugesandt und der Rechnungsbetrag vorbehaltlich des Widerrufsrechts unmittelbar nach Vertragsschluss fällig werde.
6
Zur Prüfung einer möglichen Strafbarkeit durch das Betreiben der Internetseite hatte sich der Angeklagte bereits im Jahr 2006 an seinen Verteidiger, Rechtsanwalt P. , gewandt, der ihn an seinen Sozietätskollegen, Rechtsanwalt G. , weiterverwies. Dieser gab dem Angeklagten ein im August 2006 für einen Dritten erstattetes Gutachten über die strafrechtliche Beurteilung eines auf einer vergleichbaren Internetseite angebotenen kostenpflichtigen Intelligenztests zur Kenntnis. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit wegen Betrugs schon deswegen nicht in Betracht komme, weil keine Täuschungshandlung vorliege.
7
Aufgrund der Klage eines Verbraucherschutzverbandes wurde der Angeklagte am 27. Juni 2007 vom Landgericht Frankfurt am Main verurteilt, es zu unterlassen, Internetseiten (mit ähnlichem Erscheinungsbild) zu betreiben, ohne die Preise für die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen deutlich zu machen. Das Urteil wurde ihm am 2. Juli 2007 zugestellt. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung nahm der Angeklagte aufgrund eines Hinweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 6. Mai 2008 zurück. Weitere gleichgelagerte Entscheidungen durch das Landgericht Frankfurt am Main vom 5. September 2007 folgten, sie wurden vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 4. Dezember 2008 und in einem Fall vom Bundesgerichtshof mit Entscheidung vom 25. März 2010 bestätigt (UA S. 31 f.).
8
2. Spätestens zum 1. September 2007 führte die O. Ltd. die zuvor von der N. Ltd. betriebenen Internetseiten in unveränderter Form weiter. Die O. Ltd. hatte in der Zeit vom 1. März 2007 bis zum 31. Oktober 2007 ihren Sitz zunächst in W. ; zum 1. November 2007 wurde der Firmensitz zum Schein nach Ob. verlegt. Geschäftsführerin der O. Ltd. war die ursprüngliche Mitangeklagte D. , die im Jahr 2005 ohne Deutschkenntnisse als „Au Pair-Mädchen“ aus der Slowakei nach Deutschland gekommen und zum Zeitpunkt ihrer Eintragung als Geschäftsführerin 21 Jahre alt war. Tatsächlich wurden die Geschäfte der O. Ltd. von dem Angeklagten geführt, der nach außen hin als Prokurist auftrat.
9
Insgesamt 261 Nutzer, die den Kostenhinweis auf der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ nicht zur Kenntnis genommen hatten, erstatte- ten Strafanzeige, nachdem sie nach Ablauf der Widerrufsfrist per E-Mail oder per Post eine Zahlungsaufforderung erhalten hatten. Zehn Anzeigeerstatter zahlten das Entgelt in Höhe von 59,95 €. An diejenigen, die nicht gezahlt hatten , wurden Zahlungserinnerungen versandt; einige erhielten zudem Schreiben von Rechtsanwälten, in denen ihnen für den Fall, dass sie nicht zahlten, mit einem Eintrag bei der „Schufa“ gedroht wurde.
10
II. Das Landgericht hat in der verantwortlichen Gestaltung der Internetseiten durch den Angeklagten einen versuchten Betrug gesehen. Der Angeklagte habe die Absicht gehabt, durch die äußere Form der Internetseite über deren Kostenpflichtigkeit zu täuschen und den Nutzern jeweils einen Vermögensschaden in Höhe von 59,95 € zuzufügen. Der Schaden habe darin liegen sollen, dass die Internetnutzer, die nach Eingabe ihrer Daten die Schaltfläche „ROUTE PLANEN“ betätigt hatten, dadurch einen – wenn auch zivilrechtlich anfechtba- ren – Vertrag geschlossen hätten, der sie zur Zahlung von 59,95 € verpflichtet habe, obwohl die Leistung auch umsonst erhältlich gewesen sei (UA S. 73). Darüber hinaus sei der Vertrag nicht auf eine einmalige Leistung, sondern auf ein Abonnement gerichtet gewesen, was den Internetnutzern, die den Kostenhinweis nicht wahrgenommen hätten, gar nicht bekannt gewesen sei. Daher habe zum einen keine Möglichkeit zur Nutzung bestanden, zum anderen sei diese Nutzungsmöglichkeit wirtschaftlich sinnlos gewesen, wenn die Nutzer anlassbezogen eine einzelne Route planen wollten (UA S. 75). Einen vollendeten Betrug hat das Landgericht, das lediglich drei der Anzeigeerstatter als Zeugen vernommen hat, mit der Begründung verneint, es sei nicht nachzuweisen, dass tatsächlich Nutzer der Seite getäuscht worden seien. Aufgrund des dem Angeklagten bekannten Gutachtens vom 2. August 2006, auf das er vertraut habe, habe ihm zunächst die Einsicht gefehlt, Unrecht zu tun. Nachdem ihm am 2. Juli 2007 das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zugestellt worden sei, habe er aber mit bedingtem Unrechtsbewusstsein gehandelt; ihm sei spätestens ab diesem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass er durch die Gestaltung der Internetseiten gegen zivilrechtliche Normen verstoße (UA S. 79). Angesichts von Verschleierungshandlungen im Sommer/Herbst 2007 (Einschaltung von Scheingeschäftsführern , Umfirmierungen und Sitzverlegungen) sei die Strafkammer überzeugt, dass dem Angeklagten tatsächlich bewusst gewesen sei, durch seine Seitengestaltung gegen geltendes Recht zu verstoßen.

B.


11
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
12
I. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
13
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Schuld- und Strafausspruch begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
1. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale des Betrugs gegeben ist.
15
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Vorsatz ge- habt, die Nutzer der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ über die Kos- tenpflichtigkeit der angebotenen Leistung zu täuschen, wird von den Feststellungen getragen.
16
aa) Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täuschung nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3).
17
Auf eine solche Täuschungshandlung richtete sich der Vorsatz des Angeklagten. Der Internetseite und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war zwar bei genauer Lektüre zu entnehmen, dass die Inanspruchnahme des Rou- tenplaners zum Abschluss eines Abonnementvertrages führte und zur Zahlung eines Entgelts in Höhe von 59,95 € verpflichtete. Die Strafkammer hat den Vorsatz aber ohne Rechtsfehler daraus abgeleitet, dass der Angeklagte durch den gewählten Aufbau der Internetseite die Kostenpflichtigkeit der angebotenen Leistung verschleiert hat, indem er den Hinweis auf das anfallende Nutzungsentgelt an einer Stelle platziert hat, an der mit einem solchen Hinweis nicht zu rechnen war. Der Hinweis war nicht – wie insbesondere bei Leistungen zu erwarten ist, die im Internet problemlos kostenfrei in Anspruch genommen werden können – im örtlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den Angaben angebracht , die sich auf die angebotene Leistung beziehen. Er war vielmehr in einem Fußnotentext enthalten, dessen Inhalt der Nutzer nur dann zur Kenntnis nehmen konnte, wenn er dem neben der Überschrift zur Anmeldemaske befindlichen Verweis in Form eines Sternchens folgte. Diese Gestaltung spricht dafür, dass der Angeklagte tatsächlich eine Kenntnisnahme der Kostenpflichtigkeit durch die Nutzer verhindern wollte. Hierfür spricht auch, dass der Fußnotentext bei der im Tatzeitraum statistisch am häufigsten verwendeten Bildschirmgröße und -auflösung erst nach vorherigem „Scrollen“ wahrgenommen werden konnte (so auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 400 f.). Auch die wiederholte Hervorhebung der Gewinnspielteilnahme zielte erkennbar darauf ab, die Aufmerksamkeit des Nutzers darauf zu lenken und so durch die Gesamtgestaltung der Internetseite darüber hinwegzutäuschen, dass für die Inanspruchnahme des Routenplaners ein Entgelt zu zahlen war.
18
Zudem liegt in der Gestaltung der Internetseite ein Verstoß gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV). Diesem Umstand kommt in Fällen, in denen – wie hier – ein Kostenhinweis lediglich an versteckter Stelle enthalten ist, für die Beurteilung einer Täuschungshandlung und eines darauf gerichteten Vorsatzes indizielle Bedeutung zu (vgl. Fischer, 61. Aufl., § 263 Rn. 28a; Eisele, NStZ 2010, 193, 196; Brammsen/Apel, WRP 2011, 1254, 1255; Hatz, JA 2012, 186, 187). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat derjenige, der Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Endpreise). Diese Angaben müssen der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV). Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV sind die Angaben dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen und leicht erkennbar sowie deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen. Soweit auf der Internetseite des Angeklagten lediglich ein Sternchen auf eine Fußnote verwiesen hat, in der das zu zahlende Entgelt ausgewiesen war, genügt dies den beschriebenen Anforderungen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998 – I ZR 187/97, BGHZ 139, 368, 377; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2009, 265, 266) und trägt den landgerichtlichen Schluss, der Angeklagte sei bestrebt gewesen, die Kostenpflichtigkeit des Angebots täuschend zu verschleiern.
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Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass die für die Nutzung anfallenden Kosten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgewiesen waren. Da bereits die Hauptseite keinen deutlichen und leicht erkennbaren Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit enthielt, konnten und mussten die Nutzer nicht damit rechnen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine solche für die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Leistung wesentliche Angabe beinhalteten (ebenso OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 402). Dass der Angeklagte trotz Mitteilung des anfallenden Entgelts auch insoweit beabsichtigte, potentielle Nutzer zu täuschen, wird zudem daraus ersichtlich, dass die entsprechende Preisklausel erstmals in einer drucktechnisch nicht hervorgehobenen Bestimmung auf der dritten Bildschirmseite enthalten und das konkret zu zahlende Entgelt in Höhe von 59,95 € erst einer weiteren Bestimmung auf der fünften Bildschirmseite zu entnehmen war (UA S. 19 f.).
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bb) Der Annahme von Täuschungsabsicht steht nicht entgegen, dass der Hinweis auf die Entgeltlichkeit bei sorgfältiger, vollständiger und kritischer Prüfung erkennbar war. Es ist zwar nicht Aufgabe des Strafrechts (und des Betrugstatbestands), allzu sorglose Menschen vor den Folgen ihres eigenen unbedachten Tuns zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1952 – 5 StR 358/52, BGHSt 3, 99, 103; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 4). Doch lassen Leichtgläubigkeit des Opfers oder Erkennbarkeit einer auf die Herbeiführung eines Irrtums gerichteten Täuschungshandlung weder aus Rechtsgründen die Täuschungsabsicht entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 f.; Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314; Urteil vom 4. Dezember 2003 – 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111) noch schließen sie eine irrtumsbedingte Fehlvorstellung aus.
21
An dieser Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ; ABl. 2005 L149 S. 22) festzuhalten.
22
Gemäß Art. 6 (1) d) der Richtlinie 2005/29/EG gilt eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthält und somit unwahr ist oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation , selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf den Preis täuscht oder ihn zu täuschen geeignet ist und ihn in je- dem Fall tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Der Richtlinie liegt daher im Grundsatz das Leitbild eines durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbrauchers zugrunde (vgl. auch den Erwägungsgrund 18).
23
Soweit unter Verweis auf dieses Leitbild in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des Betrugstatbestands liege eine strafrechtlich relevante Täuschung nur dann vor, wenn die im Geschäftsverkehr getätigte Aussage geeignet ist, eine informierte, aufmerksame und verständige Person zu täuschen (Soyka, wistra 2007, 127, 132; SSW/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 113 f.; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., 2012, § 10 Rn. 17, 21; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht , 6. Aufl., 2013, § 9 Rn. 104 f.; Ruhs in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 567, 579 ff.; vgl. auch Dannecker, ZStW 2005, 697, 711 f.), folgt der Senat dieser Ansicht nicht.
24
Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung wird überwiegend aus Art. 4 Abs. 3 EUV (früher: Art. 10 EGV) und aus Art. 288 Abs. 3 AEUV (früher : Art. 249 Abs. 3 EGV) abgeleitet (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 52; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 6 ff.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 37). Richtlinienkonform auszulegen sind dabei zunächst diejenigen Vorschriften, die unmittelbar der Umsetzung einer EU-Richtlinie dienen (Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 63; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10); darüber hinaus ist aber auch das sonstige nationale Recht im Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts auszulegen, selbst wenn es sich um Vorschriften handelt, die vor oder unabhängig von dem Erlass der Richtlinie ergangen sind (EuGH, Urteil vom 13. November 1990 – C-106/89; Urteil vom 14. Juli 1994 – C-91/92, NJW 1994, 2473, 2474; Urteil vom 16. Juli 1998 – C-355/96, NJW 1998, 3185, 3187).
25
Infolgedessen besteht die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung auch im Bereich des Strafrechts (Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 560; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 104; Hecker, Europäisches Strafrecht, 4. Aufl., § 10 Rn. 10 ff.). Sie kann dazu führen, dass unter mehreren vertretbaren Auslegungsvarianten einer Strafnorm diejenige zugrunde zu legen ist, die dem Unionsrecht am besten gerecht wird (s. Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 11 Rn. 46; Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 55; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 93; Hecker, Europäisches Strafrecht , 4. Aufl., § 10 Rn. 15; LK-Weigend, StGB, 12. Aufl., Einleitung Rn. 87; Schönke/Schröder/Eser/Hecker, StGB, 29. Aufl., Vorbemerkungen vor § 1 Rn. 28).
26
Im Hinblick darauf, dass das Landgericht das Betreiben der von dem Angeklagten gestalteten Internetseite seit dem 2. Juli 2007 als Täuschungshandlung gewertet hat und die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung spätestens mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie besteht (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 – C-212/04, NJW 2006, 2465, 2468), war die gemäß Art. 19 bis zum 12. Juni 2007 umzusetzende Richtlinie 2005/29/EG im Tatzeitraum zwar anwendbar ; sie erfordert indes keine strafbarkeitseinschränkende Auslegung des Betrugstatbestands.
27
(1) Auch wenn sich die innerstaatliche Rechtsanwendung an den gesamten Wertungsvorgaben des Unionsrechts zu orientieren hat (vgl. Satzger in Sieber u.a., Europäisches Strafrecht, 1. Aufl., § 9 Rn. 51), unterliegt die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung Grenzen. Sie setzt grundsätzlich erst dann ein, wenn der Inhalt der Richtlinie insgesamt oder im angewendeten Bereich eindeutig ist (BGH, Beschluss vom 3. Juni 1993 – I ZB 9/91, GRUR 1993, 825, 826; Urteil vom 5. Februar 1998 – I ZR 211/95, BGHZ 138, 55, 61). Dies gilt auch für den Bereich des Strafrechts. Ein absoluter Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung im Bereich des materiellen Strafrechts liefe Gefahr, in Konflikt mit der eingeschränkten Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union auf dem Gebiet des Strafrechts und dem Grundsatz der möglichst weitgehenden Schonung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu geraten (vgl. Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 520, 550 f., 563; Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht, 2002, S. 434, 452 f.; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., 2011, § 11 Rn. 51). Richtlinienvorgaben können aus diesem Grund nicht in jedem Fall vorbehaltlos in das Strafrecht übertragen werden, zumal der Richtliniengeber die Auswirkungen einer andere Lebensbereiche betreffenden Richtlinie auf das Strafrecht eines jeden Mitgliedsstaates mitunter nicht im Blick hat bzw. haben kann (vgl. Schröder, aaO, S. 444, 450). Es bedarf daher der Prüfung, ob der Regelungsinhalt der Richtlinie nach deren Sinn und Zweck auf die Strafnorm durchschlägt (Schröder, aaO, 2002, S. 452 f.; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht, 2009, S. 119; Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 564). Dabei ist zu beachten, dass der normative Gehalt einer nationalen Vorschrift im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht grundlegend neu bestimmt werden darf (vgl. Jarass, EuR 1991, 211, 218; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 533).
28
Nach diesen Maßstäben scheidet eine einschränkende Auslegung des Betrugstatbestands aufgrund der Richtlinie 2005/29/EG aus. Das Leitbild des durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbrauchers hat – dem Zweck des Lauterkeitsrechts entsprechend – primär den Schutz der Dispositionsfreiheit des Verbrauchers im Blick und zielt darauf ab, ihn generalpräventiv vor unlauteren Beeinflussungen vor, bei oder nach Vertragsschluss zu schützen und damit seine (rechtsgeschäftliche) Entscheidungsfreiheit und mittelbar den Schutz der Mitbewerber sowie einen unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 1 Rn. 17; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 1 Rn. 20 f.; Fezer, WRP 1995, 671, 675; Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 129 f.). Gemäß Art. 1 bezweckt auch die Richtlinie 2005/29/EG, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über unlautere Geschäftspraktiken zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es keiner Einschränkung des strafrechtlichen Vermögensschutzes. Die Richtlinie verfolgt nicht den Zweck, Geschäftspraktiken straffrei zu stellen, die zu einer Verletzung von Rechtsgütern der Verbraucher führen, und Verhaltensweisen zu privilegieren , die auf die Täuschung unterdurchschnittlich aufmerksamer und verständiger Verbraucher gerichtet sind (Vergho, wistra 2010, 86, 90 f.). Irreführende Geschäftspraktiken, die dazu dienen, den Verbraucher durch gezielte Täuschung an seinem Vermögen zu schädigen, werden von dem Schutzzweck der Richtlinie daher nicht erfasst (vgl. Erb, ZIS 2011, 368, 376; Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 566).
29
Es kommt hinzu, dass eine Begrenzung der Betrugsstrafbarkeit auf solche Täuschungshandlungen, die geeignet sind, einen durchschnittlich verständigen und aufmerksamen Verbraucher zu täuschen, dem durch § 263 StGB intendierten Rechtsgüterschutz widerspräche. Eine richtlinienkonforme Auslegung des Betrugstatbestands darf nicht so weit gehen, dass dessen Schutzbe- reich gegenüber Personen eingeschränkt wird, die intellektuell oder situativ nicht zu einem normativ „durchschnittlichen“ Maß an Selbstschutz inder Lage sind (Fischer, aaO Rn. 55a). Denn dadurch würde der strafrechtliche Rechtsgüterschutz gerade solchen Verbrauchern versagt, die in besonderem Maße schutzwürdig sind (Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 298 f.). Zu bedenken ist überdies, dass es keinerlei Hinweis dafür gibt, dass der Europäische Richtliniengeber, der den Verbraucherschutz mit seinen Regelungen stärken wollte, diesen Personenkreis zum Zwecke der Harmonisierung dem strafrechtlichen Schutz einzelner Mitgliedsländer entziehen wollte.
30
Eine Beschränkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes auf durchschnittlich verständige Verbraucher führte überdies zu einer die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung überschreitenden Normativierung des Täuschungs - und Irrtumsbegriffs. Anders als der Begriff des durchschnittlich informierten , aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der normativ geprägt (vgl. Fezer, WRP 1995, 671, 676; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 2 Rn. 94, 96; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5, Rn. 1.49 mwN) und deshalb hinsichtlich seiner Reichweite von den Gerichten selbständig zu bestimmen ist (vgl. den Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG sowie EuGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 – C-428/11, GRUR 2012, 1269, 1272), setzt der Betrugstatbestand nach seinem Wortlaut die Erregung eines durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums voraus. Der Irrtum ist als Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit eine psychologische Tatsache (vgl. Fischer, aaO Rn. 54; NK-Kindhäuser, 4. Aufl., § 263 Rn. 170), sein Vorliegen ist Tatfrage (Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 33). Es kommt daher nicht darauf an, was der Getäuschte hätte verstehen müssen, sondern was er tatsächlich verstanden hat (vgl. Vergho, wistra 2010, 86, 89; Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 32a). Mit diesen Grundsätzen wäre eine Auslegung des Betrugstatbestands nicht in Einklang zu bringen, die – ungeachtet eines bestehenden Täuschungsvorsatzes – Fehlvorstellungen von Verbrauchern, die dem Leitbild des durchschnittlichen Verbrauchers nicht entsprechen, dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz entzieht.
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(2) Selbst wenn man den vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen nicht folgte, käme jedenfalls in der hier vorliegenden Fallgestaltung eine Einschränkung des Betrugstatbestands aufgrund einer die Vorgaben und Wertungen der Richtlinie 2005/29/EG berücksichtigenden Auslegung nicht in Betracht. Auch dem der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entnommenen Leitbild des Durchschnittsverbrauchers (grundlegend EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 – C-210/96, WRP 1998, 848, 851) liegt kein besonders aufmerksamer und gründlicher Idealtypus zugrunde (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 Rn. 1.48). Vielmehr ist die Sicht eines situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers maßgeblich. Die an den Grad der Aufmerksamkeit zu stellenden Anforderungen bestimmen sich dabei nach dem angesprochenen Personenkreis (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 – I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552; Urteil vom 20. Dezember 2001 – I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716) und der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen, so dass die Aufmerksamkeit insbesondere dort eher gering, d.h. flüchtig ist, wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs geht (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – I ZR 167/97, NJW-RR 2000, 1490, 1491; Urteil vom 19. April 2001 – I ZR 46/99, NJW 2001, 3193, 3195; Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01, GRUR 2004, 244, 245). Die Anforderungen an einen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, der willens und in der Lage ist, Informationen zur Kenntnis zu nehmen, dürfen deshalb gerade im auf schnelle Bot- schaften und schnelle Abschlüsse gerichteten Verkehr nicht überspannt werden (Hefendehl in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 263 Rn. 50).
32
Auch nach Art. 5 (2) b) und Art. 5 (3) der Richtlinie 2005/29/EG ist bei der Beurteilung, ob eine Geschäftspraktik unlauter ist, die Sicht eines leichtgläubigen Verbrauchers immer dann maßgeblich, wenn gerade ein solcher Verbraucher für eine Geschäftspraxis oder das ihr zugrunde liegende Produkt besonders anfällig ist; in diesem Fall muss der Verbraucherschutz dadurch sichergestellt werden, dass die Praxis aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Verbrauchergruppe beurteilt wird (vgl. auch den Erwägungsgrund 19). Wird daher – wie hier – die Entgeltlichkeit einer angebotenen Leistung bewusst verschleiert , um die Unaufmerksamkeit oder Leichtgläubigkeit bestimmter Verkehrskreise auszunutzen, ist kein Raum für eine einschränkende Auslegung des Betrugstatbestands. Dies wird auch durch die im Anhang I der Richtlinie aufgeführten Geschäftspraktiken bestätigt, „die unter allen Umständen als unlauter gelten“. Dieser Anhang enthält unter der Nummer 21 als irreführende Ge- schäftspraxis die Fallkonstellation, dass Werbematerialien eine Rechnung oder ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beigefügt wird, die dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, er habe das beworbene Produkt bereits bestellt, obwohl dies nicht der Fall ist. Auch hier ist für den Verbraucher bei sorgfältiger Prüfung erkennbar, dass es sich bei der Zahlungsaufforderung nicht um die Geltendmachung einer bestehenden Forderung handelt. Ein hiermit weitgehend vergleichbarer Sachverhalt lag bereits der Entscheidung BGHSt 47, 1 zugrunde. Die ausdrückliche Aufnahme dieser Fallkonstellation in den Anhang der Richtlinie 2005/29/EG, die durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2949) als Ziffer 22 in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG übernommen worden ist, stützt die schon in der vorgenannten Entscheidung des Bundesge- richtshofs (Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 6 f.) vertretene Rechtsansicht, wonach weder die Leichtgläubigkeit des Opfers noch die Erkennbarkeit der Täuschung eine Strafbarkeit wegen Betrugs ausschließen (vgl. auch Vergho, Der Maßstab der Verbrauchererwartung im Verbraucherschutzstrafrecht , 2009, S. 316).
33
(3) Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst. Die dargelegte Auslegung der Richtlinie ist offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, NJW 1983, 1257; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 16).
34
b) Infolge der Täuschung sollte bei den Nutzern ein Irrtum erregt werden. Das Verhalten des Angeklagten zielte darauf ab, den Besuchern der Internetseite eine kostenfreie Nutzung des Routenplanerangebots vorzuspiegeln, um sie damit zunächst zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages und nach Rechnungsstellung zu einer Zahlung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung für ein Routenplanerabonnement zu veranlassen.
35
c) Der Vorsatz des Angeklagten war auch auf die Herbeiführung eines Vermögensschadens gerichtet. Unabhängig davon, ob – wovon das Landgericht ausgegangen ist – bereits das Eingehen der (vermeintlichen) Verbindlichkeit einen Vermögensschaden begründet hätte, war der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet, unter Umgehung eines möglichen Widerrufsrechts die täuschungsbedingt eingegangene Verpflichtung durchzusetzen und den im Be- stellvorgang eines „praktisch wertlosen“ Routenplaners angelegten Schaden zu realisieren (vgl. UA S. 73). Infolge der Zahlung des Abonnementpreises wäre nicht nur eine Vermögensgefährdung, sondern bereits ein Erfüllungsschaden eingetreten (ausdrücklich zur Abofalle im Internet Fischer, aaO Rn. 178).
36
Der Angeklagte nahm auch zumindest billigend in Kauf, dass die Gegenleistung in Form des dreimonatigen Abonnements den Vermögensverlust nicht kompensieren würde. Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung tritt aufgrund der Verfügung ein Schaden ein, soweit die Vermögensminderung nicht durch den wirtschaftlichen Wert des Erlangten ausgeglichen wird (BGH, Urteil vom 7. März 2006 – 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10, 15).
37
Für das Landgericht war es nicht entscheidend, ob die vom Angeklagten versprochene Leistung – das dreimonatige „Abonnement“ – „möglicherweise objektiv ihren Preis wert war“ (UA S. 74). Es hat angenommen, dass selbst in diesem Fall jedenfalls ein Schaden im Sinne eines „persönlichen Schadenseinschlags“ eingetreten sei (UA S. 73/75), weil „die Leistung im Internet auch umsonst erhältlich“ war (UA S. 73) und die Nutzer an der Inanspruchnahme eines kostenpflichtigen Routenplaners keinerlei Interesse hatten (UA S. 8). Diese Erwägungen lassen im Ergebnis keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen.
38
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die Annahme eines Vermögensschadens auch bei objektiv gleichwertigen Leistungen unter anderem dann in Betracht, wenn der Erwerber, der sich zum Abschluss eines Vertrags entschlossen hat, die versprochene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann (grundlegend Beschluss vom 16. August 1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 326; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 – 1 StR 550/82, NJW 1983, 1917; Beschluss vom 9. März 1999 – 1 StR 50/99, NStZ 1999, 555; Urteil vom 7. März 2006 – 1 StR 385/05, NStZ-RR 2006, 206, 207). Dasselbe gilt auch für Fälle der so genannten Unterschriftserschleichung , in denen der Getäuschte gar nicht weiß, dass er einen Vertrag abgeschlossen hat und vertragliche Verpflichtungen eingegangen ist (BGHSt 22, 88, 89; ebenso OLG Hamm, NJW 1969, 624, 625; 1778; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2002, 47, 49). Wer durch Täuschung zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages veranlasst wird, erleidet einen Vermögensschaden jedenfalls dann, wenn – wie hier – die vertragliche Gegenleistung unter Beachtung der persönlichen Bedürfnisse für ihn praktisch und damit auch wirtschaftlich wertlos ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 1970 – 4 StR 505/69, BGHSt 23, 300, 304; Urteil vom 26. April 2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 8; Urteil vom 19. Juli 2001 – 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387; Senatsbeschluss vom 24. August 2011 – 2 StR 109/11, ZWH 2012, 191, 192).
39
Wird ein Verbraucher, der einmalig einen kostenlosen Routenplaner- Service in Anspruch nehmen will, durch Täuschung zu einem „Abonnement“ über drei Monate in der Absicht verleitet, hierdurch ein Entgelt zu erlangen, liegt daher hierin ein auf einen Vermögensschaden gerichteter Betrugsversuch (vgl. auch OLG Frankfurt am Main, NJW 2011, 398, 403), ohne dass es darauf ankäme , ob das Abonnement (mit seinen Zusatzleistungen) möglicherweise nach objektiven Maßstäben seinen Preis wert war. Denn für die hier betroffenen und vom Angeklagten gezielt über den Abschluss eines Vertrags getäuschten Nutzer war diese Gegenleistung subjektiv sinnlos und daher wertlos, da im Internet jederzeit zahlreiche kostenlose Routenplaner verfügbar sind. Dies war dem Angeklagten auch bewusst; ebenso der Umstand, dass der Vermögensverlust für die Nutzer nicht dadurch kompensiert wurde, dass das erworbene „Abonnement“ ohne Weiteres und in zumutbarer Weise in Geld umzusetzen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 5 StR 510/13). Einen Markt für die Veräußerung und den Erwerb kostenpflichtiger Routenplanerabonnements gibt es nicht. Der Vorsatz des Angeklagten war damit auf die Verursachung eines Vermögensschadens bei den getäuschten Nutzern gerichtet.
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2. Kein Zweifel besteht daran, dass der Angeklagte zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB), indem er das Angebot für ein kostenpflichtiges Routenplanerabonnement auf der von ihm verantwortlich gestalteten Internetseite eingestellt hat, ohne die Kostenpflichtigkeit hinreichend kenntlich zu machen. Dass sich das Landgericht, das lediglich drei der insgesamt 261 Nutzer als Zeugen vernommen hat, nicht die Überzeugung vom tatsächlichen Vorliegen einer Täuschung bzw. eines Irrtums von Internetnutzern verschaffen konnte und deshalb – obwohl zehn Anzeigeerstatter Zahlungen erbracht hatten – nicht von einem vollendeten Betrug ausgegangen ist, lässt auch erkennen, dass sich das Landgericht der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingeräumten Möglichkeiten zur Feststellung von Täuschung bzw. Irrtum bei gleichförmigen und massenhaften Geschäften nicht bewusst war (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08, wistra 2009, 433, 434 [insoweit in BGHSt 54, 44 nicht abgedruckt]; aus jüngerer Zeit: BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423; Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, wistra 2014, 97, 98). Die Verurteilung lediglich wegen versuchten Betrugs beschwert den Angeklagten indes nicht.
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3. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit Kenntnis der gegen ihn bzw. gegen die von ihm geführten Unternehmen ergangenen zivilrechtlichen Entscheidungen im Sommer 2007 die Einsicht gehabt, Unrecht zu tun, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
42
Aufgrund dieser Entscheidungen war dem Angeklagten bekannt, dass die von ihm gewählte Gestaltung der Internetseiten gegen zivilrechtliche Normen , unter anderem gegen die Preisangabenverordnung, verstieß. Damit war die Grundlage für das bis dahin aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme angenommene Fehlen des Unrechtsbewusstseins entfallen. Soweit er in der Folgezeit (weiter) womöglich meinte, aus seiner Sicht bestehende Strafbarkeitslücken auszunutzen, schließt dies jedenfalls – worauf das Landgericht unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Rechtsprechung zutreffend hinweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02) – dann, wenn – wie auch hier – zum Tatzeitpunkt höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorliegen , die Vorstellung der Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen, und legt zumindest die Annahme einer bedingten Unrechtseinsicht nahe. Die Strafkammer hat ungeachtet dessen im Sommer 2007 Verschleierungshandlungen des Angeklagten, etwa die Einschaltung von Scheingeschäftsführern, Umfirmierungen und Sitzverlegungen, festgestellt , für die er nachvollziehbare Gründe nicht anzugeben vermochte. Soweit sie daraus schließt, diese Maßnahmen hätten dazu gedient, seine eigene Verantwortlichkeit zu verdecken und eine (persönliche) Inanspruchnahme zu erschweren , belegt dies nachhaltig, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt das erforderliche Unrechtsbewusstsein tatsächlich besessen hat.
43
4. Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls stand.
44
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sowohl gewerbsmäßig als auch in der Absicht gehandelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, und dadurch die Regelbeispiele des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB erfüllt, ist nicht zu beanstanden. Wie das Landgericht festgestellt hat, betrieb der Angeklagte neben der Internetseite „www.routenplaner-server.com“ weitere Internetseiten, die „ein nahezu identisches Layout“ aufwiesen (UA S. 8). Damit hatdas Landgericht die Absicht des Angeklagten, durch mehrere Straftaten eine große Anzahl von Internetnutzern zu täuschen und an ihrem Vermögen zu schädigen und sich dadurch eine fortwährende Einnahmequelle zu verschaffen, hinreichend belegt.
45
Die konkurrenzrechtliche Einordnung der abgeurteilten Handlungen als eine Tat schließt ein gewerbsmäßiges Handeln im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht aus, wenn sich die Absicht des Angeklagten – wie hier – auf die fortgesetzte Begehung von Betrugstaten richtete (Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 – 2 StR 342/13). Gleiches gilt für das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, das auch den Fall des Massenbetrugs mit jeweils geringen Schadenssummen erfasst. Liegt die erforderliche Absicht der Begehung von wenigstens zwei für den Täter rechtlich selbständigen Betrugstaten vor (vgl. Fischer, aaO Rn. 219; Schönke/Schröder/Perron, 29. Aufl., § 263 Rn. 188d), begründet bereits die einmalige Tatbegehung einen besonders schweren Fall des Betrugs (BGH, Beschluss vom 9. November 2000 – 3 StR 371/00, NStZ 2001, 319, 320).
46
Allerdings hat das Landgericht, das den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB gemäß § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, nicht erörtert , ob der vertypte Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB – gegebenenfalls zusammen mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen – geeignet war, von der Annahme eines besonders schweren Falls abzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2012 – 2 StR 41/12, NStZ-RR 2012, 207). Aufgrund des Tatbildes und des Umstandes, dass der Angeklagte zwei Regelbei- spiele des § 263 Abs. 3 StGB erfüllt hat, schließt der Senat jedoch aus, dass das Landgericht bei entsprechender Prüfung einen für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde gelegt hätte.
47
5. Die Entscheidung des Landgerichts, infolge einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen Vollstreckungsabschlag von vier Monaten auf die verhängte Strafe zu gewähren, lässt unter Berücksichtigung des im Rahmen der Sachrüge eröffneten Prüfungsumfangs (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 – 2 StR 392/13) einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht erkennen.
Fischer Appl Krehl
Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 437/13
vom
28. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom
30. April 2014 und 14. Mai 2014 in der Verhandlung am 28. Mai 2014, an
denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott
und der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
(in der Verhandlung am 30. April 2014),
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
(in der Fortsetzung der Verhandlung am 14. Mai 2014),
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
(bei der Verkündung am 28. Mai 2014)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
(in der Verhandlung am 30. April 2014)
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt
(in der Verhandlung am 30. April 2014)
als Verteidiger des Angeklagten V. ,
Justizhauptsekretärin
(in der Verhandlung am 30. April 2014),
Justizangestellte
(in der Fortsetzung der Verhandlung am 14. Mai 2014),
Justizangestellte
(bei der Verkündung am 28. Mai 2014)
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts werden die unter II.1.q), II.2.e), f), g) und II.3.d), h) der Urteilsgründe angeführten Fälle gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. 2. Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 27. März 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des tateinheitlich begangenen zwölffach vollendeten und siebenfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs, des tateinheitlich begangenen vierfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie des tateinheitlich begangenen achtfach vollendeten und einfach versuchten bandenund gewerbsmäßigen Betrugs schuldig ist,
b) im Strafausspruch im Fall II.2. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Auf die Revision des Angeklagten V. wird das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum tateinheitlich begangenen zwölffach vollendeten und siebenfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrug, zum tateinheitlich begangenen vierfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrug sowie zum tateinheitlich begangenen achtfach vollendeten und einfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrug schuldig ist,
b) im Strafausspruch im Fall II.2. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
c) im Ausspruch über die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
d) im Ausspruch über den Wertersatzverfall dahingehend klargestellt , dass gegen den Angeklagten der Verfall von Wer- tersatz in Höhe eines Geldbetrages von 3.703,02 € angeord- net wird. 4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen. 5. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen tateinheitlich begangenem 13fach vollendeten sowie siebenfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (Fall II.1.), wegen tateinheitlich begangenem dreifach vollendeten sowie vierfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (Fall II.2.) und wegen tateinheitlich begangenem zehnfach vollendeten sowie versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs (Fall II.3.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten V. hat es wegen jeweiliger Beihilfe zu diesen Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner wegen eines Geldbetrags in Höhe von 13.303,98 € lediglich deshalb nicht auf Verfall des Wertersatzes er- kannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Hinsichtlich eines Kontoguthabens des Angeklagten V. in Höhe von 1.203,02 € und eines bei ihm sichergestellten Bargeldbetrags in Höhe von 2.500 € hat es den Verfall von Wertersatz angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Diese führen zu einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a StPO und haben im verbleibenden Umfang mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

3
1. Nach den Feststellungen kamen der Angeklagte R. , der gesondert verfolgte W. sowie ein weiterer Beteiligter namens „M. “ Ende April/Anfang Mai 2010 überein, Personen und Unternehmen, die kürzlich eine Anmeldung zum Handelsregister vorgenommen hatten, rechnungsähnlich gestaltete Angebotsschreiben zu übersenden. Aufgrund der Aufmachung und des Inhalts dieser Schreiben sollten die Empfänger davon ausgehen, eine amtliche Rechnung für die zuvor erfolgte Anmeldung zum Handelsregister erhalten zu haben und in diesem Bewusstsein den geforderten Betrag zahlen. Tatsächlich enthielten die Schreiben nur ein Angebot für die Aufnahme der Personen- bzw. Unternehmensdaten in eine elektronische Datenbank, was aber nur bei genauem Lesen für die Empfänger erkennbar war.
4
Die Schreiben, die ab Ende Juni 2010 versandt und wiederholt modifiziert wurden, enthielten keine persönliche Anrede oder Grußformel, der zu zahlende Betrag war in eine Netto- und Bruttosumme aufgeschlüsselt und ein ausgefüllter Überweisungsträger war beigefügt. Bezug genommen wurde jeweils auf das zuständige Registergericht sowie den kurz zuvor erfolgten Handelsregistereintrag , dessen Text zumindest auszugsweise wiedergegeben wurde. Die tatsächlich angebotene und nicht näher beschriebene Leistung, die darin bestehen sollte, den Firmendatensatz des Empfängers in ein elektronisches Register aufzunehmen, befand sich in einer gegenüber dem sonstigen Text vergleichsweise klein gedruckten Textpassage. Zum Teil enthielten die Schreiben an dieser Stelle auch den ausdrücklichen Hinweis, es handele sich nicht um eine Rechnung. Absender der Schreiben waren unter anderem eine Firma „Z. ( )“ oder die Fir- ma „G. “. Den genannten Firmen war jeweils der Städtename des zuständigen Registergerichts angefügt.
5
Die Adressen der angeschriebenen Personen und Unternehmen besorgten der gesondert verfolgte W. sowie M. , der auch für den Druck und den Versand der Schreiben verantwortlich war. Dem Angeklagten R. fiel die Aufgabe zu, Unternehmen bzw. deren Namen und Bankkonten zur Verfügung zu stellen, um in den Schreiben einen Zahlungsempfänger angeben zu können. Daneben sollte R. die auf den Konten eingegangenen Gelder alle ein bis zwei Tage an W. weiterleiten, um etwaigen Kontenschließungen zuvorzukommen. Diese Aufgabe übernahm auf Bitte des Angeklagten R. ab Mitte Juli 2010 der Angeklagte V. , den R. zuvor über das „Geschäftsmodell“ und die beteiligten Personen informiert hatte, und der sich dazu bereit erklärte, dauerhaft dort zu helfen, wo es notwendig war.
6
a) Vor diesem Hintergrund versandten der Angeklagte R. und seine Mittäter im Zeitraum ab Ende Juli 2010 bis Anfang Februar 2011 eine Vielzahl von Schreiben, unter anderem an die im Fall II.1. a) bis t) der Urteilgründe aufgeführten Adressaten.
7
Anfang des Jahres 2011 entschlossen sich R. , W. und M. , das betriebene Geschäftsmodell auszudehnen und nunmehr auch Personen und Unternehmen, die kürzlich eine Markenanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) vorgenommen hatten, entsprechende rechnungsähnliche Angebotsschreiben zu übersenden. Die versandten Schreiben nahmen nunmehr Bezug auf die zuvor erfolgte Marken- bzw. Patentanmeldung und als Ab- sender fungierte „DMPR Deutsches Marken- und Patent Register“. In Umset- zung des Tatplans wurden unter Beibehaltung der bestehenden Arbeitsteilung unter anderem die im Fall II.2. a) bis g) aufgeführten Personen oder Unternehmen zwischen Ende Januar und Anfang Februar 2011 angeschrieben.
8
In der Folgezeit vereinbarten R. und W. mit M. , dass künftig R. den Druck und Versand der sich auf eine Markenanmeldung beziehenden Schreiben übernehmen sollte. Hintergrund war, dass M. mittelfristig aus dem Geschäft gedrängt werden sollte. Der Angeklagte V. wurde nun verstärkt eingebunden. Aufgrund vermehrter Kontenschließungen wurde er mit der Suche nach Strohleuten beauftragt, die bereit waren, Konten auf ihren Namen zu eröffnen. Ab Mai 2011 gründete er weitere Firmen und eröffnete Bankkonten auf seinen eigenen Namen, so etwa eine OHG unter der Firma „ZR. “, die schon ab März 2011 unter der Firma „ZRM. “ als Absender der Schreiben fungierte. Auf Basis der veränderten Arbeitsteilung wurden zwischen März und Juni 2011 unter anderem die im Fall II.3. a) bis k) aufgeführten Personen oder Unternehmen angeschrieben.
9
b) Soweit die Adressaten in der Fehlvorstellung Zahlungen leisteten, es handele sich um eine amtliche Kostenforderung und die Gelder auf einem der Konten eingingen, hob sie der Angeklagte V. ab und leitete sie an den Angeklagten R. weiter; hierfür erhielt er eine umsatzunabhängige Aufwandsent- schädigung in Höhe von mindestens 2.000 € pro Monat. Von den Geldern, die V. abgehoben und R. übergeben hatte, behielt letzterer einen Anteil von mindestens 15 % für sich. Den verbleibenden Teil reichte er an W. weiter.
10
Die elektronischen Register, in welche die Daten derjenigen Adressaten eingetragen werden sollten, die auf die Schreiben hin Zahlungen geleistet hatten , waren jeweils über eine Internetseite abrufbar. Die Eintragungen waren aber weder aufbereitet noch sortiert und enthielten Rechtschreib- und Grammatikfehler. Eine regelmäßige Pflege, Wartung oder Aktualisierung der Internetseite fand nicht statt. Ob überhaupt ein Datensatz eines Adressaten, der eine Zahlung geleistet hatte, in eines der elektronischen Register aufgenommen wurde, konnte nicht festgestellt werden.
11
2. Das Landgericht ist von drei tatmehrheitlich begangenen banden- und gewerbsmäßigen Betrugstaten des Angeklagten R. ausgegangen, zu denen der Angeklagte V. jeweils Beihilfe geleistet habe. Es sei zwar nicht mehr aufzuklären, welche Briefe jeweils gemeinsam aufgegeben worden seien; soweit es den Angeklagten R. betreffe, liege aber eine Zäsur und ein neuer Tatentschluss in der Übereinkunft, das Geschäftsmodell auszudehnen und Schreiben auch an Anmelder einer Marke oder eines Patents zu versenden. Ein weiterer Tatentschluss sei darin zu sehen, den Druck und Versand der Schreiben in die Hände von R. zu legen.
12
Soweit seitens der Empfänger irrtumsbedingt eine Zahlung angewiesen wurde, ist das Landgericht von einem vollendeten banden- und gewerbsmäßigen Betrug ausgegangen, im Übrigen hat es einen Versuch angenommen.

II.

13
Aufgrund der erfolgten Verfolgungsbeschränkung waren die Schuldsprüche entsprechend zu ändern. Im verbleibenden Umfang haben die Revisionen teilweise Erfolg.
14
1. Der Senat beschränkt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO um die unter II.1.q), II.2.e) bis 2.g) und II.3.d) und 3.h) der Urteilsgründe angeführten Fälle des vollendenden banden - und gewerbsmäßigen Betrugs bzw. der Beihilfe hierzu.
15
Zwar tragen die Feststellungen, wie im Folgenden unter II.3. ausgeführt, eine Verurteilung wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs. Im Hinblick darauf aber, dass in den vorgenannten Fällen die von den Getäuschten jeweils veranlassten Überweisungen teilweise nicht ausgeführt wurden bzw. eine spätere Rückerstattung wegen Schließung der Zielkonten erfolgte, bestehen Zwei- fel am Eintritt eines Vermögensschadens und damit am Vorliegen eines vollendeten Betruges.
16
Die Verfahrensbeschränkung erfolgt in den Fällen II.1. und 3. der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO, da die ausgeschiedenen Gesetzesverletzungen keine Auswirkungen auf die Zumessung der Strafe für die weiter tateinheitlich verwirklichten Straftatbestände haben. Im Fall II.2. der Urteilsgründe beruht die Verfahrensbegrenzung, die insoweit zu einer Aufhebung des Strafausspruchs führt (vgl. dazu II.4.a), auf § 154a Abs. 1 Nr. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift ist eine Beschränkung des Verfahrens auf einzelne Gesetzesverletzungen auch dann zulässig, wenn dadurch - wie hier - die Rechtsfolgenerwartung wegen derselben Tat beträchtlich verringert wird, dies mit Blick auf die wegen einer anderen Tat zu erwartenden Rechtsfolgen aber hinnehmbar erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - KRB 33/95, BGHSt 41, 385, 391; LR-Beulke, 26. Aufl., § 154a Rn. 11).
17
2. Die Verfahrensrügen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
18
3. Die Sachrügen der Angeklagten haben hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Erfolg. Die Feststellungen zu den nach der Verfahrensbeschränkung verbleibenden Fällen tragen die Verurteilung wegen (versuchten) banden- und gewerbsmäßigen Betrugs bzw. der Beihilfe hierzu.
19
a) Das Landgericht hat die Versendung der Schreiben, die bei den Empfängern den Eindruck einer amtlichen Kostenforderung erwecken sollten, ohne Rechtsfehler als Täuschungshandlung gewertet, obgleich die Schreiben, die sämtlich darauf hinwiesen, dass es sich um ein Angebot zur Eintragung in ein Register handele, objektiv keine falsche Tatsachenerklärung enthielten.
20
Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täuschung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber durch sein Verhalten miterklärt. Ein solches Verhalten wird dann zur tatbestandlichen Täuschung, wenn der Täter die Eignung einer - inhaltlich richtigen - Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen , planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge, sondern der Zweck der Handlung ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 - 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 5; Urteil vom 19. Juli 2001 - 4 StR 457/00, wistra 2001, 386, 387). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die äußere Gestaltung eines Angebotsschreibens gezielt der Eindruck erweckt werden soll, es handele sich um eine amtliche Kostenforderung (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2003 - 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110; ebenso OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2002, 47, 48 f.; NJW 2003, 3215; anders noch BGH, Beschluss vom 27. Februar 1979 - 5 StR 805/78, NStZ 1997, 186).
21
Das Landgericht hat den Gesamterklärungswert der von dem Angeklagten R. und seinen Mittätern versandten Angebotsschreiben in diesem Sinne zu Recht dahin gewertet, dass es sich um eine amtliche Kostenforderung bzw. Rechnung für einen bereits erfolgten Registereintrag handelte, denn den Gesamteindruck der versandten Schreiben prägten vor allem typische Rechnungsmerkmale , so dass demgegenüber die lediglich - kleingedruckten - Hinweise auf den Angebotscharakter völlig in den Hintergrund traten:
22
Schon die äußere Gestaltung der Schreiben glich einer amtlichen Kostenforderung bzw. einer Rechnung für den jeweils vorangegangenen Registereintrag. Die Schreiben enthielten zahlreiche typische Merkmale einer Rechnung , wie das Fehlen einer persönlichen Anrede und Grußformel, die Aufschlüsselung des zu zahlenden Betrags in eine Netto- und Bruttosumme sowie die Beifügung eines ausgefüllten Überweisungsträgers. Ausdrücklich wurde auf den jeweils erfolgten Registereintrag mit Datum teilweise auch mit Registernummer Bezug genommen und dessen Text zumindest auszugsweise wiedergegeben. Absender der Schreiben waren durchweg Firmen, die die Bezeich- nung „Zentralregister“, „Register Zentrale“ oder „Deutsches Marken- und Patentregister“ im Namen führten unddamit einen Bezug zu dem tatsächlich erfolgten Registereintrag aufwiesen. Vor der in der Mitte der Schreiben platzierten und optisch hervorgehobenen Auflistung der einzelnen Kostenpositionen (Pos. 1: Eintragung, Pos. 2: Sonderzuschläge, Pos. 3: Mehrwertsteuer und Pos. 4: Endbetrag), befand sich der Hinweis, dass es im Fall einer nicht erfolgten Zahlung zu einer Löschung der „Unternehmensdaten“ bzw. des „Marken- und Patentsatzes“komme, was den Eindruck verstärkte, es handele sich um eine Rechnung für den bereits erfolgten Eintrag, nicht aber um ein Angebot für eine künftig zu erbringende Leistung, die darin bestehen sollte, den Firmendatensatz des Empfängers in ein elektronisches Register aufzunehmen. Diese tatsächlich angebotene Leistung wurde im Vergleich zu den einzelnen Kostenpositionen nur in einer kleiner gedruckten Textpassage im Fließtext ohne optische Hervorhebung oder nähere Beschreibung erwähnt. Zwar enthielten einige der verwendeten Schreiben auch den ausdrücklichen Hinweis, dass es sich nicht um eine Rechnung handele. Dieser Hinweis befand sich aber ebenfalls nur in der kleingedruckten Textpassage und war dort in keiner Form optisch hervorgehoben, was den Schluss zulässt, dass es dem Angeklagten R. und seinen Mittätern gerade nicht darauf angekommen ist, auf den Angebotscharak- ter ihrer Schreiben hinzuweisen, ihr Verhalten vielmehr darauf abzielte, trotz Übermittlung dieser Information die Fehlvorstellung vom Vorliegen einer zu zahlenden Rechnung hervorzurufen. Zudem stand er in diesen Fällen im offenen Widerspruch zu der Auflistung einzelner Kostenpositionen, die - optisch hervorgehoben in der Mitte des Schreibens - unter „Pos. 01“ bzw. „Pos. 001“ den tatsächlich erfolgten Registereintrag mit Datum und näherer Bezeichnung aufführten und dazu einen jeweils zu zahlenden Betrag auswiesen. Der Umstand, dass hier der tatsächlich bereits erfolgte Registereintrag als Kostenposition 1 bezeichnet wurde, ließ auch diese Schreiben vom Gesamteindruck her als Kostenforderung bzw. Rechnung erscheinen.
23
Der Umstand, dass die Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung erkennbar war, lässt weder die Täuschungshandlung noch eine darauf beruhende Fehlvorstellung der Adressaten entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199, 201 f.; Urteil vom 5. Dezember 2002 - 3 StR 161/02, NStZ 2003, 313, 314; Urteil vom 4. Dezember 2003 - 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, 110, 111), wenn - wie hier - durch die äußere Gestaltung des Angebotsschreibens gezielt die Irrtumserregung und Schädigung des Adressaten verfolgt wird. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Schreiben bewusst an einen Personenkreis gerichtet waren , für den unmittelbar zuvor ein Registereintrag erfolgt war und der deshalb mit einer Kostenforderung rechnen musste.
24
An dieser Rechtsprechung ist auch mit Blick auf die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ; Abl. 2005 L149 S. 22) festzuhalten. Dabei kann dahinstehen, ob die Richtlinie 2005/29/EG auch dann gilt, wenn sich die irreführende Ge- schäftspraktik an einen Unternehmer richtet (vgl. hierzu Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 565). Denn die Richtlinie führt nicht zu einer Einschränkung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2014 - 2 StR 616/12).
25
b) Soweit die jeweiligen Adressaten in der Fehlvorstellung, es handele sich um eine amtliche Kostenforderung, Zahlungen auf die Konten der Angeklagten geleistet haben, führten diese Vermögensverfügungen zu einem Vermögensschaden in Höhe der jeweils angewiesenen Geldbeträge. In den Fällen, in denen die Adressaten die Täuschung erkannten und kein Geld anwiesen, hat das Landgericht zutreffend einen versuchten Betrug angenommen.
26
Die beabsichtigte Aufnahme in eine elektronische Datenbank war insoweit nicht geeignet, den eingetretenen bzw. intendierten Vermögensverlust zu kompensieren. Unter Berücksichtigung der von dem Landgericht zu Inhalt und Aufbau der von dem Angeklagten und seinen Mittätern geführten elektronischen Register getroffenen Feststellungen kam den Eintragungen aufgrund ihres nahezu völlig fehlenden Informationsgehalts kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu (vgl. OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2002, 47, 49; NJW 2003, 3215, 3216; Garbe, NJW 1999, 2868, 2870). Das Landgericht hat daher zutreffend darauf abgestellt, dass die Gegenleistung „keinerlei Nutzen oder Gewinn für die betroffenen Personen und Unternehmen“ hatte und für die getäuschten Adressaten „vollkommen wertlos“ war (UA S. 62/75f./103).
27
4. Die Revisionen haben zum Strafausspruch teilweise Erfolg.
28
a) Die aufgrund der teilweise erfolgten Verfolgungsbeschränkung erforderliche Änderung der Schuldsprüche hat in den Fällen II.1. und II.3. der Urteilsgründe keine Auswirkungen auf den Strafausspruch. Der Unrechts- und Schuldgehalt der Betrugstaten bleibt auch nach Entfallen der unselbständigen Betrugstaten II.1.q) und II.3.d) und 3.h) angesichts der in beiden Fällen verbleibenden tateinheitlich verwirklichten Betrugsstraftaten weitgehend unverändert. Da das Landgericht bei der Bestimmung des verursachten Gesamtschadens ersichtlich auch nur die tatsächlich auf den Konten des Angeklagten R. und seiner Mittäter eingegangenen Gelder berücksichtigt hat, schließt der Senat aus, dass das Gericht in den Fällen II.1. und II.3. der Urteilsgründe geringere Einzelstrafen verhängt hätte.
29
Dagegen sind die Strafaussprüche im Fall II.2. der Urteilsgründe aufzuheben. Das Landgericht hat die Angeklagten insoweit wegen tateinheitlich begangenen dreifach vollendeten und vierfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs, bzw. der Beihilfe hierzu verurteilt und entsprechend die Strafe dem Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB (R. ) bzw. des § 263 Abs. 5, § 49 Abs. 1, § 27 Abs. 2 StGB (V. ) entnommen. Nach der Verfolgungsbeschränkung auf einen tateinheitlich begangenen vierfach versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrug (II.2.a) bis 2.d)) kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrunds des § 23 Abs. 2 StGB - gegebenenfalls zusammen mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen - bei beiden Angeklagten oder jedenfalls bei dem Angeklagten V. unter weiterer Berücksichtigung des § 27 StGB einen minder schweren Fall des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 - 5 StR 3/10; Beschluss vom 20. August 2013 - 3 StR 233/13) oder aber den Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB beim Angeklagten R. gemäß § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB bzw. bei dem Angeklagten V. gemäß § 27 Abs. 2, § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 StGB doppelt gemildert hätte, und daher insgesamt zu einer niedrigeren Einzelstrafe gelangt wäre.
30
b) Infolge der Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.2. der Urteilsgründe entfällt die Grundlage für den Gesamtstrafenausspruch.
31
5. Die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB begegnet, soweit sie den Angeklagten R. betrifft, keinen durchgreifenden Bedenken; hinsichtlich des Angeklagten V. hält sie revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
32
Der Angeklagte V. hat an den aus den Betrugstaten stammenden Geldern, die er an den Angeklagten R. weitergeleitet hat, dadurch wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt erlangt, dass er sie von den Konten abgehoben hat. Das Landgericht ist auch zutreffend von einer gesamtschuldnerischen Haftung der Angeklagten V. und R. ausgegangen, da eine doppelte Befriedigung der Verletzten dem Regelungszweck der §§ 73 ff. StGB, § 111i StPO zuwiderliefe (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2012 - 5 StR 135/12).
33
Da der Angeklagte V. sämtliche Gelder weitergeleitet hat, hätte das Landgericht jedenfalls prüfen müssen, ob die Vorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, die auch im Rahmen des § 111i Abs. 2 StPO anwendbar ist (BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - 5 StR 258/13, NStZ 2014, 32 mwN), der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO entgegensteht (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2010 - 2 StR 372/10, wistra 2011, 113; BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - 5 StR 258/13, NStZ 2014, 32). § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eröffnet dem Tatrichter die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise vom Verfall abzusehen, wenn und soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 41 f.). Diese von dem Tatgericht unterlassene Ermessensausübung kann durch das Revisionsgericht nicht nachgeholt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2008 - 2 StR 347/08, NStZ-RR 2009, 94; BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - 1 StR 548/13).
34
6. Die den Angeklagten V. betreffende Anordnung des Verfalls von Wertersatz bezüglich des bei ihm sichergestellten Bargelds und des vorhandenen Kontoguthabens hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
35
Die Feststellungen belegen zwar nicht, dass der Angeklagte V. die „sichergestellten“ Vermögenswerte „aus der Tat“ oder „für die Tat“ erlangt hat. Hierfür hätten sie ihm entweder unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen oder als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 1 StR 336/11, NStZ-RR 2012, 81). Nach den Feststellungen stammten der anlässlich der Festnahme des Angeklagten V. sichergestellte Geldbetrag in Höhe von 2.500 € und das auf dem Konto vorhandene Guthaben in Höhe von 1.203,02 € jedoch nicht „unmittelbar aus dem Vermögen eines oder mehrerer Personen oder Unternehmen, die auf ein rechnungsähnlich ge- staltetes Schreiben gezahlt hatten“ (UA S. 106/134).Die Erwägung des Landgerichts , der Angeklagte V. habe von dem Angeklagten R. in der Zeit zwischen August 2010 und Juni 2011 für seine Mitwirkung monatlich mindestens 2.000 €, mithin insgesamt 22.000 € erhalten, „wobei dieser konkrete Geldbetrag bei ihm nicht mehr auffindbar war“ (UA S. 144),lässt jedoch erkennen, dass das Landgericht die Anordnung des Verfalls von Wertersatz auf einen Geldbetrag in Höhe der insgesamt sichergestellten Vermögenswerte begrenzen wollte, den der Angeklagte V. als Tatlohn und damit „für die Tat“ erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB). Die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB steht der Anordnung nicht entgegen, da sie Vermögenswerte, die der Täter oder Teilnehmer für die Tat erlangt, nicht betrifft (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 73 Rn. 17 mwN). Der Senat hat daher den Ausspruch über den Wertersatzverfall klargestellt. Fischer Appl Krehl Ott Zeng
12
Die Annahme einer einzigen materiell-rechtlichen Tat des Betruges durch das Landgericht begegnet rechtlichen Bedenken. Für die Einordnung des Betrugsgeschehens als sog. uneigentliches Organisationsdelikt ist vorliegend kein Raum. Die Tatbeiträge der Angeklagten erschöpften sich nicht im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 – 5 StR 572/07, wistra 2008, 181); vielmehr hat das Landgericht mit der Durchführung der Präsentationsveranstaltungen durch den Angeklagten R. und der Durchführung der Einzelgespräche wie der Beitreibung des Geldes durch die Angeklagten S. , H. und W. für jeden Angeklagten individuelle, nur einzelne Taten fördernde Tatbeiträge festgestellt. In einem solchen Fall ist die organisatorische Einbindung eines Täters in ein betrügerisches Geschäftskonzept für sich nicht ausreichend, Einzelakte einer Tatserie rechtlich zu einer Tat, auch nicht im Sinne eines sog. uneigentlichen Organisationsdelikts, zusammenzufassen (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 91/09, NStZ 2010, 88, Tz. 14). Vielmehr sind die Taten – auch eine Verklammerung durch die einheitliche Tat der strafbaren Werbung nach § 16 Abs. 2 UWG (vgl. hierzu KG, NStZ-RR 2005, 26) kommt angesichts der im Vergleich zum Strafrahmen des § 263 StGB erheblich niedrigeren Strafandrohung nicht in Betracht (vgl. Fischer, a.a.O., vor § 52, Rn. 32) – den Angeklagten grundsätzlich als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Im Übrigen wird der neue Tatrichter die Frage der Konkurrenzen für jeden Tatbeteiligten gesondert zu prüfen haben (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 125/08, NStZ-RR 2008, 275). Ernemann Roggenbuck Franke Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/07
vom
17. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert
worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter
näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle
der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen,
dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil
der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - Landgericht Oldenburg
wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Basdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Miebach,
Dr. Wahl, Dr. Bode, Prof. Dr. Kuckein, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Gerhardt sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und Becker am
17. Januar 2008 beschlossen:
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.

Gründe:


I.

1
Die Vorlage des 3. Strafsenats betrifft die Frage, in welcher Weise es im Rechtsfolgenausspruch zu berücksichtigen ist, wenn Strafverfolgungsbehörden das Verfahren gegen den Angeklagten in rechtsstaatswidriger Weise verzögert haben.
2
1. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Strafsache gegen F. (3 StR 50/07) über die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Re- vision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Mit ihrem Rechtsmittel beanstandet es die Revisionsführerin als sachlichrechtlichen Mangel, dass das Landgericht zum Ausgleich für eine von ihm zu verantwortende Verzögerung des Verfahrens gegen den Angeklagten auf eine Strafe erkannt hat, die das gesetzliche Mindestmaß unterschreitet.
3
Der Angeklagte hatte einen im Eigentum seiner Mutter stehenden, aber maßgeblich von ihm geleiteten Landgasthof in Brand gesetzt, um Leistungen aus der von seiner Mutter für den Betrieb abgeschlossenen Gebäude-, Inventar - und Ertragsausfallversicherung zu erlangen. Er hatte den Schadensfall der Versicherung gemeldet, diese hatte jedoch keine Zahlungen geleistet.
4
Wegen dieses Sachverhalts hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten der besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und des versuchten Betruges (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB) schuldig gesprochen und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs hat das Landgericht zunächst festgestellt, dass das Verfahren in einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Weise verzögert worden sei, weil zwischen dem Eingang der Anklageschrift am 5. Oktober 2004 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 24. Mai 2006 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe. Es hat sodann dargelegt, dass ohne Berücksichtigung dieser Verfahrensverzögerung zur Ahndung der besonders schweren Brandstiftung die in § 306 b Abs. 2 StGB vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe angemessen sei. Da § 306 b StGB keinen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle vorsehe, sei ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung innerhalb des gesetzlich eröffneten Strafrahmens nicht möglich. Daher sei, um dem Angeklagten die verfassungsrechtlich gebotene Kompensation für die Verletzung des Beschleunigungsgebots zu gewähren, eine Strafrahmenverschiebung in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen. Das Landgericht hat demgemäß den Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB nach den Maßstäben des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3 StGB gemildert und sodann zur Kompensation der Verfahrensverzögerung statt der an sich verwirkten Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren eine solche von drei Jahren und zehn Monaten festgesetzt.
5
Für den versuchten Betrug hat es an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für angemessen erachtet, wegen der überlangen Verfahrensdauer jedoch auf eine solche von sechs Monaten erkannt. Unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und zehn Monaten hat es sodann eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt; ohne die jeweiligen Strafabschläge hätte es eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet.
6
2. Diese Strafzumessung hält der 3. Strafsenat für rechtsfehlerhaft. Er beabsichtigt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im gesamten Strafausspruch aufzuheben.
7
a) Hierbei will er es allerdings im Ausgangspunkt nicht beanstanden, dass das Landgericht im Hinblick auf die zwischen der Anklageerhebung und dem Eröffnungsbeschluss verstrichene Zeit einen von der Justiz zu verantwortenden Verstoß gegen das Gebot der Verfahrensbeschleunigung angenommen und die sich hieraus ergebende Verzögerung des Verfahrens - wenn auch nicht ausdrücklich ziffernmäßig, so doch nach dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen - auf etwa ein Jahr und sechs Monate bemessen hat. Auch sieht er keinen Verstoß gegen Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung dadurch begründet, dass das Landgericht als Ausgleich für diese Verfahrensverzögerung die für den versuchten Betrug eigentlich als angemessen erachtete Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr um die Hälfte reduziert und auf sechs Monate festgesetzt hat. Ebensowenig liege ein revisibler Bewertungsfehler des Landge- richts darin, dass dieses für das Brandstiftungsdelikt ohne Berücksichtigung der Verzögerung auf die Mindeststrafe von fünf Jahren erkannt hätte.
8
Als berechtigt erachtet der 3. Strafsenat dagegen die Rüge der Revision, das Landgericht habe zur Gewährleistung eines Ausgleichs für die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht das gesetzliche Mindestmaß der für das Brandstiftungsdelikt angedrohten Freiheitsstrafe unterschreiten dürfen. Die vom Landgericht vorgenommene entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB hält er für rechtlich nicht zulässig. Er vertritt die Auffassung, die gebotene Kompensation für den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei insoweit vielmehr in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB in der Weise vorzunehmen , dass auf die Mindeststrafe als angemessene Strafe zu erkennen und in der Urteilsformel gleichzeitig auszusprechen sei, dass ein bestimmter Teil der Strafe, der dem gebotenen Ausmaß der Kompensation entspricht, als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung).
9
b) Hinsichtlich der Einzelstrafe für die besonders schwere Brandstiftung in dieser Weise zu entscheiden, sieht sich der 3. Strafsenat weder durch Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs noch durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gehindert. Ob es möglich wäre, aus der reduzierten Einzelstrafe für den versuchten Betrug und einer teilweise für vollstreckt erklärten Einzelstrafe für das Brandstiftungsdelikt in stimmiger Weise eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat der 3. Strafsenat offen gelassen. Denn er ist der Auffassung, dass die durch vorliegende Sonderkonstellation aufgeworfenen Rechtsfragen und das von ihm zu deren Lösung befürwortete Modell Anlass zu einer generellen Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung geben. Diese Prüfung ergebe, dass sich die Vollstreckungslösung allgemein stimmiger in das Rechtsfolgensystem des Strafgesetzbuchs einfüge und der an sich angemessenen Strafe die Funktion belasse, die ihr in daran anknüpfenden Folge- regelungen inner- und außerhalb des Strafrechts zukomme. Er möchte daher dieses Modell generell anwenden und demgemäß auch den Einzelstrafausspruch wegen des versuchten Betruges aufheben. Daher beabsichtigt er zu entscheiden: Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist der Angeklagte gleichwohl zu der nach § 46 StGB angemessenen Strafe zu verurteilen; zugleich ist in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
10
Da hiermit eine Abkehr von einer bisher einhelligen Rechtsprechung verbunden wäre, hat er dem Großen Senat für Strafsachen die Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts zur Entscheidung vorgelegt (BGH NJW 2007, 3294).
11
3. Der Generalbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats angeschlossen.

II.

12
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG sind gegeben.
13
Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Die Ansicht des 3. Strafsenats, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es für erforderlich erachtet habe, die Verzögerung des Verfahrens zwischen Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluss auf der Rechtsfolgenseite zugunsten des Angeklagten auszugleichen, und hierfür hinsichtlich des Brandstiftungsdelikts innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens keine hinreichende Möglichkeit gesehen habe, ist vertretbar. Auf dieser Grundlage hängt die Revisionsentscheidung davon ab, wie die vorgelegte Rechtsfrage zu beantworten ist. Diese hat auch grundsätzliche Bedeutung. Verstöße der Strafverfolgungsorgane gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung sind in zunehmendem Maße festzustellen ; die Gründe hierfür hat der Große Senat an dieser Stelle nicht zu erörtern. Die Frage, welche Folgen aus derartigen Verstößen zu ziehen sind, ist regelmäßig Gegenstand tatrichterlicher und revisionsgerichtlicher Entscheidungen. Eine einheitliche Handhabung durch entsprechende Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher geboten. Vor diesem Hintergrund erstrebt die Vorlage eine Fortbildung des Rechts; denn sie zielt auf die Festlegung neuer Auslegungsgrundsätze, als deren Folge sich ein von der bisherigen Handhabung abweichendes rechtliches Modell für die Kompensation von Verstößen gegen das Beschleunigungsgebot im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs ergäbe.

III.

14
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die ihm unterbreitete Rechtsfrage im Ergebnis im Sinne des Vorlegungsbeschlusses.
15
Zwar führt das bisher in der Rechtsprechung praktizierte Modell, dem Angeklagten als Ausgleich für einen rechtsstaatswidrigen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung einen bezifferten Abschlag auf die an sich verwirkte Strafe zu gewähren, im Regelfall zu einer Kompensation dieses Verstoßes , die nicht nur mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (MRK), sondern auch mit dem nationalen deutschen Straf- und Strafprozess- recht in Einklang steht. Jedoch stößt dieses Modell in besonders gelagerten Fällen an gesetzliche Grenzen. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann die Gewährung der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Kompensation durch Strafabschlag zu Ergebnissen führen, die den einfachgesetzlichen Rahmen des Strafzumessungsrechts sprengen. Hierdurch wird jedoch die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) berührt, die durch das StGB vorgegebene Grenzen der Strafenfindung zu achten haben. Deren Überschreitung könnte aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten nur dann gerechtfertigt werden, wenn keine andere Möglichkeit der Kompensation zur Verfügung stünde , die die Grundsätze des Strafzumessungsrechts des StGB unberührt lässt. Eine solche liegt mit der Vollstreckungslösung indes vor. Der Große Senat hält daher einen Wechsel zu diesem Modell für geboten. Dies gilt auch deshalb, weil diese Form der Entschädigung gemäß den Vorgaben der MRK, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) präzisiert worden sind, im Gegensatz zur bisherigen Verfahrensweise in allen Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung eine Kompensation ermöglicht. Die Vollstreckungslösung genügt auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
16
Unabhängig hiervon hat die Vollstreckungslösung gegenüber dem Strafabschlagsmodell weitere Vorzüge, die für die Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen einen Systemwechsel angezeigt erscheinen lassen. Durch die Trennung von Strafzumessung und Entschädigung belässt sie der unrechts- und schuldangemessenen Strafe die ihr in strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Folgebestimmungen beigelegte Funktion. Darüber hinaus vereinfacht sie die Rechtsfolgenbestimmung.
17
Im Einzelnen:
18
1. Weder die Strafprozessordnung noch das Strafgesetzbuch enthalten Regelungen dazu, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn ein Strafverfahren aus Gründen verzögert wird, die im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Nach dessen Auffassung war eine gesetzliche Verankerung des Beschleunigungsgebots in der Strafprozessordnung entbehrlich, weil bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK die Strafverfolgungsorgane hinreichend zu einer zügigen Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren verpflichte. Der Beschleunigungsgrundsatz sei daher dem deutschen Strafverfahrensrecht auch ohne ausdrückliche Regelung immanent. Das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip sowie die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde ließen es ebenfalls nicht zu, den Beschuldigten länger als unvermeidbar in der Drucksituation des Strafverfahrens zu belassen. Wie der Grundsatz zügiger Verfahrenserledigung inhaltlich näher zu präzisieren sei und welche Folgen an seine Verletzung anzuknüpfen seien, müsse der Klärung durch Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen werden (vgl. den Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 1973 für das 1. StVRG, BT-Drucks. 7/551 S. 36 f.).
19
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Hinzu tritt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 MRK, wonach jede Person, die aus Anlass eines gegen sie geführten Strafverfahrens von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist hat; wird dieser Anspruch verletzt, so kann sie verlangen, während des Verfahrens (aus der Haft) entlassen zu werden. Regelungen darüber , welche sonstigen Konsequenzen aus einer Verletzung des Rechts auf Verhandlung und Urteil innerhalb angemessener Frist zu ziehen sind, enthält die MRK nicht. Jedoch bestimmt Art. 13 MRK, dass jede Person, die in ihren in der Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben , auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
20
2. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof zunächst die Auffassung vertreten, die Verletzung des Anspruchs des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auf zügige Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens begründe zwar kein Verfahrenshindernis, sei jedoch bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Spielraum, den das Gesetz insoweit gewähre , reiche aus, um den Belastungen, denen der Angeklagte durch das unangemessen zögerlich geführte Verfahren ausgesetzt gewesen sei, in hinreichender Weise Rechnung zu tragen (BGHSt 24, 239, 242; 27, 274, 275 f.; BGH NStZ 1982, 291, 292 m. w. N.). Dies könne in den gesetzlich vorgesehenen Fällen bis zum Absehen von Strafe, bei Verfahren wegen Vergehen aber auch zur deren Einstellung gemäß § 153 StPO führen; auch ein Gnadenerweis sei in Betracht zu ziehen (BGHSt 24, 239, 242 f.).
21
Danach war es ausreichend, den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) bei der Abwägung der sonstigen strafmildernden und -schärfenden Aspekte selbständig , auch neben dem schon für sich mildernden Umstand eines langen Zeitraums zwischen Tat und Urteil, zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1983, 167; 1986, 217, 218; 1987, 232 f.; 1988, 552; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 2).
22
Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof später im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts modifiziert.
23
a) Der EGMR hat in seinem Urteil vom 15. Juli 1982 (E. ./. Bundesrepublik Deutschland - EuGRZ 1983, 371 ff. m. Anm. Kühne) in zwei gegen die dortigen Beschwerdeführer durchgeführten Strafverfahren eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden festgestellt. Hieran anknüpfend hat er es in dem einen der beanstandeten Verfahren nicht als hinreichenden Ausgleich zugunsten der Beschwerdeführer erachtet , dass diesen die Verzögerungen bei der Strafzumessung des landgerichtlichen Urteils ausdrücklich strafmildernd zugute gehalten worden waren; dies sei nicht geeignet, den Beschwerdeführern ihre Opfereigenschaft im Sinne des Art. 25 MRK aF (= Art. 34 MRK nF) zu nehmen, da das Urteil keine hinreichenden Hinweise enthalte, die eine Überprüfung der Berücksichtigung der Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Konvention erlaubten (EGMR EuGRZ 1983, 371, 381). In dem anderen Verfahren gelte das Gleiche, soweit dieses schließlich gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei; denn der Einstellungsbeschluss enthalte keinen Hinweis auf eine Berücksichtigung der Verfahrensverzögerungen (aaO S. 382). Zu der Frage, wie die vermissten "Hinweise" hätten ausgestaltet sein müssen und welche inhaltlichen Anforderungen an die den Beschwerdeführern zu gewährende Kompensation zu stellen gewesen wären, um den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK noch im Rahmen des nationalen Rechts auszugleichen, äußert sich die Entscheidung nicht.
24
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt eine von den Justizbehörden zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens den Beschuldigten auch in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie - wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet - in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Ein Strafverfahren von überlanger Dauer könne den Beschuldigten - insbesondere dann, wenn die Dauer durch vermeidbare Verzögerungen seitens der Justizorgane bedingt sei - zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen, die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleich kämen. Mit zunehmender Verzögerung des Verfahrens gerieten sie in Widerstreit zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Grundsatz, dass die Strafe verhältnismäßig sein und in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen müsse (BVerfG - Kammer - NJW 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; NStZ 2006, 680, 681 = JR 2007, 251 m. Anm. Gaede; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 1992, 2472, 2473 für das Ordnungswidrigkeitenverfahren). So, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhalte, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen, verpflichte er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zur Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 2225; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247; vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3485 zum weiteren Vollzug der Untersuchungshaft).
25
Solange es an einer gesetzlichen Regelung fehle, seien die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zunächst in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts zu ziehen. Komme eine angemessene Reaktion auf solche Verfahrensverzögerungen mit vorhandenen prozessualen Mitteln (§§ 153, 153 a, 154, 154 a StPO) nicht in Frage, so sei eine sachgerechte, angemessene Berücksichtigung im Rechtsfolgenausspruch, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglicherweise durch Absehen von Strafe oder Verwarnung mit Strafvorbehalt, jenseits davon bei der Strafzumessung wie auch gegebenenfalls bei der Strafaussetzung zur Bewährung und bei der Frage der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung regelmäßig verfassungsrechtlich gefordert , aber auch ausreichend (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967). Die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung müsse sich bei der Strafzumessung auswirken, wenn sie nicht im Extrembereich zum Vorliegen eines unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleitenden Verfahrenshindernisses führe. Dabei liege es schon im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und dessen Auslegung durch den EGMR nahe, erscheine aber auch mit Blick auf die Bedeutung der vom Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes geforderten Verfahrensbeschleunigung angezeigt, dass die Fachgerichte der Strafgerichtsbarkeit, wenn sie die gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen, dabei die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich feststellen und das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Umstands näher bestimmen (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; 2003, 2225 f.; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247 f.).
26
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht dahin präzisiert , dass es nicht genüge, die Verletzung des Beschleunigungsgebots als eigenständigen Strafmilderungsgrund festzustellen und zu berücksichtigen. Vielmehr sei das Ausmaß der vorgenommenen Herabsetzung der Strafe durch Vergleich mit der ohne Berücksichtigung der Verzögerung angemessenen Strafe exakt zu bestimmen (BVerfG - Kammer - NStZ 1997, 591).
27
c) An diese Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts anknüpfend haben die Strafsenate des Bundesgerichtshofs ihre ursprüngliche Spruchpraxis geändert: Ist ein Strafverfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und rechtsstaatliche Grundsätze durch die Strafverfolgungsorgane verzögert worden, so hat der Tatrichter nach der neueren Rechtsprechung zunächst stets Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursache konkret festzustellen und - falls dies zum Ausgleich der vom Beschuldigten erlittenen Belastungen nicht ausreichend ist und andere rechtliche Folgen (Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen oder wegen eines Verfahrenshindernisses ) nicht in Betracht kommen - in einem zweiten Schritt das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (s. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 12; BGH NJW 1999, 1198, 1199; NStZ-RR 2000, 343; StV 1998, 377; 2002, 598; wistra 1997, 347; 2001, 177; 2002, 420; StraFo 2003, 247). Dies gilt bei der Bildung einer Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 StGB) nicht nur für diese, sondern auch für alle zugrunde liegenden Einzelstrafen, soweit das Verfahren hinsichtlich der entsprechenden Taten verzögert worden ist (vgl. BGH NStZ 2002, 589). Der Tatrichter hat somit in den Urteilsgründen für jede Einzeltat zwei Strafen auszuweisen, was sich aus Gründen der Klarheit auch für die Gesamtstrafe empfiehlt (vgl. BGH NStZ 2003, 601). In die Urteilsformel ist allein die reduzierte Strafe aufzunehmen. In welchem Umfang sich dabei der Konventionsverstoß auf das Verfahrensergebnis auswirken muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich auch nach dem - durch die Belastungen des verzögerten Verfahrens geminderten - Maß der Schuld des Angeklagten (vgl. BGHSt 46, 159, 174; s. auch BGH NStZ 1996, 506; 1997, 543, 544; StV 2002, 598).
28
3. An dieser Rechtsprechung wird nicht festgehalten.
29
a) Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) stets - ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach - daran festgehalten, dass die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung mit den Mitteln vorzunehmen ist, die das Straf- oder Strafverfahrensrecht dem Rechtsanwender zur Verfügung stellen. So kommt beispielsweise die Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153 a StPO nur in Betracht , wenn sich der Angeklagte keines Verbrechens schuldig gemacht hat (vgl. BGHSt 24, 239, 242). Ebenso ist ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung durch Strafreduzierung, Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) oder Absehen von Strafe (§ 60 StGB) nur in den Grenzen zulässig, die das Strafgesetzbuch insoweit jeweils setzt (s. BGHSt 27, 274 zu § 59 StGB). Von der ge- setzlich vorgeschriebenen Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe kann aus Kompensationsgründen nicht abgesehen werden (BGH NJW 2006, 1529, 1535; ob hiervon in extremen Fällen Ausnahmen denkbar sind, ist dort offen gelassen worden). All dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3256; 2003, 2897, 2899; NStZ 2006, 680, 681).
30
In Fällen, in denen eine Kompensation nur durch eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafen möglich wäre, gerät die bisher von der Rechtsprechung angewandte Strafabschlagslösung jedoch an ihre Grenzen und läuft Gefahr, das Rechtsfolgensystem des StGB in Frage zu stellen. Dieser Konflikt zwischen Straf- und Strafprozessrecht auf der einen und verfassungs- sowie konventionsrechtlichen Vorgaben auf der anderen Seite muss in einer Weise aufgelöst werden, welche die Bindung der Gerichte an die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung so weit wie möglich respektiert. Im Bereich der Strafzumessung bedeutet dies, dass die gesetzliche Untergrenze der angedrohten Strafe nur dann unterschritten werden darf, wenn keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, das vom Angeklagten erlittene Verfahrensunrecht in einer nach den Maßstäben des Grundgesetzes und der MRK hinreichenden Weise auszugleichen.
31
Diese Möglichkeit ist mit dem Vollstreckungsmodell jedoch vorhanden, das seine rechtlichen Grundlagen in den Bestimmungen der MRK und deren Entschädigungsprinzip findet sowie den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB fruchtbar macht (s. unten). Indem es die Kompensation für die von staatlichen Stellen verursachten Verfahrensverzögerungen in einem gesonderten Schritt nach der eigentlichen Strafzumessung vornimmt, respektiert es im Ausgangspunkt die im Gesetz vorgegebenen Mindeststrafen, die nach der Bewertung des Gesetzgebers auch im denkbar mildesten Fall noch einen angemessenen Schuldausgleich gewährleisten (vgl. Kutzner StV 2002, 277, 278). Gleichzeitig eröffnet es die Möglichkeit, die gebotene Entschädigung des Angeklagten für das von ihm erlittene Verfahrensunrecht dennoch zu leisten. Dies gilt selbst im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sollte hier ausnahmsweise eine Kompensation einmal geboten sein (vgl. BGH NJW 2006, 1529, 1535), so könnte sie durch Anrechnung auf die Mindestverbüßungsdauer im Sinne des § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgenommen werden. Die Vollstreckungslösung erübrigt damit von vornherein Überlegungen, ob für besondere Ausnahmefälle ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe oder gar ein Absehen von der gesetzlich vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe (vgl. BGH StV 2002, 598; NJW 2006, 1529, 1535) in Betracht gezogen werden muss, sei es in der Form eines „Härteausgleichs“ (s. für den Fall der nicht - mehr - möglichen Gesamtstrafenbildung BGHSt 31, 102, 104 m. Anm. Loos NStZ 1983, 260; vgl. auch BGHSt 36, 270, 275 f.), sei es durch eine Strafrahmenverschiebung in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 oder 2 StGB (s. Krehl ZIS 2006, 168, 178 f.; StV 2006, 408, 412; Hoffmann-Holland ZIS 2006, 539 f.), wie dies der Bundesgerichtshof in Ausnahmefällen für zulässig erachtet hat, wenn die Verhängung der von § 211 StGB vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe aus anderen Gründen mit dem Übermaßverbot in Widerstreit gerät (vgl. BGHSt 30, 105).
32
b) Die bisher praktizierte Strafabschlagslösung ist aber auch deshalb durch das Vollstreckungsmodell zu ersetzen, weil dieses sich inhaltlich in vollem Umfang an den Kriterien ausrichtet, die nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 13, 34 MRK für den Ausgleich rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen maßgeblich sind.
33
aa) Die MRK ist durch das Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) vom 7. August 1952 (BGBl II 685; ber. 953) unmittelbar geltendes nationales Recht im Range eines einfachen Bundesgesetzes geworden (vgl. etwa BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 323 f.; BGHSt 45, 321, 329; 46, 178, 186). Ihre Gewährleistungen sind daher durch die deutschen Gerichte wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 323). Hierbei ist auch das Verständnis zu berücksichtigen , das sie in der Rechtsprechung des EGMR gefunden haben. Auf dieser Grundlage ist das nationale Recht unabhängig von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit der MRK zu interpretieren (vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 324).
34
Nach welchen Kriterien, in welcher Weise und in welchem Umfang eine Verletzung des Anspruchs auf zügige Verfahrenserledigung aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu kompensieren ist, um dem Betroffenen seine Opferstellung im Sinne des Art. 34 MRK zu nehmen und damit den jeweiligen Vertragsstaat vor einer Verurteilung zu bewahren, ist in der MRK nicht geregelt und daher vom EGMR den nationalen Fachgerichten nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsordnung zur Entscheidung überlassen worden (vgl. EGMR EuGRZ 1983, 371, 382 m. Anm. Kühne; NJW 2001, 2694, 2700, Zf. 159; Pfeiffer in Festschrift Baumann S. 329, 338; Trurnit/Schroth StraFo 2005, 358, 361). Jedoch hat die Rechtsprechung des EGMR hierzu konkretisierende Maßstäbe entwickelt; ihr lassen sich auch deutliche Hinweise dazu entnehmen, welche Formen der Kompensation im Einzelfall eine hinreichende Wiedergutmachung des Konventionsverstoßes bewirken können.
35
Nach dem Konzept der MRK - in der Auslegung des EGMR - dient die Kompensation für eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung allein dem Ausgleich eines durch die Verletzung eines Menschenrechts entstandenen objektiven Verfahrensunrechts (Demko HRRS 2005, 283, 295; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. Gaede wistra 2004, 166, 168; JR 2007, 254 f.). Sie ist Wiedergutmachung und soll eine Verurteilung des jeweiligen Vertragsstaates wegen der Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhindern (Krehl ZIS 2006, 168, 178; s. auch BGH NStZ 1988, 552). Auf diese Wiedergutmachung hat der Betroffene gemäß Art. 13 MRK Anspruch, wenn die Konventionsverletzung nicht präventiv hat verhindert werden können (vgl. EGMR NJW 2001, 2694, 2698 ff., insbes. Zf. 159; Demko HRRS 2005, 403 ff.; Gaede wistra 2004, 166, 171; JR 2007, 254; Meyer-Ladewig MRK 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 10, 22). Ist sie geleistet, so entfällt die Opfereigenschaft des Betroffenen im Sinne des Art. 34 MRK (vgl. EGMR StV 2006, 474, 477 f., Zf. 83). Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld sind dabei als solche weder für die Frage relevant, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist (zu den maßgeblichen Kriterien in der Rechtsprechung des EGMR s. Kühne StV 2001, 529, 530 f. m. Nachw.; Demko HRRS 2005, 283, 289 ff.), noch spielen diese Umstände für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (Demko HRRS 2005, 283, 294 f.; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. auch Kutzner StV 2002, 277, 283). Diese ist vielmehr allein an der Intensität der Beeinträchtigung des subjektiven Rechts des Betroffenen aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auszurichten. Durch die Kompensation wird danach eine Art Staatshaftungsanspruch erfüllt, der dem von einem überlangen Strafverfahren betroffenen Angeklagten in gleicher Weise erwachsen kann wie der Partei eines vom Gericht schleppend geführten Zivilprozesses oder einem Bürger , der an einem verzögerten Verwaltungsrechtsstreit beteiligt ist. Dieser Anspruch entsteht auch dann, wenn der Angeklagte freigesprochen wird. Ein unmittelbarer Bezug zu dem vom Angeklagten schuldhaft verwirklichten Unrecht oder sonstigen Strafzumessungskriterien besteht daher nicht.
36
Die Kompensation durch Gewährung eines bezifferten Abschlags auf die an sich verwirkte Strafe knüpft somit nach den Maßstäben der MRK im Ausgangspunkt an ein eher sachfernes Bewertungskriterium an, mag sie auch im Großteil der Fälle dazu führen, dass der gebotene Ausgleich geschaffen wird und damit die Opferstellung des Angeklagten entfällt. Demgegenüber koppelt das Vollstreckungsmodell den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von vornherein von Fragen des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Damit entspricht es nicht nur den Vorgaben der MRK, sondern es vermeidet gleichzeitig die Komplikationen, die sich für die Strafabschlagslösung aus der Bindung des Gerichts an die gesetzlich vorgegebenen Strafuntergrenzen ergeben (s. oben a).
37
bb) Die Vollstreckungslösung genügt auch den inhaltlichen und formellen Anforderungen, die die Art. 13, 34 MRK an eine hinreichende Kompensation stellen.
38
Nach der Rechtsprechung des EGMR verlangt ein angemessener Ausgleich zumindest die ausdrückliche oder jedenfalls sinngemäße Anerkennung des Konventionsverstoßes. Diese kann je nach den Umständen als Kompensation hinreichen; denn der EGMR hat in etlichen Fällen, in denen erst er selbst den Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ausdrücklich festgestellt hat, diese Feststellung als Ausgleich genügen lassen und dem Betroffenen keine Geldentschädigung nach Art. 41 MRK für immaterielle Einbußen zugesprochen (vgl. EGMR NJW 1984, 2749, 2751 - Ver-waltungsrechtsstreit; 2001, 213, 214 - Zivilrechtsstreit; StV 2005, 475, 477 m. Anm. Pauly - Strafverfahren ). Dies legt es nahe, dass aus der Sicht des EGMR insoweit - das heißt ohne Berücksichtigung etwaiger materieller Schäden - die Opferstellung des Betroffenen bereits durch die nationalen Gerichte aufgehoben worden wäre, wenn sie die entsprechende Feststellung selbst getroffen hätten.
39
Der EGMR hat weiterhin deutlich gemacht, dass die "innerstaatlichen Behörden" durch eine eindeutige und messbare Minderung der Strafe angemessene Wiedergutmachung leisten können (s. - je m. w. Nachw. - EGMR StV 2006, 474, 479 m. Anm. Pauly; Urteil vom 26. Oktober 2006 - Nr. 65655/01, Zf. 24, juris). Dies gelte auch, soweit eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 MRK auszugleichen sei; jedoch müsse dieser Verstoß gesondert anerkannt werden und zu einer selbständigen messbaren Strafmilderung führen (vgl. EGMR StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly).
40
Zu Weiterem verhält sich der EGMR nicht näher. Nach den in seinen Entscheidungen entwickelten Maßstäben sind aber auch die in der deutschen Rechtsprechung neben der Strafreduktion in Betracht gezogenen Konsequenzen (Annahme eines Verfahrenshindernisses, Strafaussetzung zur Bewährung, Absehen von Maßregeln der Besserung und Sicherung, völlige oder teilweise Verfahrenseinstellung nach strafprozessualen Opportunitätsgrundsätzen) je nach den Umständen erkennbar als hinreichende Wiedergutmachung tauglich. Notwendig ist lediglich der ausdrückliche Hinweis, dass die jeweilige Maßnahme des materiellen oder prozessualen Rechts gerade zur Kompensation des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot getroffen worden ist (vgl. zu § 154 StPO: EGMR EuGRZ 1983, 371, 382).
41
Nicht ausgeschlossen ist nach den Vorgaben des EGMR auch eine Wiedergutmachung durch Zahlung einer Geldentschädigung (s. dazu etwa Kühne EuGRZ 1983, 392, 383; Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren S. 267 ff.; Wohlers JR 1994, 138, 142 f.; Kraatz JR 2006, 403, 407 ff.). Die Rechtsordnungen anderer Vertragsstaaten der MRK enthalten hierzu ausdrückliche Regelungen (etwa Spanien: s. näher Paeffgen StV 2007, 487, 494; Italien: s. näher Ress in Festschrift Müller-Dietz S. 627, 628; Frankreich: s. Kraatz JR 2006, 2003, 2006). Mit den einschlägigen Vorschriften des französischen Rechts hat der EGMR sich bereits mit Blick auf Art. 13 MRK befasst. Er hat dabei eine derartige Form der Wiedergutmachung nicht generell für unzureichend erachtet. Er hat es vielmehr nur nicht für hinreichend belegt angesehen, dass die Bestimmungen nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und ihrer konkreten Handhabung in dem zu beurteilenden Fall ein wirksames innerstaatliches Rechtsmittel im Sinne des Art. 13 MRK zur Erlangung einer angemessenen Entschädigung darstellen (Entscheidung vom 26. März 2002, Nr. 48215/99, Zf. 20; s. Kraatz aaO). Das deutsche Recht enthält demgegenüber keine Regelungen , die es den Strafgerichten ermöglichten, eine Geldentschädigung zuzuerkennen. Die Bestimmungen des StrEG können nicht entsprechend herangezogen werden; sie haben abschließenden Charakter. Eine entsprechende Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO gäbe keinen ausreichenden Entscheidungsspielraum. Es wäre Sache des Gesetzgebers, eine eindeutige rechtliche Grundlage zu schaffen.
42
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass nach den genannten Kriterien auch das Modell, einen angemessenen Teil der Strafe als vollstreckt anzurechnen, den Anforderungen an eine ausreichende Entschädigung gerecht wird. Es zieht neben dem Entschädigungsprinzip der MRK auch den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB heran; denn ähnlich wie bei der Untersuchungshaft handelt es sich bei den Belastungen, denen der Angeklagte durch die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens ausgesetzt ist, in erster Linie um immaterielle Nachteile, die allein in der Durchführung des Verfahrens wurzeln. Dies rechtfertigt es, diese Nachteile ähnlich wie die Auswirkungen der Untersuchungshaft durch Anrechnung auf die Strafe auszugleichen (vgl. Kraatz JR 2006, 204, 206; s. auch Theune in LK 12. Aufl. § 46 Rdn. 244; zu § 60 StGB: Jeschek/Weigend, StGB AT 5. Aufl. S. 863; dazu auch Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren, S. 224 ff.). Die Kompensation ist jedoch auch nach dem Vollstreckungsmodell bereits im Erkenntnisverfahren vorzu- nehmen. Sie kann nicht den Strafvollstreckungsbehörden überlassen werden; denn da die Entschädigung nicht durch schematische Anrechnung der jeweiligen Verzögerungsdauer auf die Strafe vorzunehmen, sondern aufgrund einer wertenden Betrachtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist (s. unten IV. 1.), muss sie dem Tatrichter vorbehalten bleiben, dem schon die Feststellung dieser Umstände obliegt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB).
43
4. Neben all dem sprechen weitere gewichtige Gründe für einen Übergang vom Strafabschlags- auf das Vollstreckungsmodell.
44
a) Da die im Wege der Anrechnung vorgenommene Kompensation einen an dem Entschädigungsgedanken orientierten eigenen rechtlichen Weg neben der Strafzumessung im engeren Sinn darstellt, behält die nach den Maßstäben des § 46 StGB zugemessene und im Urteilstenor auszusprechende Strafe die Funktion, die ihr in anderen strafrechtlichen Bestimmungen, aber auch in außerstrafrechtlichen Regelungen zugewiesen ist. So bleibt - wie nach der gesetzlichen Konzeption des StGB vorgesehen - die dem Unrecht und der Schuld angemessene und nicht eine aus Entschädigungsgründen reduzierte Strafe maßgeblich etwa für die Fragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 56 Abs. 1 bis 3 StGB), ob die formellen Voraussetzungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 bis 3 StGB), deren Vorbehalt (§ 66 a Abs. 1 StGB) oder deren nachträgliche Anordnung (§ 66 b StGB) erfüllt sind, ob der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts eintritt (§ 45 StGB), ob Führungsaufsicht angeordnet werden kann (§ 68 Abs. 1 StGB), ob Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommt (§ 59 Abs. 1 StGB) oder ob von Strafe abgesehen werden kann (§ 60 StGB) und wann Vollstreckungsverjährung eintritt (§ 79 StGB). Darüber hinaus behält sie die Bedeutung, die ihr in beamtenrechtlichen (§ 24 BRRG; für Richter s. § 24 DRiG) und ausländerrechtlichen (§§ 53, 54 AufenthG) Folgeregelungen beigelegt wird, sowie auch für die Tilgungsfristen nach dem BZRG (s. etwa § 46 BZRG) oder die Eintragungsvoraussetzungen in das Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 4 GewO).
45
Hierdurch wird der überlangen Verfahrensdauer andererseits jedoch nicht ihre Bedeutung als Strafzumessungsgrund genommen. Sie bleibt als solcher zunächst bedeutsam deswegen, weil allein schon durch einen besonders langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem Urteil liegt, das Strafbedürfnis allgemein abnimmt. Sie behält - unbeschadet der insoweit zutreffenden dogmatischen Einordnung (zum Meinungsstreit s. Paeffgen StV 2007, 487, 490 Fn. 27) - ihre Relevanz aber gerade auch wegen der konkreten Belastungen, die für den Angeklagten mit dem gegen ihn geführten Verfahren verbunden sind und die sich generell um so stärker mildernd auswirken, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem er von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erfährt, und dem Verfahrensabschluss verstreicht; diese sind bei der Straffindung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung mitbedingt ist (vgl. BGH NJW 1999, 1198; NStZ 1988, 552; 1992, 229, 230; NStZ-RR 1998, 108). Lediglich der hiermit zwar faktisch eng verschränkte, rechtlich jedoch gesondert zu bewertende und zu entschädigende Gesichtspunkt, dass eine überlange Verfahrensdauer (teilweise) auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird aus dem Vorgang der Strafzumessung, dem er wesensfremd ist, herausgelöst und durch die bezifferte Anrechnung auf die im Sinne des § 46 StGB angemessene Strafe gesondert ausgeglichen.
46
b) Durch den Übergang zur Vollstreckungslösung wird die Strafenbildung von der Notwendigkeit befreit, einen einzelnen Zumessungsaspekt in mathematisierender Weise durch bezifferten Strafabschlag - gegebenenfalls gesondert für Einzelstrafen und Gesamtstrafe - auszuweisen. Gerade diese rechnerische Vorgehensweise ist zu Recht kritisiert worden (Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 443; ders. in Festschrift Tondorf S. 351, 357 f.; s. auch Gaede JR 2007, 254, 256). Selbst in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist sie als Fremdkörper in der Strafzumessung (BGH NStZ-RR 2006, 201, 202) sowie systemwidrig (BGH NStZ 2005, 465, 466) bezeichnet und es ist für wünschenswert erachtet worden, diese - ansonsten als rechtlich verfehlt erachtete (BGH NStZ-RR 1999, 101, 102; 2000, 43; 2006, 270, 271; NStZ 2007, 28) - Mathematisierung der Strafenfindung zu überdenken (BGH, Beschl. v. 23. Juni 2006 - 1 ARs 5/04; BGH wistra 2004, 470).
47
Zwar kann die durch Anrechung vorgenommene Kompensation den Rechtsfolgenausspruch - schon wegen der entsprechenden Vorgaben des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts - nicht von jeder Mathematisierung freihalten. Jedoch verlagert sie durch ihre Anlehnung an § 51 StGB die Bezifferung der Entschädigung zumindest in einen Bereich, der schon nach der gesetzlichen Konzeption derartigen Berechnungen offen steht und in diesem Rahmen auch eine zahlenmäßige Bewertung verfahrensbedingt erlittener Nachteile kennt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Die eigentliche Strafzumessung wird demgegenüber nicht mehr mit ihr wesensfremden Anforderungen belastet. Dies ist insbesondere auch deswegen bedeutsam, weil es nach der neueren Rechtsprechung des EGMR (StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly) notwendig werden kann, künftig den durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 MRK neben demjenigen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gesondert zu kompensieren; dies würde nach dem Strafabschlagsmodell in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Strafzumessung mit zwei Rechenwerken befrachtet werden müßte, im Falle einer Gesamtstrafenbildung auch noch gesondert für jede Einzelstrafe und - unter Vermeidung einer Doppelkompensation - für die Gesamtstrafe.
48
Demgegenüber knüpft das Vollstreckungsmodell die Kompensation ausschließlich an die - für die Vollstreckung allein relevante - Gesamtstrafe an und vereinfacht hierdurch die Rechtsfolgenentscheidung erheblich.
49
5. Die Kompensation durch Anrechnung steht nicht in Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Allerdings findet sich auch in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Aussage, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausgesetzt ist, den aus der Verwirklichung des Straftatbestandes abzuleitenden Unrechtsgehalt abmilderten, der dem Angeklagten als Tatschuld angelastet werde, und daher „grundsätzlich“ als Strafmilderungsgrund bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien (s. insb. BVerfG - Kammer - NStZ 2006, 680, 681; vgl. auch BVerfGK 2, 239, 247). Dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass die nach der Rechtsprechung des EGMR gebotene Entschädigung des Angeklagten nach den Vorgaben des Grundgesetzes ausschließlich in der Form einer - zusätzlichen - bezifferten Strafmilderung zulässig wäre (vgl. dagegen I. Roxin StV 2008, 14, 16). Anliegen des Bundesverfassungsgerichts ist es nicht, eine bestimmte dogmatische Sichtweise des einfachgesetzlichen Rechts über die unrechts- und schuldmildernde Wirkung rechtsstaatswidrig verursachter Verfahrenshärten als verfassungsrechtlich allein zulässige festzuschreiben. Ebensowenig will es ersichtlich ein bestimmtes Modell der konventionsrechtlich geforderten Kompensation zum verfassungsrechtlich allein statthaften erklären. Vielmehr geht es dem Bundesverfassungsgericht, wie sich seinen einschlägigen Entscheidungen deutlich entnehmen lässt, allein um die Beachtung des in der Verfassung verankerten Übermaßverbots. In welcher Form die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs durch die Fachgerichte in Anwendung des Straf- oder Strafprozessrechts gewährleistet wird, ist demgegenüber in der Verfassung nicht vorgegeben. Anders wäre es auch kaum erklärbar, dass das Bundesverfassungs- gericht eine kompensierende Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auch bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung für möglich erachtet. Wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in der Weise Rechnung getragen, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch das überlange Verfahren ausgesetzt war, zunächst allgemein mildernd in die Strafzumessung einfließen und sodann der besondere Aspekt, dass sie (teilweise) auf rechtsstaatswidrige Verzögerungen seitens der Strafverfolgungsbehörden zurückzuführen sind, im Urteil dadurch Berücksichtigung findet, dass als Entschädigung hierfür ein Teil der Strafe als bereits vollstreckt gilt, so ist damit in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot Genüge getan wie durch die bezifferte Reduzierung der Strafe.
50
6. Die Vollstreckungslösung kann nicht nur - sachgerechte - gesetzliche Folgen haben, die sich im Vergleich zur Strafabschlagslösung zum Nachteil des Angeklagten auswirken (s. 4. a), sondern auch solche, die ihm zum Vorteil gereichen ; denn durch die Anrechnung werden bei der Strafzeitberechnung die Halbstrafe und der Zwei-Drittel-Zeitpunkt regelmäßig schneller erreicht, so dass es früher als bisher möglich ist, einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen (§ 57 Abs. 1, 2 und 4 StGB). Auch dies ist eine systemgerechte Konsequenz des neuen Modells.
51
Wird die Freiheitsstrafe, die zur Wiedergutmachung teilweise als vollstreckt erklärt wird, von vornherein zur Bewährung ausgesetzt, so ergeben sich keine grundsätzlichen Unterschiede zur bisherigen Rechtslage. Nach beiden Kompensationsmodellen wird die Entschädigung faktisch erst dann wirksam, wenn die Strafe nach einem Bewährungswiderruf vollstreckt werden muss. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö- gerung neben der Anrechnung auf die Strafe aktuell wirksam auch dadurch auszugleichen, dass im Bewährungsbeschluss ausdrücklich auf Auflagen im Sinne des § 56b Abs. 2 Nr. 2 bis 4 StGB verzichtet wird.
52
Auch sonst ergeben sich durch die Vollstreckungslösung keine bedeutsamen Unterschiede: Kommt nur die Verhängung einer Geldstrafe in Betracht, so ist diese wegen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht mehr um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen, sondern die schuldangemessene Geldstrafe in der Urteilsformel auszusprechen und zugleich festzusetzen, dass ein bezifferter Teil der zugemessenen Tagessätze als bereits vollstreckt gilt. In Fällen, in denen das gebotene Maß der Kompensation die schuldangemessene (Einzel-)Strafe erreicht oder übersteigt, ist - wie bisher - die Anwendung der §§ 59, 60 StGB oder die (teilweise) Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsgrundsätzen zu erwägen (§§ 153, 153a, 154, 154a StPO); gegebenenfalls ist zu prüfen, ob ein aus der Verfassung abzuleitendes Verfahrenshindernis der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht.
53
Die im Bereich des Jugendstrafrechts bestehenden besonderen Probleme werden durch das Vollstreckungsmodell weder beseitigt noch verstärkt. Während sich bisher die Frage stellte, ob von der aus Erziehungsgründen erforderlichen Strafe zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ein bezifferter Abschlag vorgenommen werden darf (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 15), ist nunmehr danach zu fragen, ob es dem Erziehungsgedanken widerstreitet, einen Teil der Strafe als Entschädigung für vollstreckt zu erklären (s. § 52a JGG, ferner § 88 JGG mit größerer Flexibilität für die Reststrafenaussetzung).

IV.

54
Die Strafgerichte haben die erforderliche Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach dem Vollstreckungsmodell somit an folgenden Grundsätzen auszurichten:
55
1. Wie bisher sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.
56
Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss es stets im Auge behalten werden, wenn die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastun- gen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.
57
In die Urteilsformel ist die nach den Kriterien des § 46 StGB zugemessene Strafe aufzunehmen; gleichzeitig ist dort auszusprechen, welcher bezifferte Teil dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt.
58
2. Stehen mehrere Straftaten des Angeklagten zur Aburteilung an, so ist - wie bisher - zunächst zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Verfahren bei der Verfolgung aller dieser Delikte rechtsstaatswidrig verzögert worden ist; gegebenenfalls sind insoweit differenzierte Feststellungen zu treffen und der Abstand zwischen Tatzeitpunkt und Urteil sowie die Belastungen des Angeklagten durch die Verfahrensdauer nur bei einigen der festzusetzenden Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen. Allein auf die durch Zusammenfassung der Einzelstrafen gebildete und in der Urteilsformel ausgesprochene Gesamtstrafe ist die Anrechnung vorzunehmen, indem ein bezifferter Teil hiervon im Wege der Kompensation für vollstreckt erklärt wird; denn allein die Gesamtstrafe ist Grundlage der Vollstreckung.
59
Wird die Gesamtstrafe nachträglich aufgelöst, so hat das Gericht, das unter Einbeziehung der dieser zugrunde liegenden Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe zu bilden hat, auch festzusetzen, welcher bezifferte Teil dieser neuen Gesamtstrafe aus Kompensationsgründen als vollstreckt anzurechnen ist.
Hierdurch darf der, wie rechtskräftig festgestellt, von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung betroffene Verurteilte nicht nachträglich schlechter gestellt werden (vgl. § 51 Abs. 2 StGB). Dies gilt entsprechend, wenn die Einzelstrafen des ursprünglichen Urteils in mehrere neu zu bildende Gesamtstrafen einzubeziehen sind. Das zur Entscheidung berufene Gericht hat dann festzulegen , in welchem Umfang die neu auszusprechenden Gesamtstrafen anteilig als vollstreckt gelten. Dabei hat es sich daran zu orientieren, in welchem Umfang in die jeweilige neue Gesamtstrafe Einzelstrafen einfließen, die ursprünglich nach einem rechtsstaatswidrig verzögerten Verfahren festgesetzt worden waren. In der Summe dürfen die für vollstreckt erklärten Teile der neuen Gesamtstrafen nicht hinter der ursprünglich ausgesprochenen Anrechnung zurückbleiben. Hirsch Rissing-vanSaan Basdorf Maatz Miebach Wahl Bode Kuckein Gerhardt Kolz Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 173/09
vom
16. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 16. Juni
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 14. November 2005 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Der Rechtsfolgenausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben, weil das Verfahren nach Erlass des angefochtenen Urteils in rechtsstaatswidriger Weise verzögert worden ist.
3
1. Zur Erforderlichkeit einer deshalb zu treffenden Kompensationsentscheidung hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt: "Das Verfahren ist nach Erlass des angefochtenen Urteils … unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK dadurch in rechtsstaatswidriger Weise verzögert worden, dass die Originalakten seit dem 15. Mai 2006 in Verlust geraten sind … und erst im Februar/März 2009 rekonstruiert werden konnten, obwohl sich der Verteidiger bereits mehrfach nach dem Stand des Revisionsverfahrens erkundigt hatte … . Nachdem der Verteidiger die Revision mit Schriftsatz vom 30. Januar 2006 begründet hatte, hätten die Akten dem Generalbundesanwalt bei ordnungsgemäßem Verfahrensgang alsbald danach vorgelegt werden müssen. Tatsächlich sind die Akten dort erst am 15. April 2009 eingegangen , wobei die Originalakten zwischenzeitlich wieder aufgefunden und nachgesandt wurden. Dadurch hat sich eine Verfahrensverzögerung von nahezu drei Jahren ergeben. Diese nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetretene Verzögerung ist auf die Sachrüge hin von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH NStZ 2004, 52). Wegen des Ausmaßes der Verfahrensverzögerung sowie des damit verbundenen Zeitablaufs und der Notwendigkeit der Feststellung ihrer Auswirkungen auf den Angeklagten ist die Entscheidung über eine Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK dem Tatrichter vorbehalten."
4
Dem schließt sich der Senat an.
5
2. Wegen der nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung kann unter den gegebenen Umständen aber auch der gesamte Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Zwar stellt die im Wege der Anrechnung vorzunehmende Kompensation (Vollstre- ckungslösung) einen an dem Entschädigungsgedanken orientierten eigenen rechtlichen Weg neben der Strafzumessung im engeren Sinn dar, so dass der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich selbständig nebeneinander stehen und auch getrennt voneinander zu beurteilen sind (so inzwischen auch BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09). Allerdings wird der (überlangen) Verfahrensdauer dadurch nicht ihre Bedeutung als Strafzumessungsgrund genommen. Sie bleibt als solcher zunächst bedeutsam deswegen , weil allein schon durch einen besonders langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem Urteil liegt, das Strafbedürfnis allgemein abnimmt. Sie behält ihre Relevanz aber gerade auch wegen der konkreten Belastungen, die für den Angeklagten mit dem gegen ihn geführten Verfahren verbunden sind und die sich generell um so stärker mildernd auswirken, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem er von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erfährt, und dem Verfahrensabschluss verstreicht; diese sind bei der Straffindung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung mitbedingt ist. Lediglich der hiermit zwar faktisch eng verschränkte, rechtlich jedoch gesondert zu bewertende und zu entschädigende Gesichtspunkt, dass eine überlange Verfahrensdauer (teilweise) auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird aus dem Vorgang der Strafzumessung, dem er wesensfremd ist, herausgelöst und durch die bezifferte Anrechnung auf die im Sinne des § 46 StGB angemessene Strafe gesondert ausgeglichen (vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860, 865 m. w. N.; zum Abdruck in BGHSt 52, 124 bestimmt).
6
Dies führt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Abschluss des Verfahrens rechtsstaatswidrig um mehrere Jahre verzögert worden ist, dazu, dass auch der gesamte Strafausspruch, also alle Einzelstrafen und die Gesamtstrafe, neu zu bemessen sind. Dies obliegt dem neuen Tatrichter.
Er hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und dem (neuen) Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der (überlangen) Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es hingegen nicht (vgl. BGH aaO 866).
Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

7
b) Der neue Tatrichter wird sodann zunächst nach den Kriterien des § 46 StGB schuldangemessene, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung außer Acht lassende Einzelstrafen festzusetzen und aus diesen eine Gesamtstrafe zu bilden haben. Dabei wird zu prüfen sein, inwieweit der zeitliche Abstand zwischen den begangenen Taten und dem Urteil sowie die Verfahrensdauer als solche bei der Straffestsetzung mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht (zu den hierbei durch das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO gezogenen Grenzen vgl. etwa Senat, Beschl. vom 9. April 2008 - 3 StR 71/08).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 250/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im
Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur
revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - LG Hannover
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten , auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe zu Unrecht einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Die angefochtene Kompensationsentscheidung kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in die- sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen Urteils vom 15. Februar 2008 entgegen.
3
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 MRK geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das Landgericht im Urteil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausgeführt , die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form erhoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Beschluss vom 7. August 2008 (3 StR 274/08) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben sowie die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision hatte er verworfen.
5
Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene Urteil erlassen.
Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des Ermittlungsverfahrens den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt hätten.
6
2. Das Landgericht durfte die angefochtene Kompensationsentscheidung nicht treffen. Hierzu gilt:
7
Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Wohlers in SK-StPO § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschränkung geltenden Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie Unterbringungsanordnungen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 1983 - 3 StR 215/83 Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im Urteilstenor bzw. der Beschlussformel der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten Rechts- folgen der Tat (vgl. Kuckein aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch BGHSt 14, 381, 382).
8
Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berücksichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Urteils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaatswidrigen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Jedoch hat der Große Senat für Strafsachen dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. Vollstreckungslösung ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen:
9
Enthält ein landgerichtliches Urteil - wie hier die ursprüngliche Entscheidung der Strafkammer vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentscheidung für eine bis zur Urteilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den Urteilsgründen ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden kann (vgl. BGHSt 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 MRK vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil neben dem Strafausspruch aufhebt, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine solche Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der Verfahrensverzögerung ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich ohne Belang.
10
Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines Urteils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des Revisionsgerichts liegenden Verstoßes gegen Art. 6 MRK eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Strafzumessung und den Maßregelausspruch zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Entschädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 MRK nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzögerung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BGHSt 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu gewähren ist.
11
Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur sog. Vollstreckungslösung ergangene teilweise Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch den Beschluss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der Zeit bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft eingetreten. Das Landgericht durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden.
12
3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 MRK zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht völlig untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von Verfahrensverzögerungen , die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhebung des tatgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. BGH NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständlichen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das Landgericht nicht festgestellt. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer
6
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im Strafausspruch grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 212/12, wistra 2013, 35).