Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2012 - 3 StR 171/12

bei uns veröffentlicht am06.09.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 171/12
vom
6. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. August 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes eingelegte und mit sachlichrechtlichen Beanstandungen begründete Revision der Nebenklägerin. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Ehe des Angeklagten mit der Nebenklägerin seit Jahren von regelmäßigen, häufig lautstarken und auch gewalttätigen Streitigkeiten geprägt. Die Eheleute versöhnten sich aber stets wieder miteinander. Ende November 2010 wohnte der Angeklagte nach einem neuerlichen Streit für mehrere Tage bei einem Freund. Als er am 27. November 2010 in die Ehewohnung zurückkam, zog die Nebenklägerin zu ihren Eltern. Nach ihrer Rückkehr am 30. November 2010 entwickelte sich sofort wieder Streit zwischen den Eheleuten. Am Tag darauf kam es spätestens gegen 10.40 Uhr im Schlafzimmer zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung , in deren Verlauf der Angeklagte ein im Rückenbereich seines Hosenbundes befindliches Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 13 cm ergriff, die Nebenklägerin in den Schwitzkasten nahm, mit dem Messer wahllos auf sie einstach und ihr Stichverletzungen im Brust-, Thorax- und Bauchbereich sowie am Hals beibrachte. Dabei erkannte der Angeklagte, dass die Verletzungen lebensgefährlich waren und nahm billigend in Kauf, dass das Opfer an ihnen versterben könnte. Nachdem die Frau zusammengesackt war und regungslos am Boden lag, ließ der Angeklagte in der Überzeugung von ihr ab, sie werde umgehend versterben. Inzwischen war der neunjährige Sohn hilfesuchend zu den Nachbarn gelaufen, die um 10.42 Uhr die Polizei alarmierten. Die Nebenklägerin konnte durch den Einsatz eines Notarztes und eine sofortige Operation gerettet werden.
3
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei vom bedingten Tötungsvorsatz sowie davon überzeugt, dass der Angeklagte nach den Messerstichen vom alsbaldigen Versterben der Nebenklägerin ausging, der Tötungsversuch deshalb beendet war. Es hat die Tat als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewürdigt. Zum Vorliegen von Mordmerkmalen hat die Strafkammer lediglich ausgeführt, solche seien "nicht erkennbar". Insbesondere könne "aufgrund des bereits seit dem Vorabend der Tat andauernden Streits der Eheleute eine heimtückische Tatbegehung ausgeschlossen werden".
4
2. Die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke hält, wie auch der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu im Einzelnen:
5
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht (mehr) mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist zudem, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 20. Januar 2005 - 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691, 692 und 29. November 2007 - 4 StR 425/07, NStZ 2008, 273; Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270 jeweils mwN).
6
Verbale Streitigkeiten stehen, selbst wenn sie der Tötungshandlung unmittelbar vorausgehen, der Heimtücke nicht entgegen. Es kommt auch in einem solchen Fall auf die Arglosigkeit des Opfers gegenüber einem Angriff auf Leben oder körperliche Unversehrtheit an. Eine tatsächlich vorhandene Arglosigkeit in diesem Sinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Opfer nach den Umständen mit einem tätlichen Angriff hätte rechnen müssen. Erkennt der im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer von ihm ausgehenden bloß verbalen Attacke zur Tötung seines Opfers ansetzende Täter dessen dennoch erhalten gebliebene Arglosigkeit gegenüber der Möglichkeit eines tätlichen Angriffs und nutzt er diese bewusst zur Tat aus, so handelt er heimtückisch (BGH, Urteile vom 13. November 1985 - 3 StR 273/85, BGHSt 33, 363, 365; vom 9. Januar 1991 - 3 StR 205/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; vom 30. Mai 1996 - 4 StR 150/96, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21 und vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 nur LS).
7
Nach diesen Maßstäben greift die Begründung, mit der das Landgericht die Heimtücke abgelehnt hat, zu kurz. Das angefochtene Urteil enthält keine Darlegungen zu den Vorstellungen der Geschädigten und des Angeklagten, als dieser das Opfer in den Schwitzkasten nahm, obwohl die festgestellten Umstände dazu drängten. Der Angeklagte trug das Küchenmesser vor der Tat im Rückenbereich seines Hosenbundes verborgen. Damit liegt, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nicht fern, dass das Opfer sich keines erheblichen Angriffs gegen seine körperliche Unversehrtheit versah. Zudem kommt in Betracht, dass der Angeklagte das Messer verdeckt trug, um seine Ehefrau nicht misstrauisch werden zu lassen. Die Erörterungspflicht des Landgerichts entfiel auch nicht dadurch, dass die Beziehung des Angeklagten und der Nebenklägerin nach den Feststellungen "seit Jahren von regelmäßigen, häufig lautstarken und auch gewalttätigen Streitigkeiten geprägt" war. Auch wenn es früher einmal zu körperlichen Übergriffen des Angeklagten gekommen wäre - das Urteil teilt hierzu nichts Weiteres mit -, stünde dies einer Arglosigkeit im entscheidenden Zeitpunkt nicht ohne Weiteres entgegen.
8
Das angefochtene Urteil hätte sich deshalb dazu verhalten müssen, wie die Nebenklägerin die Situation eingeschätzt hatte, ehe der Angeklagte sie in den Schwitzkasten nahm und mit bedingtem Tötungsvorsatz auf sie einstach. Ebenso wären Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt erforderlich gewesen. Auf dieser tatsächlichen Grundlage wäre nach den dargestellten Grundsätzen zu beurteilen gewesen, ob die Voraussetzungen der Heimtücke erfüllt sind.
9
3. Die Sache muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden. Obwohl die bisherigen Feststellungen nur unvollständig und in den vorhandenen Teilen (Annahme eines Tötungsvorsatzes und Ausschluss des Rücktritts) ohne Rechtsfehler sind, hebt der Senat das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter einheitliche Feststellungen zu ermöglichen. Schäfer Pfister Mayer Gericke Spaniol

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2012 - 3 StR 171/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2012 - 3 StR 171/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2012 - 3 StR 171/12 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2012 - 3 StR 171/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2012 - 3 StR 171/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Feb. 2007 - 4 StR 467/06

bei uns veröffentlicht am 15.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 467/06 vom 15. Februar 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Februar 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Rich

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2011 - 3 StR 326/11

bei uns veröffentlicht am 29.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 326/11 vom 29. November 2011 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dess
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 06. Sept. 2012 - 3 StR 171/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2013 - 4 StR 180/13

bei uns veröffentlicht am 04.06.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 180/13 vom 4. Juni 2013 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO be

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2012 - 5 StR 438/12

bei uns veröffentlicht am 11.12.2012

5 StR 438/12 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 11. Dezember 2012 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Dezember 2012, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richte

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 326/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
29. November 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 11. April 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden ist (Fall III. 1. der Urteilsgründe );
b) im gesamten Strafausspruch und
c) soweit das Landgericht den Angeklagten verurteilt hat, an den Nebenkläger 25.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21. März 2011 zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des "versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" (richtig: versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) sowie der versuchten Körperverletzung und der Beleidigung, jeweils in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verhängt. Weiter hat es den Angeklagten verurteilt, an den Nebenkläger 25.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21. März 2011 zu zahlen; im Übrigen hat es von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge im Fall III. 1. der Urteilsgründe sowie bezüglich des gesamten Strafausspruchs und der Adhäsionsentscheidung Erfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts im Fall III. 1. der Urteilsgründe beabsichtigten zahlreiche Polizeibeamte, am frühen Morgen des 28. August 2010 in Mönchengladbach auf einem Uferweg der Niers eine etwa acht- bis zehnköpfige Personengruppe zu kontrollieren, der mehrere Verwandte des damals 20 Jahre alten Angeklagten angehörten. Die Anwesenden kamen jedoch der Aufforderung, sich auszuweisen, nicht nach, beschimpften die Polizisten und machten sich über diese lustig. Der Zeuge S. verhielt sich besonders aggressiv. Er wurde daraufhin fixiert, wogegen er sich wehrte. Nach einem Gerangel brachten ihn schließlich mehrere Polizeibeamte, zu denen der zivil gekleidete Nebenkläger gehörte, zu Boden und hielten ihn fest. Dabei kniete der Nebenkläger in gebückter Haltung seitlich auf dem Zeugen und fixierte dessen Kopf und Schultern. Der Angeklagte, dessen Blutalkoholkonzentration 1,81 Promille betrug, befand sich mit Freunden in einer in der Nähe gelegenen Wohnung. Er wurde auf das Geschehen aufmerksam und verließ mit dem Ruf "Mein Vater!" eilig das Haus. Er lief auf die Stelle zu, an welcher der Zeuge S. von mittlerweile vier Polizeibeamten fixiert wurde und rief immer wieder: "Lass meinen Bruder in Ruhe, lass meinen Bruder in Ruhe!". Der Versuch eines Polizeibeamten, den Angeklagten durch einen sog. Bodycheck zu Fall zu bringen, misslang. Nachdem der Angeklagte die Personengruppe erreicht hatte , versuchte er, mit dem Ruf "Das ist mein Bruder, das ist mein Bruder!" einen Polizeibeamten von dem Zeugen S. wegzuziehen. Er wurde jedoch von drei weiteren Polizisten gepackt und einige Meter weggebracht; dabei schlug er wild um sich. Einen kurzen Moment der Passivität der Polizeibeamten nutzte er, riss sich los, überbrückte mit wenigen Schritten die Distanz zu dem am Boden fixierten Zeugen S. und trat dem Nebenkläger in vollem Lauf und mit großer Wucht in das Gesicht. Der Nebenkläger versah sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs durch den Angeklagten; er konzentrierte sich auf den Zeugen S. und vertraute darauf, dass seine Kollegen die übrigen vor Ort anwesenden Personen in Schach und von ihm fernhalten würden. Er wurde durch den Tritt des Angeklagten schwer verletzt. Der Angeklagte wurde sodann u.a. durch den Einsatz eines Diensthundes überwältigt, festgenommen und zu einem Polizeiwagen verbracht. Hiergegen wehrte er sich, schlug um sich und rief: "Ich mach euch fertig, ihr Dreckschweine!".
3
1. Die Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte habe bei seinem Fußtritt in das Gesicht des Nebenklägers heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht (mehr) mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist weiter, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 20. Januar 2005 - 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691, 692; vom 29. November 2007 - 4 StR 425/07, NStZ 2008, 273, 274 jeweils mwN).
5
b) Es erscheint mit Blick auf das vorausgegangene Geschehen bereits fraglich, ob die Feststellungen die Arglosigkeit des Nebenklägers zum Zeitpunkt der ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Handlung - dem Fußtritt des Angeklagten in das Gesicht des Nebenklägers - hinreichend belegen.
6
Auch wenn das Landgericht insoweit keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, lässt sich dem Zusammenhang der Urteilsgründe zwanglos entnehmen, dass der Nebenkläger nach dem ersten tätlichen Angriff des Angeklagten auf die den Zeugen S. festhaltenden Polizeibeamten zunächst nicht arglos war, weil er einen nicht unerheblichen Angriff zumindest auch auf seine eigene Gesundheit konkret besorgte. Denn dem Angeklagten kam es für den Nebenkläger erkennbar darauf an, seinen zu Boden gebrachten Bruder, an dessen Fixierung der Nebenkläger mitwirkte, zu "befreien". Allerdings kann die Arglosigkeit auch bei einer unmittelbar vorausgegangenen Auseinandersetzung wieder eintreten. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung hierfür indessen, dass das Opfer den Streit für beigelegt hält und sich deshalb keines tätlichen Angriffs mehr versieht. Danach kann die Beendigung einer Auseinandersetzung, bei der das Opfer zunächst mit einem Angriff rechnete, vor allem dann angenommen werden, wenn der Täter sich so verhält, dass daraus auf ein Ende der Feindseligkeiten geschlossen werden kann, und das Opfer daraufhin eine Haltung einnimmt, aus der sich ergibt, dass es keinen weiteren Angriff befürchtet (BGH, Urteil vom 30. Mai 1996 - 4 StR 150/96, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21 mwN).
7
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Angeklagte verhielt sich keineswegs in einer Weise, aus der sich für den Nebenkläger ergab, dass er seine aggressiven, auf die Befreiung seines Bruders zielenden Handlungen einstellen wollte. Er wehrte sich vielmehr gegen seine eigene Festnahme, indem er wild um sich schlug, und nutzte zeitnah die erste sich bietende Gelegenheit , um sich zu befreien und seine Absicht weiter zu verfolgen. Der Nebenkläger ging auch nicht deshalb davon aus, dass ihm von dem Angeklagten keine Gefahr mehr drohte, weil er diesen nun als friedfertig einschätzte, sondern weil er darauf vertraute, seine Kollegen hätten den Angeklagten und die Situation insgesamt im Griff. Dies könnte - obwohl es bei der Beurteilung seines Erwartungshorizonts entscheidend auf die subjektive Vorstellung des Angegriffenen ankommt - mit Blick auf die hier gegebene Gesamtsituation gegen die Arglosigkeit des Nebenklägers sprechen.
8
c) Der Senat kann jedoch offen lassen, ob die bisherige Rechtsprechung dahin fortzuführen ist, dass gegebenenfalls auch in einem solchen Fall die Arglosigkeit des Opfers zu bejahen ist. Denn jedenfalls beruht die Feststellung, der Angeklagte habe die Arg- und Wehrlosigkeit des Nebenklägers erkannt und zur Tatbegehung ausgenutzt, nicht auf einer sie tragenden Beweiswürdigung.
9
aa) Für das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist es erforderlich, dass der Täter die Umstände, die die Tötung zu einer heimtückischen machen, nicht nur an sich wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH, Urteil vom 13. August 1997 - 3 StR 189/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Wenn auch nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran hindert, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tatbegehung zu erkennen, so kann doch insbesondere die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (BGH, Urteile vom 13. August 1997 - 3 StR 189/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26; vom 20. Januar 2005 - 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691, 692). Dasselbe gilt für eine - zumal erhebliche - Alkoholisierung des Täters. Deshalb bedarf es in solchen Fällen in aller Regel der Darlegung der Beweisanzeichen, aus denen der Tatrichter folgert, dass der Täter trotz seiner Alkoholisierung und Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Gesichtspunkte in sein Bewusstsein aufgenommen hat (BGH, Urteil vom 9. Februar 2000 - 3 StR 392/99, NStZ-RR 2000, 166, 167).
10
bb) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an eine umfassende Beweiswürdigung genügen die Urteilsgründe nicht. Nach den Feststellungen war die Tatsituation wesentlich durch eine insgesamt "angeheizte" Stimmung geprägt. Der Angeklagte, der seinen Bruder bedroht wähnte und diesem bei- stehen wollte, befand sich ersichtlich in einem Zustand großer emotionaler Erregung. Er war zudem bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille nicht unerheblich alkoholisiert. Die konkrete Tat entwickelte sich spontan aus einem dynamischen Geschehen. Diese Beweisanzeichen hätte das Landgericht erörtern müssen. Die Strafkammer hat jedoch jede Beweiswürdigung zum Ausnutzungsbewusstsein unterlassen und nur ihre auf den Angaben des Nebenklägers und weiterer Zeugen beruhende Überzeugung davon begründet, dass sich der Nebenkläger zum Zeitpunkt des gegen ihn gerichteten Trittes keines Angriffs versah. Dies gilt auch mit Blick auf die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Dort hat das Landgericht ebenfalls nicht zum Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten Stellung genommen, sondern lediglich dargelegt, ein längeres Überlegen oder ein planvolles Vorgehen werde für die Heimtücke nicht vorausgesetzt. Es genüge, wenn der Täter, einer raschen Eingebung folgend, die für ihn günstige Situation erfasse und sich zunutze mache ; genau das habe der Angeklagte hier getan. Die erforderlichen Erwägungen sind darüber hinaus nicht den Ausführungen des Landgerichts zum bedingten Tötungsvorsatz oder zur wesentlich eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten zu entnehmen. Gründe, welche die unterlassenen Erörterungen ausnahmsweise entbehrlich machen, liegen nicht vor.
11
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall III. 1. der Urteilsgründe. Damit kommt die in diesem Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten in Wegfall, so dass auch die Gesamtfreiheitsstrafe nicht bestehen bleiben kann. Die Schuldsprüche in den Fällen III. 2. und 3. der Urteilsgründe werden durch den dargelegten Rechtsfehler nicht berührt; insoweit hat das Urteil deshalb Bestand. Der Senat hebt gleichwohl auch in diesen Fällen die Einzelstrafen auf. Zum einen ist nicht auszuschließen, dass sie von der Einsatzstrafe beeinflusst waren; zum anderen soll dem neuen Tatgericht, das u.a. über die Anwendbarkeit von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zu befinden haben wird, ermöglicht werden, über den Strafausspruch eine insgesamt in sich stimmige Entscheidung zu treffen.
12
Daneben entfällt die Grundlage der Adhäsionsentscheidung. Der Senat sieht mit Blick darauf, dass die Strafkammer die Höhe des Schmerzensgeldes, auf die sie erkannt hat, in lediglich einem Satz ausschließlich mit einem pauschalen Hinweis auf die vom Nebenkläger erlittenen Verletzungen begründet hat, Anlass für folgenden Hinweis:
13
Derartige rudimentäre, formelhafte Erwägungen genügen den Anforderungen an die Begründungspflicht, die auch für die im Strafurteil getroffene Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche gilt, grundsätzlich nicht. Die Verurteilung zu Schmerzensgeld erfordert regelmäßig zumindest auch die ausdrückliche Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Schädiger und Geschädigtem (BGH, Urteil vom 27. September 1995 - 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; Urteil vom 21. August 1996 - 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5 jeweils mwN).
14
3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO Gebrauch.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 467/06
vom
15. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Februar
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 28. Juni 2006 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Kosten der Revisionen des Angeklagten und der Nebenkläger fallen dem jeweiligen Beschwerdeführer zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte , die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt - ebenso wie die Nebenkläger - mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, eine Verurteilung wegen Mordes. Sämtliche Rechtsmittel erweisen sich als unbegründet.

II.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Nach zwei gescheiterten Beziehungen lebte der Angeklagte, der an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden Elementen und narzisstischen Zügen leidet, von 1999 bis zum September 2005 mit Nicole K. , dem späteren Tatopfer, in häuslicher Lebensgemeinschaft, aus der ein gemeinsames Kind hervorging. Auch diese Beziehung war, insbesondere wegen der grundlosen Eifersucht des Angeklagten, spannungs- und streitbeladen und wurde schließlich von Nicole K. beendet. Der Angeklagte konnte sich, wie auch beim Scheitern seiner früheren Beziehungen, mit der Trennung nicht abfinden. Im September 2005 kam es deswegen bei einer von ihm erbetenen Aussprache zwischen ihm und Nicole K. zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf er sie zu Boden warf und ihr ein Messer vor den Körper hielt. Erst als ihr Vater zu Hilfe eilte, ließ er von ihr ab. Bei ihren Abwehrbemühungen erlitt sie eine Schnittverletzung an der Hand. Auch nach diesem Vorfall bemühte sich der Angeklagte weiter um eine Fortsetzung der Beziehung.
4
Am 17. November 2005 wurde der Angeklagte von Arbeitskollegen damit gehänselt, dass Nicole K. "jetzt einen anderen Mann küsse", worauf er antwortete , "dass dies nicht mehr lange der Fall" sein werde. Am Nachmittag begegnete ihm Nicole K. , die auf ihrem Fahrrad durch Schönebeck fuhr. Sie hielt zwar an, lehnte aber eine nochmalige Aussprache über die aus ihrer Sicht endgültig beendete Beziehung ab. Es kam zu einem teilweise lautstark geführten Wortgefecht, wobei der Angeklagte aus Wut so heftig gegen ihr Fahrrad trat, dass sie es nur noch schieben konnte. Den Vorschlag des Angeklagten, sie mit seinem Fahrzeug zu ihrem Fahrtziel zu fahren, lehnte sie ab. Sie hatte Angst, weinte und versuchte, mit ihrem Handy zu telefonieren. Streitend gingen sie etwa fünf Minuten nebeneinander her, wobei sie ihr Fahrrad zwischen ihnen schob. Nunmehr wurde dem Angeklagten bewusst, dass er Nicole K. nicht zurückgewinnen konnte. Aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger Verlustangst, Är- ger und Enttäuschung über das Scheitern der Beziehung" entschloss er sich, sie zu töten. Er nahm aus seiner Hosentasche ein aufklappbares Taschenmesser mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern und versetzte Nicole K. sechs Messerstiche in den Hals- und Brustbereich. Auch durch Rufe einer Zeugin ließ er sich von seinem Tun nicht abbringen. Das Opfer verstarb alsbald an innerem Verbluten. Der Angeklagte fuhr mit seinem Pkw zu Bekannten, von denen er ein Alibi für die Tatzeit erhalten wollte. Danach ging er seinen gewöhnlichen Verrichtungen nach, bis er am Abend festgenommen wurde.

III.


5
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger
6
Ohne Erfolg wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger dagegen, dass der Angeklagte nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt worden ist.
7
a) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Schwurgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat.
8
Nach der Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt , wobei auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen ist (vgl. BGHSt 32, 382, 384). Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146).
9
Dass Letzteres hier vorgelegen hat, hat das Landgericht unter Berücksichtigung der Vorgeschichte und des Verlaufs der dem Tatgeschehen unmittelbar vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht auszuschließen vermocht. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen war Nicole K. bei dem Zusammentreffen mit dem Angeklagten bewusst, dass dieser nach wie vor nicht bereit war, die Trennung zu akzeptieren. Sie wusste, dass er etwa zwei Monate zuvor auf ihre Weigerung zur Fortsetzung der Beziehung mit Tätlichkeiten reagiert und ihr sogar ein Messer vor den Körper gehalten hatte. Dass ihre erneute Ablehnung einer von ihm erbetenen Aussprache ihn wiederum in große Wut versetzte, erkannte sie daran, dass er mit einem Fußtritt ihr Fahrrad massiv beschädigte. Es liegt durchaus nahe, dass sie nach dieser Eskalation weitere Wutausbrüche bis hin zu einem schweren Angriff auf ihren Körper befürchtete. Dafür spricht, dass sie Angst vor dem Angeklagten hatte, weinte und nicht bereit war, sich von ihm in seinem Pkw zu ihrem Fahrtziel bringen zu lassen. Demgegenüber folgt aus der Tatsache, dass Nicole K. während der andauernden verbalen Auseinandersetzung nicht versuchte, sich vom Angeklagten zu entfernen, und statt dessen ihn mit Worten zu beschwichtigen suchte, nicht ohne Weiteres die Arglosigkeit des späteren Opfers. Auf die Frage, ob das Opfer gesehen hat, wie der Angeklagte unmittelbar vor dem Zustechen das Messer zog und aufklappte, kommt es nicht an, weil das Opfer zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr arglos war.
10
b) Das Landgericht hat auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
11
Es ist zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe Nicole K. aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger Verlustangst, Ärger und Enttäuschung über das Scheitern der Beziehung" getötet. Es hat nicht feststellen können, welches dieser Motive für die Tötung ausschlaggebend gewesen ist und hat deshalb die Motivation des Angeklagten insgesamt nicht als auf niedrigster Stufe stehend angesehen.
12
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und besonders verwerflich sind (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20; BGH NStZ 2004, 34; 2006, 338, 340 m.w.N.).
13
Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass bei der Tötung auch Wut und Ärger des Angeklagten über das Scheitern der Beziehung eine Rolle gespielt haben. Dass es - trotz der Reaktion des Angeklagten auf die Hänseleien seiner Arbeitskollegen am Vormittag des Tattages - diese Motivation nicht als tatbeherrschend angesehen hat, begegnet indes keinen rechtlichen Bedenken. Vielmehr ist anhand der Vorgeschichte der Tat belegt, dass gleichbedeutend tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung des Angeklagten über die Trennung und über das Erkennen, dass sich seine Lebensgefährtin endgültig von ihm abgewandt hatte, waren. Hinzu kommt, dass der Angeklagte eine dissoziale Persönlichkeitsstörung aufweist, auf Grund derer er sein Selbstwertgefühl einerseits nur über die Beziehung zu einer Partnerin definiert , andererseits aber nicht in der Lage ist, eine längerfristige Beziehung beizubehalten. Vor diesem Hintergrund hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 79, 80; NStZ 2006, 338, 340), dass das Landgericht die für den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet hat.
14
2. Die Revision des Angeklagten
15
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der vom Angeklagten erhobenen Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben; insbesondere begegnet auch die Verneinung erheblich verminderter Schuldfähigkeit keinen rechtlichen Bedenken.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Ernemann