Bundesgerichtshof Urteil, 09. Mai 2019 - 4 StR 511/18

bei uns veröffentlicht am09.05.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 511/18
vom
9. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:090519U4STR511.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2019, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Bender, Dr. Quentin, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt , soweit der Angeklagte im Fall II.B.1. der Urteilsgründe wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt worden ist; die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. 2. Das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 16. Mai 2018 wird im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen , jeweils in Tateinheit mit Vergewaltigung, Herstellung kinderpornographischer Schriften und mit Zwangsprostitution, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, schuldig ist. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt abgesehen worden ist, sowie
b) zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. 4. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch, sowie
b) im gesamten Ausspruch über die Einziehung; die Einziehung der Sportschuhe, Jeanshose mit Gürtel, Jacke, T-Shirt und Automatikuhr entfällt. 5. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Vergewaltigung, Herstellung kinderpornographischer Schriften und mit Zwangsprostitution, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt. Von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt hat das Landgericht abgesehen.
2
Mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen die Höhe der verhängten Strafen. Die Staatsanwaltschaft bean- standet nach Teilrücknahme mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel die unterlassene Maßregelanordnung.
3
Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

A.


4
1. Nach den Feststellungen nahm der an einer Sexualpräferenzstörung in Form einer Pädophilie leidende Angeklagte Kontakt zu L. auf, der den acht Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin im Darknet gegen Entgelt zum sexuellen Missbrauch anbot. Nach vorheriger Verabredungmit L. fuhr der Angeklagte Anfang des Jahres 2017 in zwei Fällen mit seinem Kraftfahrzeug zu den vereinbarten Treffpunkten nach Staufen und veranlasste den Jungen, teilweise unter Einsatz von Gewalt, zu manuellen und oralen Manipulationen an seinem entblößten Penis bis zum Samenerguss. In beiden Fällen filmte er das Missbrauchsgeschehen abwechselnd mit dem gesondert verfolgten L., der das Kind in beiden Fällen gleichfalls missbrauchte (Fälle II.B.2. und 3. der Urteilsgründe). In einem Fall beteiligte sich auf Wunsch des Angeklagten auch die Mutter des Tatopfers an dem Missbrauchsgeschehen.
5
Darüber hinaus speicherte der Angeklagte mehrere kinderpornographische Aufnahmen, die ein reales Missbrauchsgeschehen zeigten und ihm von dem gesondert verurteilten L. zeitlich vor den beiden Missbrauchstaten übersandt worden waren, auf einer externen Festplatte (Fall II.B.1. der Urteilsgründe).
6
2. Das Landgericht hat Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten (Tat II.B.1. der Urteilsgründe) und jeweils sechs Jahren (Taten II.B.2. und 3. der Urteilsgründe) verhängt und daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren gebildet. Die Anordnung der Unterbringung des nicht vorbestraften Angeklagten in der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalt hat das Landgericht abgelehnt. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen für die – fakultative – Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB) oder deren Vorbehalt (§ 66a Abs. 2 StGB) vor. Die materiellen Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben. Bei dem inzwischen fünfzig Jahre alten, nicht einschlägig vorbestraften Angeklagten sei weder ein Hang zur Begehung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern festzustellen noch sei sein Vorliegen wahrscheinlich.

B.


7
Der Senat hat das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft aus prozessökonomischen Gründen vorläufig eingestellt (§ 154 Abs. 2 StPO), soweit der Angeklagte im Fall II.B.1. der Urteilsgründe wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist. Insoweit erscheint fraglich, ob der Grundsatz der Spezialität einer Verfolgung dieser Tat entgegensteht.
8
Der Angeklagte wurde aufgrund Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 19. Oktober 2017 von Frankreich an Deutschland ausgeliefert. Der Europäische Haftbefehl bezieht sich auf zwei Taten, die nunmehr als Fälle II.B.2. und 3. der Urteilsgründe abgeurteilt worden sind. Auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität hat der Angeklagte nicht verzichtet.
9
Zwar hat der Bundesgerichtshof, dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Dezember 2008 – C-388/08 PPU – folgend, für Fallkonstellationen nachträglicher Einbeziehung einer nicht von der Auslieferungsbewilligung umfassten Vorverurteilung entschieden, dass der Grundsatz der Spezialität allein der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Sanktion, nicht bereits der Verfolgung der Tat entgegensteht (§ 83h Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 IRG; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2011 – 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100; vom 20. Oktober 2016 – 3 StR 245/16; vom 10. November 2015 – 3 StR 400/15; vom 3. März 2015 – 3 StR 40/15, StV 2015, 563; und vom 4. Februar 2013 – 3 StR 395/12, NStZ-RR 2013, 178). Nach erfolgter Teileinstellung des Verfah- rens bedarf die Frage, ob der Senat dieser Auffassung auch für eine Fallkonstellation folgen könnte, in der – wie hier – eine von mehreren gleichzeitig zur Aburteilung anstehenden Taten von der Auslieferungsbewilligung bzw. von dem Europäischen Haftbefehl nicht umfasst ist, keiner Entscheidung.

C.


Die Revision des Angeklagten:
10
Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


11
Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafzumessungserwägungen sind lückenhaft.
12
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte mit rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens „voraussichtlich aus dem Bundeswehrdienst un- ter Aberkennung seines Ruhegehalts entlassen werden“ wird. Die Strafzumessungserwägungen lassen jedoch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht erkennen , dass das Landgericht diese für den Angeklagten mit der Verurteilung zu mehrjähriger Freiheitsstrafe verbundene belastende Wirkung strafmildernd in den Blick genommen hat.
13
Die beruflichen Wirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung sind regelmäßig als ein bestimmender Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen, wenn der Angeklagte durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert oder zu verlieren droht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 2019 – 5 StR 684/18; vom 12. Juli 2018 – 3 StR 595/17; vom 11. April 2013 – 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522; vom 2. Februar 2010 – 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; und vom 26. März 1996 – 1 StR 89/96, NStZ 1996, 539, jeweils mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 16. Dezember 1987 – 2 StR 527/87, BGHSt 35, 148, 149 mit ablehnender Anmerkung Streng, NStZ 1988, 485 ff.).
14
Auch wenn das Tatgericht, dem die Gewichtung dieses strafmildernden Gesichtspunkts obliegt, von Rechts wegen nicht gehalten ist, dem Strafmilderungsgrund entscheidendes strafmilderndes Gewicht beizumessen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 737), vermag der Senat ein Beruhen der Einzelstrafaussprüche auf diesem Erörterungsmangel nicht auszuschließen. Dies zieht die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche sowie die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

II.


15
Auch die Einziehungsentscheidung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
16
1. Gemäß § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Vorbereitung oder zur Begehung einer vorsätzlichen Tat gebraucht oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), eingezogen werden. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts.
17
a) Zwar kommt die Einziehung des im Eigentum des Angeklagten stehenden Kraftfahrzeugs BMW 535d nebst Zubehör als Tatmittel in Betracht, weil der Angeklagte es nach den Feststellungen im Fall II.B.3. der Urteilsgründe dazu genutzt hat, den Tatort auszukundschaften. Das Kraftfahrzeug diente damit der Vorbereitung der Tat. Die Ausführungen des Landgerichts („war einzuzie- hen“) lassenjedoch nicht erkennen, dass das Landgericht sich des Umstands bewusst gewesen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und von seinem Ermessen Gebrauch gemacht hat.
18
b) Hinsichtlich der vom Angeklagten bei der Tat II.B.3. der Urteilsgründe getragenen Bekleidung sowie seiner Uhr ist – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hingewiesen hat – eine Verwendung der Gegenstände als Tatmittel nicht festgestellt. Das bloße Tragen von Bekleidung und sonstiger Accessoires anlässlich der Tatbegehung stellt sich als bloßes Benutzen gelegentlich der Tatbegehung dar und vermag eine Einziehung als Tatmittel nicht zu rechtfertigen (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 74 Rn. 13). Weiter gehende Feststellungen, die eine Verwendung dieser Gegenstände als Tatmittel belegen könnten, erscheinen ausgeschlossen. Die Einziehung hatte daher zu entfallen.
19
2. Auch die auf die Vorschrift des § 184b Abs. 6 StGB gestützte Einziehung der beiden Laptops Asus R 752N und Toshiba Satellite L 70 hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil den Feststellungen auch in ihrem Zusammenhang ein Tatbezug nicht entnommen werden kann.

D.


Die Revision der Staatsanwaltschaft:

I.


20
Die Beschränkung der Revision auf die unterbliebene Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung in jeder in Betracht kommenden Form ist unwirksam.
21
Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf die Frage der Maßregelanordnung möglich; dies gilt auch für die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung. Zwischen Strafe und Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung besteht aufgrund der Zweispurigkeit des Sanktionensystems grundsätzlich keine Wechselwirkung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 4 StR 643/17, NStZ-RR 2018, 305, 306 mwN). Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Tatgericht Strafe und Maßregel in einen inneren, eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließenden Zusammenhang gebracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 22. Ok- tober 2015 – 4 StR 275/15, NStZ 2016, 337, 338; und vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt).
22
So liegt es hier. Das Landgericht hat die Maßregelanordnung auch mit Blick auf die Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs und die dadurch zu erwartende Haltungsänderung des Angeklagten abgelehnt. Damit hat es einen inneren Zusammenhang zwischen Strafhöhe und unterlassener Maßregelanordnung hergestellt, der eine getrennte Überprüfung beider Rechtsfolgen ausschließt.

II.


23
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
24
Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen für die fakultative Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Der Angeklagte wurde wegen zweier Taten der in § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Art jeweils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Begründung, mit der das Landgericht einen Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB (vgl. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB) bzw. die Wahrscheinlichkeit eines Hangs (vgl. § 66a Abs. 2 Nr. 3 StGB) verneint hat, hält hingegen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Prüfung der Hangtäterschaft mit Elementen der Gefahrenprognose vermischt und sich dadurch den Blick für die im Rahmen der Hangtäterschaft erforderliche umfassende Vergangenheitsbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten und der von ihm begangenen Taten verstellt.
25
1. Das Landgericht hat im Rahmen der Prüfung der Hangtäterschaft zunächst die Ausführungen des Sachverständigen wiedergegeben, der prognostisch ungünstige Umstände und prognostisch günstige Umstände einander gegenübergestellt hat. Als „prognostisch ungünstig“ hatte der Sachverständige bewertet, dass der Angeklagte aufgrund seiner Sexualpräferenzstörung, einer „homo- und heterosexuellen Pädophilie mitnachrangigen fetischistischen und dominanzorientierten Anteilen“, „zur vollen sexuellen Satisfaktion auf deviante Reizkonstellationen festgelegt“ sei undsich bislang weder mit seiner sexuellen Devianz auseinandergesetzt noch diese akzeptiert oder gar eine belastbare Kompensationsstruktur entwickelt habe. Unter Berücksichtigung der statistischen Basisrate bei Vorliegen einer homo- oder heterosexuellen Pädophilie, wie sie beim Angeklagten vorliege, die jedoch individuelle Gegebenheiten nicht berücksichtige und daher nur beschränkt aussagekräftig sei, müsse mit hoher, wenngleich nicht mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden , dass der Angeklagte zumindest mittelfristig erneut Kinder in vorpubertärem Alter missbrauchen werde.
26
Diesen für eine künftige Straffälligkeit sprechenden Risikomerkmalen hat der Sachverständige mehrere „im Sinne einer langfristig positiven Legalprog- nose“ günstige Faktoren gegenübergestellt.Der Angeklagte werde durch die Sexualpräferenzstörung nicht in seinen Entscheidungs- und Verhaltensoptionen eingeengt, sein „pädosexuelles Interesse“ sei vielmehr „durch wirksame kogniti- ve und affektive Strukturen überformt“. Darüber hinaus habe der Angeklagte eine „im Kern unauffällige prädeliktische Persönlichkeitsentwicklung ohne dissoziale Züge“ genommen, weise ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Anpassungsfähigkeit mit gutem beruflichen Leistungsvermögen auf und sei erstmals im Alter von 50 Jahren mit pädosexuellen „Hands on“-Delikten straffällig geworden. Diese Einschätzung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Angeklagte eigenen Angaben zufolge – auch im Rahmen seiner Dienstausübung – ein sexuell expansives, promiskuitives Verhalten an den Tag gelegt habe. Dieses auffällige Sexualverhalten habe der Angeklagte ausschließlich mit und gegenüber Erwachsenen gezeigt; deshalb liege hierin kein besonderes Risikomerkmal bezüglich etwaiger künftiger pädosexueller Delikte. Schließlich seien beim Angeklagten aufgrund seiner guten kognitiven Strukturierung und Introspektionsfähigkeit „gute Voraussetzungen für die Teilnahme an etablierten Behandlungsprogrammen für Sexualstraftäter“gegeben. Er verfüge über ein „grundsätzlich intaktes Normgefüge“, so dass zu erwarten sei, dass er „im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung“ durch dienunmehr zu erwartenden erheblichen strafrechtlichen Sanktionen zu beeinflussen sei.
27
Die Kammer hat auf der Grundlage der sachverständigen Ausführungen die Annahme bzw. die Wahrscheinlichkeit eines Hangs trotz der festgestellten Sexualpräferenzstörung verneint und auf die vom Sachverständigen aufgezeigten protektiven Faktoren verwiesen. Darüber hinaus hat das Landgericht als gegen die Hangtäterschaft sprechenden Gesichtspunkt angesehen, dass der Angeklagte aus „autonomen Motiven“ heraus den Kontakt zu L. abge- brochen und versucht habe, „einen erheblichen Teil der kinderpornographischen Bilder zu löschen“, die er zuvor gespeichert habe; dies belege seine Fä- higkeit zur Verhaltensumkehr.
28
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht nicht hinreichend zwischen Hang und Gefährlichkeitsprognose unterschieden hat. Darüber hinaus sind die Erwägungen zur Hangtäterschaft lückenhaft und lassen wesentliche Gesichtspunkte außer Acht.
29
a) Hangtäterschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind, wie die begriffliche Differenzierung in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zeigt, keine identischen Merkmale.
30
aa) Der Rechtsbegriff des Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB bezeichnet einen eingeschliffenen inneren Zustand, der den Täter immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Ein Hang liegt bei demjenigen vor, der dauerhaft zur Begehung von Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 2018 – 4 StR 192/18; und vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 15; Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 195 f. mwN). Hangtäter ist auch derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag.
31
Das Vorliegen eines Hangs im Sinne eines gegenwärtigen Zustands ist vom Tatgericht auf der Grundlage einer umfassenden Vergangenheitsbetrachtung in eigener Verantwortung wertend festzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2019 – 5 StR 476/18; und vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 15; Urteile vom 26. April 2017 – 5 StR 572/16, StraFo 2017, 246; und vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271; Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272, 273).
32
bb) Demgegenüber ist im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür einzuschätzen, ob sich der Täter in Zukunft trotz Vorliegens eines Hangs erheblicher Straftaten enthalten kann oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 15; Urteil vom 28. April 2015 – 1 StR 594/14; Beschluss vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203, 204). Der Hang ist dabei nur ein – wenngleichwesentliches – Kriterium, das auf eine Gefährlichkeit des Angeklagten hindeutet und als prognostisch ungünstiger Gesichtspunkt in die Gefährlichkeitsprognose einzustellen ist (vgl. BGH, aaO, BGHSt 50, 188, 196).
33
b) Das Tatgericht hat in eigener Verantwortung zunächst das Vorliegen oder die Wahrscheinlichkeit eines Hanges unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und der Anlasstaten maßgeblichen Umstände vergangenheitsbezogen festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2017 – 4 StR 245/17, BGHR StGB § 66a Abs. 1 Nr. 3 nF Voraussetzungen 1; und vom 25. März 2011 – 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272). Prognostische Erwägungen sind erst in einem zweiten Schritt im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose anzustellen.
34
3. Gemessen hieran halten die Ausführungen, mit denen das Landgericht einen Hang des Angeklagten bzw. die Wahrscheinlichkeit eines Hangs im Sinne des § 66a Abs. 2 Nr. 3 StGB verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
35
a) Das Landgericht hat die Ablehnung eines Hangs mit prognostischen Erwägungen und unter Bezugnahme auf eine Reihe von protektiven Faktoren begründet. Dies gilt beispielhaft für die Erwägung, der Angeklagte bringe auf- grund „guter kognitiver Strukturierung und Introspektionsfähigkeit gute Voraus- setzungen für die Teilnahme an etablierten Behandlungsprogrammen für Sexualstraftäter“ mit. Insoweit hat das Landgericht eine nur möglicherweise zu erwartende zukünftige Entwicklung zur Verneinung der Hangtäterschaft herangezogen und damit verkannt, dass mögliche positive Wirkungen eines künftigen erstmaligen längeren Strafvollzugs sowie die Wirkungen von Therapieangebo- ten in der Haft zur Verneinung eines Hanges nicht herangezogen werden dürfen. Für die Hangtäterschaft ist maßgeblich auf den Urteilszeitpunkt abzustellen ; künftige, noch ungewisse Entwicklungen haben außer Betracht zu bleiben.
36
b) Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen umfassenden Erörterung der prädeliktischen Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten sowie an einer Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der verfahrensgegenständlichen Anlasstaten. Im Hinblick auf die prädeliktische Persönlichkeitsentwicklung und die spezifische Tatvorgeschichte hätte das Landgericht in den Blick nehmen müssen, dass der Angeklagte ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen im Laufe der vergangenen Jahre immer rastloser auf der Suche nach sexuellen Kontakten war und seit dem Jahr 2012 bzw. 2013 nahezu täglich im Internet nach sexuellen Kontakten suchte. Darüber hinaus hätte bedacht werden müssen, dass der Angeklagte, der im Darknet unter Vorspiegelung einer falschen Identität Kontakt zu L. aufgenommen hatte, das spätere Missbrauchsgeschehen vor den Taten mit diesem im Einzelnen abgesprochen hatte und die Mutter des Tatopfers auf seine Initiative in das Tatgeschehen im Fall II.B.3. der Urteilsgründe einbezogen wurde. Auch das Verhalten des Angeklagten gegenüber dem Tatopfer, das sich nicht nur durch ein auffällig hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid des Kindes auszeichnete, sondern mit einer Herabwürdigung des Tatopfers durch verschiedene drastische Äußerungen verbunden war, hätte der Erörterung bedurft.
37
4. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im unterbliebenen Maßregelausspruch führt angesichts der Verknüpfung zwischen Strafe und Maßregelausspruch zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
38
5. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird außerdem Gelegenheit haben, den Anrechnungsmaßstab für die in Frankreich erlittene Freiheitsentziehung zu bestimmen (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB).
Sost-Scheible RinBGH Roggenbuck ist im Bender Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible
Quentin Bartel

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2011 - 4 StR 87/11

bei uns veröffentlicht am 25.05.2011

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2013 - 3 StR 148/13

bei uns veröffentlicht am 11.07.2013

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2018 - 3 StR 595/17

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2018 - 4 StR 192/18

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Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 303/11
vom
27. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Juli 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 14. Januar 2011 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 26. März 2010 verhängten Einzelstrafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es bestimmt, dass die in Bulgarien erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die Strafe angerechnet wird. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützt ist, hat Erfolg.
2
Das Urteil hat keinen Bestand, soweit das Landgericht unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 26. März 2010 verhängten Einzelstrafen eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe nach § 55 Abs. 1 StGB gebildet hat. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: „Der Angeklagte ist aufgrund des Europäischen Haftbefehls vom 26. Juli 2010 (SA Bd. III, Bl. 670), der Bezug nimmt auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 25. Juni 2010 (SA Bd. III, Bl. 612) aus Bulgarien ausgeliefert worden (SA Bd. III, Bl. 687), nachdem das Bezirksgericht Burgas mit Beschluss vom 30. August 2010 wegen der im Haftbefehl aufgeführten Betäubungsmitteldelikte die Auslieferung bewilligt hatte (SA Bd. IV, Bl. 882).
Der Angeklagte hat der Durchführung des vereinfachten Auslieferungsverfahrens widersprochen und auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet (SA Bd. IV, Bl. 882). Eine Auslieferungsbewilligung zur Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Herford liegt bisher nicht vor.

a) Der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität – Art. 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens , § 83h IRG – verbietet es grundsätzlich, die mangels Zustimmung der bulgarischen Behörden nicht vollstreckbare Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Herford in eine neue Gesamtstrafe einzubeziehen (Senat,
Beschluss vom 12. August 1997, 4 StR 345/97 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. April 2004, 3 StR 115/04).

b) Die Strafkammer weist zwar zu Recht darauf hin, dass § 83h Abs. 2 IRG im Hinblick auf Personen, die – wie vorliegend – von einem EU-Mitgliedsstaat aufgrund eines Europäischen Haftbefehls überstellt worden sind, Ausnahmen vom Grundsatz der Spezialität vorsieht. Diese greifen jedoch für den vorliegenden Fall nicht durch.
Nach § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG entfällt die Spezialität, wenn die Strafverfolgung im konkreten Fall nicht zu einer Freiheitsbeschränkung führt. Diese – ursprünglich für Geldstrafen vorgesehene (vgl. Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., § 83h IRG, Rdn. 5 m.w.N.) – Ausnahme dürfte nach der Entscheidung des EuGH vom 1. Dezember 2008 (NStZ 2010, 35) zwar – wie vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg entschieden (Beschluss vom 29. Juli 2010, 3 Ws 96/10 = StraFo 2010, 469) – einen Widerrufsbeschluss hinsichtlich einer Strafaussetzung zur Bewährung ermöglichen. Anderes muss jedoch für die Einbeziehung einer Strafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe gelten, da – worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Revision zutreffend hinweist – die Sach- und Rechtslage nicht vergleichbar ist. Zwar bleiben bei einer nach § 55 StGB gebildeten Gesamtstrafe – anders als bei der Einheitsjugendstrafe nach § 31 JGG – die zugrunde liegenden Einzelstrafen in gewissem Umfang selbständig, dies ändert jedoch nichts daran, dass – im Falle der Rechtskraft – die Gesamtfreiheitsstrafe vollstreckt wird. Dies kann aber nur mit Zustimmung des ausliefernden Staates erfolgen (EuGH, aaO). … Rechtshilferechtlich zulässig wäre wohl allenfalls eine vollständige Zurückstellung der Vollstreckung der verhängten Gesamtstrafe. Dies würde jedoch zum einen eklatant dem Gebot widersprechen, die Vollstreckung unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft einzuleiten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 449 Rdn. 2), und wäre im Falle von Untersuchungshaft – wie vorliegend – praktisch nicht durchführbar, da die Untersuchungshaft mit der Rechtskraft des Urteils unmittelbar in die Strafhaft übergeht (BGHSt 38, 63).

c) Das Landgericht wird somit aus den für die abgeurteilten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz rechtsfehlerfrei bestimmten Einzelstrafen von vier und fünf Jahren unter Beachtung des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden haben. Dies kann im Beschlusswege nach den §§ 460, 462 StPO erfolgen (§ 354 Abs. 1 b StPO). Im Falle einer nachträglichen Zustimmung Bulgariens zur Vollstreckung des Urteils des Amtsgerichts Herford wird – ebenfalls gemäß § 460 StPO – nachträglich eine neue Gesamtstrafe zu bilden sein (Senat, Beschluss vom 12. August 1997, 4 StR 345/97).“
3
Dem tritt der Senat bei. Nach der vom Generalbundesanwalt zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Dezember 2008 ist die in Art. 27 Abs. 3 Buchst. c des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (= § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG) vorgesehene Ausnahme dahin auszulegen, dass bei einer "anderen Handlung" als derjenigen, die der Übergabe zugrunde liegt, nach Art. 27 Abs. 4 des Rahmenbeschlusses um Zustimmung ersucht werden und diese Zustimmung spätestens dann eingegangen sein muss, wenn eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßnahme zu vollstrecken ist. Die übergebene Person kann wegen einer solchen Handlung verfolgt und verurteilt werden, bevor diese Zustimmung eingegangen ist, sofern während des diese Handlung betreffenden Ermittlungs- und Strafverfahrens keine freiheitsbeschränkende Maßnahme angewandt wird. Die Ausnahme des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c des Rahmenbeschlusses verbietet es jedoch nicht, die übergebene Person einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme zu unterwerfen, bevor die Zustimmung eingegangen ist, wenn diese Beschränkung durch andere Anklagepunkte im Europäischen Haftbefehl gerechtfertigt wird. Jedenfalls in der hier vorliegenden Fallgestaltung, in der Untersuchungshaft wegen der Taten vollzogen wird, derentwegen die Auslieferung bewilligt wurde, steht der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit Einzelstrafen aus einer nicht von der Auslieferungsbewilligung umfassten Vorverurteilung bereits das vom Europäischen Gerichtshof angenommene Vollstreckungshindernis entgegen. In einem solchen Fall ginge nicht nur die Untersuchungshaft mit Rechtskraft (§ 34a StPO) in Strafhaft über (§ 449 StPO), sondern die Gesamtfreiheitsstrafe wäre infolge der Anrechnung nach § 51 Abs. 1 StGB bereits teilweise vollstreckt.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 245/16
vom
20. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2016:201016B3STR245.16.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 25. Februar 2016 dahin ergänzt, dass die in Rumänien erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt lediglich zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Ergänzung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Das Landgericht hat es entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB unterlassen, für die von dem Angeklagten in dieser Sache in Rumänien erlittene Auslieferungshaft den Anrechnungsmaßstab zu bestimmen, der vom erkennenden Gericht festzusetzen ist. Da hier nur ein solcher von 1:1 in Betracht kommt, setzt der Senat diesen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst fest (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2009 - 3 StR 255/09, NStZ-RR 2009,

370).

3
Wegen des nur geringfügigen Erfolges des Rechtsmittels besteht für eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO kein Anlass.
Becker Schäfer Gericke Spaniol Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. November 2015
gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 14. Juli 2015 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 6. der Urteilsgründe wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen sowie des versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen sowie wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Anrechnungsentscheidung bezüglich der in Rumänien erlittenen Auslieferungshaft getroffen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teileinstellung des Verfahrens und der damit einhergehenden Schuldspruchänderung; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
II. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
III. Den Antrag auf Verfahrenseinstellung hat der Generalbundesanwalt wie folgt begründet: "Gegen die Einbeziehung der Einzelstrafe im Fall 6 der Urteilsfeststel- lungen […] in die Gesamtstrafenbildung bestehen Bedenken, da insoweit zurzeit ein Vollstreckungshindernis besteht. Diese Tat ist nicht im Euro- päischen Haftbefehl vom 4. November 2014 […] aufgeführt und lag da- her nicht der Auslieferung des Angeklagten aus Rumänien zugrunde (§ 83h Abs. 1 IRG; vgl. EuGH, NJW 2009, 1057; BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 442/12, juris; BGH, Beschluss vom 3. März 2015 - 3 StR 40/15, juris). Ein diesbezügliches Nachtragsersuchen wurde bisher nicht gestellt. Der Angeklagte hat auch nicht auf den Grundsatz der Spezialität gemäß § 83h Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 IRG verzichtet […]. Da die im Fall 6 verhängte Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe im Hinblick auf die Strafe, die der Angeklagte wegen der übrigen Taten zu erwarten hat (UA S. 54 f.), nicht beträchtlich ins Gewicht fällt und die Sache im Übrigen entscheidungsreif ist, erscheint aus verfahrensökonomischen Gründen eine Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO angezeigt. Ein Abwarten zur Stellung eines Nachtragsersuchens erscheint daher - auch aus Gründen der gebotenen Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen - nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2012 - 1 StR 314/12, juris)."
4
Dem schließt sich der Senat an und stellt das Verfahren entsprechend ein. Dies bedingt die Änderung des Schuldspruchs. Der Senat kann ausschließen , dass das Landgericht angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten, zweimal zwei Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren, zweimal einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und drei Monaten, einem Jahr und zwei Monaten sowie einem Jahr ohne die im eingestellten Fall festgesetzte Einzelstrafe eine geringere als die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 0 / 1 5
vom
3. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum schweren Raub u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 3. März
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 8. Oktober 2014
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben;
b) im Strafausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Raub in Tateinheit mit Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom 15. Juli 2010 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Erwägungen, auf die der Senat Bezug nimmt, unbegründet.
3
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die von dem Angeklagten erhobene Sachrüge hat zum Schuldspruch und der insoweit verhängten Freiheitsstrafe keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erbracht. Nicht bestehen bleiben kann jedoch der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
4
Der Angeklagte ist aufgrund des Europäischen Haftbefehls vom 23. Januar 2013 (Bl. 64 ff., Bd. II HA), der Bezug nimmt auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Lingen vom 5. Januar 2013 (Bl. 55, Bd. II HA), von der Republik Polen ausgeliefert worden, nachdem das Bezirksgericht Opole mit Entscheidung vom 23. April 2013 (Bl. 89 ff., Bd. II HA) die Auslieferung bewilligt hatte. Der vorgenannte Europäische Haftbefehl erfasst lediglich die im hiesigen Verfahren gegenständliche Straftat unter Einschluss eines weiteren Delikts, hinsichtlich dessen das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Nur zur Verfolgung dieser Straftaten ist der Angeklagte , der auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes auch nicht verzichtet hat, von der Republik Polen ausgeliefert worden. Eine Auslieferungsbewilligung zur Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn liegt bisher nicht vor.
5
Bei dieser Verfahrenslage verstößt die Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom 15. Juli 2010 in die Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Grundsatz der Spezialität (Art. 83h Abs. 1 IRG). Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis. Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden (BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2013 - 3 StR 395/12, NStZ-RR 2013, 178; vom 25. Juni 2014 - 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590 mwN). Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn zur Bewährung ausgesetzt worden ist; ein Anwendungsfall der Ausnahmeregelung des § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG liegt insoweit nicht vor (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100; vom 25. Juni 2014 - 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590).
6
Es verbleibt damit bei der für die gegenständliche Tat ausgeurteilten Freiheitsstrafe von vier Jahren.
7
3. Der Teilerfolg der Revision ist nicht von solchem Gewicht, dass die vollständige Auferlegung der Kosten und Auslagen unbillig erscheint, § 473 Abs. 1 und 4 StPO.
Becker Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 395/12
vom
4. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -
am 4. Februar 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 25. April 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,
b) soweit die im Urteil des Amtsgerichts Weiden angeordnete Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten worden und
c) die Bestimmung eines Maßstabes für die Anrechnung der ausländischen Freiheitsentziehung des Angeklagten unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, "davon in drei Fällen im Versuch", unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Weiden vom 26. Juli 2011 zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die in diesem Urteil angeordnete Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und zu den insoweit verhängten Einzelfreiheitsstrafen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe kann jedoch nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Der Angeklagte ist von der Republik Polen nur zur Verfolgung der im Europäischen Haftbefehl dargelegten Straftaten ausgeliefert worden. Der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität verbietet es, die mangels Zustimmung der polnischen Behörden nicht vollstreckbare Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Weiden i. d. Opf. in eine Gesamtstrafe einzubeziehen. Der Gesamtstrafenausspruch kann daher keinen Bestand haben. Das Landgericht wird aus den für die von ihm abgeurteilten Diebstahlshandlungen rechtsfehlerfrei bestimmten Einzelstrafen eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden haben."
3
Dem stimmt der Senat zu (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100). Aus denselben Gründen kann auch der auf § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB beruhende Ausspruch über die Aufrechterhaltung der durch das Urteil des Amtsgerichts Weiden vom 26. Juli 2011 angeordneten Fahrerlaubnissperre nicht bestehen bleiben.
4
Weiterhin unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung, soweit es das Landgericht unterlassen hat, entgegen § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 StGB einen Anrechnungsmaßstab für die vom Angeklagten in Polen erlittene Freiheitsentziehung zu bestimmen. Dies wird in einer neuen Hauptverhandlung nachzuholen sein.
Schäfer Hubert Mayer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 684/18
vom
19. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:190319B5STR684.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 16. August 2018 in den Strafaussprüchen mit den zu-grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den nicht vorbestraften Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer dreijährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und bestimmt, dass hiervon wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate als vollstreckt gelten. Die auch auf Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung sämtlicher Strafaussprüche und ist im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen stand der Angeklagte zur Tatzeit im Rahmen seines Medizinstudiums am Beginn des Praktischen Jahres. In der Nacht zum 13. August 2013 war er im Haus seiner aus Mutter, Adoptivvater und neun Jahre jüngerem Halbbruder bestehenden Familie zu Besuch. Am Abend war es zu einem Konflikt zwischen seinen Eltern gekommen. Da der Angeklagte solche ihn außerordentlich belastende Auseinandersetzungen seit seinem 13. Lebensjahr schon häufig hatte erleben müssen, hatte er seine Zimmertür offen gelassen, um notfalls schlichten zu können. Als sich der Streit gegen 2:00 Uhr tatsächlich fortsetzte, begab er sich ins Schlafzimmer, wo seine Eltern einander den Rücken zuwandten und in angespannter Stimmung wiede- rum Probleme „auszusitzen schienen“. Diese Situation empfand der Angeklagte wie stets als „bedrückend und kaum noch aushaltbar“.
3
Als seine Mutter in die parterre gelegene Küche hinunterging, folgte er ihr. Da sie weinte und ihm leid tat, versuchte er, sie zu trösten. Nachdem sie das Gäste-WC aufgesucht hatte, um anschließend wieder ins Bett zu gehen, blieb der Angeklagte „innerlich wie zerrissen allein in der Küche zurück“. Ange- sichts des unlösbar scheinenden Dilemmas zwischen den Eltern plagten ihn Versäumnis- und Schuldgefühle sowie Versagensängste. Bereits seit ca. einer Woche befand er sich in einer Phase deprimierter Stimmung, die mit Appetitlosigkeit , Schlafstörungen, Grübeln und Düsterheit einhergegangen war. In dieser seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindernden Verfassung angestauten Leidensdrucks entschloss sich der Angeklagte, „diesem ganzen seelischen Missbrauch, diesem scheußlichen Leben den Garaus zu machen“. Er sah ein- zig den Weg, die gesamte Familie, sich selbst eingeschlossen, auszulöschen. Es sollte niemand übrigbleiben, „damit keiner Leid erfahren müsse“.
4
Um seine Tötungsabsicht zu verwirklichen, begab er sich mit einem Küchenmesser in der Hand in das Gäste-WC und versuchte nach den Worten „Mama, ich liebe Dich. Aber so geht es nicht weiter. Du musst sterben. Wir alle müssen sterben“, seiner sich wehrenden Mutter die Kehle durchzuschneiden. Da ihm dies nicht gelang, hieb er mehrfach mit dem Messer auf sie ein und verletzte mit der Folge erheblichen Blutverlusts insbesondere die rechte Schienbeinschlagader. Der aufgrund der gellenden Schreie seiner Frau herbeigeeilte Vater umklammerte den Angeklagten und versuchte, ihm das Messer zu entwinden , während dieser damit um sich schlug, um den Vater ebenfalls tödlich zu verletzen. Da das Kampfgeschehen sich in die Küche verlagert hatte, war es dem Angeklagten möglich, für sein Vorhaben insgesamt fünf Messer einzusetzen und seinen Vater 14-mal an Kopf, Hals, Rumpf und Gliedmaßen zu treffen, wodurch unter anderem die Brusthöhle geöffnet und eine Halsader verletzt wurde. Schließlich fügte er seinem inzwischen erschienenen und beruhigend auf ihn einsprechenden Halbbruder eine Schnittwunde am Hals und in die rechte Brust zu; hierdurch wurde eine lebensgefährliche Luftbrust verursacht.
5
Diesem gelang es gleichwohl, in sein im ersten Obergeschoss gelegenes Kinderzimmer zu gelangen, die Tür abzuschließen und über das Fenster zu Nachbarn zu flüchten, die seine Wunden versorgten und die Polizei alarmierten. In der Annahme, seinen Eltern lebensbedrohliche Verletzungen beigebracht zu haben, setzte der Angeklagte seinem Halbbruder nach, versuchte aber vergeblich , die Tür zum Kinderzimmer zu öffnen. Wieder im Erdgeschoss fügte sich der Angeklagte mit einer Nagelschere zunächst Schnittverletzungen am linken Handgelenk zu. Sodann eröffnete er mit tiefen sternförmigen Stichen beidseits die innere Halsschlagader, was infolge des sehr hohen Blutverlustes zu akuter Lebensgefahr führte. Seiner Mutter gelang es unterdessen, sich unbemerkt ebenfalls zu den Nachbarn zu flüchten. Polizeibeamte fanden den schwer ver- letzten Vater auf dem Küchenfußboden liegend vor, den sich gegen Hilfsmaßnahmen wehrenden Angeklagten in dem von innen verschlossenen Gäste-WC. Auch einer medizinischen Erstversorgung widersetzte dieser sich und versuch- te, sich „bis zuletzt das Rückgrat zu brechen, durch Torsion um sich selbst“.
6
Durch noch in der Nacht durchgeführte Notoperationen konnte das Le- ben aller vier Verletzten gerettet werden. Hierbei waren dem in ein „künstliches Koma“ versetzten Angeklagten acht Blutkonserven zugeführt worden. Schon in einem zwei Tage später geführten Telefonat teilte ihm seine Mutter mit, „dass sie ihm vergeben habe“. Dennoch übermannten den Angeklagten tags darauf Gefühle der Hilflosigkeit und Angst. Nachdem er keinen Gegenstand gefunden hatte, mit dem er sich hätte erhängen können, verließ er – seinem Suizidimpuls folgend – die Klinik, um sich am Hauptbahnhof Cottbus vor einen fahrenden Zug zu werfen. Da er jedoch nicht vor, sondern gegen einen Regionalexpress sprang, wurde er zurückgeschleudert; infolge der Kollision verlor er Mittel-, Ring- und Kleinfinger der rechten Hand. Im Anschluss erklomm er einen Gittermast und ließ sich aus sechs Metern Höhe hinunterfallen, trug sturzbedingt aber lediglich weitere Kopfverletzungen sowie eine glatte Fraktur der linken Schulter davon.
7
Zudem befand sich der Angeklagte etwa fünfeinhalb Monate in stationärer psychiatrischer Behandlung. Nach seiner Entlassung kehrte er an seinen Studienort zurück, wo er bis Juni 2018 psychologisch begleitet und zudem psychiatrisch behandelt wurde. Nach erfolgreichem Abschluss des medizinischen Studiums im Mai 2015 erhielt der Angeklagte seine Approbation. Danach war er zwei Jahre in mehreren Krankenhäusern als Assistenzarzt und zuletzt als Arzt in Dresden tätig. Zum Zeitpunkt des angegriffenen Urteils hatte er in Aussicht, ab September 2018 das dritte Jahr als Assistenzarzt in der Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin zu absolvieren.
8
Zu seinem Halbbruder pflegt der Angeklagte wieder einen freundlichen und unkomplizierten Kontakt. Der Umgang mit dem Stiefvater ist distanzierter, jedoch per Telefon und bei seltenen Treffen konstant. Die drei Angegriffenen haben ihm verziehen und keine fortbestehenden gesundheitlichen Folgen davongetragen. Die ihnen entstandenen finanziellen Schäden (Notarzt- und Hubschraubereinsatz , Versicherungsgelder etc.) von insgesamt ca. 46.000 € hat der Angeklagte mit aus dem Erbe seines leiblichen Vaters stammenden Mitteln vollständig ersetzt. Eine Wiedergutmachung immaterieller Nachteile hat keiner von ihnen geltend gemacht.
9
2. Der Schuldspruch erweist sich als rechtsfehlerfrei. Insbesondere liegt den ihn tragenden Feststellungen eine nicht zu beanstandende Beweiswürdigung zugrunde.
10
Hingegen können die Strafaussprüche keinen Bestand haben. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass das Landgericht bei der Bemessung der Strafen dem Angeklagten drohende berufsrechtliche Folgen in den Blick genommen hat. Insofern hätte bedacht werden müssen, dass der Widerruf der Approbation als Arzt in Betracht kommt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO). Denn eine derart gravierende standesrechtliche Folge mit zumeist erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen ist regelmäßig bei der Prüfung zu berücksichtigen, welche Auswirkungen der Strafe auf das Leben des Täters zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2003 – 5 StR 377/03, StV 2004, 71).
11
Der Senat vermag angesichts der besonderen Tatumstände nicht auszuschließen , dass die festgesetzten Strafen auf diesem Rechtsfehler beruhen (§ 337 Abs. 1 StPO). Er hebt sie daher einschließlich der ihnen zugrundeliegenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Hiervon nicht erfasst ist die landgerichtliche Kompensationsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August

2009

3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 138).
12
3. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird zudem die im angegriffenen Urteil verneinten Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB eingehend zu prüfen haben. Nach den bisherigen Feststellungen hat der Angeklagte die herbeigeführten Schäden durch die Zahlung von etwa 46.000 € vollständig wiedergutgemacht. Auch hat er nicht nur seinen Opfern gegenüber die Verantwortung für die Taten übernommen, sondern sich mit ihnen umfassend ausgesöhnt und damit einen über die rein rechnerische Kompensation der Schäden hinausgehenden Beitrag erbracht (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 4 StR 435/99, NStZ 2000, 205, 206; Beschluss vom 20. Januar 2010 – 1 StR 634/09, NStZ-RR 2010, 147). Gerade eine derartige Befriedung des Verhältnisses zwischen Täter und Opfer wollte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 46a StGB befördern.
13
Bei vergleichbaren Feststellungen wird das neue Tatgericht daher zu entscheiden haben, ob die Schadenswiedergutmachung vom Angeklagten erhebliche persönliche Leistungen oder einen persönlichen Verzicht erfordert hat. Hiergegen spräche nicht, dass die vom Angeklagten eingesetzten Mittel aus dem Erbe seines leiblichen Vaters stammten, denn zum Zeitpunkt der Zahlungen waren sie Teil seines eigenen Vermögens, das er freiwillig einsetzte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365).
Mutzbauer Sander König
Mosbacher Köhler

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 595/17
vom
12. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betrugs u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:120718B3STR595.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO am 12. Juli 2018 einstimmig beschlossen :
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 9. Juni 2017


a) im Schuldspruch betreffend den Angeklagten B. dahin geändert, dass dieser des Betruges in 18 Fällen, versuchten Betruges in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage, Vortäuschens einer Straftat in zwei Fällen und der Anstiftung zum Vortäuschen einer Straftat schuldig ist; die im Fallkomplex II. 29 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten entfällt.


b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten N. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten N. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Betruges in 18 Fällen, versuchten Betruges in sechs Fällen, Vortäuschens einer Straftat in zwei Fällen, Anstiftung zum Vortäuschen einer Straftat und Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten N. hat es wegen Betruges in dreizehn Fällen sowie versuchten Betruges in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten B. mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge; der Angeklagte N. rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Revision des Angeklagten B.
3
Die Revision des Angeklagten B. führt auf die Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs im Fallkomplex II.29. der Urteilsgründe, in dem die Strafkammer den Angeklagten wegen versuchten Betruges, Anstiftung zum Vortäuschen einer Straftat und Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage zu Einzelfreiheitsstrafen von zehn Monaten, sechs Monaten und acht Monaten verurteilt hat.
4
1. Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Anstiftung zur Falschaussage in Tatmehrheit zum Betrugsversuch steht.
5
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen täuschte der Angeklagte einen Diebstahl der Bestuhlung aus seinem PKW Mercedes Benz A 170, der auf den Zeugen G. zugelassen war, vor und veranlasste diesen, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten und den angeblichen Schaden in Höhe von 5.178,48 € seiner Kaskoversicherung zu melden; dabei verfolgte der Angeklagte das Ziel, sich zu Unrecht in den Genuss der erwarteten Versicherungsleistung zu bringen. Nachdem die Versicherung sich weigerte, den Schaden zu erstatten, beauftragte der Angeklagte den Mitangeklagten Rechtsanwalt N. , im Namen des G. gegen die Versicherung Klage vor dem Landgericht K. zu erheben, um die unberechtigte Forderung gerichtlich durchzusetzen. Nach Erwiderung durch die Gegenseite warb der Angeklagte den Zeugen A. an, der mit einer wahrheitswidrigen Aussage, deren Inhalt der Angeklagte vorgab , dessen Sachvortrag stützen und das Gericht veranlassen sollte, der Klage stattzugeben. Obwohl der Zeuge A. wie geplant zugunsten des Angeklagten falsch aussagte, wies das Landgericht, das den Angaben des Zeugen keinen Glauben schenkte, die Klage ab.
6
b) Entgegen der Wertung des Landgerichts, das Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) angenommen hat, steht die Anstiftung des Zeugen A. zur Falschaussage zu dem versuchten gemeinschaftlichen (Prozess-) Betrug zum Nachteil der Versicherung in Tateinheit (§ 52 StGB). Nach den getroffenen Feststellungen war die Anstiftung des Zeugen A. zur Falschaussage Teil des Planes des Angeklagten, das Gericht zur Verfügung über das Vermögen der Versicherungsgesellschaft zu veranlassen und dieser dadurch einen Schaden zuzufügen, der unmittelbar den G. zu Unrecht bereichern und schließlich ihm selbst einen wirtschaftlichen Vorteil erbringen sollte. In der Beweisführung mit der Falschaussage selbst liegt die Handlungseinheit begründende Überschneidung der Tathandlungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. November 1997 - 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317; vom 16. August 1988 - 4 StR 346/88, juris Rn. 1; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 153 Rn. 18 mwN).
7
c) Demgegenüber ist die Annahme von Tatmehrheit zwischen der Anstiftung des Zeugen G. zur Vortäuschung einer Straftat und dem versuchten Betrug zum Nachteil der Kaskoversicherung nicht zu beanstanden.
8
Die bloße Einheit im Ziel begründet noch keine Tateinheit; die falsche Anzeige nach § 145d StGB und die darauf bezogene Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Versicherung (§ 263 StGB) stehen vielmehr nur dann in Idealkonkurrenz, wenn beide Tatbestände durch eine Handlung verknüpft sind, die zugleich der Verwirklichung beider Tatbestände dient. Dies ist etwa der Fall, wenn Anzeige und Schadensmeldung gleichzeitig abgegeben, beispielsweise , wenn sie zusammen zur Post gegeben werden (BGH, Urteil vom 12. September 1984 - 3 StR 341/84, wistra 1985, 19 mwN; LK/Ruß, StGB, 12. Aufl., § 145d Rn. 23). Eine solche (Teil-) Identität der Ausführungshandlungen ist nicht festgestellt.
9
d) Der Senat kann die Änderung des Schuldspruchs selbst vornehmen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können, wenn er darauf hingewiesen worden wäre, dass der ihm zur Last gelegte Betrugsversuch und die Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) stehen können. Mit der Änderung des Schuldspruchs entfällt die vom Landgericht ausgeworfene Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten.
10
e) Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hat gleichwohl Bestand. Angesichts des straffen Zusammenzuges bei der Gesamtstrafenbildung ist es auszuschließen, dass sich der Wegfall der Einzelfreiheitsstrafe auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hätte.
11
2. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision des Angeklagten B. ist es nicht unbillig, ihn mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
12
II. Revision des Angeklagten N.
13
Die auf die Sachrüge gestützte Revision deckt hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten N. auf. Der Strafausspruch hingegen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
14
1. Die Zumessungserwägungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, ob es bei der Strafbemessung die (möglicherweise) drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO in den Blick genommen hat. Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann (als bestimmender Strafzumessungsgrund) ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2013 - 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522; vom 2. Februar 2010 - 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; vom 26. März 1996 - 1 StR 89/96, NStZ 1996, 539, jeweils mwN). Dass dies hier der Fall sein könnte, lässt sich unter Berücksichtigung der zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht ausschließen.

15
Danach war der Angeklagte seit 1977 als Rechtsanwalt tätig, ab 1982 als Einzelanwalt fast ausschließlich auf dem Gebiet des Zivilrechts. Am 30. November 2016 schloss er seine Kanzlei und wandte sich der Pflege seiner an Multipler Sklerose erkrankten Lebensgefährtin zu; auf seine Anwaltszulassung hat er indes nicht verzichtet. Im Rahmen der Erwägungen zur Ablehnung der Anordnung eines Berufsverbots gegen den Angeklagten hat die Strafkammer ausgeführt, dass sie keine Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen bei weiterer Ausübung seines Berufes gesehen hat. Woraus der Angeklagte derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet und ob er zukünftig wieder als Rechtsanwalt tätig sein will, teilt das Urteil indes nicht mit. Auf der Grundlage der zu seinen persönlichen Umständen getroffenen Feststellungen ist es daher denkbar, dass der Angeklagte, der in Folge seiner strafgerichtlichen Verurteilung grundsätzlich mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen bis hin zu einem zeitlich befristeten Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) oder sogar einer Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) rechnen muss, dadurch seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verlieren wird.
16
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass noch Feststellungen zur beruflichen Situation des Angeklagten getroffen werden können, die zur Verhängung einer milderen Strafe durch den neuen Tatrichter führen.
Becker Gericke Tiemann Hoch Leplow

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 506/12
vom
11. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 2. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am
11. April 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11. Mai 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückzuverweisen.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit es den Strafausspruch betrifft; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Die Zumessungserwägungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, ob es bei der Strafbemessung die (möglicherweise) drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO in den Blick genommen hat. Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann (als bestimmender Strafzumessungsgrund) ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 - 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; Beschluss vom 26. März 1996 - 1 StR 89/96, NStZ 1996, 539, jeweils mwN). Dass dies hier der Fall sein könnte, lässt sich unter Berücksichtigung der zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht ausschließen.
4
Der Angeklagte war bis zu seiner Verhaftung als freiberuflicher Rechtsanwalt im IT-Recht tätig. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft nahm er eine Angestelltentätigkeit bei seiner früheren Hauptmandantin auf. Was mit der Anwaltszulassung des Angeklagten zwischenzeitlich geschehen ist, ob sie ruht, der Angeklagte im Hinblick auf drohende Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 BRAO auf sie verzichtet hat oder sie (notwendige) Grundlage der jetzt ausgeübten Tätigkeit ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Unter Berücksichtigung dessen ist es jedenfalls denkbar, dass der Angeklagte, der in Folge seiner strafgerichtlichen Verurteilung grundsätzlich mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen bis hin zu einem zeitlich befristeten Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) oder sogar einer Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) rechnen muss, dadurch seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verloren hat bzw. verliert.
5
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat kann nicht auszuschließen, dass noch Feststellungen zur beruflichen Situation des Angeklagten getroffen werden können, die zur Verhängung einer milderen Strafe durch den neuen Tatrichter führen.
6
3. Da die Zuständigkeit des Schwurgerichts nunmehr weggefallen ist, verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.

Becker Fischer RiBGH Dr. Berger befindet sich sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 514/09
vom
2. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Februar 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 7. Mai 2009
a) aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in Fall II. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit werden die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Betrug in zehn Fällen und der Beihilfe zum versuchten Betrug schuldig ist;
c) im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in elf Fällen und wegen Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstra- fe von einem Jahr verurteilt; eine im Zwischenverfahren eingetretene Verfahrensverzögerung hat es dadurch kompensiert, dass vier Monate der Strafe als vollstreckt gelten. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil insoweit Verjährung eingetreten ist. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 28. Februar 2003 war nicht geeignet, eine Unterbrechung der Verjährungsfrist gemäß § 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB herbeizuführen, da er nicht die Beteiligung des Angeklagten an Taten des H. A. be traf.
3
Der Senat stellt das Verfahren daher insoweit ein und ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
4
2. Der mit der Teileinstellung verbundene Wegfall der Einzelstrafe von vier Monaten würde zwar für sich genommen angesichts der Anzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen nicht zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe führen. Die Strafzumessung begegnet aber aus anderen Gründen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Zumessungserwägungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, ob es bei der Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe die drohenden anwaltsrechtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO berücksichtigt hat. Die Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschl. vom 27. August 1987 - 1 StR 412/87, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 8; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 46 Rdn. 9 m.w.N.). Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht niedrigere Freiheitsstrafen verhängt hätte, wenn es dies bedacht hätte.
5
Einer Aufhebung der den Strafausspruch tragenden rechtsfehlerfreien Feststellungen bedarf es hingegen nicht. Dies schließt ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.
6
3. Auch über die Kompensation wegen der Justiz anzulastender Verfahrensverzögerungen ist neu zu entscheiden, da der Senat den Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufgehoben hat.
7
Die Revision beanstandet insoweit zu Recht, dass es nicht nur im Zwischenverfahren , sondern auch während des Ermittlungsverfahrens zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gekommen ist, weil das Verfahren nach Fertigung des Abschlussberichts der Polizei bis zur Anklageerhebung nicht erkennbar gefördert wurde. Dagegen hält sich die Zeitspanne zwischen dem Eingang der Revisionsbegründung und der Übersendung der Akten an den Generalbundesanwalt, wie dieser in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, trotz der zwischenzeitlichen Herbeiführung einer Beschwerdeentscheidung zur Frage einer ordnungsgemäßen Vertretung des Angeklagten durch einen weiteren Verteidiger innerhalb der üblichen Verfahrensdauer.
8
Der neu entscheidende Tatrichter wird die der Justiz anzulastenden Verfahrensverzögerungen nach den vom Großen Senat für Strafsachen (BGHSt 52, 124 ff.) aufgestellten Maßstäben zu kompensieren haben. Im Hinblick auf die im angefochtenen Urteil vorgenommene Anrechnung von vier Monaten der erkannten Strafe für eine im Zwischenverfahren eingetretene Verzögerung von sechs Monaten bemerkt der Senat, dass er eine derartige Kompensation für überzogen hält. Zwar lassen sich allgemeingültige Kriterien für die Bemessung der Kompensation nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Verfahrensdauer als solche und die damit verbundenen Belastungen des Angeklagten - wie auch vorliegend - bereits strafmildernd in die Strafzumessung eingeflossen sind. Die Anrechnung hat sich aber im Regelfall auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken (vgl. BGHSt 52, 124, 146 f.; BGH, Urt. vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08; Beschl. vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08; Senatsbeschl. vom 24. November 2009 - 4 StR 245/09). Im Hinblick auf § 358 Abs. 2 StPO darf im vorliegenden Fall der nach Abzug des für vollstreckt zu erklärenden Teils der schuldangemessenen Strafe verbleibende Strafanteil jedenfalls acht Monate nicht übersteigen.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a)
sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b)
die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c)
die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2.
es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3.
einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4.
einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:

1.
staatlichen Aufgaben,
2.
Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3.
dienstlichen oder beruflichen Pflichten.

(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn

1.
die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2.
die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 643/17
vom
24. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:240518U4STR643.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Mai 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Quentin, Dr. Feilcke, Dr. Paul als beisitzende Richter,
Staatsanwältin – in der Verhandlung –, Erster Staatsanwalt – bei der Verkündung – als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. Juli 2017 wird verworfen.
Jedoch wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch klarstellend wie folgt neu gefasst: Der Angeklagte ist des sexuellen Übergriffs, exhibitionistischer Handlungen in 43 Fällen und des tateinheitlichen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften schuldig; im Übrigen ist er freigesprochen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger“, wegen exhibitionistischer Handlungen in 43 Fällen und wegen tateinheitlichen Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision wendet sich die Beschwerdeführerin ausschließlich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der unter anderem wegen zweier Sexualstraftaten vorbestrafte, bis August 2012 in Haft bzw. im Maßregelvollzug befindliche Angeklagte – 1994 wurde er wegen einer im Jahr 1993 begangenen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und mit räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 2004 wegen einer im Jahr 2003 begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt – war im Internet auf Videos aufmerksam geworden, in denen Männer in Zügen masturbierten und dabei mit ihren Mobiltelefonen sich selbst und weibliche Fahrgäste filmten. Er beschloss, solche Videos als Mittel zu seiner sexuellen Stimulation selbst anzufertigen. Zwischen Januar 2014 und November 2016 befuhr er nach dem Erwerb einer Tagesfahrkarte zumeist samstags mehrere Stunden lang mit Regionalzügen die Strecke zwischen H. und D. in beide Richtungen.
4
Am späten Abend des 30. April 2016 filmte er eine Frau, die auf einer Sitzbank des Zuges lag und schlief, wobei ihr Kopf auf einer Armlehne ruhte. Der Angeklagte stellte sich neben sie und manipulierte dabei an seinem entblößten erigierten Penis. Sodann strich er ihr mit seinem Penis durch die Haare. Als sich die Frau daraufhin im Schlaf durch die Haare fuhr, wobei es nicht zu einer Berührung des Geschlechtsteils des Angeklagten kam, entfernte er sich. Einige Minuten später kehrte er zurück und manipulierte erneut neben dem Kopf der schlafenden Frau an seinem entblößten erigierten Penis, ohne dass eine Berührung der Schlafenden stattfand. Weder sie selbst noch andere Fahrgäste nahmen die Handlungen des Angeklagten wahr.
5
In 43 weiteren Fällen im vorgenannten Tatzeitraum setzte sich der Angeklagte im Zug in die Nähe weiblicher Fahrgäste, jeweils nicht mehr als zwei Meter von ihnen entfernt. Er begann, die Frauen zu filmen, und masturbierte hierbei ; dies wurde jeweils von den betroffenen Frauen wahrgenommen, die sich hierdurch belästigt fühlten.
6
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 2. Dezember 2016 wurden auf zwei Computern insgesamt 15 kinderpornographische und 31 jugendpornographische Bilddateien sichergestellt, die der Angeklagte dort abgelegt hatte.
7
2. Das Landgericht hat für die Tat des „sexuellen Missbrauchs Wider- standsunfähiger“ eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahrenund drei Monaten, für die 43 Fälle exhibitionistischer Handlungen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils neun Monaten und für den tateinheitlichen Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt.
8
Sachverständig beraten hat es von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 3 StGB abgesehen. Die formellen Voraussetzungen der Maßregel gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) und b), Nr. 2 und Nr. 3 StGB lägen ebenso vor wie ein Hang des Angeklagten, Straftaten zu begehen, jedoch sei dieser Hang des An- geklagten nicht mehr, wie von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vorausgesetzt, auf die Begehung erheblicher Straftaten gerichtet.
9
Zwar seien vom Angeklagten vergleichbare Straftaten wie die vorliegenden zu erwarten, einschließlich derjenigen des „sexuellen Missbrauchs“, die einen als mittelschwer zu beurteilenden Fall dieses Straftatbestandes darstelle; hierbei handele es sich jedoch nicht um erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB. Hingegen sei die Begehung schwerwiegender Taten durch ihn – etwa Vergewaltigungen – nicht mit einer bestimmten, auf konkreten Umständen beruhenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten; eine solche Tat habe er seit dem Jahr 2003 nicht mehr begangen.

II.


10
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
11
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die Nichtanordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung beschränkt.
12
a) Grundsätzlich ist eine Beschränkung der Revision auf das Unterlassen einer Maßregelanordnung möglich; dies gilt auch für die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung (vgl. etwa BGH, Urteile vom 8. August 2017 – 5 StR 99/17, NStZ-RR 2017, 310, 311; vom 29. November 2017 – 5 StR 446/17).
13
b) Zwischen Strafe und Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung besteht aufgrund der Zweispurigkeit des Sanktionensystems grundsätzlich keine Wechselwirkung (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2006 – 1 StR 284/06, NStZ 2007, 212, 213; vom 1. Juli 2008 – 1 StR 183/08; vom 23. Februar 1994 – 3 StR 679/93, NStZ 1994, 280, 281; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 318 Rn. 26).
14
Etwas anderes gilt dann, wenn das Tatgericht die Höhe der Strafe von der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung abhängig gemacht und damit Strafe und Maßregel in einen inneren, eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließenden Zusammenhang gesetzt hat (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, insofern nicht abgedruckt in NStZ-RR 2011, 172; vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, NStZ 2013, 707). Dies ist hier nicht der Fall.
15
2. Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Die Annahme des Landgerichts, beim Angeklagten bestehe kein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB mehr, weil die Anlasstat des „sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger“ – ebensowie zu erwartende vergleichbare Taten – keine erhebliche Straftat in diesem Sinne sei und schwerere Taten nicht zu erwarten seien, ist rechtsfehlerfrei begründet.
16
a) Mit ihrem Einwand, das Landgericht habe die Anlasstat zu Unrecht nicht als erheblich in diesem Sinne eingestuft und ihr deshalb rechtsfehlerhaft einen Symptomcharakter für die Gefährlichkeitsprognose abgesprochen, dringt die Beschwerdeführerin nicht durch.
17
aa) Erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB sind nach ständiger Rechtsprechung solche, die den Rechtsfrieden empfindlich stören (vgl. BGH, Urteile vom 18. Mai 1971 – 4 StR 100/71, BGHSt 24, 153, 154; vom 17. Dezember 1985 – 1 StR 539/85, NStZ 1986, 165; vom 26. April 2017 – 5 StR 572/16; vom 27. Juli 2017 – 3 StR 196/17). Kriterien hierfür ergeben sich zunächst aus den gesetzgeberischen Wertungen, die maßgeblich für die Normierung der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung geworden sind. Als erhebliche Straftaten kommen danach vornehmlich solche in Betracht, die in den Deliktskatalog von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) bis c) StGB fallen und die – wie Vorverurteilungen im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB – im konkreten Fall mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu ahnden wären, wobei dieser Gesichtspunkt allein zur Annahme der Erheblichkeit allerdings nicht ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2002 – 5 StR 334/02, NStZ-RR 2003, 73, 74; LK/Rissing-van Saan/Peglau, StGB, 12. Aufl., § 66 Rn. 148; MüKoStGB/Ullenbruch/Drenkhahn/ Morgenstern, 3. Aufl., § 66 Rn. 101). Ein weiteres gewichtiges Kriterium zur Bestimmung der Erheblichkeit ergibt sich aus der Hervorhebung der schweren seelischen oder körperlichen Schädigung der Opfer in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB („namentlich“),wobei aber auch damit keine abschließende Festlegung verbunden ist (vgl. BGH, Urteile vom 18. Mai 1971 – 4 StR 100/71, BGHSt 24, 153, 154; vom 9. Oktober 2001 – 5 StR 360/01, NStZ-RR 2002, 38).
18
Zur Beurteilung, ob die von einem Angeklagten hangbedingt zu erwar- tenden Taten in diesem Sinne „erheblich“ sind, kann daher kein genereller Maßstab angelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 – 3 StR 568/09, NStZ-RR 2010, 172; MüKoStGB/Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern, aaO, § 66 Rn. 98, 103); erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der neben der Schwere der zu erwartenden Taten und den – auch nur potentiell bzw. typischerweise eintretenden – Folgen für die Opfer auch die Tathäufigkeit oder die Rückfallgeschwin- digkeit ins Gewicht fallen können (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 1988 – 1 StR 280/88, BGHR StGB § 66 Erheblichkeit 2; vom 24. März 2010 – 2 StR 10/10, NStZ-RR 2010, 239, 240). Zudem ist im Bereich der mittleren Kriminalitätdem Tatrichter, der allein in der Lage ist, eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Täters vorzunehmen, bei der Entscheidung der Frage, ob er einen Hang zu erheblichen Taten bejahen kann, ein Beurteilungsspielraum eingeräumt; seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur dann beanstandet werden, wenn der Tatrichter nicht alle für die Gesamtwürdigung bedeutsamen Umstände gewürdigt hat oder das Ergebnis seiner Würdigung den Rahmen des noch Vertretbaren sprengt (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2010 – 2 StR 10/10, aaO; vom 27. Juli 2000 – 1 StR 263/00, NStZ 2000, 587, 588; vom 26. August 1987 – 3 StR 305/87, wistra 1988, 22, 23; vom 20. Mai 1980 – 4 StR 187/80, JZ 1980, 532).
19
bb) An diesen Grundsätzen gemessen hält die Annahme des Landgerichts , die vorliegende Anlasstat des „sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger“ stelle – ebenso wie die zu erwartenden vergleichbaren Taten – keine erhebliche Straftat im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB dar, revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
20
Soweit das Landgericht zur Begründung zunächst darauf verwiesen hat, die Anlasstat und die zu erwartenden vergleichbaren Taten seien deshalb nicht erheblich, weil hierdurch dem Opfer keine schweren seelischen oder körperlichen Schäden zugefügt würden, steht dieser Gesichtspunkt – für sich betrachtet – der Annahme erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB allerdings nicht entgegen. Denn das Gesetz hat, wie bereits ausgeführt, mit den Worten, dass unter erheblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB „namentlich“ solche zu verstehen seien, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“, keine abschließende Festlegung vorgenommen, wann eine Straftat in diesem Sinne erheblich ist, sondern erfordert stets eine Prüfung und Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteile vom 18. Mai 1971 – 4 StR 100/71, BGHSt 24, 153, 154 f.; vom 9. Oktober 2001 – 5 StR 360/01, NStZ-RR 2002, 38 f.).
21
Die Strafkammer hat jedoch eine solche Prüfung und Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen. Sie hat bei der Beurteilung der vom Angeklagten zu erwartenden Taten nicht etwa einseitig nur auf mögliche Tatfolgen – ausgehend von der geringen Folge bei der vorliegenden Anlasstat – abgestellt. Vielmehr hat sie auch das konkrete Erscheinungsbild der Tat und ihre Begehungsweise in den Blick genommen. So hat sie darauf verwiesen, dass diese Tat nur wenige Sekunden andauerte. Darüber hinaus hat sie berücksichtigt , dass die Handlung zwar in Gesichtsnähe erfolgte, der Angeklagte jedoch lediglich die Haare der Geschädigten berührte, wodurch es – ohne jede Gewaltanwendung – nur zu einem geringen körperlichen Kontakt zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten kam.
22
Angesichts dieser Umstände ist das Landgericht bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Anlasstat im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB von einer sexuellen Handlung ausgegangen, die sich in ihrem Schweregrad nur unwesentlich von den dem Angeklagten im Übrigen angelasteten exhibitionistischen Handlungen – die die Schwelle zur Erheblichkeit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht erreichen (vgl. BT-Drucks. VI/3521, S. 55; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 66 Rn. 57) – unterscheidet. Dem steht auch nicht entgegen, dass es für diese Tat eine Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt hat, da diese Strafhöhe ersichtlich nicht auf die Tatschwere oder die Tatfolgen, sondern auf die Vorstrafen des Angeklagten zurückzuführen ist; für die Beurteilung der objektiven Erheblichkeit der Anlasstat kommt der strafrechtlichen Vorbelastung jedoch nur eingeschränkte Aussagekraft zu.
23
Das Landgericht hat schließlich bei seiner Beurteilung der Erheblichkeit der Anlasstat auch keinen wesentlichen Umstand unberücksichtigt gelassen und sich insbesondere mit den Vorverurteilungen des Angeklagten auseinandergesetzt. Insgesamt hält sich seine Beurteilung der Erheblichkeit dieser Tat innerhalb des dem Tatgericht insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums. Es begegnet daher keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht die Anlasstat nicht als ausreichendes Symptom für einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB angesehen hat.
24
b) Mit ihren weiteren Einwänden gegen die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts zeigt die Beschwerdeführerin ebenfalls keinen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils auf.
25
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft hier zunächst beanstandet, das Landgericht habe bei der Würdigung des Angeklagten und seiner Taten das Fortbestehen seiner Persönlichkeitsstörung sowie seine Lernunwilligkeit und Therapieresistenz nicht ausreichend berücksichtigt, dringt sie hiermit nicht durch. Denn das Landgericht hat sich im angefochtenen Urteil mit diesen Umständen ausführlich auseinandergesetzt. So hat es seine Annahme, dass mit weiteren Straftaten des Angeklagten – die allerdings im Schweregrad den festgestellten Taten entsprächen – zu rechnen sei, gerade auf die Persönlichkeitsstörung und Lernunwilligkeit des Angeklagten zurückgeführt. Die von der Revisionsbegründung der Beschwerdeführerin abweichende Bewertung der Schwere der zu er- wartenden Straftaten durch das Landgericht ist jedoch, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, vertretbar und damit revisionsrechtlich nicht angreifbar.
26
bb) Auch soweit die Beschwerdeführerin beanstandet, die Strafkammer habe bei der Beurteilung der Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten zu Unrecht zu dessen Gunsten berücksichtigt, dass die Begehung der letzten schweren Tat durch ihn mehr als dreizehn Jahre zurückliege, ohne hiervon die Zeiten seiner Strafhaft und Unterbringung im Maßregelvollzug abzuziehen, zeigt sie einen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils damit nicht auf. Denn das Landgericht hat bei der Berücksichtigung des Zeitablaufs seit der im Jahr 2003 begangenen Tat ersichtlich sowohl die Strafhaft als auch die anschließende Unterbringung des Angeklagten im Blick gehabt; dies zeigt sich insbesondere in der Erwägung der Strafkammer, der Angeklagte sei während der langjährig absolvierten Therapie in der LWL-Klinik, in der sich auch weibliche Patienten befanden , nicht durch Straftaten zu deren Nachteil auffällig geworden.
27
3. Zutreffend hat das Landgericht die Tat zu II 2 a der Urteilsgründe rechtlich nicht nach der zur Tatzeit geltenden Vorschrift des § 179 Abs. 1 StGB aF gewürdigt, sondern nach der Vorschrift des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB in deren seit dem 10. November 2016 geltender Fassung als milderem Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. Soweit es diese Tat gleichwohl im Schuldspruch als „sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger“ bezeichnet hat, erweist sichdies allerdings als unzutreffend, da es sich bei der verwirklichten Straftat nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF um einen „sexuellen Übergriff“ handelt (vgl. BGH, Be- schluss vom 16. Mai 2017 – 3 StR 43/17, NStZ 2018, 33, 34). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend klargestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Quentin
Feilcke Paul

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 S t R 2 7 5 / 1 5
vom
22. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Oktober
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin A. K. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen M. K.
und J. K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 26. Februar 2015 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 58 Fällen, davon in 55 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, davon in zwei Fällen zudem in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften“, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt, das Rechtsmittel mit der Sachrüge begründet und beantragt, das angefochtene Urteil „im Rechtsfolgenausspruch“ aufzuheben. Ihre vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung wendet. Darüber hinaus ist der gesamte Strafausspruch – auch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) – aufzuheben.
2
1. Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte nach dem vierten Geburtstag seiner Tochter A. am 8. Juli 2011 bis zum 26. August 2014 in 55 Fällen sexuelle Missbrauchshandlungen zu deren Nachteil vor. Zwei dieser Übergriffe filmte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon und speicherte sie ab; bei dem ersten dieser beiden Übergriffe fertigte er auch Fotos von seiner gefesselt, maskiert und auf dem Rücken liegenden unbekleideten Tochter. Am 31. Juli 2014 und am 1. August 2014 kam es auch zu fünf sexuellen Übergriffen auf die zum Tatzeitpunkt sechs und fünf Jahre alten Töchter einer Freundin seiner Ehefrau. Dabei drang der Angeklagte kurzzeitig mit dem Finger bei einer Gelegenheit in die Scheide des einen Mädchens und bei einem anderen Übergriff in den Anus der anderen Geschädigten ein, die an ihm auch Oralverkehr ausüben musste.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten für voll schuldfähig gehalten und Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und neun Monaten, zwei Jahren und drei Monaten, zwei Jahren, einem Jahr und neun Monaten, einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und zwei Monaten, 53 mal einem Jahr sowie neun Monaten verhängt. Sicherungsverwahrung hat es nicht angeordnet. Es hat die formellen Voraussetzungen für die fakultative Anordnung der Maßregel nach § 66 Abs. 2 StGB bejaht. Auch die materiellen Voraussetzungen gemäß § 66 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB hat es angenommen. „Im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens“ hat die Jugendschutzkammer die Anordnung der Sicherungsverwahrung "trotz des festgestellten Gefährdungspotentials" (UA 34) abgelehnt: Der Angeklagte habe seine Therapiebereitschaft deutlich zum Ausdruck gebracht. Zwar sei "derzeit gänzlich ungewiss …, ob Therapiebemühungen eine innere Haltungsänderung bei dem Angeklagten erzielen können" (UA 34), er habe jedoch den ersten Schritt gemacht, indem er seine Taten rückhaltlos offenbart habe. Die Dauer der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ermögliche eine intensive therapeutische Intervention in einer qualifizierten Ein- richtung des Strafvollzugs. Der Angeklagte habe sich bislang noch gar nicht mit seinen pädophilen Neigungen auseinandergesetzt. Nach seiner (einschlägigen) Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe im Jahr 1995 habe ausschließlich die problematische Kindheit und Jugend im Fokus der therapeutischen Aufarbeitung gestanden (UA 35). Nach alledem gehe die Strafkammer von der Erwartung aus, dass der Angeklagte sich die Strafverbüßung hinreichend zur Warnung dienen lassen werde.
4
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Die Revision ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Der Senat kann offen lassen, ob die Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründung über den gestellten Antrag hinaus das Rechtsmittel auf die Frage der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränken wollte. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift vom 3. Juli 2015 zutreffend ausführt, hat das Landgericht Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14).
6
b) Die auf § 66 Abs. 2 StGB gestützte Entscheidung des Landgerichts, nach seinem Ermessen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen , leidet an einem durchgreifenden Rechtsfehler.
7
aa) Die Wirkungen eines erstmals erlebten längeren Strafvollzugs und von in diesem Rahmen (möglicherweise) wahrgenommenen Therapieangeboten können zwar im Einzelfall wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – 5 StR 421/10, StV 2011, 276). Ein Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 (und Abs. 3) StGB eingeräumten Ermessens aber nur dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses die Erwartung begründet ist, der Täter werde hierdurch eine Haltungsänderung erfahren, so dass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann (BGH, Urteil vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272 [Ls.]; Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 – 1 StR 515/14, NStZ-RR 2015, 73, und vom 11. August 2011 – 3 StR 221/11). Im Zeitpunkt des Urteilserlasses noch ungewisse positive Veränderungen und lediglich mögliche Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug können indes nicht genügen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511, vom 28. Mai 1998 – 4 StR 17/98, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6, und vom 22. Januar 1998 – 4 StR 527/97, NStZ-RR 1998, 206). Solche möglichen Veränderungen sind, sofern sie eingetreten sind, erst im Rahmen der obligatorischen Entscheidung gemäß § 67c Abs. 1 StGB vor dem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.
8
bb) Diesen rechtlichen Maßstab hat das Landgericht bei seiner Ermessensausübung verfehlt:
9
Es hätte prüfen müssen, ob zumindest konkrete Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg vorliegen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172, und vom 19. Juli 2005 – 4 StR 184/05, NStZ-RR 2005, 337, 338; Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 – 1 StR 515/14, NStZ-RR 2015, 73, und vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272 [Ls.]). Es gibt keine gesicherte Vermutung dahingehend, dass eine langjährige, erstmalige Strafverbüßung stets zu einer Verhaltensänderung führen wird (BGH, Beschluss vom 4. August 2009 – 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 272). Die Jugendschutzkammer hat selbst – nach sachverständiger Beratung – ausgeführt , "dass derzeit gänzlich ungewiss ist, ob Therapiebemühungen eine innere Haltungsänderung bei dem Angeklagten erzielen können" (UA 34). Der Um- stand, dass der Angeklagte nach ihrer Auffassung "den ersten Schritt" gemacht habe, ist nicht geeignet, die in ständiger Rechtsprechung verlangte gesicherte Erwartung zu begründen, die unter Ermessensgesichtspunkten ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnte (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511).
10
cc) Sonstige Gründe, die einer Anordnung der Sicherungsverwahrung zwingend entgegenstehen könnten, ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil nicht (vgl. zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14, NStZ 2015, 208; s. ferner BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 5 StR 473/14, NStZ 2015, 210).
11
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN, insoweit in NStZ 2013, 707 nicht abgedruckt).
12
Die Strafzumessung weist andererseits auch einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten bei der Bemessung aller Einzelstrafen und der Gesamtstrafe auf. Das Landgericht hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund, es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche , über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9, vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18, und vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12, Rn. 25, jeweils mwN). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier. Mutzbauer Roggenbuck Cierniak Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 148/13
vom
11. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Juli 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers S. Z. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 21. Dezember 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen. Hiergegen richtet sich die zunächst auf den Rechtsfolgenausspruch und sodann auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
2
1. Die Beschränkung der Revision auf das Unterlassen der Maßregelanordnung ist unwirksam. Das Landgericht hat den Angeklagten maßgeblich deswegen nicht in der Sicherungsverwahrung untergebracht, weil aufgrund der Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs bei dem Angeklagten eine Haltungsänderung erwartet werden könne. Damit hat es Strafhöhe und Maßregelanordnung in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, juris Rn. 2).
3
2. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat.
4
Zutreffend hat das Landgericht die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB bejaht. Dem Sachverständigen folgend hat es außerdem einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten und dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung vom 22. Oktober 2010 festgestellt, der jedenfalls im Hinblick auf die Tat vom 22. September 2011 gemäß Art. 316e Abs. 1 Satz 1 EGStGB in Verbindung mit der Weitergeltungsanordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326) hier Anwendung findet. Dennoch hat es in Ausübung des ihm durch § 66 Abs. 2 StGB eingeräumten Ermessens davon abgesehen, den Angeklagten in der Sicherungsverwahrung unterzubringen, weil eine Haltungsänderung des Angeklagten während der Dauer des Strafvollzugs zu erwarten sei. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge seines Hanges zur Begehung schwerer Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, richtet sich nach der Sachlage im Zeitpunkt der Aburteilung. Dies ist in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB für die Fälle der obligatorischen Verhängung der Sicherungsverwahrung nunmehr ausdrücklich geregelt. Ob der Angeklagte nach Strafverbüßung weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich und daher der Vollzug der Sicherungsverwahrung geboten ist, bleibt der Prüfung nach § 67c StGB vorbehalten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 – 1 StR 474/03, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 7; Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 f.).
6
Soweit indes allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 oder 3 StGB in Betracht kommt, ist es dem Tatrichter grundsätzlich gestattet , bei der Ausübung seines Ermessens die zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, sich ungeachtet der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Angeklagte schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Bestimmungen Rechnung getragen, die in den Fällen des § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB – im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift – eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Angeklagten nicht voraussetzen. Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 – 1 StR 140/04, NStZ 2005, 211, 212; Urteil vom 25. November 2010 – 3 StR 382/10, NStZ-RR 2011, 78; Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 f.).
7
b) Nach diesen Maßstäben leidet die Entscheidung des Landgerichts, den Angeklagten nicht in der Sicherungsverwahrung unterzubringen, an durchgreifenden Ermessensfehlern.
8
Sie stützt sich zunächst darauf, dass der Angeklagte während der Untersuchungshaft therapeutische Gespräche geführt habe, in deren Rahmen er eine gewisse "Opferempathie" habe erkennen lassen, die Therapeutin bei den Gesprächen das Gefühl gehabt habe, er bedauere die Sexualstraftaten, und er seine Bereitschaft zu einer Sozialtherapie geäußert habe. Auf dieser Grundlage ist der psychiatrische Sachverständige zu der – vom Landgericht geteilten – Einschätzung gelangt, dass sich die Prognose verbessert habe, weil sich durch eine Sozialtherapie die kognitiven Verzerrungen des Angeklagten verändern könnten und durch den Strafvollzug eine Haltungsänderung hinsichtlich seiner weiterhin grundsätzlich vorhandenen Bereitschaft, sich "sowohl Materielles als auch Nichtmaterielles zu nehmen", bewirkt werden könnte. Damit werden indes nur denkbare Wirkungen des künftigen Strafvollzugs benannt, die kaum mehr als eine Hoffnung beschreiben. Über die im Ansatz vorhandene allgemeine Unrechtseinsicht und Therapiebereitschaft des Angeklagten hinaus werden konkrete Anhaltspunkte für einen erwartbaren Erfolg der resozialisierenden und therapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug nicht benannt.
9
Soweit das Landgericht ergänzend darauf abhebt, es sei nach Ansicht des Sachverständigen auch nicht zu erwarten, dass der Angeklagte nach seiner Haftentlassung noch einmal in eine vergleichbare Lebenssituation gerate wie zu den Tatzeiten (UA S. 54), steht dies zudem in einem nicht aufgelösten Widerspruch zu den sonstigen gutachterlichen Ausführungen. Danach habe sich der Angeklagte "in der Vergangenheit immer wieder Frauen mit Kindern gesucht oder habe mit seinen Lebenspartnerinnen Kinder gezeugt. Der Angeklagte könne nach seiner Entlassung aus der Haft wieder ähnliche Situationen konstituieren" (UA S. 53).
10
Nach alledem muss über die Sicherungsverwahrung nochmals entschieden werden; denn die aufgrund der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots in vorliegendem Fall weiterhin (BGH, Urteil vom 23. April 2013 – 5 StR 617/12; Urteil vom 12. Juni 2013 – 5 StR 129/13) vorzunehmende "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" steht der Anordnung der Sicherungsverwahrung hier nicht von vornherein entgegen.
11
3. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im (unterbliebenen) Maßregelausspruch führt zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StGB) zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Im Hinblick auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils zu den möglichen Wirkungen des langjährigen Strafvollzugs vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht die nunmehr erneut im Raum stehende Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2008 – 5 StR 101/08, juris Rn. 23; Urteil vom 25. November 2010 – 3 StR 382/10, juris Rn. 14; Urteil vom 3. Februar 2011 – 3 StR 466/10, juris Rn. 17).
12
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: § 51 BZRG enthält ein umfassendes Verwertungsverbot für getilgte oder tilgungsreife Eintragungen, das auch bei der Prüfung von Maßregeln der Besserung und Sicherung zu beachten ist. Eine Verwertung derartiger Voreintragungen kann auch nicht auf § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG gestützt werden. Diese Bestimmung lässt eine Berücksichtigung früherer Taten nur für die Beurteilung des Geisteszustandes des Betroffenen zu, nicht aber zur Begründung einer (nicht krankheitsbedingten ) Gefährlichkeitsprognose (BGH, Beschluss vom 21. August 2012 – 4 StR 247/12, NStZ-RR 2013, 84).
Becker Hubert RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Spaniol

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 192/18
vom
25. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
ECLI:DE:BGH:2018:250918B4STR192.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. September 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 9. Januar 2018 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensbeschwerde und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Erwägungen des Landgerichts zur Bemessung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe halten unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320) in zweifacher Hinsicht einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
3
a) Die Strafkammer hat jeweils strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte bei den Taten „unter zweifacher Bewährung wegen anderer Delikte“ stand. Diese Wertung wird von den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht getragen. Danach war zum Zeitpunkt der abgeurteilten, im Dezember 2016 und Mai 2017 begangenen Missbrauchstaten lediglich die Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts Haldensleben vom 21. September 2016 wegen gefährlicher Körperverletzung verhängten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten zur Bewährung ausgesetzt. Die frühere Bewährungsstrafe von sieben Monaten und zwei Wochen aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Burg vom 6. April 2011 war bereits mit Wirkung vom 1. Juni 2013 erlassen worden.
4
b) Darüber hinaus begegnet die Berücksichtigung der sich aus den Taten für das Tatopfer ergebenden psychischen Belastungen zum Nachteil des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei Delikten gemäß § 176 StGB können zwar - entgegen der Ansicht der Revision - solche Tatfolgen beim Opfer als verschuldete Auswirkungen der Tat im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB strafschärfend gewertet werden, die über die tatbestandlich vorausgesetzte abstrakte Gefährdung des Kindeswohls hinausgehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 1991 - 2 StR 648/90, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Strafzumessung 3; vom 17. Januar 1995 - 4 StR 737/94, StV 1995, 470; vom 25. April 2001 - 1 StR 143/01, StV 2002, 75). Dies setzt aber voraus, dass die Folgewirkungen der Tat vom Tatrichter im Einzelfall konkret festgestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. April 2001 - 1 StR 143/01 aaO; vom 20. August 2003 - 2 StR 285/03, NStZ-RR 2004, 41; vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 176 Rn. 36 mwN). Eine zum Nachteil des Angeklagten auf bloße Vermutungen gestützte Strafzumessung ist unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. August 2003 - 2 StR 285/03 aaO; vom 7. Juli 1998 - 4 StR 300/98, StV 1998, 656). Dieser Anforderung ist die Strafkammer, die ausdrücklich keine Feststellungen zum Umfang der psychischen Belastungen des Tatopfers getroffen hat, nicht gerecht geworden.
5
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen zum Nachteil des Angeklagten auf die Bemessung der verhängten Einzelfreiheitsstrafen und der Gesamtstrafe ausgewirkt haben.
6
2. Die Aufhebung des Strafausspruchs entzieht der Maßregelanordnung die Grundlage.
7
3. Für die neuerliche Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
8
a) Trotz missverständlicher Formulierungen entnimmt der Senat den bisherigen Urteilsausführungen, dass keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass beim Angeklagten die engen Voraussetzungen vorliegen, unter denen eine mögliche Pädophilie im Einzelfall als schwere andere seelische Abartigkeit gewertet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2016 - 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45; vom 25. März 2015 - 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304).
9
b) Das Merkmal des Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige , der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juni 2010 - 4 StR 474/09, NStZ-RR 2011, 143, 145). Der Hang als „eingeschliffenes Verhaltensmuster" , bei dem es sich um einen Rechtsbegriff handelt, der als solcher dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 436/09, NStZ 2010, 586), bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt - nach sachverständiger Beratung - unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgeblichen Umstände dem Richter in eigener Verantwortung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. März 2010 - 3 StR 69/10, StV 2010, 484; vom 25. Mai 2011 - 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272).
10
Hangtätereigenschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind, wie die begriffliche Differenzierung in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zeigt, keine identischen Merkmale. Der Hang ist nur ein wesentliches Kriterium der Prognose. Während der Hang einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand bezeichnet, schätzt die Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hangs erheblichen Straftaten enthalten kann oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 - 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; Beschluss vom 30. März 2010 - 3 StR 69/10 aaO).
11
Der neue Tatrichter wird bei der Prüfung von Hang und Gefährlichkeit auch in den Blick zu nehmen haben, dass der Angeklagte nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 13. Juni 2006 bis zu den im Dezember 2016 und Mai 2017 begangenen Anlasstaten nicht mit Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern in Erscheinung getreten ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 476/18
vom
9. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2019:090119B5STR476.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 16. April 2018 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich hat es die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte am 29. August 2017 die ihm unbekannte 21-jährige Nebenklägerin nachmittags auf einem Parkweg, um mit ihr gewaltsam den Geschlechtsverkehr durchzuführen. In Sichtweite zu Wohnhäusern und in unmittelbarer Nähe zu einem belebten Freibad packte er sie von hinten, hielt ihr den Mund zu und zerrte sie hinter ein Gebüsch. Er drückte ihr Gesicht gewaltsam auf den Boden und würgte sie kräftig, um sie am Schreien zu hindern, ihre anfangs heftige Gegenwehr zu unterbinden und sie wehrlos zu machen. Mindestens dreimal würgte er die Geschädigte so kräftig, dass sie keine Luft mehr bekam und in akuter Lebensgefahr schwebte. Als der Angeklagte ein Geräusch hörte, lockerte er seinen Würgegriff, da er von einer Entdeckung seiner Tat ausging. Daraufhin konnte die Nebenklägerin aufspringen und flüchten.
3
2. Die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
3. Der Maßregelausspruch hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB festgestellt. Jedoch hat es einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht tragfähig begründet. Damit entfällt auch die Grundlage für die Prognose, ob der Angeklagte infolge seines Hanges für die Allgemeinheit gefährlich ist.
5
a) Das Merkmal des Hangs verlangt – was das Landgericht im Ausgangspunkt nicht verkennt – nach der ständigen Rechtsprechung einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Der Hang als „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 195 f.; Beschlüsse vom 27. September 1994 – 4 StR 528/94, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 8; vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f.; vom 24. Mai 2017 – 1StR 598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 15 mwN). Sein Vorliegen hat das Tatgericht unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Symptom- und Anlasstaten maßgebenden Umstände festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die zeitliche Verteilung der Straftaten, wobei längere straffreie Zeiträume grundsätzlich gegen einen Hang sprechen (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 598/16, aaO).
6
b) Das Landgericht hat zur Begründung einer Hangtäterschaft des Angeklagten maßgeblich darauf abgestellt, dass hierfür „vor allem die Anzahl der Vorstrafen“ spräche (UA S. 23). Die indizielle Bedeutung der bloßen Anzahl von insgesamt vier Vorstrafen, zu denen der 39-jährige Angeklagte in einem Zeitraum von über 17 Jahren verurteilt worden war, erschließt sich allerdings nicht ohne weiteres und hätte weiterer Darlegung bedurft. Während mit den beiden Vorstrafen aus den Jahren 2003 und 2017 die beiden die formelle Voraussetzung des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB begründenden Symptomtaten geahndet wurden, resultieren die beiden weiteren Vorstrafen aus nicht einschlägigen Vorverurteilungen aus dem Jahr 2000. Die zugrunde liegenden Taten hat das Landgericht nicht näher mitgeteilt und ihnen damit offenbar auch keine Bedeutung als sonstige Beweisanzeichen für eine Hangtäterschaft im Rahmen der Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten beigemessen (vgl. zur Verwertung von Vortaten, die wegen Eintritts der Rückfallverjährung nicht mehr als Symptomtaten herangezogen werden können, BGH, Urteile vom 30. März 1999 – 5StR 563/98, NStZ 1999, 502, 503; vom 18. Februar 2010 – 3 StR 568/09, NStZ-RR 2010, 172, 173; vom 24. Februar 2010 – 2 StR 509/09, NStZ-RR 2010, 238, 239 mwN).
7
4. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das neue Tatgericht zu Feststellungen gelangt, welche die Annahme des Hangs und der Gefährlichkeit des Angeklagten tragen. Über den Maßregelausspruch muss deshalb nochmals verhandelt und entschieden werden.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 598/16
vom
24. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
ECLI:DE:BGH:2017:240517B1STR598.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2016 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Seine dagegen gerichtete, auf verschiedene Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


3
1. Der wegen verschiedener Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorgeahndete Angeklagte lernte im Jahr 2013 die Familie des später geschädigten Kindes L. kennen. Im Verlaufe der Zeit entwickelte sich ein vertrauensvolles Verhältnis zu deren Familie, der die Vorbelastungen des Angeklagten unbekannt waren. Angesichts des Vorhandenseins von zwei jüngeren Geschwistern von L. und der Berufstätigkeit beider Eltern waren diese froh darüber, dass sich der Angeklagte um L. kümmerte, sie in den Kindergarten und zum Turnen brachte sowie mit ihr Spielplätze besuchte.
4
Am Tattag im Dezember 2015 betreute er die zu diesem Zeitpunkt sechsjährige L. in seiner Wohnung. Während sich beide in seinem Schlafzimmer aufhielten, fragte er das Kind, ob L. seinen Penis sehen und in die Hand nehmen wolle. Der Angeklagte entblößte sein Glied und forderte L. auf, dieses in den Mund zu nehmen. L. berührte den Penis jedoch lediglich kurz mit den Lippen. Anschließend forderte er L. auf, sich zu entkleiden und auf sein Bett zu krabbeln, um sich dort in den „Vierfüßlerstand“ zu begeben. Nach- dem der Penis des Angeklagten erigiert war, führte er diesen von hinten zwischen die Schamlippen und drang bis in den Scheidenvorhof des Kindes ein. Als L. erklärte, dies sei ihr unangenehm, ließ er von ihr ab. Er begab sich ins Badezimmer, wo er bei geöffneter Badezimmertür bis zum Samenerguss onanierte , was von L. beobachtet wurde. Seiner Aufforderung, die Reste des noch an seinem Penis befindlichen Ejakulats abzulecken, kam das Kind nicht nach. L. offenbarte ihren Eltern das Geschehene unmittelbar, nachdem diese sie bei dem Angeklagten abgeholt hatten.
5
Das Missbrauchsgeschehen hat bei L. zu gravierenden, im landgerichtlichen Urteil näher dargelegten psychischen Beeinträchtigungen geführt, die eine längerfristige Therapie bei einer Kinder- und Jugendpsychologin erforderlich machen.
6
2. Das Landgericht hat die Tat als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gewertet. Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB hat es auf frühere Verurteilungen des Angeklagten wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gestützt. Dabei handelt es sich um eine 1991 verübte Tat des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, eine 1995 zur Verurteilung wegen Nötigung in Tateinheit u.a. mit Körperverletzung (erzwungener nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr) führende Tat zu Lasten seiner zweiten (damaligen) Ehefrau und um eine 2001 erfolgte Verurteilung wegen Vergewaltigung zum Nachteil seiner dritten, zum Tatzeitpunkt bereits von ihm geschiedenen Ehefrau zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Diese Freiheitsstrafe ist von dem Angeklagten fast vollständig verbüßt worden.
7
Die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB) stützt das Landgericht vor allem auf das bisherige „sexual- strafrechtliche Vorleben“ des Angeklagten.

II.


8
Die Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet.
9
1. Der Schuldspruch lässt keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten erkennen.
10
a) Die gegen den Schuldspruch gerichteten Verfahrensbeanstandungen dringen nicht durch.
11
aa) Die Rüge der Verletzung von „§ 338 Nr. 7 i.V.m. § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 StPO“ ist nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt. Für diese Verfahrensbeanstandung hätte in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen werden müssen, dass das von allen Berufsrichtern unterschriebene oder ggf. mit einem Verhinderungsvermerk (§ 275 Abs. 2 StPO) versehene Urteil nicht innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gelangt ist. An einem solchen Vortrag fehlt es. Die Revision stützt sich allein darauf, dass ihr – vor einer erneuten Zustellung – eine Urteilsausfertigung übersandt worden sei, die nicht mit der Urteilsurschrift übereinstimme. Dieser Vortrag beinhaltet keine den behaupteten Verfahrensfehler tragenden tatsächlichen Umstände. Im Übrigen wäre die Beanstandung aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen in der Sache erfolglos. Das Urteil ist einschließlich zweier Unterschriften und einem Verhinderungsvermerk am 27. Juli 2016 und damit am letzten Tag der hier maßgeblichen Absetzungsfrist vollständig zu den Akten gelangt.
12
bb) Soweit davon auszugehen ist, dass mit der nach erneuter Zustellung einer Urteilsausfertigung an die Verteidigung erfolgten Revisionsbegründungsschrift an den bereits mit der früheren Begründungsschrift vom 23. Juni 2016 implizit erhobenen Verfahrensbeanstandungen festgehalten werden soll, wäre die dortige Rüge einer Verletzung von § 257c StPO jedenfalls nicht zulässig ausgeführt. Bereits die Angriffsrichtung ist unklar. Nach dem Vortrag der Revision bleibt offen, ob eine Verletzung von § 257c StPO wegen einer sog. informellen Absprache (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21 ff. und vom 10. September 2014 – 5 StR 351/14, StV 2015, 153) geltend gemacht oder lediglich ein Verstoß gegen die allgemeine Verfahrensfairness (Art. 6 Abs. 1 EMRK) beanstandet werden soll. Für beide Rügen wäre es zudem erforderlich gewesen mitzuteilen, wie die übrigen Verfahrensbeteiligten auf die von der Revision behaupteten Äußerungen des Vorsitzenden über die möglichen Rechtsfolgen der Straftat reagiert haben.
13
cc) Mit der ebenfalls in der Revisionsbegründungsschrift vom 23. Juni 2016 enthaltenen Rüge, der Angeklagte habe ein Eindringen in den Scheidenvorhof von L. nicht gestanden, stellt sich die Revision erfolglos gegen die anderslautenden tatgerichtlichen Feststellungen. Eine Rekonstruktion des Inhalts der Hauptverhandlung ist dem Senat verwehrt (vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, juris Rn. 55).
14
dd) Soweit mit den Ausführungen in der Begründungsschrift vom 23. Juni 2016, aus dem verlesenen Gutachten der „Rechtsmedizin H. “ ergebe sich, dass der Angeklagte die Geschädigte L. nicht penetriert habe, eine Verletzung von § 261 StPO gerügt werden soll, ist die Beanstandung nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Form erhoben. Die Revision teilt weder den Inhalt des Gutachtens noch die näheren Umstände seiner Verlesung in der Hauptverhandlung mit.
15
b) Auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht ist der Schuldspruch nicht zu beanstanden.
16
Die dazu getroffenen Feststellungen hat das Landgericht auf das Geständnis des Angeklagten gestützt, das es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als vollumfänglich glaubhaft bewertet hat. Das davon umfasste Vordringen bis in den Scheidenvorhof von L. trägt die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl.
BGH, Beschluss vom 27. März 2014 – 1 StR 106/14, NStZ-RR 2014, 208 mwN).
17
2. Der Strafausspruch lässt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Angesichts der erheblichen Vorahndungen des Angeklagten wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und vor allem wegen der gravierenden verschuldeten Tatfolgen für das geschädigte Kind löst sich die verhängte Strafe ersichtlich nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.

III.


18
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
19
1. Das Landgericht hat zwar die formellen Anordnungsvoraussetzungen gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB ohne Rechtsfehler angenommen.
20
2. Dagegen wird die erforderliche Hangtäterschaft i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht tragfähig belegt.
21
a) Das Merkmal „Hang“ verlangt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer festen eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (etwa BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 195 f.; Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f. mwN; Urteile vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Rn. 29 [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 5. April 2017 – 1StR 621/16, juris Rn. 10). Der Hang als eingeschliffenes Verhaltensmuster bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festzustellenden gegenwärtigen Zustand (BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; Beschlüsse vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203 und vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f.; Urteil vom 28. April 2015 – 1 StR 594/14, juris Rn. 29 [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]; siehe auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 3 StR 399/09; zu den für den Hang bedeutsamen Kriterien näher Rissing-van Saan/Peglau in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 3, § 66 Rn. 126 ff.).
22
Bei dem „Hang“ handelt es sich um einen der gerichtlichen Würdigung unterliegenden Rechtsbegriff, in Bezug auf den die Beurteilung seines Vorliegens nicht einem Sachverständigen überantwortet werden darf. Die gerichtliche Würdigung ist anhand einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten , der Symptom- und Anlasstaten unter Einbeziehung aller objektiven und subjektiven Umstände vorzunehmen (BGH, Urteil vom 5. April 2017 – 1 StR 621/16, juris Rn. 10, Rissing-van Saan/Peglau aaO § 66 Rn. 126 ff. mwN). Von besonderer Bedeutung ist dabei die zeitliche Verteilung der Straftaten, wobei längere straffreie Zeiträume zwar im Grundsatz aber nicht zwingend gegen einen Hang sprechen (BGH aaO; Rissing-van Saan/Peglau aaO § 66 Rn. 131 mwN).
23
b) Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.
24
Zwar hat das Landgericht den Begriff des „Hangs“ im rechtlichen Aus- gangspunkt zutreffend bestimmt. Allerdings fehlt es an einer umfassenden Vergangenheitsbetrachtung , die die Persönlichkeit des Angeklagten und seine frühere Straffälligkeit vollständig in den Blick nimmt. Soweit das Landgericht einen eingeschliffenen inneren Zustand annimmt, der den Angeklagten immer wieder neue erhebliche Sexualstraftaten begehen lässt, erschöpft sich das Urteil – außerhalb der Darstellung der früheren Verurteilungen – in der schlichten Aufzählung von Lebensumständen (UA S. 19, 20), deren Bedeutung für die Beurteilung der Hangtätereigenschaft näherer Darlegung bedurft hätte. Das Abstellen auf die „Gefühlsarmut und fehlende Empathie“, die sich auch gegen- über seinen bisherigen „Sexualopfern“ gezeigt habe, hätte als Grundlage für den Hang näherer Darlegung zumindest im Hinblick auf die jetzige Anlasstat und den 1991 begangenen sexuellen Missbrauch eines Kindes bedurft. Ungeachtet des gravierenden Unrechts- und Schuldgehalts der Anlasstat konnte das Landgericht insoweit nicht ohne Weiteres von Gefühlsarmut und fehlender Empathie ausgehen, weil nach der jeweiligen Weigerung des geschädigten Kindes , den Penis des Angeklagten in den Mund zu nehmen oder später Ejakulatreste vom Penis abzulecken, der Angeklagte von seinen diesbezüglichen Vorhaben abgelassen hat. Gefühlsarmut und fehlende Empathie sind lediglich für die schweren Straftaten zu Lasten von zwei seiner früheren Ehefrauen bereits durch die Schilderung der jeweiligen Tatgeschehen selbst belegt.
25
Die Urteilsgründe lassen zudem nicht in der gebotenen Weise erkennen, dass das Landgericht sich der grundsätzlichen indiziellen Bedeutung längerer Phasen straffreien Lebens bewusst gewesen ist. Dem kommt vorliegend nicht nur im Hinblick auf die zeitlichen Abstände zwischen den früheren Verurteilungen insgesamt Bedeutung zu, sondern auch vor dem Hintergrund der jeweils höchst unterschiedlichen Begehungsweise der Taten des Angeklagten zu Lasten erwachsener Frauen einerseits und den geschädigten Mädchen (Tatbegehungen 1991 und 2015) andererseits. Entgegen dem Gebot, die Hangtäterschaft auf der Grundlage einer (vergangenheitsbezogenen) Gesamtbetrachtung des Täters zu beurteilen, verhält sich das Urteil auch nicht zu den Verläufen und Inhalten der von dem Angeklagten in unterschiedlichen Zusammenhängen durchlaufenen Sexualtherapien.
26
3. Die unzureichende Begründung der Hangtätereigenschaft führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob im Fall einer rechtsfehlerfreien Prognose zukünftiger Gefährlichkeit allein aus dieser auf das Vorliegen eines Hangs i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB geschlossen werden kann, was der Senat ohnehin wegen der vergangenheitsbezogenen Betrachtung beim Hang auf der einen und der Zukunftsperspektive der Gefährlichkeitsprognose auf der anderen Seite für zweifelhaft hält (siehe bereits BGH, Urteil vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Fn. 30 mwN [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]; siehe aber auch BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271, 272). Vorliegend hat das Landgericht , im rechtlichen Ausgangspunkt insoweit an sich zutreffend (BGH, Urteil vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Fn. 30 mwN [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 5. August 2009 – 2 BvR 2098/08 u.a., BVerfGK 16, 98-114, juris Rn. 20), die zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten gerade auch mit seinem Hang begründet (UA S. 20). Da Letzterer aber nicht tragfähig belegt ist, betrifft der Mangel auch die Gefährlichkeitsprognose.
27
Da die Hangtätereigenschaft nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, bedarf es der Aufhebung der zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
28
4. Wegen des Erfolgs der auf die Maßregelanordnung bezogenen Sachrüge kommt es auf die weiteren, allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung betreffenden Verfahrensbeanstandungen nicht an.
29
5. Der rechtsfehlerfreie Strafausspruch (oben II.2.) ist angesichts der kategorialen Unterschiede zwischen Strafe und Maßregel (vgl. näher BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, StV 2017, 29, 31; siehe auch BGH, Urteile vom 24. November 2011 – 4 StR 331/11, NStZ-RR 2012, 156 f. und vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Fn. 23 mwN [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]) von der Aufhebung der Maßregelanordnung nicht betroffen. Eine Konstellation, in der das Tatgericht – entgegen der gesetzlichen Konzeption – eine innere Verknüpfung zwischen Strafe und Maßregel hergestellt hätte, ist nicht gegeben.
30
6. Die erneute Anordnung von Sicherungsverwahrung durch den neuen Tatrichter ist nicht ausgeschlossen. Prognostisch könnte dem Umstand Bedeutung zukommen, dass der Angeklagte die Anlasstat bereits drei Monate, nachdem er mangels weggefallener finanzieller Mittel keine Sexualkontakte zu Prostituierten mehr hatte, ausgeführt hat.
Jäger Bellay Radtke Ri'inBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Jäger Hohoff

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 572/16
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:260417U5STR572.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer,
Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt F. als Verteidiger,
Rechtsanwältin P. als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 7. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerem Raub und vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat im vom Generalbundesanwalt vertretenen Umfang hinsichtlich der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der bereits im Jahr 2003 wegen schweren Raubes in fünf Fällen und schwerer räuberischer Erpressung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilte Angeklagte am 12. Mai 2015 mit einer schwarzen Mütze und einem schwarzem Schal vermummt vor der Hinterausgangstür einer Sparkassenfiliale in Leipzig auf. Als eine Sparkassenangestellte die Tür öffnete, rannte der Angeklagte auf sie zu und richtete den Lauf seiner ungeladenen Schreckschusspistole auf ihren Kopf. Die Zeugin kam zu Fall und erlitt dabei Verletzungen. Der Angeklagte zog sie in die Räumlichkeiten der Sparkasse, in denen sich noch weitere Angestellte befanden, die er ebenfalls mit der Pistole bedrohte. Eine Mitarbeiterin musste den Tresor öffnen. Diesem entnahm der Angeklagte mehr als 40.000 Euro, mit denen er aus der Sparkassenfiliale entkam.
3
2. Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte bereits am 21. Februar 2014 einen Banküberfall verübte und dadurch einen weiteren erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit schwerem Raub und mit vorsätzlicher Körperverletzung beging.

II.


4
1. Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision die Aufhebung des Freispruchs des Angeklagten hinsichtlich des Banküberfalls vom 21. Februar 2014 erstrebt, bleibt ihr der Erfolg versagt. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hält der Freispruch sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
5
2. Demgegenüber hat die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) keinen Bestand.
6
a) Die Begründung des Urteils zur Ablehnung eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist rechtsfehlerhaft.
7
aa) Die Strafkammer stützt die Verneinung eines Hanges des Angeklagten auf die Ausführungen des Sachverständigen. Danach seien die „zum Ausdruck gekommene stereotype Vorgehensweise über einen mehrjährigen Tatzeitraum in der Vergangenheit und die gleichförmige Ausübung der erneuten Taten ... zwar Indizien, die für einen Hang sprechen könnten, gleichwohl sei der Angeklagte keine aggressive und/oder dissoziale Persönlichkeit“ (UA S. 11). Bei ihm finde sich vielmehr eine besondere Bereitschaft, in Krisen- und Überforderungssituationen depressiv zu reagieren. Diese rezidivierende depressive Störung vermöge Tathandlungen „wie die vorliegenden Raubüberfälle“ anzubahnen und zu erklären (UA S. 12).
8
Damit hat die Strafkammer verkannt, dass die Ursache des Hanges für dessen Bejahung unerheblich ist (st. Rspr. BGH, Urteil vom 25. Mai 1971 – 1 StR40/71, BGHSt 24, 160, 161). Dass der Angeklagte an einer rezidivierenden depressiven Störung leidet, steht der Annahme eines Hanges deshalb nicht entgegen. Vielmehr kann sie sogar für diese herangezogen werden.
9
bb) Zudem ist die im Urteil vorgenommene Prüfung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB lückenhaft. In ihrem Rahmen ist eine wertende , auf eine umfassende Vergangenheitsbetrachtung abstellende Feststellung des gegenwärtigen Zustands des Täters erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272, 273). Das Tatgericht hat sich in diesem Zusammenhang auch mit den Vorverurteilungen und den Umständen , unter denen es zu diesen wie auch zu den verfahrensgegenständlichen Taten gekommen ist, auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2004 – 5 StR 130/04, NStZ 2005, 265). An einer derartigen umfassenden Vergangenheitsbetrachtung fehlt es hier. Das Landgericht hat es unterlassen, die Vortaten des Angeklagten und die ihn bei diesen Taten bewegenden Gründe inhaltlich darzulegen, obgleich der Sachverständige hierauf ausdrücklich Bezug genommen hat (UA S. 12).
10
b) Die Ansicht der Strafkammer, bei den (möglicherweise) zu prognostizierenden weiteren Raubtaten handle es sich nicht um erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
aa) Das Landgericht orientiert sich bei seiner Entscheidung an einem Beschluss des Senates vom 24. Januar 2012 (5 StR 535/11). Es berücksichtigt dabei nicht, dass sich diese Entscheidung auf den Rechtszustand nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Sicherungsverwahrung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 128, 326) bezieht. Nach der vom Bundesverfassungsgericht damals getroffenen Weitergeltungsanordnung durfte § 66 StGB nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung weiter angewandt werden (vgl. BVerfGE aaO, S. 406, Rn. 172); in der Regel war der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur unter der Voraussetzung gewahrt, dass „eine Gefahr schwerer Gewalt und/oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten“ war. Dies stellte eine Einschränkung gegenüber den Taten dar, die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB als „erhebliche Straftaten“ zu werten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 – 3 StR 208/11, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit

1).


12
Der Senat kann offenlassen, ob Raubtaten der vom Angeklagten begangenen Art, diesen strengen Maßstäben genügen würden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – 5 StR 431/12, BGHSt 58, 62, 70 mwN).
Denn diese erhöhten Anforderungen finden auf den vorliegenden Fall keine Anwendung mehr, weil die Tat am 12. Mai 2015 und damit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I 2425) am 1. Juni 2013 begangen wurde. Mit der Schaffung des § 66c StGB durch dieses Gesetz wurde den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen , die sich ausdrücklich auf die Ausgestaltung der Unterbringung der Sicherungsverwahrung und den vorhergehenden Strafvollzug, nicht aber auf die formellen und materiellen Anordnungsvoraussetzungen des § 66 StGB bezogen. Damit ist auch der Grund für die über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung entfallen. Nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes bestehen gegen die Gültigkeit und die Verfassungsmäßigkeit von § 66 Abs. 1 StGB keine Bedenken mehr (BGH, Urteile vom 24. Oktober 2013 – 4 StR 124/13, NJW 2013, 3735, 3736; vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14, NStZ 2015, 208, 209). Anders als bei Taten, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeurteilt, aber bereits vor dem 1. Juni 2013 begangen wurden, besteht kein Anlass, die erhöhten Voraussetzungen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten weitergelten zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 aaO mwN).
13
bb) Maßstab für die Gefährlichkeitsprüfung nach § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist demnach, ob der Täter infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn aufgrund des bei ihm bestehenden Hanges die bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2002 – 4 StR 416/02, NStZ-RR 2003, 108). Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung der Op- fer. Bezugspunkt sind danach die wahrscheinlichen Folgen der zu erwartenden Straftaten.
14
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte, der sich seiner Opfer zudem im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB bemächtigt hat, diese mit einer täuschend echt wirkenden Schreckschusspistole mit dem Tode bedroht. Dass die Waffe nicht geladen war, wussten die Opfer in der Tatsituation nicht. Der Umstand, dass die Bankangestellten im Hinblick auf solche Überfälle geschult sind, vermag ihnen für sich genommen weder die Angst zu nehmen, möglicherweise – geplant oder aufgrund unglücklicher Umstände – erschossen zu werden, noch bietet die Schulung eine Gewähr dafür, dass etwaige Banküberfälle tatsächlich ohne erhebliche psychische Folgen für die Bankangestellten bleiben. Auch Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben können über die Beeinträchtigung des seelischen Gleichgewichts hinaus körperliche oder nachhaltige psychische Folgen mit Krankheitswert nach sich ziehen, die ungeachtet der objektiven Ungefährlichkeit des Tatmittels entstehen können (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2012 aaO). Solche erheblichen psychischen und auch körperlichen Folgen sind bei der Geschädigten Fa. auch tatsächlich eingetreten.
15
3. Der Senat schließt aus, dass eine etwaige Maßregelanordnung Auswirkungen auf die verhängte Strafe gehabt hätte.
Mutzbauer Sander Schneider
Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR382/13
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
6. Mai 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 15. März 2013, soweit es ihn betrifft, im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen griff der Angeklagte, der als Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt W. einsaß, zusammen mit dem Mitangeklagten S. einen Mitgefangenen an. Er stieß ihm ein Messer in den Rücken und verletzte ihn bei dem Versuch, nochmals zuzustechen, am Arm. Anschließend trat er zusammen mit dem Mitangeklagten mehrfach auf den am Boden liegenden Geschädigten ein.
3
Der Maßregelausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 und § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB festgestellt und die im vorliegenden Fall fortgeltenden erhöhten Anforderungen an die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326) gesehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2014 - 5 StR 563/13, NJW 2014, 1316; Beschluss vom 17. April 2014 - 3 StR 355/13, juris). Hingegen hat das Landgericht einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht tragfähig begründet. Dieses Merkmal verlangt nach der ständigen Rechtsprechung einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster" bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Sein Vorliegen hat der Tatrichter - nach sachverständiger Beratung - unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände in eigener Verantwortung festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 StR 399/09, juris; Beschluss vom 27. September 1994 - 4 StR 528/94, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 8). Diese Würdigung bedarf in den Fällen von § 66 Abs. 2 und § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB, bei denen Vortaten und Vorverbüßungen fehlen, besonderer Sorgfalt (BGH, Beschlüsse vom 30. März 2010 - 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203; vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11, juris Rn. 5).
4
Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Es teilt im Anschluss an den gehörten Sachverständigen mit, der Angeklagte entspreche auf der Grundlage der Kriteriensammlung von Habermeyer/Saß (Nervenarzt 2004, 1061, 1066 f.) bei einer Gesamtschau "keiner ganz typisch psychiatrisch zu identifizierenden Fallkonstellation eines Hangtäters", er erfülle einen Großteil ("zehn von elf", keine Psychopathie; UA S. 76), aber nicht alle Merkmale, die aus psychiatrischer Sicht für einen Hangtäter typisch seien (UA S. 72). Zwar befasst sich das Landgericht im Folgenden mit einzelnen der in dem besagten Katalog genannten Kriterien und gleicht sie mit der Persönlichkeit des Angeklagten und seinen früheren Straftaten ab; indes bleibt offen, worin genau sich die Persönlichkeit des Angeklagten aufgrund der fehlenden Psychopathie von derjenigen eines "typischen Hangtäters" unterscheidet und warum trotz dieser Unterschiede ein Hang des Angeklagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zu bejahen ist.
5
Dieser Mangel wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass sich das Landgericht zur Begründung des Hanges auf die vom Sachverständigen referierten Ergebnisse der Anwendung mehrerer statistischer Prognoseinstrumente auf den Angeklagten stützt, ohne dabei allerdings in den Blick zu nehmen, dass diese Prognoseinstrumente maßgeblich nicht der Beurteilung des Hangs des Täters zur Begehung von Straftaten, sondern der Einschätzung seiner künftigen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit dienen sollen (zur Differenzierung zwischen diesen beiden Anordnungsvoraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 - 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196). Insoweit braucht sich der Senat auch hier nicht näher mit der Frage zu befassen, ob es grundsätzlich zulässig ist, aus einer Gefährlichkeitsprognose auf den Hang des Täters zur Begehung von Straftaten rückzuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2007 - 3 StR 341/07, StV 2008, 301, 302; vgl. demgegenüber etwa BGH, Urteil vom 11. Mai 2005 - 1 StR 37/05, BGHSt 50, 121, 132: naheliegend, dass die Feststellung der Gefährlichkeitsprognose im Regelfall auf das Vorliegen eines Hangs hindeutet; BGH, Urteil vom 20. Februar 2002 - 2 StR 486/01, juris Rn. 8: Bejahung der Gefährlichkeitsprognose unvereinbar mit dem Schluss, bei dem Täter liege kein "Hang" zur Begehung von Straftaten vor). Denn selbst wenn dieser Schluss regelmäßig gerechtfertigt sein sollte, so bedarf das Ergebnis statistischer Bewertung der Gefährlichkeit des Täters gerade dann, wenn es auch zum Beleg seines Hanges zur Begehung von Straftaten herangezogen werden soll, stets des konkreten Abgleichs mit dem individuell zu beurteilenden Angeklagten und seinen früheren Taten. Dies bleibt aus den schon aufgezeigten Gründen in dem angefochtenen Urteil lückenhaft, denn gerade wenn es sich bei dem Angeklagten um einen untypischen Fall handelt, bedarf die Aussagekraft rein statistischer Prognoseinstrumente schon für sich besonders gründlicher Prüfung, insbesondere aber der kritischen Gegenüberstellung mit der konkreten Analyse der Persönlichkeit des Angeklagten und seinen früheren Taten. Daran mangelt es; denn auch nach der Darstellung der einzelnen Prognoseinstrumente bleibt für das Landgericht das Fazit, dass der Angeklagte kein ganz typischer Hangtäter sei (UA S. 76). Eine Erläuterung der Unterschiede zum "typischen Hangtäter" und deren Unerheblichkeit für das Vor- liegen eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB unterbleibt auch hier.
6
Über den Maßregelausspruch ist deshalb nochmals zu verhandeln und zu entscheiden.
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 87/11
vom
25. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. Mai 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. Oktober 2010 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen, Vergewaltigung und versuchter Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge, mit welcher die Ablehnung von Beweisanträgen auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich der Nebenklägerin sowie eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin beanstandet wird, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Zur Begründung seines Beweisbegehrens hat sich der Verteidiger des Angeklagten in dem in der Hauptverhandlung am 25. August 2010 gestellten Beweisantrag auf die von der Zeugin F. übergebenen Krankenunterlagen und in dem Wiederholungsantrag vom 12. Oktober 2010 u.a. auf den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen der Nebenklägerin am 27. Januar und 9. Februar 2010 bezogen. Die Revision versäumt es, den Inhalt der Krankenunterlagen sowie der Protokolle der beiden polizeilichen Vernehmungen vollständig mitzuteilen.
3
2. Der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Die auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aF gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung hält einer rechtlichen Prüfung schon deshalb nicht stand, weil die Urteilsgründe eine Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nicht erkennen lassen.
4
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aF liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, dessen Entscheidung einer revisionsgerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich ist. Um eine Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf Ermessensfehler durch das Revisionsgericht zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe sowohl erkennen lassen, dass sich der Tatrichter seiner Entscheidungsbefugnis bewusst war, als auch nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er von ihr in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2009 - 5 StR 351/09, NStZ-RR 2010, 43; vom 21. August 2003 - 3 StR 251/03, NStZ-RR 2004, 12; Urteil vom 9. Juni 1999 - 3 StR 89/99, NStZ 1999, 473; vgl. auch Urteil vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10 Rn 13 zu § 66 Abs. 2 StGB aF). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Urteilsausführungen beschränken sich allein darauf, die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aF festzustellen. Ihnen ist weder zu entnehmen, dass die Strafkammer ihr Ermessen überhaupt betä- tigt hat, noch legen sie die für eine möglicherweise getroffene Ermessensentscheidung maßgeblich gewesenen Erwägungen näher dar.
5
3. Für die neuerliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung weist der Senat auf Folgendes hin:
6
a) Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nF) verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juni 2010 - 4 StR 474/09, NStZ-RR 2011, 143, 145). Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster", bei dem es sich um einen Rechtsbegriff handelt, der als solcher dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 436/09, NStZ 2010, 586), bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt - nach sachverständiger Beratung - unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgeblichen Umstände dem Richter in eigener Verantwortung (BGH, Beschluss vom 30. März 2010 - 3 StR 69/10, StV 2010, 484; Urteile vom 15. Februar 2011 - 1 StR 645/10 Rn. 5; vom 17. Dezember 2009 - 3 StR 399/09).
7
b) Hangtätereigenschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind keine identischen Merkmale. Das Gesetz differenziert zwischen beiden Begriffen sowohl in § 66 Abs. 1 Nr. 3 aF (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nF) als auch in § 67d Abs. 3 StGB aF. Der Hang ist nur ein wesentliches Kriterium der Prog- nose. Während der Hang einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand bezeichnet, schätzt die Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hanges erheblichen Straftaten enthalten kann oder nicht (BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 - 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; Beschluss vom 30. März 2010 - 3 StR 69/10 aaO; Urteil vom 15. Februar 2011 - 1 StR 645/10 Rn. 7).
8
c) Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aF wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer die Anforderungen zu beachten haben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 - für die befristete weitere Anwendung dieser Norm aufgestellt hat (vgl. Rn. 172 der Entscheidung). Ernemann RiBGH Dr. Franke ist Mutzbauer erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 598/16
vom
24. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes
ECLI:DE:BGH:2017:240517B1STR598.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2016 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Seine dagegen gerichtete, auf verschiedene Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


3
1. Der wegen verschiedener Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorgeahndete Angeklagte lernte im Jahr 2013 die Familie des später geschädigten Kindes L. kennen. Im Verlaufe der Zeit entwickelte sich ein vertrauensvolles Verhältnis zu deren Familie, der die Vorbelastungen des Angeklagten unbekannt waren. Angesichts des Vorhandenseins von zwei jüngeren Geschwistern von L. und der Berufstätigkeit beider Eltern waren diese froh darüber, dass sich der Angeklagte um L. kümmerte, sie in den Kindergarten und zum Turnen brachte sowie mit ihr Spielplätze besuchte.
4
Am Tattag im Dezember 2015 betreute er die zu diesem Zeitpunkt sechsjährige L. in seiner Wohnung. Während sich beide in seinem Schlafzimmer aufhielten, fragte er das Kind, ob L. seinen Penis sehen und in die Hand nehmen wolle. Der Angeklagte entblößte sein Glied und forderte L. auf, dieses in den Mund zu nehmen. L. berührte den Penis jedoch lediglich kurz mit den Lippen. Anschließend forderte er L. auf, sich zu entkleiden und auf sein Bett zu krabbeln, um sich dort in den „Vierfüßlerstand“ zu begeben. Nach- dem der Penis des Angeklagten erigiert war, führte er diesen von hinten zwischen die Schamlippen und drang bis in den Scheidenvorhof des Kindes ein. Als L. erklärte, dies sei ihr unangenehm, ließ er von ihr ab. Er begab sich ins Badezimmer, wo er bei geöffneter Badezimmertür bis zum Samenerguss onanierte , was von L. beobachtet wurde. Seiner Aufforderung, die Reste des noch an seinem Penis befindlichen Ejakulats abzulecken, kam das Kind nicht nach. L. offenbarte ihren Eltern das Geschehene unmittelbar, nachdem diese sie bei dem Angeklagten abgeholt hatten.
5
Das Missbrauchsgeschehen hat bei L. zu gravierenden, im landgerichtlichen Urteil näher dargelegten psychischen Beeinträchtigungen geführt, die eine längerfristige Therapie bei einer Kinder- und Jugendpsychologin erforderlich machen.
6
2. Das Landgericht hat die Tat als schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gewertet. Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB hat es auf frühere Verurteilungen des Angeklagten wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gestützt. Dabei handelt es sich um eine 1991 verübte Tat des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, eine 1995 zur Verurteilung wegen Nötigung in Tateinheit u.a. mit Körperverletzung (erzwungener nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr) führende Tat zu Lasten seiner zweiten (damaligen) Ehefrau und um eine 2001 erfolgte Verurteilung wegen Vergewaltigung zum Nachteil seiner dritten, zum Tatzeitpunkt bereits von ihm geschiedenen Ehefrau zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Diese Freiheitsstrafe ist von dem Angeklagten fast vollständig verbüßt worden.
7
Die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB) stützt das Landgericht vor allem auf das bisherige „sexual- strafrechtliche Vorleben“ des Angeklagten.

II.


8
Die Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO), soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet.
9
1. Der Schuldspruch lässt keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten erkennen.
10
a) Die gegen den Schuldspruch gerichteten Verfahrensbeanstandungen dringen nicht durch.
11
aa) Die Rüge der Verletzung von „§ 338 Nr. 7 i.V.m. § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 StPO“ ist nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt. Für diese Verfahrensbeanstandung hätte in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen werden müssen, dass das von allen Berufsrichtern unterschriebene oder ggf. mit einem Verhinderungsvermerk (§ 275 Abs. 2 StPO) versehene Urteil nicht innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gelangt ist. An einem solchen Vortrag fehlt es. Die Revision stützt sich allein darauf, dass ihr – vor einer erneuten Zustellung – eine Urteilsausfertigung übersandt worden sei, die nicht mit der Urteilsurschrift übereinstimme. Dieser Vortrag beinhaltet keine den behaupteten Verfahrensfehler tragenden tatsächlichen Umstände. Im Übrigen wäre die Beanstandung aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen in der Sache erfolglos. Das Urteil ist einschließlich zweier Unterschriften und einem Verhinderungsvermerk am 27. Juli 2016 und damit am letzten Tag der hier maßgeblichen Absetzungsfrist vollständig zu den Akten gelangt.
12
bb) Soweit davon auszugehen ist, dass mit der nach erneuter Zustellung einer Urteilsausfertigung an die Verteidigung erfolgten Revisionsbegründungsschrift an den bereits mit der früheren Begründungsschrift vom 23. Juni 2016 implizit erhobenen Verfahrensbeanstandungen festgehalten werden soll, wäre die dortige Rüge einer Verletzung von § 257c StPO jedenfalls nicht zulässig ausgeführt. Bereits die Angriffsrichtung ist unklar. Nach dem Vortrag der Revision bleibt offen, ob eine Verletzung von § 257c StPO wegen einer sog. informellen Absprache (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21 ff. und vom 10. September 2014 – 5 StR 351/14, StV 2015, 153) geltend gemacht oder lediglich ein Verstoß gegen die allgemeine Verfahrensfairness (Art. 6 Abs. 1 EMRK) beanstandet werden soll. Für beide Rügen wäre es zudem erforderlich gewesen mitzuteilen, wie die übrigen Verfahrensbeteiligten auf die von der Revision behaupteten Äußerungen des Vorsitzenden über die möglichen Rechtsfolgen der Straftat reagiert haben.
13
cc) Mit der ebenfalls in der Revisionsbegründungsschrift vom 23. Juni 2016 enthaltenen Rüge, der Angeklagte habe ein Eindringen in den Scheidenvorhof von L. nicht gestanden, stellt sich die Revision erfolglos gegen die anderslautenden tatgerichtlichen Feststellungen. Eine Rekonstruktion des Inhalts der Hauptverhandlung ist dem Senat verwehrt (vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, juris Rn. 55).
14
dd) Soweit mit den Ausführungen in der Begründungsschrift vom 23. Juni 2016, aus dem verlesenen Gutachten der „Rechtsmedizin H. “ ergebe sich, dass der Angeklagte die Geschädigte L. nicht penetriert habe, eine Verletzung von § 261 StPO gerügt werden soll, ist die Beanstandung nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Form erhoben. Die Revision teilt weder den Inhalt des Gutachtens noch die näheren Umstände seiner Verlesung in der Hauptverhandlung mit.
15
b) Auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht ist der Schuldspruch nicht zu beanstanden.
16
Die dazu getroffenen Feststellungen hat das Landgericht auf das Geständnis des Angeklagten gestützt, das es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als vollumfänglich glaubhaft bewertet hat. Das davon umfasste Vordringen bis in den Scheidenvorhof von L. trägt die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl.
BGH, Beschluss vom 27. März 2014 – 1 StR 106/14, NStZ-RR 2014, 208 mwN).
17
2. Der Strafausspruch lässt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Angesichts der erheblichen Vorahndungen des Angeklagten wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und vor allem wegen der gravierenden verschuldeten Tatfolgen für das geschädigte Kind löst sich die verhängte Strafe ersichtlich nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.

III.


18
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
19
1. Das Landgericht hat zwar die formellen Anordnungsvoraussetzungen gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB ohne Rechtsfehler angenommen.
20
2. Dagegen wird die erforderliche Hangtäterschaft i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht tragfähig belegt.
21
a) Das Merkmal „Hang“ verlangt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer festen eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (etwa BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 195 f.; Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f. mwN; Urteile vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Rn. 29 [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz] und vom 5. April 2017 – 1StR 621/16, juris Rn. 10). Der Hang als eingeschliffenes Verhaltensmuster bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festzustellenden gegenwärtigen Zustand (BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; Beschlüsse vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203 und vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f.; Urteil vom 28. April 2015 – 1 StR 594/14, juris Rn. 29 [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]; siehe auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 3 StR 399/09; zu den für den Hang bedeutsamen Kriterien näher Rissing-van Saan/Peglau in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 3, § 66 Rn. 126 ff.).
22
Bei dem „Hang“ handelt es sich um einen der gerichtlichen Würdigung unterliegenden Rechtsbegriff, in Bezug auf den die Beurteilung seines Vorliegens nicht einem Sachverständigen überantwortet werden darf. Die gerichtliche Würdigung ist anhand einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten , der Symptom- und Anlasstaten unter Einbeziehung aller objektiven und subjektiven Umstände vorzunehmen (BGH, Urteil vom 5. April 2017 – 1 StR 621/16, juris Rn. 10, Rissing-van Saan/Peglau aaO § 66 Rn. 126 ff. mwN). Von besonderer Bedeutung ist dabei die zeitliche Verteilung der Straftaten, wobei längere straffreie Zeiträume zwar im Grundsatz aber nicht zwingend gegen einen Hang sprechen (BGH aaO; Rissing-van Saan/Peglau aaO § 66 Rn. 131 mwN).
23
b) Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.
24
Zwar hat das Landgericht den Begriff des „Hangs“ im rechtlichen Aus- gangspunkt zutreffend bestimmt. Allerdings fehlt es an einer umfassenden Vergangenheitsbetrachtung , die die Persönlichkeit des Angeklagten und seine frühere Straffälligkeit vollständig in den Blick nimmt. Soweit das Landgericht einen eingeschliffenen inneren Zustand annimmt, der den Angeklagten immer wieder neue erhebliche Sexualstraftaten begehen lässt, erschöpft sich das Urteil – außerhalb der Darstellung der früheren Verurteilungen – in der schlichten Aufzählung von Lebensumständen (UA S. 19, 20), deren Bedeutung für die Beurteilung der Hangtätereigenschaft näherer Darlegung bedurft hätte. Das Abstellen auf die „Gefühlsarmut und fehlende Empathie“, die sich auch gegen- über seinen bisherigen „Sexualopfern“ gezeigt habe, hätte als Grundlage für den Hang näherer Darlegung zumindest im Hinblick auf die jetzige Anlasstat und den 1991 begangenen sexuellen Missbrauch eines Kindes bedurft. Ungeachtet des gravierenden Unrechts- und Schuldgehalts der Anlasstat konnte das Landgericht insoweit nicht ohne Weiteres von Gefühlsarmut und fehlender Empathie ausgehen, weil nach der jeweiligen Weigerung des geschädigten Kindes , den Penis des Angeklagten in den Mund zu nehmen oder später Ejakulatreste vom Penis abzulecken, der Angeklagte von seinen diesbezüglichen Vorhaben abgelassen hat. Gefühlsarmut und fehlende Empathie sind lediglich für die schweren Straftaten zu Lasten von zwei seiner früheren Ehefrauen bereits durch die Schilderung der jeweiligen Tatgeschehen selbst belegt.
25
Die Urteilsgründe lassen zudem nicht in der gebotenen Weise erkennen, dass das Landgericht sich der grundsätzlichen indiziellen Bedeutung längerer Phasen straffreien Lebens bewusst gewesen ist. Dem kommt vorliegend nicht nur im Hinblick auf die zeitlichen Abstände zwischen den früheren Verurteilungen insgesamt Bedeutung zu, sondern auch vor dem Hintergrund der jeweils höchst unterschiedlichen Begehungsweise der Taten des Angeklagten zu Lasten erwachsener Frauen einerseits und den geschädigten Mädchen (Tatbegehungen 1991 und 2015) andererseits. Entgegen dem Gebot, die Hangtäterschaft auf der Grundlage einer (vergangenheitsbezogenen) Gesamtbetrachtung des Täters zu beurteilen, verhält sich das Urteil auch nicht zu den Verläufen und Inhalten der von dem Angeklagten in unterschiedlichen Zusammenhängen durchlaufenen Sexualtherapien.
26
3. Die unzureichende Begründung der Hangtätereigenschaft führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob im Fall einer rechtsfehlerfreien Prognose zukünftiger Gefährlichkeit allein aus dieser auf das Vorliegen eines Hangs i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB geschlossen werden kann, was der Senat ohnehin wegen der vergangenheitsbezogenen Betrachtung beim Hang auf der einen und der Zukunftsperspektive der Gefährlichkeitsprognose auf der anderen Seite für zweifelhaft hält (siehe bereits BGH, Urteil vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Fn. 30 mwN [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]; siehe aber auch BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271, 272). Vorliegend hat das Landgericht , im rechtlichen Ausgangspunkt insoweit an sich zutreffend (BGH, Urteil vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Fn. 30 mwN [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 5. August 2009 – 2 BvR 2098/08 u.a., BVerfGK 16, 98-114, juris Rn. 20), die zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten gerade auch mit seinem Hang begründet (UA S. 20). Da Letzterer aber nicht tragfähig belegt ist, betrifft der Mangel auch die Gefährlichkeitsprognose.
27
Da die Hangtätereigenschaft nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, bedarf es der Aufhebung der zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
28
4. Wegen des Erfolgs der auf die Maßregelanordnung bezogenen Sachrüge kommt es auf die weiteren, allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung betreffenden Verfahrensbeanstandungen nicht an.
29
5. Der rechtsfehlerfreie Strafausspruch (oben II.2.) ist angesichts der kategorialen Unterschiede zwischen Strafe und Maßregel (vgl. näher BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, StV 2017, 29, 31; siehe auch BGH, Urteile vom 24. November 2011 – 4 StR 331/11, NStZ-RR 2012, 156 f. und vom 28. April 2014 – 1 StR 594/14, juris Fn. 23 mwN [in NStZ-RR 2016, 77 nur redaktioneller Leitsatz]) von der Aufhebung der Maßregelanordnung nicht betroffen. Eine Konstellation, in der das Tatgericht – entgegen der gesetzlichen Konzeption – eine innere Verknüpfung zwischen Strafe und Maßregel hergestellt hätte, ist nicht gegeben.
30
6. Die erneute Anordnung von Sicherungsverwahrung durch den neuen Tatrichter ist nicht ausgeschlossen. Prognostisch könnte dem Umstand Bedeutung zukommen, dass der Angeklagte die Anlasstat bereits drei Monate, nachdem er mangels weggefallener finanzieller Mittel keine Sexualkontakte zu Prostituierten mehr hatte, ausgeführt hat.
Jäger Bellay Radtke Ri'inBGH Dr. Fischer ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Jäger Hohoff

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 5 9 4 / 1 4
vom
28. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. April
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 16. Juni 2014 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt worden ist. 2. Der Strafausspruch des vorgenannten Urteils wird klarstellend dahingehend gefasst, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt ist. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit einem Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie wegen eines weiteren Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht – dem Wortlaut des Tenors nach – zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat es abgelehnt. Auch die Anordnung einer weiteren Führungsaufsicht hat der Tatrichter nicht für veranlasst gehalten.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf das Unterbleiben der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Bei dem Angeklagten besteht eine Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Pädophilie (ICD-10 F65.4), die nach der Wertung der sachverstän- dig beratenen Strafkammer aber nicht als „fixierte pädosexuelle Deviation“ zu begreifen sei (UA S. 33). Er ist seit 1994 mehrfach wegen Sexualstraftaten zu Lasten von Kindern, vor allem Jungen, verurteilt worden. Im Einzelnen ist dazu Folgendes festgestellt:
5
a) Im Dezember 1994 wurde der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung, verurteilt. Dem lag zugrunde, dass der Angeklagte vor zwei sechs und sieben Jahre alten Mädchen, die er zu beaufsichtigen übernommen hatte, sich am Unterkörper vollständig entkleidete, Onanierbewegun- gen ausführte und die Mädchen dazu veranlasste, seinen Penis anzufassen. Straferlass war im März 1998 eingetreten.
6
b) Die zweite Verurteilung erfolgte im Dezember 2000 wegen „sexuellen Missbrauchs von Kindern, drei rechtlich zusammentreffenden Fällen des Missbrauchs von Kindern in drei tatmehrheitlichen Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern“. Gegen den Angeklagten wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Dieser Gesamtstrafe lag u.a. eine Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie eine weitere von einem Jahr Freiheitsstrafe zugrunde. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. Nach mehrfacher Verlängerung der Bewährungszeit trat Straferlass im Mai 2006 ein.
7
Der Verurteilung lagen sexuelle Übergriffe auf mehrere Jungen im Alter von zwölf und dreizehn Jahren zugrunde, vor allem auf den im Tatzeitraum zwölfjährigen A. . In einem der verfahrensgegenständlichen Fälle versuchte der Angeklagte dem Jungen einen Zungenkuss zu geben. Dies blieb jedoch erfolglos. Anschließend zog der Angeklagte dem Jungen Hose und Unterhose herunter, umfasste dessen Geschlechtsteil und masturbierte daran. An einem anderen Tag entblößte der Angeklagte wiederum den Unterkörper des Jungen, führte Onanierbewegungen an dessen Penis aus und sodann den Oralverkehr an dem Jungen durch, indem er dessen Geschlechtsteil solange in den Mund nahm, bis der Junge zum Samenerguss kam. Bei anderer Gelegenheit zog der Angeklagte zwei Jungen deren Hosen und Unterhosen aus, um im Anschluss daran vor den Augen des ebenfalls anwesenden A. an deren Geschlechtsteilen zu manipulieren. Das Unterfangen, einem der Jungen einen Zungenkuss zu geben, scheiterte an dessen Gegenwehr. Alle Taten ereigneten sich in der Wohnung des Angeklagten. Die später geschädigten Jun- gen kamen dorthin, weil sie bei dem Angeklagten Computerspiele ausführen durften und er ihnen Geld und Süßigkeiten schenkte.
8
c) Das Amtsgericht Nürnberg verurteilte den Angeklagten im April 2006 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen sowie sexuellen Missbrauchs von zwei Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Eine der zugrunde liegenden Einzelfreiheitsstrafen betrug ein Jahr und sechs Monate, eine weitere ein Jahr. Bei den durch die Straftaten Geschädigten handelte es sich jeweils um Jungen im Alter zwischen neun und dreizehn Jahren.
9
In einem der dort verfahrensgegenständlichen Fälle hatte der Angeklagte den damals neunjährigen Geschädigten, mit dem er „seit ca. zwei Jahren … befreundet“ war (UA S. 10), in den Swimmingpool des Hauses eines Bekannten mitgenommen. Während eines gemeinsamen Nacktbadens hatte der Angeklagte mehrfach an den Penis des Jungen gefasst. Später hatte er sich mit geöffneter Hose auf die Beine des bekleidet auf einem Sofa liegenden Geschädigten gesetzt, dessen Hose und Unterhose nach unten gezogen, das Geschlechtsteil des Jungen angefasst und dieses geküsst. Die übrigen Taten hatten sich in der Wohnung des Angeklagten ereignet. Dem Angeklagten war es gelungen, die Geschädigten dazu zu veranlassen, den Handverkehr an ihm zu vollziehen oder von dem Angeklagten an ihnen vornehmen zu lassen. In einem Fall war es zu wechselseitigem Handverkehr zwischen dem Angeklagten und zwei zehnbzw. dreizehnjährigen Jungen gekommen.
10
Nach Vollverbüßung der genannten Gesamtfreiheitsstrafe trat Führungsaufsicht ein. Mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 setzte die zuständige Straf- vollstreckungskammer die Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre fest. Zudem erteilte sie u.a. folgende Weisungen: „4. Dem Verurteilten wird verboten, Kontakt zu Kindern oder Ju- gendlichen aufzunehmen, insbesondere nicht mit ihnen zu verkehren , sie zu beschäftigen, sie auszubilden oder sie zu beherbergen. 5. Dem Verurteilten wird verboten, sich mit Kindern oder Jugendlichen alleine – ohne Beisein von Vertrauenspersonen der Kinder und Jugendlichen – in abgeschlossenen Räumlichkeiten oder an wenig frequentierten Örtlichkeiten aufzuhalten.“
11
d) Im September 2011 verurteilte das Landgericht München I den Angeklagten wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten. Die Vollstreckung der Strafe wurde für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Die Dauer der Führungsaufsicht verlängerte sich dadurch bis zum 20. September 2015.
12
Der Verurteilung lag eine durch den Angeklagten betriebene Kontaktaufnahme mit einem 13jährigen Jungen zugrunde. Dieser hatte angesichts eines geöffneten Fensters der im Hochparterre gelegenen Wohnung des Angeklagten bemerkt, dass er mit seiner Spielkonsole spielte. Der Angeklagte übergab dem Jungen den zugehörigen Joystick und ließ ihn vom Fensterbrett aus spielen. Das Angebot, in die Wohnung zu kommen, lehnte der Junge ab.
13
2. Zu den hier verfahrensgegenständlichen Taten hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte am Vormittag des 16. August 2013 den damals knapp zehn Jahre alten L. an einem in der Nähe der Wohnung des Angeklagten gelegenen Teich traf. Beide waren sich dort bereits zuvor be- gegnet und ins Gespräch gekommen. Im Keller der Wohnung des Angeklagten fielen L. zahlreiche dort gelagerte Spiele sowie ein noch verpackter „Renn- fahrersitz“ für eine Spielkonsole auf. L. und der Angeklagte verabredeten, den Sitz in dessen Wohnung aufzubauen. Während des Aufbaus zog der Angeklagte wegen der hohen Temperaturen sein Hemd aus. Der an den Jungen gerichteten Aufforderung, sein T-Shirt ebenfalls auszuziehen, kam dieser nicht nach. Vor Abschluss der Aufbauarbeiten erhielt L. um die Mittagszeit einen Anruf von seiner Familie, zum Essen nach Hause zu kommen. Bei der Verabschiedung ergriff der Angeklagte den Jungen unter den Achseln und hob ihn auf seine Augenhöhe hoch. Anschließend gab er L. „einen einige Sekunden dauernden Kuss auf den Mund, bei dem sich jeweils nur ihre Lippen berührten“ (UA S. 14). Zuvor, noch während der Arbeiten an dem Sitz, hatte der Angeklagte , bereits mit freiem Oberkörper, bei gleichzeitiger Umarmung L. auf den Mund geküsst. Die Dauer dieses Kusses war etwas kürzer als bei der Verabschiedung gewesen. L. empfand die Küsse als merkwürdig. Merkliche psychische Beeinträchtigungen bei ihm hat das Landgericht nicht feststellen können.
14
Beide vereinbarten, dass L. nach dem Mittagessen wieder zurückkehren sollte, um den Aufbau des Sitzes abzuschließen. Dazu zeigte der Angeklagte dem Jungen die Wohnungsklingel und riet ihm, zu Hause nicht von ihm, dem Angeklagten, zu erzählen. Eine halbe Stunde später kehrte L. in dessen Wohnung zurück und hielt sich dort für rund eine bis eineinhalb Stunden auf. Zu weiteren sexuell motivierten Berührungen kam es nicht.
15
Entweder während dieses Besuchs oder früherer Besuche von L. hatte der Angeklagte vorgeschlagen, sie könnten gemeinsam zum Poinger See zum Baden gehen. Er plane, ein Schiff mit Fernsteuerung zu kaufen, mit dem dann auch L. spielen könne. Eine Umsetzung des Plans erfolgte nicht mehr.
16
3. Das Landgericht hat das Verhalten des in seiner Schuldfähigkeit nicht eingeschränkten Angeklagten als sexuellen Missbrauch in Tateinheit mit einem Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht sowie einem weiteren Fall eines solchen Verstoßes gewürdigt.
17
Die nicht nur flüchtigen, mit einer Umarmung bzw. dem Hochheben verbundenen Küsse seien angesichts des Fehlens einer engen und vertrauten emotionalen Beziehung zu dem Kind oberhalb der Erheblichkeitsschwelle liegende sexuelle Handlungen im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB. Durch die jeweils auf einem gesonderten Tatentschluss beruhende unbegleitete Mitnahme von L. in die Wohnung des Angeklagten habe dieser in zwei Fällen gegen die Weisung gemäß Ziffer 5 des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 4. Dezember 2007 verstoßen. Die vor dem ersten Verlassen zur Mittagszeit erfolgten sexuellen Handlungen in Gestalt der Küsse auf den Mund stellten sich als einheitlicher Lebenssachverhalt dar, mit dem der Weisungsverstoß in zeitlicher Hinsicht teilidentisch sei. Die erneute Aufnahme des Jungen in die Wohnung nach dem Mittagessen hat das Landgericht als auf einem neuen Tatentschluss beruhend und deshalb als materiell-rechtlich eigenständige Tat gewertet. Ungeachtet der bereits verabredeten Rückkehr habe die zwischenzeitliche Abwesenheit von L. eine Zäsur bedeutet, die dem Angeklagten Anlass gegeben habe, die von ihm geschaffene Situation erneut zu bedenken.
18
Für die Tat gemäß § 176 Abs. 1 in Tateinheit mit § 145a Satz 1 StGB hat es eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, für den weiteren Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht eine solche von einem Jahr. Daraus hat das Landgericht der Sache nach (unten III. Rn. 46) eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten gebildet.

19
4. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB hat es trotz des Vorliegens der formellen Voraussetzungen aus § 66 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. Nr. 1c StGB aus materiellen Gründen abgelehnt. Der Angeklagte weise „unter Gesamtwürdigung seiner Person und seiner Taten gegenwärtig keinen Hang zu erheblichen Straftaten auf, d.h. solchen, durch welche die Op- fer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“ (UA S. 39). Gestützt auf eingeholte Sachverständigengutachten geht das Landgericht davon aus, es bestehe eine mittlere Wahrscheinlichkeit (etwa 50 %) für die zukünftige Begehung von Verstößen gegen das Kontaktaufnahmeverbot sowie von Straftaten wie der verfahrensgegenständlichen (UA S. 40, 44). Diese stellten aber ebenso wie der durch das Landgericht München I 2011 abgeurteilte Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht keine erheblichen Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar (UA S. 44). Die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten mit dem Intensitätsgrad der den Verurteilungen „1999, 2000 und 2005“ zugrundeliegenden Taten liege lediglich bei etwa 25 %.

II.

20
Die auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
21
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Sicherungsverwahrung ist wirksam.
22
a) Schuldspruch und Rechtsfolgenausspruch weisen keine so enge Verbindung auf, dass – ausnahmsweise (näher Paul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 318 Rn. 7a mwN) – eine getrennte Überprüfung des angefoch- tenen Teils nicht möglich wäre. Die getroffenen Feststellungen zu den Taten gemäß § 145a StGB belegen die durch die Weisungsverstöße begründete konkrete Gefährdung des Maßregelzwecks. Einer ausdrücklichen Erwähnung dieser Gefährdung bedurfte es nicht, lag doch in einem der beiden Weisungsverstöße zugleich die Begehung einer neuen Sexualstraftat zu Lasten eines Kindes.
23
b) Innerhalb des Ausspruchs über die Rechtsfolgen besteht zwischen dem Strafausspruch und der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung grundsätzlich keine der Beschränkung entgegenstehende Wechselwirkung (BGH, Urteile vom 10. Oktober 2006 – 1 StR 284/06, NStZ 2007, 212, 213; vom 24. März 2010 – 2 StR 10/10, NStZ-RR 2010, 239; vom 24. November 2011 – 4 StR331/11, NStZ-RR 2012, 156 f.). Ein Ausnahmefall, bei dem auf Grund des Inhalts der Urteilsgründe im konkreten Fall ein innerer Zusammenhang zwischen Strafe und Nichtanordnung der Maßregel nicht auszuschließen ist (siehe dazu BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 – 3 StR 679/93, NStZ 1994, 280, 281), liegt nicht vor. Aus dem Urteil ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Tatgericht die Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe in Abhängigkeit zu der unterbliebenen Maßregelanordnung gebracht hat.
24
Ebenso wenig hat das Landgericht zwischen den Gründen der Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung einerseits und den Erwägungen für das Absehen von der Anordnung einer weiteren Führungsaufsicht (UA S. 45) eine Verknüpfung hergestellt.
25
c) Da die Teilrücknahme des Rechtsmittels, das ursprünglich auch den (Teil-)Freispruch des Angeklagten erfasste, vor Beginn der Revisionshauptverhandlung erklärt worden ist, hing die Wirksamkeit der (weiteren) Beschränkung nicht von der Zustimmung des Angeklagten ab (§ 303 Satz 1 StPO).
26
2. Das Unterbleiben der Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bereits die Bedeutung des „Hanges“ im Sinne von § 66Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht zutreffend erkannt. Zudem mangelt es an der umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände für die Beurteilung, ob von dem Angeklagten zukünftig erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden (Gefährlichkeitsprognose).
27
a) Die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB hat das Landgericht im Hinblick auf die früheren Verurteilungen des Angeklagten und die Vollstreckung der dort verhängten Strafen rechtsfehlerfrei festgestellt.
28
b) Die Begründung, mit der es einen Hang des Angeklagten abgelehnt hat, trägt allerdings nicht.
29
aa) Wie das Landgericht zunächst im rechtlichen Ausgangspunkt nicht verkannt hat, verlangt das Merkmal „Hang“ nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer festen eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (etwa BGH, Urteile vom 25. Februar 1988 – 4 StR 720/87, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 195 f.; Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f. mwN). Der Hang als eingeschliffenes Verhaltensmuster bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand (BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; Beschlüsse vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203; vom 6. Mai 2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 – 3 StR 399/09; zu den für den Hang bedeutsamen Kriterien näher Rissing-van Saan/Peglau in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 3, § 66 Rn. 126 ff.).
30
Von dem Hang bzw. der Hangtätereigenschaft ist die durch § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB ebenfalls geforderte Prognose über die zukünftige Gefährlichkeit des Täters zu trennen; die Merkmale sind nicht identisch (BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; Beschluss vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203 f.; Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 2, § 66 Rn. 99 mwN; siehe auch BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 5. August 2009 – 2 BvR 2098/08 u.a. Rn. 20). Vielmehr bildet der Hang ein wesentliches Krite- rium für die Gefährlichkeitsprognose (Senat, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 275/12, NStZ-RR 2014, 13; vgl. auch BVerfGK 9, 108, 114; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 5. August 2009 – 2 BvR2098/08 u.a., Rn. 20). Diese schätzt die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hangs erheblicher Straftaten enthalten kann oder nicht (BGH jeweils aaO). Nach der Rechtsprechung des Bundesge- richtshofs beeinflusst dabei der Grad der „Eingeschliffenheit“ der Verhaltens- weisen des Täters die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Begehung von Straftaten. Wird die Hangtätereigenschaft festgestellt, ist regelmäßig auch eine ausreichende Wahrscheinlichkeit gegeben; zwingend ist dies jedoch nicht (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 1989 – 3 StR 150/89, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 4; vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; siehe auch BGH, Urteil vom 10. Januar 2007 – 1 StR 530/06, NStZ 2007, 464 Rn. 5).

31
bb) Diese Grundsätze hat das Landgericht verkannt und damit bereits einen rechtsfehlerhaften Maßstab für die Beurteilung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen aus § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB herangezogen. Es hat die Unterschiede zwischen der Hangtätereigenschaft und der ihr zugrundeliegenden Umstände einerseits sowie die Gefährlichkeitsprognose und der für sie maßgeblichen Gesichtspunkte andererseits nicht bedacht. Bei den zur Ablehnung des Hanges des Angeklagten vom Tatgericht herangezogenen Kriterien (Gliederungsziffern F.III.2.-4. der Urteilsgründe, UA S. 40-45 oben) handelt es sich sämtlich um solche, denen für die Prognose über die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftatbegehung des Angeklagten und den Schweregrad („erhebliche Straftaten“) der drohenden Straftaten Bedeutung zukommt. Für die anhand einer vergangenheitsbezogenen Betrachtung vorzunehmende Beurteilung der Hangtätereigenschaft sind sie nicht unmittelbar relevant.
32
Wegen des fehlerhaften Maßstabs mangelt es an tragfähigen Erwägungen , mit denen das Verneinen der Hangtäterschaft des Angeklagten hätte begründet werden können. Damit fehlt zugleich ein wesentliches Kriterium für die Gefährlichkeitsprognose (siehe oben Rn. 30).
33
c) Das Urteil beruht insoweit auch auf dem Rechtsfehler. Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Tatgericht die nicht im Ermessen stehende Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB angeordnet hätte, wenn es die Hangtätereigenschaft anhand eines zutreffenden Maßstabs gewürdigt und das Ergebnis dieser Würdigung in die Gefährlichkeitsprognose einbezogen hätte.
34
aa) Da das Landgericht die angesichts des strafrechtlich relevanten Vorlebens (mindestens mögliche) Hangtätereigenschaft des Angeklagten gar nicht in die Prognose über das zukünftig zu erwartende Legalverhalten einbezogen hat, tragen die sonst in die Prognose eingestellten Erwägungen über die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten des Angeklagten die Verneinung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen nicht. Wie bereits aufgezeigt , ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit der Annahme der Hangtätereigenschaft – wegen der Bedeutung für die Prognose zukünftiger Gefährlichkeit – regelmäßig auch die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten durch den Angeklagten gegeben (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 1989 – 3 StR 150/89, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 4; vom 20. Februar 2002 – 2 StR 486/01, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 6; vom 8. Juli 2005 – 2StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; vom 10. Januar 2007 – 1 StR 530/06, NStZ 2007, 464, 465). Anderes kann gelten, wenn nach der letzten hangbedingten Tat und dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger (erheblicher) Straftaten entfallen lassen (BGH, Urteile vom 20. Februar 2002 – 2 StR 486/01, BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 6; vom 10. Januar 2007 – 1 StR 530/06, NStZ 2007, 464, 465). Solche Umstände sind dem angefochtenen Urteil jedoch nicht zu entnehmen.
35
bb) Es sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, die eine Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB als sicher ausgeschlossen erscheinen lassen. Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen kann die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit selbst ungeachtet des zur Verkürzung der Prognosegrundlage führenden Wertungsfehlers nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
36
(1) Soweit das Landgericht die fehlende Gefährlichkeit des Angeklagten (auch) mit zu erwartenden Erfolgen bei der Therapie des Angeklagten für den Fall der Umstellung auf eine Verhaltenstherapie begründet (siehe UA S. 39, 40, 43 f.), legt es wiederum einen nicht zutreffenden Maßstab zugrunde.
37
Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB kommt es für die Gefährlichkeitsprognose auf den Zeitpunkt der Verurteilung an (näher Senat, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 1 StR 210/13, NStZ-RR 2014, 273; BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14 Rn. 18, NStZ 2015, 208, 209). Angesichts dessen können wäh- rend des Strafvollzugs denkbare Änderungen im Verhalten des Verurteilten oder sonstiger für seine zukünftige Gefährlichkeit bedeutsamer Umstände nur herangezogen werden, wenn dafür konkrete Anhaltspunkte oder tragfähige Gründe dargelegt sind (Senat, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 275/12 Rn. 35; siehe auch Senat, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 1 StR 210/13, NStZRR 2014, 273 sowie BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14 Rn. 18, NStZ 2015, 208, 209 f.). Im Übrigen sind solche möglichen Veränderungen erst im Rahmen der obligatorischen Entscheidung gemäß § 67c Abs. 1 StGB vor dem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.
38
Diesen Maßstäben wird das Tatgericht nicht gerecht, wenn es unter Berufung auf die zu Rate gezogenen Sachverständigen die den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht genügende zukünftige Gefährlichkeit auch mit Erwägungen zu einer empfehlenswerten Verhaltenstherapie anstelle der bislang über lange Zeiträume in Anspruch genommenen psychoanalytisch ausgerichteten Therapie begründet (UA S. 39, 40, 43 f.). Angesichts der sonstigen Feststellungen über bisherige Therapien des Angeklagten lässt das Urteil nicht erkennen, aus welchen Gründen nunmehr bereits im Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils konkrete Anhaltspunkte für eine zukünftig nachhaltige Verhaltensänderung bestehen. Ausweislich der Feststellungen zur Person hat der Angeklagte bereits nach der Verurteilung im Dezember 2000 über einen Zeitraum von zwei Jahren an etwa 34 Therapiesitzungen bei einem Diplompsychologen teilgenommen. Weiterhin befand er sich nach der Verurteilung aus dem April 2006 für zwei Jahre in der sozialtherapeutischen Anstalt einer Justizvollzugsanstalt und nahm regelmäßig an den dortigen Therapiesitzungen teil (UA S. 7 f.). Ab 2009 erfolgte dann die bereits angesprochene psychoanalytisch ausgerichtete Therapie. Nachhaltige Verhaltensänderungen über eine von dem Tatgericht angenommene rückläufige Intensität der pädosexuellen Delinquenz hinaus sind nicht dargelegt. Da zudem die in den ab 2000 und 2006 durchgeführten, jeweils mehrjährigen Therapien in ihrer Ausrichtung nicht festgestellt sind, hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, warum die nunmehr seitens der im Erkenntnisverfahren gehörten Sachverständigen empfohlene behavioristische Therapie aktuelle konkrete Anhaltspunkte für eine zukünftige Verhaltensänderung soll begründen können.
39
(2) Die mit näher bezifferten Wahrscheinlichkeiten von dem Angeklagten zukünftig drohenden Straftaten können grundsätzlich auch im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB erhebliche Straftaten sein, durch die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. Wie vom Tatgericht im Ansatz nicht verkannt , können sich nach der Rechtsprechung des Senats auch Straftaten gemäß § 176 Abs. 1 StGB als erhebliche Straftaten erweisen; maßgeblich sind die Umstände des konkreten Einzelfalls (Senat, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 465/12, NStZ-RR 2013, 204, 206 mwN). Auf das Erfordernis einer „schweren Sexualstraftat“ im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundes- verfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326, 404 ff.) kommt es nicht an, weil die hier verfahrensgegenständlichen Taten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I, S. 2425) am 1. Juni 2013 begangen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14 Rn. 16, NStZ 2015, 208, 209; siehe auch Beschluss vom 15. Januar 2015 – 5 StR 473/14 Rn. 2, NStZ 2015, 210).
40
Die maßgebliche umfassende Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls hinsichtlich der Erheblichkeit der zukünftig drohenden Taten lässt das Urteil allerdings vermissen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufzeigt, hat das Landgericht nicht ausreichend in den Blick genommen, dass bei den früheren, unzweifelhaft erheblichen Straftaten des Angeklagten, dieser vor allem durch das Eröffnen von Spielmöglichkeiten (Computerspiele) die später Geschädigten zu einem Aufsuchen seiner Wohnung zu bringen vermochte. In den Räumlichkeiten ist es dann gegenüber Jungen , die ihn öfter besuchten, zu sexuellen Übergriffen gekommen.
41
Sowohl bei der der Verurteilung durch das Landgericht München I aus dem Jahr 2011 zugrundeliegenden als auch bei den hier vorliegenden Taten sind Verhaltensweisen festgestellt, die auf ein Locken der Geschädigten in die Wohnung des Angeklagten und bezüglich L. zudem auf den Aufbau eines längerfristigen Kontakts abzielten. Die Bewertung des Landgerichts, es sei „reine Spekulation ohne entsprechende Tatsachengrundlage“ (UA S. 44) anzunehmen, der Angeklagte habe damit lediglich die Gelegenheit für weitere sexuelle Übergriffe schaffen wollen, lässt befürchten, dass es angesichts der früheren Verhaltensweisen des Angeklagten selbst überhöhte Anforderungen an die Überzeugungsbildung hinsichtlich der in eine Gesamtwürdigung einzubeziehenden prognoserelevanten Umstände gestellt hat.
42
(3) Darüber hinaus hat das Landgericht in der Gefährlichkeitsprognose nicht erkennbar berücksichtigt, dass nach den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens , die das Tatgericht „aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu- grunde legte“ (UA S. 43), eine Wahrscheinlichkeit von „ungefähr 25 % oder mäßig darüber“ für die zukünftige Begehung von Straftaten mit einem seinen „Verurteilungen1999, 2000 oder 2005“ entsprechenden Schweregrad besteht (UA S. 40). Ausweislich der Feststellungen zur Person war der Angeklagte in den Jahren 2000 und 2006 jeweils auch wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden (UA S. 9-12). Diesen Verurteilungen lagen u.a. Fälle des Oral- und des Handverkehrs zugrunde.
43
Für die Annahme der zukünftigen Gefährlichkeit kommt es lediglich darauf an, ob von dem Täter mit bestimmter Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Taten ernsthaft zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (BGH, Urteil vom 10. Januar 2007 – 1 StR 530/06, NStZ 2007, 464, 465; Beschluss vom 31. Juli 2012 – 3 StR 148/12 Rn. 5). Angesichts der – wenn auch allein für die Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichenden (BGH aaO) – statistischen Wahrscheinlichkeit für die zukünftige Begehung von sich als schwerer sexueller Missbrauch von Kindern erweisender Straftaten kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, von dem Angeklagten seien keine erheblichen Straftaten ernsthaft zu erwarten. Soweit während der Dauer der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts (oben Rn. 39) zwischenzeitlich auch an die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Begehung erheblicher Straftaten strengere Anforderungen zu stellen waren (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2012 – 3 StR 148/12 Rn. 7), kommt es darauf nicht mehr an. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung als Grundlage der Gefährlichkeitsprognose wird eine statistisch mit 25 % bewertete Wahrscheinlichkeit regelmäßig auf eine „bestimmte Wahrscheinlichkeit“ ernsthaft zu erwartender erheblicher Taten hindeuten.
44
cc) Angesichts des vorstehend Ausgeführten steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht von vornherein entgegen. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 StGB unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der obligatorischen Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen werden kann (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 9. Januar 2013 – 1 StR 558/12, NStZ-RR 2013, 256 sowie Urteil vom 22. Oktober 2013 – 1StR 210/13, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Verhältnismäßigkeit 1 jeweilsmwN). Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip kommt allerdings bei der Auslegung und Anwendung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB angesichts der mit der Sicherungsverwahrung verbundenen Intensität des Eingriffs in das Freiheitsrecht des Angeklagten erhebliche Bedeutung zu.
45
3. Bereits der aufgezeigte Wertungsfehler (oben Rn. 28 f.) führt zur Aufhebung hinsichtlich der unterbliebenen Anordnung der Sicherungsverwahrung. Der Senat hebt die zugrundeliegenden Feststellungen ebenfalls auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter umfassende und widerspruchsfreie Feststellungen zu sämtlichen für die Bewertung der materiellen Anordnungsvoraussetzungen aus § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB bedeutsamen Umständen zu ermöglichen.

III.

46
Soweit der Strafausspruch auf die Verurteilung zu einer „Freiheitsstrafe“ von zwei Jahren und drei Monaten lautet, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 38) hat das Tatgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe in der genannten Höhe verhängt. Wie sich aus der Sitzungsniederschrift der Hauptverhandlung vom 16. Juni 2014 ergibt, ist auch eine solche Gesamtfreiheitsstrafe verkündet worden. Der Senat hat daher den Tenor des schriftlichen Urteils entsprechend klarstellend gefasst. Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 69/10
vom
30. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 30. März
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 8. Oktober 2009 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Zugleich hat es die Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Nach den Feststellungen missbrauchte der damals 57 oder 58 Jahre alte Angeklagte zwei Mädchen im Alter von zehn oder elf bzw. von zwölf Jahren, die er im unmittelbaren Wohnumfeld kennengelernt und um die er sich im Einverständnis mit den Eltern als hilfsbereiter Nachbar gekümmert hatte. Er holte die Kinder von der Schule ab, machte Ausflüge mit ihnen und ließ sie in seiner Wohnung das Internet nutzen. In den Sommerferien 2008 waren die Kinder ständig von morgens bis abends bei ihm. Die Taten beging der Angeklagte "in dem Zeitraum von Anfang Juni bis Ende August 2008". Eine nähere Eingrenzung war der Kammer - von zwei Taten abgesehen, die am 15. und 16. August 2008 stattfanden - nicht möglich.
3
Die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Strafzumessung - insbesondere die Annahme eines besonders schweren Falles des sexuellen Kindesmissbrauchs (§ 176 Abs. 3 StGB) im Fall II. 2. der Urteilsgründe sowie die Verhängung von drei Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, denen jeweils ein Zungenkuss des Angeklagten mit der zehn- oder elfjährigen M. zugrunde liegt - ist angesichts der Gesamtumstände zwar eher streng, verlässt aber den Bereich des Schuldangemessenen noch nicht.
4
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hingegen nicht bestehen bleiben, da das Landgericht weder einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch eine auf ihm beruhende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten tragfähig begründet hat.
5
1. Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster" bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt - nach sachverständiger Beratung - unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände dem Richter in eigener Verantwortung (BGH, Urt. vom 17. Dezember 2009 - 3 StR 399/09 - Rdn. 4).
6
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es führt - unter pauschaler Bezugnahme auf "gutachterliche Feststellungen" des Sachverständigen - lediglich aus, dass "bei dem Angeklagten die aus psychologischpsychiatrischer Sicht für einen Hangtäter sprechenden Risikofaktoren für die Begehung weiterer sexueller Missbrauchstaten von Kindern nach Anzahl und Gewicht (überwiegen). Dieses ließe erwarten, dass der Angeklagte auch weitere im mittleren bis schweren Bereich anzusiedelnde sexuelle Missbrauchstaten begehen wird." Damit ist nicht nur zu besorgen, das Landgericht habe unter Verkennung der Kompetenz- und Verantwortungsbereiche die Entscheidung über den Hang dem Sachverständigen überlassen, es fehlt auch an der notwendigen Gesamtwürdigung von Taten und Täterpersönlichkeit. Diese ist mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen, wenn - wie hier - bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB in Ermangelung von symptomatischen Vortaten und neuerlicher Delinquenz trotz erfolgter Strafverbüßung die Tatsachengrundlage besonders schmal ist (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 1). In die Würdigung wäre hier u. a. einzustellen gewesen , dass der nicht vorbestrafte Angeklagte bislang ein unauffälliges Leben führte und aus mehreren, zum Teil langjährigen Beziehungen mit Frauen insge- samt vier erwachsene Kinder hatte. Zudem handelte es sich um einen äußerst kurzen Tatzeitraum.
7
Sollte das Landgericht angenommen haben, eine positive Gefährlichkeitsprognose könne die Feststellung eines Hangs ersetzen, wäre auch dies rechtsfehlerhaft. Hangtätereigenschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind keine identischen Merkmale. Das Gesetz differenziert zwischen den beiden Begriffen sowohl in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch in § 67 d Abs. 3 StGB. Der Hang ist nur ein wesentliches Kriterium der Prognose. Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster" bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Die Gefährlichkeitsprognose schätzt die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hanges erheblicher Straftaten enthalten kann oder nicht (BGHSt 50, 188, 196; vgl. auch BGH StV 2008, 301, 320).
8
2. Auch die Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten ist rechtlich zu beanstanden. Hier referiert das Landgericht, der Sachverständige habe "zum einen eine statistische Bewertung des von dem Angeklagten ausgehenden Risikos nach dem Verfahren 'Static 99' durchgeführt. … Auf einer bis 10 reichenden Skala habe der Angeklagte einen Skalenwert von 7 erreicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei der Angeklagte damit in den Bereich 'hohes Risiko' einzustufen, der bei dem Skalenwert 6 beginne."
9
Zutreffend an diesen Ausführungen ist allein, dass es sich bei dem "Static 99" um eines von mehreren Prognoseinstrumenten zur Vorhersage von Rückfällen bei Sexualdelinquenz handelt (vgl. hierzu Dahle, Grundlagen und Methoden der Kriminalprognose in: Kröber u. a.: Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd. 3 S. 1, 32 ff., 41 ff.; Dahle FPPK 2007, 15, 17), dessen Qualität inzwischen auch durch Studien in Europa getestet worden ist (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S. 248; Rettenberger/Eher MschrKrim 2006, 352, 358; Noll u. a MschrKrim 2006, 24, 29; Endrass u. a. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 2009, 284; Dahle u. a. FPPK 2009, 210, 216, 219). Es ist aber bereits nicht ersichtlich, wie der Sachverständige bei dem unbestraften, nahezu 60jährigen Angeklagten, der mehrere langjährige Beziehungen zu Frauen hatte, seine durchweg weiblichen Opfer und deren Familien im nachbarschaftlichen Umfeld seit längerem kannte und bei seinen Taten ohne Gewalt vorging, zur Vergabe von sieben Risikopunkten kommen konnte. Die Feststellungen des Landgerichts belegen jedenfalls nur einen Risikopunkt (ItemNummer 8: Opfer und Täter sind nicht verwandt). Hinzu kommt, dass sich das Landgericht darauf beschränkt, ein "hohes Risiko" festzustellen, ohne darzulegen , welche Straftaten in welchem Zeitraum mit welcher Wahrscheinlichkeit von dem Angeklagten zu erwarten sind. Nur so könnte nachprüfbar belegt werden, ob der Angeklagte gefährlich ist.
10
Zuletzt lässt das Landgericht außer Acht, dass mit der Feststellung, der Angeklagte weise bei Anwendung irgendeines statistischen Prognoseinstruments eine bestimmte Anzahl von Risikopunkten auf, nichts Entscheidendes gewonnen ist. Solche Instrumente können für die Prognose zwar Anhaltspunkte über die Ausprägung eines strukturellen Grundrisikos liefern, sind indes nicht in der Lage, eine fundierte Einzelbetrachtung zu ersetzen (Dahle FPPK 2007, 15, 24). Zur individuellen Prognose bedarf es über die Anwendung derartiger Instrumente hinaus zusätzlich einer differenzierten Einzelfallanalyse durch den Sachverständigen. Denn jedes Instrument kann nur ein Hilfsmittel sein, eines von mehreren Werkzeugen, mit denen sich der Gutachter die Prognosebeurteilung erarbeitet (vgl. auch Boetticher u. a. NStZ 2009, 478, 481).
11
Die weiteren, im Urteil wiedergegebenen Erwägungen des Sachverständigen vermögen diese Mängel nicht auszugleichen.
12
3. Der Senat vermag nicht völlig auszuschließen, dass eine neuerliche Verhandlung doch noch zur Feststellung von Umständen führt, die die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnten. Über den Maßregelausspruch muss deshalb nochmals entschieden werden. Dabei wird sich die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen empfehlen.
Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 245/17
vom
19. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:190717B4STR245.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Februar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter Beschaffung von Betäubungsmitteln in sonstiger Weise und mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus einem anderen rechtskräftigen Urteil und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt und die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Seine Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der auf § 66a Abs. 1 StGB gestützte Ausspruch über den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand, weil die Voraussetzungen des § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt sind und die Strafkammer das ihr eingeräumte Ermessen nicht erkennbar ausgeübt hat.
3
a) Die Urteilsgründe belegen nicht, dass es im Sinne des § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB wahrscheinlich ist, dass der Angeklagte entsprechend § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, für die Allgemeinheit gefährlich ist.
4
aa) Anders als seine Vorgängervorschrift (§ 66a Abs. 1 StGB in der Fassung vom 21. August 2002) fordert § 66a Abs. 1 Nr. 3 StGB in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Neuanwendung der Vorschriften der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I 2300) nicht mehr die sichere Feststellung eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB, sondern lässt es sowohl in Bezug hierauf als auch hinsichtlich der hangbedingten Gefährlichkeit ausreichen, dass deren Vorliegen nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist (vgl. BT-Drucks. 17/3403, S. 15, 26; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 66a Rn. 5; Jehle/Harrendorf in: SSW-StGB, 3. Aufl., § 66a Rn. 8; Stree/Kinzig in: Schönke /Schröder, StGB, 29. Aufl., § 66a Rn. 12; Ullenbruch/Morgenstern in: MüKoStGB , 3. Aufl., § 66a Rn. 62; Ziegler in: BeckOK-StGB, 34. Edition, § 66a Rn. 4; Kinzig, NJW 2011, 177, 178 f.; zur alten Rechtslage vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 194 f.). Dabei darf sich der Tatrichter nicht darauf beschränken, die Gründe dafür anzugeben, warum keine hinreichend sicheren Feststellungen getroffen werden konnten. Vielmehr muss sich aus den Urteilsgründen auch im Sinne einer belegten positiven Feststellung ergeben, dass sowohl das Vorliegen einer Hangtäterschaft als auch das Beste- hen einer hierdurch bedingten Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB wahrscheinlich sind (vgl. BT-Drucks. 17/3403, S. 29; Sinn in: SK-StGB, 9. Aufl., § 66a Rn. 11). Da es sich insoweit nicht um identische Merkmale handelt, werden in der Regel entsprechende Einzelausführungen erforderlich sein (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2015 – 1 StR 594/14, Rn. 30; vom 8. Juli 2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188, 196; Jehle /Harrendorf, aaO § 66 Rn. 21).
5
bb) Dem werden die Darlegungen des Landgerichts hinsichtlich der Hangtäterschaft nicht gerecht.
6
Die Strafkammer hat sich außerstande gesehen, sichere Feststellungen zum Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zu treffen , weil für den Sachverständigen in Ermangelung einer Exploration nicht vollständig aufzuklären gewesen sei, ob die Ursache für die Vortaten allein in der erheblichen Suchtproblematik des Angeklagten oder in dessen geringer Frustrationstoleranz aufgrund einer bei ihm gegebenen dissozialen Verhaltensstörung gelegen habe. Es sei aber nach der gebotenen Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten wahrscheinlich, dass es nach einer Exploration zur Aufklärung der Verhältnisse und zu einer Bejahung der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB kommen werde. Für die Gefährlichkeit des Angeklagten sprächen neben den zahlreichen Vorstrafen, die Wirkungslosigkeit des bisherigen Straf- und Maßregelvollzugs, seine geringe Frustrationstoleranz und sein erhebliches Aggressionspotential.
7
Damit hat das Landgericht zwar begründet, warum dem Angeklagten eine Gefährlichkeitsprognose gestellt werden kann. Dass es sich dabei um eine Gefährlichkeit handelt, der wahrscheinlich ein Hang im Sinne eines eingeschliffenen Verhaltensmusters zugrunde liegt, das den Angeklagten immer wieder neue Straftaten begehen lässt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 3 StR382/13, NStZ-RR 2014, 271, 272 mwN), wird dadurch aber nicht tragfähig belegt. Hierzu hätte es einer auf einer vergangenheitsbezogenen Betrachtung beruhenden Beurteilung bedurft, die alle bedeutsamen für und gegen eine (wahrscheinliche) Hangtäterschaft sprechenden Umstände einbezieht (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 – 5 StR 572/16, Rn. 9 [zu § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB]). Zwar führt die Strafkammer mehrere Umstände an, die auch eine Indizwirkung für das wahrscheinliche Vorliegen eines Hangs haben können (Vortaten, geringe Frustrationstoleranz etc.). Eine Gesamtwürdigung, die auch die an anderer Stelle angeführten möglichen Gegenindizien (Suchtproblematik, kein durchgängig hervortretendes kriminelles Verhaltensmuster) einbezieht, hat die Strafkammer aber nicht erkennbar vorgenommen. Für die allgemein geäußerte Erwartung, dass es bei weiterer Aufklärung zur Bejahung der Voraussetzungen des § 66a Abs. 1 Nr. 4 StGB und damit (auch) zur Bestätigung einer Hangtäterschaft kommen wird, werden keine konkreten Anhaltspunkte angeführt.
8
b) Durchgreifenden revisionsgerichtlichen Bedenken begegnet auch, dass die Strafkammer nicht erkennbar ihr Ermessen ausgeübt hat.
9
§ 66a Abs. 1 StGB stellt auch bei Vorliegen aller Voraussetzungen die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung in das Ermessen des Gerichts (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2017 – 3 StR 548/16, Rn. 14). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll dieses die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der wahrscheinlichen hangbedingten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken , sofern bereits jetzt festgestellt werden kann, dass die derzeit noch wahrscheinlichen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zum Entlassungszeitpunkt nicht mehr vorliegen werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2017 – 3 StR548/16, Rn. 14; BT-Drucks. 14/8586, S. 6 [zu § 66a Abs. 1 StGB aF]; Jehle/Harrendorf, aaO § 66a Rn. 9 mwN). Auch wird dem Tatgericht ermöglicht, seine Entscheidung am Grad der Wahrscheinlichkeit eines Hanges des Angeklagten und der mit ihm verbundenen Gefährlichkeit zu orientieren. Schließlich kann für die Ermessensentscheidung auch von Bedeutung sein, ob im Strafvollzug neue Erkenntnisse über die hangbedingte Gefährlichkeit des Angeklagten zu erwarten sind (vgl. BT-Drucks. 14/8586, S. 6 [zu § 66a Abs. 1 StGB aF]).
10
Dass das Landgericht sein Ermessen ausgeübt hat, ist – auch bei Heranziehung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe – nicht feststellbar. Zwar hat die Strafkammer im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 62 StGB den hohen Grad der von dem Angeklagten ausgehenden Gefahr berücksichtigt und damit einen auch ermessensrelevanten Gesichtspunkt in seine Erwägungen einbezogen. Eine tatsächliche Ermessensausübung ist damit aber noch nicht belegt.
11
2. Der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung bedarf daher erneuter tatgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage insoweit neu zu treffender Feststellungen. Die Überprüfung von Schuld- und Strafausspruch aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Franke Roggenbuck Cierniak RiBGH Bender ist Quentin an der Unterschrift urlaubsbedingt gehindert. Franke

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.