Bundesgerichtshof Urteil, 30. Aug. 2012 - 4 StR 84/12

bei uns veröffentlicht am30.08.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 84/12
vom
30. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
für die Nebenklägerin G. als Nebenklägervertreter,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger R. als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 25. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , verurteilt worden ist; insofern bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten ;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im verbleibenden Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit zwei Fällen der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Nebenkläger, an eine andere als Schwur- gericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren festgesetzt. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und beide Nebenkläger Revision eingelegt. Der Angeklagte hat eine Verfahrens- und die allgemeine Sachrüge erhoben. Die Nebenkläger streben eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet. Die Revisionen der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen unterhielt der Angeklagte über mehrere Jahre eine außereheliche Beziehung zu der in A. wohnenden Nebenklägerin G. . Aus der Beziehung sind drei Kinder hervorgegangen. Im Lauf des Jahres 2010 beendete G. die konfliktreich gewordene Beziehung. Der Angeklagte vermochte das Beziehungsende nicht zu akzeptieren und erschien regelmäßig in der Wohnung der Nebenklägerin, weil er sie noch immer als seine Lebensgefährtin ansah und davon ausging, dass sie zu ihm gehöre (UA 7). Nachdem er am 11. Dezember 2010 gegenüber G. tätlich geworden war, wurde er von der herbeigerufenen Polizei der Wohnung verwie- sen und ihm ein Rückkehrverbot auferlegt. Gleich nach der Abfahrt der Polizei suchte er G. wieder auf und drohte, ihr den Kopf abzuschlagen (UA 7). Da G. bei dem Angeklagten einige Zeit zuvor eine Schusswaffe gesehen hatte, bekam sie nun soviel Angst, dass sie sich von ihrem Onkel, dem Zeugen D. , abholen ließ und bei ihm das Wochenende verbrachte (UA 8). Nach den Weihnachtsfeiertagen bezog sie eine eigene Wohnung in B. , die ihr D. vermittelt hatte. Sie lebte noch immer in großer Angst vor dem Angeklagten, der zwar nicht wusste, wo sie wohnte, aber regelmäßig Kontakt zu D. aufnahm, um ihren Wohnort zu erfahren (UA 8).
3
Im Januar 2011 kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu einer Sitzung eines sog. Ältesten- oder Familienrates aus Mitgliedern der Familie des Angeklagten und der Familie von G. . Dabei erhob der Angeklagte den Vorwurf, dass D. seine Kinder entführt und ihm die Frau weggenommen habe. G. und die Kinder gehörten zu ihm und hätten zu tun, was er wünsche (UA 10). Nachdem G. vor dem Ältestenrat darauf bestanden hatte, von dem Angeklagten getrennt zu leben, entschied der Ältestenrat , dass D. nicht schuldhaft gehandelt habe und der Angeklagte die Trennung von G. akzeptieren müsse. Der Angeklagte reagierte hierauf mit einer Äußerung, die von der Nebenklägerin G. zutreffend so verstanden wurde, dass er etwas so Schlimmes mit ihr anstellen werde, dass er sich auch „gleich selbst wegmachen könne“ (UA 11).
4
Für G. entwickelte sich nun eine Phase erheblicher Angst. Sie lebte in der Hoffnung, dass der Angeklagte nicht wusste, wo sie wohnte. Tatsächlich war dem Angeklagten lediglich bekannt, dass G. in der Nähe der Wohnung ihres Onkels D. in B. lebte. Er bestreifte daher mit seinem Pkw die Gegend um die Wohnung des D. und hielt Ausschau. Dabei fiel sein Fahrzeug Nachbarn und Angehörigen von G. auf (UA 12). Auch rief der Angeklagte regelmäßig bei D. an und ließ ihn von anderen Leuten in aggressiver Weise nach der Adresse von G. befragen. Dabei gelang es ihm nicht, die genaue Adresse zu erfahren (UA 12). Nachdem G. von den Nachstellungen des Angeklagten erfahren und von ihm eine SMS mit einer Todesdrohung erhalten hatte, rechnete sie stets damit, dass der Angeklagte sie „irgendwann einmal erwischen“ würde. Sie konnte deshalb nicht mehr angstfrei vor die Tür treten und schränkte ihre Lebensführung erheblich ein (UA 12).
5
Im März 2011 kam der Bruder von G. , der Nebenkläger R. , aus Mazedonien nach Deutschland, weil er hier Asyl beantragen wollte. Dazu hielt er sich ab dem 1. April 2011 in der Wohnung von G. in B. auf.
6
Am 2. April 2011 kauften G. und R. gegen 15 Uhr in einem Supermarkt gegenüber der Wohnung von G. für einen Kindergeburtstag ein. Der Angeklagte wartete zu diesem Zeitpunkt in seinem in der Nähe der Einfahrt zum Parkplatz des Supermarktes geparkten Fahrzeug, weil er mit einem Einkauf von G. rechnete. Als G. und R. mit dem beladenen Einkaufswagen den Parkplatz des Supermarktes über die Einfahrt verließen, nahmen sie den Angeklagten nicht wahr. G. war jedoch noch immer in erheblicher und konkreter Sorge, dass der Angeklagte jederzeit unvermittelt auftauchen und sie überfallen könnte. Diese Sorge war auch R. bekannt und wurde von ihm ernst genommen (UA 13). Als der Angeklagte G. und R. erblickte , fuhr er mit voller Beschleunigung los, um einen Zusammenstoß mit beiden oder wenigstens mit dem Einkaufswagen herbeizuführen. Dabei nahm er Verletzungen von G. und R. zumindest billigend in Kauf. Der Zusammenstoß sollte dazu dienen, G. „so außer Gefecht zu setzen“, dass sie sich gegen den anschließend geplanten Angriff mit einer mitgeführten Selbstladepistole nicht mehr wehren oder davonlaufen konnte. Wenige Sekunden vor dem Zusammenstoß bemerkte R. das rasch näher kommende Fahrzeug und erkannte den Angeklagten. Er warnte deshalb sofort seine Schwester. Eine Flucht war jedoch nicht mehr möglich. Der von dem Angeklagten gesteuerte Pkw stieß mit einer Geschwindigkeit von mindestens 35 km/h gegen den Einkaufswagen. G. und R. wurden durch den Zusammenprall mit dem Pkw zu Boden geschleudert, nachdem zunächst einer von beiden auf die Motorhaube des Fahrzeugs aufgeladen worden war (UA 14).
7
Der Angeklagte verließ sogleich sein Fahrzeug und lief mit der entsicherten Pistole auf G. zu, um sie zu töten. Die nur leicht verletzte Nebenklägerin sprang auf und versuchte laut schreiend zu flüchten. Als sich R. dem Angeklagten in den Weg stellte, wurde er von ihm mit der Pistole zu Boden geschlagen. Der Angeklagte lief G. nach, wobei er ihr zu verstehen gab, dass er sie jetzt töten werde. Als der Angeklagte die sich zwischen mehreren Fahrzeugen verbergende G. eingeholt hatte, schlug er ihr von hinten mit der Waffe auf den Kopf und drückte sie zu Boden. Anschließend richtete er die Pistole auf ihre rechte Halsseite und betätigte mit Tötungsabsicht „einer Hinrichtung gleich“ den Abzug (UA 15). Das Projektil drang tief in den Halsraum von G. ein, zerstörte den vierten Halswirbelkörper und blieb schließlich auf der linken Seite hinter der Halsschlagader stecken (UA 16). G. stürzte zu Boden und blieb wimmernd liegen.
8
Als der Angeklagte unmittelbar nach dem Schuss auf G. zu seinem Auto laufen wollte (UA 15), wurde er von dem seiner Schwester zu Hilfe eilenden R. in einen Zweikampf verwickelt, in dessen Verlauf der Angeklagte R. direkt unterhalb des rechten Auges in den Kopf schoss, wobei er zumindest billigend in Kauf nahm, auch ihn zu töten (UA 15). Das Projektil zerstörte das Mittelgesicht und verursachte unter anderem eine Orbitabodenfraktur, eine ausgedehnte und dislozierte Kieferhöhlenfraktur, eine klaffende Jochbeinfraktur sowie ein Netzhautödem. Nachdem R. den Angeklagten losgelassen hatte und dieser nun tatsächlich zu seinem Auto laufen konnte (UA 25), ergriff er mit seinem Auto die Flucht. Hierbei ging es ihm ausschließlich darum, den Tatort – wie von vorneherein geplant – so schnell wie möglich zu verlassen, um einer Festnahme durch die zahlreich vorhandenen Zeugen zu entgehen (UA 16). Er rechnete damit, dass beide Nebenkläger an den erlittenen Schusswunden versterben würden. Dies war ihm wenigstens gleichgültig (UA 17 und 25).
9
II. Zur Revision der Nebenklägerin G.
10
Die Revision der Nebenklägerin G. hat Erfolg, weil die Erwägungen , mit denen das Landgericht einen versuchten Heimtückemord und einen versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht standhalten.
11
1. Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten nicht als heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB bewertet, weil die Nebenklägerin infolge der früheren Drohungen und Nachstellungen des Angeklagten jederzeit mit einem Übergriff rechnete. Dies habe dazu geführt, dass sie in der Tatsituation nicht mehr arglos gewesen sei (UA 30). Diese Ausführungen lassen besorgen , dass das Landgericht von einem zu engen Begriff der Heimtücke ausgegangen ist.
12
a) Heimtückisch handelt, wer die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Opfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 9. Januar 1991 – 3 StR 205/90, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; Urteil vom 4. Juli 1984 – 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 383 f.). Heimtückisch tötet auch, wer sein ahnungsloses Opfer zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz angreift, dann aber unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer nicht mehr möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, sodass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (BGH, Urteil vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, Rn. 20; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 20; Beschluss vom 19. Juni 2008 – 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; Urteil vom 27. Juni 2006 – 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; Urteil vom 9. Dezember 1986 – 1 StR 596/86, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Lauert der Täter seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht mehr darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenübertretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 – 4 StR 529/08, NStZ 2009, 264). Eine auf früheren Aggressionen beruhende latente Angst des Opfers hebt seine Arglosigkeit erst dann auf, wenn es deshalb im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGH, Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16; Urteil vom 20. Oktober 1993 – 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 368). Die Rechtsprechung hat daher auch bei Opfern, die aufgrund von bestehenden Konfliktsituationen oder früheren Bedrohungen dauerhaft Angst um ihr Leben haben, einen Wegfall der Arglosigkeit erst dann in Betracht gezogen, wenn für sie ein akuter Anlass für die Annahme bestand, dass der ständig befürchtete schwerwiegende Angriff auf ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit nun unmittelbar bevorsteht (vgl.
BGH, Urteil vom 9. September 2003 – 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 15; Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 503/09, NStZ 2010, 450, 451).
13
b) Nach den Feststellungen hatte die Nebenklägerin G. den in seinem Pkw wartenden Angeklagten bis wenige Sekunden vor der Tat nicht bemerkt. Ihre Befürchtung, der Angeklagte werde sie „irgendwann einmal erwischen“ , beruhte auf vorangegangenen, zum Teil mehrere Monate zurückliegen- den Todesdrohungen und dem Wissen um Nachstellungen des Angeklagten im Umfeld ihrer Wohnung. Umstände, die zu einer auf die Tatsituation bezogenen Aktualisierung und Konkretisierung dieser Befürchtung geführt haben, lassen sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass die Nebenklägerin von dem auf ihr Leben gerichteten Angriff getroffen wurde, als sie mit ihrem gefüllten Einkaufswagen das belebte Gelände eines Supermarktes verließ, legt die Annahme nahe, dass sie sich jedenfalls in diesem Moment keines konkreten Angriffs von Seiten des Angeklagten versah und in einer hilflosen Situation überrascht wurde. Nach dem mit Verletzungsvorsatz geführten überraschenden Angriff mit dem Pkw war der Nebenklägerin zwar noch eine kurze Flucht möglich , doch vermochte sie sich aufgrund der Kürze der ihr verbleibenden Reaktionszeit dem mit Tötungsvorsatz nachsetzenden Angeklagten nicht mehr zu entziehen oder wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
14
2. Das Vorliegen niedriger Beweggründe hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, dass der Angeklagte zwar vornehmlich aus Wut über das Verlassenwerden gehandelt habe, doch lasse sich nicht feststellen, dass die Tat aus schlechthin unverständlichen und verachtenswerten Motiven heraus begangen worden sei (UA 30 f.). Diese Ausführungen lassen eine sachlichrechtliche Überprüfung nicht zu und geben Anlass zu der Besorgnis, dass wichtige Umstände der Tat und zur Motivation des Angeklagten nicht berücksichtigt worden sind.
15
a) Aus niedrigen Beweggründen tötet, wer sich maßgeblich von einem oder mehreren Handlungsantrieben leiten lässt, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb verwerflich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1952 – 1 StR 272/52, BGHSt 3, 132; Urteil vom 24. Mai 2012 – 4 StR 62/12, Rn. 17). Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren Faktoren beurteilt werden, die für die Motivbildung von Bedeutung waren (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 – 4 StR 62/12, Rn. 17; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 10; Urteil vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, 229). Beruht die Tötung auf Gefühlsregungen wie Wut, Zorn oder Verärgerung, denen jedermann mehr oder weniger stark erliegen kann, kommt es für die Beurteilung auf die zugrunde liegende Gesinnung des Täters an (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011; Urteil vom 14. Oktober 1987 – 3 StR 145/87, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8; MüKo-StGB/Schneider § 211 Rn. 71).
16
b) Das Landgericht hat sich mit der Grundhaltung des Angeklagten, die seiner Wut über das Verlassenwerden zugrunde lag, nicht erkennbar auseinandergesetzt. Auch im Übrigen fehlt es an der erforderlichen Gesamtwürdigung. Nach den Feststellungen ging der Angeklagte davon aus, dass die Nebenklägerin zu ihm gehöre und – wie auch die gemeinsamen Kinder – zu tun habe, was er wünsche. Ihren Trennungswunsch ignorierte er ebenso, wie ein polizeiliches Rückkehrverbot und die Entscheidung des seinem Kulturkreis angehörenden Ältestenrates, den er zuvor selbst als Autorität angerufen hatte. Der direkte Tötungsvorsatz und die „hinrichtungsgleiche“ Tatausführung deuten darauf hin, dass es dem Angeklagten vornehmlich darum ging, seine Wut in einer Bestrafung der Nebenklägerin abzureagieren. Bei dieser Sachlage hätte erörtert werden müssen, ob die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1952 – 1 StR 272/52, BGHSt 3, 132, 133; Beschluss vom 20. August 1996 – 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 227; Urteil vom 16. Februar 2012 – 3 StR 346/11, Rn. 11).
17
III. Zur Revision des Nebenklägers R.
18
1. Die Revision des Nebenklägers R. hat Erfolg, weil das Landgericht bei der Prüfung einer versuchten Tötung aus niedrigen Beweggründen im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB ein nach den Feststellungen naheliegendes als niedrig zu bewertendes Tatmotiv nicht erörtert hat.
19
a) Ein niedriger Beweggrund kann auch gegeben sein, wenn sich der Täter zur Tötung eines Menschen entschließt, um sich einer berechtigten Festnahme zu entziehen und ungehindert entkommen zu können. Dieser Tatantrieb muss in aller Regel ebenso beurteilt werden, wie die in § 211 Abs. 2 StGB ausdrücklich hervorgehobene Verdeckungsabsicht, weil es dem Täter in beiden Fällen darum geht, sich seiner Verantwortung für begangenes Unrecht unter Inkaufnahme des Todes eines Menschen zu entziehen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1970 – 1 StR 68/70, MDR 1971, 722 bei Dallinger; Urteil vom 14. Oktober 1987 – 3 StR 145/87, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Dezember 1998 – 3 StR 319/98, StV 2000, 74, 75; Urteil vom 14. Juli 1988 – 4 StR 210/88, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; MüKo-StGB/Schneider, § 211 Rn. 78; LK-StGB/Jähnke, 11. Aufl., § 211 Rn. 25).
20
b) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte nach dem Schuss auf die Nebenklägerin G. durch den Nebenkläger R. daran gehindert, unverzüglich mit seinem Auto zu fliehen. Als er sich aus dieser Lage mit dem Schuss in das Gesicht des Nebenklägers befreit hatte, verließ er – wie von vorneherein geplant – fluchtartig den Tatort. Danach hätte sich das Landgericht mit der Frage befassen müssen, ob sich der Angeklagte den Fluchtweg mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz freigeschossen und deshalb bei der Abgabe des zweiten Schusses aus einem niedrigen Beweggrund gehandelt hat.
21
2. Einen versuchten Heimtückemord hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Der Nebenkläger R. war nach den Feststellungen im Zeitpunkt der Schussabgabe auf ihn weder Arg- noch wehrlos. Der anfängliche Überraschungseffekt wirkte nicht mehr fort.
22
IV. Zur Revision des Angeklagten
23
Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 Satz 1 StPO) geltend macht, bleibt erfolglos. Dabei kann es dahinstehen, ob der von dem Beschwerdeführer behauptete Verfahrensfehler vorliegt, weil ein Beruhenszusammenhang (§ 337 Abs. 1 StPO) ausgeschlossen werden kann. Das Landgericht hat die Angaben des Ersthelfers Gö. , die in dem nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesenen polizeilichen Vermerk vom 2. April 2011 festgehalten worden sind, zur Stützung des Schuld- oder Strafausspruchs nicht herangezogen. Da sich diese Angaben lediglich auf ein Ereignis nach der Tat (Anfertigung von drei Lichtbildern des Pkw des flüchtenden Angeklagten) beziehen, handelte es sich bei Gö. auch nicht um einen „unmittelbaren Tatzeugen“, auf die sich die von dem Beschwerdeführer zur Begründung eines Beruhenszusammenhanges ins Feld geführte allgemeine Formulierung in den Urteilsgründen bezieht. Die Erwägungen , mit denen das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklag- ten verneint hat, haben keinen Bezug zu den von Gö. gefertigten Lichtbildern.
24
Die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge erfolgte Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war der Schuldspruch zu berichtigen, weil der Angeklagte durch den von ihm herbeigeführten Zusammenstoß beide Nebenkläger verletzt und sich dadurch der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht hat. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1959 – 2 StR 291/59, BGHSt 14, 5, 7). Auch kann ausgeschlossen werden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen wäre, sich anders als geschehen zu verteidigen.
25
V. Die Aufhebung der Verurteilungen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die Maßregelanordnung kann dagegen bestehen bleiben, weil sie allein an die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB anknüpft.
26
Soweit das Urteil auf die Revisionen der Nebenkläger aufgehoben worden ist, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Quentin Reiter

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Aug. 2012 - 4 StR 84/12

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5 StR 126/03 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 9. September 2003 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. September 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzend
8 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 30. Aug. 2012 - 4 StR 84/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2013 - 4 StR 180/13

bei uns veröffentlicht am 04.06.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 180/13 vom 4. Juni 2013 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO be

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juni 2019 - 4 StR 541/18

bei uns veröffentlicht am 06.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 541/18 vom 6. Juni 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2019:060619U4STR541.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung v

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2019 - 5 StR 466/19

bei uns veröffentlicht am 13.11.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 466/19 vom 13. November 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2019:131119U5STR466.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Nove

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Aug. 2018 - 4 StR 162/18

bei uns veröffentlicht am 16.08.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 162/18 vom 16. August 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2018:160818U4STR162.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. August

Referenzen

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

20
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06 mwN). Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch gegeben sein, wenn der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, und dann unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer infolge des überraschenden Angriffs nicht möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, so dass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (vgl. BGH, Urteile 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 sowie vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234; vgl. auch schon BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Februar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
5 StR 126/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt H ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof S
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ho
als Verteidiger,
Rechtsanwältin M
als Vertreterin des Nebenklägers Sc ,
Rechtsanwalt Ma
als Vertreter der Nebenklägerin L ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers Sc und der Nebenklägerin L wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11. November 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und einen Pkw des Angeklagten eingezogen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen beider Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg. Dagegen bleibt die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erfolglos.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Die im Jahre 1974 geschlossene Ehe des Angeklagten verlief zunächst harmonisch und problemlos. Im Jahre 1986 nahm seine Ehefrau ein intimes Verhältnis zu einem anderen Mann auf. Gleichwohl hielt der Angeklagte an der Ehe fest. Der Angeklagte erkrankte im Jahre 1996 an Krebs, wurde mehrfach operiert, erhielt Strahlenbehandlung und schied in der Folgezeit aus seinem Beschäftigungsverhältnis aus. Im Jahre 2000 zog seine Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung aus, weil der Angeklagte an Depressionen litt, mehrfach Gegenstände nach ihr warf und die Wohnung demolierte und die Ehefrau deshalb ein Zusammenleben nicht mehr aushielt. Der Angeklagte , der dadurch – auch wegen seiner schweren Krankheit – tief enttäuscht war und sich alleingelassen fühlte, begann, seiner Ehefrau nachzuspionieren , sie mit seinem Auto zu verfolgen, sie immer wieder gegen ihren Willen anzurufen und ihr auch anzudrohen, sie und sich selbst umzubringen. Die Ehefrau nahm diese Drohungen sehr ernst und hatte erhebliche Angst vor Tätlichkeiten ihres Mannes. Zu irgendwelchen Tätlichkeiten kam es jedoch nicht. Nach Scheidung der Ehe – im September 2001 – sagte der Angeklagte zu seiner geschiedenen Ehefrau, sie werde Weihnachten nicht überleben. Er machte jedoch diese Drohung nicht wahr. Die erhebliche Angst seiner ehemaligen Ehefrau bestand aber weiter fort.
Als diese Ostern 2001 Herrn Sch kennenlernte und mit ihm ein intimes Verhältnis begann, war der Angeklagte darüber erbost, verärgert und wütend und rief in der Folgezeit mehrfach Herrn Sch an. Der Angeklagte erfuhr, daß seine geschiedene Ehefrau mit Herrn Sch in einer gemeinsamen Wohnung in Weyhausen lebte. Auch danach versuchte er wiederholt, seine Ehefrau zurückzugewinnen.
Der Angeklagte erwarb – ohne entsprechende Berechtigung – im April 2002 eine Kleinkaliberpistole Typ Walther PPK samt Munition und im Mai 2002 eine weitere Pistole, Typ Luger, Kaliber 9 mm und kurz darauf für diese Waffe auch scharfe Munition.
Am frühen Abend des 17. Mai 2002 fuhr der Angeklagte von seiner Wohnung in Helmstedt mit seinem Pkw VW Golf etwa 50 km nach Weyhausen. Die Pistole Typ Luger 9 mm hatte er in durchgeladenem und gesichertem Zustand in einem Stoffbeutel bei sich. Er suchte seine ehemalige Ehefrau und deren Lebensgefährten in Weyhausen und auf den umgebenden Straßen. Gegen 21.00 Uhr sah er auf einer Kreisstraße nahe Weyhausen seine ehemalige Ehefrau und Herrn Sch , die auf oder neben der Straße spazierengingen. Der Angeklagte fuhr zunächst an ihnen vorbei, wendete, fuhr zurück und parkte sein Fahrzeug am rechten Rand der Kreisstraße. Er zog die durchgeladene Pistole aus dem Stoffbeutel und stieg aus dem Fahrzeug. Spätestens jetzt faßte er den Entschluß, seine geschiedene Ehefrau und Herrn Sch zu töten. In Ausführung dieses Tatplanes entsicherte er die Waffe und schoß sofort auf beide. Er traf seine geschiedene Ehefrau von schräg unten in den Kopf, Herrn Sch einmal schräg von oben in die Schädeldecke, einmal in den hinteren rechten Lendenbereich in Nähe des Gesäßes und einmal von vorn in die rechte Hand. Herr Sch verstarb noch am Tatort, die Frau in der folgenden Nacht im Krankenhaus, beide aufgrund zentraler Lähmung infolge der Kopfschüsse.
Nach den Schüssen fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw mit erheblicher Startgeschwindigkeit davon. Er fuhr zu seiner Wohnung nach Helmstedt , versteckte die Tatwaffe im Keller und legte sich schlafen.

I.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, die sämtlich geltend machen, das Landgericht habe Mordmerkmale zu Unrecht verneint , sind begründet, weil die Verneinung von Heimtücke rechtlicher Prüfung nicht standhält.
1. Allerdings hat das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Be- weggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
Es hat hierzu ausgeführt, es könne beim Angeklagten ein Motivbündel aus Verärgerung, Eifersucht, Wut, aber auch tiefste Enttäuschung über das „Verlassenwordensein“ durch seine Ehefrau vorgelegen haben. Bei Berücksichtigung der von dem psychiatrischen Sachverständigen beschriebenen besonderen Persönlichkeit des Angeklagten und bei Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte der seit langem sehr problematischen Ehe sei nicht sicher auszuschließen, daß eine tiefe Enttäuschung des Angeklagten das Hauptmotiv für die Tat war, nämlich darüber, daß nach seiner eingeengten Sichtweise seine Ehefrau ihn – so seine Worte – nach der schweren Krankheit „weggeworfen“ habe. Dieses Motiv stehe nicht auf moralisch tiefster Stufe.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGH NJW 1981, 1382; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20, 25; BGH NStZ 1997, 81; BGH StV 1983, 503, 504 und 2000, 76). Dies ist nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht ausschließen können , daß das Hauptmotiv der Tat die Enttäuschung des Angeklagten darüber war, daß seine Ehefrau ihn nach seiner Krebserkrankung und den folgenden Depressionen verlassen („weggeworfen“) hat. Dieses Motiv erfüllt nicht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe. Das gilt zunächst für die Tötung der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten. Für die Beurteilung der Tötung des Herrn Sch ergibt sich aus den Feststellungen nichts anderes. Auch die Tötung des neuen Lebensgefährten der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten kann von dem genannten Hauptmotiv getragen gewesen sein.
2. Auch liegt kein Rechtsfehler darin, daß das Landgericht angesichts der getroffenen Feststellungen die Möglichkeiten nicht erörtert hat, der Angeklagte habe eine der beiden Tötungen etwa begangen, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. Für die beiden von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erwogenen Tatvarianten, daß der Angeklagte Herrn Sch etwa zunächst tötete, um danach seine geschiedene Frau töten zu können, oder daß der Angeklagte etwa Herrn Sch als Zeugen der vorangegangenen Tötung seiner ehemaligen Ehefrau beseitigte, bestehen nach den getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Das Landgericht hat sich nicht einmal imstande gesehen, eine Reihenfolge der Schüsse festzustellen. Schon damit fehlt jeder der beiden gedachten Tatvarianten eine Grundlage.
3. Jedoch hält die Begründung, mit der das Landgericht das Mordmerkmal der Heimtücke verneint hat, rechtlicher Prüfung nicht stand.
Hierzu ist im angefochtenen Urteil ausgeführt: Es sei nicht sicher auszuschließen , daß die geschiedene Ehefrau des Angeklagten dessen Pkw, der ihr auf der Straße entgegenkam, bei der ersten Begegnung erkannte und dieses auch Herrn Sch mitteilte. Da sie nach den vorherigen Drohungen ihres Mannes und den sonstigen Vorfällen noch erhebliche Angst vor dem Angeklagten gehabt habe und davon auszugehen sei, daß auch Herr Sch diese Angst kannte, könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, daß beide Opfer bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, nämlich beim Anhalten und Aussteigen des Angeklagten mit der gut sichtbaren Pistole am Tatort, nicht mehr arglos waren, sondern einen tätlichen Angriff des Angeklagten für möglich hielten.

a) Zwar ist das Landgericht – im Ansatz zutreffend – davon ausgegangen , daß die Arglosigkeit des Opfers dann entfallen kann, wenn es mit einem schweren oder doch erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Allerdings hat der Bundesgerichtshof den genannten Gesichts-
punkt regelmäßig in solchen Fällen zur Geltung gebracht, in denen der Tat eine offene Auseinandersetzung mit von vornherein feindseligem Verhalten des Täters vorangegangen war (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21, 27; BGH NStZ-RR 1996, 322 jeweils m. w. N.) oder in denen das Opfer sich bewußt in eine feindliche Auseinandersetzung eingelassen hatte (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 29), der Anlaß für die vom Opfer gehegte Erwartung eines tätlichen Angriffs des Täters also ein akuter war. Eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente Angst des Opfers vermag dessen Arglosigkeit jedenfalls nicht zu beseitigen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ-RR 2001, 14). Es kommt insofern vielmehr allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGHSt 39, 353, 368).

b) Zudem gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgendes: Ein Opfer, gegen das sich ein lebensbedrohlicher Angriff richtet, kann auch dann arg- und wehrlos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, das Opfer die drohende Gefahr aber erst im letzten Augenblick erkennt, so daß ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Denn die besondere Gefährlichkeit heimtückischen Handelns liegt darin, daß der Täter sein Opfer in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder diesen doch wenigstens zu erschweren (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; BGH GA 1971, 113, 114; BGH NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 2003, 146; BGH, Beschl. vom 3. August 2000 – 4 StR 259/00). Das offen aggressive Verhalten des Angeklagten, der seinen Opfern unmittelbar vor den tödlichen Schüssen mit gezückter Waffe feindselig entgegentrat, konnte – was das Landgericht nicht verkannt hat – eine zu dem Zeitpunkt noch gegebene Arglosigkeit nicht entfallen lassen. Maßgeblich für die Beurteilung ist nämlich grundsätzlich die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit der Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 4, 13, 22; jeweils m. w. N.). Dies ist hier spätestens der Zeitpunkt, in dem der Angeklagte aus seinem
Fahrzeug ausstieg und mit Tötungsvorsatz seine Waffe entsicherte.

c) Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, daß die Ehefrau des Angeklagten beim Anblick des Angeklagten im Vorbeifahren eine relevante Gefahr angenommen haben sollte, die sie ihrem Begleiter vermittelte, wodurch die Arglosigkeit der Opfer zu Beginn des todbringenden Angriffs beseitigt worden wäre, so bleibt eine solche – vom Tatrichter zugunsten des Angeklagten unterstellte – Geschehensvariante im Urteil unzulänglich belegt. Es fehlt an der hierfür unerläßlichen näheren Erörterung maßgeblicher Begleitumstände. Zur Frage, ob das vorbeifahrende Fahrzeug für die Ehefrau individuell als das Fahrzeug des Angeklagten erkennbar war, enthält das Urteil lediglich Ausführungen, daß es zur Tatzeit noch hell war und Frau Lu den Pkw ihres Mannes „gut kannte“. Nähere Anknüpfungstatsachen zu Fragen im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit einer individuellen Erkennbarkeit des Pkw VW Golf – insbesondere zu orts- und zeitbedingten Sichtverhältnissen, etwa unter Berücksichtigung der möglichen Blickrichtung der Spaziergänger auf die Fahrbahn, der Verkehrsdichte, des Erscheinungsbildes des Fahrzeugs und der möglichen Fahrgeschwindigkeit –, aus denen sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit der zur Entlastung des Angeklagten unterstellten Geschehensvariante ableiten ließe, die mehr als eine bloße Vermutung des Tatrichters rechtfertigen könnte, fehlen.

d) Der Senat weist allerdings darauf hin, daß ungeachtet dessen – auch wenn bei richtiger Sachverhaltsauswertung Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer bei Tatbegehung objektiv festzustellen wären – bei dem offen feindlichen Entgegentreten des erregten Angeklagten auf seine Opfer zusätzlich zu prüfen wäre, ob er die Situation der Arglosigkeit seiner Opfer wahrgenommen und bewußt ausgenutzt hat. Das mag sich freilich allein aus der von ihm vorgefundenen Situation zu Beginn des tödlichen Angriffs ohne weiteres ableiten lassen.

II.


Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Insbesondere liegt in der Annahme zweier selbständiger Fälle des Totschlags kein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler.
Eine natürliche Handlungseinheit kann ausnahmsweise auch dann vorliegen , wenn es um die Beeinträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen geht. Die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit ist in derartigen Fällen dann gerechtfertigt, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 1 und 9). Ein solcher Ausnahmefall kann namentlich bei mehreren Schüssen auf zwei Personen innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur vorliegen (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 2 und 5). Allerdings kann sich eine solche Zäsur etwa auch daraus ergeben, daß der Täter nach dem ersten Schuß einen Stellungswechsel vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 82). Offenbar hat das Landgericht dies vor Augen gehabt, als es eine natürliche Handlungseinheit mit der Begründung abgelehnt hat, „daß der Angeklagte jeweils bei Schußabgabe die Lage seiner Pistole in der Hand erheblich ändern mußte, um den beabsichtigten Erfolg herbeizuführen“. Es erscheint eher fernliegend, in dieser geringfügigen Richtungsänderung zwischen den Schüssen auf die beiden Opfer , die „dicht beieinander“ waren, einen Umstand zu sehen, der der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entscheidend entgegenstehen könnte.
Jedenfalls beschwert die Annahme zweier Handlungen den Angeklagten nicht. Denn es ist auszuschließen, daß das Landgericht, wäre es von einer tateinheitlichen Tötung zweier Menschen ausgegangen, – statt, wie ge-
schehen, aus zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils elf Jahren eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren zu bilden – auf eine geringere Freiheitsstrafe als eine solche von 13 Jahren erkannt hätte.
2. Die umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

III.


Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß in vollem Umfang Feststellungen zur Person des Angeklagten und zur Tat zu treffen sind. In der rechtlichen Beurteilung ist der neue Tatrichter – bis auf die Bindung an die die Heimtücke betreffenden Aufhebungsgründe des Senatsurteils – frei.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal
20
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06 mwN). Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch gegeben sein, wenn der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, und dann unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer infolge des überraschenden Angriffs nicht möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, so dass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (vgl. BGH, Urteile 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 sowie vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234; vgl. auch schon BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Februar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
20
Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, an welchen Zeitpunkt für die Frage der Arglosigkeit des Opfers anzuknüpfen sein wird: Kommt es auf die Lage vor dem Stuhlschlag an, so wird zu bedenken sein, dass ein der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen die Arglosigkeit nicht ausschließen, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 mwN). Wesentlich ist, dass der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Zu bedenken wird auch sein, dass das Opfer auch dann arglos sein kann, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, also sein Opfer etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 mwN). In diesem Zusammenhang wird vorliegend auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bei keiner der festgestellten früheren streitigen Auseinandersetzungen - auch nicht bei denen, die einen polizeilichen Einsatz zur Folge hatten - gewalttätig gegen seine Ehefrau vorgegangen war. Deshalb und angesichts der dem Streit vorangegangenen einlenkenden Äußerung des Angeklagten , er werde den angerichteten Schaden beheben, wird zu prüfen sein, ob das (gehörlose) Opfer aufgrund der lediglich verbalen Auseinandersetzung vor der Tat keinen tätlichen Angriff gegen sich erwartete oder einen solchen voraussah und die Geschädigte durch den Schlag mit dem Stuhl möglicherweise völlig überrascht wurde. Dafür könnte vorliegend auch sprechen, dass die Untersuchung der Leiche durch den rechtmedizinischen Sachverständigen keine Hinweise auf Abwehrverletzungen des Opfers erbrachte. Sollte hingegen erst der erste Messereinsatz des Angeklagten, als das Opfer nach dem Stuhlschlag bereits benommen am Boden lag, von dem Tötungsvorsatz getragen worden sein, so wäre zum einen zu bedenken, dass die Benommenheit eines vom Täter geschlagenen Opfers gegen dessen Arglosigkeit sprechen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 1997 - 3 StR 68/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 23 sowie vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, NStZ 2008, 569). Zum anderen wird der neue Tatrichter aber auch in den Blick nehmen müssen, dass es für das Mordmerkmal der Heimtücke keinen Unterschied macht, ob ein überraschender Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche - auf Körperverletzung gerichtete - Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234 mwN; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 11; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Febuar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 217/08
vom
19. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18. Dezember 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen heimtückisch begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

I.

2
Die Kammer hat folgende Feststellungen getroffen: 1. Der Angeklagte und die zur Tatzeit 31-jährige Geschädigte Z. führten eine Beziehung. Nachdem sich diese verschlechtert und die Geschädigte neue Männerbekanntschaften gesucht hatte, trennte sie sich mit SMS vom 2. April 2007 vom Angeklagten. Am Freitag, den 20. April 2007 kam es zwischen den beiden zum Streit wegen der von Z. gewollten Trennung und wegen ihrer neuen Beziehung. Der Angeklagte seinerseits schlug die Fort- führung einer jedenfalls sexuellen Beziehung vor. Darauf ging Z. noch nicht konkret ein. Der Angeklagte erwartete, über das Wochenende hierüber Bescheid zu erhalten.
3
Am 23. April 2007 sollte der Angeklagte vereinbarungsgemäß einen Rasenmäher zur Geschädigten bringen. Am Abend des 22. April 2007 stellte der Angeklagte eine Garotte her, die als Drosselinstrument geeignet war. Dazu sägte er aus einem Kinderbett zwei Rundholzstäbe heraus und verband sie mit einer Kordel. Damit wollte der Angeklagte gegenüber Z. vortäuschen, einen Rasenmäher wieder aktivieren zu können. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass man die Garotte als Würgeinstrument verwenden könnte. Bereits am 22. April 2007 kam dem Angeklagten in den Sinn, dass er Z. etwas antun und dass er hierzu die Garotte als Würgeinstrument verwenden könnte.
4
Am Morgen des 23. April 2007 fuhr der Angeklagte, ohne Tötungsvorsatz zu haben, zu Z. , wo er gegen 08.15 Uhr eintraf. Die angefertigte Garotte hatte er in der Jackentasche eingesteckt. Sein Fahrzeug parkte er rückwärts in die Einfahrt. Im Kofferraum war eine Plane vorbereitet. Z. ging davon aus, dass der Angeklagte absprachegemäß einen Rasenmäher bringen und sein restliches Werkzeug abholen würde. Bis um 11.16 Uhr verlief der Besuch problemlos, wie sich aus einem von Z. zu diesem Zeitpunkt geführten Telefongespräch ergibt.
5
2. Weitgehend auf Grundlage der Angaben des Angeklagten stellte die Kammer zum Geschehensablauf in objektiver und subjektiver Hinsicht Folgendes fest:
6
Zwischen 11.17 und 12.00 Uhr tötete der Angeklagte Z. . Diese berichtete dem Angeklagten von gemeinsamen Aktivitäten mit ihrem neuen Partner und erklärte, dass sie mit dem behinderten Kind des Angeklagten nichts anfangen könne und dass dieses verzogen sei. Durch diese Äußerung war der Angeklagte aufgebracht. Er setzte sich neben die Geschädigte auf das Sofa, wollte sich beruhigen und legte einen Arm um sie. Nachdem die beiden fünf bis zehn Minuten so schweigsam saßen, sagte Z. , es sei besser, wenn der Angeklagte jetzt gehe. Hierbei drückte sie ihn leicht von sich weg. Der Angeklagte sah hierin eine negative Antwort auf seine Frage bezüglich einer weiteren sexuellen Beziehung.
7
Ohne dass Z. – wie der Angeklagte erkannte – auf einen körperlichen Angriff vorbereitet gewesen wäre, würgte sie der Angeklagte nun unvermittelt mit beiden Händen am Hals. Zu diesem Zeitpunkt wollte der Angeklagte noch nicht bedingt oder direkt den Tod der Geschädigten herbeiführen, sondern seine Aggressionen wegen der gescheiterten Beziehung durch Verletzung ihres Körpers abbauen. Nach diesem Würgen landeten beide auf dem Boden. Der Angeklagte lag auf der Geschädigten, hörte kurzfristig mit dem Würgen auf und Z. äußerte zweimal, dass sie den Angeklagten liebe, in der Hoffnung, er beende dadurch seinen Angriff. Der Angeklagte sah diese Äußerung jedoch als Lüge an und würgte sie erneut mit Körperverletzungsvorsatz.
8
Plötzlich hatte die Geschädigte, die mit dem Rücken auf dem Boden lag, einen Schürhaken in der Hand. Der Angeklagte entwand ihr diesen, legte ihn ihr quer über den Hals und brachte mit beiden Händen und mit einem Knie erhebliches Gewicht auf den Haken, wobei sich der direkte Körperverletzungsvorsatz zum bedingten Tötungsvorsatz gewandelt hatte. Der Angeklagte wollte die Geschädigte nun massiv bestrafen, wobei er ihren Tod als möglich erachtete und billigend in Kauf nahm. Z. gelang, abgesehen von Kratzen im Gesicht, keine Gegenwehr. Anschließend drehte der Angeklagte sein Opfer in Bauchlage , nahm – weiterhin mit bedingtem Tötungsvorsatz – die angefertigte Garotte, legte die Schnur über Kreuz um den Hals der Geschädigten und zog mit beiden Händen kräftig zu. Nachdem er eine zeitlang zugezogen hatte und die Geschädigte nicht mehr aufstehen konnte, nahm er ein Beil, das abgestellt war, und schlug ihr – nunmehr mit direktem Tötungsvorsatz – mit der stumpfen Seite mehrmals kräftig ins Genick.
9
Nach der Tat steckte der Angeklagte die Getötete in einen Bettüberzug, den er aus dem Schlafzimmer geholt hatte, schleifte das Opfer zu dem rückwärts in der Einfahrt geparkten Auto, breitete die im Kofferraum befindliche Folie aus, legte die Leiche dort ab und fuhr anschließend nach N. .

II.


10
Die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke hält auf der Grundlage dieser Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei heimtückisch begangenem Mord hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an (BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 jew. m.w.N.). Arglosigkeit des Tatopfers ist allerdings auch dann anzunehmen, wenn der überraschende Angriff zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt wird, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergeht, sodass die Situ- http://www.juris.de/jportal/portal/t/f4l/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE038302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/f4l/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE038302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - ation völlig unverändert ist und dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen bleibt. Die Tat muss vielmehr vom ersten Angriff an ihren ganz ungehemmten und nicht zu hemmenden Fortgang nehmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 16 und 27; BGH NStZ-RR 2004, 234).
12
2. Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Die Kammer hat zwar nicht verkannt, dass nach ihren Feststellungen der Angeklagte den ersten Würgeangriff mit den Händen lediglich mit Verletzungsvorsatz geführt hat. Sie meint aber, der Angeklagte habe sein Opfer völlig überraschend gewürgt und der Übergang vom Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz sei schnell geschehen, nachdem die Geschädigte einen Schürhaken ergriffen und der Angeklagte ihr diesen entwunden hatte. Währenddessen habe sich der Angeklagte fortwährend auf seinem Opfer befunden, sodass dieses keine Möglichkeit zu relevanten Gegenmaßnahmen gehabt habe. Das Ergreifen des Schürhakens könne nicht als relevante Gegenmaßnahme angesehen werden. Der Angeklagte habe diesen der Geschädigten sofort entwunden. Wegen des Kräfteverhältnisses und des Umstandes, dass sich der Angeklagte bereits auf seinem Opfer befunden habe, habe es keine relevante Chance gehabt. Dies gelte auch für die dem Angeklagten zugefügten Kratzer im Gesicht , die nur eine geringe Abwehrtätigkeit darstellten.
13
3. Diese Erwägungen tragen die Annahme der Heimtücke nicht.
14
a) Die Wehrlosigkeit des Opfers kann selbst dann entfallen, wenn ihm die nicht von vorneherein gänzlich aussichtslose Möglichkeit bleibt, auf den Täter verbal einzuwirken, um den Angriff zu beenden. Von einer Wehrlosigkeit des Opfers im Sinne eines Ausschlusses jedes nicht gänzlich sinnlosen Versuchs, den Täter von der Tötungshandlung abzubringen, kann nur dann ausgegangen werden, wenn festgestellt ist, dass der Entschluss des Täters zur Tötung so unumstößlich war, dass jeder Versuch, ihn davon abzubringen, mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt war (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 8).
15
Nach den bisherigen Feststellungen der Kammer landeten der Angeklagte und das Opfer nach dem ersten mit Körperverletzungsvorsatz geführten Angriff auf dem Sofa infolge eines Gerangels auf dem Boden und der Angeklagte hörte kurzfristig mit dem Würgen auf. In dieser Situation äußerte die Geschädigte in der Hoffnung, den Angriff beenden zu können, zweimal, dass sie den Angeklagten liebe. Unter diesen Umständen scheint es nicht ausgeschlossen, dass es der Geschädigten grundsätzlich möglich gewesen wäre, den Angeklagten umzustimmen oder jedenfalls hinzuhalten und so der Bedrohung zu entgehen ; dies insbesondere, da der Angeklagte nach den Urteilsgründen zum Zeitpunkt der Äußerungen noch gar keinen Tötungsvorsatz gefasst hatte und er selbst nach den Liebesbekundungen sein Opfer erneut lediglich mit Körperverletzungsvorsatz würgte. Indem die Kammer ausschließlich auf mögliche Gegenmaßnahmen körperlicher Art abgestellt hat, hat sie sich den Blick für die Möglichkeit verbaler Einwirkung versperrt.
16
b) Auch nach dem ersten Angriff würgte der Angeklagte die Geschädigte erneut lediglich mit Körperverletzungsvorsatz. Erst nachdem er ihr den Schürhaken entwunden hatte und ihr diesen auf den Hals drückte, handelte er nach den Feststellungen erstmals mit bedingtem Tötungsvorsatz. Bei diesem Tatgeschehen , bei dem sich die Situation wiederholt gewandelt, der Angeklagte – aus welchem Grund auch immer – in seinem Würgeangriff innegehalten hat, die Geschädigte versucht hat, den Angriff verbal zu beenden, und bei dem die ersten beiden Angriffe lediglich mit Körperverletzungsvorsatz geführt wurden, kann nicht davon gesprochen werden, die Situation sei von Beginn an völlig unverändert gewesen und es sei keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen geblieben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16).
17
c) Schließlich geht die Kammer bei der Beurteilung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auch von einem falschen Ansatz aus, indem sie darauf abstellt , der Körperverletzungsvorsatz sei schnell in Tötungsvorsatz übergegangen , nachdem der Angeklagte seinem Opfer den Schürhaken entwunden habe (UA S. 45). Das Landgericht durfte jedoch den Umstand nicht außer Acht lassen , dass dem ersten mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Angriff ein weiterer lediglich mit Körperverletzungsvorsatz geführter Würgeangriff voranging, nachdem der Angeklagte für kurze Zeit mit dem ersten – ebenfalls nur von Körperverletzungsvorsatz getragenen – Würgen aufgehört und die Geschädigte ihm ihre Liebe bekundet hatte. Vielmehr ist bei der Beurteilung der Arg- und Wehrlosigkeit darauf abzustellen, ob der Körperverletzungsvorsatz beim ersten, überraschenden Angriff derart schnell in Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergeht.

III.


18
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Senat sieht Anlass für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hinzuweisen:
19
1. Das Tatgericht ist nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48; NJW 2007, 2274). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274).
20
Die vom Landgericht getroffene Feststellung, der Angeklagte sei ohne Tötungsabsicht zur Geschädigten gefahren und habe sowohl den ersten als auch den zweiten Würgeangriff mit den Händen lediglich mit Körperverletzungsvorsatz geführt, bevor er dann – ohne ersichtlichen Grund – mit Tötungsvorsatz gehandelt habe, hat keine erkennbaren realen Anknüpfungstatsachen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte am Tattag die Garotte in seiner Jackentasche trug, eine Plane im Kofferraum seines Fahrzeugs hatte, auf der er später die Leiche zum Abtransport ablegte , und das Fahrzeug bereits rückwärts in der Einfahrt geparkt hatte. Gleiches gilt für die Annahme der Kammer, der Angeklagte habe am Abend vor der Tat die Garotte hergestellt, um damit der Geschädigten vorzutäuschen, einen Rasenmäher wieder aktivieren zu können, wobei es ihm gleichzeitig in den Sinn gekommen sei, dass er ihr damit etwas antun und hierzu die Garotte als Würgeinstrument verwenden könnte.
21
2. Außerdem ist Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Der Tatrichter ist also nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen, wenn diese tragfähig sind (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 22, 25; BGH NStZ-RR 2004, 238). Im Hinblick darauf begegnet die Formulierung des Landgerichts rechtlichen Bedenken, wonach aus dem Umstand, dass der Angeklagte am Tattag im Kofferraum seines Fahrzeugs eine Plane vorbereitet hatte – die er letztlich auch zum Abtransport der Leiche benutzte –, „keine zwingenden Schlüsse gezogen werden“ könnten (UA S. 14). Dies lässt besorgen, dass sich die Strafkammer nicht bewusst war, dass aus einer Indiztatsache auch zu Ungunsten des Angeklagten Schlüsse, die nicht zwingend, sondern nur möglich sind, gezogen werden können, und dass sie damit überspannte Anforderungen an die erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat.
22
3. Im Übrigen ist es regelmäßig verfehlt, nach den tatsächlichen Feststellungen die Aussagen sämtlicher Zeugen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen. Die schriftlichen Urteilsgründe dienen nicht dazu, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren. Sie sollen das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen. Die Beweiswürdigung setzt sich mit der Einlassung des Angeklagten auseinander, soweit diese von den für Schuldund Rechtsfolgenausspruch wesentlichen Feststellungen abweicht. Mit der Be- weiswürdigung soll der Tatrichter lediglich belegen, warum er bestimmte, bedeutsame tatsächliche Umstände so festgestellt hat. Hierzu wird er Zeugenaussagen , Urkunden und ähnliches heranziehen, soweit deren Inhalt für die Überzeugungsbildung wesentlich ist (BGH NStZ 1998, 51). Nack Wahl Boetticher Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 113/06
vom
27. Juni 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
27. Juni 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 22. November 2005 mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen , aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke. Die Revision wird vom Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung wegen Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte lebte vorübergehend im Haushalt seiner Cousine M. B. , des späteren Tatopfers, zu der er eine intime Beziehung unter- hielt. Am Abend des 28. Februar 2005 kamen in ihm unbegründete Eifersuchtsgedanken auf. Er steigerte sich derart hinein, dass er nicht einschlafen konnte. Der Angeklagte, der alkoholabhängig ist, aber seit sieben Jahren abstinent lebte , wurde alkoholrückfällig. Er trank heimlich 0,5 Liter 40 %-igen Calvados.
4
Am nächsten Morgen, dem 1. März 2005, bemerkte M. B. die Alkoholisierung des Angeklagten. Sie erklärte ihm, dass sie mit einem Alkoholiker nichts zu tun haben wolle und äußerte Unverständnis über seine Eifersucht. Im Rahmen dieses Streitgesprächs trat der Angeklagte von hinten an M. B. heran und nahm sie mit seinem rechten Unterarm mindestens 20 bis 30 Sekunden in einen Halswürgegriff. Dadurch erlitt sie leichte Verletzungen im Bereich der inneren Halsorgane. Mit der linken Hand ergriff er nun mit erst jetzt sicher nachweisbarem Tötungsvorsatz ein Küchenmesser und versetzte ihr damit zwei Messerstiche in den Bauchbereich, die die Leber kreuzförmig durchstachen. Dann löste er den Unterarmgriff und fügte ihr einen oberflächlichen Bauchstich und einen oberflächlichen Stich in die linke seitliche Brustwand zu. Danach versetzte er ihr fünf weitere Stiche in den Rücken-, Lenden- und seitlichen Rumpfbereich, wobei sie möglicherweise bereits am Boden lag, sich in einer Drehbewegung befand oder er um sie herumgegangen war. Von diesen Stichen führten drei binnen weniger Minuten zum Tode durch Verbluten und Zusammenbruch der Atmung.
5
Die Tat erfolgte zwischen 7.00 und 8.00 Uhr, nachdem die beiden Söhne des Tatopfers zur Schule gegangen waren. Der Angeklagte trank nach der Tat noch 0,1 Liter Calvados. Nach vorangegangenen anderen Telefonaten benachrichtigte er um 11.04 Uhr die Polizei. Die ihm um 12.01 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,09 o/oo.
6
2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Totschlag gewertet. Auch das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke hat es ausgeschlossen. Zwar sei das Opfer objektiv arg- und wehrlos gewesen, als der Angeklagte es von hinten in den Unterarmwürgegriff genommen habe, für diesen Zeitpunkt sei aber ein Tötungsvorsatz nicht sicher feststellbar gewesen. Als der Angeklagte dann zum Messer gegriffen habe, sei das Opfer nicht mehr arglos gewesen. Im Übrigen gebe es keinen Nachweis für ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit durch den Angeklagten. Zwar habe ein gewisses Vertrauens- und Überraschungsmoment vorgelegen. Ein Ausnutzungsbewusstsein wäre aber nur dann nachweisbar, wenn der Angeklagte die Angriffsmöglichkeit von hinten, etwa durch ein Veranlassen der Getöteten sich umzudrehen, gezielt herbeigeführt hätte. Auch spreche die hochgradige Alkoholisierung des Angeklagten gegen eine Bewusstseinsbildung bezüglich der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers.
7
Im Anschluss an die Anhörung von zwei Sachverständigen ist das Landgericht von einer nicht ausschließbar erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge Alkoholintoxikation im Sinne von § 21 StGB zur Tatzeit ausgegangen.

II.

8
Die rechtliche Bewertung des Landgerichts zur objektiven und subjektiven Tatseite eines heimtückisch begangenen Mordes ist nicht frei von Rechtsfehlern. Insoweit ist der festgestellte Sachverhalt auch nicht erschöpfend gewürdigt.
9
1. Die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke können selbst dann erfüllt sein, wenn der Unterarmwürgegriff von hinten nicht mit Tötungsvorsatz erfolgte und der Angeklagte einen solchen Vorsatz erst fasste, als er nach dem Messer griff. Dies schließt die Arglosigkeit des Opfers nicht von vornherein aus.
10
Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.N.). Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt , die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Dabei macht es aber keinen Unterschied, ob der überraschende Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke

3).

11
Jedenfalls letztere Konstellation ist hier gegeben. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt der Angeklagte das Opfer 20 bis 30 Sekunden im Unterarmwürgegriff, den er von hinten ausgeführt hatte, bevor er sich entschloss , es zu töten. Das Opfer hatte in dieser Lage nach Erkennen der Gefahr keine Möglichkeit mehr, sich gegen den Tötungsangriff zur Wehr zu setzen, was die fehlenden Abwehrverletzungen bestätigen. Dann war das Opfer - an den aufgezeigten Maßstäben gemessen - aber auch zu diesem Zeitpunkt infolge Arglosigkeit wehrlos.
12
2. Die Verneinung eines Ausnutzungsbewusstseins des Angeklagten entbehrt einer tragfähigen Grundlage.
13
a) Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535).
14
Es ist nicht erforderlich, wie das Landgericht meint, dass der Täter die Angriffsmöglichkeit von hinten durch eigenes Veranlassen gezielt herbeiführt. Wenn der Angeklagte hier seinem Opfer von hinten den Unterarm um den Hals legte und es würgte, so liegt die Annahme nahe, dass er sich des überraschenden Angriffs bewusst war. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht ein Ausnutzungsbewusstsein verneint, sind in der rechtlichen Bewertung in zweifacher Hinsicht fehlerhaft. Einerseits bedarf es des bewussten Herbeiführens eines Hinterhaltes nicht, andererseits liegt - wie oben ausgeführt - eine rechtsfehlerhafte Bewertung der Arglosigkeit zugrunde.
15
b) Soweit das Landgericht ausführt, auch die hochgradige Alkoholisierung des Angeklagten spreche gegen eine Bewusstseinsbildung bezüglich der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, fehlt dafür jedwede Begründung. Im Hinblick auf die Ausführungen zur nicht ausschließbar verminderten Schuldfähigkeit infolge Alkoholisierung versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte den Überraschungseffekt nicht in sein Bewusstsein aufgenommen habe.
16
Die Alkoholisierung beeinträchtigte danach die Fähigkeit des Angeklagten zur Unrechtseinsicht nicht. Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit wurde nicht positiv festgestellt, sondern konnte nicht ausgeschlossen werden. Nach Auffassung des Sachverständigen K. , der aufgrund der Blutprobe eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,29 o/oo für die Tatzeit von 7.00 Uhr und eine solche von 3,09 o/oo für die Tatzeit von 8.00 Uhr errechnete, zeigte der Angeklagte angesichts dieser Alkoholisierung erstaunlich wenige Ausfallerscheinungen, was darauf schließen lasse, dass er doch nicht ganz trocken gewesen sei. Bei der Berechnung der Tatzeit-BAK hat der Sachverständige den festgestellten Nachtrunk außer Acht gelassen. Unter Berücksichtigung des Nachtrunks bewege sich die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit - so der Sachverständige - dann "am unteren Ende der Nichtausschließbarkeit". Das Landgericht hätte bei einer erschöpfenden Würdigung des Sachverhalts diese Ausführungen in seine Erwägungen einbeziehen und sich damit auseinandersetzen müssen.
17
3. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Insoweit ist das Urteil nicht angegriffen.
18
4. Die Überprüfung des Urteils zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
19
5. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der Begriff der "Erheblichkeit" in § 21 StGB ein Rechtsbegriff ist. Über das Vorliegen seiner Voraussetzungen ist nach ständiger Rechtsprechung vom Gericht in eigener Verantwortung zu entscheiden und nicht vom Sachverständigen. Dabei fließen normative Überlegungen ein (BGHSt 8, 113, 124; 43, 66, 77). Der Tatrichter hat Gelegenheit , auch darüber neu zu befinden. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 529/08
vom
12. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Nebenkläger-Vertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2. Juli 2008 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen zum Ausnutzungsbewusstsein hinsichtlich der Heimtücke aufgehoben ; die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Sachrüge beanstandet sie, dass der Angeklagte nicht wegen Mordes verurteilt ist.

I.


3
Der Angeklagte und Andrea Sch. - das spätere Tatopfer - hatten seit 1987 eine von Anfang an konfliktbeladene Beziehung unterhalten, in deren Verlauf es mehrfach zu Trennungen und anschließenden Versöhnungen kam. Ihre im April 2004 geschlossene Ehe wurde im April 2007 geschieden. Am Tattage, dem 3. Oktober 2007, machte der Angeklagte, dem zugetragen worden war, dass sich Andrea Sch. mit einem verheirateten Mann in einem Lokal aufgehalten und mit diesem getrunken habe, ihr Vorhaltungen, weil sie mit jenem Mann "fremdgegangen“ sei. Im weiteren Verlauf des Tages kam es zwischen dem Angeklagten und Andrea Sch. zu zahlreichen telefonischen Kontakten. Gegen 20.15 Uhr rief der Angeklagte Andrea Sch. , die sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb ihrer Wohnung aufhielt, ein weiteres Mal an und erklärte, sie und ihre Freundin könnten sich "auf ein Schlachtfest vorbereiten" und sich "gegenseitig zugucken". Andrea Sch. wusste mit dieser Äußerung des Angeklagten , der mehrfach ohne realistischen Hintergrund verbal ausfällig geworden war, nichts anzufangen. Gegen 21.00 Uhr kehrte sie in Begleitung der Zeugin K. in ihre Wohnung zurück. Im Arbeitszimmer nahmen beide am PC Platz und suchten das Internetportal "Gesichterparty" auf. Der alkoholgewohnte, mitelgradig alkoholisierte Angeklagte hatte sich zuvor Zugang zu der Wohnung verschafft und sich hinter einer Couch versteckt. Das Landgericht hat zum weiteren Geschehen folgendes festgestellt: "Andrea Sch. und die Zeugin K. bemerkten den in der Tür stehenden Angeklagten erst, als dieser mit erhobener Stimme und in bösem Ton sinngemäß äußerte 'Ach, Gesichterparty ist dir wichtiger!'. Zwischen dem Angeklagten, der um den in der Mitte des Raumes stehenden Schreibtisch herum auf Andrea Sch. zuging, und Andrea Sch. gab es einen kurzen Wortwechsel. Der Angeklagte drückte dann mit der linken Hand Andrea Sch. nach hinten, so dass sie in der Ecke des Raumes stand. Er stach sodann mit dem von ihm mitgeführten Klappmesser mit einer Klingenlänge von etwa 7,5 cm vielfach auf Andrea Sch. ein, und zwar insbesondere in deren Hals- und Brustbereich, um sie zu töten, und äußerte dabei 'Das hast du davon!' ".
4
Danach deutete er mit dem Messer auf die Zeugin K. und fragte: "Willst du auch?". Dann äußerte er, er wolle gemeinsam mit Andrea Sch. sterben und rammte sich zweimal das Messer mit Kraft in den Oberkörper und brach am Tatort zusammen. Andrea Sch. erlag den ihr zugefügten Stichverletzungen.

II.


5
Revision des Angeklagten
6
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. Oktober 2008 ausgeführten Gründen , auf die insoweit Bezug genommen wird, insbesondere auch für die von der Revision angegriffene Verneinung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB. Auch die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Zwar kann die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB grundsätzlich nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf aber nicht ausschließlich zur Besserung des Täters , also ohne gleichzeitige günstige Auswirkungen auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der vom alkoholabhängigen Täter ausgehenden Gefährlichkeit erfolgen. Vielmehr ist erforderlich, dass bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung jedenfalls das Ausmaß der Gefährlichkeit des Täters nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten deutlich herabgesetzt wird (vgl. Senat NStZ 2003, 86 m.w.N.). Davon hat sich das auch insoweit sachverständig beratene Landgericht, wie sich den Urteilsausführungen noch hinreichend entnehmen lässt, jedoch nicht zu überzeugen vermocht.

III.


7
Revision der Staatsanwaltschaft
8
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die vom Generalbundesanwalt nur insoweit vertretene Revision hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich gegen die Verneinung des Mordmerkmals „Heimtücke“ wendet.
9
1. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ rechtsfehlerfrei abgelehnt. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und besonders verwerflich sind (BGH NStZ-RR 2007, 111 m.w.N.).
10
Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass Eifersucht eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt hat. Dass es diese Motivation nicht als tatbeherrschend angesehen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer war nach den Feststellungen von einem ständigen "Hin und Her" geprägt. Es kam zwischen ihnen häufig zu Streitigkeiten , wobei auch massive Beschimpfungen und Beleidigungen nicht untypisch waren. Der Angeklagte befand sich bei Begehung der Tat in einer – jedenfalls von ihm subjektiv so empfundenen – psychisch erheblich belastenden Situation. Vor diesem Hintergrund hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums, dass das Landgericht die für den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet hat.
11
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet jedoch die Verneinung des Mordmerkmals "Heimtücke" zu Recht.
12
a) Nach den Feststellungen war Andrea Sch. , was das Landgericht nicht verkannt hat, bei Beginn des tödlichen Angriffs des Angeklagten arglos und infolgedessen wehrlos. Sie versah sich, als sie in ihre Wohnung zurückgekehrt war, trotz der telefonischen Äußerung des Angeklagten, sie und ihre Freundin könnten sich "auf ein Schlachtfest vorbereiten", keines Angriffs. Der Angeklagte hatte keinen Schlüssel zu der Wohnung und hatte auch nicht etwa angekündigt, er werde sich Zugang zur Wohnung verschaffen. Lauert der Täter – wie hier – seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenüber tretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (vgl. BGH NStZ 1984, 261; NStZ-RR 1996, 98).
13
b) Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535). Die Erwägungen mit denen das Landgericht diese Voraussetzungen verneint hat, entbehren einer tragfähigen Grundlage.
14
Die Ankündigung des Angeklagten, das Tatopfer und dessen Freundin könnten sich "auf ein Schlachtfest" vorbereiten, spricht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gegen das Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten. Der Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH NStZ 2007, 268), auf die das Landgericht ersichtlich abgestellt hat, lag eine andersartige Fallgestaltung zugrunde. Der Täter war dem Opfer kurz nach der telefonischen Ankündigung: "Ich komme jetzt zu dir ins Restaurant und mache dich platt" - wenn auch mit verdeckter Waffe – entgegengetreten. Kann sich das spätere Opfer auf eine in Kürze zu erwartende Konfrontation einstellen, liegt es fern, dass der Täter das Ausnutzungsbewusstsein hat. So liegt es hier jedoch nicht. Der Angeklagte war vielmehr heimlich in die Wohnung des Tatopfers eingedrungen und hatte sich dort hinter einer Couch versteckt. Es liegt nahe, dass er dies tat, um das Tatopfer zu überraschen, denn er konnte, weil er nicht mehr über einen Schlüssel zu der Wohnung verfügte, davon ausgehen, dass das Tatopfer nicht damit rechnete, dass er sich in der Wohnung aufhielt. Dafür, dass sich der Angeklagte der Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst war, spricht zudem, dass er erst einige Zeit nach dem Eintreffen des Tatopfers in der Tür zum Arbeitszimmer auftauchte und sofort zum Angriff überging.
15
Soweit das Landgericht ausgeführt hat, auch die Alkoholisierung des Angeklagten spreche gegen die Annahme des erforderlichen Ausnutzungsbewusstseins , fehlt dafür jedwede Begründung. Dass der Angeklagte alkoholbedingt die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers nicht in sein Bewusstsein aufgenommen haben könnte, versteht sich im Hinblick auf die Ausführungen zur uneingeschränkten Schuldfähigkeit nicht von selbst.
16
c) Die danach rechtsfehlerhafte Verneinung des Mordmerkmals „Heimtücke“ führt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen zum Ausnutzungsbewusstsein hinsichtlich der Heimtücke. Die übrigen Feststellungen sind jedoch rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bestehen gebliebenen nicht widersprechen, sind zulässig.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Mutzbauer
5 StR 126/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt H ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof S
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ho
als Verteidiger,
Rechtsanwältin M
als Vertreterin des Nebenklägers Sc ,
Rechtsanwalt Ma
als Vertreter der Nebenklägerin L ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers Sc und der Nebenklägerin L wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11. November 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und einen Pkw des Angeklagten eingezogen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen beider Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg. Dagegen bleibt die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erfolglos.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Die im Jahre 1974 geschlossene Ehe des Angeklagten verlief zunächst harmonisch und problemlos. Im Jahre 1986 nahm seine Ehefrau ein intimes Verhältnis zu einem anderen Mann auf. Gleichwohl hielt der Angeklagte an der Ehe fest. Der Angeklagte erkrankte im Jahre 1996 an Krebs, wurde mehrfach operiert, erhielt Strahlenbehandlung und schied in der Folgezeit aus seinem Beschäftigungsverhältnis aus. Im Jahre 2000 zog seine Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung aus, weil der Angeklagte an Depressionen litt, mehrfach Gegenstände nach ihr warf und die Wohnung demolierte und die Ehefrau deshalb ein Zusammenleben nicht mehr aushielt. Der Angeklagte , der dadurch – auch wegen seiner schweren Krankheit – tief enttäuscht war und sich alleingelassen fühlte, begann, seiner Ehefrau nachzuspionieren , sie mit seinem Auto zu verfolgen, sie immer wieder gegen ihren Willen anzurufen und ihr auch anzudrohen, sie und sich selbst umzubringen. Die Ehefrau nahm diese Drohungen sehr ernst und hatte erhebliche Angst vor Tätlichkeiten ihres Mannes. Zu irgendwelchen Tätlichkeiten kam es jedoch nicht. Nach Scheidung der Ehe – im September 2001 – sagte der Angeklagte zu seiner geschiedenen Ehefrau, sie werde Weihnachten nicht überleben. Er machte jedoch diese Drohung nicht wahr. Die erhebliche Angst seiner ehemaligen Ehefrau bestand aber weiter fort.
Als diese Ostern 2001 Herrn Sch kennenlernte und mit ihm ein intimes Verhältnis begann, war der Angeklagte darüber erbost, verärgert und wütend und rief in der Folgezeit mehrfach Herrn Sch an. Der Angeklagte erfuhr, daß seine geschiedene Ehefrau mit Herrn Sch in einer gemeinsamen Wohnung in Weyhausen lebte. Auch danach versuchte er wiederholt, seine Ehefrau zurückzugewinnen.
Der Angeklagte erwarb – ohne entsprechende Berechtigung – im April 2002 eine Kleinkaliberpistole Typ Walther PPK samt Munition und im Mai 2002 eine weitere Pistole, Typ Luger, Kaliber 9 mm und kurz darauf für diese Waffe auch scharfe Munition.
Am frühen Abend des 17. Mai 2002 fuhr der Angeklagte von seiner Wohnung in Helmstedt mit seinem Pkw VW Golf etwa 50 km nach Weyhausen. Die Pistole Typ Luger 9 mm hatte er in durchgeladenem und gesichertem Zustand in einem Stoffbeutel bei sich. Er suchte seine ehemalige Ehefrau und deren Lebensgefährten in Weyhausen und auf den umgebenden Straßen. Gegen 21.00 Uhr sah er auf einer Kreisstraße nahe Weyhausen seine ehemalige Ehefrau und Herrn Sch , die auf oder neben der Straße spazierengingen. Der Angeklagte fuhr zunächst an ihnen vorbei, wendete, fuhr zurück und parkte sein Fahrzeug am rechten Rand der Kreisstraße. Er zog die durchgeladene Pistole aus dem Stoffbeutel und stieg aus dem Fahrzeug. Spätestens jetzt faßte er den Entschluß, seine geschiedene Ehefrau und Herrn Sch zu töten. In Ausführung dieses Tatplanes entsicherte er die Waffe und schoß sofort auf beide. Er traf seine geschiedene Ehefrau von schräg unten in den Kopf, Herrn Sch einmal schräg von oben in die Schädeldecke, einmal in den hinteren rechten Lendenbereich in Nähe des Gesäßes und einmal von vorn in die rechte Hand. Herr Sch verstarb noch am Tatort, die Frau in der folgenden Nacht im Krankenhaus, beide aufgrund zentraler Lähmung infolge der Kopfschüsse.
Nach den Schüssen fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw mit erheblicher Startgeschwindigkeit davon. Er fuhr zu seiner Wohnung nach Helmstedt , versteckte die Tatwaffe im Keller und legte sich schlafen.

I.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, die sämtlich geltend machen, das Landgericht habe Mordmerkmale zu Unrecht verneint , sind begründet, weil die Verneinung von Heimtücke rechtlicher Prüfung nicht standhält.
1. Allerdings hat das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Be- weggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
Es hat hierzu ausgeführt, es könne beim Angeklagten ein Motivbündel aus Verärgerung, Eifersucht, Wut, aber auch tiefste Enttäuschung über das „Verlassenwordensein“ durch seine Ehefrau vorgelegen haben. Bei Berücksichtigung der von dem psychiatrischen Sachverständigen beschriebenen besonderen Persönlichkeit des Angeklagten und bei Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte der seit langem sehr problematischen Ehe sei nicht sicher auszuschließen, daß eine tiefe Enttäuschung des Angeklagten das Hauptmotiv für die Tat war, nämlich darüber, daß nach seiner eingeengten Sichtweise seine Ehefrau ihn – so seine Worte – nach der schweren Krankheit „weggeworfen“ habe. Dieses Motiv stehe nicht auf moralisch tiefster Stufe.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGH NJW 1981, 1382; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20, 25; BGH NStZ 1997, 81; BGH StV 1983, 503, 504 und 2000, 76). Dies ist nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht ausschließen können , daß das Hauptmotiv der Tat die Enttäuschung des Angeklagten darüber war, daß seine Ehefrau ihn nach seiner Krebserkrankung und den folgenden Depressionen verlassen („weggeworfen“) hat. Dieses Motiv erfüllt nicht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe. Das gilt zunächst für die Tötung der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten. Für die Beurteilung der Tötung des Herrn Sch ergibt sich aus den Feststellungen nichts anderes. Auch die Tötung des neuen Lebensgefährten der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten kann von dem genannten Hauptmotiv getragen gewesen sein.
2. Auch liegt kein Rechtsfehler darin, daß das Landgericht angesichts der getroffenen Feststellungen die Möglichkeiten nicht erörtert hat, der Angeklagte habe eine der beiden Tötungen etwa begangen, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. Für die beiden von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erwogenen Tatvarianten, daß der Angeklagte Herrn Sch etwa zunächst tötete, um danach seine geschiedene Frau töten zu können, oder daß der Angeklagte etwa Herrn Sch als Zeugen der vorangegangenen Tötung seiner ehemaligen Ehefrau beseitigte, bestehen nach den getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Das Landgericht hat sich nicht einmal imstande gesehen, eine Reihenfolge der Schüsse festzustellen. Schon damit fehlt jeder der beiden gedachten Tatvarianten eine Grundlage.
3. Jedoch hält die Begründung, mit der das Landgericht das Mordmerkmal der Heimtücke verneint hat, rechtlicher Prüfung nicht stand.
Hierzu ist im angefochtenen Urteil ausgeführt: Es sei nicht sicher auszuschließen , daß die geschiedene Ehefrau des Angeklagten dessen Pkw, der ihr auf der Straße entgegenkam, bei der ersten Begegnung erkannte und dieses auch Herrn Sch mitteilte. Da sie nach den vorherigen Drohungen ihres Mannes und den sonstigen Vorfällen noch erhebliche Angst vor dem Angeklagten gehabt habe und davon auszugehen sei, daß auch Herr Sch diese Angst kannte, könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, daß beide Opfer bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, nämlich beim Anhalten und Aussteigen des Angeklagten mit der gut sichtbaren Pistole am Tatort, nicht mehr arglos waren, sondern einen tätlichen Angriff des Angeklagten für möglich hielten.

a) Zwar ist das Landgericht – im Ansatz zutreffend – davon ausgegangen , daß die Arglosigkeit des Opfers dann entfallen kann, wenn es mit einem schweren oder doch erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Allerdings hat der Bundesgerichtshof den genannten Gesichts-
punkt regelmäßig in solchen Fällen zur Geltung gebracht, in denen der Tat eine offene Auseinandersetzung mit von vornherein feindseligem Verhalten des Täters vorangegangen war (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21, 27; BGH NStZ-RR 1996, 322 jeweils m. w. N.) oder in denen das Opfer sich bewußt in eine feindliche Auseinandersetzung eingelassen hatte (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 29), der Anlaß für die vom Opfer gehegte Erwartung eines tätlichen Angriffs des Täters also ein akuter war. Eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente Angst des Opfers vermag dessen Arglosigkeit jedenfalls nicht zu beseitigen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ-RR 2001, 14). Es kommt insofern vielmehr allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGHSt 39, 353, 368).

b) Zudem gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgendes: Ein Opfer, gegen das sich ein lebensbedrohlicher Angriff richtet, kann auch dann arg- und wehrlos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, das Opfer die drohende Gefahr aber erst im letzten Augenblick erkennt, so daß ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Denn die besondere Gefährlichkeit heimtückischen Handelns liegt darin, daß der Täter sein Opfer in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder diesen doch wenigstens zu erschweren (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; BGH GA 1971, 113, 114; BGH NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 2003, 146; BGH, Beschl. vom 3. August 2000 – 4 StR 259/00). Das offen aggressive Verhalten des Angeklagten, der seinen Opfern unmittelbar vor den tödlichen Schüssen mit gezückter Waffe feindselig entgegentrat, konnte – was das Landgericht nicht verkannt hat – eine zu dem Zeitpunkt noch gegebene Arglosigkeit nicht entfallen lassen. Maßgeblich für die Beurteilung ist nämlich grundsätzlich die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit der Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 4, 13, 22; jeweils m. w. N.). Dies ist hier spätestens der Zeitpunkt, in dem der Angeklagte aus seinem
Fahrzeug ausstieg und mit Tötungsvorsatz seine Waffe entsicherte.

c) Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, daß die Ehefrau des Angeklagten beim Anblick des Angeklagten im Vorbeifahren eine relevante Gefahr angenommen haben sollte, die sie ihrem Begleiter vermittelte, wodurch die Arglosigkeit der Opfer zu Beginn des todbringenden Angriffs beseitigt worden wäre, so bleibt eine solche – vom Tatrichter zugunsten des Angeklagten unterstellte – Geschehensvariante im Urteil unzulänglich belegt. Es fehlt an der hierfür unerläßlichen näheren Erörterung maßgeblicher Begleitumstände. Zur Frage, ob das vorbeifahrende Fahrzeug für die Ehefrau individuell als das Fahrzeug des Angeklagten erkennbar war, enthält das Urteil lediglich Ausführungen, daß es zur Tatzeit noch hell war und Frau Lu den Pkw ihres Mannes „gut kannte“. Nähere Anknüpfungstatsachen zu Fragen im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit einer individuellen Erkennbarkeit des Pkw VW Golf – insbesondere zu orts- und zeitbedingten Sichtverhältnissen, etwa unter Berücksichtigung der möglichen Blickrichtung der Spaziergänger auf die Fahrbahn, der Verkehrsdichte, des Erscheinungsbildes des Fahrzeugs und der möglichen Fahrgeschwindigkeit –, aus denen sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit der zur Entlastung des Angeklagten unterstellten Geschehensvariante ableiten ließe, die mehr als eine bloße Vermutung des Tatrichters rechtfertigen könnte, fehlen.

d) Der Senat weist allerdings darauf hin, daß ungeachtet dessen – auch wenn bei richtiger Sachverhaltsauswertung Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer bei Tatbegehung objektiv festzustellen wären – bei dem offen feindlichen Entgegentreten des erregten Angeklagten auf seine Opfer zusätzlich zu prüfen wäre, ob er die Situation der Arglosigkeit seiner Opfer wahrgenommen und bewußt ausgenutzt hat. Das mag sich freilich allein aus der von ihm vorgefundenen Situation zu Beginn des tödlichen Angriffs ohne weiteres ableiten lassen.

II.


Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Insbesondere liegt in der Annahme zweier selbständiger Fälle des Totschlags kein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler.
Eine natürliche Handlungseinheit kann ausnahmsweise auch dann vorliegen , wenn es um die Beeinträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen geht. Die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit ist in derartigen Fällen dann gerechtfertigt, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 1 und 9). Ein solcher Ausnahmefall kann namentlich bei mehreren Schüssen auf zwei Personen innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur vorliegen (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 2 und 5). Allerdings kann sich eine solche Zäsur etwa auch daraus ergeben, daß der Täter nach dem ersten Schuß einen Stellungswechsel vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 82). Offenbar hat das Landgericht dies vor Augen gehabt, als es eine natürliche Handlungseinheit mit der Begründung abgelehnt hat, „daß der Angeklagte jeweils bei Schußabgabe die Lage seiner Pistole in der Hand erheblich ändern mußte, um den beabsichtigten Erfolg herbeizuführen“. Es erscheint eher fernliegend, in dieser geringfügigen Richtungsänderung zwischen den Schüssen auf die beiden Opfer , die „dicht beieinander“ waren, einen Umstand zu sehen, der der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entscheidend entgegenstehen könnte.
Jedenfalls beschwert die Annahme zweier Handlungen den Angeklagten nicht. Denn es ist auszuschließen, daß das Landgericht, wäre es von einer tateinheitlichen Tötung zweier Menschen ausgegangen, – statt, wie ge-
schehen, aus zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils elf Jahren eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren zu bilden – auf eine geringere Freiheitsstrafe als eine solche von 13 Jahren erkannt hätte.
2. Die umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

III.


Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß in vollem Umfang Feststellungen zur Person des Angeklagten und zur Tat zu treffen sind. In der rechtlichen Beurteilung ist der neue Tatrichter – bis auf die Bindung an die die Heimtücke betreffenden Aufhebungsgründe des Senatsurteils – frei.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal
17
a) Ein Beweggrund ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist; ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren einschließt (BGH, Urteile vom 2. Dezember 1987 – 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116, 126 f.; vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01, 47, 128, 130 mwN).
20
Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, an welchen Zeitpunkt für die Frage der Arglosigkeit des Opfers anzuknüpfen sein wird: Kommt es auf die Lage vor dem Stuhlschlag an, so wird zu bedenken sein, dass ein der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen die Arglosigkeit nicht ausschließen, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 mwN). Wesentlich ist, dass der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Zu bedenken wird auch sein, dass das Opfer auch dann arglos sein kann, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, also sein Opfer etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 mwN). In diesem Zusammenhang wird vorliegend auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bei keiner der festgestellten früheren streitigen Auseinandersetzungen - auch nicht bei denen, die einen polizeilichen Einsatz zur Folge hatten - gewalttätig gegen seine Ehefrau vorgegangen war. Deshalb und angesichts der dem Streit vorangegangenen einlenkenden Äußerung des Angeklagten , er werde den angerichteten Schaden beheben, wird zu prüfen sein, ob das (gehörlose) Opfer aufgrund der lediglich verbalen Auseinandersetzung vor der Tat keinen tätlichen Angriff gegen sich erwartete oder einen solchen voraussah und die Geschädigte durch den Schlag mit dem Stuhl möglicherweise völlig überrascht wurde. Dafür könnte vorliegend auch sprechen, dass die Untersuchung der Leiche durch den rechtmedizinischen Sachverständigen keine Hinweise auf Abwehrverletzungen des Opfers erbrachte. Sollte hingegen erst der erste Messereinsatz des Angeklagten, als das Opfer nach dem Stuhlschlag bereits benommen am Boden lag, von dem Tötungsvorsatz getragen worden sein, so wäre zum einen zu bedenken, dass die Benommenheit eines vom Täter geschlagenen Opfers gegen dessen Arglosigkeit sprechen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 1997 - 3 StR 68/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 23 sowie vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, NStZ 2008, 569). Zum anderen wird der neue Tatrichter aber auch in den Blick nehmen müssen, dass es für das Mordmerkmal der Heimtücke keinen Unterschied macht, ob ein überraschender Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche - auf Körperverletzung gerichtete - Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234 mwN; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 11; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Febuar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
1. Das Motiv der "Blutrache" ist regelmäßig als niedriger Beweggrund anzusehen.
Eine Ausnahme kann gelten, wenn dem Täter seinerseits durch
das Opfer mit der Tötung eines nahen Angehörigen erhebliches Leid
zugefügt wurde, das ihn zur Tatzeit noch gravierend belastete.
2. Zur Problematik wiederholten Nachfragens bei einem unverteidigten Angeklagten
, der sich auf sein Schweigerecht beruft und seine Aussagebereitschaft
von einer vorherigen Besprechung mit seinem Verteidiger abhängig
macht.
BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05 – LG Göttingen –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B und Han G wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 18. Januar 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, aa) dass der Angeklagte B G wegen Totschlags und bb) die Angeklagte Han G im Fall A II 4 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Totschlag verurteiltist,
b) im Strafausspruch betreffend dieser Angeklagten aufgehoben ; hiervon ausgenommen ist die gegen Han G im Fall A II 5 der Urteilsgründe (Waffendelikt) verhängte Einzelfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B und Han G sowie die Revision des Angeklagten Has G gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte Has G trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten B und Han G , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Schwurgericht hat die Angeklagten B G und Has G jeweils wegen (gemeinschaftlichen) Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen die Angeklagte Han G hat es wegen Beihilfe zum Mord und wegen unerlaubten Besitzes und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verhängt (Einzelfreiheitsstrafen: sechs Jahre, sechs Monate). Zudem sind ein PKW und verschiedene Waffenteile eingezogen worden; den Angeklagten B und Has G ist jeweils die Fahrerlaubnis – bei einer Sperrfrist von zwei Jahren – entzogen worden. Die Revisionen der Angeklagten B und Han G haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind die Rechtsmittel dieser Angeklagten ebenso unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO) wie die Revision des Angeklagten Has G insgesamt.

I.


Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Ursprung des abgeurteilten Geschehens, der Tötung des H K im Sommer 2003, war ein bislang ungesühntes Tötungsdelikt an Ham G , Ehemann der Han G , Vater des B G und Onkel des Has G . Ham G war im Sommer 1998 nach einer erfolgreichen Versöhnung zwischen den Familien K und G hinterrücks in seinem Auto
erschossen worden, als er gerade – herzlich verabschiedet – vom Haus des H K aufbrach. Zum Tatort war Ham G im Anschluss an das eigentliche Versöhnungstreffen, bei dem das geistliche Oberhaupt der in Deutschland ansässigen Y mitwirkte, zu deren Religionsgemeinschaft beide aus dem türkischen Kurdengebiet stammenden Familien gehören, nur auf den nachdrücklichen Wunsch des H K gekommen. Die Angeklagten vermuteten deshalb, dieser sei der eigentliche Drahtzieher der aus ihrer Sicht besonders niederträchtigen Tötung ihres Verwandten. Diese Tat ist bis heute von der saarländischen Justiz noch nicht aufgeklärt. Nachdem zunächst ein – offensichtlich bewusst vorgeschickter – Jugendlicher die Tat zu Unrecht auf sich genommen hatte und freigesprochen wurde, ist die Sache nach neuerlicher Eröffnung des Hauptverfahrens im Mai 2001 gegen andere Mitglieder der Familie K (darunter allerdings nicht H K ) bis zur Verkündung des angegriffenen Urteils noch nicht terminiert worden. Die als Nebenkläger an jenem Verfahren beteiligten Angehörigen des Getöteten Ham G waren über die fehlende Sühne der Tat zunehmend enttäuscht und fühlten sich von den Behörden im Stich gelassen.
H K lebte seit der Tötung Ham G s mit seiner Familie in steter Furcht vor Racheakten der Familie G : Er wandte sich aus Angst vor Nachstellungen wiederholt an die Polizei, legte dort Aufzeichnungen über eingegangene Drohanrufe vor, beanspruchte Polizeischutz, veräußerte schließlich alsbald nach der Tötung Ham G s seinen Betrieb und siedelte aus Sicherheitsgründen vom Saarland in den Raum Göttingen um. Dort fühlte er sich jedoch ebenfalls beobachtet und verfolgt; er ließ häufig Kennzeichen fremder Fahrzeuge von der Polizei überprüfen und erstattete Anzeige, wenn unbekannte Personen nach seiner Auffassung sein Haus beobachteten. Letztmalig berichtete H K seiner Familie aufgeregt zwei bis drei Wochen vor seiner Tötung, dass ihm ein Fahrzeug mit auffälligem Kennzeichen entgegengekommen sei; den PKW ordnete er der Familie G zu.
Am Tattag wurde H K unmittelbar vor dem eigentlichen Tatgeschehen auf der gesamten Fahrt in seinem PKW von einem Göttinger Krankenhaus, wo er seine Ehefrau besucht hatte, zu seinem Wohnhaus in Reinhausen von den Angeklagten im PKW des Has G verfolgt; B G steuerte dieses Fahrzeug. Aufgrund von Angaben zuvor besuchter Bekannter wähnten die Angeklagten H K auf einem mehrtägigen Besuch in einer anderen Stadt; sie wollten diese Gelegenheit dazu nutzen, die Ehefrau H K s bei einem Krankenhausbesuch durch Han G über den Hintergrund der Tötung Ham G s auszuhorchen. Am Krankenhaus erkannten die Angeklagten zufällig den ihnen verhassten H K ; sie entschlossen sich spontan, die günstige Gelegenheit zu seiner Verfolgung und Tötung zu nutzen. G K , der neunjährige Sohn H K s, der den Vater zusammen mit dessen fünfjähriger Enkelin zu dem Krankenbesuch der Mutter begleitet hatte, machte seinen Vater auf der Rückfahrt mehrfach auf ein ihnen folgendes Fahrzeug aufmerksam. Er wies auch darauf hin, dass der verfolgende PKW sogar rote Ampeln überfahre, um hinter ihnen zu bleiben. H K ließ seine beiden Kinder direkt vor der Tür seines Hauses aussteigen und parkte seinen PKW nach einem Wendemanöver auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Noch während er sich im Fahrzeug befand, wurde er aus dem PKW der Angeklagten heraus von Has G erschossen. Dieser saß auf der Beifahrerseite; hinter ihm saß die Angeklagte Han G . Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen wurden die Angeklagten nach kurzer Flucht zeitnah zur Tat festgenommen. Während sie die eigentliche Tatwaffe zerlegt aus dem Fenster geworfen hatten, verbarg Han G bei ihrer Festnahme am Körper eine weitere scharfe Pistole ihres Sohnes B .
Das Landgericht hat die Tötung H K s als gemeinschaftlichen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet; die Angeklagten hätten aus dem Motiv der „Blutrache“ gehandelt, was auf moralisch tiefster Stufe stehe.

II.

Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg, während die Sachrügen zum Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zusätzlich des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei B und Han G führen. 1. Zu den verfahrensrechtlichen Beanstandungen sieht der Senat über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus Anlass zu folgenden Bemerkungen:
a) Die Rüge, bei der Vernehmung des neunjährigen Zeugen G K über die von ihm wahrgenommenen Umstände der Tötung seines Vaters H K hätten die nach § 247 Satz 2 Alt. 1 StPO ausgeschlossenen Angeklagten wieder zugelassen werden müssen, weil dies der Zeuge gewünscht habe, geht fehl. Über die Frage, ob von der Vernehmung in Anwesenheit der Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl eines kindlichen Zeugen zu befürchten ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht der kindliche Zeuge zu entscheiden. Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Dass das Schwurgericht den Angeklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, die Vernehmung durch eine Videosimultanübertragung mitzuverfolgen (vgl. hierzu BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 247 Rdn. 14a; jeweils m.w.N.), berührt nicht den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund, sondern die Pflicht zur Unterrichtung der aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten. Auch insoweit wäre schon in Ermangelung eines in der Hauptverhandlung gestellten entsprechenden Antrags revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.

b) Im Ansatz zutreffend rügen die Beschwerdeführer einzelne Verhaltensweisen von Ermittlungsbeamten bei der Befragung des Angeklagten B G als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren.
aa) Nach den Feststellungen des Schwurgerichts erklärte B G wiederholt, keine Angaben zur Sache machen, sondern zunächst einen Verteidiger konsultieren zu wollen. Gleichwohl äußerte er sich bis zu seiner Vorführung in drei verschiedenen Situationen gegenüber drei Polizeibeamten zu einzelnen Sachverhaltsfragen:
Zum einen kam es zu einer Spontanäußerung über Schmauchspuren und zu der bei seiner Mutter gefundenen Pistole im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung. Im weiteren Verlauf der Nacht erklärte B G gegenüber dem Polizeibeamten KOK Ku nach erfolgter erneuter Belehrung, er wolle keine Aussage machen, es sei denn, sein Anwalt würde ihm dies empfehlen. Nachdem KOK Ku des ungeachtet fragte, ob sie während weiterer Wartezeit „miteinander sprechen“ könnten, erklärte sich B G bereit, sich mit dem Zeugen zu unterhalten, und berichtete anschließend von seinen persönlichen Verhältnissen und der Vorgeschichte der Tat. Der Zeuge Ku fragte nun nach, ob B G jetzt doch etwas zur Tat sagen wolle. Dieser wiederholte, dass er zur Tat selbst nichts sagen wolle , erklärte aber, dass „getan wurde, was getan werden musste“. Zudem wiederholte B G seine spontanen anfänglichen Angaben zu der bei seiner Mutter gefundenen Waffe.
Auf die ihm aktuell überbrachte neue Information, dass diese Waffe tatsächlich nicht die Tatwaffe sein konnte, fragte der Zeuge Ku den Angeklagten B G nach dem Verbleib der Tatwaffe und betonte dabei eine mögliche Gefährdung spielender Kinder. B G machte dazu deutlich , dass er zu diesem Punkt nichts sagen wolle. Auf weitere Fragen des Zeugen Ku zur Fahrstrecke von Reinhausen bis zur Festnahme machte B G hierzu Angaben. Deren förmliche Protokollierung lehnte er indes ab; statt dessen bat er darum, dass ein namentlich benannter Verteidiger von seiner Festnahme informiert werden sollte. Diese Bitte erfüllte der Zeuge Ku in der Folgezeit nicht.
Am Morgen des Folgetages sollte B G von dem Zeugen KK Be der Haftrichterin vorgeführt werden. Der Zeuge wusste, dass der Angeklagte B G noch ohne Kontakt zu dem benannten Verteidiger gewesen war und keine Angaben machen wollte. Gleichwohl suchte KK Be während der Wartezeit das Gespräch mit ihm. B G machte anschließend erneut Angaben zu seinen Lebensumständen und zur Vorgeschichte der Tat; schließlich erklärte er noch, dass H K ständig mit einem Anschlag auf sein Leben habe rechnen müssen, weil er angerufen und ihm die Möglichkeit eröffnet worden sei, er solle sich selbst erschießen. Vor der Haftrichterin schwieg B G wie auch in der Folgezeit. Erst gegen Ende der Hauptverhandlung hat er sich in einer vorbereitenden Erklärung leugnend zur Sache eingelassen und – wie der Angeklagte Has G – die Tötung einem nicht benannten vierten Familienmitglied angelastet.
bb) Bedenklich erscheint bereits die Frage an B G , ob man nicht „miteinander sprechen“ könne, nachdem sich der Angeklagte gerade nach Belehrung ausdrücklich auf sein Schweigerecht berufen und eventuelle Äußerungen von der vorherigen Konsultation eines Verteidigers abhängig gemacht hatte.
Durch dieses Verhalten könnte bei einem Beschuldigten der fehlerhafte Eindruck hervorgerufen werden (vgl. auch § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO), ein solches bloßes „Gespräch“ unterscheide sich in seiner Verwertbarkeit von einer „förmlichen“ Vernehmung. Dass B G tatsächlich nicht in dieser Weise getäuscht wurde, ergibt sich indes aus seinem differenzierten Aussageverhalten; nach wie vor unterschied er genau, zu welchen Themen er etwas sagen wollte (insbesondere Tatvorgeschichte) und zu welchen nicht (konkrete Tatumstände).
Darüber hinaus kann stetiges Nachfragen ohne zureichenden Grund das Schweigerecht des unverteidigten Beschuldigten entwerten. Nachfragen sind nach ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts zwar dann gänzlich
unproblematisch, wenn – wie hier hinsichtlich der Tatwaffe und der davon ausgehenden Fremdgefährdung – neue Informationen erlangt werden, zu denen sich der Beschuldigte noch nicht positionieren konnte, eine neue prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse Zeitspanne verstrichen ist, in denen sich die Auffassung des Beschuldigten geändert haben kann. Jenseits solcher neuer Umstände oder eines möglichen Sinneswandels darf das Schweigerecht jedenfalls bei einem unverteidigten Beschuldigten nicht dadurch missachtet werden, dass beständig auf verschiedenen Wegen versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in der Sache zu bringen.
cc) Erst recht bedenklich sind beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten, der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen will, wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt.
Zwar sieht der Senat auch in Konstellationen wie der vorliegenden keinen Anlass für ein Innehalten mit einer Vernehmung des Beschuldigten bis zur Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. BGHSt 47, 233, 235 ff.; vgl. aber auch BGHSt 47, 172, 176 ff.; BGH, Beschl. vom 18. und 19. Oktober 2005 – 1 StR 114/05 und 117/05). Der Wunsch des Beschuldigten nach Rücksprache mit seinem Verteidiger zur Erörterung der Frage, ob eine Einlassung erfolgen soll oder nicht, darf aber nicht durch ständige Nachfrage missachtet werden, ohne dass dem Wunsch nach Benachrichtigung eines benannten Verteidigers zuvor nachgekommen wird. Die Besprechung mit einem Verteidiger soll dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnen, sich in der für seine Verteidigung höchst bedeutsamen Frage, ob er aussagen will oder nicht, mit einem Verteidiger zu beraten (BGHSt 38, 372, 373). Bittet ein Beschuldigter, der seine Aussagebereitschaft an die vorherige Konsultation eines Verteidigers knüpft, ausdrücklich um Benachrichtigung eines benannten Verteidigers, darf nicht weiter in den Beschuldigten gedrungen werden, wenn die erbetene Benachrichtigung nicht erfolgt (vgl. auch BGHSt 42, 15,
19; 38, 372, 373 einerseits, BGHSt 42, 170, 171 f. andererseits). Das Schweigerecht des Beschuldigten würde missachtet, wenn – wie hier vor dem Haftrichtertermin – ein benannter Verteidiger nicht informiert, sondern stattdessen ein Beschuldigter ohne ergänzende Hinweise weiter befragt wird, obgleich er zuvor ausdrücklich erklärt hat, er wolle ohne vorherige Konsultation seines Verteidigers nichts sagen.
dd) Ob das danach im Ausgangspunkt zu Recht beanstandete Vorgehen der Ermittlungsbeamten nach entsprechendem Widerspruch in der Hauptverhandlung angesichts der differenzierten Reaktionen des befragten Beschuldigten, die für eine zutreffende Einschätzung der Verwertbarkeit seiner Äußerungen sprechen, zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der auf diese Weise erlangten Angaben führen würde und ob sich hierauf gegebenenfalls auch Mitbeschuldigte berufen könnten (vgl. dazu BGHR StPO § 136 Belehrung 5; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 136 Rdn. 20 m.w.N.), kann letztlich offen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf diesen Angaben B G s im Ermittlungsverfahren beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).
Die Angaben B G s hat das Schwurgericht lediglich an solchen Stellen der Beweisführung verwertet, die nichts mit der eigentlichen Tatbegehung zu tun haben oder in anderer Weise von B G oder anderen Zeugen hinreichend bestätigt wurden. Dass H K vom neben ihm sitzenden Beifahrer erschossen wurde, als B G den PKW seines Cousins führte, hat B G in der Hauptverhandlung selbst zugegeben. Diese Aussage korrespondiert mit weiteren Zeugenaussagen. Zur Widerlegung der gegen Ende der Hauptverhandlung erstmals vorgebrachten wenig detailreichen Angaben B und Has G s zu einem angeblichen vierten Familienmitglied, das unvorhersehbar spontan und ohne Billigung der übrigen Fahrzeuginsassen H K erschossen habe, und zur Überzeugungsbildung von der gemeinschaftlichen Tötung H K s unter Beteiligung von Han G hat das Schwurgericht nicht auf die Angaben
B G s im Ermittlungsverfahren, sondern auf mehrere Aussagen geschehensnaher Zeugen, das Spurenbild im PKW der Angeklagten, ihre Einlassungen in der Hauptverhandlung zum Tatgeschehen und die Feststellungen zur tatnahen Festnahme zurückgegriffen.
Dass die bei seiner Mutter gefundene Pistole ihm gehört, hat B G auch in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben. Die weiteren Angaben B G s zur Vorgeschichte der Tat, zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Fahrstrecke waren, soweit die entsprechenden Feststellungen die Angeklagten überhaupt be- und nicht entlasten, angesichts weiterer Beweismittel für die Beweiswürdigung ersichtlich entbehrlich.
2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zur Aufhebung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G .

a) Die Feststellungen des Schwurgerichts belegen eine heimtückische Tötung nicht.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist der Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen, gar mit einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet. Diese Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles (vgl. BGHSt 48, 207, 210 m.w.N.). Heimtückisch handelt nur, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat ausnutzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter sich bewusst ist, einen ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen, und dass er diese Situation in ihrer Bedeutung für die Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11).
bb) Nach diesen Kriterien hält die Annahme einer heimtückischen Tötung revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand:
H K rechnete seit geraumer Zeit ernsthaft und begründet mit einem Anschlag auf sein Leben. Deshalb hatte er seine Firma mit Verlust verkauft und war in ein anderes Bundesland umgezogen. Auch noch kurz vor der Tat war er stets misstrauisch und besorgt, wenn ihm in seiner Wohnumgebung fremde Fahrzeuge auffielen. Vor diesem ganz besonderen Hintergrund – einer wesentliche Teile des Lebens bestimmenden jahrelangen Angst vor einem tödlichen Anschlag – durfte sich das Landgericht hinsichtlich der festgestellten wiederholten und eindrücklichen Warnungen H K s durch seinen Sohn vor der Verfolgung durch einen fremden PKW unmittelbar vor der Tat nicht mit der Erwägung begnügen, aus seinen beschwichtigenden Äußerungen gegenüber seinem Sohn G ergebe sich, dass er selbst arglos gewesen sei. Denn dabei hat das Schwurgericht die nahe liegende Möglichkeit außer Acht gelassen (vgl. hierzu BGHSt 25, 365, 367), dass solche Beschwichtigungen gegenüber Kindern gerade auch von tatsächlich besorgten Eltern geäußert werden können, die ihre Kinder damit lediglich in Sicherheit wiegen und beruhigen wollen (vgl. Mosbacher NStZ 2005, 690, 691). In diesem Zusammenhang blieb zudem die Aussage G K s unberücksichtigt, wonach sein Vater mit erheblicher Geschwindigkeit unmittelbar vor die Haustür gefahren sei, um dort zunächst die Kinder mit der Aufforderung aussteigen zu lassen, schnell ins Haus zu laufen (UA S. 153); dies spricht dafür, dass H K die Kinder deshalb in Sicherheit bringen wollte, weil er die Gefahr erkannt hatte.
Bei Berücksichtigung dieser vom Schwurgericht vernachlässigten gewichtigen Umstände, die gegen die Annahme von Arglosigkeit sprechen, vermögen die tatrichterlichen Feststellungen zum Verhalten des Opfers unmittelbar vor Abgabe der tödlichen Schüsse – Abstellen des Fahrzeugs und Abziehen des Fahrzeugschlüssels – alleine die Annahme von Heimtücke nicht tragfähig zu belegen; solches Verhalten kann unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des vorliegenden Falls auch als nicht besonders überlegtes, eher kopfloses Verhalten eines angstbesetzten Verfolgten gesehen werden.
Abgesehen davon ist auch die subjektive Seite einer heimtückischen Tötung nicht rechtsfehlerfrei belegt. Die Angeklagten können nach den Feststellungen zu ihrer spontanen Verfolgungsfahrt vom Krankenhaus bis zum Wohnhaus ihres Opfers angesichts der Drohungen im Vorfeld kaum davon ausgegangen sein, dass diese Verfolgung unbemerkt und H K arglos geblieben ist.
Der Senat schließt angesichts der Gegebenheiten des vorliegenden Falls aus, dass weitergehende Feststellungen möglich sind, die zur tragfähigen Annahme von Heimtücke führen könnten; dieses Mordmerkmal hat demnach zu entfallen.

b) Bei den Angeklagten B und Han G begegnet auch die Annahme niedriger Beweggründe auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen durchgreifenden Bedenken. Der Verweis des Schwurgerichts auf das als niedrig zu bewertende Motiv der „Blutrache“ greift bei diesen Angeklagten zu kurz.
aa) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft
nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14 ff.).
Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16, 22, 23, 28, 30, 36; BGH NStZ 1995, 181; BGH StV 2001, 228, 229). Beruhen diese tatauslösenden und tatbestimmenden Gefühlsregungen dagegen auf dem (berechtigten) Gefühl erlittenen schweren Unrechts und entbehren sie damit nicht eines beachtlichen , jedenfalls einleuchtenden Grundes, spricht dies gegen eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 30, 32). Schwerwiegende Kränkungen durch das Opfer, die das Gemüt des Betroffenen immer wieder heftig bewegen , können sogar im Fall heimtückischer Tötung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unangebracht sein lassen (vgl. Großer Senat BGHSt 30, 105, 119; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
bb) Eine Tötung aus dem Motiv der „Blutrache“ ist in aller Regel deshalb als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen, weil sich der Täter dabei seiner persönlichen Ehre und der Familienehre wegen gleichsam als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen erhebt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 29; Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 422 ff.; vgl. zu Tötungen aus „Blutrache“ auch BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH, StV 1998, 130; BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98; BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04). Ein niedriger Beweggrund wird in aller Regel in denjenigen Fällen von „Blutrache“ ohne weiteres anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder in denen ein Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten eines anderen
Sippenangehörigen, an dem ihn keine persönliche Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als Vergeltung für ein als ehrenwidrig bewertetes Verhalten, das indes seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren Verletzung einer anderen Person bestand, wird regelmäßig als niedrig zu bewerten sein. Eine differenzierte Betrachtung ist hingegen insbesondere dann geboten , wenn mit der „Blutrache“ – wie hier – Vergeltung an jemandem geübt wird, der seinerseits nachvollziehbar als schuldig an der Tötung eines anderen Menschen erachtet wird.
Allgemein darf die Bezeichnung eines Motivs als „Blutrache“ nämlich nicht die notwendige differenzierte Betrachtung des tatsächlichen Geschehens ersetzen (vgl. Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 424). Bei allgemein motivierten Tötungsantrieben wie Wut, Zorn, Hass oder Verzweiflung kann die Gefahr bestehen, dass sie fälschlich einer mit Selbstverständlichkeit als niedrig zu bewertenden Blutrache zugeordnet werden, obgleich die Niedrigkeit am Maßstab der inländischen Werteordnung zu verneinen wäre (vgl. Nehm aaO).
Gerade bei dem Verlust naher Angehöriger durch eine Gewalttat sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten (BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH StV 1998, 130; vgl. aber auch Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 86 f.). Hat der Täter aus persönlichen Motiven aufgrund schwerer Kränkung durch Tötung eines ihm besonders nahe stehenden Angehörigen gehandelt , ist diese Form von „Selbstjustiz“ zwar keineswegs billigenswert (vgl. BGH StV 1998, 130; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 28; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7). Die Tat kann aber auch nicht nur deshalb als besonders verwerflich eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache“ bis heute relevant ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14b). Es ist also danach zu differenzieren, ob der Angeklagte tatsächlich allein aus einem ersichtlich nicht billigenswerten Motiv der „Blutrache“, und damit aus niedri-
gen Beweggründen, oder aus einer besonderen Belastungssituation infolge des Verlustes seiner wesentlichen Bezugsperson bzw. aus ähnlichen, nicht per se niedrigen Motiven heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98).
cc) Ob ein durch Tötung naher Angehöriger zugefügtes Leid auch jenseits von Spontantaten (hierzu Schneider aaO Rdn. 87) derart erheblich ist, dass der Beweggrund insgesamt nicht mehr als besonders verwerflich und verachtenswert erscheint, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Maßstab sind insbesondere Gewicht und nähere Umstände der Vortat (vgl. BGH StV 1998, 130), u. U. deren strafjustizelle Aufarbeitung, Näheverhältnis zum Getöteten (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), Grad fortdauernder persönlicher Betroffenheit (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04) und konkrete objektive Umstände der Tötung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
dd) Nach diesen Kriterien ist die Annahme niedriger Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G nicht tragfähig begründet. B G ist der älteste Sohn des auf besonders niederträchtige Weise ermordeten Ham G und muss sich, seit er 20 Jahre alt ist, als Familienoberhaupt maßgeblich um seine Mutter und weitere fünf Geschwister kümmern. Er war – wie Han G – davon überzeugt, dass H K für diesen Anschlag verantwortlich war, weil dieser durch nachdrückliches Zureden Ham G erst dazu gebracht hatte, nach einer Versöhnungszeremonie zum späteren Tatort zu fahren. Trotz der inzwischen vergangenen Zeit war in der Familie des Ermordeten, die auch aufgrund dieser Tat bis jetzt in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zusammenlebt, der Schmerz über die Tat noch deutlich gegenwärtig: die Tötung Ham G s war ständiges Gesprächsthema und insbesondere Han G war davon noch stark emotional betroffen. Die Tat blieb bislang ungesühnt. Der konkrete Entschluss zur Tötung H K s entstand spontan aus der Situation eines zufälligen Treffens am Göttinger Krankenhaus. Angesichts dieser besonderen Umstän-
de entbehrt die Wertung des Landgerichts, auch die Angeklagten B und Han G hätten allein aus einem als niedrig anzusehenden Motiv der „Blutrache“ gehandelt, einer tragfähigen Grundlage.
Der Senat schließt aus, dass eine solche angesichts der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen noch gefunden werden könnte.

c) Anders verhält es sich allerdings mit dem Angeklagten Has G , der die tödlichen Schüsse auf H K abgegeben hat. Bei ihm hat das Schwurgericht – anders als bei den noch akut unter den Auswirkungen der Tötung Ham G s leidenden Han und B G – keine eigene besonders gravierende persönliche Betroffenheit durch den Tod seines Onkels festgestellt, die über die Verletzung der „Familienehre“ maßgeblich hinausgereicht hätte. Hierfür spricht nicht nur der im Vergleich zu Han und B G fernere Verwandtschaftsgrad zum Getöteten Ham G ; dabei handelt es sich um ein Kriterium, das auch nach Auffassung des Gesetzgebers bei der rechtlichen Bewertung der Betroffenheit von einem Tötungsdelikt erheblich ist (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Hinzu kommt die räumliche Entfernung von der Familie des getöteten Ham G : Der Angeklagte Has G lebt seit Jahren in Niedersachsen, während die Familie von Ham G seit vielen Jahren im Saarland ansässig ist. In seiner wirtschaftlichen Existenz war der als Unternehmer erfolgreiche Angeklagte Has G ebenfalls nicht vom Tode Ham G s betroffen. Aufgrund dieser weit größeren räumlichen, familiären und wirtschaftlichen Distanz zum Tode Ham G s erscheint bei Has G das Verhältnis zwischen Anlass und Tat in deutlich weiter reichendem Maße als beim Totschlag verachtenswert und damit niedrig (vgl. auch BGH NStZ 2004, 34); (nur) bei ihm kommen diejenigen Gesichtspunkte zum Tragen, die das Motiv der „Blutrache“ in aller Regel als niedrigen Beweggrund kennzeichnen.
3. Die tatrichterliche Wertung, Han G habe eine Beihilfe zur Tötung H K s begangen, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Das Schwurgericht hat seine Feststellung, die Angeklagte habe ihren Sohn und ihren Neffen bei der Tötung H K s zumindest psychisch unterstützt und hierdurch eine Beihilfe zu deren Tat geleistet, auf eine Gesamtschau aller wesentlichen Umstände gestützt. Auf eine aktive Beihilfehandlung durch mitbestimmenden Einfluss auf das Fahrtziel und den spontanen Tatplan konnte das Schwurgericht vor dem Hintergrund der engen familiären Verbundenheit aus dem besonderen Interesse der Angeklagten an einer Sühne der Ermordung ihres Ehemanns, aus der Tatsache, dass sie das vorherige Reiseziel (Besuch im Krankenhaus) wesentlich bestimmt hatte, und aus ihrem Verhalten bei der Verfolgung durch die Polizei (Verbergen einer Pistole ihres Sohnes am Körper) schließen. Diese Schlussfolgerung beruht auf einer tragfähigen rationalen Grundlage und ist im vorliegenden Fall nicht nur möglich, sondern naheliegend; sie ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Erwägungen des Schwurgerichts über die „Sitzposition“ der Angeklagten in diesem Zusammenhang für sich gesehen weniger überzeugen; die Angeklagte konnte angesichts des spontanen Verfolgungsentschlusses bei Fahrtantritt kaum davon ausgehen, dass H K gerade – wie später geschehen – auf der Beifahrerseite erschossen werde.

III.


Im Ergebnis hat der Wegfall eines Teils der vom Schwurgericht herangezogenen Mordmerkmale folgende Auswirkungen:
1. Nach Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bleibt Has G wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; B G ist dagegen als Mittäter des gemeinsam ins Werk ge-
setzten Tötungsgeschehens wegen Totschlags schuldig (vgl. auch BGHSt 36, 231). Die Angeklagte Han G hat eine Beihilfe zur gemeinschaftlichen Tötung von H K begangen, die sich für Has G als Mord aus niedrigen Beweggründen, für B G als Totschlag darstellt. Danach ist die Angeklagte Han G lediglich wegen einer Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen.
Wegen Beihilfe zu einem vom Angeklagten Has G begangenen Mord könnte Han G allenfalls dann verurteilt werden, wenn sie als Gehilfin ihren Tatbeitrag in Kenntnis der niedrigen Beweggründe Has G s erbracht hätte (vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N., insoweit in BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 33 nicht abgedruckt). Dass Han G selbst aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat, schließt der Senat wie beim Angeklagten B G aus (s. o.). Die Feststellungen des Schwurgerichts legen zudem nahe, dass die in bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsene, des Lesens und Schreibens nicht mächtige, kaum deutsch sprechende und deshalb ganz besonders in ihrem Kulturkreis verhaftete Angeklagte Han G die zur Niedrigkeit der Tötungshandlung des Has G führenden bestimmenden Wertungsgesichtspunkte in ihrem Bedeutungsgehalt geistig nicht nachvollziehen konnte. Auf dieser Grundlage lässt sich der notwendige Vorsatzbezug zum Mordmerkmal des Haupttäters letztlich nicht tragfähig begründen. Da weitergehende Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch auf Beihilfe zum Totschlag (§ 354 Abs. 1 StPO).
2. Deshalb kann dahinstehen, ob es sich bei den täterbezogenen Mordmerkmalen um strafschärfende besondere persönliche Merkmale im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB und nicht um strafbegründende im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB handelt:

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs stehen Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) nicht
im Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation zueinander, vielmehr bilden sie danach zwei selbständige Tatbestände (st. Rspr. seit BGHSt 1, 368; zuletzt ausführlich BGH NStZ 2005, 381 m.w.N.). Weil die Mordmerkmale des § 211 StGB nach dieser Auffassung die Strafbarkeit im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB begründen, scheidet eine Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB aus. Für den Schuldspruch des Teilnehmers kommt es demnach nicht auf seinen Tatbeitrag, sondern zunächst darauf an, ob der Haupttäter Mordmerkmale verwirklicht oder nicht. Bei täterbezogenen Mordmerkmalen wie den vorliegend in Rede stehenden niedrigen Beweggründen ist nach der bisherigen Rechtsprechung ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord auch dann geboten, wenn der Teilnehmer selbst kein derartiges Mordmerkmal verwirklicht, solange er hinsichtlich der niedrigen Beweggründe des anderen Teils vorsätzlich handelt. Dem Teilnehmer kommt in diesen Fällen allerdings die Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zugute.

b) Demgegenüber versteht die Gegenauffassung (soweit ersichtlich ausnahmslos die gesamte Literatur, vgl. nur Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vor §§ 211 ff. Rdn. 3; Jähnke in LK 11. Aufl. Vor § 211 Rdn. 39; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. Vor § 211 Rdn. 22; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 135 ff.; je m.w.N.) das Verhältnis zwischen den Tatbeständen Mord und Totschlag als Verhältnis von Qualifikation und Grunddelikt. Die täterbezogenen Mordmerkmale sind demnach nicht strafbegründend im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB, sondern strafschärfend gemäß § 28 Abs. 2 StGB. Dies hat zur Folge, dass der Teilnehmer, der selbst kein Mordmerkmal erfüllt, bei einem täterbezogenen Mordmerkmal des Haupttäters wie dem Handeln aus niedrigen Beweggründen nur wegen Teilnahme zum Totschlag schuldig gesprochen werden kann; seine Strafe ist in diesem Fall dem – ggf. nach § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten – Strafrahmen des § 212 StGB zu entnehmen.

c) Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis von Mord und Totschlag werden gewichtige Argumente entgegen-
gehalten: Sie führe zu schwer überbrückbaren Wertungswidersprüchen und unausgewogenen Ergebnissen, widerspreche der sonst üblichen Systematik und sei unnötig kompliziert (vgl. zuletzt nur Puppe, JZ 2005, 902 ff.; Jäger JR 2005, 477, 479 f.; ausführlich etwa Küper JZ 1991, 761 ff., 862 ff. und 910 ff.; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 138 ff.; je m.w.N.; vgl. aus der Rechtsprechung nur: BGHSt 6, 329 und 36, 231 [Mittäterschaft]; BGHSt 23, 39 [gekreuzte Mordmerkmale]; BGH NStZ 2006, 34, und BGH, Urteil vom 24. November 2005 – 4 StR 243/05 [Sperrwirkung der Strafrahmenuntergrenze für Beihilfe zum Totschlag]).
Probleme der bisherigen Rechtsprechung werden am vorliegenden Fall besonders anschaulich: Die gemeinschaftlich durch Has und B G begangene Tötung H K s kann schwerlich als Verwirklichung zweierlei verschiedenen Unrechts und zweier selbständiger Tatbestände verstanden werden, sondern stellt sich als ein Tötungsunrecht im Sinne von § 212 StGB dar, zu dem lediglich bei einem der Täter mit dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe besonders erschwerende persönliche Umstände (vgl. § 28 Abs. 2 StGB) hinzukommen; ein solches Verhältnis entspricht nach der üblichen Systematik demjenigen zwischen Grunddelikt und Qualifikation. Dies wird besonders deutlich, wenn es um die Bewertung des Tatbeitrags von Han G geht: Ihre Unterstützung der gemeinschaftlichen Tötung H K s lässt sich nicht künstlich in eine objektive Beihilfe zum Mord durch Has G und eine (hierzu tateinheitliche) objektive Beihilfe zum Totschlag durch B G aufspalten.

IV.


Wegen der neuen Schuldsprüche bedarf die Bemessung der Strafen für B und Han G für das Tötungsdelikt und die Beihilfe hierzu erneuter schwurgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen. Der neue Tatrichter wird hierzu allenfalls solche ergänzenden Feststellungen treffen können, die den bisherigen nicht widersprechen.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum
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Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, an welchen Zeitpunkt für die Frage der Arglosigkeit des Opfers anzuknüpfen sein wird: Kommt es auf die Lage vor dem Stuhlschlag an, so wird zu bedenken sein, dass ein der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen die Arglosigkeit nicht ausschließen, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06, NStZ-RR 2007, 174 mwN). Wesentlich ist, dass der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Zu bedenken wird auch sein, dass das Opfer auch dann arglos sein kann, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, also sein Opfer etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 mwN). In diesem Zusammenhang wird vorliegend auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bei keiner der festgestellten früheren streitigen Auseinandersetzungen - auch nicht bei denen, die einen polizeilichen Einsatz zur Folge hatten - gewalttätig gegen seine Ehefrau vorgegangen war. Deshalb und angesichts der dem Streit vorangegangenen einlenkenden Äußerung des Angeklagten , er werde den angerichteten Schaden beheben, wird zu prüfen sein, ob das (gehörlose) Opfer aufgrund der lediglich verbalen Auseinandersetzung vor der Tat keinen tätlichen Angriff gegen sich erwartete oder einen solchen voraussah und die Geschädigte durch den Schlag mit dem Stuhl möglicherweise völlig überrascht wurde. Dafür könnte vorliegend auch sprechen, dass die Untersuchung der Leiche durch den rechtmedizinischen Sachverständigen keine Hinweise auf Abwehrverletzungen des Opfers erbrachte. Sollte hingegen erst der erste Messereinsatz des Angeklagten, als das Opfer nach dem Stuhlschlag bereits benommen am Boden lag, von dem Tötungsvorsatz getragen worden sein, so wäre zum einen zu bedenken, dass die Benommenheit eines vom Täter geschlagenen Opfers gegen dessen Arglosigkeit sprechen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. März 1997 - 3 StR 68/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 23 sowie vom 6. Mai 2008 - 5 StR 92/08, NStZ 2008, 569). Zum anderen wird der neue Tatrichter aber auch in den Blick nehmen müssen, dass es für das Mordmerkmal der Heimtücke keinen Unterschied macht, ob ein überraschender Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche - auf Körperverletzung gerichtete - Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234 mwN; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 11; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Febuar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.