Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2019 - 5 StR 222/19

bei uns veröffentlicht am25.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 222/19
vom
25. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:250919U5STR222.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. September 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt R. als Verteidiger,
Rechtsanwalt S. als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Dezember 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; hiervon ausgenommen sind die Feststellungen zum Geschehensablauf der Tat und zum Tötungsvorsatz , die aufrechterhalten bleiben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes erstrebt, hat weitgehend Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 75-jährige, in einem Dorf im Nordosten der Türkei geborene und aufgewachsene Angeklagte lebt seit 1972 in Deutschland; er ist nicht vorbestraft. Die 48 Jahre alte Geschädigte ist eines von sechs gemeinsamen Kindern des Angeklagten und seiner Ehefrau. Mit ihrer Familie bewohnen sowohl sie als auch ein Sohn des Angeklagten Wohnungen in demselben Mietshaus in , in dem auch der Angeklagte und seine Ehefrau wohnen.
4
Der nach einem Arbeitsunfall im Jahr 1996 berentete, stark schwerhörige und deshalb auch innerhalb seiner Familie zunehmend isolierte Angeklagte pflegte mit seiner Familie zwar einen westlichen Lebensstil, bewegte sich jedoch nahezu ausschließlich unter Landsleuten, spricht bis heute kaum Deutsch und ist in seinen Moralvorstellungen dem traditionellen und patriarchalischen System seiner Herkunftsregion verbunden geblieben. Zwar bestehen bei ihm keine Anhaltspunkte für eine krankhafte seelische Störung. Er entwickelte aber etwa seit Februar 2018 ein wahnhaft-paranoides Syndrom, das sich ausschließlich auf das Verhalten der später Geschädigten bezog und einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen ist.
5
Nachdem der Angeklagte Mitte Februar 2018 zufällig gesehen hatte, wie sich die später Geschädigte – was er unschicklich fand – vor der Schule ihrer siebenjährigen Tochter mit Vätern von Mitschülerinnen und -schülern unterhielt, wuchs bei ihm die wahnhafte Vorstellung, dass seine verheiratete Tochter „fremdgehen“ könnte. Dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los und er begann, sie zu beobachten. Durch wahnhaft interpretierte Wahrnehmungen fühlte er sich in seinen Vorstellungen bestätigt. Seine von ihm zur Rede gestellte Tochter und sein türkischer Schwiegersohn verbaten sich seine Einmischung; sie nah- men, wie auch der Rest seiner Familie, seine Vorhaltungen nicht ernst. Die mit seinen eigenen Moralvorstellungen nicht vereinbare Reaktion seines Schwiegersohnes veranlasste den Angeklagten zu der wahnhaften Annahme, dass der Ehemann seiner Tochter nicht nur Kenntnis von deren unsittlicher Betätigung habe, sondern ihr Zuhälter sei.
6
Nachdem der Angeklagte am Morgen des 17. April 2018 beobachtet hatte , wie seine Tochter in Begleitung zweier Männer zur U-Bahn ging, beschloss er, sie an ihrem Arbeitsplatz, einem Geschäft im Einkaufszentrum , aufzusuchen und nochmals wegen ihres aus seiner Sicht unsittlichen Verhal- tens zur Rede zu stellen. Dabei führte er „auch an diesem Tag“ ein Küchen- messer mit einer etwa 12 cm langen, spitz zulaufenden Klinge in einer Jackeninnentasche mit sich.
7
Als der Angeklagte seine Tochter in dem Laden abermals wegen ihres von ihm gewähnten Fremdgehens zur Rede stellte, beschimpfte sie ihren Vater möglicherweise unter anderem mit den Worten: „Ich scheiß‘ dir in den Mund“; möglicherweise wähnte der Angeklagte auch nur, eine derartige Äußerung zu hören. Er war erbost über diese Herabwürdigung und beschloss spätestens jetzt, seine Tochter zu töten, um die durch deren gewähntes Fremdgehen verletzte Ehre seiner Familie wiederherzustellen. Der Angeklagte zog das Messer und griff damit seine Tochter an, die infolgedessen eine quer über den vorderen Hals verlaufende Schnittverletzung erlitt. Die Geschädigte verließ laut um Hilfe rufend das Geschäft und bewegte sich rückwärtslaufend auf die gegenüberliegende Seite der Ladenpassage, wobei sie von dem Angeklagten verfolgt wurde. In Tötungsabsicht stach er mehrfach mit dem Messer in Richtung ihres Bauches und traf sie mit einem Stich. Passanten gelang es, den Angeklagten zu entwaffnen und festzuhalten. Während eine Zeugin versuchte, die heftige Blu- tung der Geschädigten aus der Bauchwunde zu stillen, beschimpfte der Ange- klagte seine Tochter lautstark in türkischer Sprache als „Hure“ und „Schlampe“.
8
Durch den Stich in den Bauch wurden die Bauchhöhle der Geschädigten eröffnet und die Leber verletzt. Aufgrund dessen bestand konkrete Lebensgefahr. Mittlerweile sind die Verletzungen verheilt. Die Geschädigte hat ihrem Vater verziehen und kein Interesse an der Strafverfolgung.
9
Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung in seiner Steuerungsfähigkeit aufgrund eines wahnhaftparanoiden Syndroms im Zusammenwirken mit der tatsächlichen oder gewähnten Beleidigung durch seine Tochter erheblich eingeschränkt war. Die wahnhafte Symptomatik des Angeklagten hat sich inzwischen zurückgebildet.
10
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Zwar ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke rechtsfehlerfrei, da das Landgericht zum objektiven Geschehen in dem Geschäft keine Feststellungen zu treffen vermochte. In rechtsfehlerhafter Weise hat das Landgericht aber das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in subjektiver Hinsicht verneint, ohne zuvor dessen objektive Voraussetzungen zu prüfen.
11
a) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe der Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat – was das Landgericht im Ansatz nicht verkannt hat – aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 – 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285; Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände , die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außer Stande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (BGH, Urteil vom 22. März 2017 – 2 StR 656/13, NStZ 2018, 527). Ob diese subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, kann aber nicht beurteilt werden, ohne dass zuvor geklärt und dargelegt worden ist, welche Motivation der Tat zugrunde lag und ob diese Motivation – nach der erforderlichen Gesamtwürdigung – als niedrig einzustufen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00, NStZ 2001, 87).
12
b) Nach diesen Maßstäben sind die Ausführungen des Landgerichts zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe lückenhaft. Denn das Landgericht hat die subjektiven Voraussetzungen einer Tötung aus niedrigen Beweggründen verneint, ohne zuvor die Tatmotive in objektiver Hinsicht einer Wertung nach den oben genannten Maßstäben zu unterziehen (UA S. 20 f.).
13
In seiner rechtlichen Würdigung beschränkt sich das Landgericht auf die Erwägung, dass der Angeklagte zur Tatzeit an einer von ihm nicht zu vertretenden wahnhaft-paranoiden Störung seiner Persönlichkeit gelitten habe, die „auch sein patriarchalisches Wertesystem erfasst und erschüttert“ habe. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme begründet, dass der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, die Umstände, die die Niedrigkeit seiner „Beweggründe“ ausmachten , in sein Bewusstsein aufzunehmen und seine gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen entsprechend zu beherrschen und willensmäßig zu steuern.
14
Diese Ausführungen könnten sich auf den Beweggrund des Angeklagten beziehen, die durch das gewähnte Fremdgehen seiner Tochter vermeintlich verletzte „Familienehre“ wiederherzustellen (UA S. 7, 18). Dem für die Feststellung seiner erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit mitbestimmenden Umstand , dass der Angeklagte vor der Tat eine tatsächliche oder gewähnte Beleidigung seitens seiner Tochter hinnehmen musste (UA S. 18), hat das Landgericht insoweit keine ersichtliche Bedeutung beigemessen.
15
Das damit festgestellte Tötungsmotiv der Wiederherstellung der Familienehre wäre an den Maßstäben der hiesigen Rechtsgemeinschaft zu messen und – vorbehaltlich der erforderlichen, hier nicht erfolgten Gesamtwürdigung – grundsätzlich objektiv als niedrig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2002 – 5 StR 538/01, NStZ 2002, 369; Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011). Nur ausnahmsweise, wenn dem Täter in subjektiver Hinsicht bei der Tat die Umstände nicht bewusst waren, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, oder wenn es ihm nicht möglich war, seine gefühlsmäßigen Regungen, die sein Handeln bestimmen, gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern, kann dann statt einer Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen lediglich eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht kommen (BGH, Urteile vom 7. Oktober 1994 – 2 StR 319/94, NStZ 1995, 79; vom 20. Februar 2002, aaO).
16
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen versuchten Totschlags erfasst auch die – an sich rechtsfehlerfreie – Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung.
17
Die den bisherigen Schuldspruch wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung tragenden Feststellungen sind rechtsfehlerfrei und können daher bestehen bleiben. Mit dem Schuldspruch und dem Strafausspruch aufzuheben sind daher lediglich die Feststellungen zum Motiv und – wegen des Zusammenhangs – auch diejenigen zur Schuldfähigkeit.
18
4. Der Senat weist auf Folgendes hin:
19
Sollte das neue Tatgericht wiederum feststellen, dass der Angeklagte die Tat unter dem Einfluss eines wahnhaft-paranoiden Syndroms begangen hat und beherrschender Beweggrund die Wiederherstellung der vermeintlich verletzten Familienehre war, wird es stärker als bisher deutlich zu machen haben, in welcher Weise sich die wahnhaft-paranoide Störung des Angeklagten ausgewirkt hat. Dabei würde es nicht ausreichen, dass sich die Störung in der unzutreffenden Annahme des Fremdgehens seiner Tochter erschöpft. Vielmehr wäre erforderlich, dass sie seine Fähigkeit beeinträchtigt hat, die Umstände, die gegebenenfalls die Niedrigkeit seines Beweggrundes (Wiederherstellung der Familienehre) ausmachen, in ihrer Bedeutung zu erkennen.
Mutzbauer Schneider Berger
Mosbacher Köhler

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 195/05
vom
11. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 6. Oktober 2004 in Bezug auf den Angeklagten I. mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) in Bezug auf die Angeklagten C. und K. ,
b) in Bezug auf den Angeklagten A. , soweit er verurteilt worden ist. 3. Die weitergehenden Revisionen und die den Angeklagten S. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Revisionen der Nebenkläger werden verworfen. 4. Die Staatskasse hat die Kosten des dem Angeklagten S. betreffenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die diesem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Rechtsmittel und die diesen Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der den Angeklagten I. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger sowie der die Angeklagten A. C. , und K. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten I. wegen Totschlags, versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren, - den Angeklagten A. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei unter Einbeziehung eines
Urteils des Amtsgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2003 zu der einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten C. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Jugendstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung, - den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten S. wegen Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren. Den Angeklagten A. hat das Landgericht im Übrigen freigesprochen.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Am Abend des 3. September 2003 gerieten die AngeklagtenI. und A. in der Innenstadt R. s in eine verbale Auseinandersetzung mit den später Geschädigten Ra. , Z. und G. . Sie fühlten sich, insbesondere durch das griechische Schimpfwort "Malaka", so beleidigt, dass sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollten. Mit den herbeigerufenen Angeklagten C. , K. und S. Verstärkung als traten sie ihren drei Gegnern nach etwa 40 Minuten erneut gegenüber.
S. und I. begannen, S. von vorne und I. von hinten, auf Ra. , der sich nicht ernstlich wehren konnte, mit Fäusten einzuschlagen. Nunmehr entschloss sich I. , ein in seiner Kleidung mitgebrachtes Messer, dessen Existenz den anderen Angeklagten bis dahin nicht bekannt war, zum Einsatz zu bringen. Er stach dem Ra. gezielt und wuchtig in den rechten und mittleren Halsbereich sowie in den linken Rücken. Die Stichverletzungen waren akut lebensgefährlich und hätten ohne eine alsbald durchgeführte Notoperation zum Tode geführt. C. , dem das Ausmaß der dem Ra. zugefügten Verletzungen nicht bewusst war, versetzte diesem noch mindestens vier Faustschläge in den Bereich des Kopfes und des Oberkörpers. I. und S. wandten sich nun dem - völlig betrunkenen und deshalb kampfunfähigen - Z. zu. S. griff wieder von vorne an, I. , der das Messer noch in der Hand hielt, von hinten. I. stach insgesamt sechsmal wuchtig auf den Oberkörper des Z. ein; ein 17 cm tiefer Stich traf direkt in das Herz und führte zu seinem Tod. Während dieses Geschehens hatten K. und A. den etwas seitlich befindlichen G. von vorne und von hinten angegriffen. Während dieses Handgemenges näherte sich zufällig ein Fahrzeug, dessen Insassen auf das Geschehen aufmerksam wurden. K. und A. ließen daraufhin von G. ab und flüchteten. Nunmehr griffen I. , S. und C. ihrerseits G. von drei Seiten an. C. versetzte ihm einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. I. stach ihm mit dem Messer in den Rücken, allerdings erheblich weniger wuchtig als den Ra. und den Z. - Stichtiefe ein Zentimeter -, und trat noch mehrmals auf ihn ein. Anschließend flüchteten auch diese drei Angeklagten.
2. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihren zu Ungunsten der fünf Angeklagten eingelegten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich gegen die Verneinung eines Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten I. und S. , soweit diese (nur) wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil G. verurteilt wurden und gegen die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe bei dem Angeklagten I. . Ferner beanstandet sie, dass die Angeklagten A. , C. und K. nicht jeweils wegen drei (tateinheitlicher) Vergehen der gefährlichen Körperverletzung verurteilt wurden. Mit ihren zum Nachteil der Angeklagten I. , C. , K. und S. eingelegten und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Rechtsmitteln verfolgen die Nebenkläger hinsichtlich des Angeklagten I. die gleichen Ziele wie die Staatsanwaltschaft und rügen zusätzlich die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe auch bei dem Angeklagten S. .

II.

Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit sie die Angeklagten I. , A. C. und K. betreffen, und das den Angeklagten I. betreffende Rechtsmittel der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen bleiben die Rechtsmittel erfolglos. 1. Revisionen der Staatsanwaltschaft:
a) Die Verneinung des Mordmerkmals "niedrige Beweggründe" bezüglich der versuchten Tötung des Ra. und der Tötung des Z. durch den Angeklagten I. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH NJW 1995, 3196). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden , wenn ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch nicht gerecht. Zu Unrecht hat die Kammer bei ihrer Abwägung der Beweggründe des Angeklagten den "Hintergrund seiner kulturellen Herkunft, in der der Begriff der Ehre besonders ausgeprägt ist" einbezogen. Der Maßstab für die Bewertung der Beweggründe ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte außer Stande war, die Bewertung seiner Handlungsantriebe durch die deutsche Rechtsordnung als niedrig nachzuvollziehen , lassen sich den Feststellungen der Kammer nicht entnehmen; solches liegt auch fern. Unabhängig davon weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Annahme, einfache Beleidigungen würden die Tötung von Menschen zu einer Ehrensache machen, auch in fremden Kulturkreisen durchaus fern liegend ist, zumal wenn zwischen dem Anlass und den Taten ein eklatan-
tes Missverhältnis besteht. Dass der Angeklagte durch diese Beleidigungen zu seinen Taten "provoziert" wurde, kann ihn nicht entlasten, denn auch in diesem Fall bestünde ein eklatantes Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung. Die Kammer stellt ferner bei den Erörterungen der Motivlage des Angeklagten darauf ab, es sei "nicht auszuschließen, dass der Angeklagte ... zusätzlich in seiner Hoffnung auf eine Beziehung mit einer Frau enttäuscht worden" sei; diese frustrierende Situation habe dazu geführt, dass er die Beleidigung als überaus kränkend empfunden habe. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich lediglich, dass die Angeklagten I. und A. sich vor dem ersten Zusammentreffen mit den Geschädigten mit zwei Mädchen in einem Restaurant aufgehalten hatten. Die Annahme einer enttäuschten Beziehungserwartung entbehrt daher einer ausreichenden Grundlage und erweist sich als bloße Vermutung. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Vorgänge zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 2005 - 1 StR 290/04). Unabhängig davon wäre eine derartige enttäuschte Beziehungserwartung kaum geeignet, die Bewertung des Tötungsbeweggrundes als niedrig zu verändern. Schließlich begegnen auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint hat, rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe "seinen Antrieb ... nicht mehr beherrschen" können. Anhaltspunkte hierfür teilt das Urteil jedoch nicht mit. Auch wenn der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgeht - den Tötungsentschluss erst am Tatort gefasst hat, handelte es sich insbesondere nicht um eine kurze Spontantat im Sinne einer wutbedingten "Kurzschlusshandlung", sondern um ein länger andauerndes, mehraktiges Vorgehen gegenüber mehreren Opfern in unter-
schiedlichen Positionen. Selbst wenn der Angeklagte bei den Taten in immer größere Erregung geraten sein sollte, könnte ihn dies nicht entlasten, wenn er sich bewusst von beherrschbaren Gefühlen zu den Taten hätte treiben lassen (vgl. BGH NStZ 2004, 332). Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass nicht nur die von dem Angeklagten begangene Körperverletzung, sondern auch von ihm verwirklichte Tötungsdelikte in Tateinheit mit der ebenfalls verwirklichten Beteiligung an einer Schlägerei stehen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 StR 522/01; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 231 Rdn. 17).
b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin auch, dass die Jugendkammer die Angeklagten A. und K. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil des Geschädigten G. sowie den Angeklagten C. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil der Geschädigten G. und Ra. verurteilt hat. Nach den Feststellungen der Kammer fassten alle fünf Angeklagten den gemeinsamen Entschluss, eine körperliche Auseinandersetzung mit den drei Geschädigten zu suchen. Sie griffen die Geschädigten auch gemeinsam und gleichzeitig mit dem Ruf "Wir machen Euch fertig" an und führten den Angriff arbeitsteilig durch. Danach war die Körperverletzung aller drei Geschädigten von allen Angeklagten mittäterschaftlich gewollt, so dass ihnen die Verletzungen aller drei Opfer - mit Ausnahme der von dem Angeklagten I. mit dem Messer begangenen Exzesse - zuzurechnen sind. Das Urteil bedarf daher auch insoweit der Aufhebung. Der neue Tatrichter wird hier auch nochmals auf die Konkurrenzverhältnisse einzugehen haben. Die Revision meint, trotz der durch das Vorgehen der Angeklagten jeweils verletzten höchstpersönlichen Rechtsgüter sei natürliche Handlungseinheit anzu-
nehmen. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich sind. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss , einheitlicher 9). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 2 und 5) oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierten Personenmehrheit gerichteten Angriff (vgl. BGH NJW 1985, 1565), willkürlich und gekünstelt erschiene. Ein solcher Sonderfall wäre hier nach den bisherigen Feststellungen zu verneinen. Wenn die Angeklagten drei Taten der gefährlichen Körperverletzung begangen haben, wird auch Tateinheit zwischen diesen Taten durch eine Klammerwirkung der Beteiligung an einer Schlägerei mangels einer annähernden Wertgleichheit dieser Tat ausscheiden.
c) Im Übrigen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler - auch nicht zum Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO) - aufgedeckt. Insbesondere erscheint die Verneinung eines Tötungsvorsatzes des Angeklagten I. bezüglich des Geschädigten G. angesichts seines hier anders gearteten Vorgehens vertretbar. Innere Tatsachen wie das Bestehen oder Fehlen des Vorsatzes des Täters können sich gerade aus äußeren
Umständen erschließen (vgl. BGH NStZ 1991, 400). I. hat diesen Geschädigten , der im Gegensatz zu seinen beiden ersten Opfern bereits Angriffen von Mitangeklagten ausgesetzt war, nur einmal und mit deutlich geringerer Wucht in den Rücken gestochen und sodann unter Verzicht auf den weiteren Einsatz des Messers mehrfach auf ihn eingetreten. Aufgrund der unterschiedlichen Abläufe in den Fällen Ra. und Z. einerseits und in dem Falle G. andererseits ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt hat, ob bei I. ein Umschwung im intendierten Verletzungserfolg eingetreten war. 2. Revisionen der Nebenkläger:
a) Soweit sich die Revisionen gegen die Verurteilung der Angeklagten C. und K. richten, sind sie unzulässig, weil die Nebenkläger nicht - was im Hinblick auf § 400 Abs. 1 StPO erforderlich gewesen wäre - angegeben haben, inwieweit das Urteil mit dem Ziel einer Änderung des Schuldspruchs angefochten wird.
b) Die die Angeklagten I. und S. betreffenden Revisionen sind aus den oben zu II. 1. ausgeführten Gründen nur insoweit begründet, als die Nebenkläger rügen, dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten I. niedrige Beweggründe bei der Tötung des Geschädigten Z. und der versuchten Tötung des Geschädigten Ra. verneint hat. Im Übrigen haben sie keinen Rechtsfehler aufgezeigt. Insbesondere hat das Landgericht niedrige Beweggründe des Angeklagten S. tragfähig damit verneint, daß dieser Angeklagte, der lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, an der Vorgeschichte der Tat nicht beteiligt war, keine eigenen Ziele verfolgte und nur dem Mitangeklagten I. bei dessen vermeintlich berechtigtem Vorgehen zur Seite stehen wollte. Dass das Landgericht den Angeklagten S. be-
züglich des Geschädigten Z. nicht auch wegen tateinheitlich mit dem Totschlag begangener Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt hat - auf diese Tat hat sich schon die Revision der Staatsanwaltschaft nicht erstreckt -, vermag der Senat auch auf die Revisionen der Nebenkläger nicht zu korrigieren, weil die Beteiligung an einer Schlägerei kein Nebenklagedelikt ist. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
1. Das Motiv der "Blutrache" ist regelmäßig als niedriger Beweggrund anzusehen.
Eine Ausnahme kann gelten, wenn dem Täter seinerseits durch
das Opfer mit der Tötung eines nahen Angehörigen erhebliches Leid
zugefügt wurde, das ihn zur Tatzeit noch gravierend belastete.
2. Zur Problematik wiederholten Nachfragens bei einem unverteidigten Angeklagten
, der sich auf sein Schweigerecht beruft und seine Aussagebereitschaft
von einer vorherigen Besprechung mit seinem Verteidiger abhängig
macht.
BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05 – LG Göttingen –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B und Han G wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 18. Januar 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, aa) dass der Angeklagte B G wegen Totschlags und bb) die Angeklagte Han G im Fall A II 4 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Totschlag verurteiltist,
b) im Strafausspruch betreffend dieser Angeklagten aufgehoben ; hiervon ausgenommen ist die gegen Han G im Fall A II 5 der Urteilsgründe (Waffendelikt) verhängte Einzelfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B und Han G sowie die Revision des Angeklagten Has G gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte Has G trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten B und Han G , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Schwurgericht hat die Angeklagten B G und Has G jeweils wegen (gemeinschaftlichen) Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen die Angeklagte Han G hat es wegen Beihilfe zum Mord und wegen unerlaubten Besitzes und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verhängt (Einzelfreiheitsstrafen: sechs Jahre, sechs Monate). Zudem sind ein PKW und verschiedene Waffenteile eingezogen worden; den Angeklagten B und Has G ist jeweils die Fahrerlaubnis – bei einer Sperrfrist von zwei Jahren – entzogen worden. Die Revisionen der Angeklagten B und Han G haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind die Rechtsmittel dieser Angeklagten ebenso unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO) wie die Revision des Angeklagten Has G insgesamt.

I.


Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Ursprung des abgeurteilten Geschehens, der Tötung des H K im Sommer 2003, war ein bislang ungesühntes Tötungsdelikt an Ham G , Ehemann der Han G , Vater des B G und Onkel des Has G . Ham G war im Sommer 1998 nach einer erfolgreichen Versöhnung zwischen den Familien K und G hinterrücks in seinem Auto
erschossen worden, als er gerade – herzlich verabschiedet – vom Haus des H K aufbrach. Zum Tatort war Ham G im Anschluss an das eigentliche Versöhnungstreffen, bei dem das geistliche Oberhaupt der in Deutschland ansässigen Y mitwirkte, zu deren Religionsgemeinschaft beide aus dem türkischen Kurdengebiet stammenden Familien gehören, nur auf den nachdrücklichen Wunsch des H K gekommen. Die Angeklagten vermuteten deshalb, dieser sei der eigentliche Drahtzieher der aus ihrer Sicht besonders niederträchtigen Tötung ihres Verwandten. Diese Tat ist bis heute von der saarländischen Justiz noch nicht aufgeklärt. Nachdem zunächst ein – offensichtlich bewusst vorgeschickter – Jugendlicher die Tat zu Unrecht auf sich genommen hatte und freigesprochen wurde, ist die Sache nach neuerlicher Eröffnung des Hauptverfahrens im Mai 2001 gegen andere Mitglieder der Familie K (darunter allerdings nicht H K ) bis zur Verkündung des angegriffenen Urteils noch nicht terminiert worden. Die als Nebenkläger an jenem Verfahren beteiligten Angehörigen des Getöteten Ham G waren über die fehlende Sühne der Tat zunehmend enttäuscht und fühlten sich von den Behörden im Stich gelassen.
H K lebte seit der Tötung Ham G s mit seiner Familie in steter Furcht vor Racheakten der Familie G : Er wandte sich aus Angst vor Nachstellungen wiederholt an die Polizei, legte dort Aufzeichnungen über eingegangene Drohanrufe vor, beanspruchte Polizeischutz, veräußerte schließlich alsbald nach der Tötung Ham G s seinen Betrieb und siedelte aus Sicherheitsgründen vom Saarland in den Raum Göttingen um. Dort fühlte er sich jedoch ebenfalls beobachtet und verfolgt; er ließ häufig Kennzeichen fremder Fahrzeuge von der Polizei überprüfen und erstattete Anzeige, wenn unbekannte Personen nach seiner Auffassung sein Haus beobachteten. Letztmalig berichtete H K seiner Familie aufgeregt zwei bis drei Wochen vor seiner Tötung, dass ihm ein Fahrzeug mit auffälligem Kennzeichen entgegengekommen sei; den PKW ordnete er der Familie G zu.
Am Tattag wurde H K unmittelbar vor dem eigentlichen Tatgeschehen auf der gesamten Fahrt in seinem PKW von einem Göttinger Krankenhaus, wo er seine Ehefrau besucht hatte, zu seinem Wohnhaus in Reinhausen von den Angeklagten im PKW des Has G verfolgt; B G steuerte dieses Fahrzeug. Aufgrund von Angaben zuvor besuchter Bekannter wähnten die Angeklagten H K auf einem mehrtägigen Besuch in einer anderen Stadt; sie wollten diese Gelegenheit dazu nutzen, die Ehefrau H K s bei einem Krankenhausbesuch durch Han G über den Hintergrund der Tötung Ham G s auszuhorchen. Am Krankenhaus erkannten die Angeklagten zufällig den ihnen verhassten H K ; sie entschlossen sich spontan, die günstige Gelegenheit zu seiner Verfolgung und Tötung zu nutzen. G K , der neunjährige Sohn H K s, der den Vater zusammen mit dessen fünfjähriger Enkelin zu dem Krankenbesuch der Mutter begleitet hatte, machte seinen Vater auf der Rückfahrt mehrfach auf ein ihnen folgendes Fahrzeug aufmerksam. Er wies auch darauf hin, dass der verfolgende PKW sogar rote Ampeln überfahre, um hinter ihnen zu bleiben. H K ließ seine beiden Kinder direkt vor der Tür seines Hauses aussteigen und parkte seinen PKW nach einem Wendemanöver auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Noch während er sich im Fahrzeug befand, wurde er aus dem PKW der Angeklagten heraus von Has G erschossen. Dieser saß auf der Beifahrerseite; hinter ihm saß die Angeklagte Han G . Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen wurden die Angeklagten nach kurzer Flucht zeitnah zur Tat festgenommen. Während sie die eigentliche Tatwaffe zerlegt aus dem Fenster geworfen hatten, verbarg Han G bei ihrer Festnahme am Körper eine weitere scharfe Pistole ihres Sohnes B .
Das Landgericht hat die Tötung H K s als gemeinschaftlichen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet; die Angeklagten hätten aus dem Motiv der „Blutrache“ gehandelt, was auf moralisch tiefster Stufe stehe.

II.

Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg, während die Sachrügen zum Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zusätzlich des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei B und Han G führen. 1. Zu den verfahrensrechtlichen Beanstandungen sieht der Senat über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus Anlass zu folgenden Bemerkungen:
a) Die Rüge, bei der Vernehmung des neunjährigen Zeugen G K über die von ihm wahrgenommenen Umstände der Tötung seines Vaters H K hätten die nach § 247 Satz 2 Alt. 1 StPO ausgeschlossenen Angeklagten wieder zugelassen werden müssen, weil dies der Zeuge gewünscht habe, geht fehl. Über die Frage, ob von der Vernehmung in Anwesenheit der Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl eines kindlichen Zeugen zu befürchten ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht der kindliche Zeuge zu entscheiden. Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Dass das Schwurgericht den Angeklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, die Vernehmung durch eine Videosimultanübertragung mitzuverfolgen (vgl. hierzu BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 247 Rdn. 14a; jeweils m.w.N.), berührt nicht den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund, sondern die Pflicht zur Unterrichtung der aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten. Auch insoweit wäre schon in Ermangelung eines in der Hauptverhandlung gestellten entsprechenden Antrags revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.

b) Im Ansatz zutreffend rügen die Beschwerdeführer einzelne Verhaltensweisen von Ermittlungsbeamten bei der Befragung des Angeklagten B G als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren.
aa) Nach den Feststellungen des Schwurgerichts erklärte B G wiederholt, keine Angaben zur Sache machen, sondern zunächst einen Verteidiger konsultieren zu wollen. Gleichwohl äußerte er sich bis zu seiner Vorführung in drei verschiedenen Situationen gegenüber drei Polizeibeamten zu einzelnen Sachverhaltsfragen:
Zum einen kam es zu einer Spontanäußerung über Schmauchspuren und zu der bei seiner Mutter gefundenen Pistole im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung. Im weiteren Verlauf der Nacht erklärte B G gegenüber dem Polizeibeamten KOK Ku nach erfolgter erneuter Belehrung, er wolle keine Aussage machen, es sei denn, sein Anwalt würde ihm dies empfehlen. Nachdem KOK Ku des ungeachtet fragte, ob sie während weiterer Wartezeit „miteinander sprechen“ könnten, erklärte sich B G bereit, sich mit dem Zeugen zu unterhalten, und berichtete anschließend von seinen persönlichen Verhältnissen und der Vorgeschichte der Tat. Der Zeuge Ku fragte nun nach, ob B G jetzt doch etwas zur Tat sagen wolle. Dieser wiederholte, dass er zur Tat selbst nichts sagen wolle , erklärte aber, dass „getan wurde, was getan werden musste“. Zudem wiederholte B G seine spontanen anfänglichen Angaben zu der bei seiner Mutter gefundenen Waffe.
Auf die ihm aktuell überbrachte neue Information, dass diese Waffe tatsächlich nicht die Tatwaffe sein konnte, fragte der Zeuge Ku den Angeklagten B G nach dem Verbleib der Tatwaffe und betonte dabei eine mögliche Gefährdung spielender Kinder. B G machte dazu deutlich , dass er zu diesem Punkt nichts sagen wolle. Auf weitere Fragen des Zeugen Ku zur Fahrstrecke von Reinhausen bis zur Festnahme machte B G hierzu Angaben. Deren förmliche Protokollierung lehnte er indes ab; statt dessen bat er darum, dass ein namentlich benannter Verteidiger von seiner Festnahme informiert werden sollte. Diese Bitte erfüllte der Zeuge Ku in der Folgezeit nicht.
Am Morgen des Folgetages sollte B G von dem Zeugen KK Be der Haftrichterin vorgeführt werden. Der Zeuge wusste, dass der Angeklagte B G noch ohne Kontakt zu dem benannten Verteidiger gewesen war und keine Angaben machen wollte. Gleichwohl suchte KK Be während der Wartezeit das Gespräch mit ihm. B G machte anschließend erneut Angaben zu seinen Lebensumständen und zur Vorgeschichte der Tat; schließlich erklärte er noch, dass H K ständig mit einem Anschlag auf sein Leben habe rechnen müssen, weil er angerufen und ihm die Möglichkeit eröffnet worden sei, er solle sich selbst erschießen. Vor der Haftrichterin schwieg B G wie auch in der Folgezeit. Erst gegen Ende der Hauptverhandlung hat er sich in einer vorbereitenden Erklärung leugnend zur Sache eingelassen und – wie der Angeklagte Has G – die Tötung einem nicht benannten vierten Familienmitglied angelastet.
bb) Bedenklich erscheint bereits die Frage an B G , ob man nicht „miteinander sprechen“ könne, nachdem sich der Angeklagte gerade nach Belehrung ausdrücklich auf sein Schweigerecht berufen und eventuelle Äußerungen von der vorherigen Konsultation eines Verteidigers abhängig gemacht hatte.
Durch dieses Verhalten könnte bei einem Beschuldigten der fehlerhafte Eindruck hervorgerufen werden (vgl. auch § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO), ein solches bloßes „Gespräch“ unterscheide sich in seiner Verwertbarkeit von einer „förmlichen“ Vernehmung. Dass B G tatsächlich nicht in dieser Weise getäuscht wurde, ergibt sich indes aus seinem differenzierten Aussageverhalten; nach wie vor unterschied er genau, zu welchen Themen er etwas sagen wollte (insbesondere Tatvorgeschichte) und zu welchen nicht (konkrete Tatumstände).
Darüber hinaus kann stetiges Nachfragen ohne zureichenden Grund das Schweigerecht des unverteidigten Beschuldigten entwerten. Nachfragen sind nach ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts zwar dann gänzlich
unproblematisch, wenn – wie hier hinsichtlich der Tatwaffe und der davon ausgehenden Fremdgefährdung – neue Informationen erlangt werden, zu denen sich der Beschuldigte noch nicht positionieren konnte, eine neue prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse Zeitspanne verstrichen ist, in denen sich die Auffassung des Beschuldigten geändert haben kann. Jenseits solcher neuer Umstände oder eines möglichen Sinneswandels darf das Schweigerecht jedenfalls bei einem unverteidigten Beschuldigten nicht dadurch missachtet werden, dass beständig auf verschiedenen Wegen versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in der Sache zu bringen.
cc) Erst recht bedenklich sind beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten, der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen will, wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt.
Zwar sieht der Senat auch in Konstellationen wie der vorliegenden keinen Anlass für ein Innehalten mit einer Vernehmung des Beschuldigten bis zur Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. BGHSt 47, 233, 235 ff.; vgl. aber auch BGHSt 47, 172, 176 ff.; BGH, Beschl. vom 18. und 19. Oktober 2005 – 1 StR 114/05 und 117/05). Der Wunsch des Beschuldigten nach Rücksprache mit seinem Verteidiger zur Erörterung der Frage, ob eine Einlassung erfolgen soll oder nicht, darf aber nicht durch ständige Nachfrage missachtet werden, ohne dass dem Wunsch nach Benachrichtigung eines benannten Verteidigers zuvor nachgekommen wird. Die Besprechung mit einem Verteidiger soll dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnen, sich in der für seine Verteidigung höchst bedeutsamen Frage, ob er aussagen will oder nicht, mit einem Verteidiger zu beraten (BGHSt 38, 372, 373). Bittet ein Beschuldigter, der seine Aussagebereitschaft an die vorherige Konsultation eines Verteidigers knüpft, ausdrücklich um Benachrichtigung eines benannten Verteidigers, darf nicht weiter in den Beschuldigten gedrungen werden, wenn die erbetene Benachrichtigung nicht erfolgt (vgl. auch BGHSt 42, 15,
19; 38, 372, 373 einerseits, BGHSt 42, 170, 171 f. andererseits). Das Schweigerecht des Beschuldigten würde missachtet, wenn – wie hier vor dem Haftrichtertermin – ein benannter Verteidiger nicht informiert, sondern stattdessen ein Beschuldigter ohne ergänzende Hinweise weiter befragt wird, obgleich er zuvor ausdrücklich erklärt hat, er wolle ohne vorherige Konsultation seines Verteidigers nichts sagen.
dd) Ob das danach im Ausgangspunkt zu Recht beanstandete Vorgehen der Ermittlungsbeamten nach entsprechendem Widerspruch in der Hauptverhandlung angesichts der differenzierten Reaktionen des befragten Beschuldigten, die für eine zutreffende Einschätzung der Verwertbarkeit seiner Äußerungen sprechen, zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der auf diese Weise erlangten Angaben führen würde und ob sich hierauf gegebenenfalls auch Mitbeschuldigte berufen könnten (vgl. dazu BGHR StPO § 136 Belehrung 5; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 136 Rdn. 20 m.w.N.), kann letztlich offen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf diesen Angaben B G s im Ermittlungsverfahren beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).
Die Angaben B G s hat das Schwurgericht lediglich an solchen Stellen der Beweisführung verwertet, die nichts mit der eigentlichen Tatbegehung zu tun haben oder in anderer Weise von B G oder anderen Zeugen hinreichend bestätigt wurden. Dass H K vom neben ihm sitzenden Beifahrer erschossen wurde, als B G den PKW seines Cousins führte, hat B G in der Hauptverhandlung selbst zugegeben. Diese Aussage korrespondiert mit weiteren Zeugenaussagen. Zur Widerlegung der gegen Ende der Hauptverhandlung erstmals vorgebrachten wenig detailreichen Angaben B und Has G s zu einem angeblichen vierten Familienmitglied, das unvorhersehbar spontan und ohne Billigung der übrigen Fahrzeuginsassen H K erschossen habe, und zur Überzeugungsbildung von der gemeinschaftlichen Tötung H K s unter Beteiligung von Han G hat das Schwurgericht nicht auf die Angaben
B G s im Ermittlungsverfahren, sondern auf mehrere Aussagen geschehensnaher Zeugen, das Spurenbild im PKW der Angeklagten, ihre Einlassungen in der Hauptverhandlung zum Tatgeschehen und die Feststellungen zur tatnahen Festnahme zurückgegriffen.
Dass die bei seiner Mutter gefundene Pistole ihm gehört, hat B G auch in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben. Die weiteren Angaben B G s zur Vorgeschichte der Tat, zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Fahrstrecke waren, soweit die entsprechenden Feststellungen die Angeklagten überhaupt be- und nicht entlasten, angesichts weiterer Beweismittel für die Beweiswürdigung ersichtlich entbehrlich.
2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zur Aufhebung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G .

a) Die Feststellungen des Schwurgerichts belegen eine heimtückische Tötung nicht.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist der Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen, gar mit einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet. Diese Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles (vgl. BGHSt 48, 207, 210 m.w.N.). Heimtückisch handelt nur, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat ausnutzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter sich bewusst ist, einen ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen, und dass er diese Situation in ihrer Bedeutung für die Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11).
bb) Nach diesen Kriterien hält die Annahme einer heimtückischen Tötung revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand:
H K rechnete seit geraumer Zeit ernsthaft und begründet mit einem Anschlag auf sein Leben. Deshalb hatte er seine Firma mit Verlust verkauft und war in ein anderes Bundesland umgezogen. Auch noch kurz vor der Tat war er stets misstrauisch und besorgt, wenn ihm in seiner Wohnumgebung fremde Fahrzeuge auffielen. Vor diesem ganz besonderen Hintergrund – einer wesentliche Teile des Lebens bestimmenden jahrelangen Angst vor einem tödlichen Anschlag – durfte sich das Landgericht hinsichtlich der festgestellten wiederholten und eindrücklichen Warnungen H K s durch seinen Sohn vor der Verfolgung durch einen fremden PKW unmittelbar vor der Tat nicht mit der Erwägung begnügen, aus seinen beschwichtigenden Äußerungen gegenüber seinem Sohn G ergebe sich, dass er selbst arglos gewesen sei. Denn dabei hat das Schwurgericht die nahe liegende Möglichkeit außer Acht gelassen (vgl. hierzu BGHSt 25, 365, 367), dass solche Beschwichtigungen gegenüber Kindern gerade auch von tatsächlich besorgten Eltern geäußert werden können, die ihre Kinder damit lediglich in Sicherheit wiegen und beruhigen wollen (vgl. Mosbacher NStZ 2005, 690, 691). In diesem Zusammenhang blieb zudem die Aussage G K s unberücksichtigt, wonach sein Vater mit erheblicher Geschwindigkeit unmittelbar vor die Haustür gefahren sei, um dort zunächst die Kinder mit der Aufforderung aussteigen zu lassen, schnell ins Haus zu laufen (UA S. 153); dies spricht dafür, dass H K die Kinder deshalb in Sicherheit bringen wollte, weil er die Gefahr erkannt hatte.
Bei Berücksichtigung dieser vom Schwurgericht vernachlässigten gewichtigen Umstände, die gegen die Annahme von Arglosigkeit sprechen, vermögen die tatrichterlichen Feststellungen zum Verhalten des Opfers unmittelbar vor Abgabe der tödlichen Schüsse – Abstellen des Fahrzeugs und Abziehen des Fahrzeugschlüssels – alleine die Annahme von Heimtücke nicht tragfähig zu belegen; solches Verhalten kann unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des vorliegenden Falls auch als nicht besonders überlegtes, eher kopfloses Verhalten eines angstbesetzten Verfolgten gesehen werden.
Abgesehen davon ist auch die subjektive Seite einer heimtückischen Tötung nicht rechtsfehlerfrei belegt. Die Angeklagten können nach den Feststellungen zu ihrer spontanen Verfolgungsfahrt vom Krankenhaus bis zum Wohnhaus ihres Opfers angesichts der Drohungen im Vorfeld kaum davon ausgegangen sein, dass diese Verfolgung unbemerkt und H K arglos geblieben ist.
Der Senat schließt angesichts der Gegebenheiten des vorliegenden Falls aus, dass weitergehende Feststellungen möglich sind, die zur tragfähigen Annahme von Heimtücke führen könnten; dieses Mordmerkmal hat demnach zu entfallen.

b) Bei den Angeklagten B und Han G begegnet auch die Annahme niedriger Beweggründe auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen durchgreifenden Bedenken. Der Verweis des Schwurgerichts auf das als niedrig zu bewertende Motiv der „Blutrache“ greift bei diesen Angeklagten zu kurz.
aa) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft
nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14 ff.).
Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16, 22, 23, 28, 30, 36; BGH NStZ 1995, 181; BGH StV 2001, 228, 229). Beruhen diese tatauslösenden und tatbestimmenden Gefühlsregungen dagegen auf dem (berechtigten) Gefühl erlittenen schweren Unrechts und entbehren sie damit nicht eines beachtlichen , jedenfalls einleuchtenden Grundes, spricht dies gegen eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 30, 32). Schwerwiegende Kränkungen durch das Opfer, die das Gemüt des Betroffenen immer wieder heftig bewegen , können sogar im Fall heimtückischer Tötung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unangebracht sein lassen (vgl. Großer Senat BGHSt 30, 105, 119; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
bb) Eine Tötung aus dem Motiv der „Blutrache“ ist in aller Regel deshalb als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen, weil sich der Täter dabei seiner persönlichen Ehre und der Familienehre wegen gleichsam als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen erhebt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 29; Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 422 ff.; vgl. zu Tötungen aus „Blutrache“ auch BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH, StV 1998, 130; BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98; BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04). Ein niedriger Beweggrund wird in aller Regel in denjenigen Fällen von „Blutrache“ ohne weiteres anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder in denen ein Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten eines anderen
Sippenangehörigen, an dem ihn keine persönliche Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als Vergeltung für ein als ehrenwidrig bewertetes Verhalten, das indes seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren Verletzung einer anderen Person bestand, wird regelmäßig als niedrig zu bewerten sein. Eine differenzierte Betrachtung ist hingegen insbesondere dann geboten , wenn mit der „Blutrache“ – wie hier – Vergeltung an jemandem geübt wird, der seinerseits nachvollziehbar als schuldig an der Tötung eines anderen Menschen erachtet wird.
Allgemein darf die Bezeichnung eines Motivs als „Blutrache“ nämlich nicht die notwendige differenzierte Betrachtung des tatsächlichen Geschehens ersetzen (vgl. Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 424). Bei allgemein motivierten Tötungsantrieben wie Wut, Zorn, Hass oder Verzweiflung kann die Gefahr bestehen, dass sie fälschlich einer mit Selbstverständlichkeit als niedrig zu bewertenden Blutrache zugeordnet werden, obgleich die Niedrigkeit am Maßstab der inländischen Werteordnung zu verneinen wäre (vgl. Nehm aaO).
Gerade bei dem Verlust naher Angehöriger durch eine Gewalttat sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten (BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH StV 1998, 130; vgl. aber auch Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 86 f.). Hat der Täter aus persönlichen Motiven aufgrund schwerer Kränkung durch Tötung eines ihm besonders nahe stehenden Angehörigen gehandelt , ist diese Form von „Selbstjustiz“ zwar keineswegs billigenswert (vgl. BGH StV 1998, 130; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 28; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7). Die Tat kann aber auch nicht nur deshalb als besonders verwerflich eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache“ bis heute relevant ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14b). Es ist also danach zu differenzieren, ob der Angeklagte tatsächlich allein aus einem ersichtlich nicht billigenswerten Motiv der „Blutrache“, und damit aus niedri-
gen Beweggründen, oder aus einer besonderen Belastungssituation infolge des Verlustes seiner wesentlichen Bezugsperson bzw. aus ähnlichen, nicht per se niedrigen Motiven heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98).
cc) Ob ein durch Tötung naher Angehöriger zugefügtes Leid auch jenseits von Spontantaten (hierzu Schneider aaO Rdn. 87) derart erheblich ist, dass der Beweggrund insgesamt nicht mehr als besonders verwerflich und verachtenswert erscheint, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Maßstab sind insbesondere Gewicht und nähere Umstände der Vortat (vgl. BGH StV 1998, 130), u. U. deren strafjustizelle Aufarbeitung, Näheverhältnis zum Getöteten (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), Grad fortdauernder persönlicher Betroffenheit (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04) und konkrete objektive Umstände der Tötung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
dd) Nach diesen Kriterien ist die Annahme niedriger Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G nicht tragfähig begründet. B G ist der älteste Sohn des auf besonders niederträchtige Weise ermordeten Ham G und muss sich, seit er 20 Jahre alt ist, als Familienoberhaupt maßgeblich um seine Mutter und weitere fünf Geschwister kümmern. Er war – wie Han G – davon überzeugt, dass H K für diesen Anschlag verantwortlich war, weil dieser durch nachdrückliches Zureden Ham G erst dazu gebracht hatte, nach einer Versöhnungszeremonie zum späteren Tatort zu fahren. Trotz der inzwischen vergangenen Zeit war in der Familie des Ermordeten, die auch aufgrund dieser Tat bis jetzt in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zusammenlebt, der Schmerz über die Tat noch deutlich gegenwärtig: die Tötung Ham G s war ständiges Gesprächsthema und insbesondere Han G war davon noch stark emotional betroffen. Die Tat blieb bislang ungesühnt. Der konkrete Entschluss zur Tötung H K s entstand spontan aus der Situation eines zufälligen Treffens am Göttinger Krankenhaus. Angesichts dieser besonderen Umstän-
de entbehrt die Wertung des Landgerichts, auch die Angeklagten B und Han G hätten allein aus einem als niedrig anzusehenden Motiv der „Blutrache“ gehandelt, einer tragfähigen Grundlage.
Der Senat schließt aus, dass eine solche angesichts der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen noch gefunden werden könnte.

c) Anders verhält es sich allerdings mit dem Angeklagten Has G , der die tödlichen Schüsse auf H K abgegeben hat. Bei ihm hat das Schwurgericht – anders als bei den noch akut unter den Auswirkungen der Tötung Ham G s leidenden Han und B G – keine eigene besonders gravierende persönliche Betroffenheit durch den Tod seines Onkels festgestellt, die über die Verletzung der „Familienehre“ maßgeblich hinausgereicht hätte. Hierfür spricht nicht nur der im Vergleich zu Han und B G fernere Verwandtschaftsgrad zum Getöteten Ham G ; dabei handelt es sich um ein Kriterium, das auch nach Auffassung des Gesetzgebers bei der rechtlichen Bewertung der Betroffenheit von einem Tötungsdelikt erheblich ist (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Hinzu kommt die räumliche Entfernung von der Familie des getöteten Ham G : Der Angeklagte Has G lebt seit Jahren in Niedersachsen, während die Familie von Ham G seit vielen Jahren im Saarland ansässig ist. In seiner wirtschaftlichen Existenz war der als Unternehmer erfolgreiche Angeklagte Has G ebenfalls nicht vom Tode Ham G s betroffen. Aufgrund dieser weit größeren räumlichen, familiären und wirtschaftlichen Distanz zum Tode Ham G s erscheint bei Has G das Verhältnis zwischen Anlass und Tat in deutlich weiter reichendem Maße als beim Totschlag verachtenswert und damit niedrig (vgl. auch BGH NStZ 2004, 34); (nur) bei ihm kommen diejenigen Gesichtspunkte zum Tragen, die das Motiv der „Blutrache“ in aller Regel als niedrigen Beweggrund kennzeichnen.
3. Die tatrichterliche Wertung, Han G habe eine Beihilfe zur Tötung H K s begangen, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Das Schwurgericht hat seine Feststellung, die Angeklagte habe ihren Sohn und ihren Neffen bei der Tötung H K s zumindest psychisch unterstützt und hierdurch eine Beihilfe zu deren Tat geleistet, auf eine Gesamtschau aller wesentlichen Umstände gestützt. Auf eine aktive Beihilfehandlung durch mitbestimmenden Einfluss auf das Fahrtziel und den spontanen Tatplan konnte das Schwurgericht vor dem Hintergrund der engen familiären Verbundenheit aus dem besonderen Interesse der Angeklagten an einer Sühne der Ermordung ihres Ehemanns, aus der Tatsache, dass sie das vorherige Reiseziel (Besuch im Krankenhaus) wesentlich bestimmt hatte, und aus ihrem Verhalten bei der Verfolgung durch die Polizei (Verbergen einer Pistole ihres Sohnes am Körper) schließen. Diese Schlussfolgerung beruht auf einer tragfähigen rationalen Grundlage und ist im vorliegenden Fall nicht nur möglich, sondern naheliegend; sie ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Erwägungen des Schwurgerichts über die „Sitzposition“ der Angeklagten in diesem Zusammenhang für sich gesehen weniger überzeugen; die Angeklagte konnte angesichts des spontanen Verfolgungsentschlusses bei Fahrtantritt kaum davon ausgehen, dass H K gerade – wie später geschehen – auf der Beifahrerseite erschossen werde.

III.


Im Ergebnis hat der Wegfall eines Teils der vom Schwurgericht herangezogenen Mordmerkmale folgende Auswirkungen:
1. Nach Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bleibt Has G wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; B G ist dagegen als Mittäter des gemeinsam ins Werk ge-
setzten Tötungsgeschehens wegen Totschlags schuldig (vgl. auch BGHSt 36, 231). Die Angeklagte Han G hat eine Beihilfe zur gemeinschaftlichen Tötung von H K begangen, die sich für Has G als Mord aus niedrigen Beweggründen, für B G als Totschlag darstellt. Danach ist die Angeklagte Han G lediglich wegen einer Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen.
Wegen Beihilfe zu einem vom Angeklagten Has G begangenen Mord könnte Han G allenfalls dann verurteilt werden, wenn sie als Gehilfin ihren Tatbeitrag in Kenntnis der niedrigen Beweggründe Has G s erbracht hätte (vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N., insoweit in BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 33 nicht abgedruckt). Dass Han G selbst aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat, schließt der Senat wie beim Angeklagten B G aus (s. o.). Die Feststellungen des Schwurgerichts legen zudem nahe, dass die in bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsene, des Lesens und Schreibens nicht mächtige, kaum deutsch sprechende und deshalb ganz besonders in ihrem Kulturkreis verhaftete Angeklagte Han G die zur Niedrigkeit der Tötungshandlung des Has G führenden bestimmenden Wertungsgesichtspunkte in ihrem Bedeutungsgehalt geistig nicht nachvollziehen konnte. Auf dieser Grundlage lässt sich der notwendige Vorsatzbezug zum Mordmerkmal des Haupttäters letztlich nicht tragfähig begründen. Da weitergehende Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch auf Beihilfe zum Totschlag (§ 354 Abs. 1 StPO).
2. Deshalb kann dahinstehen, ob es sich bei den täterbezogenen Mordmerkmalen um strafschärfende besondere persönliche Merkmale im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB und nicht um strafbegründende im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB handelt:

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs stehen Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) nicht
im Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation zueinander, vielmehr bilden sie danach zwei selbständige Tatbestände (st. Rspr. seit BGHSt 1, 368; zuletzt ausführlich BGH NStZ 2005, 381 m.w.N.). Weil die Mordmerkmale des § 211 StGB nach dieser Auffassung die Strafbarkeit im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB begründen, scheidet eine Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB aus. Für den Schuldspruch des Teilnehmers kommt es demnach nicht auf seinen Tatbeitrag, sondern zunächst darauf an, ob der Haupttäter Mordmerkmale verwirklicht oder nicht. Bei täterbezogenen Mordmerkmalen wie den vorliegend in Rede stehenden niedrigen Beweggründen ist nach der bisherigen Rechtsprechung ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord auch dann geboten, wenn der Teilnehmer selbst kein derartiges Mordmerkmal verwirklicht, solange er hinsichtlich der niedrigen Beweggründe des anderen Teils vorsätzlich handelt. Dem Teilnehmer kommt in diesen Fällen allerdings die Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zugute.

b) Demgegenüber versteht die Gegenauffassung (soweit ersichtlich ausnahmslos die gesamte Literatur, vgl. nur Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vor §§ 211 ff. Rdn. 3; Jähnke in LK 11. Aufl. Vor § 211 Rdn. 39; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. Vor § 211 Rdn. 22; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 135 ff.; je m.w.N.) das Verhältnis zwischen den Tatbeständen Mord und Totschlag als Verhältnis von Qualifikation und Grunddelikt. Die täterbezogenen Mordmerkmale sind demnach nicht strafbegründend im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB, sondern strafschärfend gemäß § 28 Abs. 2 StGB. Dies hat zur Folge, dass der Teilnehmer, der selbst kein Mordmerkmal erfüllt, bei einem täterbezogenen Mordmerkmal des Haupttäters wie dem Handeln aus niedrigen Beweggründen nur wegen Teilnahme zum Totschlag schuldig gesprochen werden kann; seine Strafe ist in diesem Fall dem – ggf. nach § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten – Strafrahmen des § 212 StGB zu entnehmen.

c) Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis von Mord und Totschlag werden gewichtige Argumente entgegen-
gehalten: Sie führe zu schwer überbrückbaren Wertungswidersprüchen und unausgewogenen Ergebnissen, widerspreche der sonst üblichen Systematik und sei unnötig kompliziert (vgl. zuletzt nur Puppe, JZ 2005, 902 ff.; Jäger JR 2005, 477, 479 f.; ausführlich etwa Küper JZ 1991, 761 ff., 862 ff. und 910 ff.; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 138 ff.; je m.w.N.; vgl. aus der Rechtsprechung nur: BGHSt 6, 329 und 36, 231 [Mittäterschaft]; BGHSt 23, 39 [gekreuzte Mordmerkmale]; BGH NStZ 2006, 34, und BGH, Urteil vom 24. November 2005 – 4 StR 243/05 [Sperrwirkung der Strafrahmenuntergrenze für Beihilfe zum Totschlag]).
Probleme der bisherigen Rechtsprechung werden am vorliegenden Fall besonders anschaulich: Die gemeinschaftlich durch Has und B G begangene Tötung H K s kann schwerlich als Verwirklichung zweierlei verschiedenen Unrechts und zweier selbständiger Tatbestände verstanden werden, sondern stellt sich als ein Tötungsunrecht im Sinne von § 212 StGB dar, zu dem lediglich bei einem der Täter mit dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe besonders erschwerende persönliche Umstände (vgl. § 28 Abs. 2 StGB) hinzukommen; ein solches Verhältnis entspricht nach der üblichen Systematik demjenigen zwischen Grunddelikt und Qualifikation. Dies wird besonders deutlich, wenn es um die Bewertung des Tatbeitrags von Han G geht: Ihre Unterstützung der gemeinschaftlichen Tötung H K s lässt sich nicht künstlich in eine objektive Beihilfe zum Mord durch Has G und eine (hierzu tateinheitliche) objektive Beihilfe zum Totschlag durch B G aufspalten.

IV.


Wegen der neuen Schuldsprüche bedarf die Bemessung der Strafen für B und Han G für das Tötungsdelikt und die Beihilfe hierzu erneuter schwurgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen. Der neue Tatrichter wird hierzu allenfalls solche ergänzenden Feststellungen treffen können, die den bisherigen nicht widersprechen.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 656/13
vom
22. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
ECLI:DE:BGH:2017:220317U2STR656.13.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , Rechtsanwältin als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 3. Juli 2013 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seine Ehefrau am 22. September 2012 durch insgesamt 60 Stiche und Schnitte mit einem Messer. Hintergrund der Tat war die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler, mit dem seine Ehefrau seit längerer Zeit eine auch intime Beziehung unterhielt, und seine mangelnde Bereitschaft, eine von dem Tatopfer angekündigte Trennung hinzunehmen. Das Schwurgericht hat insoweit angenommen, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt.

II.

3
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg, soweit er die Verletzung formellen Rechts beanstandet. Nach der Entscheidung des Großen Senats vom 15. Juli 2016 (GSSt 1/16) enthält § 252 StPO kein umfassendes Verwertungsverbot , das die Vernehmung eines Richters über den Inhalt der Aussage eines Zeugen ausschließt, den der Richter in dem die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahren vor der Hauptverhandlung vernommen hat. Die Einführung und Verwertung des Inhalts der Bekundungen des (Angaben in der Hauptverhandlung verweigernden) Zeugen erfordert lediglich, dass der Richter ihn über sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO belehrt hat; einer weitergehenden (qualifizierten) Belehrung auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren bedarf es hierfür nicht. Die Rügen des Angeklagten, mit denen er sich gegen die Verwertung der Angaben seiner Tochter, die in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht einverstanden erklärt hatte, greifen demnach nicht durch. Die Angaben des Ermittlungsrichters, der die Tochter vor ihrer Vernehmung zwar über das ihr zustehende Auskunftsverweigerungsrecht belehrt, sie aber nicht darauf hingewiesen hatte, dass bei späterer Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung ihre zuvor beim Richter gemachten Angaben verwertet werden könnten, durfte das Landgericht seiner Überzeugungsbildung zugrunde legen.

III.

4
Die umfassende Überprüfung der angegriffenen Entscheidung aufgrund der Sachrüge deckt ebenfalls keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt auch, soweit das Landgericht niedrige Beweggründe angenommen und den Angeklagten wegen Mordes verurteilt hat.
5
Das Landgericht ist davon ausgegangen, das prägende Hauptmotiv der Tat sei die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung gewesen, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren; diese Motivation stehe sittlich auf niedrigster Stufe; sie sei Ausdruck der Geisteshaltung des Angeklagten, seine Frau als sein Eigentum zu begreifen, über das er verfügen könne. Zudem ergebe sich auch ein deutliches Missverhältnis zwischen dem Tatanlass, den erneuten Trennungsabsichten seiner Ehefrau und der Tat.
6
Beweggründe sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig” sind und – indeutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag – als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGHSt 47, 128, 130). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 47, 128, 130; BGH, NJW 2006, 1008, 1011; NStZ-RR 2006, 340, 341). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außer Stande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 mwN).
7
Nach diesem Maßstab, den das Landgericht seiner Bewertung zugrunde gelegt hat, ist die Annahme niedriger Beweggründe nicht zu beanstanden. Die Würdigung, mit der das Landgericht zu der Feststellung gelangt ist, dass Eifersucht und der Unwillen des Angeklagten, die Trennung zu akzeptieren, bei einem Motivbündel ganz im Vordergrund standen und nicht etwa Niedergeschlagenheit oder Verzweiflung die Tat maßgeblich bestimmt haben, weist keinen Rechtsfehler auf. Die Strafkammer hat in ihrer Gesamtwürdigung alle maßgeblichen Gesichtspunkte in den Blick genommen und dabei auch das ambivalente Verhalten des Tatopfers, das sich trotz vorangegangener Gewalttätigkeiten durch den Angeklagten mehrfach auf neuerliche Beziehungsversuche einließ und ihn in Trennungsphasen vermisste, berücksichtigt. Dass sie gleichwohl die Beweggründe für das Verhalten des Angeklagten als niedrig eingestuft hat, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, der Angeklagte habe „dennoch Hand- lungsalternativen gehabt und hätte die Situation anders als durch die Tötung seiner Ehefrau lösen können“, ist dies nicht – was bedenklich wäre – als bloßer Vorwurf, die Tat überhaupt begangen zu haben, zu verstehen. Die Strafkammer hat hiermit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sich der Angeklagte nicht in einer als „ausweglos empfundenen“ Situation befunden habe, was die Annahme niedriger Beweggründe in Frage gestellt hätte. Angesichts des nach Ansicht des Landgerichts im Vordergrund stehenden Handlungsmotivs beim Angeklagten ist es im Übrigen – auch wenn die Strafkammer den unmittelbaren Tatauslöser in der konkreten Situation nicht festzustellen vermochte – nicht zu bean- standen, dass sie von einem deutlichen Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tat ausgegangen ist. Appl Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 96/00
vom
19. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Juli 2000,
an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Juni 1999 wird mit den Feststellungen aufgehoben
a) auf die Revision der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang
b) auf die Revision der Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , mit der sie eine Verurteilung wegen Mordes erstrebt, und die Revision der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte, Mutter von zwei Kindern, das dritte Kind ohne Wissen ihres Ehemanns abgetrieben, die Schwangerschaft und Geburt des vierten Kindes vor ihrer Familie verheimlicht, schon vor seiner Geburt Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen und es unmittelbar danach zur Adoption freigegeben. Bei den Erklärungen zur Vermittlung und Anmeldung des Kindes hatte sie die Unterschrift ihres Ehemannes gefälscht, den Notartermin hatte sie mit Ausreden hinausgeschoben. Die Angeklagte wollte wegen der finanziellen und häuslichen Situation der Familie kein weiteres Kind aufziehen. Zwei Monate nach der Geburt dieses Kindes wurde die Angeklagte erneut schwanger. Auch die Schwangerschaft und Geburt des fünften Kindes am 19. Dezember 1998 verheimlichte die Angeklagte ihrem Ehemann. Nachdem sie das Kind zunächst im Krankenhaus belassen hatte, holte sie es zwei Tage später im Beisein einer Jugendamtsmitarbeiterin ab. Zu Hause legte sie das Kind in der Waschküche in einen Schlafsack, zog den Reißverschluß zu und bedeckte ihn mit einem Berg von Wäschestücken. Das Kind erstickte.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch enthält Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten.

a) Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht ist von bedingtem Tötungsvorsatz ausgegangen. Nach den Feststellungen, hat die Angeklagte das Kind aus einem plötzlichen Entschluß heraus - "das Kind muß weg”- getötet. Ange-
sichts dessen und der erkennbar äußerst gefährlichen Handlung ist für die Annahme , die Angeklagte habe den Tod des Kindes nicht als sichere Folge ihres Handelns vorausgesehen (und damit auch gewollt), kein Raum. Das kann auch für die Ermittlung der Beweggründe der Angeklagten Bedeutung haben.

b) Das Landgericht hat einen Mord aus niedrigen Beweggründen verneint , weil der Angeklagten nicht ausschließbar das Bewußtsein gefehlt habe, daß ihr Handeln nach allgemeiner sittlicher Wertung auf niedrigster Stufe lag. Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken.
Zwar ist es richtig, daß sich der Täter bei einem Handeln aus niedrigen Beweggründen bei der Tat der Umstände bewußt sein muß, die den Antrieb zum Handeln als besonders verwerflich erscheinen lassen, wobei es allerdings – entgegen den mißverständlichen Urteilsausführungen – bedeutungslos ist, ob der Täter seine Motive selbst als niedrig bewertet (BGH NStZ 1989, 363; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 27). Ob diese subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, kann aber nicht beurteilt werden, ohne daß zuvor geklärt und dargelegt worden ist, welche Motivation der Tat zugrunde lag und ob diese Motivation als niedrig einzustufen ist.
Das Landgericht hat es unterlassen, das Tötungsmotiv der Angeklagten festzustellen. Nur im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Tötungsvorsatz hat es ausgeführt, daß sich die Angeklagte in einem Zwiespalt befunden habe, weil sie die Schwangerschaft vor dem Ehemann, der Verwandtschaft und Bekanntschaft verschwiegen hatte. Auch wenn es danach naheliegend ist, daß die Angeklagte aus Angst und Scham vor den Konsequenzen einer Offenbarung gehandelt hat, die möglicherweise nicht nur sie, sondern – bei Ehepro-
blemen – auch ihre Kinder getroffen hätte, lassen sich die konkreten Tatantriebe der – wie an anderer Stelle ausgeführt – von ihrem Leben überforderten Angeklagten dem Urteil nicht entnehmen.
Von dieser dem Tatrichter obliegenden Pflicht zur Feststellung und umfassenden Würdigung konnte hier auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil die Angeklagte – wovon das Landgericht ausgegangen ist – sich spontan zur Tötung des Kindes entschlossen hat. Abgesehen davon, daß sich diese Annahme unter anderem auf die Einlassung der Angeklagten stützt, nach der tatauslösend die Erinnerung an die – nach den Feststellungen nicht stattgefundene - Vergewaltigung gewesen sei, ist die Annahme niedriger Beweggründe auch bei einer Spontantat nicht ausgeschlossen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11). Spontaneität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und der psychischen Verfassung der Angeklagten aber Anlaß sein, die subjektive Seite des Mordmerkmals besonders sorgfältig zu prüfen.
2. Der Strafausspruch enthält Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten , die zu seiner Aufhebung auf die Revision der Angeklagten führen.
Das Landgericht hat u. a. folgende gegen die Angeklagte sprechende Umstände aufgeführt:
”Durch die Tötung des Säuglings zerstörte die Angeklagte ihre Familie. Ihre zwei zur Tatzeit zehn und sechs Jahre alten Kinder haben aufgrund der bevorstehenden langen Haftstrafe während wichtiger Entwicklungsphasen ihre Mutter nicht an ihrer Seite. Darüber hinaus wurde den Kindern durch die Tat
der Angeklagten deutlich vor Augen geführt, daß ihrer Mutter die Kinder wenig wert sind, zumal sie ein weiteres Kind zur Adoption freigegeben hatte. Auch hat die Angeklagte einen hohen Vertrauensbruch gegenüber ihrem Mann begangen. Mit für die Ehe wichtigen gemeinsamen Entscheidungen hat sie es nicht genau genommen, sie hat ihrem Mann gegenüber drei Schwangerschaften verschwiegen. Sie hat sich ohne Rücksprache mit diesem zu einer Abtreibung und zu einer Freigabe zur Adoption entschieden und beides auch durchgeführt. Als letztes sprach auch gegen die Angeklagte, daß sie in ihrem persönlichen Umfeld die nachhaltigen Komplikationen erst auslöste, in dem sie immer wieder Lügengeschichten verbreitete.”
Diese Strafzumessungserwägungen sind rechtlich bedenklich. Insbesondere hat die Strafkammer damit Umstände verwertet, die nicht im schuldrelevanten Zusammenhang mit der Tat stehen.
Ein außerhalb der Tatausführung liegendes Verhalten darf bei der Strafzumessung nur Berücksichtigung finden, wenn eine Beziehung zu der Tat besteht , die Rückschlüsse auf eine höhere Tatschuld zuläßt. Ein solcher die Tatschuld erhöhender Zusammenhang des ehelichen Fehlverhaltens der Angeklagten bei der vorangegangenen dritten und vierten Schwangerschaft mit der Tötung des fünften Kindes, die durch das Verschweigen dieser fünften Schwangerschaft veranlaßt war, ist im Urteil nicht dargetan.
Auch soweit die Strafkammer strafschärfend die Folgen der langen gegen die Angeklagte verhängten Haftstrafe berücksichtigt hat, handelt es sich um Umstände, die nicht geeignet sind, die Tatschuld zu kennzeichnen. Zudem führt diese Erwägung – in der Art eines Zirkelschlusses - zu einer weiteren
Verlängerung der Haftstrafe mit den der Angeklagten vorgeworfenen ungünstigen Folgen.
Jähnke Niemöller Detter Bode Otten
5 StR 538/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 20. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Februar
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt D ,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Rechtsanwalt Ba ,
Rechtsanwältin Bau
als Verteidiger für den Angeklagten T ,
Rechtsanwalt Z
als Verteidiger für den Angeklagten To ,
Rechtsanwältin Br
als Vertreterin der Nebenklägerin D ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 4. April 2001, soweit es die Angeklagten To , T und M betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Von der Aufhebung ausgenommen sind die Feststellungen zum Geschehensablauf der Tat, zum Tötungsvorsatz und zur gemeinschaftlichen Tatbegehung der genannten drei Angeklagten; diese Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
2. Die Revisionen der Angeklagten To , T undM gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
3. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e

I.


Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen zwischen 13 und 15 Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten decken keinen zu ihrem Nachteil wirkenden Rechtsfehler auf. Dagegen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge die Verurteilung der Angeklagten wegen Totschlags anstelle wegen Mordes beanstandet, Erfolg.

II.


Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind die in der Türkei geborenen Angeklagten kurdischer Volkszugehörigkeit. Während die Angeklagten M und To seit 1985 in Deutschland leben und als Asylberechtigte anerkannt sind, ist der Asylantrag des seit 1997 in Deutschland lebenden Angeklagten T abgelehnt worden. Alle Angeklagten wie auch die beiden späteren Tatopfer hielten sich in den vergangenen Jahren in Bremen im wesentlichen im kurdischstämmigen Umfeld auf und entwickelten unterschiedlich starke Aktivitäten für die in Deutschland vereinsrechtlich verbotene “Arbeiterpartei Kurdistans" (Partya Karkeren Kurdistan, PKK).
A nahm als Kurde an dem bewaffneten Kampf der PKK in der Türkei teil. Er erlitt bei einem Schußwechsel eine Querschnittslähmung , so daß er beide Beine nicht mehr bewegen konnte und an den Rollstuhl gebunden war. Er kam 1994 im Alter von 18 Jahren nach Bremen, wurde als Asylbewerber anerkannt und war für die dortigen Sympathisanten
der PKK ein Kriegsheld. Ende 1998 lernte er die damals 17 Jahre alte D kennen, die 1996 mit ihren kurdischen Eltern und Geschwistern nach Bremen gekommen war. Beide wollten heiraten, hielten dies aber zunächst vor den Eltern D geheim. Entgegen den herkömmlichen Regeln der kurdischen Gesellschaft teilte A der Mutter mit, daû er beabsichtige D zu heiraten. Als deren Vater davon erfuhr, lehnte er ein solches Ansinnen kategorisch ab. Er betrachtete A vor allem “als Behinderten, der schon daher nicht der richtige Mann für seine Tochter” sei. Auûerdem war er der Auffassung, daû A als PKK-Mitglied nicht heiraten dürfe. Der Vater machte deshalb dem Verantwortlichen der PKK für das Gebiet Bremen Vorwürfe. Er fühlte sich in seiner Ehre verletzt und verlangte von der PKK die Wiederherstellung seiner Ehre, da nach seinem Verständnis A ein “Kader” der PKK war und diese auch für dessen Verhalten verantwortlich war.
Mehrere Versuche des Vaters und von ihm beauftragter Personen, die Beziehung zu beenden, scheiterten. Vielmehr zog D im Mai 1999 sogar zu A in dessen Wohnung. In der kurdischen Gemeinschaft wurde das Vorgehen der beiden jungen Leute ebenfalls nicht gutgeheiûen. Insbesondere A wurde zunehmend ausgegrenzt. Dennoch heirateten A und D Anfang Juni 1999 heimlich in einer Moschee nach islamischem Recht.
Da die als unehrenhaft empfundene Beziehungzwischen A und D in den kurdischen Kreisen weiterhin Gesprächsstoff war, fühlte sich der Gebietsverantwortliche der PKK zur Lösung des Problems aufgerufen. In den Morgenstunden des 24. August 1999 befahl er zunächst den Angeklagten To und M und kurz darauf auch dem Angeklagten T , den A und die D zu töten. Die Angeklagten waren zwar “konsterniert über den ihnen gegebenen Tötungsbefehl”.
Sie versuchten den Tötungsbefehl abzuwenden, unterwarfen sich diesem aber schlieûlich.
Die Angeklagten fuhren unter einem Vorwand mit den beiden Opfern zu einer einsam gelegenen Stelle am Auûendeich der Weser. Nachdem alle Personen aus dem Fahrzeug ausgestiegen waren, begannen die Angeklagten mit der Tötung der beiden Opfer, ohne auf deren Flehen zu reagieren. Zunächst packten die Angeklagten T und To die D an den Armen und zogen sie über die Deichkrone etwa 75 Meter weit in Richtung des Weserufers. Sodann wurde ihr Kopf mehrere Minuten in den Schlick gedrückt, bis sie erstickte. Um ihren Tod sicherzustellen, wurde auf ihren Kopf noch Schlick aufgehäuft. Die Angeklagten T und To wendeten sich nun dem A zu, der sich in der Nähe des Autos befand. Einer der beiden Angeklagten schlug mit einem Radmutterschlüssel elfmal mit Wucht auf dessen Kopf ein. Auûerdem wurde weitere Gewalt gegen ihn angewendet, so daû er unter anderem mehrere Schädelbrüche erlitt. Zusätzlich fuhr der Angeklagte M mit dem Fahrzeug zweimal gegen das auf dem Boden liegende Opfer und schleifte es mit. Nach etwa 15 bis 30 Minuten verstarb A .
III. Revisionen der Angeklagten
Die Sachrügen sind unbegründet. Die Verurteilung der Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Totschlags in zwei Fällen enthält keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil. Die Einwendungen der Revisionen sind offensichtlich unbegründet.
IV. Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Das Landgericht hat die Tat rechtsfehlerfrei als gemeinschaftlich begangene vorsätzliche Tötung in jeweils zwei Fällen beurteilt. Es hat auch
angenommen, daû ªdie Tötung von zwei sich liebenden Personen letztlich allein der Zuneigung dieser Personen zueinander wegen, die sie nicht bereit sind aufzugeben, regelmäûig und objektiv als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehenº ist. Der Tatrichter hat aber das Vorliegen einer Tötung aus niedrigen Beweggründen verneint, weil in der gegebenen Situation ªnach den archaischen Sitten- und Wertvorstellungen aller beteiligten Personen eine Schlichtung nicht mehr möglichº war, die ªTötung der Beziehungspartner selbst in diesem extremen Fall danach erlaubtº sei, für die Angeklagten ªFragen der Ehre und Angst vor der sozialen Ausgrenzung im Vordergrundº standen und es ªden Angeklagten aufgrund ihrer stark verinnerlichten heimatlichen Wertvorstellungen nicht bewuût war, daû ihre Beweggründe objektiv als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehenº sind; letzteres beanstandet die Staatsanwaltschaft zu Recht.

a) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat ªniedrigº sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maûe als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äuûeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maûgeblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Dabei ist der Maûstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 29; BGH, Beschl. vom 24. April 2001 ± 1 StR 122/01; Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 39). Nur ausnahmsweise, wenn dem Täter bei der Tat die Umstände nicht bewuût waren, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, oder wenn es ihm nicht möglich war, seine gefühlsmäûigen Regungen, die sein Handeln bestimmen, gedanklich zu beherrschen und willensmäûig zu steuern (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 2, 4, 10, 12,
15, 24, 28), kann anstatt einer Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen lediglich eine Verurteilung wegen Totschlages in Betracht kommen. Dieser Anforderung werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht.
Allerdings hat das Landgericht sich mit der Frage, welche Motive der Tat zugrunde liegen, durchaus auseinandergesetzt. Es hat aber innerhalb dieser Prüfung nicht alle Umstände bedacht, die für die Beurteilung der Beweggründe als insgesamt niedrig von Bedeutung sein können. Es hat dabei nicht in Betracht gezogen, daû der von A nach Auffassung der drei Angeklagten durch die ªEntführungº als solcher begangene Verstoû gegen die Regeln ihrer Gesellschaft und der Partei ªaus Sicht der Angeklagten durchaus eine Maûregelung, aber nicht eine Tötungº rechtfertigte. Über den Tötungsbefehl waren die Angeklagten hiernach aufgrund ihrer eigenen Wertvorstellungen entsetzt.
Zu Unrecht hat das Landgericht bei der Bewertung der Beweggründe der Angeklagten zudem nicht ausdrücklich erwogen, daû ± wie an anderer Stelle des Urteils ausgeführt wird ± den Angeklagten ªim Fall einer Befehlsverweigerung keinesfalls eine Bestrafung in Form von körperlichen Übergriffen oder gar einer Tötungº drohte. Schlimmstenfalls muûten sie ªmit einem Ansehens- und Ehrverlust innerhalb der kurdischen Gemeinschaft, eventuell auch mit einer Ausgliederung aus dem Leben der kurdischen Gemeinschaftº rechnen. Die den Angeklagten vom Landgericht bei der rechtlichen Würdigung zugute gehaltene Motivation kann vor dem Hintergrund der befohlenen Tat nicht abstrakt und losgelöst von den Beweggründen der Befehlsgeber beurteilt werden. Die hochgradige Verwerflichkeit des Tötungsbefehls war den Angeklagten bekannt. Sie führten den Befehl gleichwohl aus, ohne daû ihnen für den Fall der Verweigerung verglichen mit dem furchtbaren Tatgeschehen auch nur annähernd gleichermaûen schlimme
Konsequenzen gedroht hätten. Unter diesen Voraussetzungen liegt es nahe, ihre eigenen Beweggründe als niedrig zu bewerten.
Zudem hat das Landgericht weitere Umstände nicht bedacht, die gegen die Annahme sprechen, daû die Angeklagten nicht erfaût hatten, daû ihre eigenen Wertvorstellungen, die ihnen die Wiederherstellung der Ehre aufgaben, in dieser Form in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland keine Billigung finden. Gegen die bereits seit 1985 in Deutschland lebenden Angeklagten To und M ist 1991 ein Strafverfahren wegen versuchten Totschlags geführt worden, weil sie mit weiteren Mittätern auf einer Kurdenhochzeit daran mitgewirkt haben sollen, daû ein türkischer Asylbewerber aus Blutrache niedergeschlagen und mit einem Messer in die Brust gestochen wurde. Der Angeklagte T lebt zwar erst seit 1997 in Deutschland. Er hat nach den getroffenen Feststellungen aber ein ªambivalentes Verhältnis zum kurdischen Verein und zur PKKº. Der Sache des ªVolkesº fühlte er sich durchaus verbunden, war aber nicht gewillt, stärkere Aktivitäten für den Verein bzw. die PKK zu entfalten.
2. Die Verneinung weiterer Mordmerkmale ± angesichts der insoweit hinreichenden Feststellungen zur Motivlage auch das Merkmal der Grausamkeit betreffend ± erweist sich hingegen letztlich als rechtsfehlerfrei.
3. Die Feststellungen des Tatrichters, die den bisherigen Schuldspruch wegen gemeinschaftlichen Totschlags tragen, sind rechtsfehlerfrei getroffen worden; sie können sämtlich bestehen bleiben. Aufzuheben sind mit dem Schuldspruch und dem gesamten Strafausspruch daher lediglich die bislang mangelhaften Feststellungen zum Motiv, wegen des Zusammenhangs auch die zur Schuldfähigkeit. Die maûgeblichen Feststellungen im
Zusammenhang mit der Tatplanung sind unter Berücksichtigung der Auffassung des Senats von einem neuen Tatrichter zu treffen, der danach zu entscheiden haben wird, ob die Angeklagten wie bislang oder aber wegen gemeinschaftlichen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu verurteilen sind.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
1. Das Motiv der "Blutrache" ist regelmäßig als niedriger Beweggrund anzusehen.
Eine Ausnahme kann gelten, wenn dem Täter seinerseits durch
das Opfer mit der Tötung eines nahen Angehörigen erhebliches Leid
zugefügt wurde, das ihn zur Tatzeit noch gravierend belastete.
2. Zur Problematik wiederholten Nachfragens bei einem unverteidigten Angeklagten
, der sich auf sein Schweigerecht beruft und seine Aussagebereitschaft
von einer vorherigen Besprechung mit seinem Verteidiger abhängig
macht.
BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05 – LG Göttingen –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B und Han G wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 18. Januar 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, aa) dass der Angeklagte B G wegen Totschlags und bb) die Angeklagte Han G im Fall A II 4 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Totschlag verurteiltist,
b) im Strafausspruch betreffend dieser Angeklagten aufgehoben ; hiervon ausgenommen ist die gegen Han G im Fall A II 5 der Urteilsgründe (Waffendelikt) verhängte Einzelfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B und Han G sowie die Revision des Angeklagten Has G gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte Has G trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten B und Han G , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Schwurgericht hat die Angeklagten B G und Has G jeweils wegen (gemeinschaftlichen) Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen die Angeklagte Han G hat es wegen Beihilfe zum Mord und wegen unerlaubten Besitzes und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verhängt (Einzelfreiheitsstrafen: sechs Jahre, sechs Monate). Zudem sind ein PKW und verschiedene Waffenteile eingezogen worden; den Angeklagten B und Has G ist jeweils die Fahrerlaubnis – bei einer Sperrfrist von zwei Jahren – entzogen worden. Die Revisionen der Angeklagten B und Han G haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind die Rechtsmittel dieser Angeklagten ebenso unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO) wie die Revision des Angeklagten Has G insgesamt.

I.


Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Ursprung des abgeurteilten Geschehens, der Tötung des H K im Sommer 2003, war ein bislang ungesühntes Tötungsdelikt an Ham G , Ehemann der Han G , Vater des B G und Onkel des Has G . Ham G war im Sommer 1998 nach einer erfolgreichen Versöhnung zwischen den Familien K und G hinterrücks in seinem Auto
erschossen worden, als er gerade – herzlich verabschiedet – vom Haus des H K aufbrach. Zum Tatort war Ham G im Anschluss an das eigentliche Versöhnungstreffen, bei dem das geistliche Oberhaupt der in Deutschland ansässigen Y mitwirkte, zu deren Religionsgemeinschaft beide aus dem türkischen Kurdengebiet stammenden Familien gehören, nur auf den nachdrücklichen Wunsch des H K gekommen. Die Angeklagten vermuteten deshalb, dieser sei der eigentliche Drahtzieher der aus ihrer Sicht besonders niederträchtigen Tötung ihres Verwandten. Diese Tat ist bis heute von der saarländischen Justiz noch nicht aufgeklärt. Nachdem zunächst ein – offensichtlich bewusst vorgeschickter – Jugendlicher die Tat zu Unrecht auf sich genommen hatte und freigesprochen wurde, ist die Sache nach neuerlicher Eröffnung des Hauptverfahrens im Mai 2001 gegen andere Mitglieder der Familie K (darunter allerdings nicht H K ) bis zur Verkündung des angegriffenen Urteils noch nicht terminiert worden. Die als Nebenkläger an jenem Verfahren beteiligten Angehörigen des Getöteten Ham G waren über die fehlende Sühne der Tat zunehmend enttäuscht und fühlten sich von den Behörden im Stich gelassen.
H K lebte seit der Tötung Ham G s mit seiner Familie in steter Furcht vor Racheakten der Familie G : Er wandte sich aus Angst vor Nachstellungen wiederholt an die Polizei, legte dort Aufzeichnungen über eingegangene Drohanrufe vor, beanspruchte Polizeischutz, veräußerte schließlich alsbald nach der Tötung Ham G s seinen Betrieb und siedelte aus Sicherheitsgründen vom Saarland in den Raum Göttingen um. Dort fühlte er sich jedoch ebenfalls beobachtet und verfolgt; er ließ häufig Kennzeichen fremder Fahrzeuge von der Polizei überprüfen und erstattete Anzeige, wenn unbekannte Personen nach seiner Auffassung sein Haus beobachteten. Letztmalig berichtete H K seiner Familie aufgeregt zwei bis drei Wochen vor seiner Tötung, dass ihm ein Fahrzeug mit auffälligem Kennzeichen entgegengekommen sei; den PKW ordnete er der Familie G zu.
Am Tattag wurde H K unmittelbar vor dem eigentlichen Tatgeschehen auf der gesamten Fahrt in seinem PKW von einem Göttinger Krankenhaus, wo er seine Ehefrau besucht hatte, zu seinem Wohnhaus in Reinhausen von den Angeklagten im PKW des Has G verfolgt; B G steuerte dieses Fahrzeug. Aufgrund von Angaben zuvor besuchter Bekannter wähnten die Angeklagten H K auf einem mehrtägigen Besuch in einer anderen Stadt; sie wollten diese Gelegenheit dazu nutzen, die Ehefrau H K s bei einem Krankenhausbesuch durch Han G über den Hintergrund der Tötung Ham G s auszuhorchen. Am Krankenhaus erkannten die Angeklagten zufällig den ihnen verhassten H K ; sie entschlossen sich spontan, die günstige Gelegenheit zu seiner Verfolgung und Tötung zu nutzen. G K , der neunjährige Sohn H K s, der den Vater zusammen mit dessen fünfjähriger Enkelin zu dem Krankenbesuch der Mutter begleitet hatte, machte seinen Vater auf der Rückfahrt mehrfach auf ein ihnen folgendes Fahrzeug aufmerksam. Er wies auch darauf hin, dass der verfolgende PKW sogar rote Ampeln überfahre, um hinter ihnen zu bleiben. H K ließ seine beiden Kinder direkt vor der Tür seines Hauses aussteigen und parkte seinen PKW nach einem Wendemanöver auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Noch während er sich im Fahrzeug befand, wurde er aus dem PKW der Angeklagten heraus von Has G erschossen. Dieser saß auf der Beifahrerseite; hinter ihm saß die Angeklagte Han G . Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen wurden die Angeklagten nach kurzer Flucht zeitnah zur Tat festgenommen. Während sie die eigentliche Tatwaffe zerlegt aus dem Fenster geworfen hatten, verbarg Han G bei ihrer Festnahme am Körper eine weitere scharfe Pistole ihres Sohnes B .
Das Landgericht hat die Tötung H K s als gemeinschaftlichen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet; die Angeklagten hätten aus dem Motiv der „Blutrache“ gehandelt, was auf moralisch tiefster Stufe stehe.

II.

Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg, während die Sachrügen zum Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zusätzlich des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei B und Han G führen. 1. Zu den verfahrensrechtlichen Beanstandungen sieht der Senat über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus Anlass zu folgenden Bemerkungen:
a) Die Rüge, bei der Vernehmung des neunjährigen Zeugen G K über die von ihm wahrgenommenen Umstände der Tötung seines Vaters H K hätten die nach § 247 Satz 2 Alt. 1 StPO ausgeschlossenen Angeklagten wieder zugelassen werden müssen, weil dies der Zeuge gewünscht habe, geht fehl. Über die Frage, ob von der Vernehmung in Anwesenheit der Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl eines kindlichen Zeugen zu befürchten ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht der kindliche Zeuge zu entscheiden. Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Dass das Schwurgericht den Angeklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, die Vernehmung durch eine Videosimultanübertragung mitzuverfolgen (vgl. hierzu BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 247 Rdn. 14a; jeweils m.w.N.), berührt nicht den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund, sondern die Pflicht zur Unterrichtung der aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten. Auch insoweit wäre schon in Ermangelung eines in der Hauptverhandlung gestellten entsprechenden Antrags revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.

b) Im Ansatz zutreffend rügen die Beschwerdeführer einzelne Verhaltensweisen von Ermittlungsbeamten bei der Befragung des Angeklagten B G als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren.
aa) Nach den Feststellungen des Schwurgerichts erklärte B G wiederholt, keine Angaben zur Sache machen, sondern zunächst einen Verteidiger konsultieren zu wollen. Gleichwohl äußerte er sich bis zu seiner Vorführung in drei verschiedenen Situationen gegenüber drei Polizeibeamten zu einzelnen Sachverhaltsfragen:
Zum einen kam es zu einer Spontanäußerung über Schmauchspuren und zu der bei seiner Mutter gefundenen Pistole im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung. Im weiteren Verlauf der Nacht erklärte B G gegenüber dem Polizeibeamten KOK Ku nach erfolgter erneuter Belehrung, er wolle keine Aussage machen, es sei denn, sein Anwalt würde ihm dies empfehlen. Nachdem KOK Ku des ungeachtet fragte, ob sie während weiterer Wartezeit „miteinander sprechen“ könnten, erklärte sich B G bereit, sich mit dem Zeugen zu unterhalten, und berichtete anschließend von seinen persönlichen Verhältnissen und der Vorgeschichte der Tat. Der Zeuge Ku fragte nun nach, ob B G jetzt doch etwas zur Tat sagen wolle. Dieser wiederholte, dass er zur Tat selbst nichts sagen wolle , erklärte aber, dass „getan wurde, was getan werden musste“. Zudem wiederholte B G seine spontanen anfänglichen Angaben zu der bei seiner Mutter gefundenen Waffe.
Auf die ihm aktuell überbrachte neue Information, dass diese Waffe tatsächlich nicht die Tatwaffe sein konnte, fragte der Zeuge Ku den Angeklagten B G nach dem Verbleib der Tatwaffe und betonte dabei eine mögliche Gefährdung spielender Kinder. B G machte dazu deutlich , dass er zu diesem Punkt nichts sagen wolle. Auf weitere Fragen des Zeugen Ku zur Fahrstrecke von Reinhausen bis zur Festnahme machte B G hierzu Angaben. Deren förmliche Protokollierung lehnte er indes ab; statt dessen bat er darum, dass ein namentlich benannter Verteidiger von seiner Festnahme informiert werden sollte. Diese Bitte erfüllte der Zeuge Ku in der Folgezeit nicht.
Am Morgen des Folgetages sollte B G von dem Zeugen KK Be der Haftrichterin vorgeführt werden. Der Zeuge wusste, dass der Angeklagte B G noch ohne Kontakt zu dem benannten Verteidiger gewesen war und keine Angaben machen wollte. Gleichwohl suchte KK Be während der Wartezeit das Gespräch mit ihm. B G machte anschließend erneut Angaben zu seinen Lebensumständen und zur Vorgeschichte der Tat; schließlich erklärte er noch, dass H K ständig mit einem Anschlag auf sein Leben habe rechnen müssen, weil er angerufen und ihm die Möglichkeit eröffnet worden sei, er solle sich selbst erschießen. Vor der Haftrichterin schwieg B G wie auch in der Folgezeit. Erst gegen Ende der Hauptverhandlung hat er sich in einer vorbereitenden Erklärung leugnend zur Sache eingelassen und – wie der Angeklagte Has G – die Tötung einem nicht benannten vierten Familienmitglied angelastet.
bb) Bedenklich erscheint bereits die Frage an B G , ob man nicht „miteinander sprechen“ könne, nachdem sich der Angeklagte gerade nach Belehrung ausdrücklich auf sein Schweigerecht berufen und eventuelle Äußerungen von der vorherigen Konsultation eines Verteidigers abhängig gemacht hatte.
Durch dieses Verhalten könnte bei einem Beschuldigten der fehlerhafte Eindruck hervorgerufen werden (vgl. auch § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO), ein solches bloßes „Gespräch“ unterscheide sich in seiner Verwertbarkeit von einer „förmlichen“ Vernehmung. Dass B G tatsächlich nicht in dieser Weise getäuscht wurde, ergibt sich indes aus seinem differenzierten Aussageverhalten; nach wie vor unterschied er genau, zu welchen Themen er etwas sagen wollte (insbesondere Tatvorgeschichte) und zu welchen nicht (konkrete Tatumstände).
Darüber hinaus kann stetiges Nachfragen ohne zureichenden Grund das Schweigerecht des unverteidigten Beschuldigten entwerten. Nachfragen sind nach ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts zwar dann gänzlich
unproblematisch, wenn – wie hier hinsichtlich der Tatwaffe und der davon ausgehenden Fremdgefährdung – neue Informationen erlangt werden, zu denen sich der Beschuldigte noch nicht positionieren konnte, eine neue prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse Zeitspanne verstrichen ist, in denen sich die Auffassung des Beschuldigten geändert haben kann. Jenseits solcher neuer Umstände oder eines möglichen Sinneswandels darf das Schweigerecht jedenfalls bei einem unverteidigten Beschuldigten nicht dadurch missachtet werden, dass beständig auf verschiedenen Wegen versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in der Sache zu bringen.
cc) Erst recht bedenklich sind beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten, der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen will, wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt.
Zwar sieht der Senat auch in Konstellationen wie der vorliegenden keinen Anlass für ein Innehalten mit einer Vernehmung des Beschuldigten bis zur Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. BGHSt 47, 233, 235 ff.; vgl. aber auch BGHSt 47, 172, 176 ff.; BGH, Beschl. vom 18. und 19. Oktober 2005 – 1 StR 114/05 und 117/05). Der Wunsch des Beschuldigten nach Rücksprache mit seinem Verteidiger zur Erörterung der Frage, ob eine Einlassung erfolgen soll oder nicht, darf aber nicht durch ständige Nachfrage missachtet werden, ohne dass dem Wunsch nach Benachrichtigung eines benannten Verteidigers zuvor nachgekommen wird. Die Besprechung mit einem Verteidiger soll dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnen, sich in der für seine Verteidigung höchst bedeutsamen Frage, ob er aussagen will oder nicht, mit einem Verteidiger zu beraten (BGHSt 38, 372, 373). Bittet ein Beschuldigter, der seine Aussagebereitschaft an die vorherige Konsultation eines Verteidigers knüpft, ausdrücklich um Benachrichtigung eines benannten Verteidigers, darf nicht weiter in den Beschuldigten gedrungen werden, wenn die erbetene Benachrichtigung nicht erfolgt (vgl. auch BGHSt 42, 15,
19; 38, 372, 373 einerseits, BGHSt 42, 170, 171 f. andererseits). Das Schweigerecht des Beschuldigten würde missachtet, wenn – wie hier vor dem Haftrichtertermin – ein benannter Verteidiger nicht informiert, sondern stattdessen ein Beschuldigter ohne ergänzende Hinweise weiter befragt wird, obgleich er zuvor ausdrücklich erklärt hat, er wolle ohne vorherige Konsultation seines Verteidigers nichts sagen.
dd) Ob das danach im Ausgangspunkt zu Recht beanstandete Vorgehen der Ermittlungsbeamten nach entsprechendem Widerspruch in der Hauptverhandlung angesichts der differenzierten Reaktionen des befragten Beschuldigten, die für eine zutreffende Einschätzung der Verwertbarkeit seiner Äußerungen sprechen, zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der auf diese Weise erlangten Angaben führen würde und ob sich hierauf gegebenenfalls auch Mitbeschuldigte berufen könnten (vgl. dazu BGHR StPO § 136 Belehrung 5; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 136 Rdn. 20 m.w.N.), kann letztlich offen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf diesen Angaben B G s im Ermittlungsverfahren beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).
Die Angaben B G s hat das Schwurgericht lediglich an solchen Stellen der Beweisführung verwertet, die nichts mit der eigentlichen Tatbegehung zu tun haben oder in anderer Weise von B G oder anderen Zeugen hinreichend bestätigt wurden. Dass H K vom neben ihm sitzenden Beifahrer erschossen wurde, als B G den PKW seines Cousins führte, hat B G in der Hauptverhandlung selbst zugegeben. Diese Aussage korrespondiert mit weiteren Zeugenaussagen. Zur Widerlegung der gegen Ende der Hauptverhandlung erstmals vorgebrachten wenig detailreichen Angaben B und Has G s zu einem angeblichen vierten Familienmitglied, das unvorhersehbar spontan und ohne Billigung der übrigen Fahrzeuginsassen H K erschossen habe, und zur Überzeugungsbildung von der gemeinschaftlichen Tötung H K s unter Beteiligung von Han G hat das Schwurgericht nicht auf die Angaben
B G s im Ermittlungsverfahren, sondern auf mehrere Aussagen geschehensnaher Zeugen, das Spurenbild im PKW der Angeklagten, ihre Einlassungen in der Hauptverhandlung zum Tatgeschehen und die Feststellungen zur tatnahen Festnahme zurückgegriffen.
Dass die bei seiner Mutter gefundene Pistole ihm gehört, hat B G auch in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben. Die weiteren Angaben B G s zur Vorgeschichte der Tat, zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Fahrstrecke waren, soweit die entsprechenden Feststellungen die Angeklagten überhaupt be- und nicht entlasten, angesichts weiterer Beweismittel für die Beweiswürdigung ersichtlich entbehrlich.
2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zur Aufhebung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G .

a) Die Feststellungen des Schwurgerichts belegen eine heimtückische Tötung nicht.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist der Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen, gar mit einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet. Diese Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles (vgl. BGHSt 48, 207, 210 m.w.N.). Heimtückisch handelt nur, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat ausnutzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter sich bewusst ist, einen ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen, und dass er diese Situation in ihrer Bedeutung für die Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11).
bb) Nach diesen Kriterien hält die Annahme einer heimtückischen Tötung revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand:
H K rechnete seit geraumer Zeit ernsthaft und begründet mit einem Anschlag auf sein Leben. Deshalb hatte er seine Firma mit Verlust verkauft und war in ein anderes Bundesland umgezogen. Auch noch kurz vor der Tat war er stets misstrauisch und besorgt, wenn ihm in seiner Wohnumgebung fremde Fahrzeuge auffielen. Vor diesem ganz besonderen Hintergrund – einer wesentliche Teile des Lebens bestimmenden jahrelangen Angst vor einem tödlichen Anschlag – durfte sich das Landgericht hinsichtlich der festgestellten wiederholten und eindrücklichen Warnungen H K s durch seinen Sohn vor der Verfolgung durch einen fremden PKW unmittelbar vor der Tat nicht mit der Erwägung begnügen, aus seinen beschwichtigenden Äußerungen gegenüber seinem Sohn G ergebe sich, dass er selbst arglos gewesen sei. Denn dabei hat das Schwurgericht die nahe liegende Möglichkeit außer Acht gelassen (vgl. hierzu BGHSt 25, 365, 367), dass solche Beschwichtigungen gegenüber Kindern gerade auch von tatsächlich besorgten Eltern geäußert werden können, die ihre Kinder damit lediglich in Sicherheit wiegen und beruhigen wollen (vgl. Mosbacher NStZ 2005, 690, 691). In diesem Zusammenhang blieb zudem die Aussage G K s unberücksichtigt, wonach sein Vater mit erheblicher Geschwindigkeit unmittelbar vor die Haustür gefahren sei, um dort zunächst die Kinder mit der Aufforderung aussteigen zu lassen, schnell ins Haus zu laufen (UA S. 153); dies spricht dafür, dass H K die Kinder deshalb in Sicherheit bringen wollte, weil er die Gefahr erkannt hatte.
Bei Berücksichtigung dieser vom Schwurgericht vernachlässigten gewichtigen Umstände, die gegen die Annahme von Arglosigkeit sprechen, vermögen die tatrichterlichen Feststellungen zum Verhalten des Opfers unmittelbar vor Abgabe der tödlichen Schüsse – Abstellen des Fahrzeugs und Abziehen des Fahrzeugschlüssels – alleine die Annahme von Heimtücke nicht tragfähig zu belegen; solches Verhalten kann unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des vorliegenden Falls auch als nicht besonders überlegtes, eher kopfloses Verhalten eines angstbesetzten Verfolgten gesehen werden.
Abgesehen davon ist auch die subjektive Seite einer heimtückischen Tötung nicht rechtsfehlerfrei belegt. Die Angeklagten können nach den Feststellungen zu ihrer spontanen Verfolgungsfahrt vom Krankenhaus bis zum Wohnhaus ihres Opfers angesichts der Drohungen im Vorfeld kaum davon ausgegangen sein, dass diese Verfolgung unbemerkt und H K arglos geblieben ist.
Der Senat schließt angesichts der Gegebenheiten des vorliegenden Falls aus, dass weitergehende Feststellungen möglich sind, die zur tragfähigen Annahme von Heimtücke führen könnten; dieses Mordmerkmal hat demnach zu entfallen.

b) Bei den Angeklagten B und Han G begegnet auch die Annahme niedriger Beweggründe auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen durchgreifenden Bedenken. Der Verweis des Schwurgerichts auf das als niedrig zu bewertende Motiv der „Blutrache“ greift bei diesen Angeklagten zu kurz.
aa) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft
nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14 ff.).
Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16, 22, 23, 28, 30, 36; BGH NStZ 1995, 181; BGH StV 2001, 228, 229). Beruhen diese tatauslösenden und tatbestimmenden Gefühlsregungen dagegen auf dem (berechtigten) Gefühl erlittenen schweren Unrechts und entbehren sie damit nicht eines beachtlichen , jedenfalls einleuchtenden Grundes, spricht dies gegen eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 30, 32). Schwerwiegende Kränkungen durch das Opfer, die das Gemüt des Betroffenen immer wieder heftig bewegen , können sogar im Fall heimtückischer Tötung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unangebracht sein lassen (vgl. Großer Senat BGHSt 30, 105, 119; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
bb) Eine Tötung aus dem Motiv der „Blutrache“ ist in aller Regel deshalb als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen, weil sich der Täter dabei seiner persönlichen Ehre und der Familienehre wegen gleichsam als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen erhebt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 29; Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 422 ff.; vgl. zu Tötungen aus „Blutrache“ auch BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH, StV 1998, 130; BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98; BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04). Ein niedriger Beweggrund wird in aller Regel in denjenigen Fällen von „Blutrache“ ohne weiteres anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder in denen ein Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten eines anderen
Sippenangehörigen, an dem ihn keine persönliche Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als Vergeltung für ein als ehrenwidrig bewertetes Verhalten, das indes seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren Verletzung einer anderen Person bestand, wird regelmäßig als niedrig zu bewerten sein. Eine differenzierte Betrachtung ist hingegen insbesondere dann geboten , wenn mit der „Blutrache“ – wie hier – Vergeltung an jemandem geübt wird, der seinerseits nachvollziehbar als schuldig an der Tötung eines anderen Menschen erachtet wird.
Allgemein darf die Bezeichnung eines Motivs als „Blutrache“ nämlich nicht die notwendige differenzierte Betrachtung des tatsächlichen Geschehens ersetzen (vgl. Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 424). Bei allgemein motivierten Tötungsantrieben wie Wut, Zorn, Hass oder Verzweiflung kann die Gefahr bestehen, dass sie fälschlich einer mit Selbstverständlichkeit als niedrig zu bewertenden Blutrache zugeordnet werden, obgleich die Niedrigkeit am Maßstab der inländischen Werteordnung zu verneinen wäre (vgl. Nehm aaO).
Gerade bei dem Verlust naher Angehöriger durch eine Gewalttat sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten (BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH StV 1998, 130; vgl. aber auch Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 86 f.). Hat der Täter aus persönlichen Motiven aufgrund schwerer Kränkung durch Tötung eines ihm besonders nahe stehenden Angehörigen gehandelt , ist diese Form von „Selbstjustiz“ zwar keineswegs billigenswert (vgl. BGH StV 1998, 130; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 28; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7). Die Tat kann aber auch nicht nur deshalb als besonders verwerflich eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache“ bis heute relevant ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14b). Es ist also danach zu differenzieren, ob der Angeklagte tatsächlich allein aus einem ersichtlich nicht billigenswerten Motiv der „Blutrache“, und damit aus niedri-
gen Beweggründen, oder aus einer besonderen Belastungssituation infolge des Verlustes seiner wesentlichen Bezugsperson bzw. aus ähnlichen, nicht per se niedrigen Motiven heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98).
cc) Ob ein durch Tötung naher Angehöriger zugefügtes Leid auch jenseits von Spontantaten (hierzu Schneider aaO Rdn. 87) derart erheblich ist, dass der Beweggrund insgesamt nicht mehr als besonders verwerflich und verachtenswert erscheint, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Maßstab sind insbesondere Gewicht und nähere Umstände der Vortat (vgl. BGH StV 1998, 130), u. U. deren strafjustizelle Aufarbeitung, Näheverhältnis zum Getöteten (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), Grad fortdauernder persönlicher Betroffenheit (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04) und konkrete objektive Umstände der Tötung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
dd) Nach diesen Kriterien ist die Annahme niedriger Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G nicht tragfähig begründet. B G ist der älteste Sohn des auf besonders niederträchtige Weise ermordeten Ham G und muss sich, seit er 20 Jahre alt ist, als Familienoberhaupt maßgeblich um seine Mutter und weitere fünf Geschwister kümmern. Er war – wie Han G – davon überzeugt, dass H K für diesen Anschlag verantwortlich war, weil dieser durch nachdrückliches Zureden Ham G erst dazu gebracht hatte, nach einer Versöhnungszeremonie zum späteren Tatort zu fahren. Trotz der inzwischen vergangenen Zeit war in der Familie des Ermordeten, die auch aufgrund dieser Tat bis jetzt in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zusammenlebt, der Schmerz über die Tat noch deutlich gegenwärtig: die Tötung Ham G s war ständiges Gesprächsthema und insbesondere Han G war davon noch stark emotional betroffen. Die Tat blieb bislang ungesühnt. Der konkrete Entschluss zur Tötung H K s entstand spontan aus der Situation eines zufälligen Treffens am Göttinger Krankenhaus. Angesichts dieser besonderen Umstän-
de entbehrt die Wertung des Landgerichts, auch die Angeklagten B und Han G hätten allein aus einem als niedrig anzusehenden Motiv der „Blutrache“ gehandelt, einer tragfähigen Grundlage.
Der Senat schließt aus, dass eine solche angesichts der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen noch gefunden werden könnte.

c) Anders verhält es sich allerdings mit dem Angeklagten Has G , der die tödlichen Schüsse auf H K abgegeben hat. Bei ihm hat das Schwurgericht – anders als bei den noch akut unter den Auswirkungen der Tötung Ham G s leidenden Han und B G – keine eigene besonders gravierende persönliche Betroffenheit durch den Tod seines Onkels festgestellt, die über die Verletzung der „Familienehre“ maßgeblich hinausgereicht hätte. Hierfür spricht nicht nur der im Vergleich zu Han und B G fernere Verwandtschaftsgrad zum Getöteten Ham G ; dabei handelt es sich um ein Kriterium, das auch nach Auffassung des Gesetzgebers bei der rechtlichen Bewertung der Betroffenheit von einem Tötungsdelikt erheblich ist (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Hinzu kommt die räumliche Entfernung von der Familie des getöteten Ham G : Der Angeklagte Has G lebt seit Jahren in Niedersachsen, während die Familie von Ham G seit vielen Jahren im Saarland ansässig ist. In seiner wirtschaftlichen Existenz war der als Unternehmer erfolgreiche Angeklagte Has G ebenfalls nicht vom Tode Ham G s betroffen. Aufgrund dieser weit größeren räumlichen, familiären und wirtschaftlichen Distanz zum Tode Ham G s erscheint bei Has G das Verhältnis zwischen Anlass und Tat in deutlich weiter reichendem Maße als beim Totschlag verachtenswert und damit niedrig (vgl. auch BGH NStZ 2004, 34); (nur) bei ihm kommen diejenigen Gesichtspunkte zum Tragen, die das Motiv der „Blutrache“ in aller Regel als niedrigen Beweggrund kennzeichnen.
3. Die tatrichterliche Wertung, Han G habe eine Beihilfe zur Tötung H K s begangen, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Das Schwurgericht hat seine Feststellung, die Angeklagte habe ihren Sohn und ihren Neffen bei der Tötung H K s zumindest psychisch unterstützt und hierdurch eine Beihilfe zu deren Tat geleistet, auf eine Gesamtschau aller wesentlichen Umstände gestützt. Auf eine aktive Beihilfehandlung durch mitbestimmenden Einfluss auf das Fahrtziel und den spontanen Tatplan konnte das Schwurgericht vor dem Hintergrund der engen familiären Verbundenheit aus dem besonderen Interesse der Angeklagten an einer Sühne der Ermordung ihres Ehemanns, aus der Tatsache, dass sie das vorherige Reiseziel (Besuch im Krankenhaus) wesentlich bestimmt hatte, und aus ihrem Verhalten bei der Verfolgung durch die Polizei (Verbergen einer Pistole ihres Sohnes am Körper) schließen. Diese Schlussfolgerung beruht auf einer tragfähigen rationalen Grundlage und ist im vorliegenden Fall nicht nur möglich, sondern naheliegend; sie ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Erwägungen des Schwurgerichts über die „Sitzposition“ der Angeklagten in diesem Zusammenhang für sich gesehen weniger überzeugen; die Angeklagte konnte angesichts des spontanen Verfolgungsentschlusses bei Fahrtantritt kaum davon ausgehen, dass H K gerade – wie später geschehen – auf der Beifahrerseite erschossen werde.

III.


Im Ergebnis hat der Wegfall eines Teils der vom Schwurgericht herangezogenen Mordmerkmale folgende Auswirkungen:
1. Nach Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bleibt Has G wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; B G ist dagegen als Mittäter des gemeinsam ins Werk ge-
setzten Tötungsgeschehens wegen Totschlags schuldig (vgl. auch BGHSt 36, 231). Die Angeklagte Han G hat eine Beihilfe zur gemeinschaftlichen Tötung von H K begangen, die sich für Has G als Mord aus niedrigen Beweggründen, für B G als Totschlag darstellt. Danach ist die Angeklagte Han G lediglich wegen einer Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen.
Wegen Beihilfe zu einem vom Angeklagten Has G begangenen Mord könnte Han G allenfalls dann verurteilt werden, wenn sie als Gehilfin ihren Tatbeitrag in Kenntnis der niedrigen Beweggründe Has G s erbracht hätte (vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N., insoweit in BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 33 nicht abgedruckt). Dass Han G selbst aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat, schließt der Senat wie beim Angeklagten B G aus (s. o.). Die Feststellungen des Schwurgerichts legen zudem nahe, dass die in bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsene, des Lesens und Schreibens nicht mächtige, kaum deutsch sprechende und deshalb ganz besonders in ihrem Kulturkreis verhaftete Angeklagte Han G die zur Niedrigkeit der Tötungshandlung des Has G führenden bestimmenden Wertungsgesichtspunkte in ihrem Bedeutungsgehalt geistig nicht nachvollziehen konnte. Auf dieser Grundlage lässt sich der notwendige Vorsatzbezug zum Mordmerkmal des Haupttäters letztlich nicht tragfähig begründen. Da weitergehende Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch auf Beihilfe zum Totschlag (§ 354 Abs. 1 StPO).
2. Deshalb kann dahinstehen, ob es sich bei den täterbezogenen Mordmerkmalen um strafschärfende besondere persönliche Merkmale im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB und nicht um strafbegründende im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB handelt:

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs stehen Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) nicht
im Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation zueinander, vielmehr bilden sie danach zwei selbständige Tatbestände (st. Rspr. seit BGHSt 1, 368; zuletzt ausführlich BGH NStZ 2005, 381 m.w.N.). Weil die Mordmerkmale des § 211 StGB nach dieser Auffassung die Strafbarkeit im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB begründen, scheidet eine Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB aus. Für den Schuldspruch des Teilnehmers kommt es demnach nicht auf seinen Tatbeitrag, sondern zunächst darauf an, ob der Haupttäter Mordmerkmale verwirklicht oder nicht. Bei täterbezogenen Mordmerkmalen wie den vorliegend in Rede stehenden niedrigen Beweggründen ist nach der bisherigen Rechtsprechung ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord auch dann geboten, wenn der Teilnehmer selbst kein derartiges Mordmerkmal verwirklicht, solange er hinsichtlich der niedrigen Beweggründe des anderen Teils vorsätzlich handelt. Dem Teilnehmer kommt in diesen Fällen allerdings die Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zugute.

b) Demgegenüber versteht die Gegenauffassung (soweit ersichtlich ausnahmslos die gesamte Literatur, vgl. nur Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vor §§ 211 ff. Rdn. 3; Jähnke in LK 11. Aufl. Vor § 211 Rdn. 39; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. Vor § 211 Rdn. 22; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 135 ff.; je m.w.N.) das Verhältnis zwischen den Tatbeständen Mord und Totschlag als Verhältnis von Qualifikation und Grunddelikt. Die täterbezogenen Mordmerkmale sind demnach nicht strafbegründend im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB, sondern strafschärfend gemäß § 28 Abs. 2 StGB. Dies hat zur Folge, dass der Teilnehmer, der selbst kein Mordmerkmal erfüllt, bei einem täterbezogenen Mordmerkmal des Haupttäters wie dem Handeln aus niedrigen Beweggründen nur wegen Teilnahme zum Totschlag schuldig gesprochen werden kann; seine Strafe ist in diesem Fall dem – ggf. nach § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten – Strafrahmen des § 212 StGB zu entnehmen.

c) Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis von Mord und Totschlag werden gewichtige Argumente entgegen-
gehalten: Sie führe zu schwer überbrückbaren Wertungswidersprüchen und unausgewogenen Ergebnissen, widerspreche der sonst üblichen Systematik und sei unnötig kompliziert (vgl. zuletzt nur Puppe, JZ 2005, 902 ff.; Jäger JR 2005, 477, 479 f.; ausführlich etwa Küper JZ 1991, 761 ff., 862 ff. und 910 ff.; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 138 ff.; je m.w.N.; vgl. aus der Rechtsprechung nur: BGHSt 6, 329 und 36, 231 [Mittäterschaft]; BGHSt 23, 39 [gekreuzte Mordmerkmale]; BGH NStZ 2006, 34, und BGH, Urteil vom 24. November 2005 – 4 StR 243/05 [Sperrwirkung der Strafrahmenuntergrenze für Beihilfe zum Totschlag]).
Probleme der bisherigen Rechtsprechung werden am vorliegenden Fall besonders anschaulich: Die gemeinschaftlich durch Has und B G begangene Tötung H K s kann schwerlich als Verwirklichung zweierlei verschiedenen Unrechts und zweier selbständiger Tatbestände verstanden werden, sondern stellt sich als ein Tötungsunrecht im Sinne von § 212 StGB dar, zu dem lediglich bei einem der Täter mit dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe besonders erschwerende persönliche Umstände (vgl. § 28 Abs. 2 StGB) hinzukommen; ein solches Verhältnis entspricht nach der üblichen Systematik demjenigen zwischen Grunddelikt und Qualifikation. Dies wird besonders deutlich, wenn es um die Bewertung des Tatbeitrags von Han G geht: Ihre Unterstützung der gemeinschaftlichen Tötung H K s lässt sich nicht künstlich in eine objektive Beihilfe zum Mord durch Has G und eine (hierzu tateinheitliche) objektive Beihilfe zum Totschlag durch B G aufspalten.

IV.


Wegen der neuen Schuldsprüche bedarf die Bemessung der Strafen für B und Han G für das Tötungsdelikt und die Beihilfe hierzu erneuter schwurgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen. Der neue Tatrichter wird hierzu allenfalls solche ergänzenden Feststellungen treffen können, die den bisherigen nicht widersprechen.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum