Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - 1 StR 195/05

bei uns veröffentlicht am11.10.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 195/05
vom
11. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 6. Oktober 2004 in Bezug auf den Angeklagten I. mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) in Bezug auf die Angeklagten C. und K. ,
b) in Bezug auf den Angeklagten A. , soweit er verurteilt worden ist. 3. Die weitergehenden Revisionen und die den Angeklagten S. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Revisionen der Nebenkläger werden verworfen. 4. Die Staatskasse hat die Kosten des dem Angeklagten S. betreffenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die diesem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Rechtsmittel und die diesen Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der den Angeklagten I. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger sowie der die Angeklagten A. C. , und K. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten I. wegen Totschlags, versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren, - den Angeklagten A. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei unter Einbeziehung eines
Urteils des Amtsgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2003 zu der einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten C. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Jugendstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung, - den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten S. wegen Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren. Den Angeklagten A. hat das Landgericht im Übrigen freigesprochen.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Am Abend des 3. September 2003 gerieten die AngeklagtenI. und A. in der Innenstadt R. s in eine verbale Auseinandersetzung mit den später Geschädigten Ra. , Z. und G. . Sie fühlten sich, insbesondere durch das griechische Schimpfwort "Malaka", so beleidigt, dass sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollten. Mit den herbeigerufenen Angeklagten C. , K. und S. Verstärkung als traten sie ihren drei Gegnern nach etwa 40 Minuten erneut gegenüber.
S. und I. begannen, S. von vorne und I. von hinten, auf Ra. , der sich nicht ernstlich wehren konnte, mit Fäusten einzuschlagen. Nunmehr entschloss sich I. , ein in seiner Kleidung mitgebrachtes Messer, dessen Existenz den anderen Angeklagten bis dahin nicht bekannt war, zum Einsatz zu bringen. Er stach dem Ra. gezielt und wuchtig in den rechten und mittleren Halsbereich sowie in den linken Rücken. Die Stichverletzungen waren akut lebensgefährlich und hätten ohne eine alsbald durchgeführte Notoperation zum Tode geführt. C. , dem das Ausmaß der dem Ra. zugefügten Verletzungen nicht bewusst war, versetzte diesem noch mindestens vier Faustschläge in den Bereich des Kopfes und des Oberkörpers. I. und S. wandten sich nun dem - völlig betrunkenen und deshalb kampfunfähigen - Z. zu. S. griff wieder von vorne an, I. , der das Messer noch in der Hand hielt, von hinten. I. stach insgesamt sechsmal wuchtig auf den Oberkörper des Z. ein; ein 17 cm tiefer Stich traf direkt in das Herz und führte zu seinem Tod. Während dieses Geschehens hatten K. und A. den etwas seitlich befindlichen G. von vorne und von hinten angegriffen. Während dieses Handgemenges näherte sich zufällig ein Fahrzeug, dessen Insassen auf das Geschehen aufmerksam wurden. K. und A. ließen daraufhin von G. ab und flüchteten. Nunmehr griffen I. , S. und C. ihrerseits G. von drei Seiten an. C. versetzte ihm einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. I. stach ihm mit dem Messer in den Rücken, allerdings erheblich weniger wuchtig als den Ra. und den Z. - Stichtiefe ein Zentimeter -, und trat noch mehrmals auf ihn ein. Anschließend flüchteten auch diese drei Angeklagten.
2. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihren zu Ungunsten der fünf Angeklagten eingelegten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich gegen die Verneinung eines Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten I. und S. , soweit diese (nur) wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil G. verurteilt wurden und gegen die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe bei dem Angeklagten I. . Ferner beanstandet sie, dass die Angeklagten A. , C. und K. nicht jeweils wegen drei (tateinheitlicher) Vergehen der gefährlichen Körperverletzung verurteilt wurden. Mit ihren zum Nachteil der Angeklagten I. , C. , K. und S. eingelegten und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Rechtsmitteln verfolgen die Nebenkläger hinsichtlich des Angeklagten I. die gleichen Ziele wie die Staatsanwaltschaft und rügen zusätzlich die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe auch bei dem Angeklagten S. .

II.

Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit sie die Angeklagten I. , A. C. und K. betreffen, und das den Angeklagten I. betreffende Rechtsmittel der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen bleiben die Rechtsmittel erfolglos. 1. Revisionen der Staatsanwaltschaft:
a) Die Verneinung des Mordmerkmals "niedrige Beweggründe" bezüglich der versuchten Tötung des Ra. und der Tötung des Z. durch den Angeklagten I. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH NJW 1995, 3196). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden , wenn ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch nicht gerecht. Zu Unrecht hat die Kammer bei ihrer Abwägung der Beweggründe des Angeklagten den "Hintergrund seiner kulturellen Herkunft, in der der Begriff der Ehre besonders ausgeprägt ist" einbezogen. Der Maßstab für die Bewertung der Beweggründe ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte außer Stande war, die Bewertung seiner Handlungsantriebe durch die deutsche Rechtsordnung als niedrig nachzuvollziehen , lassen sich den Feststellungen der Kammer nicht entnehmen; solches liegt auch fern. Unabhängig davon weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Annahme, einfache Beleidigungen würden die Tötung von Menschen zu einer Ehrensache machen, auch in fremden Kulturkreisen durchaus fern liegend ist, zumal wenn zwischen dem Anlass und den Taten ein eklatan-
tes Missverhältnis besteht. Dass der Angeklagte durch diese Beleidigungen zu seinen Taten "provoziert" wurde, kann ihn nicht entlasten, denn auch in diesem Fall bestünde ein eklatantes Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung. Die Kammer stellt ferner bei den Erörterungen der Motivlage des Angeklagten darauf ab, es sei "nicht auszuschließen, dass der Angeklagte ... zusätzlich in seiner Hoffnung auf eine Beziehung mit einer Frau enttäuscht worden" sei; diese frustrierende Situation habe dazu geführt, dass er die Beleidigung als überaus kränkend empfunden habe. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich lediglich, dass die Angeklagten I. und A. sich vor dem ersten Zusammentreffen mit den Geschädigten mit zwei Mädchen in einem Restaurant aufgehalten hatten. Die Annahme einer enttäuschten Beziehungserwartung entbehrt daher einer ausreichenden Grundlage und erweist sich als bloße Vermutung. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Vorgänge zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 2005 - 1 StR 290/04). Unabhängig davon wäre eine derartige enttäuschte Beziehungserwartung kaum geeignet, die Bewertung des Tötungsbeweggrundes als niedrig zu verändern. Schließlich begegnen auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint hat, rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe "seinen Antrieb ... nicht mehr beherrschen" können. Anhaltspunkte hierfür teilt das Urteil jedoch nicht mit. Auch wenn der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgeht - den Tötungsentschluss erst am Tatort gefasst hat, handelte es sich insbesondere nicht um eine kurze Spontantat im Sinne einer wutbedingten "Kurzschlusshandlung", sondern um ein länger andauerndes, mehraktiges Vorgehen gegenüber mehreren Opfern in unter-
schiedlichen Positionen. Selbst wenn der Angeklagte bei den Taten in immer größere Erregung geraten sein sollte, könnte ihn dies nicht entlasten, wenn er sich bewusst von beherrschbaren Gefühlen zu den Taten hätte treiben lassen (vgl. BGH NStZ 2004, 332). Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass nicht nur die von dem Angeklagten begangene Körperverletzung, sondern auch von ihm verwirklichte Tötungsdelikte in Tateinheit mit der ebenfalls verwirklichten Beteiligung an einer Schlägerei stehen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 StR 522/01; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 231 Rdn. 17).
b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin auch, dass die Jugendkammer die Angeklagten A. und K. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil des Geschädigten G. sowie den Angeklagten C. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil der Geschädigten G. und Ra. verurteilt hat. Nach den Feststellungen der Kammer fassten alle fünf Angeklagten den gemeinsamen Entschluss, eine körperliche Auseinandersetzung mit den drei Geschädigten zu suchen. Sie griffen die Geschädigten auch gemeinsam und gleichzeitig mit dem Ruf "Wir machen Euch fertig" an und führten den Angriff arbeitsteilig durch. Danach war die Körperverletzung aller drei Geschädigten von allen Angeklagten mittäterschaftlich gewollt, so dass ihnen die Verletzungen aller drei Opfer - mit Ausnahme der von dem Angeklagten I. mit dem Messer begangenen Exzesse - zuzurechnen sind. Das Urteil bedarf daher auch insoweit der Aufhebung. Der neue Tatrichter wird hier auch nochmals auf die Konkurrenzverhältnisse einzugehen haben. Die Revision meint, trotz der durch das Vorgehen der Angeklagten jeweils verletzten höchstpersönlichen Rechtsgüter sei natürliche Handlungseinheit anzu-
nehmen. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich sind. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss , einheitlicher 9). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 2 und 5) oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierten Personenmehrheit gerichteten Angriff (vgl. BGH NJW 1985, 1565), willkürlich und gekünstelt erschiene. Ein solcher Sonderfall wäre hier nach den bisherigen Feststellungen zu verneinen. Wenn die Angeklagten drei Taten der gefährlichen Körperverletzung begangen haben, wird auch Tateinheit zwischen diesen Taten durch eine Klammerwirkung der Beteiligung an einer Schlägerei mangels einer annähernden Wertgleichheit dieser Tat ausscheiden.
c) Im Übrigen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler - auch nicht zum Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO) - aufgedeckt. Insbesondere erscheint die Verneinung eines Tötungsvorsatzes des Angeklagten I. bezüglich des Geschädigten G. angesichts seines hier anders gearteten Vorgehens vertretbar. Innere Tatsachen wie das Bestehen oder Fehlen des Vorsatzes des Täters können sich gerade aus äußeren
Umständen erschließen (vgl. BGH NStZ 1991, 400). I. hat diesen Geschädigten , der im Gegensatz zu seinen beiden ersten Opfern bereits Angriffen von Mitangeklagten ausgesetzt war, nur einmal und mit deutlich geringerer Wucht in den Rücken gestochen und sodann unter Verzicht auf den weiteren Einsatz des Messers mehrfach auf ihn eingetreten. Aufgrund der unterschiedlichen Abläufe in den Fällen Ra. und Z. einerseits und in dem Falle G. andererseits ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt hat, ob bei I. ein Umschwung im intendierten Verletzungserfolg eingetreten war. 2. Revisionen der Nebenkläger:
a) Soweit sich die Revisionen gegen die Verurteilung der Angeklagten C. und K. richten, sind sie unzulässig, weil die Nebenkläger nicht - was im Hinblick auf § 400 Abs. 1 StPO erforderlich gewesen wäre - angegeben haben, inwieweit das Urteil mit dem Ziel einer Änderung des Schuldspruchs angefochten wird.
b) Die die Angeklagten I. und S. betreffenden Revisionen sind aus den oben zu II. 1. ausgeführten Gründen nur insoweit begründet, als die Nebenkläger rügen, dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten I. niedrige Beweggründe bei der Tötung des Geschädigten Z. und der versuchten Tötung des Geschädigten Ra. verneint hat. Im Übrigen haben sie keinen Rechtsfehler aufgezeigt. Insbesondere hat das Landgericht niedrige Beweggründe des Angeklagten S. tragfähig damit verneint, daß dieser Angeklagte, der lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, an der Vorgeschichte der Tat nicht beteiligt war, keine eigenen Ziele verfolgte und nur dem Mitangeklagten I. bei dessen vermeintlich berechtigtem Vorgehen zur Seite stehen wollte. Dass das Landgericht den Angeklagten S. be-
züglich des Geschädigten Z. nicht auch wegen tateinheitlich mit dem Totschlag begangener Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt hat - auf diese Tat hat sich schon die Revision der Staatsanwaltschaft nicht erstreckt -, vermag der Senat auch auf die Revisionen der Nebenkläger nicht zu korrigieren, weil die Beteiligung an einer Schlägerei kein Nebenklagedelikt ist. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - 1 StR 195/05

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Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Strafprozeßordnung - StPO | § 400 Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers


(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt. (2) De
Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - 1 StR 195/05 zitiert 4 §§.

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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

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(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt. (2) De

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Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 28. Juli 2004 im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 4. April 2003 wegen Heimtückemordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Aufhebung dieses Urteils durch den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 4. November 2003 (1 StR 395/03) wegen Überschreitens der Urteilsabsetzungsfrist hat das Landgericht unter Anwendung der in der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 30, 105) entwickelten Grundsätze zur außergewöhnlichen Strafmilderung den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet
insbesondere, daß das Landgericht keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt hat. Das Rechtmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen erschoß der Angeklagte, der aus Anatolien stammt, in den Mittagsstunden des 24. August 2002 seinen Landsmann H. Y. , der mit dem Bruder der Ehefrau des Angeklagten an einem Stehtisch eines Imbiß in der Ortsmitte von D. stand, sich unterhielt und Tee trank. Der Angeklagte ging zielstrebig auf die beiden Männer zu, nahm in einer Entfernung von mindestens zwei, höchstens vier Metern seine Hand aus der Tasche, wie wenn er die Anwesenden begrüßen wollte. Er zog jedoch eine in seiner Hosentasche verborgene Pistole heraus und gab sodann mit gestrecktem Arm, die Pistole in Augenhöhe haltend, auf den Kopf desH. Y. zielend, in dichter Folge zwei Schüsse ab, sodann ohne Unterbrechung in Richtung auf den zu Boden sinkenden H. Y. zwei weitere Schüsse schräg nach unten, bevor sich die fünfte Patrone in der Pistole verklemmte. H. Y. verstarb im Niedersinken an den Folgen des ersten Schusses unmittelbar vor den Augen seines ebenfalls anwesenden 11jährigen Sohnes.
Zu seinem Motiv erklärte der Angeklagte, vor einigen Jahren habe eine ihm bekannte Frau gesagt, seine - des Angeklagten Frau - habe mit H. Y. Tee getrunken, während er - der Angeklagte - bei der Arbeit gewesen sei. Vor einigen Wochen, als er von der Arbeit nach Hause gekommen sei, sei H. Y. aus der Wohnung gelaufen, habe ihn dabei weggeschubst, aber kein Wort gesprochen. In der Wohnung hätten auf dem Tisch zwei Teegläser
gestanden. Er sei sich sicher, daß seine Frau und H. Y. ein Verhältnis hätten. Der Angeklagte erklärte zum Tattag, "sein Kopf sei nicht mehr an seinem Platz, er vergesse sehr viel, seit er krank sei". Schließlich erklärte er zu seinem Motiv, es handele sich um eine Sache der Ehre.
2. Die Strafkammer hat eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit trotz des vom psychiatrischen Sachverständigen geäußerten Verdachts einer anhaltenden Störung der Erlebnisverarbeitung in Form einer "überwertigen Idee" einer eifersüchtigen Fehlentwicklung ausgeschlossen und die Tat rechtlich als Heimtückemord gemäß § 211 StGB angesehen. Der Angeklagte habe sich H. Y. , der zu keinem Zeitpunkt mit einer Tätlichkeit, nicht einmal mit einer Beleidigung, rechnete und sich arglos mit seinem Bekannten vor dem Imbiß unterhalten habe, im Bewußtsein dieser Situation genähert und auf ihn aus kurzer Entfernung geschossen, um ihn zu töten. Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen sei nicht feststellbar. Zwar habe der Angeklagte die Tat um seiner Ehre Willen begangen, eine weitere sichere Aufklärung der Motivation sei nicht möglich gewesen. Es komme "lediglich als Motiv ernsthaft in Betracht, daß der Angeklagte subjektiv aufgrund einer überwertigen Idee von einem ehewidrigen Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und H. Y. überzeugt" gewesen sei. Bei dieser Sachlage sei ein Handeln des Angeklagten aus niedrigen Beweggründen nicht feststellbar.
3. Die Strafkammer hat anstelle der zu verhängenden lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände die Strafe dem entsprechend § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen. Dabei sei sich die Kammer bewußt gewesen, daß die hier gegebene Konstellation von den Situationen abweiche, die der Große Senat, aber eben nur bei-
spielhaft und nicht abschließend, für die Verdrängung der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB aufgeführt habe, und daß nicht jeder Entlastungsfaktor,
der etwa nach § 213 StGB zur Annahme eines minder schweren Falles zu führen vermag, ausreiche.
Den Charakter der außergewöhnlichen Umstände bekomme d ie Tat durch die überwertige Idee von einem Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und H. Y. , wie sie sich gerade bei diesem Angeklagten entwickelt und ausgeprägt habe. Diese Idee habe sich beim Angeklagten so verfestigt und zugespitzt , daß sich seine Gesundheit in einem mehrwöchigen Zeitraum vor der Tat massiv verschlechtert habe. Neben den bereits vorhandenen Herzerkrankungen habe sich die Zuckerkrankheit des Angeklagten für ihn in hohem Maße ungünstig und damit belastend entwickelt. Er sei mehrere Wochen krank geschrieben , habe dann sogar im Juli zwei Wochen Urlaub genommen, um sich nicht erneut krank schreiben lassen zu müssen, was seiner eigenen Arbeitseinstellung widersprochen habe. Der Angeklagte habe sich somit damals in einer gesundheitlichen Krise, und damit auch in einer persönlichen Krise befunden, indem er seine Männlichkeit - seinen Mann zu stehen zuhause und im Beruf - bedroht gesehen habe; denn er sei mit der Zuckerkrankheit und ihrer Behandlung nicht fertig geworden und habe sein Leben und seine Arbeit nicht mehr in der bisherigen Form fortführen können. Die damit verbundene Verunsicherung seiner männlichen Rolle habe - zumindest nicht ausschließbar - zu einer persönlichen Krise geführt, bei der er - wie der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend zur Psychodynamik ausgeführt habe - die Verunsicherungen projektiv nach außen verlagert haben könnte. Der Sachverständige habe erläutert, daß die tatsächlich erlebte Abnahme der eigenen männlichen Leistungsfähigkeit psychodynamisch die neurotisch-konflikthafte Eifersucht auf den vermeintlichen Nebenbuhler verschärft haben könnte. Der Angeklagte habe aufgrund seiner Herkunft und Prägung praktisch auch kaum eine
Möglichkeit gehabt, Abstand zu der überwertigen Idee zu gewinnen. Er stamme aus einem Land, in dem die Rolle des Mannes besonders hervorgehoben sei und in dem die überkommenen Regeln des Zusammenlebens weiterhin gelten. Bis heute habe der Angeklagte sich nicht von diesen Wertvorstellungen distanziert. Es sei ihm infolge dieses Werte- und Familiengefüges nicht möglich, sich über persönliche Probleme, gerade auch im familiären Bereich, mit Dritten auszutauschen , weder mit seiner Frau noch im Kreis der Verwandtschaft oder der Kollegen, wie dies ein Arbeitskollege und die Personalsachbearbeiterin des Arbeitgebers be-stätigt hätten. Diese mangelnde Kommunikationsfähigkeit resultiere aus der Herkunft des Angeklagten; danach sei es ihm als Mann nicht möglich, mit anderen beispielsweise über mögliche "Verhältnisse", gar sexueller Art, zu reden; ihm werde eine Distanzierung zu seiner Gedankenwelt dadurch erschwert, daß er, wie der Sachverständige erläuterte, zwar keinesfalls schwachsinnig, aber doch eine einfach strukturierte Persönlichkeit mit nicht hoher Intelligenz sei.
Auf der anderen Seite habe die Kammer nicht übersehen, daß die Familie des Opfers, die Ehefrau und drei Kinder, bis heute massiv unter der Tat leide : Die Ehefrau des Opfers habe glaubhaft berichtet, daß bis heute alle drei Kinder, die zur Tatzeit 17, 14 und 11 Jahre alt waren, mit ihr nur in einem Zimmer Schlaf finden könnten und sowohl der Sohn, der Augenzeuge der Tat sein mußte, als auch eine Tochter noch heute in psychologischer Betreuung seien.

II.


Die Wertung der Strafkammer, dies seien außergewöhnliche Umstände, aufgrund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhält-
nismäßig erscheint, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die vom Großen Senat des Bundesgerichtshofs (BGHSt 30, 105) entwickelte Rechtsfolgenlösung trägt dem Umstand Rechnung, daß das Mordmerkmal der Heimtücke auch in Fällen erfüllt sein kann, bei denen die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe wegen des sonstigen Gepräges der Tat das aus dem Grundgesetz abzuleitende Verbot unverhältnismäßigen staatlichen Strafens verletzen würde. Eine abschließende Definition oder eine Aufzählung der außergewöhnlichen Umstände, die in Fällen heimtückischer Tötung zur Verdrängung der lebenslangen Freiheitsstrafe führen können, hat der Große Senat für Strafsachen für unmöglich gehalten, jedoch auf beispielhaft in Betracht kommende Fallkonstellationen hingewiesen. Dazu gehören in großer Verzweiflung begangene oder aus gerechtem Zorn auf Grund einer schweren Provokation verübte Taten, ebenso Taten, die in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben. Allerdings reicht nicht jeder Entlastungsfaktor, der nach § 213 StGB Berücksichtigung finden würde, zur Annahme der Unverhältnismäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe aus. Auf die vom Großen Senat für Strafsachen im Wege verfassungskonformer Rechtsanwendung eröffnete Möglichkeit, anstatt der an sich verwirkten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Strafe aus dem in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Strafrahmen zuzumessen, darf nicht voreilig ausgewichen werden (BGH NStZ 2005, 154; NStZ 2003, 482; 484; NStZ 1984, 20). Vielmehr kann das Gewicht des Mordmerkmals der Heimtücke nur durch Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, so verringert werden, daß jener Grenzfall eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich gemilderter Schuld unverhältnismäßig wäre (vgl. BGH NStZ 1982, 69). Ob die-
se Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Tat sowie der zu ihr hinführenden Umstände zu prüfen (BGH NStZ 1982, 69; BGH NStZ 1984, 20; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 2 und 3). Der Beschluß des Großen Senats für Strafsachen hat nichts daran geändert, daß im Regelfall für eine heimtückisch begangene Tötung auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Durch die Entscheidung wurde nicht allgemein ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle eingeführt. Die in dem Beschluß entwickelten Grundsätze für die Anwendung des gemilderten Strafrahmens betreffen nur solche Fälle, in denen das Täterverschulden soviel geringer ist, daß die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens mißachten würde. Es müssen schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind (vgl. BGH NStZ 1984, 20).
2. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, wird das angefochtene Urteil den von BGHSt 30, 105 aufgestellten Maßstäben nicht gerecht. Das Landgericht hat die von ihm festgestellten objektiven Tatumstände nicht ausreichend in seine Gesamtwürdigung zum Vorliegen von außergewöhnlichen schuldmildernden Umständen einbezogen, sondern hat überwiegend auf die durch die Herkunft und die persönliche Situation geprägte "überwertige Idee" des Angeklagten über das ehewidrige Verhältnis zwischen seiner Frau und H. Y. abgestellt. Es hat in seiner Gesamtwürdigung auch nicht zureichend die normativen Anforderungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt, sondern sich an den Anschauungen und Werten des Angeklagten orientiert, der die sittlichen und rechtlichen Werte
dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGH NStZ 2002, 369 m. w. Nachw.). Die Strafkammer hat sich aufgrund der Aussagen der Zeugen aus der Verwandtschaft des Opfers sowie der Aussage der Ehefrau des Angeklagten selbst davon überzeugt, daß zwischen ihr und H. Y. kein ehewidriges Verhältnis bestand. Sie hatte dem Angeklagten keinen Anlaß zur Eifersucht gegeben, sondern allenfalls gegen die Vorstellung verstoßen, der Kontakt von anderen Männern zu seiner Frau müsse über ihn laufen. Der Angeklagte holte somit aus objektiv nichtigem Anlaß seine Pistole aus dem Keller und entschloß sich, H. Y. in einem Akt der Selbstjustiz zu erschießen, wenn er ihn, wie vermutet, am Imbißstand antreffen würde. Die Tatausführung selbst glich nach der Darstellung des mit dem Tatopfer zusammenstehenden Zeugen einer "Hinrichtung" vor den Augen von dessen 11jährigem Sohn und dessen gleichaltrigem Freund. Angesichts dieses Aktes von Selbstjustiz und der festgestellten objektiven Tatumstände kann von außergewöhnlichen Schuldmilderungsgründen , die zu einer Strafrahmenverschiebung führen können, nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Angeklagte aufgrund seines Lebenszuschnitts und seiner intellektuellen Fähigkeiten in seinen Ehrvorstellungen und Traditionen seiner anatolischen Heimat befangen war, von denen er sich trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht hat lösen können.
3. Keinen Rechtsfehler sieht der Senat allerdings darin, daß das Landgericht neben dem Mordmerkmal der "Heimtücke" nicht auch das Mordmerkmal der "niedrigen Beweggründe" angenommen hat, obwohl der Angeklagte glaubte , zu einem von langer Hand vorbereiteten Akt der Selbstjustiz berechtigt gewesen zu sein. Die Frage, ob eine Tötung aus "niedrigen Beweggründen" erfolgte , ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, bei der die Tat-
motive insgesamt zu berücksichtigen sind; dabei steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 21; Maatz/Wahl, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 531, 552; jeweils m. w. Nachw.). Im Hinblick auf die vom Landgericht festgestellte persönliche Krise und seiner "überwertigen Idee" von einem ehewidrigen Verhältnis seiner Ehefrau ist es revisionsrechtlich noch hinnehmbar, daß das Landgericht die Verurteilung nicht auch auf das Mordmerkmal der Tötung aus sonst "niedrigen Beweggründen" gestützt hat (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32), wenn auch eine andere tatrichterliche Wertung möglich gewesen wäre.
4. Die Sache bedarf zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Wahl Boetticher Kolz Elf Graf

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 290/04
vom
31. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Mai 2005,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte (in der Verhandlung),
Justizangestellte (bei der Verkündung)
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 5. März 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Von Rechts wegen.

Gründe:


I.

Der Angeklagte spaltete am Vormittag des 22. Mai 2003 auf dem Speicher des von ihm mit seiner Lebensgefährtin Y. M. und deren 1991 geborener Tochter bewohnten Hauses mit einer Axt alte Schranktüren zu Kleinholz für ein Grillfest. Y. M. war auch auf dem Speicher. Anhaltspunkte für eine massive, etwa sexuell gefärbte Beleidigung des Angeklagten durch Y. M. oder sonst einen ernsthaften Streit zwischen ihnen gibt es nicht, wenn es überhaupt eine Auseinandersetzung gegeben haben sollte, ging es dabei allenfalls um weniger bedeutsame Fragen wie z.B. "den Dachausbau" oder "allgemein ... Unehrlichkeiten". Damit ist z. B. gemeint, daß es ihr nicht gefiel, daß der Angeklagte ihr zwar seit langem ein Auto versprochen hatte, dieses Versprechen aber nicht einhielt. Selbst wenn es aber wegen derartiger Fragen auf dem Speicher zu einer Auseinandersetzung gekommen sein sollte, wollte ihm jedenfalls die ahnungslose Y. M. beim Holzspalten helfen
und hielt deshalb eine alte Tür mit beiden Händen umfaßt. Sie befand sich dabei vor ihm in der Hocke und drehte ihm den Rücken zu. In dieser Lage schlug er sie mit mehreren Axtschlägen nieder, um sie zu töten. Da er "sichergehen wollte", daß Y. M. , die kein Lebenszeichen mehr von sich gab, auf jeden Fall zu Tode käme, holte er aus der Küche im Erdgeschoß ein großes Messer, mit dem er ihr, weiter in Tötungsabsicht handelnd, eine Reihe wuchtiger Stiche zufügte, was zu ihrem sofortigen Tode führte. Unmittelbar nach der Tat ("sogleich") ging er daran, die "Tatspuren soweit wie möglich zu verwischen". So trug er etwa Kleider und den Beautycase (Schminkkoffer) der Getöteten auf den Speicher, was wiederum die Grundlage dafür war, daß er die Tochter von Y. M. , die kurz darauf aus der Schule nach Hause kam, glauben machen konnte, ihre Mutter hätte völlig überraschend auf einen Lehrgang reisen müssen. Es gelang ihm insgesamt, sowohl die Tochter als auch sonstige Verwandte von Y. M. über Wochen hinzuhalten, bis schließlich nach mehr als einem Monat Vermißtenanzeige erstattet und die in einen Teppich eingewickelte Leiche am 2. Juli 2003 auf dem Speicher gefunden wurde. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen heimtückisch begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

II.

Die auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat die Revision - im Kern, aber nicht in allen Einzelheiten entsprechend ihren vorbereitenden schriftlichen Ausführungen - im wesentlichen geltend gemacht, die Unerklärlichkeit der Tat
spreche für Tatauslösung durch einen hochgradigen Affekt bzw. affektiven Durchbruch. Soweit die Strafkammer nach sachverständiger Beratung zu einer gegenteiligen Auffassung gelangt sei, seien die Ausführungen des Sachverständigen unzulänglich. Er hätte seinen Erwägungen eine Reihe von der Revision näher ausgeführter Hypothesen zu Grunde legen müssen, z. B. die "einer narzißtischen Kränkung" oder die "eines Impulsdurchbruchs bei einer Verführungssituation im Sinne eines kurzschlüssigen Handlungsimpulses". Im übrigen habe aber die Strafkammer auch selbst einen hochgradigen Affekt zumindest zu Tatbeginn nicht völlig ausschließen können. Insoweit habe sie verkannt , daß - unabhängig vom Zustand des Angeklagten beim weiteren Geschehen - hier wegen der Besonderheiten des Falles ein auch nur bei Beginn der Tat vorliegender hochgradiger Affekt zu einer Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 StGB habe führen müssen. Unabhängig davon führe aber dieser Affekt jedenfalls dazu, daß die objektiv zweifelsfrei vorliegenden Voraussetzungen von Heimtücke in subjektiver Hinsicht zu verneinen seien.
1. Zu den hier offensichtlich erfüllten objektiven Vora ussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke muß das sog. Ausnutzungsbewußtsein hinzukommen , der Täter muß also die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen und sie bewußt zur Tatbegehung instrumentalisiert haben (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Schneider in Münch-Komm § 211 Rdn. 140 m. zahlr. Nachw. in Fußn. 514 ff.). Auch bei Taten aus rascher Eingebung - Anhaltspunkte für eine andere Annahme hat die Strafkammer nicht festgestellt - bedarf in objektiv klaren Fällen all dies bei einem psychisch normal disponierten Täter keiner näheren Darlegung (vgl. d. N. b. Schneider aaO Rdn. 142 Fußn. 521). Anders kann es jedoch gerade bei "Augenblickstaten"
insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein. Dann kann je nach den Umständen eine nähere Darlegung geboten sein, warum der spontan agierende Täter trotz seiner Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Aspekte in sein Bewußtsein aufgenommen hat (vgl. d. N. b. Schneider aaO Fußn. 522 ff.). 2. Die Strafkammer hat jedoch einen affektiven Durchbru ch oder sonst eine in diesem Zusammenhang bedeutsame Gemütsbewegung des Angeklagten rechtsfehlerfrei verneint.
a) Die Urteilsgründe ergeben, daß nach Auffassung der Strafkammer all dies mit Sicherheit ausgeschlossen war. Sie begründet dies mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. sowie den im einzelnen genannten Feststellungen zum Tat- und Nachtatgeschehen und den Feststellungen zum Lebenslauf und der Persönlichkeit des Angeklagten.
b) Zu seinem Motiv hatte er im Ermittlungsverfahren tr otz stundenlanger intensiver Befragungen speziell hierzu keine in die genannte Richtung deutenden Angaben gemacht, einen Streit vor der Tat habe es nicht gegeben ebensowenig habe ihn Y. M. vor der Tat beleidigt. Er könne sein Verhalten nicht erklären. Mehrere Monate später erklärte er dann gegenüber dem Sachverständigen , sie hätten "eine glückliche sexuelle Beziehung geführt", nie sei "thematisiert worden, daß der Sex zu wenig gewesen sei". Allerdings habe es auf dem Speicher Streit gegeben, z. B. über die Frage des Dachausbaus oder des Autokaufs. Nachdem er dann in der Anklageschrift gelesen hatte, daß für eine Einschränkung der Schuldfähigkeit jeder Anhalt fehle, wollte er nochmals mit dem Sachverständigen sprechen. Dies wurde ihm ermöglicht. Dabei behauptete er,Y. M. habe ihn vor der Tat mit drastischen Worten wegen seiner Erektionsprobleme beleidigt. Die Strafkammer hat dies mit eingehenden,
rechtsfehlerfreien und von der Revision auch nicht konkret in Frage gestellten Erwägungen als prozeßtaktisch bedingte Unwahrheit bewertet. Eine sexuell gefärbte Kränkung oder Beleidigung schließt die Strafkammer dementsprechend "mit Sicherheit" aus.
c) Allerdings erwägt die Strafkammer an anderer Stell e des Urteils folgendes : "Selbst wenn man die Richtigkeit dieser nachgeschobenen Behauptung (bez. sexueller Beleidigung) indes hypothetisch unterstellen würde, hätte dies ... keine (für den Angeklagten günstige) Auswirkungen, da es jedenfalls beim zweiten Tatteil" - gemeint sind damit die Messerstiche - "in jedem Fall an einem hochgradigen ... Affekt fehlt." Hieran knüpft die Annahme der Revision an, die Strafkammer selbst hätte einen hochgradigen Affekt zu Beginn der Tat selbst nicht ausgeschlossen und dessen Bedeutung für die subjektive Seite der Heimtücke verkannt.
d) Der Senat kann dem nicht folgen. Allerdings sollen sich die Urteilsgründe auf die Mitteilung beschränken, welche Tatsachen aus welchen Gründen als erwiesen angesehen werden (vgl. § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO). Hilfserwägungen , etwa dazu, wie es wäre, wenn etwas Festgestelltes nicht festgestellt wäre oder umgekehrt, sind eine unnötige Belastung der Urteilsgründe, beeinträchtigen ihre Klarheit und können so zu Mißdeutungen Anlaß geben. Im Einzelfall kann auf diese Weise der Bestand des Urteils in Frage gestellt werden , wenn durch solche Erwägungen Zweifel an der Eindeutigkeit der Feststellungen entstehen (in vergleichbarem Sinne Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 267 Rdn. 42 m. w. N.). So verhält es sich hier jedoch nicht, da die Strafkammer die genannten Erwägungen ausdrücklich als "hypothetisch" bezeichnet und insgesamt mehrfach betont, daß sie der nachgeschobenen Behauptung (über sexuell motivierte Beleidigungen) nicht folgt.

e) Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Strafkammer recht lich bedeutsame Möglichkeiten (Hypothesen) hinsichtlich der psychischen Ursachen der Tat außer Acht gelassen hätte. Bei der in Rede stehenden Frage geht es um eine sog. innere Tatsache, für die sich Anhaltspunkte im wesentlichen nur aus dem äußeren Geschehensablauf oder aus den Angaben des Betroffenen selbst ergeben können (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147 f.; NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Äußere Anhaltspunkte, die für einen schwerwiegenden Aff ekt sprächen, sind nicht ersichtlich, die unmittelbar nach der Tat einsetzenden systematischen Vertuschungsbemühungen des Angeklagten sprechen vielmehr dagegen (vgl. BGH NStZ 2005, 149, 150 m. w. N.). Die genannten Angaben des Angeklagten waren teils falsch und teils unbehelflich. Zwar dürfen einem Angeklagten aus seinem Aussageverhalten als solchem keine Nachteile erwachsen, jedoch gilt auch in diesem Zusammenhang der Grundsatz, daß es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zu Gunsten des Angeklagten (hier: innere) Vorgänge (auch nicht hypothetisch) zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ-RR aaO 147 m. w. N.).
f) Nach alledem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Gericht (bzw. im Vorverfahren die Staatsanwaltschaft) im Rahmen der ihm (ihr) nach Maßgabe des Einzelfalls obliegenden Leitung des Sachverständigen (§ 78 StPO) diesem nicht die genannten Hypothesen (vgl. oben II vor 1) vorgegeben hat. Im übrigen hat ein Sachverständiger, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit Feststellungen trifft, die dem bisher bekannten Sachverhalt nicht entsprechen, seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen (in vergleichbarem Sinne Boetticher /Nedopil/Saß und andere NStZ 2005, 59, 61, dort C I 1.8), gegebenenfalls kann er dann als sachverständiger Zeuge in Betracht kommen. Daß dem Sachverständigen Dr. W. , dem die Strafkammer zutreffend langjährige Erfah-
rung und große Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt bescheinigt, all dies unbekannt gewesen sein sollte, erscheint ausgeschlossen. Ersichtlich hatte er keine konkreten Anhaltspunkte für möglicherweise bedeutsame Varianten bezüglich eines Tatmotivs bzw. eines Affekts gefunden. 3. Auch im übrigen sind Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ersichtlich. Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.