Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2010 - 1 StR 57/10

bei uns veröffentlicht am25.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 57/10
vom
25. Oktober 2010
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Tötung von Unbeteiligten in Italien im Zweiten Weltkrieg als Rache
für einen Partisanenangriff.
BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10 – LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 11. August 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

1
Die Strafkammer hat festgestellt:
2
Die zur Heeresgruppe C zählende, vom 1918 geborenen Angeklagten geführte 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 sollte am 26. Juni 1944 nahe dem Weiler Falzone di Cortona (Toskana) eine von Partisanen wegen ihrer Bedeutung für den Rückzug der deutschen Truppen gesprengte Brücke reparieren. Zwei Soldaten, die im Auftrag des Angeklagten Fahrzeuge zum Transport beschaffen sollten, wurden dabei in einem Hinterhalt von Partisanen erschossen, ein dritter wurde verletzt. Da sich die Partisanen nach dem Anschlag auf die Soldaten abgesetzt hatten, beschloss der Angeklagte aus Wut und Rachsucht eine Vergeltungsaktion gegen die männliche Zivilbevölkerung der Gegend. Zunächst meldete er den Vorfall dem Bataillonskommandeur und regte die von ihm geplante Maßnahme gegen die italienischen Zivilisten an, die der Bataillonskommandeur entsprechend dem Wunsch des Angeklagten anordnete und außerdem durch ein Flakgeschütz und Sprengstoff logistisch unterstützte. Am nächsten Tag befahl der Angeklagte, alle in der Gegend erreichbaren männlichen Zivilisten festzunehmen. Am Ende waren dies neun Männer, von denen der älteste 67 Jahre alt war, und zwei Jugendliche von 15 und 16 Jahren. Keiner war der Beteiligung an dem Anschlag oder überhaupt der Unterstützung von Partisanen verdächtig. Sie wurden in einem Haus eingeschlossen.
3
Zwar hatten einige Angst, erschossen zu werden, andere gingen jedoch davon aus, mit dem Leben davon zu kommen und nach Deutschland in ein Konzentrationslager gebracht zu werden, um dort zu arbeiten. Das Haus wurde alsbald in Anwesenheit und auf Befehl des Angeklagten gesprengt. Danach wurde ebenfalls auf seinen Befehl mit Maschinengewehren in die Trümmer geschossen , um noch lebende Opfer zu töten. Am Ende überlebte nur der schwer verletzte 15-jährige. Nach der Reparatur der Brücke verließ die Kompanie am 29. Juni 1944 die Region.
4
Auf dieser Grundlage wurde der Angeklagte wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision macht Verfahrenshindernisse geltend und erhebt Verfahrensrügen sowie die näher ausgeführte Sachrüge. Sie bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

5
Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Weder ist das Verbot der Doppelbestrafung („ne bis in idem“) verletzt (1.), noch ist die Tat verjährt (2.).
6
1. Allerdings wurde der Angeklagte bereits in Abwesenheit durch Urteil des Militärgerichts La Spezia (Italien) vom 28. September 2006, rechtskräftig seit dem 11. November 2008, wegen dieser Tat zu lebenslanger Haft verurteilt.
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a) Das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - (ABl. EG 2000 L 239/219) ist hier nicht verletzt. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, die grundsätzlich auch Abwesenheitsurteile erfasst (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - C-297/07, NStZ 2009, 454), setzt voraus, dass die in dem Urteil vom 28. September 2006 verhängte Strafe entweder bereits vollstreckt worden ist oder gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates (hier: Italien) nicht mehr vollstreckt werden kann. All dies ist nicht der Fall. Die gegen den Angeklagten in Italien verhängte Freiheitsstrafe ist und wird nicht vollstreckt. Sie könnte aber, wie auch die zuständige italienische Behörde der Strafkammer bestätigt hat, nach italienischem Recht vollstreckt werden.
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b) Nichts anderes als für Art. 54 SDÜ gilt für das mit Art. 54 SDÜ praktisch identische Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EG über das Verbot der Doppelbestrafung, das zwar noch nicht umfassend in Kraft getreten ist, aber sowohl von der Bundesrepublik als auch von Italien bereits angewendet wird (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Februar 2001 - 2 StR 458/00, BGHSt 46, 307, 309; Schomburg, StV 1999, 246, 247 ; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Einl. Rn. 177b).
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c) Der Senat hat erwogen, ob das Urteil vom 28. September 2006 etwa im Blick auf eine mögliche Auslieferung des Angeklagten nach Italien oder eine mögliche Vollstreckung dieses Urteils in Deutschland ein Verfahrenshindernis begründen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03). Dies war jedoch zu verneinen.
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(1) Italien hat bisher keinen Antrag auf Auslieferung des Angeklagten gestellt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich dies ändern könnte, bestehen nicht. Zwingend ausgeschlossen ist ein solcher Antrag aber auch nicht. Die (theoretische) Möglichkeit, dass ein nicht gestellter Antrag doch noch gestellt wird, führt nicht dazu, dass rechtliche Konsequenzen, die ein solcher Antrag im Falle seines Erfolges hätte, ein Verfahrenshindernis begründen würden. Im Übrigen wäre eine Auslieferung des Angeklagten zum Zwecke der Strafvollstreckung nur mit seiner Zustimmung möglich (§ 80 Abs. 3 Satz 1 IRG).
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(2) Auch ein Antrag von Italien an die Bundesrepublik Deutschland, die Vollstreckung des Urteils vom 28. September 2006 zu übernehmen, ist nicht gestellt. Allerdings müsste die Bundesrepublik im Falle der Ablehnung einer Auslieferung die Strafvollstreckung übernehmen (Art. 4 Nr. 6 RbEuH, vgl. auch § 48 IRG), jedoch ebenfalls nur auf Verlangen des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, hier also von Italien (vgl. Hackner, Schomburg, Lagodny, Gleß, NStZ 2006, 663, 667; Burchard/Brodowsky, StraFo 2010, 179, 185; vgl. auch § 80 Abs. 4 Satz 1 IRG „Ersuchen um Vollstreckung“). Wie dargelegt, kann allein die Möglichkeit eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auf Auslieferung kein Verfahrenshindernis begründen; für die Möglichkeit, auf der Grundlage der Annahme von Erfolglosigkeit des nicht gestellten Auslieferungsantrages einen Antrag auf Übernahme der Vollstreckung zu stellen, gilt nichts anderes.
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Aus alledem ergibt sich insgesamt, dass das Urteil vom 28. September 2006 deshalb kein Verfahrenshindernis begründet, weil die Vollstreckung dieses Urteils sowohl aus rechtlichen als aus praktischen Gründen weder in Italien noch in Deutschland zu erwarten ist (vgl. Burchard/Brodowsky aaO 186). Auch die Revision zweifelt all dies nicht an.
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d) Auch die im Vertrag von Lissabon enthaltene Charta der Grundrechte (GrCh), die am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist (BGBl. II S. 1223) und die der Senat daher - anders als noch die Strafkammer - zu beachten hat (§ 354a StPO), führt zu keinem anderen Ergebnis. Allerdings ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 50 GrCh, anders als das entsprechende Verbot in Art. 54 SDÜ (vgl. oben II 1. a), nicht ausdrücklich durch Vollstreckungsbedingungen modifiziert. Jedoch können gemäß Art. 52 Abs. 1 GrCh die in der Charta anerkannten Rechte durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden, die den Wesensgehalt der Charta achten. Art. 54 SDÜ ist eine solche einschränkende Regelung. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta (ABl. EG 2004 C 310/453; aktualisierte Fassung ABl. EU 2007 C 303/17), die ausweislich der Präambel der Charta bei deren Auslegung durch die Gerichte zu berücksichtigen sind. Dort heißt es zu Art. 50 GrCh: „Nach Art. 50 findet der Grundsatz ‚ne bis in idem’ nicht nur innerhalb der Gerichtsbarkeit eines Staates, sondern auch zwischen den Gerichtsbarkeiten mehrerer Mitgliedstaaten seine Anwendung. Dies entspricht dem Rechtsbesitzstand der Union; siehe Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens (…). Die klar eingegrenzten Ausnahmen, in denen die Mitgliedstaaten nach diesen Übereinkommen von dem Grundsatz ‚ne bis in idem’ abweichen können, sind von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt.“
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Danach besteht kein Zweifel, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ auch im Blick auf Art. 50 GrCh nur nach Maßgabe von Art. 54 SDÜ gilt, also hier nicht eingreift (Burchard/Brodowsky aaO, 184 im Ergebnis ebenso LG Aachen, StV 2010, 237 in einem im Rahmen eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ergangenen Beschluss, der allerdings auf die oben genannten Erläuterungen nicht eingeht; a.A. in einer Anmerkung hierzu Reichling [aaO, 238], der aber die Erläuterungen zur GrCh ebenfalls nicht anspricht).
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Art. 52 Abs. 2 GrCh, wonach die Ausübung der durch die Charta anerkannten Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union begründet sind, nur im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgen darf, ist hier entgegen der Auffassung der Revision nicht einschlägig. „Ne bis in idem“ ist nicht durch diese Verträge begründet , sondern als über nationales Recht hinausgehender europarechtlicher Grundsatz vom EuGH im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung entwickelt worden (Schwarze/Stumpf, EU-Kommentar, 2. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 12 u. 30 mwN); hierauf findet Art. 52 Abs. 2 GrCh keine Anwendung (Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 52 GrCh Rn. 6 f.).
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Für die von der Revision in diesem Zusammenhang angeregte Vorlage der Sache an den EuGH ist kein Raum. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist angesichts der dargelegten Erläuterungen offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81 , NJW 1983, 1257; BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 2419/06). Die Klarheit der Rechtslage, die sich aus den Erläuterungen ergibt, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass das Landgericht Aachen (aaO) diese Erläuterungen , die der Sache nach seine Entscheidung bestätigen, nicht erwähnt. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass dadurch eine „mangelnde Verbreitung“ der Erläuterungen „offenkundig“ und nicht zuletzt deshalb eine Vorlage an den EuGH geboten sei (so Burchard/Brodowsky, aaO, 185). Die Präambel der Charta selbst weist auf die Erläuterungen hin, deren Text in einschlägigen Gesetzessammlungen und juristischen Werken, aber auch im Internet ohne weiteres zu finden ist. Der Frage, ob eine noch nicht überall verbreitete Kenntnis der Grundlage einer eindeutigen Rechtslage die Eindeutigkeit der Rechtslage selbst überhaupt in Frage stellen könnte, geht der Senat daher nicht nach. http://www.juris.de/jportal/portal/t/2j4t/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE038302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 -
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2. Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Anders wäre es nur, wenn die Verjährungsfrist unmittelbar nach der Tat zu laufen begonnen hätte (a) oder wenn die Tat - hierauf hebt die Revision ab - nicht als Mord (§ 211 StGB) zu werten wäre (b). Beides ist nicht der Fall.
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a) Da Mord zur Tatzeit nach 20 Jahren verjährte (§ 67 Abs. 1, 1. Alt., § 211 Abs. 1 RStGB) wäre im Juni 1964 Verjährung eingetreten, wenn diese nicht bis Kriegsende geruht hätte (§ 69 StGB aF; entspricht § 78b StGB). Sonst hätten die Gesetze vom 13. April 1965 (BGBl. I S. 315), 4. August 1969 (BGBl. I S. 1065) und 16. Juli 1979 (BGBl. I S. 1045) zur Neuberechnung, Verlängerung und Aufhebung der Verjährungsfrist die Tat nicht mehr erfasst (vgl. näher BGH, Urteil vom 1. März 1995 - 2 StR 331/94, NJW 1995, 1297). Geruht hat die Verjährung bis zum Kriegsende (u.a.) dann, wenn die Tat den zu ihrer Verfolgung berufenen Stellen zwar bekannt war, eine Verfolgung aber aus politischen Gründen unterblieb (BGH aaO; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1969 - 2 StR 57/69, BGHSt 23, 137; BGH, Urteil vom 28. Mai 1963 - 1 StR 540/62, BGHSt 18, 367 jew. mwN). So verhält es sich hier. Nach den damaligen Bestimmungen hatte ein militärischer Vorgesetzter eine ihm bekannt gewordene gerichtlich zu verfolgende Straftat eines Untergebenen dem „Gerichtsherrn“ mitzuteilen. Hier meldete der Angeklagte dem Bataillonskommandeur die geplante Racheaktion, der sie auf dessen Wunsch hin „anordnete“ und logistisch unterstützte. Dies entsprach dem auch im angefochtenen Urteil zitierten kurz zuvor ergangenen Befehl von Generalfeldmarschall Kesselring, Oberbefehlshaber der Wehrmacht in Italien, vom 17. Juni 1944 (sog. erster Bandenbefehl). Danach war der „Kampf gegen die Banden“ - also Partisanen - „mit allen (…) Mitteln und (…) größter Schärfe“ durchzuführen. Dem, der bei der Wahl und Schärfe des Mittels bei der Bekämpfung der Banden über das „übliche zurückhaltende Maß“ hinausginge, wurde Deckung zugesagt. Dies belegt, dass die Verfolgung einer Tat im Zusammenhang mit der sog. Bandenbekämpfung, wie die Tötung von „Sühnegefangenen/-geiseln“ (zum Begriff vgl. Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im Zweiten Weltkrieg - Hinweise zur rechtlichen Beurteilung - Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg 1968 S. 3 mwN) als Vergeltung für die Tötung deutscher Soldaten durch Partisanen, aus den genannten Gründen unterbleiben sollte. Auch die von der Strafkammer zur „Verfolgungswahrscheinlichkeit“ der Tat gehörte Sachverständige Dr. von L. , die auf diesem Gebiet intensiv geforscht hat, hält eine Verfolgung einer solchen Tat im Hinblick auf die damalige Befehlslage für ausgeschlossen. Dabei verweist sie auch darauf, dass die vollständig erhaltenen und nunmehr umfassend ausgewerteten Gerichtsakten der Heeresgruppe C insbesondere auch nach diesem Befehl kein Verfahren gegen einen deutschen Soldaten wegen einer Tat zum Nachteil italienischer Zivilisten dokumentieren. Soweit es Hinweise auf die Meldung solcher Vorgänge an zur Mitwirkung an ihrer Strafverfolgung berufene Stellen gibt, wurden diese indes nicht aktenkundig gemacht.
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Allerdings hat der Bundesgerichtshof auf der Grundlage des Zweifelssatzes die Annahme gebilligt, dass bei einer im Oktober 1943 begangenen, als Mord bewerteten Tötung italienischer Zivilisten durch einen deutschen Offizier die Möglichkeit einer Strafverfolgung schon vor Kriegsende nicht ausgeschlossen gewesen sei (BGH, Urteil vom 1. März 1995 - 2 StR 331/94, NJW 1995, 1297). Jedoch war in jenem Fall die Befehlslage zur Tatzeit am Tatort unklar und es stand die Möglichkeit eines individuellen Exzesses im Raum, der möglicherweise nur deshalb nicht verfolgt wurde, weil er nicht bekannt wurde. Hier war demgegenüber die Befehlslage eindeutig und die Tat kein individueller, unbekannt gebliebener Exzess. Sie geschah vielmehr im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten und mit dessen Unterstützung.
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Nach alledem hat die Verjährung bis Kriegsende geruht, so dass die genannten Gesetze von 1965, 1969 und 1979 eingreifen und die Tat daher noch verfolgbar ist.
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b) Weitere Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie als Mord (§ 211 StGB) zu werten ist, da lediglich insoweit die Verjährung aufgehoben ist. Läge etwa (nur) Totschlag (§ 212 StGB) vor, wäre inzwischen Verjährung eingetreten. Ob Mord vorliegt, ist hier daher nicht erst bei der sachlich-rechtlichen Überprüfung des Schuldspruchs, sondern schon bei der Frage, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung vorliegt, von entscheidender Bedeutung.
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Die Strafkammer hat die von dem Angeklagten befohlene Tötung der italienischen Zivilisten zu Recht als Mord bewertet. Sie hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe rechtsfehlerfrei bejaht.
23
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 130 mwN). Bei einer Tötung aus Wut und Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH aaO mwN). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05; BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - 5 StR 508/06, NStZ 2007, 330, 331; jew. mwN). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285).
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Diesen Anforderungen an die vorzunehmende Gesamtwürdigung wird das angefochtene Urteil gerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten, sondern vielmehr erst dann, wenn die Gefühlsregungen , auf denen sie beruhen, ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich sind, wie z.B. nach einem vom Opfer begangenen schweren Unrecht oder einer schwerwiegenden Kränkung des Täters durch das Opfer, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008 mwN). Hier war der Angeklagte von der Tötung der beiden zu seiner Kompanie gehörenden Soldaten, die in seinem Auftrag unterwegs waren, durch die Partisanen zwar persönlich betroffen. Die italienischen Zivilisten, deren Tötung der Angeklagte im Rahmen der von ihm befehligten Vergeltungsmaßnahme veranlasste, hatten aber nach den Feststellungen des Landgerichts mit dem Partisanenüberfall nichts zu tun. Keines der Opfer stand in dem Verdacht, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein oder die Partisanen in irgendeiner Form unterstützt zu haben. Hinzu kommt, dass es dem Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts bei der Durchführung der Vergeltungsaktion darum ging, möglichst „alle, junge wie alte, männlichen Einwohner der umliegenden Ortschaften (…), derer seine Einheit habhaft werden konnte“, zu töten. Ein solcher zufälliger, unterschiedsloser und deshalb willkürlicher Rückgriff auf die gesamte männliche Zivilbevölkerung eines ganzen Landstrichs, mit dem Ziel, diese auszulöschen, offenbart ebenfalls die niedere Gesinnung des Angeklagten bei der Tatbegehung, der hierdurch ein außerordentliches Maß an Missachtung der körperlichen Integrität seiner Opfer zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHR StGB § 11 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 40).
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Dieses Maß an Missachtung zeigt sich darüber hinaus auch besonders in der Vorbereitung und Durchführung der Tötung der unschuldigen Zivilisten auf Anordnung des Angeklagten. Bei der von dem Angeklagten veranlassten Vergeltungsaktion handelte es sich nicht um eine Spontantat (vgl. allgemein zur Bedeutung eines spontanen Tatentschlusses für die Annahme niedriger Beweggründe BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 - 2 StR 96/00, NStZ 2001, 87; BGH, Urteil vom 14. Juli 1988 - 4 StR 210/88, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 11). Sie war vielmehr von dem Angeklagten gründlich vorbereitet. Für die Durchführung war ihm auf seinen Wunsch hin schon am Vortag durch das Bataillonskommando logistische Unterstützung durch mehrere Kisten Sprengstoff und ein Flakgeschütz (das beim Durchkämmen der Wälder dazu eingesetzt werden sollte, die sich dort versteckt haltenden Personen aufzuscheuchen ) gewährt worden. Die ihm unterstellten Zugführer informierte er schon am Vorabend der Tat über die von ihm geplante Vergeltungsaktion. Seine Opfer hingegen ließ er bis zur Sprengung des Gebäudes, in dem sie eingesperrt worden waren, über ihr Schicksal im Ungewissen. Keinem von ihnen war klar, dass ein Angriff auf sein Leben unmittelbar bevorstand, obwohl der Angeklagte dies seit langem schon so entschieden hatte. Angesichts dieser Umstände stellt sich die von dem Angeklagten veranlasste Tötung der Zivilisten durch Sprengung des Gebäudes und das sich anschließende Maschinengewehrfeuer, was jeweils für sich gesehen schon eine entwürdigende und erniedrigende Hinrichtungsart ist (vgl. Gribbohm, Selbst mit einer Repressalquote von zehn zu eins? Über Recht und Unrecht einer Geiseltötung im Zweiten Weltkrieg - Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen Kleine Schriften Bd. 6, S. 29), als besonders menschenverachtend dar (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43 mwN).
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Eine solche aus Rachsucht motivierte und gründlich vorbereitete Tötung von Unschuldigen, die durch ihr Verhalten keine Veranlassung für die durchgeführte Vergeltungsmaßnahme gegeben haben, durch Sprengung eines Gebäudes und anschließendes Maschinengewehrfeuer kann daher selbst vor dem Hintergrund einer kriegsbedingten Ausnahmesituation nicht mehr als menschlich verständliche Handlung des Angeklagten angesehen werden. Sie ist vielmehr Ausdruck einer auf tiefster Stufe stehenden und besonders verachtenswerten Gesinnung. Mit dieser Wertung hat das Landgericht seinen aufgezeigten Beurteilungsspielraum offensichtlich nicht überschritten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1975 - 1 StR 192/75 ; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03 [Rz. 38]; allgemein zur Tötung von Unbeteiligten vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43).

III.

27
Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen, die auch durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden, unbegründet.

IV.

28
Auch die Sachrüge bleibt erfolglos.
29
Der Angeklagte war erstmals 2005 auf Ersuchen der italienischen Behörden als Beschuldigter vernommen worden. Damals hatte er erklärt, er habe mit der Tat nichts zu tun, so etwas wäre illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar gewesen. Auch im gesamten weiteren Verfahrensverlauf hat er die Tat nicht eingeräumt. Die Strafkammer sieht ihn dennoch als überführt an, weil die Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme ausschließlich von Soldaten der 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 durchgeführt wurde, deren alleiniger befehlshabender Offizier zur Tatzeit der Angeklagte war. Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung sind nicht ersichtlich. Auch die rechtliche Bewertung der Tat durch die Strafkammer als Mord (§ 211 StGB) ist zutreffend (vgl. oben II 2. b).
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Anders als die Revision meint, ist die Tat auch weder als Kriegsrepressalie gerechtfertigt (1.), noch als Handeln auf Befehl straffrei (2.).
31
1. Eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Bewertung der Tat als eine zur Tatzeit nach Kriegsvölkergewohnheitsrecht zulässige Kriegsrepressalie kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen hierfür sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht fehlen.
32
a) Die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes erfordert neben seinen objektiven Voraussetzungen auch ein oft „Rechtfertigungsvorsatz“ genanntes subjektives Rechtfertigungselement. Die rechtfertigenden Umstände müssen dem Täter bekannt sein und sich im Motiv seines Handelns niederschlagen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 552/51, BGHSt 2, 111, 114 <übergesetzlicher Notstand>; BGH, Beschluss vom 8. März 2000 - 3 StR 67/00, NStZ 2000, 365, 366 ; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1953 - 3 StR 151/53, BGHSt 5, 245, 247 ; BGH MDR 1953, 401 <§ 193 StGB>; LK-Rönnau, 12. Aufl., vor § 32 Rn. 82 Fußn. 295 mwN auch zu anderen Rechtfertigungsgründen). Gründe für die Annahme, bei einer mögli- chen Rechtfertigung wegen einer Kriegsrepressalie gelte anderes, sind nicht ersichtlich (zur Notwendigkeit eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ bei allen Rechtfertigungsgründen vgl. auch eingehend Rönnau aaO Rn. 82 mwN).
33
Hier ist der Angeklagte bei der Tat jedoch nicht davon ausgegangen, er handle im Rahmen einer zur Tat vom Recht gedeckten Kriegsrepressalie. Dagegen spricht seine Einlassung, er habe die von ihm selbst als illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar bewertete Tat nicht begangen.
34
Durch die so begründete Ablehnung eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ entstehen dem Angeklagten hier keine Nachteile aus einem zulässigen Verteidigungsverhalten.
35
Allerdings kann ein die Tat bestreitender Angeklagter nicht zugleich (möglicherweise) strafmildernde Umstände vorbringen. Gleichwohl, so die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insbesondere im Zusammenhang mit § 213 StGB, ist insoweit von der dem Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den konkreten Umständen in Betracht kommt, damit ihm aus zulässigem Verteidigungsverhalten keine Nachteile erwachsen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 1 StR 338/96, NStZ-RR 1997, 99 mwN).
36
Diese Fälle sind dem vorliegenden Fall zwar ähnlich, aber nicht mit ihm identisch. Dort erscheint möglich, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Strafmilderungsgründe beruft, weil er lieber freigesprochen als (nur) milder bestraft werden will. Hier wäre demgegenüber zu unterstellen, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Gesichtspunkte beruft, die (möglicherweise ) zu einem Freispruch wegen eines Rechtfertigungsgrundes führen könnten, weil er lieber mangels Tatnachweises freigesprochen werden will.
37
Letztlich braucht der Senat diesem Unterschied aber nicht näher nachzugehen. Die Strafkammer hat nämlich mit rechtsfehlerfreien Erwägungen im Einzelnen dargelegt, dass der Angeklagte bei der Tat wusste, dass sie unter militärischen Gesichtspunkten keinen Sinn hatte, sondern ausschließlich der Rache für den Anschlag an hieran Unbeteiligten diente, und dass sein Vorgehen deshalb - entsprechend seiner eigenen Bewertung im Rahmen seines Verteidigungsvorbringens - einen rein verbrecherischen Charakter hatte.
38
b) Ohnehin kommt eine Rechtfertigung des Angeklagten mit Blick auf eine nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht als zulässig angesehene Kriegsrepressalie durch Tötung von „Sühnegefangenen“ hier nicht in Betracht (zur Fortgeltung des Kriegsvölkergewohnheitsrechts für sog. „Altfälle“ vgl. Gribbohm aaO S. 32 mwN; zur Zulässigkeit von Kriegsrepressalien vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03, BGHSt 49, 189, 193 mwN und zu deren völkerrechtlichen Grundlagen zusammenfassend Gribbohm aaO S. 5 ff, 25 ff m. zahlr. Nachw.). Die auch nach damaligem Rechtsverständnis hierfür erforderlichen objektiven Voraussetzungen waren nämlich insgesamt nicht erfüllt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Umfeldes, als auch hinsichtlich der Auswahl der Opfer, der Art ihrer Tötung und dem darauf folgenden Geschehen.
39
(1) Regelmäßige Voraussetzung für eine derartige Aktion war, dass sie letztlich im besetzten Gebiet zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diente (Gribbohm aaO S. 25; Artzt/Penner aaO S. 5 f unter Hinweis auf Art. 43 HLKO). Schon daran fehlte es. Das in Rede stehende Gebiet war nicht (mehr) von den Deutschen besetzt, die Alliierten waren wenige Kilometer entfernt, der Angeklagte war mit seinem Truppenteil nur kurzfristig in der Region, um die für den Rückzug wichtige Brücke zu reparieren, eine wie auch immer geartete Berechtigung oder Verpflichtung, gegenüber der einheimischen Bevölkerung noch öffentliche Sicherheit und Ordnung durchzusetzen, bestand, auch wenn sie sonst bestanden haben sollte, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr. Eine im Rahmen von Kriegsgeschehen erfolgte „vorbeugende Erschießung“ zur Abwehr womöglich anderweitig drohender künftiger Gefahren hat der Bundesgerichtshof als „verbrecherisch“ bewertet (BGH, Urteil vom 30. September 1960 - 4 StR 242/60, BGHSt 15, 214, 217). Es ist nicht ersichtlich , warum für eine vorbeugende Tötung Unbeteiligter, die nicht der Wahrung und Durchsetzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem besetzten Gebiet diente, anderes gelten könnte.
40
(2) Kriegsrepressalien waren von der so genannten Humanitätsschranke begrenzt. Wenn auch - um so mehr nach heutigem Verständnis - eine wie auch immer durchgeführte „humane“ Tötung Unschuldiger kaum vorstellbar ist, so fiel unter diesen Begriff jedenfalls schon damals das Verbot von Kriegsrepressalien gegen Frauen und Kinder (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1955 - 3 StR 603/54 ; BGH, Urteil vom 17. März 1967 - 4 StR 464/66, wo zwischen „Kindern“ und „Kleinkindern“ nicht durchgängig unterschieden ist; vgl. auch Artzt/Penner aaO S. 26; v. Münch, Geschichte vor Gericht - Der Fall Engel, S. 55).
41
Die Revision meint, die hier Opfer gewordenen Personen im Alter von damals 15 und 16 Jahren seien keine Kinder gewesen. Der Senat neigt nicht zu dieser Auffassung. Das Gesetz definiert den Begriff des Kindes nicht einheitlich. Die UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 - in Deutschland seit dem 5. April 1992 in Kraft (vgl. die Bekanntmachung vom 10. Juli 1992, BGBl. II S. 990) - definiert in Art. 1 Kinder als Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Entsprechend dem jeweiligen Regelungsbedarf hat der Begriff des Kindes etwa im Strafrecht einen anderen Inhalt als im Unterhaltsrecht oder im Erbrecht. Fehlt, wie hier, mangels Kodifikation eine ausdrückliche Altersgrenze zur Definition des Begriffs des Kindes, ist daher auf den Rege- lungszusammenhang abzustellen (in vergleichbarem Sinne OLG Zweibrücken NStZ 1985, 179, 180). Aus der damals vorgenommenen Gleichsetzung von Frauen und Kindern ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass Kriegsrepressalien nicht gegen solche Personen gerichtet sein sollten, die schon im Ansatz nicht (Frauen) oder noch nicht (Kinder) als reguläre Soldaten in Frage gekommen wären. Nach dem damals geltenden italienischen Wehrpflichtgesetz begann die Wehrpflicht jedoch erst mit 17 Jahren (v. Münch aaO S. 104), so dass hier die beiden von der Vergeltungsaktion betroffenen Jugendlichen nicht zum Militärdienst hätten eingezogen werden können, weshalb sie nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall als Kinder angesehen werden müssen.
42
(3) Als ein für die Beurteilung der „Humanität“ einer Tötung im Rahmen einer Repressalie wesentlicher Gesichtspunkt wurde damals auch vielfach die Art der Tötung angesehen (Gribbohm aaO S. 29; Artzt/Penner S. 26). Als eine entwürdigende und erniedrigende und daher inhumane und von Kriegsrecht nicht gedeckte Tötungsart galt die hier praktizierte Sprengung des Gebäudes, in dem die über ihr Schicksal bewusst im Unklaren gelassenen Opfer gefangen gehalten wurden (Gribbohm aaO S. 28 f). Für das zusätzlich anschließend noch praktizierte Maschinengewehrfeuer gilt nichts anderes (Gribbohm aaO S. 29; vgl. auch v. Münch aaO S. 112).
43
(4) Als völkerrechtlich unumstrittenste Anforderung an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie galt in diesem Zusammenhang die so genannte Notifikation, d.h. die öffentliche Bekanntmachung des Geschehens (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03, BGHSt 49, 189, 193; BGH, Urteil vom 30. September 1960 - 4 StR 242/60, BGHSt 15, 214, 217; Artzt/Penner aaO S. 28; Gribbohm aaO S. 29). Ihr Sinn lag darin, dass einerseits das Ziel der Abschreckung vor künftigen Wiederholungen von gegen die Besatzungsmacht gerichteten Anschlägen erreicht werden sollte (Artzt/Penner aaO) und anderer- seits gezeigt werden sollte, „dass die Maßnahmen der Durchsetzung des Rechts dienen (…) und deshalb das Tageslicht nicht zu scheuen brauchen“ (Gribbohm aaO S. 28). Eine solche Bekanntmachung ist vorliegend nicht erfolgt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie ursprünglich vor Begehung der Tat beabsichtigt gewesen wäre.
44
c) Es mag zwar in Einzelfällen durchaus vorstellbar sein, dass trotz der Nichteinhaltung einzelner, auch nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Gesamtumstände ausnahmsweise von einer zulässigen (Repressal)Maßnahme ausgegangen werden kann (Gribbohm aaO S. 30). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auch eine Gesamtschau der Tatumstände unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte führt hier dazu, dass die Auffassung der Strafkammer, die objektiven Voraussetzungen einer zulässigen Kriegsrepressalie würden hier fehlen, rechtlicher Überprüfung ohne weiteres Stand hält.
45
d) Nachdem die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht vorliegen, braucht der Senat der uneinheitlich beurteilten Frage nicht nachzugehen, welche Konsequenzen sich dann ergeben könnten, wenn zwar die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen, dieser aber gleichwohl wegen des fehlenden „Rechtfertigungsvorsatzes“ nicht eingreift (vgl. hierzu Rönnau aaO Rn. 88, 90 mwN für die unterschiedlichen Auffassungen).
46
2. Die Tat ist schließlich auch nicht nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuchs (MStGB) straffrei, der noch immer für vor seiner Aufhebung durch das Kontrollratsgesetz Nr. 34 mit Wirkung vom 20. August 1946 begangene Taten anwendbar ist (BGH LM § 47 MStGB Nr. 1, 3). Auch in diesem Zusammenhang braucht der Senat der Frage, ob dem Ange- klagten, der sich hier auch nicht auf die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Satz 1 MStGB beruft, durch ein zulässiges Verteidigungsverhalten ein Nachteil entstehen kann, nicht nachzugehen (vgl. oben IV1. a), da bereits die objektiven Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vorliegen.
47
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden MStGB ist, von näher beschriebenen Ausnahmen abgesehen, ein befehlender Vorgesetzter allein verantwortlich, wenn „durch die Ausführung eines Befehls (…) ein Strafgesetz verletzt“ wird (zur heutigen Rechtslage vgl. MünchKommStGB/Dau, § 5 WStG Rn. 4 mwN). Ein Befehl erforderte aber, dass der Vorgesetzte - so ältere militärrechtliche Rechtsprechung - „in gebietender Weise“ (RGSt 58, 110; 64, 69) Gehorsam verlangt (vgl. auch Schölz/Lingens, WStG, 4. Aufl., § 2 Rn. 9). Hieran fehlte es, wenn der Untergebene seinem Vorgesetzten eine Maßnahme vorschlug und deren Genehmigung einforderte. Auch wenn diese Genehmigung durch den Vorgesetzten äußerlich ein Befehl ist, fehlt die zur Entlastung des Untergebenen nötige Alleinverantwortlichkeit des Vorgesetzten, der hier nicht „ausschließlich (…) durch Ausübung seiner Befehlsgewalt (…) die Folgen (…) des Befehls“ herbeigeführt hat (BGH LM § 47 MStGB Nr. 3). Vorliegend beruht die Tat des Angeklagten nicht etwa nur auf dem Befehl seines Vorgesetzten, sondern sie entsprach seinem Plan, den er schon vor Erteilung des Befehls hatte , nämlich eine sog. Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung durchzuführen. Nur deshalb hatte er dem Bataillonskommandeur nahegelegt, einen entsprechenden Befehl zu erteilen. Wer einen solchen Plan hat und den Vorgesetzten zu dessen Genehmigung, auch in Form eines Befehls, - strafrechtlich gesprochen - anstiftet, kann nicht mit dem Vorbringen gehört werden, er hätte diesem Befehl gehorchen müssen, da es in einer solchen Situation an der typischerweise mit der Gehorsamspflicht verbundenen, einer Notstandslage nahe kommenden Konfliktslage eines Untergebenen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1971 - 3 StR 337/68; Schölz/Lingens, aaO zu § 5 WStG Rn. 3). Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass der Angeklagte gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB auch deshalb als Teilnehmer des Mordes zu bestrafen wäre, weil ihm „bekannt gewesen ist, dass der Befehl (…) ein (…) militärisches Verbrechen (…) bezweckte“.
48
3. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Das Alter des Angeklagten, die Dauer des Verfahrens und die Zeitspanne zwischen Tat und Aburteilung sind in Fällen der vorliegenden Art keine derart außergewöhnlichen Umstände, aufgrund derer die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unverhältnismäßig erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01, StV 2002, 598).
Nack Wahl Elf Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2010 - 1 StR 57/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2010 - 1 StR 57/10

Referenzen - Gesetze

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
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(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 11 Personen- und Sachbegriffe


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Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

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Strafgesetzbuch - StGB | § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen


Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen we

Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 80 Auslieferung deutscher Staatsangehöriger


(1) Die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn 1. gesichert ist, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion anbieten wird, den Verfolgten

Strafprozeßordnung - StPO | § 354a Entscheidung bei Gesetzesänderung


Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

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Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG | § 48 Grundsatz


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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 159/17 vom 15. Mai 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. wegen zu 1., 3., 4. und 5.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu 2.: Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2018:150518U1STR159.17.0 De

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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 458/00
vom
28. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
SDÜ Art. 54
EG-ne bis in idem-Übk. Art. 1
Auch ein rechtskräftiger Freispruch bewirkt Strafklageverbrauch im Sinne von
Artikel 54 SDÜ und Artikel 1 EG-ne bis in idem-Übk.
BGH, Beschluß vom 28. Februar 2001 - 2 StR 458/00 - Landgericht Gießen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Februar 2001
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 14. Juli 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und hinsichtlich des sichergestellten Geldes in Höhe von 3.200,-- DM den Verfall angeordnet.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Insbesondere macht er bezüglich der ersten Tat das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs geltend. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Soweit der Angeklagte im ersten Fall der Urteilsgründe (Tatzeit: 1993) verurteilt worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben, da insoweit Strafklageverbrauch in Betracht kommt. Die Sache ist zur Klärung dieser Frage an das Landgericht zurückzuverweisen, da dem Senat im Freibeweisverfahren eine abschließende Entscheidung nicht möglich ist.

II.

Nach den Feststellungen zum ersten Fall der Urteilsgründe brachte der Angeklagte am 16. April 1993 488,06 Gramm Kokainzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 202,36 Gramm Kokainhydrochlorid aus den Niederlanden nach Deutschland, wo er es an den Zeugen M. übergab, der auf den vereinbarten Kaufpreis von 42.500,-- DM eine Anzahlung von 21.500,-- DM leistete. Am 16. November 1993 wurde der Angeklagte durch eine mit "Widerspruch" bezeichnete Entscheidung des Amtsgerichts Maastricht/Niederlande - nach einer Ä nderung der Anklage - von dem Vorwurf, in der Zeit vom 20. Februar 1993 bis zum 2. Juli 1993 ungefähr 500 Gramm kokainhaltiges Material aus den Niederlanden ausgeführt zu haben, freigesprochen.
1. Durch die Entscheidung des Amtsgerichts Maastricht vom 16. November 1993 kann bezüglich der vom Landgericht abgeurteilten ersten Tat gemäß Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) Strafklageverbrauch eingetreten sein. Nach dieser Vorschrift darf derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, daß im Fall der Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann. Das Übereinkommen ist seit dem 26. März 1995 für Deutschland und die Niederlande in Kraft gesetzt. Der von Deutschland gemäß Artikel 55 Abs. 1 a) 1. Halbsatz SDÜ erklärte Vorbehalt steht der Anwendung von Artikel 54 SDÜ im vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn nach dem 2. Halbsatz der Regelung greift der Vorbehalt dann nicht ein, wenn die Tat - wie hier - auch in dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist (vgl. BGH, Beschluß vom 13. Mai 1997 - 5 StR 596/96, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 1998, 149 ff.). Auch ein rechtskräftiger Freispruch bewirkt Strafklageverbrauch nach Artikel 54 SDÜ (so nicht tragend bereits BGH NStZ 1999, 579, 580; Schomburg NJW 2000, 1833, 1834). Anderenfalls wäre die Wendung "im Fall der Verurteilung" sowie die Differenzierung zwischen Ab- und Verurteilung in Artikel 54 SDÜ nicht verständlich (Schomburg StV 1997, 383, 384). Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Denkschrift der Bundesregierung zum gleichlautenden Artikel 1 des EG-ne bis in idem-Übk. vom 25. Mai 1987 (BR-Drucks. 283/97 S. 10). Danach soll der Grundsatz "ne bis in idem" auch auf ausländische Urteile erstreckt werden, durch die ein Angeklagter freigesprochen worden ist.
Das EG-ne bis in idem-Übk. ist zwar mangels Ratifikation durch alle Mitgliedsstaaten bislang noch nicht in Kraft getreten. Es ist jedoch gemäß Artikel 6 Abs. 3 des Übk. für Deutschland bereits vorzeitig im Verhältnis zu den Staaten anwendbar, die dieselbe Erklärung abgegeben haben. Dazu gehören auch die Niederlande (vgl. Schomburg, Anm. zu BGH StV 1999, 244 ff., StV 1999, 246, 247, Fußn.11; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl., Einl. Rdn. 177 aE). 2. Entscheidend für die Frage des Strafklageverbrauchs ist hier demnach zunächst, ob es sich bei dem im ersten Fall vom Landgericht abgeurteilten und dem der Entscheidung des Amtsgerichts Maastricht zugrunde liegenden Sachverhalt um dieselbe Tat im verfahrensrechtlichen Sinne handelt. Dies liegt hier - worauf auch der Generalbundesanwalt hinweist - im Hinblick auf die Ä hnlichkeit der Tatzeiten und Rauschgiftmengen nahe. Gleichwohl hat der Tatrichter die Frage des Strafklageverbrauchs nicht erkennbar geprüft; die Urteilsgründe äußern sich hierzu nicht. Das angefochtene Urteil war demgemäß aufzuheben, da der Senat Strafklageverbrauch nicht ausschließen kann. Dies ist vom Tatrichter näher aufzuklären. Zwar prüft das Revisionsgericht das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen in der Regel selbständig aufgrund eigener Sachuntersuchung unter Benutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren. Macht aber die Ermittlung der maßgebenden Tatsachen eine Beweisaufnahme wie in der Hauptverhandlung vor dem Tatrichter erforderlich, so ist es dem Senat nicht verwehrt, das Urteil aufzuheben und die Sache an den Tatrichter zurückzuverweisen (vgl. Senatsbeschluß vom 11. März 1998 - 2 StR 22/98; BGHSt 16, 399, 403). Dies liegt hier schon deshalb nahe, weil nicht nur durch Beiziehung der niederländischen Akten und/oder Einholung entsprechender Auskünfte der zuständigen Stellen zu ermitteln ist, was dem Angeklagten durch die ursprüngli-
che und die geänderte niederländische Anklageschrift vorgeworfen worden ist. Vielmehr kommt hier auch die Vernehmung des dortigen Richters oder Staatsanwalts sowie des Zeugen M. in Betracht. Zudem wird das Landgericht aufzuklären haben, ob es sich bei der Entscheidung des Amtsgerichts Maastricht vom 16. November 1993 tatsächlich um ein rechtskräftiges freisprechendes Urteil handelt.

III.

Die Verfallsanordnung hat trotz der teilweisen Aufhebung des Urteils Bestand, da sie sich ausschließlich auf das im zweiten Fall sichergestellte Geld bezieht. Bode Detter Otten Rothfuß Fischer
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine im Jahre 1944
während der Besetzung Italiens durchgeführte Massenerschießung
italienischer Gefangener als Vergeltungsmaßnahme nach einem gegen
deutsche Soldaten gerichteten Partisanenangriff.
BGH, Beschluß vom 17. Juni 2004 5 StR 115/03
- LG Hamburg -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2004

beschlossen:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. Juli 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Das Verfahren wird nach § 206a StPO eingestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (tateinheitlich begangenen ) Mordes (an 59 Menschen) zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Verfahrens. Zum selben Ergebnis führt gemäß § 301 StPO die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft.

I.


Im angefochtenen Urteil ist folgendes festgestellt:
1. Der im Jahre 1909 geborene Angeklagte wurde als SS-Sturmbannführer Ende 1943 in das von der deutschen Wehrmacht besetzte Italien abkommandiert. Anfang 1944 übernahm er die Leitung eines Außenkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS in Genua. Die
Sicherheitspolizei war u.a. zuständig für sogenannte „Sühnemaßnahmen“ nach gewaltsamen Aktionen von Partisanen, welche die deutschen Besatzer als Sabotagehandlungen und Attentate bewerteten.
Im April 1944 nahm der Angeklagte in Florenz an einer Besprechung der Leiter der Außenkommandos der Sicherheitsdienste teil, die derartige als erforderlich und zulässig angesehene Vergeltungsmaßnahmen nach Angriffen italienischer Partisanen gegen Angehörige der deutschen Besatzungstruppen zum Gegenstand hatte. Der Befehlshaber der deutschen Sicherheitsdienste in Italien Dr. H gab hierfür den Grundsatz bekannt, für jeden getöteten Deutschen seien zehn Italiener zu erschießen. Eine solche „Repressalquote“ – die den (Mindest-)Vorstellungen Adolf Hitlers entsprach – bezeichnete der Jurist Dr. H als im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht stehend.
2. Am 15. Mai 1944 kam es zu einem Bombenanschlag italienischer Partisanen auf ein gut besuchtes deutsches Soldatenkino in Genua. Fünf oder sechs deutsche Soldaten wurden getötet, weitere 15 Besucher verletzt. Entsprechend dem genannten Grundsatz erteilte der unmittelbare Vorgesetzte des Angeklagten, der das übergeordnete Außenkommando der Sicherheitsdienste in Mailand leitende SS-Obersturmbannführer R , diesem den Befehl, für jeden getöteten Deutschen die zehnfache Anzahl Italiener erschießen zu lassen. Die Auswahl der Opfer und die Art der Durchführung der „Sühnemaßnahme“ blieb dem Angeklagten überlassen.
Die Erfolgsaussicht für eine Ermittlung der Attentäter wurde als gering erachtet; der Angeklagte beschränkte sich auf die Auslobung einer Belohnung. Als Opfer der vorgesehenen „Sühnemaßnahme“ wurden auf seine Veranlassung 60 männliche Gefangene des seinem Außenkommando unterstellten Marassi-Gefängnisses – darunter jedenfalls 17 seit April 1944 inhaftierte Partisanen – ausgewählt. Als Ort für deren Erschießung sah der Angeklagte einen 25 km von Genua entfernten Platz oberhalb des Turchino-
Passes vor, der zwar gut erreichbar, aber so abgelegen war, daß eine Störung durch die Bevölkerung nicht zu erwarten war. Jüdische Häftlinge hoben dort am 17. Mai 1944 unter Aufsicht von Marineangehörigen eine Grube aus. Da die Opfer des Attentats überwiegend aus der Marine stammten, wurde das sachlich und personell für die Aktion unzureichend ausgestattete Außenkommando der Sicherheitsdienste dabei durch teils freiwillige, teils abkommandierte Angehörige der Marine unterstützt, welche auch die Soldaten für die Erschießungskommandos und für die Bewachung der Opfer auf der Paßhöhe stellte.
3. In den frühen Morgenstunden des 19. Mai 1944 wurden die ausgewählten Gefangenen – 59 Männer (einer der ursprünglich Vorgesehenen, der Zeuge Ri , blieb aus ungeklärten Gründen verschont) – unter dem Vorwand , sie sollten verlegt werden, ihre persönlichen Sachen würden ihnen später wieder ausgehändigt, mit Fahrzeugen in etwa einstündiger Fahrt auf die Paßhöhe transportiert. Von dort wurden sie unter Bewachung auf einem 500 bis 600 Meter langen ansteigenden schmalen Weg zu der ausgehobenen Grube geführt. An deren Rand wurden sie in Gruppen von mindestens vier, höchstens acht Gefangenen von zwei Kommandos, die sich abwechselten , erschossen. Die Opfer stürzten in die Grube; wer noch Lebenszeichen von sich gab, erhielt mit einer Pistole den „Gnadenschuß“. Ein Arzt war nicht zugegen. Ebenso stand den Gefangenen kein geistlicher Beistand zur Seite. Deren Ahnung über ihr Schicksal wurde spätestens zur Gewißheit, als sie beim Anmarsch die Gewehrsalven auf die vorangegangenen Opfer anhören mußten. Unmittelbar vor ihrer Tötung blickten sie noch auf die in der Grube liegenden Leichen der vor ihnen Erschossenen.
Der Angeklagte, der schon frühmorgens vor den Gefangenen am Tatort eingetroffen war, beobachtete das Geschehen aus einer Entfernung von höchstens 15 Metern, bis der letzte Gefangene erschossen war. Er war von der Haltung und Fassung der Opfer beeindruckt. Seinem Vorgesetzten mel-
dete er den Vollzug der Maßnahme. Am Folgetag ließ er eine Mitteilung über die „Sühnemaßnahme“ in einer Genueser Tageszeitung veröffentlichen.
4. Die Leichen der Opfer wurden erst nach Kriegsende, im Juni 1945, exhumiert. 47 Tote konnten identifiziert und in ihren Heimatgemeinden bestattet werden.
5. Der Angeklagte war im Januar 1945 zum SS-Obersturmbannführer befördert worden. Im April 1945 war er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten, wo er falsche Personalien angab. Nach etwa einem Jahr gelang ihm die Flucht.
Später übersiedelte er nach Hamburg, wo er noch heute lebt. Bis 1954 gebrauchte er – offenbar aus Furcht, sich für Kriegsverbrechen verantworten zu müssen – falsche Personalien. Zu seiner Tätigkeit in Italien wurde er lediglich zeugenschaftlich vernommen. Ein auf eine Anzeige eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im Jahre 1969 alsbald mangels Tatverdachts eingestellt.
In Italien hatte es schon frühzeitig Hinweise auf den Angeklagten und seine Verantwortlichkeit als Leiter des Genueser SD-Außenkommandos gegeben , und zwar in einem Strafverfahren gegen den italienischen Dolmetscher N , der bereits im November 1945 als Kollaborateur der deutschen Besatzungstruppen neben anderen Taten auch wegen Beteiligung an den Erschießungen am Turchino-Paß zum Tode (später in Freiheitsstrafe umgewandelt) verurteilt worden war. Aus ungeklärten Gründen wurden die Ermittlungen gegen den Angeklagten nicht fortgesetzt, sondern erst im Jahre 1995 wiederaufgenommen. Am 15. November 1999 wurde der Angeklagte vom Militärgericht in Turin wegen der hier abgeurteilten Tat und des Vorwurfs dreier weiterer kriegsverbrecherischer Morde in Abwesenheit zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Im Frühjahr 2000 wurde nach Eingang von
Unterlagen aus dem in Italien geführten Verfahren in Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet.

II.


Verfahrenshindernisse im Blick auf die Verurteilung des Angeklagten in Italien liegen nicht vor.
1. Die im angefochtenen Urteil niedergelegte Auffassung, das in Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens – SDÜ – (entsprechend Art. 1 EG-ne bis in idem-Übk) normierte Doppelbestrafungsverbot hindere die Verurteilung des Angeklagten nicht, erweist sich für die derzeitige Rechtslage als zutreffend. Das italienische Abwesenheitsurteil ist nicht vollstreckt (Art. 54 SDÜ, erste Variante). Jedenfalls mangels – bislang nach deutschem Recht ausgeschlossener – Auslieferungsbewilligung oder deutscher Bewilligung der Rechtshilfe zur Vollstreckung des italienischen Urteils fehlt es auch an einem Vollstreckungsbeginn (Art. 54 SDÜ, zweite Variante). Der Senat hat darüber hinaus mit Hilfe des Bundesministeriums der Justiz und unter Einschaltung von Eurojust ermittelt, ob etwa nach italienischem Recht ein Vollstreckungshindernis vorliegt (Art. 54 SDÜ, dritte Variante). Dies ist nicht der Fall; vielmehr hat Italien die Ausschreibung des Angeklagten im Schengener Informationssystem – SIS – zur Festnahme zwecks seiner Auslieferung nach Italien zur Strafvollstreckung veranlaßt.
2. Der Senat hat ferner erwogen, ob angesichts des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190/1 vom 18.7.2002) – RBEuHb –, der mit Wirkung vom 1. Januar 2004 eine Ablösung der zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Auslieferungsübereinkommen vorsieht (Art. 31), und angesichts der unmittelbar bevorstehenden innerstaatlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses in einem Europäischen Haftbefehlsgesetz (EuHbG; vgl. BRDrucks. 547/03)
Anlaß bestehen könnte, mit dem Verfahren bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes innezuhalten. Der Senat sieht davon ab, da eine unmittelbar bevorstehende relevante Änderung der Verfahrensrechtslage, die ein sofortiges Verfahrenshindernis aus dem Doppelbestrafungsverbot zur Folge hätte, aus mehrerlei Gründen nicht zu erwarten ist.

a) Zwar steht durch die Konkretisierung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG im EuHbG eine Lockerung des bisherigen strikten Verbots der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger, soweit es die Auslieferung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft, zu erwarten. Indes ist eine Auslieferung zur Strafvollstreckung ohne Zustimmung des verurteilten Deutschen nicht vorgesehen. Allerdings liegt es nahe, daß mit innerstaatlicher Umsetzung der Regelungen über den Europäischen Haftbefehl, wenn eine Auslieferung zur Strafvollstreckung gleichwohl ohne Zustimmung ausgeschlossen ist, regelmäßig stattdessen Rechtshilfe durch Vollstreckung der entsprechenden ausländischen Strafurteile – nach §§ 48 ff. IRG oder aufgrund spezieller Rechtsgrundlagen – zu leisten sein wird, damit die Rechtshilfepraxis den Intentionen des Rahmenbeschlusses nicht zuwiderläuft (vgl. Art. 4 Nr. 6 RBEuHb; BRDrucks. 547/03 S. 32). Ob etwa dann nach neuer Rechtslage im Bestehen einer Verpflichtung zu derartiger Rechtshilfe bereits ein Beginn der Vollstreckung im Sinne der zweiten Variante des Art. 54 SDÜ mit der Folge eines innerdeutschen Verfahrenshindernisses zu sehen ist oder ob es hierfür etwa über die internationale Ausschreibung des im Ausland verurteilten Deutschen hinaus – trotz Art. 9 Abs. 3 Satz 2 RBEuHb – eines wiederholten speziellen Rechtshilfeersuchens und insbesondere – was naheliegt – einer innerstaatlichen Rechtshilfebewilligung bedarf, ist zweifelhaft; es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Frage gegebenenfalls sogar nach § 1 EuGHG i. V. m. Art. 35 EUV dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt werden müßte (vgl. BGHSt 47, 326, 333 f.; Plöckinger/Leidenmühler wistra 2003, 81, 82).

b) Darüber hinaus können sich im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten hier relevanter Neuregelungen für die Vollstreckbarkeit ausländischer Strafurteile gegen Deutsche unter Umständen – selbst wenn dies bei einer prozessualen Neuregelung nicht unbedingt naheliegt (a. A. ohne nähere Begründung v. Münch, Geschichte vor Gericht: Der Fall Engel, 2004, S. 11 f.) – Rückwirkungsprobleme für deren Anwendbarkeit auf Altfälle ergeben.

c) Erheblich größere Probleme dürften aber ferner aus der Besonderheit des gegen den Angeklagten in Italien durchgeführten Abwesenheitsverfahrens erwachsen (vgl. Art. 5 Nr. 1 RBEuHb sowie den in Art. 1 Nr. 1 des Entwurfes zum EuHbG vorgesehenen § 83 Nr. 3 IRG; s. auch Kap. III Art. 3 des 2. ZP-EuAlÜbk, dazu Lagodny in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. § 73 IRG Rdn. 70 ff.). Dies gilt zumal aufgrund vorsorglicher erster Ermittlungen des Senats mit Hilfe von Eurojust. Danach könnte der Angeklagte bei der Unterrichtung über den Verfahrensgegenstand des gegen ihn beim Militärgericht in Turin durchgeführten Strafverfahrens unzulänglich informiert worden sein. Es gibt Anzeichen, daß ihm gerade der Vorwurf derjenigen Straftat nicht benannt worden ist, der Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens ist.

d) Unter Berücksichtigung all dieser rechtlichen und tatsächlichen Probleme sieht der Senat keinen Anlaß, mit der Förderung des vorliegenden Verfahrens innezuhalten, bis die alsbald in Aussicht stehende neue Auslieferungs - und Rechtshilferechtslage in Kraft tritt, da auch hierdurch ein Hindernis zur Fortführung des Verfahrens, wie es nach derzeitiger Rechtslage nicht besteht, nicht zu erwarten ist.
Der Senat sieht nach den hierüber eingeholten Erkenntnissen indes Anlaß zu dem Hinweis, daß Rechtshilfe bei der Vollstreckung des gegen den Angeklagten in Italien ergangenen Urteils insoweit durchsetzbar sein könnte, als dieses Urteil andere Tatvorwürfe betrifft, über die der Angeklagte recht-
zeitig unterrichtet worden war. Dem stünde, soweit ersichtlich, die hiesige Entscheidung, die einen weiteren Tatvorwurf betrifft, nicht entgegen.

III.


Der gegen den Angeklagten verhängte Schuldspruch wegen grausamen Mordes begegnet einem durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, da die Feststellungen des Schwurgerichts die subjektiven Voraussetzungen des angenommenen Mordmerkmals nicht ausreichend belegen.
1. Allerdings ist das Urteil des Schwurgerichts insoweit rechtsfehlerfrei, als der Angeklagte als täterschaftlich verantwortlich für die rechtswidrige und schuldhafte Tötung von 59 Menschen angesehen worden ist.

a) Mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung hat sich das Schwurgericht von dem gesamten Tathergang überzeugt. Gleiches gilt hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Angeklagten als Befehlshaber des an den Gefangenen verübten Massakers. Seine Einlassung, die Durchführung der „Sühnemaßnahme“ sei der Marine übertragen worden, ist rechtsfehlerfrei widerlegt worden. Konsequent hat das Schwurgericht den Angeklagten, der die Durchführung organisierte und beherrschte, aber keine Befehlsgewalt über die Marineeinheiten hatte, welche die Erschießungskommandos stellten, als Mittäter für verantwortlich gehalten.

b) Der Angeklagte handelte nach den tatgerichtlichen Feststellungen auch rechtswidrig und schuldhaft.
aa) Allerdings hat das Schwurgericht dem Angeklagten geglaubt, daß ihm die Tötung von 60 Italienern als „Sühnemaßnahme“ befohlen worden war. Es hat ferner ausgeführt, daß eine derartige Vergeltungsaktion zur Tatzeit unter Berücksichtigung von Kriegsvölkerrecht als gewohnheitsrechtlich
erlaubt angesehen worden sei (UA S. 61 f.), und zwar – entsprechend der dem Angeklagten unwiderlegt von zuständiger vorgesetzter Stelle erteilten Belehrung – selbst mit einer „Repressalquote“ von zehn zu eins. Dieser Befund des Schwurgerichts ist für sich jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1955 – 3 StR 603/54; Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien: Täter – Opfer – Strafverfolgung, 1996, S. 105; Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im zweiten Weltkrieg – Hinweise zur rechtlichen Beurteilung –, herausgegeben von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, 1968, S. 30 ff., 57 f.; v. Münch aaO S. 50 ff.).
Diese damalige Beurteilung ist allerdings mit der Bedeutung des Menschenrechts auf Leben schlechthin unvereinbar. Das Tatgeschehen umfaßte die Erschießung einer Vielzahl wehrloser, an dem mit der „Vergeltungsaktion“ zu ahndenden Geschehen individuell nicht unmittelbar beteiligter Personen. Es wurde dabei auch nicht näher darauf Bedacht genommen, ob und inwiefern die Opfer etwa sonst in Schuld verstrickt waren; jedenfalls gab es hierfür keine wie auch immer geartete Aburteilung. Die Tat ist daher nach geläuterter Auffassung als derart menschenverachtend einzustufen, daß sie nur als rechtswidrig zu werten ist (vgl. auch BGHSt 2, 333, 334 f.). Es bedarf daher nicht einmal der Vertiefung, ob eine Rechtmäßigkeit von Reaktionen der deutschen Wehrmacht gegen italienische Partisanen wegen der Rechtswidrigkeit der deutschen Besetzung Italiens vor dem Hintergrund der deutschen Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg nicht grundlegend in Frage zu stellen ist.
bb) Die Feststellung, daß dem Angeklagten die in die Tat umgesetzte „Repressalmaßnahme“ von den zuständigen militärischen Vorgesetzten befohlen worden ist, beseitigt nicht seine Schuld. Der Senat schließt – ungeachtet abweichender Tatzeitauffassung und selbst vor dem weiteren Hintergrund des damaligen aktuellen, mit mannigfaltigen Schrecknissen einhergehenden Kriegsgeschehens – aus, daß dem Angeklagten eine Entschuldigung
nach § 47 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuches (MStGB) – das auch für ihn galt (UA S. 55) – zuzubilligen wäre. Es mag im Blick auf die Tatzeitsicht problematisch sein, über die Beurteilung des Schwurgerichts in dem angefochtenen Urteil hinausgehend den Befehl der „Repressalie“ als solchen , deren äußerste numerische Grenzen nach den tatgerichtlichen Feststellungen (insoweit im Gegensatz zu den Feststellungen des italienischen Urteils gegen den Angeklagten) nicht überschritten wurden, bereits als verbrecherisch im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB zu bewerten. Jedenfalls wäre es angesichts der grauenvollen Begleitumstände des vom Angeklagten zu verantwortenden Massakers abwegig, den Befehl zu einem derartigen Verhalten anders als offensichtlich verbrecherisch zu bewerten.
Dies gilt angesichts der Greuel des Tatgeschehens selbst unter den im Urteil zugrundegelegten, durchweg zumindest nicht ausgeschlossenen Voraussetzungen (UA S. 61 ff.; vgl. dazu ferner Artzt in: Rückerl – Hrsg. –, NSProzesse , 1971, S. 163, 172), daß die von hoher Instanz angeordnete „Sühnemaßnahme“ zu dem als kriegsverbrecherisch gewerteten Anlaß in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stand, eine effektive zeitnahe Täterermittlung nicht zu erwarten war, die getöteten Gefangenen sämtlich ihrerseits der Partisanentätigkeit verdächtig waren (vgl. namentlich hierzu Artzt/Penner aaO S. 82) und eine öffentliche Bekanntgabe der „Repressalie“ aus Abschreckungsgründen vorgesehen war. Angesichts der vom Landgericht im angegebenen Zusammenhang erörterten „Humanitätsschranke“ (vgl. Artzt/Penner aaO S. 25 f.) hätte auch unter Berücksichtigung der Sittenverrohung während des Krieges auf eine derart qualvolle Vergeltungsaktion gegen für den Sprengstoffanschlag nicht unmittelbar verantwortliche Opfer gänzlich verzichtet werden müssen.
Erforderlich ist allerdings, daß der Angeklagte den offensichtlich verbrecherischen Charakter des ihm erteilten Befehls auch positiv erkannte (vgl. BGHSt 22, 223, 225; hierzu auch Ducklau, Die Befehlsverweigerung bei NSTötungsverbrechen , Diss. Freiburg 1976 S. 128 f.). Hieran kann indes – zu-
mal angesichts der Herkunft des Angeklagten und seines Bildungsgrades – kein Zweifel bestehen. Auch im vorliegenden Zusammenhang ist kein Raum, systemimmanent indoktrinierten Tätern eine Exkulpation aus subjektiven Gründen zu gewähren (vgl. in anderem Zusammenhang BGHSt 41, 247, 276; 41, 317, 340).
2. Das Schwurgericht hat auch die objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit angesichts der rechtsfehlerfrei festgestellten offensichtlich hochgradig entwürdigenden und quälenden Begleitumstände des Massakers, namentlich der damit verbundenen massiven, noch über eine „herkömmliche“ Hinrichtungsaktion hinausgehenden seelischen Qualen der Opfer zutreffend bejaht (vgl. nur Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 54 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies wird nicht etwa durch den im Urteil (UA S. 57) näher belegten Umstand in Frage gestellt, daß die Möglichkeit einer noch grausameren Tatausführung konkret denkbar gewesen wäre. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Schrecken des Zweiten Weltkrieges besteht insoweit kein Anlaß zu abweichender Bewertung (a. A. v. Münch aaO S. 80 ff.). Die Hinrichtung der Opfer erfolgte namentlich angesichts der Erschießungen an der offenen Grube unter Umständen, die dem verbrecherischen Vorgehen in den Konzentrationslagern der Naziherrschaft in ihrem Erscheinungsbild nahekommen (zweifelhaft daher v. Münch aaO S. 31 ff.).
3. Indes sind die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 23a m.w.N.) nicht rechtsfehlerfrei belegt.

a) Das Schwurgericht hat im Zusammenhang hiermit zum Beleg der für das Mordmerkmal der Grausamkeit zutreffend subjektiv verlangten gefühllosen unbarmherzigen Gesinnung ausgeführt: „Dabei hätten die Opfer unter weniger qualvollen Umständen, ohne daß hier Alternativen aufgezeigt werden müssen, auf eine nicht als grausam anzusehende Art und Weise getötet werden können“ (UA S. 58 f.). Ferner hat es im Rahmen der Begründung
befehlswidriger Mißachtung einer möglichen Einhaltung der „Humanitätsschranke“ ebenfalls ohne konkrete Bezeichnung von Handlungsalternativen angemerkt, es hätte für den Angeklagten Möglichkeiten gegeben, den ihm erteilten Befehl „so auszuführen, daß eine grausame Tötung der Opfer vermieden wurde“ (UA S. 64). Diese Erwägungen sind für die Frage, ob sich der Angeklagte wegen Mordes strafbar gemacht hat, relevant, erweisen sich indes als zweifelhaft und unbelegt.
Zum einen sind an die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit höhere Anforderungen zu stellen als an den bloßen Beleg des Bewußtseins vom verbrecherischen Charakter des erteilten Befehls im Rahmen der Schuldfrage; bei dieser ist das subjektive Element stärker an normativen Mindestanforderungen orientiert (oben 1 b bb a. E.). Zum anderen sind folgende tatsächliche Gegebenheiten bedeutsam: Das Schwurgericht hat festgestellt, daß das Ziel der Aktion den Opfern zunächst tunlichst verheimlicht werden sollte. Es hat nicht feststellen können, daß der Angeklagte sich etwa gar an den besonderen Leiden der Opfer – deren Haltung ihn sogar beeindruckte – erfreut hätte. Die Leiden der Opfer entgingen ihm zwar nicht, es kam ihm jedoch nicht hierauf an, er ließ sich dadurch lediglich nicht davon abhalten, den ihm erteilten erbarmungslosen Befehl strikt zu erfüllen. Sein Handeln war am Streben nach unbedingter – wenngleich gänzlich kritik- und gewissenloser – Befehlserfüllung orientiert. Der Angeklagte meinte ersichtlich, eine furchtbare Aufgabe im Interesse der deutschen Wehrmacht befehlsgemäß erfüllen zu sollen. Der gebotene Verzicht auf die ihm befohlene Durchführung der „Sühneaktion“ unter den gegebenen Begleitumständen hätte ihm auf Menschlichkeit und Mitgefühl basierenden Mut abverlangt.
Indes reicht der Mangel an solchen positiven Eigenschaften zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit allein noch nicht aus. Daher hat das Schwurgericht bezogen auf die besondere Tatzeitsituation zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen eines grausa-
men Mordes zutreffend noch den Nachweis für erforderlich gehalten, daß der Angeklagte bei der von ihm verantworteten brutalen Durchführung der „Sühneaktion“ so menschenverachtend vorgegangen ist, daß er eine ihm offenstehende Möglichkeit bewußt ausgelassen hat, den ihm erteilten Befehl zur Tötung derart vieler Männer unter Begleitumständen auszuführen, die für die Opfer schonender gewesen wären (vgl. Hanack JZ 1967, 297, 302 f.). Das Schwurgericht läßt diese zutreffend verlangte Prämisse indes unbewiesen und meint, keinen Beleg für die Möglichkeit einer objektiv weniger grausamen Verwirklichung der dem Angeklagten befohlenen Vergeltungsaktion erbringen zu müssen.
Diese Betrachtungsweise greift zu kurz und ist daher rechtsfehlerhaft. Denn eine derartige Möglichkeit versteht sich nicht von selbst. Aus dem Vergeltungszweck folgte eine besondere Eilbedürftigkeit der „Repressalie“; eine große Zahl von Opfern war vorgesehen; naheliegend – im Urteil auch angedeutet (UA S. 24) – wurde die Gefährdung einer solchen Aktion für den Fall erwartet, daß sie nicht derart versteckt, etwa unmittelbar im Bereich des mitten in der Stadt gelegenen Gefängnisses, durchgeführt worden wäre. All diese Umstände machen, zudem unter Berücksichtigung begrenzter personeller und sachlicher Mittel der für den Vollzug zur Verfügung stehenden Kräfte, die vom Angeklagten erkannte Möglichkeit einer – notwendig nicht nur in Details des Ablaufs der Erschießungsaktion – abweichenden Gestaltung, wie sie das Schwurgericht unbelegt voraussetzt, gerade nicht ohne weiteres vorstellbar.
Damit fehlt es im angefochtenen Urteil am Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit. Ein anderes Mordmerkmal ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Als Totschlag – auch wenn er wegen der Zahl der Opfer und der Begleitumstände der Tat als besonders schwerwiegend zu werten wäre – ist die Tat des Angeklagten bereits bei Anklageerhebung längst verjährt gewesen.

IV.


Gleichwohl ist nicht etwa auf die Revision des Angeklagten – und zugleich nach § 301 StPO auf diejenige der Staatsanwaltschaft – die Freisprechung des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Mordes (vgl. BGHSt 36, 340 f. m.w.N.) durch das Revisionsgericht auszusprechen.
1. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der bislang unterbliebene Beleg einer vom Angeklagten bewußt vernachlässigten Möglichkeit weniger brutaler Durchführung der Tötungshandlungen von einem neuen Tatgericht noch erbracht werden könnte. Sogar zu weitergehenden die Opfer quälenden Begleitumständen der Tat, welche subjektiv zur Erfüllung des Mordmerkmals der Grausamkeit zweifelsfrei ausreichten, sind ergänzende Feststellungen nicht undenkbar. Zudem erscheinen weitere Feststellungen zu vom Angeklagten zu verantwortenden Organisationsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Auswahl der Opfer nicht ausgeschlossen; dies gilt zumal angesichts entsprechender Andeutungen in dem angefochtenen Urteil (UA S. 23, 63/64) über teils besonders junge, möglicherweise auch nicht durchweg im Verdacht der Partisanentätigkeit stehende Gefangene. In diesem Zusammenhang könnte möglicherweise sogar auch eine Erfüllung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe belegt werden.
Dies würde die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung veranlassen. Daneben läge nicht fern, daß die Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft bei der Art des Kapitalverbrechens im Blick auf die in Betracht zu ziehenden Mordmerkmale ungeachtet der ganz ungewöhnlichen Dauer der seit Tatbegehung verstrichenen Zeit gleichfalls Erfolg haben müßte (vgl. BGH StV 2002, 598, 599; BGH, Beschluß vom 16. Mai 2002 – 1 StR 553/01). Jedenfalls käme das Moment, daß mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten im Interesse der Rechtskraft von einer Urteilsaufhebung auf eine
derartige Revision abzusehen ist (vgl. BGHSt 41, 72, 93 f.), bei ohnehin zugunsten des Angeklagten gebotener Urteilsaufhebung nicht zum Tragen.
2. Außergewöhnliche Umstände, die in Fallbesonderheiten und namentlich im hohen Alter des Angeklagten zu finden sind, geben Anlaß, von der bezeichneten üblichen Verfahrensweise abzusehen, vielmehr das Verfahren nunmehr abzubrechen und einzustellen.

a) Das hohe Alter des Angeklagten läßt in absehbarer Zeit eine beträchtliche Minderung seiner Verhandlungsfähigkeit erwarten. Dies macht die Möglichkeit einer notwendig umfassend wiederholten abschließenden Aufklärung des 60 Jahre zurückliegenden Tatgeschehens, die noch weiter als bisher gehen müßte, schon für sich hochgradig unwahrscheinlich (vgl. zu dieser Problematik v. Münch JZ 2004, 184). Eine fallspezifische Besonderheit kommt hinzu:
Käme ein neues Tatgericht zur Feststellung der genannten, eine Freisprechung hindernden gravierenden Erschwerungsgründe, könnte dies weiteren Klärungsbedarf nach sich ziehen. Es wäre nämlich zu prüfen, ob die Tat gerade unter derartigen, die Schrecklichkeit des Tatgeschehens noch verstärkenden Begleitumständen etwa selbst in den Augen der nationalsozialistischen Gewaltherrscher nicht mehr als eine unnachsichtige und strenge, aber vermeintlich noch zu rechtfertigende, jedenfalls ungeahndet hinzunehmende „Vergeltungsaktion“ bewertet worden wäre, sondern als eine verfolgbare und verfolgungswürdige Pflichtwidrigkeit. Für diesen Fall wäre nach den Grundsätzen, die der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs für ein im Herbst 1943 in Caiazzo/Italien begangenes exzessives Kriegsverbrechen im Rahmen von „Partisanenbekämpfung“ für erwägenswert erachtet hat (BGH NJW 1995, 1297 = BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 1), ein Ruhen der Verjährung während der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus in Frage zu stellen. Sofern eine Verfolgung der Tat durch die Militärgerichtsbarkeit auch unter der Herrschaft des Nationalsozialismus für möglich erachtet würde, wäre die am
19. Mai 1944 begangene Tat bereits im Januar 1969 vor Verlängerung der damals noch zwanzigjährigen Verjährungsfrist für Mord verjährt (vgl. BGH aaO).
Der Senat übersieht nicht die Kritik, die hiergegen vor dem Hintergrund fehlender historischer Erkenntnisse über Aktivitäten deutscher Militärgerichtsbarkeit in Fällen der hier in Rede stehenden Art vorgebracht worden ist (vgl. Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002, S. 127 f., 130 ff. m.w.N.). Er verkennt auch nicht das Problem, daß es mit dem Gerechtigkeitsgefühl schwer zu vereinbaren wäre, eine Tat bei Feststellung eines herausgehobenen Schweregrades im Gegensatz zu einem weniger schweren Kapitalverbrechen unverfolgbar zu stellen. Der Senat sähe indes vor dem Hintergrund des Urteils des 2. Strafsenats (aaO im Anschluß an BGHSt 23, 137) keine rechtliche Handhabe, eine solche – gegebenenfalls aufwendige und schwierige – Prüfung der Verjährungsfrage hier abzuschneiden.

b) Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sach- und Rechtslage hält es der Senat insbesondere auch unter den allein mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten bestehenden nurmehr begrenzten Möglichkeiten weiterer Verfahrensförderung und -beschleunigung für ausgeschlossen, daß die Feststellung eines vom Angeklagten verschuldeten Mordes unter gleichzeitiger sicherer Feststellung der Nichtverjährung der Tat in diesem Verfahren noch erbracht werden könnte.
Eine Abwägung der widerstreitenden, jeweils rechtsstaatlich verankerten Belange – Wahrheitsermittlung auf der einen, Vermeidung der Gefahr, den Angeklagten zum bloßen Objekt des Verfahrens zu machen, auf der anderen Seite – gebietet unter den gegebenen Voraussetzungen, von der Anordnung einer Verfahrensfortsetzung abzusehen. Dies gilt verstärkt vor dem Hintergrund, daß mit einer ernstlichen Verfolgung des Angeklagten erst 1995
und damit unbegreiflich spät begonnen wurde, und angesichts eines in jeder Beziehung offenen Ausgangs des Verfahrens.

c) Ein so begründetes Hindernis für die Fortsetzung des Verfahrens ist gegenüber der auf den Strafausspruch beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft schon im Blick auf § 301 StPO vorgreiflich. Der Senat ist bei dieser Sachlage nicht gehindert, die Verurteilung des Angeklagten durch einstimmigen Beschluß nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und das Verfahren einzustellen (vgl. BGHSt 44, 68, 82; BGHR StPO § 349 Abs. 4 Revision der Staatsanwaltschaft 1). Diese sofort angezeigte Entscheidung ist ebenfalls vorrangig gegenüber einem denkbaren Freispruch des Angeklagten, der zur Zeit nicht entscheidungsreif ist (vgl. BGHR StGB § 78b Ruhen 10).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Angesichts dessen, daß der – wegen der Tat in Italien in Abwesenheit zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte – Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Schwurgerichts rechtswidrig und schuldhaft mindestens den Tatbestand eines (an 59 Menschen begangenen) Totschlags erfüllt, sich zudem der strafrechtlichen Verantwortung nach Beendigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gezielt entzogen hatte, hat der Senat Anlaß gesehen zu erwägen, ob von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten jenseits des für ihn erfolgreichen Revisionsverfahrens gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO abzusehen ist (vgl. BGH NJW 1995, 1297, 1301 = BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 1). Da indes als Ergebnis einer potentiellen Verfahrensfortsetzung die Möglichkeit eines Freispruchs nicht sicher auszuschließen wäre, wenn mehr als Totschlag nicht nachweisbar ist, kommt – anders als im Fall eines beson-
ders schlimmen, lediglich gerade deshalb verjährten Mordes, wie in dem vom 2. Strafsenat entschiedenen Fall – hier eine solche Entscheidung letztlich nicht in Betracht.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Schaal

(1) Die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn

1.
gesichert ist, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion anbieten wird, den Verfolgten auf seinen Wunsch zur Vollstreckung in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückzuüberstellen, und
2.
die Tat einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Mitgliedstaat aufweist.
Ein maßgeblicher Bezug der Tat zum ersuchenden Mitgliedstaat liegt in der Regel vor, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist, oder wenn es sich um eine schwere Tat mit typisch grenzüberschreitendem Charakter handelt, die zumindest teilweise auch auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 nicht vor, ist die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung nur zulässig, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 vorliegen und die Tat
2.
keinen maßgeblichen Bezug zum Inland aufweist und
3.
auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht oder bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre, und bei konkreter Abwägung der widerstreitenden Interessen das schutzwürdige Vertrauen des Verfolgten in seine Nichtauslieferung nicht überwiegt.
Ein maßgeblicher Bezug der Tat zum Inland liegt in der Regel vor, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen im Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist. Bei der Abwägung sind insbesondere der Tatvorwurf, die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung und die grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen. Liegt wegen der Tat, die Gegenstand des Auslieferungsersuchens ist, eine Entscheidung einer Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts vor, ein deutsches strafrechtliches Verfahren einzustellen oder nicht einzuleiten, so sind diese Entscheidung und ihre Gründe in die Abwägung mit einzubeziehen; Entsprechendes gilt, wenn ein Gericht das Hauptverfahren eröffnet oder einen Strafbefehl erlassen hat.

(3) Die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafvollstreckung ist nur zulässig, wenn der Verfolgte nach Belehrung zu richterlichem Protokoll zustimmt. § 41 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

Rechtshilfe kann für ein Verfahren in einer strafrechtlichen Angelegenheit durch Vollstreckung einer im Ausland rechtskräftig verhängten Strafe oder sonstigen Sanktion geleistet werden. Der Vierte Teil dieses Gesetzes ist auch auf die Vollstreckung einer Anordnung der Einziehung anzuwenden, die ein nicht für strafrechtliche Angelegenheiten zuständiges Gericht eines ausländischen Staates getroffen hat, sofern der Anordnung eine mit Strafe bedrohte Tat zugrunde liegt.

(1) Die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn

1.
gesichert ist, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion anbieten wird, den Verfolgten auf seinen Wunsch zur Vollstreckung in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zurückzuüberstellen, und
2.
die Tat einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Mitgliedstaat aufweist.
Ein maßgeblicher Bezug der Tat zum ersuchenden Mitgliedstaat liegt in der Regel vor, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist, oder wenn es sich um eine schwere Tat mit typisch grenzüberschreitendem Charakter handelt, die zumindest teilweise auch auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 nicht vor, ist die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafverfolgung nur zulässig, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 vorliegen und die Tat
2.
keinen maßgeblichen Bezug zum Inland aufweist und
3.
auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht oder bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre, und bei konkreter Abwägung der widerstreitenden Interessen das schutzwürdige Vertrauen des Verfolgten in seine Nichtauslieferung nicht überwiegt.
Ein maßgeblicher Bezug der Tat zum Inland liegt in der Regel vor, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen im Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen wurde und der Erfolg zumindest in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist. Bei der Abwägung sind insbesondere der Tatvorwurf, die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung und die grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen. Liegt wegen der Tat, die Gegenstand des Auslieferungsersuchens ist, eine Entscheidung einer Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts vor, ein deutsches strafrechtliches Verfahren einzustellen oder nicht einzuleiten, so sind diese Entscheidung und ihre Gründe in die Abwägung mit einzubeziehen; Entsprechendes gilt, wenn ein Gericht das Hauptverfahren eröffnet oder einen Strafbefehl erlassen hat.

(3) Die Auslieferung eines Deutschen zum Zwecke der Strafvollstreckung ist nur zulässig, wenn der Verfolgte nach Belehrung zu richterlichem Protokoll zustimmt. § 41 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Die Verjährung ruht

1.
bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,
2.
solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen.

(2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem

1.
die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder
2.
eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung).

(3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

(4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt.

(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat

1.
bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,
2.
bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat,
3.
bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder
4.
bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die ersuchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine § 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleichbare Fristenregelung besteht.

(6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 30/05
vom
10. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Mai 2005,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 28. Juli 2004 im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 4. April 2003 wegen Heimtückemordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Aufhebung dieses Urteils durch den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 4. November 2003 (1 StR 395/03) wegen Überschreitens der Urteilsabsetzungsfrist hat das Landgericht unter Anwendung der in der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 30, 105) entwickelten Grundsätze zur außergewöhnlichen Strafmilderung den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet
insbesondere, daß das Landgericht keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt hat. Das Rechtmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen erschoß der Angeklagte, der aus Anatolien stammt, in den Mittagsstunden des 24. August 2002 seinen Landsmann H. Y. , der mit dem Bruder der Ehefrau des Angeklagten an einem Stehtisch eines Imbiß in der Ortsmitte von D. stand, sich unterhielt und Tee trank. Der Angeklagte ging zielstrebig auf die beiden Männer zu, nahm in einer Entfernung von mindestens zwei, höchstens vier Metern seine Hand aus der Tasche, wie wenn er die Anwesenden begrüßen wollte. Er zog jedoch eine in seiner Hosentasche verborgene Pistole heraus und gab sodann mit gestrecktem Arm, die Pistole in Augenhöhe haltend, auf den Kopf desH. Y. zielend, in dichter Folge zwei Schüsse ab, sodann ohne Unterbrechung in Richtung auf den zu Boden sinkenden H. Y. zwei weitere Schüsse schräg nach unten, bevor sich die fünfte Patrone in der Pistole verklemmte. H. Y. verstarb im Niedersinken an den Folgen des ersten Schusses unmittelbar vor den Augen seines ebenfalls anwesenden 11jährigen Sohnes.
Zu seinem Motiv erklärte der Angeklagte, vor einigen Jahren habe eine ihm bekannte Frau gesagt, seine - des Angeklagten Frau - habe mit H. Y. Tee getrunken, während er - der Angeklagte - bei der Arbeit gewesen sei. Vor einigen Wochen, als er von der Arbeit nach Hause gekommen sei, sei H. Y. aus der Wohnung gelaufen, habe ihn dabei weggeschubst, aber kein Wort gesprochen. In der Wohnung hätten auf dem Tisch zwei Teegläser
gestanden. Er sei sich sicher, daß seine Frau und H. Y. ein Verhältnis hätten. Der Angeklagte erklärte zum Tattag, "sein Kopf sei nicht mehr an seinem Platz, er vergesse sehr viel, seit er krank sei". Schließlich erklärte er zu seinem Motiv, es handele sich um eine Sache der Ehre.
2. Die Strafkammer hat eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit trotz des vom psychiatrischen Sachverständigen geäußerten Verdachts einer anhaltenden Störung der Erlebnisverarbeitung in Form einer "überwertigen Idee" einer eifersüchtigen Fehlentwicklung ausgeschlossen und die Tat rechtlich als Heimtückemord gemäß § 211 StGB angesehen. Der Angeklagte habe sich H. Y. , der zu keinem Zeitpunkt mit einer Tätlichkeit, nicht einmal mit einer Beleidigung, rechnete und sich arglos mit seinem Bekannten vor dem Imbiß unterhalten habe, im Bewußtsein dieser Situation genähert und auf ihn aus kurzer Entfernung geschossen, um ihn zu töten. Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen sei nicht feststellbar. Zwar habe der Angeklagte die Tat um seiner Ehre Willen begangen, eine weitere sichere Aufklärung der Motivation sei nicht möglich gewesen. Es komme "lediglich als Motiv ernsthaft in Betracht, daß der Angeklagte subjektiv aufgrund einer überwertigen Idee von einem ehewidrigen Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und H. Y. überzeugt" gewesen sei. Bei dieser Sachlage sei ein Handeln des Angeklagten aus niedrigen Beweggründen nicht feststellbar.
3. Die Strafkammer hat anstelle der zu verhängenden lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Vorliegens außergewöhnlicher Umstände die Strafe dem entsprechend § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen. Dabei sei sich die Kammer bewußt gewesen, daß die hier gegebene Konstellation von den Situationen abweiche, die der Große Senat, aber eben nur bei-
spielhaft und nicht abschließend, für die Verdrängung der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB aufgeführt habe, und daß nicht jeder Entlastungsfaktor,
der etwa nach § 213 StGB zur Annahme eines minder schweren Falles zu führen vermag, ausreiche.
Den Charakter der außergewöhnlichen Umstände bekomme d ie Tat durch die überwertige Idee von einem Verhältnis zwischen seiner Ehefrau und H. Y. , wie sie sich gerade bei diesem Angeklagten entwickelt und ausgeprägt habe. Diese Idee habe sich beim Angeklagten so verfestigt und zugespitzt , daß sich seine Gesundheit in einem mehrwöchigen Zeitraum vor der Tat massiv verschlechtert habe. Neben den bereits vorhandenen Herzerkrankungen habe sich die Zuckerkrankheit des Angeklagten für ihn in hohem Maße ungünstig und damit belastend entwickelt. Er sei mehrere Wochen krank geschrieben , habe dann sogar im Juli zwei Wochen Urlaub genommen, um sich nicht erneut krank schreiben lassen zu müssen, was seiner eigenen Arbeitseinstellung widersprochen habe. Der Angeklagte habe sich somit damals in einer gesundheitlichen Krise, und damit auch in einer persönlichen Krise befunden, indem er seine Männlichkeit - seinen Mann zu stehen zuhause und im Beruf - bedroht gesehen habe; denn er sei mit der Zuckerkrankheit und ihrer Behandlung nicht fertig geworden und habe sein Leben und seine Arbeit nicht mehr in der bisherigen Form fortführen können. Die damit verbundene Verunsicherung seiner männlichen Rolle habe - zumindest nicht ausschließbar - zu einer persönlichen Krise geführt, bei der er - wie der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend zur Psychodynamik ausgeführt habe - die Verunsicherungen projektiv nach außen verlagert haben könnte. Der Sachverständige habe erläutert, daß die tatsächlich erlebte Abnahme der eigenen männlichen Leistungsfähigkeit psychodynamisch die neurotisch-konflikthafte Eifersucht auf den vermeintlichen Nebenbuhler verschärft haben könnte. Der Angeklagte habe aufgrund seiner Herkunft und Prägung praktisch auch kaum eine
Möglichkeit gehabt, Abstand zu der überwertigen Idee zu gewinnen. Er stamme aus einem Land, in dem die Rolle des Mannes besonders hervorgehoben sei und in dem die überkommenen Regeln des Zusammenlebens weiterhin gelten. Bis heute habe der Angeklagte sich nicht von diesen Wertvorstellungen distanziert. Es sei ihm infolge dieses Werte- und Familiengefüges nicht möglich, sich über persönliche Probleme, gerade auch im familiären Bereich, mit Dritten auszutauschen , weder mit seiner Frau noch im Kreis der Verwandtschaft oder der Kollegen, wie dies ein Arbeitskollege und die Personalsachbearbeiterin des Arbeitgebers be-stätigt hätten. Diese mangelnde Kommunikationsfähigkeit resultiere aus der Herkunft des Angeklagten; danach sei es ihm als Mann nicht möglich, mit anderen beispielsweise über mögliche "Verhältnisse", gar sexueller Art, zu reden; ihm werde eine Distanzierung zu seiner Gedankenwelt dadurch erschwert, daß er, wie der Sachverständige erläuterte, zwar keinesfalls schwachsinnig, aber doch eine einfach strukturierte Persönlichkeit mit nicht hoher Intelligenz sei.
Auf der anderen Seite habe die Kammer nicht übersehen, daß die Familie des Opfers, die Ehefrau und drei Kinder, bis heute massiv unter der Tat leide : Die Ehefrau des Opfers habe glaubhaft berichtet, daß bis heute alle drei Kinder, die zur Tatzeit 17, 14 und 11 Jahre alt waren, mit ihr nur in einem Zimmer Schlaf finden könnten und sowohl der Sohn, der Augenzeuge der Tat sein mußte, als auch eine Tochter noch heute in psychologischer Betreuung seien.

II.


Die Wertung der Strafkammer, dies seien außergewöhnliche Umstände, aufgrund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhält-
nismäßig erscheint, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die vom Großen Senat des Bundesgerichtshofs (BGHSt 30, 105) entwickelte Rechtsfolgenlösung trägt dem Umstand Rechnung, daß das Mordmerkmal der Heimtücke auch in Fällen erfüllt sein kann, bei denen die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe wegen des sonstigen Gepräges der Tat das aus dem Grundgesetz abzuleitende Verbot unverhältnismäßigen staatlichen Strafens verletzen würde. Eine abschließende Definition oder eine Aufzählung der außergewöhnlichen Umstände, die in Fällen heimtückischer Tötung zur Verdrängung der lebenslangen Freiheitsstrafe führen können, hat der Große Senat für Strafsachen für unmöglich gehalten, jedoch auf beispielhaft in Betracht kommende Fallkonstellationen hingewiesen. Dazu gehören in großer Verzweiflung begangene oder aus gerechtem Zorn auf Grund einer schweren Provokation verübte Taten, ebenso Taten, die in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben. Allerdings reicht nicht jeder Entlastungsfaktor, der nach § 213 StGB Berücksichtigung finden würde, zur Annahme der Unverhältnismäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe aus. Auf die vom Großen Senat für Strafsachen im Wege verfassungskonformer Rechtsanwendung eröffnete Möglichkeit, anstatt der an sich verwirkten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Strafe aus dem in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Strafrahmen zuzumessen, darf nicht voreilig ausgewichen werden (BGH NStZ 2005, 154; NStZ 2003, 482; 484; NStZ 1984, 20). Vielmehr kann das Gewicht des Mordmerkmals der Heimtücke nur durch Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, so verringert werden, daß jener Grenzfall eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich gemilderter Schuld unverhältnismäßig wäre (vgl. BGH NStZ 1982, 69). Ob die-
se Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Tat sowie der zu ihr hinführenden Umstände zu prüfen (BGH NStZ 1982, 69; BGH NStZ 1984, 20; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 2 und 3). Der Beschluß des Großen Senats für Strafsachen hat nichts daran geändert, daß im Regelfall für eine heimtückisch begangene Tötung auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Durch die Entscheidung wurde nicht allgemein ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle eingeführt. Die in dem Beschluß entwickelten Grundsätze für die Anwendung des gemilderten Strafrahmens betreffen nur solche Fälle, in denen das Täterverschulden soviel geringer ist, daß die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens mißachten würde. Es müssen schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind (vgl. BGH NStZ 1984, 20).
2. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, wird das angefochtene Urteil den von BGHSt 30, 105 aufgestellten Maßstäben nicht gerecht. Das Landgericht hat die von ihm festgestellten objektiven Tatumstände nicht ausreichend in seine Gesamtwürdigung zum Vorliegen von außergewöhnlichen schuldmildernden Umständen einbezogen, sondern hat überwiegend auf die durch die Herkunft und die persönliche Situation geprägte "überwertige Idee" des Angeklagten über das ehewidrige Verhältnis zwischen seiner Frau und H. Y. abgestellt. Es hat in seiner Gesamtwürdigung auch nicht zureichend die normativen Anforderungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt, sondern sich an den Anschauungen und Werten des Angeklagten orientiert, der die sittlichen und rechtlichen Werte
dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGH NStZ 2002, 369 m. w. Nachw.). Die Strafkammer hat sich aufgrund der Aussagen der Zeugen aus der Verwandtschaft des Opfers sowie der Aussage der Ehefrau des Angeklagten selbst davon überzeugt, daß zwischen ihr und H. Y. kein ehewidriges Verhältnis bestand. Sie hatte dem Angeklagten keinen Anlaß zur Eifersucht gegeben, sondern allenfalls gegen die Vorstellung verstoßen, der Kontakt von anderen Männern zu seiner Frau müsse über ihn laufen. Der Angeklagte holte somit aus objektiv nichtigem Anlaß seine Pistole aus dem Keller und entschloß sich, H. Y. in einem Akt der Selbstjustiz zu erschießen, wenn er ihn, wie vermutet, am Imbißstand antreffen würde. Die Tatausführung selbst glich nach der Darstellung des mit dem Tatopfer zusammenstehenden Zeugen einer "Hinrichtung" vor den Augen von dessen 11jährigem Sohn und dessen gleichaltrigem Freund. Angesichts dieses Aktes von Selbstjustiz und der festgestellten objektiven Tatumstände kann von außergewöhnlichen Schuldmilderungsgründen , die zu einer Strafrahmenverschiebung führen können, nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Angeklagte aufgrund seines Lebenszuschnitts und seiner intellektuellen Fähigkeiten in seinen Ehrvorstellungen und Traditionen seiner anatolischen Heimat befangen war, von denen er sich trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht hat lösen können.
3. Keinen Rechtsfehler sieht der Senat allerdings darin, daß das Landgericht neben dem Mordmerkmal der "Heimtücke" nicht auch das Mordmerkmal der "niedrigen Beweggründe" angenommen hat, obwohl der Angeklagte glaubte , zu einem von langer Hand vorbereiteten Akt der Selbstjustiz berechtigt gewesen zu sein. Die Frage, ob eine Tötung aus "niedrigen Beweggründen" erfolgte , ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, bei der die Tat-
motive insgesamt zu berücksichtigen sind; dabei steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 21; Maatz/Wahl, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 531, 552; jeweils m. w. Nachw.). Im Hinblick auf die vom Landgericht festgestellte persönliche Krise und seiner "überwertigen Idee" von einem ehewidrigen Verhältnis seiner Ehefrau ist es revisionsrechtlich noch hinnehmbar, daß das Landgericht die Verurteilung nicht auch auf das Mordmerkmal der Tötung aus sonst "niedrigen Beweggründen" gestützt hat (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32), wenn auch eine andere tatrichterliche Wertung möglich gewesen wäre.
4. Die Sache bedarf zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Wahl Boetticher Kolz Elf Graf
5 StR 508/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 13. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Februar
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt S.
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. März 2006 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenklägerin tragen jeweils die Kosten des eigenen Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten. Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war mit S. –M. , seinem späteren Opfer , zunächst glücklich in zweiter Ehe verheiratet. Es kam jedoch zum Streit, als sich die Geschädigte – auch durch die Aufnahme einer Tätigkeit als Kellnerin – von dem häufiger durch Montagearbeiten abwesenden Angeklagten mehr und mehr distanzierte. Im Zusammenhang mit einem bei seiner Frau gefundenen „Joint“, den ihr ein Arbeitskollege überlassen hatte, reagierte der Angeklagte erstmals aggressiv und handgreiflich. Hierbei war er von dem Gedanken geleitet, seine von ihm geliebte Frau vor schädlichen Einflüssen schützen zu müssen, aber wohl auch von der – begründeten – Sorge, sie alsbald zu verlieren. Die Geschädigte ging anschließend vordergründig zwecks Versöhnung auf den Vorschlag des Angeklagten ein, ihre alte Arbeit aufzugeben und eine neue zu suchen. Als der Angeklagte ein Telefonat des Gaststättenwirts mit der Geschädigten bemerkte und sie daraufhin zur Rede stellte, verbat diese sich eine Kontrolle durch den Angeklagten. Er verwies darauf, dass sie es nicht nötig habe, in der Gaststätte zu arbeiten, da er doch genug Geld verdient habe. Sie holte das bezeichnete Geld aus einem Schrank und gab es ihm mit dem Bemerken, er könne es behalten. Anschließend verschüttete sie Kaffee über den Tisch und wies den Angeklagten mit den Worten „Raus hier, das ist meine Wohnung!“ aus der ehelichen Wohnung. Der Angeklagte – von diesem Sinneswandel völlig überrascht und erschüttert – trat spontan an die Geschädigte heran, fasste mit beiden Händen von vorne um ihren Hals und würgte die Geschädigte, bis der Tod eintrat. In dieser heftigen Gefühlsaufwallung bewegten ihn Wut, Verzweiflung, Verlustängste und möglicherweise auch ein vermeintliches Besitzrecht. Über die Vorstellungen der Geschädigten machte er sich keine Gedanken und realisierte auch nicht, dass der lebensbedrohliche Angriff für die ihm körperlich unterlegene Geschädigte, die keine Möglichkeit zur Abwehr hatte, völlig überraschend kam. Kurze Zeit später stellte sich der Angeklagte der Polizei.
4
Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gewertet und die Annahme von Mordmerkmalen abgelehnt. Es hat ausgeschlossen, dass der Angeklagte eine mögliche Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst ausgenutzt hat, weil ihm insbesondere – wie der Sachverständige näher ausgeführt hat – jeglicher Zugang zur eigenen Aggressivität verschlossen sei. Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen hat die Strafkammer verneint, weil sie nicht festzustellen vermochte, dass ein übersteigertes Besitzdenken Hauptmotiv des Angeklagten gewesen sei.

II.


5
Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.
6
1. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , mit der die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke beanstandet wird, ist unbegründet.
Die Annahme eines Heimtückemordes setzt Feststellungen des Landgerichts voraus, die tragfähig belegen, dass der Angeklagte in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausgenutzt hat, sich also bei Beginn des tödlichen Angriffs bewusst war, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH NStZ 2003, 535; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2006 – 5 StR 468/06). Eben solche Feststellungen hat das Landgericht allerdings nicht getroffen. Im Gegenteil hat es festgestellt, dass dem Angeklagten die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers gerade nicht bewusst war. Der Umstand, dass eine gewisse affektive Erschütterung bei vorsätzlichen Tötungsdelikten der Normalfall ist, stellt diese Feststellung hier nicht in Frage. Zur Begründung hat das Landgericht auf die Ausführungen des Sachverständigen abgestellt, wonach dem Angeklagten jeglicher Zugang zu seiner eigenen feindseligen Haltung fehle und ihm deshalb auch die Bewertung seines aggressiven Verhaltens im Verhältnis zur Geschädigten nicht möglich gewesen sei. Diese Feststellungen beruhen angesichts der Gesamtumstände des Geschehens auf tragfähiger Grundlage.
7
2. Die Revision der Nebenklägerin, die sich gegen die Ablehnung der Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe richtet, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Denn auch die Ablehnung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe begegnet auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts keinen Bedenken.
8
a) Beweggründe sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind und – in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag – als verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2006, 286, 287 m.w.N.).
9
Bei dieser Würdigung steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann. Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden, wenn ein anderes Ergebnis möglich oder gar näher liegend gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 2006, 284, 285; NStZ-RR 2006, 340; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06).
10
b) Nach diesen Kriterien ist die Ablehnung niedriger Beweggründe aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden: Das Landgericht hat die sicher festzustellenden Tatmotive hinreichend gesehen und gewürdigt. Seine Wertung, keines der dominierenden Motive sei in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag verachtenswert, ist nachvollziehbar begründet und gut vertretbar.
11
3. Die Revision des Angeklagten deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die mit der Dauer und Massivität des Würgevorgangs belegte besondere Tatintensität und die objektiv gegebene Argund Wehrlosigkeit des Opfers durften dem Angeklagten, dessen Steuerungsfähigkeit rechtsfehlerfrei als nicht erheblich vermindert angesehen wurde, ebenso angelastet werden wie die überaus egozentrische, damit schon an der Grenze zu niedrigen Beweggründen stehende Tatmotivation. Aufgrund der noch verwertbaren Vorstrafen war er nicht wie ein gänzlich unbestrafter Täter zu beurteilen. Die – eher hoch bemessene – Strafe ist auch sonst aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 195/05
vom
11. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwältin
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 6. Oktober 2004 in Bezug auf den Angeklagten I. mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags sowie wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben
a) in Bezug auf die Angeklagten C. und K. ,
b) in Bezug auf den Angeklagten A. , soweit er verurteilt worden ist. 3. Die weitergehenden Revisionen und die den Angeklagten S. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Revisionen der Nebenkläger werden verworfen. 4. Die Staatskasse hat die Kosten des dem Angeklagten S. betreffenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die diesem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Die Nebenkläger haben die Kosten ihrer die Angeklagten C. , K. und S. betreffenden Rechtsmittel und die diesen Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der den Angeklagten I. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger sowie der die Angeklagten A. C. , und K. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten I. wegen Totschlags, versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren, - den Angeklagten A. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei unter Einbeziehung eines
Urteils des Amtsgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2003 zu der einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten C. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Jugendstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung, - den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, - den Angeklagten S. wegen Totschlags sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren. Den Angeklagten A. hat das Landgericht im Übrigen freigesprochen.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Am Abend des 3. September 2003 gerieten die AngeklagtenI. und A. in der Innenstadt R. s in eine verbale Auseinandersetzung mit den später Geschädigten Ra. , Z. und G. . Sie fühlten sich, insbesondere durch das griechische Schimpfwort "Malaka", so beleidigt, dass sie die Sache nicht auf sich beruhen lassen wollten. Mit den herbeigerufenen Angeklagten C. , K. und S. Verstärkung als traten sie ihren drei Gegnern nach etwa 40 Minuten erneut gegenüber.
S. und I. begannen, S. von vorne und I. von hinten, auf Ra. , der sich nicht ernstlich wehren konnte, mit Fäusten einzuschlagen. Nunmehr entschloss sich I. , ein in seiner Kleidung mitgebrachtes Messer, dessen Existenz den anderen Angeklagten bis dahin nicht bekannt war, zum Einsatz zu bringen. Er stach dem Ra. gezielt und wuchtig in den rechten und mittleren Halsbereich sowie in den linken Rücken. Die Stichverletzungen waren akut lebensgefährlich und hätten ohne eine alsbald durchgeführte Notoperation zum Tode geführt. C. , dem das Ausmaß der dem Ra. zugefügten Verletzungen nicht bewusst war, versetzte diesem noch mindestens vier Faustschläge in den Bereich des Kopfes und des Oberkörpers. I. und S. wandten sich nun dem - völlig betrunkenen und deshalb kampfunfähigen - Z. zu. S. griff wieder von vorne an, I. , der das Messer noch in der Hand hielt, von hinten. I. stach insgesamt sechsmal wuchtig auf den Oberkörper des Z. ein; ein 17 cm tiefer Stich traf direkt in das Herz und führte zu seinem Tod. Während dieses Geschehens hatten K. und A. den etwas seitlich befindlichen G. von vorne und von hinten angegriffen. Während dieses Handgemenges näherte sich zufällig ein Fahrzeug, dessen Insassen auf das Geschehen aufmerksam wurden. K. und A. ließen daraufhin von G. ab und flüchteten. Nunmehr griffen I. , S. und C. ihrerseits G. von drei Seiten an. C. versetzte ihm einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. I. stach ihm mit dem Messer in den Rücken, allerdings erheblich weniger wuchtig als den Ra. und den Z. - Stichtiefe ein Zentimeter -, und trat noch mehrmals auf ihn ein. Anschließend flüchteten auch diese drei Angeklagten.
2. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihren zu Ungunsten der fünf Angeklagten eingelegten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich gegen die Verneinung eines Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten I. und S. , soweit diese (nur) wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil G. verurteilt wurden und gegen die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe bei dem Angeklagten I. . Ferner beanstandet sie, dass die Angeklagten A. , C. und K. nicht jeweils wegen drei (tateinheitlicher) Vergehen der gefährlichen Körperverletzung verurteilt wurden. Mit ihren zum Nachteil der Angeklagten I. , C. , K. und S. eingelegten und ebenfalls auf die Sachrüge gestützten Rechtsmitteln verfolgen die Nebenkläger hinsichtlich des Angeklagten I. die gleichen Ziele wie die Staatsanwaltschaft und rügen zusätzlich die Verneinung des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe auch bei dem Angeklagten S. .

II.

Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, soweit sie die Angeklagten I. , A. C. und K. betreffen, und das den Angeklagten I. betreffende Rechtsmittel der Nebenkläger haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen bleiben die Rechtsmittel erfolglos. 1. Revisionen der Staatsanwaltschaft:
a) Die Verneinung des Mordmerkmals "niedrige Beweggründe" bezüglich der versuchten Tötung des Ra. und der Tötung des Z. durch den Angeklagten I. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH NJW 1995, 3196). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden , wenn ein anderes Ergebnis möglich gewesen wäre. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil jedoch nicht gerecht. Zu Unrecht hat die Kammer bei ihrer Abwägung der Beweggründe des Angeklagten den "Hintergrund seiner kulturellen Herkunft, in der der Begriff der Ehre besonders ausgeprägt ist" einbezogen. Der Maßstab für die Bewertung der Beweggründe ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte außer Stande war, die Bewertung seiner Handlungsantriebe durch die deutsche Rechtsordnung als niedrig nachzuvollziehen , lassen sich den Feststellungen der Kammer nicht entnehmen; solches liegt auch fern. Unabhängig davon weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Annahme, einfache Beleidigungen würden die Tötung von Menschen zu einer Ehrensache machen, auch in fremden Kulturkreisen durchaus fern liegend ist, zumal wenn zwischen dem Anlass und den Taten ein eklatan-
tes Missverhältnis besteht. Dass der Angeklagte durch diese Beleidigungen zu seinen Taten "provoziert" wurde, kann ihn nicht entlasten, denn auch in diesem Fall bestünde ein eklatantes Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung. Die Kammer stellt ferner bei den Erörterungen der Motivlage des Angeklagten darauf ab, es sei "nicht auszuschließen, dass der Angeklagte ... zusätzlich in seiner Hoffnung auf eine Beziehung mit einer Frau enttäuscht worden" sei; diese frustrierende Situation habe dazu geführt, dass er die Beleidigung als überaus kränkend empfunden habe. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich lediglich, dass die Angeklagten I. und A. sich vor dem ersten Zusammentreffen mit den Geschädigten mit zwei Mädchen in einem Restaurant aufgehalten hatten. Die Annahme einer enttäuschten Beziehungserwartung entbehrt daher einer ausreichenden Grundlage und erweist sich als bloße Vermutung. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Vorgänge zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind (vgl. Senat, Urteil vom 31. Mai 2005 - 1 StR 290/04). Unabhängig davon wäre eine derartige enttäuschte Beziehungserwartung kaum geeignet, die Bewertung des Tötungsbeweggrundes als niedrig zu verändern. Schließlich begegnen auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint hat, rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe "seinen Antrieb ... nicht mehr beherrschen" können. Anhaltspunkte hierfür teilt das Urteil jedoch nicht mit. Auch wenn der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgeht - den Tötungsentschluss erst am Tatort gefasst hat, handelte es sich insbesondere nicht um eine kurze Spontantat im Sinne einer wutbedingten "Kurzschlusshandlung", sondern um ein länger andauerndes, mehraktiges Vorgehen gegenüber mehreren Opfern in unter-
schiedlichen Positionen. Selbst wenn der Angeklagte bei den Taten in immer größere Erregung geraten sein sollte, könnte ihn dies nicht entlasten, wenn er sich bewusst von beherrschbaren Gefühlen zu den Taten hätte treiben lassen (vgl. BGH NStZ 2004, 332). Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass nicht nur die von dem Angeklagten begangene Körperverletzung, sondern auch von ihm verwirklichte Tötungsdelikte in Tateinheit mit der ebenfalls verwirklichten Beteiligung an einer Schlägerei stehen würden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2002 - 2 StR 522/01; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 231 Rdn. 17).
b) Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin auch, dass die Jugendkammer die Angeklagten A. und K. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil des Geschädigten G. sowie den Angeklagten C. wegen Körperverletzung nur zum Nachteil der Geschädigten G. und Ra. verurteilt hat. Nach den Feststellungen der Kammer fassten alle fünf Angeklagten den gemeinsamen Entschluss, eine körperliche Auseinandersetzung mit den drei Geschädigten zu suchen. Sie griffen die Geschädigten auch gemeinsam und gleichzeitig mit dem Ruf "Wir machen Euch fertig" an und führten den Angriff arbeitsteilig durch. Danach war die Körperverletzung aller drei Geschädigten von allen Angeklagten mittäterschaftlich gewollt, so dass ihnen die Verletzungen aller drei Opfer - mit Ausnahme der von dem Angeklagten I. mit dem Messer begangenen Exzesse - zuzurechnen sind. Das Urteil bedarf daher auch insoweit der Aufhebung. Der neue Tatrichter wird hier auch nochmals auf die Konkurrenzverhältnisse einzugehen haben. Die Revision meint, trotz der durch das Vorgehen der Angeklagten jeweils verletzten höchstpersönlichen Rechtsgüter sei natürliche Handlungseinheit anzu-
nehmen. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich sind. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss , einheitlicher 9). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden (vgl. BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluß, einheitlicher 2 und 5) oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierten Personenmehrheit gerichteten Angriff (vgl. BGH NJW 1985, 1565), willkürlich und gekünstelt erschiene. Ein solcher Sonderfall wäre hier nach den bisherigen Feststellungen zu verneinen. Wenn die Angeklagten drei Taten der gefährlichen Körperverletzung begangen haben, wird auch Tateinheit zwischen diesen Taten durch eine Klammerwirkung der Beteiligung an einer Schlägerei mangels einer annähernden Wertgleichheit dieser Tat ausscheiden.
c) Im Übrigen haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler - auch nicht zum Nachteil der Angeklagten (§ 301 StPO) - aufgedeckt. Insbesondere erscheint die Verneinung eines Tötungsvorsatzes des Angeklagten I. bezüglich des Geschädigten G. angesichts seines hier anders gearteten Vorgehens vertretbar. Innere Tatsachen wie das Bestehen oder Fehlen des Vorsatzes des Täters können sich gerade aus äußeren
Umständen erschließen (vgl. BGH NStZ 1991, 400). I. hat diesen Geschädigten , der im Gegensatz zu seinen beiden ersten Opfern bereits Angriffen von Mitangeklagten ausgesetzt war, nur einmal und mit deutlich geringerer Wucht in den Rücken gestochen und sodann unter Verzicht auf den weiteren Einsatz des Messers mehrfach auf ihn eingetreten. Aufgrund der unterschiedlichen Abläufe in den Fällen Ra. und Z. einerseits und in dem Falle G. andererseits ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt hat, ob bei I. ein Umschwung im intendierten Verletzungserfolg eingetreten war. 2. Revisionen der Nebenkläger:
a) Soweit sich die Revisionen gegen die Verurteilung der Angeklagten C. und K. richten, sind sie unzulässig, weil die Nebenkläger nicht - was im Hinblick auf § 400 Abs. 1 StPO erforderlich gewesen wäre - angegeben haben, inwieweit das Urteil mit dem Ziel einer Änderung des Schuldspruchs angefochten wird.
b) Die die Angeklagten I. und S. betreffenden Revisionen sind aus den oben zu II. 1. ausgeführten Gründen nur insoweit begründet, als die Nebenkläger rügen, dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten I. niedrige Beweggründe bei der Tötung des Geschädigten Z. und der versuchten Tötung des Geschädigten Ra. verneint hat. Im Übrigen haben sie keinen Rechtsfehler aufgezeigt. Insbesondere hat das Landgericht niedrige Beweggründe des Angeklagten S. tragfähig damit verneint, daß dieser Angeklagte, der lediglich mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, an der Vorgeschichte der Tat nicht beteiligt war, keine eigenen Ziele verfolgte und nur dem Mitangeklagten I. bei dessen vermeintlich berechtigtem Vorgehen zur Seite stehen wollte. Dass das Landgericht den Angeklagten S. be-
züglich des Geschädigten Z. nicht auch wegen tateinheitlich mit dem Totschlag begangener Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt hat - auf diese Tat hat sich schon die Revision der Staatsanwaltschaft nicht erstreckt -, vermag der Senat auch auf die Revisionen der Nebenkläger nicht zu korrigieren, weil die Beteiligung an einer Schlägerei kein Nebenklagedelikt ist. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
1. Das Motiv der "Blutrache" ist regelmäßig als niedriger Beweggrund anzusehen.
Eine Ausnahme kann gelten, wenn dem Täter seinerseits durch
das Opfer mit der Tötung eines nahen Angehörigen erhebliches Leid
zugefügt wurde, das ihn zur Tatzeit noch gravierend belastete.
2. Zur Problematik wiederholten Nachfragens bei einem unverteidigten Angeklagten
, der sich auf sein Schweigerecht beruft und seine Aussagebereitschaft
von einer vorherigen Besprechung mit seinem Verteidiger abhängig
macht.
BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 341/05 – LG Göttingen –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B und Han G wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 18. Januar 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, aa) dass der Angeklagte B G wegen Totschlags und bb) die Angeklagte Han G im Fall A II 4 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Totschlag verurteiltist,
b) im Strafausspruch betreffend dieser Angeklagten aufgehoben ; hiervon ausgenommen ist die gegen Han G im Fall A II 5 der Urteilsgründe (Waffendelikt) verhängte Einzelfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B und Han G sowie die Revision des Angeklagten Has G gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte Has G trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten B und Han G , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Schwurgericht hat die Angeklagten B G und Has G jeweils wegen (gemeinschaftlichen) Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen die Angeklagte Han G hat es wegen Beihilfe zum Mord und wegen unerlaubten Besitzes und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verhängt (Einzelfreiheitsstrafen: sechs Jahre, sechs Monate). Zudem sind ein PKW und verschiedene Waffenteile eingezogen worden; den Angeklagten B und Has G ist jeweils die Fahrerlaubnis – bei einer Sperrfrist von zwei Jahren – entzogen worden. Die Revisionen der Angeklagten B und Han G haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind die Rechtsmittel dieser Angeklagten ebenso unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO) wie die Revision des Angeklagten Has G insgesamt.

I.


Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Ursprung des abgeurteilten Geschehens, der Tötung des H K im Sommer 2003, war ein bislang ungesühntes Tötungsdelikt an Ham G , Ehemann der Han G , Vater des B G und Onkel des Has G . Ham G war im Sommer 1998 nach einer erfolgreichen Versöhnung zwischen den Familien K und G hinterrücks in seinem Auto
erschossen worden, als er gerade – herzlich verabschiedet – vom Haus des H K aufbrach. Zum Tatort war Ham G im Anschluss an das eigentliche Versöhnungstreffen, bei dem das geistliche Oberhaupt der in Deutschland ansässigen Y mitwirkte, zu deren Religionsgemeinschaft beide aus dem türkischen Kurdengebiet stammenden Familien gehören, nur auf den nachdrücklichen Wunsch des H K gekommen. Die Angeklagten vermuteten deshalb, dieser sei der eigentliche Drahtzieher der aus ihrer Sicht besonders niederträchtigen Tötung ihres Verwandten. Diese Tat ist bis heute von der saarländischen Justiz noch nicht aufgeklärt. Nachdem zunächst ein – offensichtlich bewusst vorgeschickter – Jugendlicher die Tat zu Unrecht auf sich genommen hatte und freigesprochen wurde, ist die Sache nach neuerlicher Eröffnung des Hauptverfahrens im Mai 2001 gegen andere Mitglieder der Familie K (darunter allerdings nicht H K ) bis zur Verkündung des angegriffenen Urteils noch nicht terminiert worden. Die als Nebenkläger an jenem Verfahren beteiligten Angehörigen des Getöteten Ham G waren über die fehlende Sühne der Tat zunehmend enttäuscht und fühlten sich von den Behörden im Stich gelassen.
H K lebte seit der Tötung Ham G s mit seiner Familie in steter Furcht vor Racheakten der Familie G : Er wandte sich aus Angst vor Nachstellungen wiederholt an die Polizei, legte dort Aufzeichnungen über eingegangene Drohanrufe vor, beanspruchte Polizeischutz, veräußerte schließlich alsbald nach der Tötung Ham G s seinen Betrieb und siedelte aus Sicherheitsgründen vom Saarland in den Raum Göttingen um. Dort fühlte er sich jedoch ebenfalls beobachtet und verfolgt; er ließ häufig Kennzeichen fremder Fahrzeuge von der Polizei überprüfen und erstattete Anzeige, wenn unbekannte Personen nach seiner Auffassung sein Haus beobachteten. Letztmalig berichtete H K seiner Familie aufgeregt zwei bis drei Wochen vor seiner Tötung, dass ihm ein Fahrzeug mit auffälligem Kennzeichen entgegengekommen sei; den PKW ordnete er der Familie G zu.
Am Tattag wurde H K unmittelbar vor dem eigentlichen Tatgeschehen auf der gesamten Fahrt in seinem PKW von einem Göttinger Krankenhaus, wo er seine Ehefrau besucht hatte, zu seinem Wohnhaus in Reinhausen von den Angeklagten im PKW des Has G verfolgt; B G steuerte dieses Fahrzeug. Aufgrund von Angaben zuvor besuchter Bekannter wähnten die Angeklagten H K auf einem mehrtägigen Besuch in einer anderen Stadt; sie wollten diese Gelegenheit dazu nutzen, die Ehefrau H K s bei einem Krankenhausbesuch durch Han G über den Hintergrund der Tötung Ham G s auszuhorchen. Am Krankenhaus erkannten die Angeklagten zufällig den ihnen verhassten H K ; sie entschlossen sich spontan, die günstige Gelegenheit zu seiner Verfolgung und Tötung zu nutzen. G K , der neunjährige Sohn H K s, der den Vater zusammen mit dessen fünfjähriger Enkelin zu dem Krankenbesuch der Mutter begleitet hatte, machte seinen Vater auf der Rückfahrt mehrfach auf ein ihnen folgendes Fahrzeug aufmerksam. Er wies auch darauf hin, dass der verfolgende PKW sogar rote Ampeln überfahre, um hinter ihnen zu bleiben. H K ließ seine beiden Kinder direkt vor der Tür seines Hauses aussteigen und parkte seinen PKW nach einem Wendemanöver auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Noch während er sich im Fahrzeug befand, wurde er aus dem PKW der Angeklagten heraus von Has G erschossen. Dieser saß auf der Beifahrerseite; hinter ihm saß die Angeklagte Han G . Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen wurden die Angeklagten nach kurzer Flucht zeitnah zur Tat festgenommen. Während sie die eigentliche Tatwaffe zerlegt aus dem Fenster geworfen hatten, verbarg Han G bei ihrer Festnahme am Körper eine weitere scharfe Pistole ihres Sohnes B .
Das Landgericht hat die Tötung H K s als gemeinschaftlichen heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet; die Angeklagten hätten aus dem Motiv der „Blutrache“ gehandelt, was auf moralisch tiefster Stufe stehe.

II.

Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg, während die Sachrügen zum Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zusätzlich des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei B und Han G führen. 1. Zu den verfahrensrechtlichen Beanstandungen sieht der Senat über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus Anlass zu folgenden Bemerkungen:
a) Die Rüge, bei der Vernehmung des neunjährigen Zeugen G K über die von ihm wahrgenommenen Umstände der Tötung seines Vaters H K hätten die nach § 247 Satz 2 Alt. 1 StPO ausgeschlossenen Angeklagten wieder zugelassen werden müssen, weil dies der Zeuge gewünscht habe, geht fehl. Über die Frage, ob von der Vernehmung in Anwesenheit der Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl eines kindlichen Zeugen zu befürchten ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, nicht der kindliche Zeuge zu entscheiden. Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Dass das Schwurgericht den Angeklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, die Vernehmung durch eine Videosimultanübertragung mitzuverfolgen (vgl. hierzu BGHR StPO § 247 Abwesenheit 25; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 247 Rdn. 14a; jeweils m.w.N.), berührt nicht den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund, sondern die Pflicht zur Unterrichtung der aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten. Auch insoweit wäre schon in Ermangelung eines in der Hauptverhandlung gestellten entsprechenden Antrags revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.

b) Im Ansatz zutreffend rügen die Beschwerdeführer einzelne Verhaltensweisen von Ermittlungsbeamten bei der Befragung des Angeklagten B G als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren.
aa) Nach den Feststellungen des Schwurgerichts erklärte B G wiederholt, keine Angaben zur Sache machen, sondern zunächst einen Verteidiger konsultieren zu wollen. Gleichwohl äußerte er sich bis zu seiner Vorführung in drei verschiedenen Situationen gegenüber drei Polizeibeamten zu einzelnen Sachverhaltsfragen:
Zum einen kam es zu einer Spontanäußerung über Schmauchspuren und zu der bei seiner Mutter gefundenen Pistole im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung. Im weiteren Verlauf der Nacht erklärte B G gegenüber dem Polizeibeamten KOK Ku nach erfolgter erneuter Belehrung, er wolle keine Aussage machen, es sei denn, sein Anwalt würde ihm dies empfehlen. Nachdem KOK Ku des ungeachtet fragte, ob sie während weiterer Wartezeit „miteinander sprechen“ könnten, erklärte sich B G bereit, sich mit dem Zeugen zu unterhalten, und berichtete anschließend von seinen persönlichen Verhältnissen und der Vorgeschichte der Tat. Der Zeuge Ku fragte nun nach, ob B G jetzt doch etwas zur Tat sagen wolle. Dieser wiederholte, dass er zur Tat selbst nichts sagen wolle , erklärte aber, dass „getan wurde, was getan werden musste“. Zudem wiederholte B G seine spontanen anfänglichen Angaben zu der bei seiner Mutter gefundenen Waffe.
Auf die ihm aktuell überbrachte neue Information, dass diese Waffe tatsächlich nicht die Tatwaffe sein konnte, fragte der Zeuge Ku den Angeklagten B G nach dem Verbleib der Tatwaffe und betonte dabei eine mögliche Gefährdung spielender Kinder. B G machte dazu deutlich , dass er zu diesem Punkt nichts sagen wolle. Auf weitere Fragen des Zeugen Ku zur Fahrstrecke von Reinhausen bis zur Festnahme machte B G hierzu Angaben. Deren förmliche Protokollierung lehnte er indes ab; statt dessen bat er darum, dass ein namentlich benannter Verteidiger von seiner Festnahme informiert werden sollte. Diese Bitte erfüllte der Zeuge Ku in der Folgezeit nicht.
Am Morgen des Folgetages sollte B G von dem Zeugen KK Be der Haftrichterin vorgeführt werden. Der Zeuge wusste, dass der Angeklagte B G noch ohne Kontakt zu dem benannten Verteidiger gewesen war und keine Angaben machen wollte. Gleichwohl suchte KK Be während der Wartezeit das Gespräch mit ihm. B G machte anschließend erneut Angaben zu seinen Lebensumständen und zur Vorgeschichte der Tat; schließlich erklärte er noch, dass H K ständig mit einem Anschlag auf sein Leben habe rechnen müssen, weil er angerufen und ihm die Möglichkeit eröffnet worden sei, er solle sich selbst erschießen. Vor der Haftrichterin schwieg B G wie auch in der Folgezeit. Erst gegen Ende der Hauptverhandlung hat er sich in einer vorbereitenden Erklärung leugnend zur Sache eingelassen und – wie der Angeklagte Has G – die Tötung einem nicht benannten vierten Familienmitglied angelastet.
bb) Bedenklich erscheint bereits die Frage an B G , ob man nicht „miteinander sprechen“ könne, nachdem sich der Angeklagte gerade nach Belehrung ausdrücklich auf sein Schweigerecht berufen und eventuelle Äußerungen von der vorherigen Konsultation eines Verteidigers abhängig gemacht hatte.
Durch dieses Verhalten könnte bei einem Beschuldigten der fehlerhafte Eindruck hervorgerufen werden (vgl. auch § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO), ein solches bloßes „Gespräch“ unterscheide sich in seiner Verwertbarkeit von einer „förmlichen“ Vernehmung. Dass B G tatsächlich nicht in dieser Weise getäuscht wurde, ergibt sich indes aus seinem differenzierten Aussageverhalten; nach wie vor unterschied er genau, zu welchen Themen er etwas sagen wollte (insbesondere Tatvorgeschichte) und zu welchen nicht (konkrete Tatumstände).
Darüber hinaus kann stetiges Nachfragen ohne zureichenden Grund das Schweigerecht des unverteidigten Beschuldigten entwerten. Nachfragen sind nach ausdrücklicher Ausübung des Schweigerechts zwar dann gänzlich
unproblematisch, wenn – wie hier hinsichtlich der Tatwaffe und der davon ausgehenden Fremdgefährdung – neue Informationen erlangt werden, zu denen sich der Beschuldigte noch nicht positionieren konnte, eine neue prozessuale Situation eingetreten oder eine gewisse Zeitspanne verstrichen ist, in denen sich die Auffassung des Beschuldigten geändert haben kann. Jenseits solcher neuer Umstände oder eines möglichen Sinneswandels darf das Schweigerecht jedenfalls bei einem unverteidigten Beschuldigten nicht dadurch missachtet werden, dass beständig auf verschiedenen Wegen versucht wird, den Beschuldigten doch noch zu Angaben in der Sache zu bringen.
cc) Erst recht bedenklich sind beharrliche Nachfragen gegenüber einem Beschuldigten, der sich zur Frage einer Aussage zunächst mit einem von ihm benannten Verteidiger besprechen und bis dahin schweigen will, wenn die Benachrichtigung dieses Verteidigers unterbleibt.
Zwar sieht der Senat auch in Konstellationen wie der vorliegenden keinen Anlass für ein Innehalten mit einer Vernehmung des Beschuldigten bis zur Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. BGHSt 47, 233, 235 ff.; vgl. aber auch BGHSt 47, 172, 176 ff.; BGH, Beschl. vom 18. und 19. Oktober 2005 – 1 StR 114/05 und 117/05). Der Wunsch des Beschuldigten nach Rücksprache mit seinem Verteidiger zur Erörterung der Frage, ob eine Einlassung erfolgen soll oder nicht, darf aber nicht durch ständige Nachfrage missachtet werden, ohne dass dem Wunsch nach Benachrichtigung eines benannten Verteidigers zuvor nachgekommen wird. Die Besprechung mit einem Verteidiger soll dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnen, sich in der für seine Verteidigung höchst bedeutsamen Frage, ob er aussagen will oder nicht, mit einem Verteidiger zu beraten (BGHSt 38, 372, 373). Bittet ein Beschuldigter, der seine Aussagebereitschaft an die vorherige Konsultation eines Verteidigers knüpft, ausdrücklich um Benachrichtigung eines benannten Verteidigers, darf nicht weiter in den Beschuldigten gedrungen werden, wenn die erbetene Benachrichtigung nicht erfolgt (vgl. auch BGHSt 42, 15,
19; 38, 372, 373 einerseits, BGHSt 42, 170, 171 f. andererseits). Das Schweigerecht des Beschuldigten würde missachtet, wenn – wie hier vor dem Haftrichtertermin – ein benannter Verteidiger nicht informiert, sondern stattdessen ein Beschuldigter ohne ergänzende Hinweise weiter befragt wird, obgleich er zuvor ausdrücklich erklärt hat, er wolle ohne vorherige Konsultation seines Verteidigers nichts sagen.
dd) Ob das danach im Ausgangspunkt zu Recht beanstandete Vorgehen der Ermittlungsbeamten nach entsprechendem Widerspruch in der Hauptverhandlung angesichts der differenzierten Reaktionen des befragten Beschuldigten, die für eine zutreffende Einschätzung der Verwertbarkeit seiner Äußerungen sprechen, zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der auf diese Weise erlangten Angaben führen würde und ob sich hierauf gegebenenfalls auch Mitbeschuldigte berufen könnten (vgl. dazu BGHR StPO § 136 Belehrung 5; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 136 Rdn. 20 m.w.N.), kann letztlich offen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf diesen Angaben B G s im Ermittlungsverfahren beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).
Die Angaben B G s hat das Schwurgericht lediglich an solchen Stellen der Beweisführung verwertet, die nichts mit der eigentlichen Tatbegehung zu tun haben oder in anderer Weise von B G oder anderen Zeugen hinreichend bestätigt wurden. Dass H K vom neben ihm sitzenden Beifahrer erschossen wurde, als B G den PKW seines Cousins führte, hat B G in der Hauptverhandlung selbst zugegeben. Diese Aussage korrespondiert mit weiteren Zeugenaussagen. Zur Widerlegung der gegen Ende der Hauptverhandlung erstmals vorgebrachten wenig detailreichen Angaben B und Has G s zu einem angeblichen vierten Familienmitglied, das unvorhersehbar spontan und ohne Billigung der übrigen Fahrzeuginsassen H K erschossen habe, und zur Überzeugungsbildung von der gemeinschaftlichen Tötung H K s unter Beteiligung von Han G hat das Schwurgericht nicht auf die Angaben
B G s im Ermittlungsverfahren, sondern auf mehrere Aussagen geschehensnaher Zeugen, das Spurenbild im PKW der Angeklagten, ihre Einlassungen in der Hauptverhandlung zum Tatgeschehen und die Feststellungen zur tatnahen Festnahme zurückgegriffen.
Dass die bei seiner Mutter gefundene Pistole ihm gehört, hat B G auch in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung angegeben. Die weiteren Angaben B G s zur Vorgeschichte der Tat, zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Fahrstrecke waren, soweit die entsprechenden Feststellungen die Angeklagten überhaupt be- und nicht entlasten, angesichts weiterer Beweismittel für die Beweiswürdigung ersichtlich entbehrlich.
2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Mordmerkmals der Heimtücke bei allen Angeklagten und zur Aufhebung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G .

a) Die Feststellungen des Schwurgerichts belegen eine heimtückische Tötung nicht.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist der Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen, gar mit einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet. Diese Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles (vgl. BGHSt 48, 207, 210 m.w.N.). Heimtückisch handelt nur, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat ausnutzt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter sich bewusst ist, einen ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen, und dass er diese Situation in ihrer Bedeutung für die Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11).
bb) Nach diesen Kriterien hält die Annahme einer heimtückischen Tötung revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand:
H K rechnete seit geraumer Zeit ernsthaft und begründet mit einem Anschlag auf sein Leben. Deshalb hatte er seine Firma mit Verlust verkauft und war in ein anderes Bundesland umgezogen. Auch noch kurz vor der Tat war er stets misstrauisch und besorgt, wenn ihm in seiner Wohnumgebung fremde Fahrzeuge auffielen. Vor diesem ganz besonderen Hintergrund – einer wesentliche Teile des Lebens bestimmenden jahrelangen Angst vor einem tödlichen Anschlag – durfte sich das Landgericht hinsichtlich der festgestellten wiederholten und eindrücklichen Warnungen H K s durch seinen Sohn vor der Verfolgung durch einen fremden PKW unmittelbar vor der Tat nicht mit der Erwägung begnügen, aus seinen beschwichtigenden Äußerungen gegenüber seinem Sohn G ergebe sich, dass er selbst arglos gewesen sei. Denn dabei hat das Schwurgericht die nahe liegende Möglichkeit außer Acht gelassen (vgl. hierzu BGHSt 25, 365, 367), dass solche Beschwichtigungen gegenüber Kindern gerade auch von tatsächlich besorgten Eltern geäußert werden können, die ihre Kinder damit lediglich in Sicherheit wiegen und beruhigen wollen (vgl. Mosbacher NStZ 2005, 690, 691). In diesem Zusammenhang blieb zudem die Aussage G K s unberücksichtigt, wonach sein Vater mit erheblicher Geschwindigkeit unmittelbar vor die Haustür gefahren sei, um dort zunächst die Kinder mit der Aufforderung aussteigen zu lassen, schnell ins Haus zu laufen (UA S. 153); dies spricht dafür, dass H K die Kinder deshalb in Sicherheit bringen wollte, weil er die Gefahr erkannt hatte.
Bei Berücksichtigung dieser vom Schwurgericht vernachlässigten gewichtigen Umstände, die gegen die Annahme von Arglosigkeit sprechen, vermögen die tatrichterlichen Feststellungen zum Verhalten des Opfers unmittelbar vor Abgabe der tödlichen Schüsse – Abstellen des Fahrzeugs und Abziehen des Fahrzeugschlüssels – alleine die Annahme von Heimtücke nicht tragfähig zu belegen; solches Verhalten kann unter Berücksichtigung
der besonderen Umstände des vorliegenden Falls auch als nicht besonders überlegtes, eher kopfloses Verhalten eines angstbesetzten Verfolgten gesehen werden.
Abgesehen davon ist auch die subjektive Seite einer heimtückischen Tötung nicht rechtsfehlerfrei belegt. Die Angeklagten können nach den Feststellungen zu ihrer spontanen Verfolgungsfahrt vom Krankenhaus bis zum Wohnhaus ihres Opfers angesichts der Drohungen im Vorfeld kaum davon ausgegangen sein, dass diese Verfolgung unbemerkt und H K arglos geblieben ist.
Der Senat schließt angesichts der Gegebenheiten des vorliegenden Falls aus, dass weitergehende Feststellungen möglich sind, die zur tragfähigen Annahme von Heimtücke führen könnten; dieses Mordmerkmal hat demnach zu entfallen.

b) Bei den Angeklagten B und Han G begegnet auch die Annahme niedriger Beweggründe auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen durchgreifenden Bedenken. Der Verweis des Schwurgerichts auf das als niedrig zu bewertende Motiv der „Blutrache“ greift bei diesen Angeklagten zu kurz.
aa) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft
nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 41 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14 ff.).
Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16, 22, 23, 28, 30, 36; BGH NStZ 1995, 181; BGH StV 2001, 228, 229). Beruhen diese tatauslösenden und tatbestimmenden Gefühlsregungen dagegen auf dem (berechtigten) Gefühl erlittenen schweren Unrechts und entbehren sie damit nicht eines beachtlichen , jedenfalls einleuchtenden Grundes, spricht dies gegen eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 30, 32). Schwerwiegende Kränkungen durch das Opfer, die das Gemüt des Betroffenen immer wieder heftig bewegen , können sogar im Fall heimtückischer Tötung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unangebracht sein lassen (vgl. Großer Senat BGHSt 30, 105, 119; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
bb) Eine Tötung aus dem Motiv der „Blutrache“ ist in aller Regel deshalb als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen, weil sich der Täter dabei seiner persönlichen Ehre und der Familienehre wegen gleichsam als Vollstrecker eines von ihm und seiner Familie gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen erhebt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 29; Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 422 ff.; vgl. zu Tötungen aus „Blutrache“ auch BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH, StV 1998, 130; BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98; BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04). Ein niedriger Beweggrund wird in aller Regel in denjenigen Fällen von „Blutrache“ ohne weiteres anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder in denen ein Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten eines anderen
Sippenangehörigen, an dem ihn keine persönliche Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als Vergeltung für ein als ehrenwidrig bewertetes Verhalten, das indes seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren Verletzung einer anderen Person bestand, wird regelmäßig als niedrig zu bewerten sein. Eine differenzierte Betrachtung ist hingegen insbesondere dann geboten , wenn mit der „Blutrache“ – wie hier – Vergeltung an jemandem geübt wird, der seinerseits nachvollziehbar als schuldig an der Tötung eines anderen Menschen erachtet wird.
Allgemein darf die Bezeichnung eines Motivs als „Blutrache“ nämlich nicht die notwendige differenzierte Betrachtung des tatsächlichen Geschehens ersetzen (vgl. Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 424). Bei allgemein motivierten Tötungsantrieben wie Wut, Zorn, Hass oder Verzweiflung kann die Gefahr bestehen, dass sie fälschlich einer mit Selbstverständlichkeit als niedrig zu bewertenden Blutrache zugeordnet werden, obgleich die Niedrigkeit am Maßstab der inländischen Werteordnung zu verneinen wäre (vgl. Nehm aaO).
Gerade bei dem Verlust naher Angehöriger durch eine Gewalttat sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten (BGH, Urt. vom 28. August 1979 – 1 StR 282/79; BGH StV 1998, 130; vgl. aber auch Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 86 f.). Hat der Täter aus persönlichen Motiven aufgrund schwerer Kränkung durch Tötung eines ihm besonders nahe stehenden Angehörigen gehandelt , ist diese Form von „Selbstjustiz“ zwar keineswegs billigenswert (vgl. BGH StV 1998, 130; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 28; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7). Die Tat kann aber auch nicht nur deshalb als besonders verwerflich eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache“ bis heute relevant ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14b). Es ist also danach zu differenzieren, ob der Angeklagte tatsächlich allein aus einem ersichtlich nicht billigenswerten Motiv der „Blutrache“, und damit aus niedri-
gen Beweggründen, oder aus einer besonderen Belastungssituation infolge des Verlustes seiner wesentlichen Bezugsperson bzw. aus ähnlichen, nicht per se niedrigen Motiven heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. vom 24. Juni 1998 – 3 StR 219/98).
cc) Ob ein durch Tötung naher Angehöriger zugefügtes Leid auch jenseits von Spontantaten (hierzu Schneider aaO Rdn. 87) derart erheblich ist, dass der Beweggrund insgesamt nicht mehr als besonders verwerflich und verachtenswert erscheint, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Maßstab sind insbesondere Gewicht und nähere Umstände der Vortat (vgl. BGH StV 1998, 130), u. U. deren strafjustizelle Aufarbeitung, Näheverhältnis zum Getöteten (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), Grad fortdauernder persönlicher Betroffenheit (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. vom 23. März 2004 – 4 StR 466/03 und 9/04) und konkrete objektive Umstände der Tötung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7).
dd) Nach diesen Kriterien ist die Annahme niedriger Beweggründe bei den Angeklagten B und Han G nicht tragfähig begründet. B G ist der älteste Sohn des auf besonders niederträchtige Weise ermordeten Ham G und muss sich, seit er 20 Jahre alt ist, als Familienoberhaupt maßgeblich um seine Mutter und weitere fünf Geschwister kümmern. Er war – wie Han G – davon überzeugt, dass H K für diesen Anschlag verantwortlich war, weil dieser durch nachdrückliches Zureden Ham G erst dazu gebracht hatte, nach einer Versöhnungszeremonie zum späteren Tatort zu fahren. Trotz der inzwischen vergangenen Zeit war in der Familie des Ermordeten, die auch aufgrund dieser Tat bis jetzt in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zusammenlebt, der Schmerz über die Tat noch deutlich gegenwärtig: die Tötung Ham G s war ständiges Gesprächsthema und insbesondere Han G war davon noch stark emotional betroffen. Die Tat blieb bislang ungesühnt. Der konkrete Entschluss zur Tötung H K s entstand spontan aus der Situation eines zufälligen Treffens am Göttinger Krankenhaus. Angesichts dieser besonderen Umstän-
de entbehrt die Wertung des Landgerichts, auch die Angeklagten B und Han G hätten allein aus einem als niedrig anzusehenden Motiv der „Blutrache“ gehandelt, einer tragfähigen Grundlage.
Der Senat schließt aus, dass eine solche angesichts der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen noch gefunden werden könnte.

c) Anders verhält es sich allerdings mit dem Angeklagten Has G , der die tödlichen Schüsse auf H K abgegeben hat. Bei ihm hat das Schwurgericht – anders als bei den noch akut unter den Auswirkungen der Tötung Ham G s leidenden Han und B G – keine eigene besonders gravierende persönliche Betroffenheit durch den Tod seines Onkels festgestellt, die über die Verletzung der „Familienehre“ maßgeblich hinausgereicht hätte. Hierfür spricht nicht nur der im Vergleich zu Han und B G fernere Verwandtschaftsgrad zum Getöteten Ham G ; dabei handelt es sich um ein Kriterium, das auch nach Auffassung des Gesetzgebers bei der rechtlichen Bewertung der Betroffenheit von einem Tötungsdelikt erheblich ist (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Hinzu kommt die räumliche Entfernung von der Familie des getöteten Ham G : Der Angeklagte Has G lebt seit Jahren in Niedersachsen, während die Familie von Ham G seit vielen Jahren im Saarland ansässig ist. In seiner wirtschaftlichen Existenz war der als Unternehmer erfolgreiche Angeklagte Has G ebenfalls nicht vom Tode Ham G s betroffen. Aufgrund dieser weit größeren räumlichen, familiären und wirtschaftlichen Distanz zum Tode Ham G s erscheint bei Has G das Verhältnis zwischen Anlass und Tat in deutlich weiter reichendem Maße als beim Totschlag verachtenswert und damit niedrig (vgl. auch BGH NStZ 2004, 34); (nur) bei ihm kommen diejenigen Gesichtspunkte zum Tragen, die das Motiv der „Blutrache“ in aller Regel als niedrigen Beweggrund kennzeichnen.
3. Die tatrichterliche Wertung, Han G habe eine Beihilfe zur Tötung H K s begangen, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Das Schwurgericht hat seine Feststellung, die Angeklagte habe ihren Sohn und ihren Neffen bei der Tötung H K s zumindest psychisch unterstützt und hierdurch eine Beihilfe zu deren Tat geleistet, auf eine Gesamtschau aller wesentlichen Umstände gestützt. Auf eine aktive Beihilfehandlung durch mitbestimmenden Einfluss auf das Fahrtziel und den spontanen Tatplan konnte das Schwurgericht vor dem Hintergrund der engen familiären Verbundenheit aus dem besonderen Interesse der Angeklagten an einer Sühne der Ermordung ihres Ehemanns, aus der Tatsache, dass sie das vorherige Reiseziel (Besuch im Krankenhaus) wesentlich bestimmt hatte, und aus ihrem Verhalten bei der Verfolgung durch die Polizei (Verbergen einer Pistole ihres Sohnes am Körper) schließen. Diese Schlussfolgerung beruht auf einer tragfähigen rationalen Grundlage und ist im vorliegenden Fall nicht nur möglich, sondern naheliegend; sie ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Erwägungen des Schwurgerichts über die „Sitzposition“ der Angeklagten in diesem Zusammenhang für sich gesehen weniger überzeugen; die Angeklagte konnte angesichts des spontanen Verfolgungsentschlusses bei Fahrtantritt kaum davon ausgehen, dass H K gerade – wie später geschehen – auf der Beifahrerseite erschossen werde.

III.


Im Ergebnis hat der Wegfall eines Teils der vom Schwurgericht herangezogenen Mordmerkmale folgende Auswirkungen:
1. Nach Wegfall des Mordmerkmals der Heimtücke bleibt Has G wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; B G ist dagegen als Mittäter des gemeinsam ins Werk ge-
setzten Tötungsgeschehens wegen Totschlags schuldig (vgl. auch BGHSt 36, 231). Die Angeklagte Han G hat eine Beihilfe zur gemeinschaftlichen Tötung von H K begangen, die sich für Has G als Mord aus niedrigen Beweggründen, für B G als Totschlag darstellt. Danach ist die Angeklagte Han G lediglich wegen einer Beihilfe zum Totschlag zu bestrafen.
Wegen Beihilfe zu einem vom Angeklagten Has G begangenen Mord könnte Han G allenfalls dann verurteilt werden, wenn sie als Gehilfin ihren Tatbeitrag in Kenntnis der niedrigen Beweggründe Has G s erbracht hätte (vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N., insoweit in BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 33 nicht abgedruckt). Dass Han G selbst aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat, schließt der Senat wie beim Angeklagten B G aus (s. o.). Die Feststellungen des Schwurgerichts legen zudem nahe, dass die in bäuerlichen Verhältnissen aufgewachsene, des Lesens und Schreibens nicht mächtige, kaum deutsch sprechende und deshalb ganz besonders in ihrem Kulturkreis verhaftete Angeklagte Han G die zur Niedrigkeit der Tötungshandlung des Has G führenden bestimmenden Wertungsgesichtspunkte in ihrem Bedeutungsgehalt geistig nicht nachvollziehen konnte. Auf dieser Grundlage lässt sich der notwendige Vorsatzbezug zum Mordmerkmal des Haupttäters letztlich nicht tragfähig begründen. Da weitergehende Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch auf Beihilfe zum Totschlag (§ 354 Abs. 1 StPO).
2. Deshalb kann dahinstehen, ob es sich bei den täterbezogenen Mordmerkmalen um strafschärfende besondere persönliche Merkmale im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB und nicht um strafbegründende im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB handelt:

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs stehen Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) nicht
im Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation zueinander, vielmehr bilden sie danach zwei selbständige Tatbestände (st. Rspr. seit BGHSt 1, 368; zuletzt ausführlich BGH NStZ 2005, 381 m.w.N.). Weil die Mordmerkmale des § 211 StGB nach dieser Auffassung die Strafbarkeit im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB begründen, scheidet eine Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB aus. Für den Schuldspruch des Teilnehmers kommt es demnach nicht auf seinen Tatbeitrag, sondern zunächst darauf an, ob der Haupttäter Mordmerkmale verwirklicht oder nicht. Bei täterbezogenen Mordmerkmalen wie den vorliegend in Rede stehenden niedrigen Beweggründen ist nach der bisherigen Rechtsprechung ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord auch dann geboten, wenn der Teilnehmer selbst kein derartiges Mordmerkmal verwirklicht, solange er hinsichtlich der niedrigen Beweggründe des anderen Teils vorsätzlich handelt. Dem Teilnehmer kommt in diesen Fällen allerdings die Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zugute.

b) Demgegenüber versteht die Gegenauffassung (soweit ersichtlich ausnahmslos die gesamte Literatur, vgl. nur Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vor §§ 211 ff. Rdn. 3; Jähnke in LK 11. Aufl. Vor § 211 Rdn. 39; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. Vor § 211 Rdn. 22; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 135 ff.; je m.w.N.) das Verhältnis zwischen den Tatbeständen Mord und Totschlag als Verhältnis von Qualifikation und Grunddelikt. Die täterbezogenen Mordmerkmale sind demnach nicht strafbegründend im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB, sondern strafschärfend gemäß § 28 Abs. 2 StGB. Dies hat zur Folge, dass der Teilnehmer, der selbst kein Mordmerkmal erfüllt, bei einem täterbezogenen Mordmerkmal des Haupttäters wie dem Handeln aus niedrigen Beweggründen nur wegen Teilnahme zum Totschlag schuldig gesprochen werden kann; seine Strafe ist in diesem Fall dem – ggf. nach § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten – Strafrahmen des § 212 StGB zu entnehmen.

c) Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis von Mord und Totschlag werden gewichtige Argumente entgegen-
gehalten: Sie führe zu schwer überbrückbaren Wertungswidersprüchen und unausgewogenen Ergebnissen, widerspreche der sonst üblichen Systematik und sei unnötig kompliziert (vgl. zuletzt nur Puppe, JZ 2005, 902 ff.; Jäger JR 2005, 477, 479 f.; ausführlich etwa Küper JZ 1991, 761 ff., 862 ff. und 910 ff.; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 138 ff.; je m.w.N.; vgl. aus der Rechtsprechung nur: BGHSt 6, 329 und 36, 231 [Mittäterschaft]; BGHSt 23, 39 [gekreuzte Mordmerkmale]; BGH NStZ 2006, 34, und BGH, Urteil vom 24. November 2005 – 4 StR 243/05 [Sperrwirkung der Strafrahmenuntergrenze für Beihilfe zum Totschlag]).
Probleme der bisherigen Rechtsprechung werden am vorliegenden Fall besonders anschaulich: Die gemeinschaftlich durch Has und B G begangene Tötung H K s kann schwerlich als Verwirklichung zweierlei verschiedenen Unrechts und zweier selbständiger Tatbestände verstanden werden, sondern stellt sich als ein Tötungsunrecht im Sinne von § 212 StGB dar, zu dem lediglich bei einem der Täter mit dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe besonders erschwerende persönliche Umstände (vgl. § 28 Abs. 2 StGB) hinzukommen; ein solches Verhältnis entspricht nach der üblichen Systematik demjenigen zwischen Grunddelikt und Qualifikation. Dies wird besonders deutlich, wenn es um die Bewertung des Tatbeitrags von Han G geht: Ihre Unterstützung der gemeinschaftlichen Tötung H K s lässt sich nicht künstlich in eine objektive Beihilfe zum Mord durch Has G und eine (hierzu tateinheitliche) objektive Beihilfe zum Totschlag durch B G aufspalten.

IV.


Wegen der neuen Schuldsprüche bedarf die Bemessung der Strafen für B und Han G für das Tötungsdelikt und die Beihilfe hierzu erneuter schwurgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen. Der neue Tatrichter wird hierzu allenfalls solche ergänzenden Feststellungen treffen können, die den bisherigen nicht widersprechen.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen
Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen
Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen
(Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek
"La Belle" im Jahre 1986).
BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - LG Berlin
5 StR 306/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 15. und 24. Juni 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof K ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof F
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ko ,
Rechtsanwalt L
als Verteidiger des Angeklagten C ,
Rechtsanwalt P ,
Rechtsanwalt Ka
als Verteidiger des Angeklagten A C ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin Kr
als Verteidigerinnen der Angeklagten V C ,
Rechtsanwalt Kl ,
Rechtsanwalt Li ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Angeklagten E ,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwältin W
als Verteidiger der Angeklagten H ,
Rechtsanwältin B ,
Rechtsanwalt D ,
Rechtsanwalt Eh ,
Rechtsanwalt Fo ,
Rechtsanwalt Fr ,
Rechtsanwalt Ga ,
Rechtsanwalt Gr ,
Rechtsanwalt Groe ,
Rechtsanwalt Gro ,
Rechtsanwalt Hi ,
Rechtsanwalt Ho ,
Rechtsanwalt Kar ,
Rechtsanwalt Kö ,
Rechtsanwalt La ,
Rechtsanwältin Le ,
Rechtsanwalt Lei ,
Rechtsanwalt M ,
Rechtsanwalt Mü ,
Rechtsanwalt N ,
Rechtsanwältin Pl ,
Rechtsanwalt Plö ,
Rechtsanwalt Ro ,
Rechtsanwalt Sc ,
Rechtsanwalt Sch ,
Rechtsanwalt Schu ,
Rechtsanwältin Se ,
Rechtsanwalt Wa ,
Rechtsanwalt We ,
Rechtsanwältin Wo ,
Rechtsanwalt Wol ,
Rechtsanwalt Wr
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte Re ,
Justizangestellte Wah
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
am 24. Juni 2004 für Recht erkannt:
Die Revisionen 1. der Staatsanwaltschaft, 2. der beschwerdeführenden Nebenkläger Ba , Be , Br , Ed , El , Fre , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sowie 3. der Angeklagten V C , A C , C und E gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. November 2001 werden verworfen.
Die Angeklagten V C , A C , C und E tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den nicht beschwerdeführenden Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen. Die beschwerdeführenden Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Der Nebenkläger Br trägt die durch sein Rechtsmittel der Angeklagten H entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte V C wegen (gemeinschaftlich begangenen) dreifachen Mordes in Tateinheit mit 104fachem ver- suchten Mord und vorsätzlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie die Angeklagten A C , C und E wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt; die Angeklagte H hat es freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren – auch mit Verfahrensrügen begründeten – Revisionen in der Sache dagegen , daß die Angeklagten A C , C und E nicht wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an der Tat verurteilt worden sind, daß der Angeklagten V C eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit strafmildernd zugute gehalten und bei keinem der Angeklagten das weitere Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen worden ist; die Staatsanwaltschaft erstrebt letztlich eine Verurteilung dieser vier Angeklagten zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Nebenkläger wenden sich mit unterschiedlichen Anträgen ebenfalls gegen die unterbliebene mittäterschaftliche Verurteilung. Ferner wird von einem Nebenkläger der Freispruch der Angeklagten H angefochten. Auch die verurteilten Angeklagten haben Revisionen eingelegt.
Alle Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

A.

Sachverhalt
Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden seit Januar 1986 wachsende Spannungen zwischen den USA und Libyen. Etwa Mitte März 1986 beauftragten libysche Dienststellen das in Ost-Berlin gelegene „Libysche Volksbüro“ (die für die DDR zuständige libysche Auslandsvertretung , im folgenden: LVB), in Deutschland Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen zu begehen.
Zunächst wurde im LVB geplant, einen amerikanischen Bus, der täglich – mit amerikanischen Soldaten besetzt – zwischen West- und Ost-Berlin verkehrte, auf Ost-Berliner Gebiet mit Waffen anzugreifen. Der Angeklagte C war Mitglied der palästinensischen Terrororganisation PFLP-GC und am LVB als sogenannter technischer Mitarbeiter akkreditiert. Er wurde in diese Planung mit eingebunden; sein Diplomatenfahrzeug sollte bei dem Anschlag eingesetzt werden. Der Angeklagte E hielt sich 1985 und 1986 in Ost-Berlin auf. Er war Angestellter des libyschen Propagandaministeriums sowie Mitglied sogenannter Revolutionskomitees. Er hatte häufiger Kontakt zum LVB und lernte dabei den Angeklagten C kennen. Ohne selbst in den Anschlagsplan eingebunden zu sein, wußte er davon und unternahm nichts dagegen. Der Angeklagte A C lebte seit 1976 in West-Berlin. Er wurde 1982 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben und hatte die Aufgabe, insbesondere über Araber in West-Berlin Informationen zu beschaffen. Über seine Treffen mit den Angeklagten C und E , auch über geplante Aktionen gegen Amerikaner , berichtete er seinem Führungsoffizier. Vermutlich wegen der daraufhin vom MfS veranlaßten Überwachungsmaßnahmen wurde der Plan, einen Anschlag auf den amerikanischen Bus in Ost-Berlin zu verüben, aufgegeben.
Spätestens am 19. März 1986 wurde stattdessen der Plan entwickelt, denselben Bus in West-Berlin mit Waffen anzugreifen. Zur Vorbereitung einer solchen Tat transportierte der Angeklagte C gemeinsam mit einem im LVB tätigen diplomatischen Kurier Pistolen und Handgranaten von Ost- nach West-Berlin. Die Angeklagten C , A C und E nahmen an einem Gespräch über Einzelheiten des geplanten Anschlags teil. Wegen der Weigerung des hieran beteiligten, der PFLP-GC nahestehenden A J , an der Tat mitzuwirken, wurde auch dieser Plan im LVB nicht weiter verfolgt. Die Angelegenheit fand durch den Rücktransport der Waffen einen tatsächlichen Abschluß.
Zwischen dem 20. und 25. März 1986 sahen sich die Angeklagten E und A C gemeinsam mit dem der PFLP-GC nahestehenden I M in West-Berlin befindliche amerikanische Einrichtungen an, um aufzuklären , ob sie für einen Anschlag in Betracht kamen. Diese Objekte wurden jedoch von den im LVB tätigen Diplomaten A K und A E als potentielle Anschlagsziele verworfen.
Den weiteren Geschehensablauf zwischen dem 25. und 30. März 1986 konnte das Landgericht nur teilweise aufklären. Von Personen aus dem Umfeld des LVB wurde gezielt nach von Amerikanern besuchten Diskotheken in West-Berlin gesucht. Am 29. März 1986 teilte der Angeklagte A C seinem Führungsoffizier die Namen von drei Diskotheken mit, die in die engere Wahl gezogen wurden. Spätestens am 30. März 1986 übergab der Angeklagte A C dem Angeklagten E einen von der Angeklagten V C geschriebenen Zettel mit den Namen und Anschriften dieser drei Diskotheken. Der Hintergrund der Entstehung dieses Zettels konnte nicht aufgeklärt werden. Bei der Einreise des Angeklagten E am 30. März 1986 von West- nach Ost-Berlin entdeckten Kontrollorgane der DDR den Zettel und fertigten eine Fotokopie, die an das MfS weitergeleitet wurde. Der Angeklagte E übergab danach den Zettel an den Diplomaten A K . Im LVB wurde die Diskothek „La Belle“ als Anschlagsziel festgelegt. Das Landgericht hat zu Gunsten aller Angeklagten nicht ausgeschlossen , daß diese an der Festlegung des Anschlagsziels nicht beteiligt waren.
Spätestens zwischen dem 30. März und dem 4. April 1986 erfuhren die Angeklagten E und C , daß im LVB entschieden worden war, einen Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“ zu verüben. Unter Verwendung von 1.500 Gramm Plastiksprengstoff, den das LVB bereitstellte, sollte in der in Berlin-Kreuzberg gelegenen Wohnung der Angeklagten V C in Anwesenheit der Angeklagten V und A C eine Bombe gebaut werden; V C sollte veranlaßt werden, diese Bombe in die Diskothek zu bringen und dort zu zünden.
Die Angeklagten E und C entschlossen sich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen den USA und Libyen, sich an diesem Anschlag zu beteiligen und letztlich den USA Schaden zuzufügen; der Angeklagte E hoffte hierdurch auch, seine Chancen für eine Akkreditierung am LVB zu erhöhen. Die Motive der Angeklagten V C , die ebenso wie der Angeklagte A C als IM für das MfS tätig war, ihre Wohnung zur Verfügung zu stellen und den Anschlag auszuführen, sind unklar geblieben. Auch beim Angeklagten A C hat sich die Strafkammer keine sichere Überzeugung von dessen Tatmotiv verschaffen können.
Am 4. April 1986 übernahm die Ehefrau des Angeklagten C im LVB den Sprengstoff und überbrachte ihn der Angeklagten V C . Am selben Abend wurde in der Wohnung der Angeklagten V C mit dem Sprengstoff und einer Zündvorrichtung eine Bombe zusammengesetzt. In der Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt die Angeklagten V und A C , C und E sowie die Freigesprochene H , eine Schwester der Angeklagten V C . Eine aktive Beteiligung der Angeklagten an der Zusammensetzung der Bombe hat die Strafkammer bei keinem Angeklagten festzustellen vermocht. Wer von den Angeklagten die Bombe zusammensetzte und wer die Angeklagte V C in die Funktionsweise der Bombe einwies, konnte nicht festgestellt werden. Vor dem Hintergrund divergierender Angaben der Angeklagten E und A C ist zugunsten eines jeden der Angeklagten E , C und A C davon ausgegangen worden, daß jeweils die beiden anderen die Bombe zusammensetzten.
Zwischen 22.00 und 23.00 Uhr verließen die Angeklagten E , C und A C die Wohnung. Auf Nachfrage der Angeklagten V C erklärte sich ihre Schwester bereit, mit in die Diskothek „La Belle“ zu gehen , wobei diese möglicherweise lediglich davon ausging, zu einem „normalen“ Diskothekenbesuch aufgefordert zu werden. Die Angeklagte V C transportierte die Bombe in einer Tasche zur Diskothek, aktivierte
den Zeitzünder und verließ mit ihrer Schwester die Diskothek, in der sich über 200 Menschen aufhielten. Gegen 1.45 Uhr des 5. April 1986 explodierte die Bombe. Drei Menschen starben an ihren durch die Explosion verursachten schweren Verletzungen. Zahlreiche weitere Besucher sowie Angestellte des Lokals erlitten Verletzungen unterschiedlichen Grades.

B.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
I. Verfahrensrügen
1. Mit zwei Verfahrensrügen beanstandet die Beschwerdeführerin eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), weil das Landgericht die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E nicht verwertet hat.

a) Sie macht zunächst geltend, das Landgericht habe hinsichtlich dieser Aussagen zu Unrecht ein Verwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 StPO bejaht. Dazu trägt sie vor:
Der Angeklagte E habe bei einer Vernehmung in der deutschen Botschaft auf Malta vom 10. September 1996 und bei vier Folgevernehmungen in Deutschland zwischen Oktober und Dezember 1996 geständige Angaben gemacht. Die Strafkammer habe diese Angaben des Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zu Unrecht nicht verwertet. Entgegen ihrer Auffassung sei in dem rechtlichen Hinweis, den die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten E vor dessen erster Vernehmung gegeben habe, keine Täuschung im Sinne von § 136a StPO zu sehen. Auf der fehlerhaften Annahme eines Verwertungsverbotes beruhe das angefochtene Urteil auch: Hätte das Landgericht die Angaben des Angeklagten E berücksichtigt, hätte es zumindest
die Angeklagten C und A C nicht nur wegen Beihilfe zum Mord, sondern wegen gemeinschaftlicher Tatbegehung verurteilen müssen.
Nach Auffassung des Tatrichters ist der Angeklagte E dadurch getäuscht worden, daß in ihm der irrige Eindruck erweckt wurde, geständige Angaben würden sich unabhängig von dem Gewicht des eingeräumten Tatbeitrags bei einer Verurteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich strafmildernd für ihn auswirken. Dies sei geschehen, obwohl der Angeklagte E zum damaligen Zeitpunkt des mehrfachen mittäterschaftlichen Mordes beschuldigt wurde und bei Mord lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist, ohne daß wegen eines Geständnisses diese Strafe gemildert werden kann. Der Aussage des für den entsprechenden Hinweis an den Angeklagten E verantwortlichen Oberstaatsanwalts in der Hauptverhandlung, er habe das Geständnis als Anhaltspunkt für eine Prüfung der Schwere der Schuld nach § 57a StGB angesehen, ist die Strafkammer nicht gefolgt.

b) Die Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, muß die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGHSt 3, 213, 214; 21, 334, 340; 29, 203; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Befangenheitsrüge 1, Beweisantragsrecht 2, Beweiswürdigung 3, letztes Wort 1, 3 und Verwertungsverbot 5; st. Rspr.).
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hier nicht. Das Landgericht hat bei seiner in den Urteilsgründen vorgenommenen Beweiswürdigung zum Inhalt des Gesprächs im Hotel einen Vermerk des Oberstaatsanwalts vom 3. Dezember 1996 herangezogen, wo-
nach „der Angeklagte E für seine Tat mit vier bis sieben Jahren Freiheitsstrafe zu rechnen“ habe (UA S. 198). Ohne vollständige Kenntnis dieses Vermerks, den die Revision nicht mitteilt, kann der Senat nicht prüfen, ob es sich bei dem rechtlichen Hinweis an den Angeklagten E um eine Täuschung des Angeklagten oder allenfalls um eine doppeldeutige Erklärung gehandelt hat.

c) Demnach kommt es auf die weitere erhobene Beanstandung, daß im Urteil die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E auch wegen eines Verstoßes gegen die Benachrichtigungspflicht des § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO als unverwertbar behandelt werden, nicht mehr an. Die Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Landgericht für diese Aussagen die Annahme eines nach § 136a Abs. 3 StPO bestehenden Verwertungsverbots bejaht hat, das von der Revision nicht wirksam angefochten worden ist.
2. Soweit die Beschwerdeführerin mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) die unterbliebene Vernehmung der Zeugen He und Gav rügt, kann sie keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Ablehnung des zugehörigen Beweisantrags rechtsfehlerfrei auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt. Nach dieser Bestimmung kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen abgelehnt werden, wenn dessen Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, ohne daß die Erreichbarkeit dieses Zeugen geprüft werden müßte (BGHSt 40, 60, 62; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 244 StPO Rdn. 43 f.).
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsvortrag der Staatsanwaltschaft vollständig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es fehlt nämlich an jeglichen näheren Angaben zum aktenmäßig erfaßten Hintergrund für die benannten Zeugen, dessen Kenntnis für die Beurteilung nach § 244 Abs. 5
Satz 2 i. V. m. Abs. 2 StPO wesentlich wäre. Jedenfalls ist die Rüge unbe- gründet.
Bei der Beurteilung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf der Tatrichter das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde legen. Mit Rücksicht hierauf hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei dargelegt, daß selbst dann, wenn die Zeugen die behaupteten Tatsachen bekundet hätten, aufgrund der zu den Beweisthemen bereits durchgeführten Beweisaufnahme keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären, die ihre Überzeugung hätten beeinflussen können. Im Hinblick auf das prahlerische Verhalten des Angeklagten C ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer aus dessen behaupteten Angaben gegenüber dem Zeugen He nicht auf einen Täterwillen schließen wollte. Daß der Angeklagte C Anschläge mit dem Diplomaten A K gemeinsam plante, war entgegen dem Revisionsvorbringen nicht Gegenstand des Beweisantrags.
3. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der sich die Revision dagegen wendet, daß der Tatrichter nicht gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO die 1991 erfolgte polizeiliche Beschuldigtenvernehmung und die 1993 stattgefundene richterliche Zeugenvernehmung des ausländischen Zeugen A verlesen hat. Die Beschwerdeführerin teilt schon nicht mit, aufgrund welcher Umstände die Strafkammer nach Ablauf von fast acht Jahren davon hätte ausgehen müssen, daß die tatsächlichen Grundlagen für eine Verlesung, auf die sich die Beschwerdeführerin berief, noch fortbestanden. Auch brauchte der Tatrichter aus den unter Beweis gestellten Tatsachen nicht den von der Beschwerdeführerin gewünschten Schluß auf einen Täterwillen des Angeklagten C zu ziehen.
II. Sachrüge
Ohne durchgreifenden Erfolg beanstanden die – insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der
Sachrüge, das Landgericht hätte die Angeklagten C , A C und E als Mittäter bestrafen müssen, im Falle der Angeklagten V C nicht eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB zugrunde legen dürfen und bei allen vier Angeklagten das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejahen müssen.
1. Angeklagte C , A C und E

a) Soweit sich die Staatsanwaltschaft zum Nachteil dieser Angeklagten mit dem Ziel höherer Bestrafung gegen deren Verurteilung nur wegen Beihilfe zum Mord wendet, hat sie keinen Erfolg.
aa) Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGH StV 1998, 540 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540 m.w.N.).
bb) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hätte es womöglich näher gelegen, die Angeklagten als Mittäter und nicht als bloße
Gehilfen anzusehen. Der Senat muß jedoch berücksichtigen, daß das Landgericht bei der gegebenen ungewöhnlich schwierigen und teilweise kargen Beweislage für sich rechtsfehlerfrei zum unmittelbaren Tatgeschehen grundsätzlich nur Mindestfeststellungen, die durch Tatsachen oder übereinstimmende Angaben mehrerer Angeklagter getragen werden, der Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat. Zudem sind die Angeklagten nicht die Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags; dessen Ziel wurde im LVB festgelegt, das auch den bei der Tat verwendeten Sprengstoff lieferte.
Deshalb ist unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien die Entscheidung des Landgerichts, die Angeklagten C , A C und E seien Gehilfen und nicht Mittäter gewesen, aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Das Landgericht hat darauf abgestellt, daß keiner dieser Angeklagten am Transport der Bombe in die Diskothek und an der Auslösung des Zündmechanismus beteiligt oder auch nur anwesend war, als die Angeklagte V C in der Diskothek die Zündung auslöste. Das Landgericht hat weiter bedacht, daß die im LVB tätigen leitenden Mitarbeiter – die beide auch dem libyschen Geheimdienst angehörten – die „Federführung hinsichtlich aller Überlegungen und Planungsschritte“ innehatten (UA S. 351, 359, 364).
Die Strafkammer konnte sich hinsichtlich der Feststellungen zur unmittelbaren Vorbereitung und Durchführung des Anschlags nur auf die Einlassungen der Angeklagten E und A C sowie zum Ablauf des Zusammentreffens in der Wohnung am 4. April 1986 zusätzlich auf die Angaben der Angeklagten V C stützen. Andere Beweismittel, insbesondere die Vernehmung von Zeugen, waren unergiebig. Die Einlassungen der Angeklagten A C und E zur Planung von Anschlägen gegen amerikanische Einrichtungen im März 1986 sowie zur Vorbereitung des konkreten Bombenanschlags wichen erheblich voneinander ab. Der Tatrichter hat sich auch nach Auseinandersetzung mit sämtlichen Einzelheiten beider Einlassungen und ihrer umfassenden Würdigung nicht in der Lage gesehen,
eine der beiden Einlassungen als zuverlässiger im Vergleich zur anderen Einlassung anzusehen. Daher ist das Landgericht den Angaben, soweit sie Belastungen anderer zum Gegenstand haben, mit großer Sorgfalt begegnet und hat letztlich seine Feststellungen auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ dieser Einlassungen gestützt, soweit nicht durch weitere Beweismittel eine Einlassung eines Angeklagten zur Überzeugung des Landgerichts bestätigt wurde. Deshalb konnten an vielen Stellen die Einlassungen der Angeklagten zwar nicht als Grundlage für sichere Feststellungen dienen, andererseits aber auch nicht zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt werden, so daß insoweit nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ von der jeweils günstigeren Variante für den einzelnen Angeklagten ausgegangen wurde.
Im Hinblick auf einen Anschlag auf einen amerikanischen Bus konnte die Strafkammer nur feststellen, daß die Angeklagten in nicht näher zu ermittelnder Weise an letztlich abgebrochenen Planungen beteiligt waren. Hinsichtlich des Anschlags auf die Diskothek konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, daß die Angeklagten an der Planung und Vorbereitung beteiligt waren. Nach den Urteilsgründen ist davon auszugehen, daß die Angeklagten C und E aus dem LVB lediglich angewiesen wurden, in der Wohnung durch ihre Anwesenheit die Realisierung des Tatplans zu unterstützen, daß sie auch nur diese Rolle einnehmen wollten und daß dem Angeklagten A C erst nach Betreten der Wohnung der konkrete Tatplan bekannt wurde. Über die Anwesenheit in der Wohnung und die dadurch für die anderen Beteiligten zum Ausdruck gebrachte Billigung und Unterstützung des Vorhabens hinaus konnten keine weiteren Tatbeiträge der Angeklagten festgestellt werden. Zugunsten eines jeden einzelnen hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler unterstellt, daß er am Bau der Bombe nicht aktiv mitgewirkt hat.
Zwar hat der Tatrichter bei seiner Abwägung nicht ausdrücklich erörtert , daß alle drei Angeklagte an einer Zusammenkunft mit A J , der für eine Beteiligung an dem beabsichtigten Anschlag auf einen amerikanischen Bus vorgesehen war, teilgenommen haben. Entgegen der Auffassung
der Revision ist dieser Umstand jedoch nicht aussagekräftig im Hinblick auf eine mögliche Mittäterschaft der Angeklagten. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Rolle die Angeklagten bei diesem Gespräch spielten und welche Aufgaben ihnen bei dem geplanten Anschlag zukommen sollten.
Auch sonst liegen keine Umstände vor, die den Tatrichter an einer Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten als Beihilfe hindern mußten. Insbesondere ergeben diese sich nicht notwendig aus den Feststellungen zur Art ihrer Anbindung an das LVB und zu ihren sonstigen Aktivitäten. Daß danach eine abweichende tatrichterliche Wertung – insbesondere bei den Angeklagten E und C , auch angesichts ihrer festgestellten politischen Motivation – durchaus möglich gewesen wäre, begründet noch keinen Anlaß zu einem Eingreifen durch das Revisionsgericht.

b) Das Landgericht hat die Tat rechtsfehlerfrei als heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mord beurteilt. Der Tatrichter hat aber das Vorliegen des weiteren Mordmerkmals einer Tötung aus niedrigen Beweggründen verneint, weil „das politische Motiv ... dieses Mordmerkmal (nicht) ausfüllen“ könne, „zumal hierbei dem Bewertungspluralismus Rechnung zu tragen“ sei (UA S. 356, 357). Diese Wertung ist unzutreffend und wird zu Recht von der Staatsanwaltschaft, der sich etliche Nebenkläger angeschlossen haben, beanstandet. Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, daß es die Voraussetzungen für die Annahme einer Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen verkannt hat.
Wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen können die Angeklagten dann verurteilt werden, wenn V C oder deren Mittäter – die libyschen Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags – aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe der Mittäter er-
bracht haben (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen vor.
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinan- dersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen. Solches trifft ersichtlich für die maßgeblichen libyschen Hinterleute dieses Anschlags wie auch für die Angeklagten C , A C und E selbst zu.
Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Die hierzu von der Strafkammer festgestellten Umstände lassen die Wertung des Beweggrundes als „niedrig“ durch den Senat zu. Die zufällige, unterschiedslose und deshalb willkürliche Auswahl von unbeteiligten Menschen als Opfer rechtfertigt die Einstufung der Motivation als „niedrig“ (vgl. BGHSt 47, 128, 132 m.w.N.; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 27; Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 79, 85). Das „Startbahn -West-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (NStZ 1993, 341; ablehnend dazu Jähnke und Schneider aaO) steht dieser Wertung nicht entgegen, weil der dortige Einzelfall sowohl in der Tatmotivation als auch in der Auswahl der Opfer wesentliche Besonderheiten aufwies; im vorliegenden Fall waren die Opfer völlig unbeteiligt. Zudem ist der regelmäßig verheerend wirkende unkontrollierbare Einsatz von Bomben oder Minen von vornherein eklatant menschenverachtend (vgl. BGHSt 40, 218, 232; 44, 204, 209; v. Selle NJW 2000, 992, 996).
Auf die Herkunft der Angeklagten aus dem Libanon bzw. aus Libyen, wo der Sprengstoffanschlag auf die Diskothek möglicherweise aus politischer
Verblendung und weitgehender Indoktrination von manchen gebilligt worden sein mag, kann es bei der Gesamtwürdigung, ob das Tötungsmotiv als niedrig einzuschätzen ist, nicht ankommen. Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist grundsätzlich den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 41; BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.).

c) Die Annahme einer Beihilfe zum Mord auch aus niedrigen Beweggründen bei den Angeklagten C , A C sowie E und die damit verbundene Abweichung von der Rechtsauffassung des Tatrichters führt hier nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß bei zutreffender Bejahung eines Mordmerkmals die fehlerhafte Verneinung eines weiteren Mordmerkmals den Bestand des Schuldspruchs jedenfalls dann nicht gefährdet, wenn hinsichtlich des fehlerhaft behandelten Mordmerkmals weitere tatrichterliche Feststellungen – so wie hier – nicht erforderlich sind (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 1 Teilaufhebung 1). Der Senat schließt zudem aus, daß der jetzt erfolgten Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals niedriger Beweggründe, dessen Tenorierung es nicht bedarf, Auswirkungen auf die Strafaussprüche zukämen; diese können bestehen bleiben. Die Strafen sind untereinander sachgerecht differenziert und bewegen sich im oberen Bereich des zutreffend bestimmten Strafrahmens. Das schreckliche Tatbild ist vom Landgericht , für das die numerische Zahl der Mordmerkmale nicht strafentscheidend war, berücksichtigt worden. Vor dem Hintergrund der nach § 211 Abs. 1 StGB i. V. m. § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB für Beihilfe zum Mord bestehenden Obergrenze von 15 Jahren Freiheitsstrafe kommt hinzu, daß auf den inzwischen nochmals beträchtlich verlängerten zeitlichen Abstand zur
Tat strafmildernd Bedacht zu nehmen wäre (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
2. Angeklagte V C

a) Das Landgericht hat bei der Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf Grund der Auswirkungen einer depressiven Erkrankung in Verbindung mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung für nicht ausgeschlossen erachtet, obgleich der in der Hauptverhandlung gehörte psychiatrische Sachverständige Krö davon ausging, daß die Begutachtung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit erbracht hätte.
aa) Die Anwendung des § 21 StGB begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht ist zwar im Ergebnis nicht dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gefolgt. Dies war aber auch von Rechts wegen nicht geboten, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige dem Richter für die Prüfung der Tatsachenfrage, ob eine krankhafte seelische Störung der Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat, nur die von ihm ermittelten Befundtatsachen mitteilen und Sachkunde vermitteln soll, ihn aber nicht von der Verantwortung für die Entscheidung der aufgeworfenen Fragen entbinden kann (vgl. BGHSt 8, 113, 117 f.; BGH GA 1962, 116). Bei der Prüfung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB handelt es sich um eine Rechtsfrage (BGHSt 8, 113, 124; Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 8 ff. m.w.N.), die der Tatrichter ausschließlich in eigener Verantwortung beantworten muß (BGHR StGB § 21 Sachverständiger 11). Weder bezüglich der Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung noch seiner rechtlichen Bewertung, daß diese die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt habe, sind letztlich Rechtsfehler zu erkennen.

Der Sachverständige hat zwar nicht sicher feststellen, aber auch nicht ausschließen können, daß die Angeklagte zur Tatzeit an einer mittelschweren Depression im Sinne der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation (ICD-10 F33) litt, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen ist. Die Strafkammer hat sich nach eigener Prüfung dieser Sichtweise angeschlossen.
Darüber hinaus hat sie erneut nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht ausschließen können, daß die Angeklagte aufgrund der Auswirkungen einer möglicherweise im Abklingen befindlichen depressiven Phase nur erheblich vermindert in der Lage gewesen sein könnte, nach ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Der Sachverständige hat hierzu hervorgehoben, daß die für Depressionen typischen Krankheitssymptome wie die Unfähigkeit, einfache Aufgaben des Alltags zu bewältigen, verminderte Konzentration und geringes Selbstwertgefühl in der Regel zur Folge haben bzw. vermuten lassen, daß Depressionen die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten eher hemmen als fördern. Sollte die Angeklagte sich zur Tatzeit in einer depressiven Phase befunden haben und dennoch in der Lage gewesen sein, gezielt den Anschlag zu verüben, sei dies aus seiner Sicht allenfalls denkbar, wenn sie diese Tat trotz, nicht aber aufgrund der Depression begangen hätte. Das Landgericht hat sodann mit dem Sachverständigen anhand einschlägiger psychiatrischer Fachliteratur die bestehenden Unsicherheiten bei der vorzunehmenden Bewertung erörtert. Dabei hat sich der Sachverständige gegen eine darin vertretene Sichtweise gewandt, daß durch eine Depression eine „Auflockerung der Gesamtpersönlichkeit“ hervorgerufen werden könne. Er hat aber auch eingeräumt, daß es grundsätzlich Fallkonstellationen gäbe, bei denen Depressionen zur Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters führen könnten. In der forensischen Psychiatrie sei bis heute nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen Depressionen in der abklingenden Phase auf das Verhalten von Straftätern hätten.

Vor diesem Hintergrund hat die Strafkammer nicht auszuschließen vermocht, daß einerseits die Angeklagte aufgrund des Abklingens der Krankheitssymptome überhaupt in der Lage war, die Tat auszuführen, andererseits aber durch die Krankheit bei ihr Kontrollmechanismen noch so außer Kraft gesetzt waren, daß sie nur erheblich vermindert in der Lage war, entsprechend ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Dabei waren zwei Besonderheiten ausschlaggebend. Zum einen hat der Sachverständige zusätzlich eine histrionische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.4) diagnostiziert, die sich durch starkes Angewiesensein auf Bewunderung, durch theatralische Verhaltensweisen in Verbindung mit dieser Geltungsssucht sowie durch Affekte zum Überziehen und Sichinszenieren auszeichnet und nach vertretbarer Auffassung des Landgerichts im Zusammenwirken mit der abklingenden Depression das Hemmungsvermögen der Angeklagten verstärkt beeinträchtigt haben kann. Zum anderen konnten weder der Sachverständige noch das Landgericht trotz mehrjähriger Hauptverhandlung das Motiv der Angeklagten, vor 15 Jahren einen derartigen Bombenanschlag zu begehen, sicher aufklären. Der Klärung des Tatmotivs kommt aber auch nach den Darlegungen des Sachverständigen eine wesentliche Bedeutung bei der Einschätzung der Schuldfähigkeit eines Täters zu. Für den Tatrichter ist es hiernach denkbar, daß bei der hier nicht ausgeschlossenen Konstellation einer ausklingenden Depression mit histrionischer Komponente die Angeklagte mit etwa folgender Vorstellung handelte: „Mir ist sowieso alles egal, aber zumindest wird die ganze Welt über mich reden“ (UA S. 339). Das Landgericht selbst sieht seine Zweifel auf den Unsicherheiten gegründet, die von dem Sachverständigen bei der Bewertung des Falles selbst benannt worden sind und von ihm auch nach Auseinandersetzung mit der einbezogenen psychiatrischen Fachliteratur nicht ausgeräumt werden konnten.
bb) Die tatrichterliche Wertung ist namentlich vor dem Hintergrund erheblicher Einflußnahme Dritter auf den Entschluß der Angeklagten zur Tat-
begehung vertretbar. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Zu Unrecht vermißt die Revision konkrete Anknüpfungstatsachen dafür , daß sich die Angeklagte in einer mittelschweren Depression befunden haben könnte. Die Strafkammer hat zutreffend ausgeführt, daß den Einlassungen der Angeklagten E und A C insoweit nur geringeres Gewicht zukommt (vgl. auch BGH, Beschluß vom 31. März 2004 – 5 StR 351/03), und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen dargelegt , es sei nicht ungewöhnlich, daß Menschen, die zu Depressionen neigen, nach Jahren nicht mehr in der Lage seien, ihre psychische Verfassung auf einen bestimmten viele Jahre zurückliegenden Zeitpunkt zu beschreiben. Für Frühsommer 1985 und Dezember 1986 sind zumindest mittelschwere Depressionen ebenso belegt wie in einem ärztlichen Attest aus dem Jahre 1994 (UA S. 33, 150, 329). Berichten des MfS über Treffen mit der Angeklagten brauchte der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht zu entnehmen, daß lediglich zu den beiden darin genannten Zeitpunkten depressive Phasen bestanden haben.
Daß die Angeklagte nach ihrer Einlassung nicht allein zur Diskothek gehen wollte und auf ihre Schwester einwirkte, sie zu begleiten, steht der Annahme einer schweren depressiven Phase nicht entgegen. Die Fähigkeit, planvoll vorzugehen, wird hierdurch nicht etwa völlig ausgeschlossen.
Der Senat besorgt auch nicht, die Strafkammer könne bei der Prüfung eines Motivs der Angeklagten übersehen haben, daß diese zur Tatzeit arbeitslos war und vom Angeklagten A C keine finanzielle Unterstützung erhalten hatte. Der Tatrichter hat sich mit einem Motiv aus finanziellen oder sonstigen materiellen Gründen ausführlich und rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt (UA S. 296 – 298).
b) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten V C das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht an-
genommen hat, unterliegt das im Hinblick auf die nicht ausgeschlossene er- hebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit dieser Angeklagten keinen gleichermaßen durchgreifenden Bedenken wie bei den drei anderen Angeklagten (vgl. zum Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.). Da sie Mittäterin ist, kommt es sie betreffend darauf an, ob sie selbst niedrige Beweggründe hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte die Angeklagte V C im wesentlichen motivlos und ihr Handeln war – jedenfalls nicht ausschließbar – von depressiven Phasen bestimmt, die jedoch nicht ihre Fähigkeit zum planvollen Handeln ausschlossen. Aufgrund dieser Disposition läßt sich aus den Urteilsgründen nicht sicher ableiten, ob bei der Angeklagten auch die subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe erfüllt sind. Dies nötigt indes nicht zu einer Zurückverweisung der Sache. Aus denselben Gründen wie bei den drei anderen Angeklagten wäre auch bei der Angeklagten V C eine Auswirkung auf den Schuld- oder Strafausspruch zu verneinen.

C.


Revisionen der Nebenkläger
I. Revisionen des Nebenklägers Br
1. Die Zulässigkeit der gegen die wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes verurteilten Angeklagten V C gerichteten Revision scheitert an § 400 Abs. 1 StPO. Der Nebenkläger könnte mit seiner Revision, da das Landgericht das Tötungsdelikt als Mord beurteilt hat, hinsichtlich dieses Nebenklagedelikts nur eine andere Rechtsfolge der Tat erreichen; mit diesem Ziel kann er das Urteil nicht anfechten (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12).
2. Die den Freispruch der Angeklagten H betreffende Revision bleibt erfolglos.

a) Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags in den Urteilsgründen als bedeutungslos ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Tatrichter darf eine mögliche Indiztatsache dann als bedeutungslos ansehen, wenn sie selbst für den Fall des Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, weil das Gericht in seiner freien Beweiswürdigung einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluß aus der Tatsache nicht ziehen will (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 2, 4 und 23 m.w.N.).

b) Die Sachrüge ist unbegründet.
Die Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern und verstößt insbesondere nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Daß eine abweichende tatgerichtliche Wertung möglich gewesen wäre, vielleicht sogar näher gelegen hätte, berechtigt das Revisionsgericht noch nicht zum Eingreifen.
3. Auch den gegen die Angeklagten C , A C und E gerichteten Revisionen bleibt ein Erfolg versagt.

a) Die Verfahrensrügen, die sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E als Mittäter richten, gehen fehl.
Die Behauptungen der Revision, die am 274. Hauptverhandlungstag gestellten Hilfsbeweisanträge seien nicht beschieden worden, ist falsch. Im Urteil sind diese Anträge als bloßer Wiederholungsantrag bzw. wegen eigener Sachkunde des Gerichts zurückgewiesen worden (UA S. 202 ff., 238).
b) Soweit sich die Sachrüge gegen die Nichtverurteilung des Angeklagten C als Mittäter richtet, ist sie unbegründet (vgl. die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft und unten II. a.E.).

Die Revision des Nebenklägers ist dagegen unzulässig, soweit mit ihr als weiteres Anfechtungsziel die Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe erstrebt wird. Die Annahme eines weiteren Mordmerkmals würde sich allenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch auswirken können. Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil aber nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (vgl. BGH NJW 1999, 2449).
4. Soweit das Gericht nach § 405 Satz 2 StPO davon abgesehen hat, über den Antrag auf Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren zu entscheiden , ist die Rüge bereits deshalb unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 406a Abs. 1 StPO).
II. Revisionen der weiteren beschwerdeführenden Nebenkläger
Die Revisionen der Nebenkläger Ba , Be , Ed , El , Frei , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes wenden, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Nebenkläger ergeben hat. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.
Der Senat verkennt nicht, daß insbesondere aus der Perspektive der teilweise erheblich verletzten und schwer betroffenen Opfer die Verhängung nur zeitiger Freiheitsstrafen – die der schwierigen Beweis- und Rechtslage geschuldet ist – nicht leicht nachzuvollziehen sein mag. Dies gilt umso mehr, als eine andere Entscheidung des Landgerichts gleichermaßen vertretbar zu begründen und damit aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls hinzunehmen
gewesen wäre. Bei allem ist aber auch zu bedenken, daß nicht die eigentlichen Haupttäter – libysche Drahtzieher und Hintermänner – vor Gericht standen.

D.


Revisionen der Angeklagten
I. Revision des Angeklagten C
1. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Umrechnungsmaßstabs für die im Libanon vollzogene Auslieferungshaft und der Bestimmung ihrer anrechnungsfähigen Dauer ist ein Verstoß gegen § 261 StPO nicht zu erkennen. Die eingeholte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu den Haftverhältnissen im Libanon steht entgegen der Behauptung der Revision im Einklang mit den Wertungen des Landgerichts. Die Feststellung einer vom Angeklagten im Libanon bis Januar 1994 verbüßten Freiheitsstrafe kann durch die Zeugenaussage eines Ermittlungsbeamten, gegebenenfalls auf Vorhalt einer aktenkundigen Mitteilung aus dem Libanon, in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
II. Revision des Angeklagten A C
Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten.
III. Revision der Angeklagten V C
1. Die Revision beanstandet im Ergebnis ohne Erfolg die Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO, weil die Angeklagte vor ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß informiert und belehrt worden sei; daraus folge ein Beweisverwertungsverbot.
Das Landgericht hat – zutreffend – die Auffassung vertreten, daß der vernehmende Oberstaatsanwalt verpflichtet gewesen wäre, die Angeklagte zu Beginn der Vernehmung über die Tatsache der erfolgten Anklageerhebung und den aktuellen Umfang des Tatvorwurfs in der Anklageschrift zu unterrichten. Im Ergebnis mit Recht hat die Strafkammer aber ein Verwertungsverbot verneint. Über ihr Schweigerecht war die Angeklagte informiert. Jenseits davon lag ein relevantes Informationsdefizit nicht vor. Durch den Haftbefehl war für die Angeklagte erkennbar, daß sich der Tatvorwurf zusätzlich zu der Tötung von drei Menschen auch auf weitere Opfer erstrecken würde; die Tat insoweit rechtlich als versuchten Mord zu würdigen, lag angesichts der nicht beherrschbaren Sprengstoffexplosion nahe.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die weitere Verfahrensrüge und die erhobene Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
IV. Revision des Angeklagten E
Die Angriffe gegen die Strafzumessung, die die Revision mit der Sachrüge vorbringt, können keinen Erfolg haben.
1. Der sachlichrechtlichen Nachprüfung hält stand, daß der Tatrichter den Umstand, daß der Angeklagte „schon vor dem Anschlag längere Zeit in Vorbereitungshandlungen involviert war“ (UA S. 377), straferschwerend berücksichtigt hat. Die Stärke des Tatwillens (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) kann sich auch aus Tatvorbereitungen ergeben. Für eine rechtsfehlerhafte Anlastung eines Verhaltens, in dem ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten
zu finden wäre, ist bei den vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen nichts ersichtlich.
2. Irgendwelche tragfähigen Anhaltspunkte für einen Ansatz, die Bestrafung des Beschwerdeführers sei im Vergleich zu derjenigen des Angeklagten A C rechtsfehlerhaft zu hoch bemessen worden (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 25a), bestehen nicht.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Schaal

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Angehöriger:wer zu den folgenden Personen gehört:
a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
2.
Amtsträger:wer nach deutschem Recht
a)
Beamter oder Richter ist,
b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
2a.
Europäischer Amtsträger:wer
a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist,
b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder
c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
3.
Richter:wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist;
4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:wer, ohne Amtsträger zu sein,
a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder
b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist;
5.
rechtswidrige Tat:nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;
6.
Unternehmen einer Tat:deren Versuch und deren Vollendung;
7.
Behörde:auch ein Gericht;
8.
Maßnahme:jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung;
9.
Entgelt:jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.

(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.

(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 96/00
vom
19. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Juli 2000,
an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Niemöller,
Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Juni 1999 wird mit den Feststellungen aufgehoben
a) auf die Revision der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang
b) auf die Revision der Angeklagten im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , mit der sie eine Verurteilung wegen Mordes erstrebt, und die Revision der Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte, Mutter von zwei Kindern, das dritte Kind ohne Wissen ihres Ehemanns abgetrieben, die Schwangerschaft und Geburt des vierten Kindes vor ihrer Familie verheimlicht, schon vor seiner Geburt Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen und es unmittelbar danach zur Adoption freigegeben. Bei den Erklärungen zur Vermittlung und Anmeldung des Kindes hatte sie die Unterschrift ihres Ehemannes gefälscht, den Notartermin hatte sie mit Ausreden hinausgeschoben. Die Angeklagte wollte wegen der finanziellen und häuslichen Situation der Familie kein weiteres Kind aufziehen. Zwei Monate nach der Geburt dieses Kindes wurde die Angeklagte erneut schwanger. Auch die Schwangerschaft und Geburt des fünften Kindes am 19. Dezember 1998 verheimlichte die Angeklagte ihrem Ehemann. Nachdem sie das Kind zunächst im Krankenhaus belassen hatte, holte sie es zwei Tage später im Beisein einer Jugendamtsmitarbeiterin ab. Zu Hause legte sie das Kind in der Waschküche in einen Schlafsack, zog den Reißverschluß zu und bedeckte ihn mit einem Berg von Wäschestücken. Das Kind erstickte.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch enthält Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten.

a) Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht ist von bedingtem Tötungsvorsatz ausgegangen. Nach den Feststellungen, hat die Angeklagte das Kind aus einem plötzlichen Entschluß heraus - "das Kind muß weg”- getötet. Ange-
sichts dessen und der erkennbar äußerst gefährlichen Handlung ist für die Annahme , die Angeklagte habe den Tod des Kindes nicht als sichere Folge ihres Handelns vorausgesehen (und damit auch gewollt), kein Raum. Das kann auch für die Ermittlung der Beweggründe der Angeklagten Bedeutung haben.

b) Das Landgericht hat einen Mord aus niedrigen Beweggründen verneint , weil der Angeklagten nicht ausschließbar das Bewußtsein gefehlt habe, daß ihr Handeln nach allgemeiner sittlicher Wertung auf niedrigster Stufe lag. Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken.
Zwar ist es richtig, daß sich der Täter bei einem Handeln aus niedrigen Beweggründen bei der Tat der Umstände bewußt sein muß, die den Antrieb zum Handeln als besonders verwerflich erscheinen lassen, wobei es allerdings – entgegen den mißverständlichen Urteilsausführungen – bedeutungslos ist, ob der Täter seine Motive selbst als niedrig bewertet (BGH NStZ 1989, 363; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 27). Ob diese subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, kann aber nicht beurteilt werden, ohne daß zuvor geklärt und dargelegt worden ist, welche Motivation der Tat zugrunde lag und ob diese Motivation als niedrig einzustufen ist.
Das Landgericht hat es unterlassen, das Tötungsmotiv der Angeklagten festzustellen. Nur im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Tötungsvorsatz hat es ausgeführt, daß sich die Angeklagte in einem Zwiespalt befunden habe, weil sie die Schwangerschaft vor dem Ehemann, der Verwandtschaft und Bekanntschaft verschwiegen hatte. Auch wenn es danach naheliegend ist, daß die Angeklagte aus Angst und Scham vor den Konsequenzen einer Offenbarung gehandelt hat, die möglicherweise nicht nur sie, sondern – bei Ehepro-
blemen – auch ihre Kinder getroffen hätte, lassen sich die konkreten Tatantriebe der – wie an anderer Stelle ausgeführt – von ihrem Leben überforderten Angeklagten dem Urteil nicht entnehmen.
Von dieser dem Tatrichter obliegenden Pflicht zur Feststellung und umfassenden Würdigung konnte hier auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil die Angeklagte – wovon das Landgericht ausgegangen ist – sich spontan zur Tötung des Kindes entschlossen hat. Abgesehen davon, daß sich diese Annahme unter anderem auf die Einlassung der Angeklagten stützt, nach der tatauslösend die Erinnerung an die – nach den Feststellungen nicht stattgefundene - Vergewaltigung gewesen sei, ist die Annahme niedriger Beweggründe auch bei einer Spontantat nicht ausgeschlossen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11). Spontaneität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und der psychischen Verfassung der Angeklagten aber Anlaß sein, die subjektive Seite des Mordmerkmals besonders sorgfältig zu prüfen.
2. Der Strafausspruch enthält Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten , die zu seiner Aufhebung auf die Revision der Angeklagten führen.
Das Landgericht hat u. a. folgende gegen die Angeklagte sprechende Umstände aufgeführt:
”Durch die Tötung des Säuglings zerstörte die Angeklagte ihre Familie. Ihre zwei zur Tatzeit zehn und sechs Jahre alten Kinder haben aufgrund der bevorstehenden langen Haftstrafe während wichtiger Entwicklungsphasen ihre Mutter nicht an ihrer Seite. Darüber hinaus wurde den Kindern durch die Tat
der Angeklagten deutlich vor Augen geführt, daß ihrer Mutter die Kinder wenig wert sind, zumal sie ein weiteres Kind zur Adoption freigegeben hatte. Auch hat die Angeklagte einen hohen Vertrauensbruch gegenüber ihrem Mann begangen. Mit für die Ehe wichtigen gemeinsamen Entscheidungen hat sie es nicht genau genommen, sie hat ihrem Mann gegenüber drei Schwangerschaften verschwiegen. Sie hat sich ohne Rücksprache mit diesem zu einer Abtreibung und zu einer Freigabe zur Adoption entschieden und beides auch durchgeführt. Als letztes sprach auch gegen die Angeklagte, daß sie in ihrem persönlichen Umfeld die nachhaltigen Komplikationen erst auslöste, in dem sie immer wieder Lügengeschichten verbreitete.”
Diese Strafzumessungserwägungen sind rechtlich bedenklich. Insbesondere hat die Strafkammer damit Umstände verwertet, die nicht im schuldrelevanten Zusammenhang mit der Tat stehen.
Ein außerhalb der Tatausführung liegendes Verhalten darf bei der Strafzumessung nur Berücksichtigung finden, wenn eine Beziehung zu der Tat besteht , die Rückschlüsse auf eine höhere Tatschuld zuläßt. Ein solcher die Tatschuld erhöhender Zusammenhang des ehelichen Fehlverhaltens der Angeklagten bei der vorangegangenen dritten und vierten Schwangerschaft mit der Tötung des fünften Kindes, die durch das Verschweigen dieser fünften Schwangerschaft veranlaßt war, ist im Urteil nicht dargetan.
Auch soweit die Strafkammer strafschärfend die Folgen der langen gegen die Angeklagte verhängten Haftstrafe berücksichtigt hat, handelt es sich um Umstände, die nicht geeignet sind, die Tatschuld zu kennzeichnen. Zudem führt diese Erwägung – in der Art eines Zirkelschlusses - zu einer weiteren
Verlängerung der Haftstrafe mit den der Angeklagten vorgeworfenen ungünstigen Folgen.
Jähnke Niemöller Detter Bode Otten

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen
Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen
Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen
(Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek
"La Belle" im Jahre 1986).
BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - LG Berlin
5 StR 306/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 15. und 24. Juni 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof K ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof F
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ko ,
Rechtsanwalt L
als Verteidiger des Angeklagten C ,
Rechtsanwalt P ,
Rechtsanwalt Ka
als Verteidiger des Angeklagten A C ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin Kr
als Verteidigerinnen der Angeklagten V C ,
Rechtsanwalt Kl ,
Rechtsanwalt Li ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Angeklagten E ,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwältin W
als Verteidiger der Angeklagten H ,
Rechtsanwältin B ,
Rechtsanwalt D ,
Rechtsanwalt Eh ,
Rechtsanwalt Fo ,
Rechtsanwalt Fr ,
Rechtsanwalt Ga ,
Rechtsanwalt Gr ,
Rechtsanwalt Groe ,
Rechtsanwalt Gro ,
Rechtsanwalt Hi ,
Rechtsanwalt Ho ,
Rechtsanwalt Kar ,
Rechtsanwalt Kö ,
Rechtsanwalt La ,
Rechtsanwältin Le ,
Rechtsanwalt Lei ,
Rechtsanwalt M ,
Rechtsanwalt Mü ,
Rechtsanwalt N ,
Rechtsanwältin Pl ,
Rechtsanwalt Plö ,
Rechtsanwalt Ro ,
Rechtsanwalt Sc ,
Rechtsanwalt Sch ,
Rechtsanwalt Schu ,
Rechtsanwältin Se ,
Rechtsanwalt Wa ,
Rechtsanwalt We ,
Rechtsanwältin Wo ,
Rechtsanwalt Wol ,
Rechtsanwalt Wr
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte Re ,
Justizangestellte Wah
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
am 24. Juni 2004 für Recht erkannt:
Die Revisionen 1. der Staatsanwaltschaft, 2. der beschwerdeführenden Nebenkläger Ba , Be , Br , Ed , El , Fre , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sowie 3. der Angeklagten V C , A C , C und E gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. November 2001 werden verworfen.
Die Angeklagten V C , A C , C und E tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den nicht beschwerdeführenden Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen. Die beschwerdeführenden Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Der Nebenkläger Br trägt die durch sein Rechtsmittel der Angeklagten H entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte V C wegen (gemeinschaftlich begangenen) dreifachen Mordes in Tateinheit mit 104fachem ver- suchten Mord und vorsätzlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie die Angeklagten A C , C und E wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt; die Angeklagte H hat es freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren – auch mit Verfahrensrügen begründeten – Revisionen in der Sache dagegen , daß die Angeklagten A C , C und E nicht wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an der Tat verurteilt worden sind, daß der Angeklagten V C eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit strafmildernd zugute gehalten und bei keinem der Angeklagten das weitere Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen worden ist; die Staatsanwaltschaft erstrebt letztlich eine Verurteilung dieser vier Angeklagten zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Nebenkläger wenden sich mit unterschiedlichen Anträgen ebenfalls gegen die unterbliebene mittäterschaftliche Verurteilung. Ferner wird von einem Nebenkläger der Freispruch der Angeklagten H angefochten. Auch die verurteilten Angeklagten haben Revisionen eingelegt.
Alle Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

A.

Sachverhalt
Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden seit Januar 1986 wachsende Spannungen zwischen den USA und Libyen. Etwa Mitte März 1986 beauftragten libysche Dienststellen das in Ost-Berlin gelegene „Libysche Volksbüro“ (die für die DDR zuständige libysche Auslandsvertretung , im folgenden: LVB), in Deutschland Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen zu begehen.
Zunächst wurde im LVB geplant, einen amerikanischen Bus, der täglich – mit amerikanischen Soldaten besetzt – zwischen West- und Ost-Berlin verkehrte, auf Ost-Berliner Gebiet mit Waffen anzugreifen. Der Angeklagte C war Mitglied der palästinensischen Terrororganisation PFLP-GC und am LVB als sogenannter technischer Mitarbeiter akkreditiert. Er wurde in diese Planung mit eingebunden; sein Diplomatenfahrzeug sollte bei dem Anschlag eingesetzt werden. Der Angeklagte E hielt sich 1985 und 1986 in Ost-Berlin auf. Er war Angestellter des libyschen Propagandaministeriums sowie Mitglied sogenannter Revolutionskomitees. Er hatte häufiger Kontakt zum LVB und lernte dabei den Angeklagten C kennen. Ohne selbst in den Anschlagsplan eingebunden zu sein, wußte er davon und unternahm nichts dagegen. Der Angeklagte A C lebte seit 1976 in West-Berlin. Er wurde 1982 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben und hatte die Aufgabe, insbesondere über Araber in West-Berlin Informationen zu beschaffen. Über seine Treffen mit den Angeklagten C und E , auch über geplante Aktionen gegen Amerikaner , berichtete er seinem Führungsoffizier. Vermutlich wegen der daraufhin vom MfS veranlaßten Überwachungsmaßnahmen wurde der Plan, einen Anschlag auf den amerikanischen Bus in Ost-Berlin zu verüben, aufgegeben.
Spätestens am 19. März 1986 wurde stattdessen der Plan entwickelt, denselben Bus in West-Berlin mit Waffen anzugreifen. Zur Vorbereitung einer solchen Tat transportierte der Angeklagte C gemeinsam mit einem im LVB tätigen diplomatischen Kurier Pistolen und Handgranaten von Ost- nach West-Berlin. Die Angeklagten C , A C und E nahmen an einem Gespräch über Einzelheiten des geplanten Anschlags teil. Wegen der Weigerung des hieran beteiligten, der PFLP-GC nahestehenden A J , an der Tat mitzuwirken, wurde auch dieser Plan im LVB nicht weiter verfolgt. Die Angelegenheit fand durch den Rücktransport der Waffen einen tatsächlichen Abschluß.
Zwischen dem 20. und 25. März 1986 sahen sich die Angeklagten E und A C gemeinsam mit dem der PFLP-GC nahestehenden I M in West-Berlin befindliche amerikanische Einrichtungen an, um aufzuklären , ob sie für einen Anschlag in Betracht kamen. Diese Objekte wurden jedoch von den im LVB tätigen Diplomaten A K und A E als potentielle Anschlagsziele verworfen.
Den weiteren Geschehensablauf zwischen dem 25. und 30. März 1986 konnte das Landgericht nur teilweise aufklären. Von Personen aus dem Umfeld des LVB wurde gezielt nach von Amerikanern besuchten Diskotheken in West-Berlin gesucht. Am 29. März 1986 teilte der Angeklagte A C seinem Führungsoffizier die Namen von drei Diskotheken mit, die in die engere Wahl gezogen wurden. Spätestens am 30. März 1986 übergab der Angeklagte A C dem Angeklagten E einen von der Angeklagten V C geschriebenen Zettel mit den Namen und Anschriften dieser drei Diskotheken. Der Hintergrund der Entstehung dieses Zettels konnte nicht aufgeklärt werden. Bei der Einreise des Angeklagten E am 30. März 1986 von West- nach Ost-Berlin entdeckten Kontrollorgane der DDR den Zettel und fertigten eine Fotokopie, die an das MfS weitergeleitet wurde. Der Angeklagte E übergab danach den Zettel an den Diplomaten A K . Im LVB wurde die Diskothek „La Belle“ als Anschlagsziel festgelegt. Das Landgericht hat zu Gunsten aller Angeklagten nicht ausgeschlossen , daß diese an der Festlegung des Anschlagsziels nicht beteiligt waren.
Spätestens zwischen dem 30. März und dem 4. April 1986 erfuhren die Angeklagten E und C , daß im LVB entschieden worden war, einen Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“ zu verüben. Unter Verwendung von 1.500 Gramm Plastiksprengstoff, den das LVB bereitstellte, sollte in der in Berlin-Kreuzberg gelegenen Wohnung der Angeklagten V C in Anwesenheit der Angeklagten V und A C eine Bombe gebaut werden; V C sollte veranlaßt werden, diese Bombe in die Diskothek zu bringen und dort zu zünden.
Die Angeklagten E und C entschlossen sich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen den USA und Libyen, sich an diesem Anschlag zu beteiligen und letztlich den USA Schaden zuzufügen; der Angeklagte E hoffte hierdurch auch, seine Chancen für eine Akkreditierung am LVB zu erhöhen. Die Motive der Angeklagten V C , die ebenso wie der Angeklagte A C als IM für das MfS tätig war, ihre Wohnung zur Verfügung zu stellen und den Anschlag auszuführen, sind unklar geblieben. Auch beim Angeklagten A C hat sich die Strafkammer keine sichere Überzeugung von dessen Tatmotiv verschaffen können.
Am 4. April 1986 übernahm die Ehefrau des Angeklagten C im LVB den Sprengstoff und überbrachte ihn der Angeklagten V C . Am selben Abend wurde in der Wohnung der Angeklagten V C mit dem Sprengstoff und einer Zündvorrichtung eine Bombe zusammengesetzt. In der Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt die Angeklagten V und A C , C und E sowie die Freigesprochene H , eine Schwester der Angeklagten V C . Eine aktive Beteiligung der Angeklagten an der Zusammensetzung der Bombe hat die Strafkammer bei keinem Angeklagten festzustellen vermocht. Wer von den Angeklagten die Bombe zusammensetzte und wer die Angeklagte V C in die Funktionsweise der Bombe einwies, konnte nicht festgestellt werden. Vor dem Hintergrund divergierender Angaben der Angeklagten E und A C ist zugunsten eines jeden der Angeklagten E , C und A C davon ausgegangen worden, daß jeweils die beiden anderen die Bombe zusammensetzten.
Zwischen 22.00 und 23.00 Uhr verließen die Angeklagten E , C und A C die Wohnung. Auf Nachfrage der Angeklagten V C erklärte sich ihre Schwester bereit, mit in die Diskothek „La Belle“ zu gehen , wobei diese möglicherweise lediglich davon ausging, zu einem „normalen“ Diskothekenbesuch aufgefordert zu werden. Die Angeklagte V C transportierte die Bombe in einer Tasche zur Diskothek, aktivierte
den Zeitzünder und verließ mit ihrer Schwester die Diskothek, in der sich über 200 Menschen aufhielten. Gegen 1.45 Uhr des 5. April 1986 explodierte die Bombe. Drei Menschen starben an ihren durch die Explosion verursachten schweren Verletzungen. Zahlreiche weitere Besucher sowie Angestellte des Lokals erlitten Verletzungen unterschiedlichen Grades.

B.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
I. Verfahrensrügen
1. Mit zwei Verfahrensrügen beanstandet die Beschwerdeführerin eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), weil das Landgericht die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E nicht verwertet hat.

a) Sie macht zunächst geltend, das Landgericht habe hinsichtlich dieser Aussagen zu Unrecht ein Verwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 StPO bejaht. Dazu trägt sie vor:
Der Angeklagte E habe bei einer Vernehmung in der deutschen Botschaft auf Malta vom 10. September 1996 und bei vier Folgevernehmungen in Deutschland zwischen Oktober und Dezember 1996 geständige Angaben gemacht. Die Strafkammer habe diese Angaben des Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zu Unrecht nicht verwertet. Entgegen ihrer Auffassung sei in dem rechtlichen Hinweis, den die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten E vor dessen erster Vernehmung gegeben habe, keine Täuschung im Sinne von § 136a StPO zu sehen. Auf der fehlerhaften Annahme eines Verwertungsverbotes beruhe das angefochtene Urteil auch: Hätte das Landgericht die Angaben des Angeklagten E berücksichtigt, hätte es zumindest
die Angeklagten C und A C nicht nur wegen Beihilfe zum Mord, sondern wegen gemeinschaftlicher Tatbegehung verurteilen müssen.
Nach Auffassung des Tatrichters ist der Angeklagte E dadurch getäuscht worden, daß in ihm der irrige Eindruck erweckt wurde, geständige Angaben würden sich unabhängig von dem Gewicht des eingeräumten Tatbeitrags bei einer Verurteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich strafmildernd für ihn auswirken. Dies sei geschehen, obwohl der Angeklagte E zum damaligen Zeitpunkt des mehrfachen mittäterschaftlichen Mordes beschuldigt wurde und bei Mord lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist, ohne daß wegen eines Geständnisses diese Strafe gemildert werden kann. Der Aussage des für den entsprechenden Hinweis an den Angeklagten E verantwortlichen Oberstaatsanwalts in der Hauptverhandlung, er habe das Geständnis als Anhaltspunkt für eine Prüfung der Schwere der Schuld nach § 57a StGB angesehen, ist die Strafkammer nicht gefolgt.

b) Die Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, muß die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGHSt 3, 213, 214; 21, 334, 340; 29, 203; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Befangenheitsrüge 1, Beweisantragsrecht 2, Beweiswürdigung 3, letztes Wort 1, 3 und Verwertungsverbot 5; st. Rspr.).
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hier nicht. Das Landgericht hat bei seiner in den Urteilsgründen vorgenommenen Beweiswürdigung zum Inhalt des Gesprächs im Hotel einen Vermerk des Oberstaatsanwalts vom 3. Dezember 1996 herangezogen, wo-
nach „der Angeklagte E für seine Tat mit vier bis sieben Jahren Freiheitsstrafe zu rechnen“ habe (UA S. 198). Ohne vollständige Kenntnis dieses Vermerks, den die Revision nicht mitteilt, kann der Senat nicht prüfen, ob es sich bei dem rechtlichen Hinweis an den Angeklagten E um eine Täuschung des Angeklagten oder allenfalls um eine doppeldeutige Erklärung gehandelt hat.

c) Demnach kommt es auf die weitere erhobene Beanstandung, daß im Urteil die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E auch wegen eines Verstoßes gegen die Benachrichtigungspflicht des § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO als unverwertbar behandelt werden, nicht mehr an. Die Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Landgericht für diese Aussagen die Annahme eines nach § 136a Abs. 3 StPO bestehenden Verwertungsverbots bejaht hat, das von der Revision nicht wirksam angefochten worden ist.
2. Soweit die Beschwerdeführerin mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) die unterbliebene Vernehmung der Zeugen He und Gav rügt, kann sie keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Ablehnung des zugehörigen Beweisantrags rechtsfehlerfrei auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt. Nach dieser Bestimmung kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen abgelehnt werden, wenn dessen Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, ohne daß die Erreichbarkeit dieses Zeugen geprüft werden müßte (BGHSt 40, 60, 62; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 244 StPO Rdn. 43 f.).
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsvortrag der Staatsanwaltschaft vollständig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es fehlt nämlich an jeglichen näheren Angaben zum aktenmäßig erfaßten Hintergrund für die benannten Zeugen, dessen Kenntnis für die Beurteilung nach § 244 Abs. 5
Satz 2 i. V. m. Abs. 2 StPO wesentlich wäre. Jedenfalls ist die Rüge unbe- gründet.
Bei der Beurteilung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf der Tatrichter das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde legen. Mit Rücksicht hierauf hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei dargelegt, daß selbst dann, wenn die Zeugen die behaupteten Tatsachen bekundet hätten, aufgrund der zu den Beweisthemen bereits durchgeführten Beweisaufnahme keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären, die ihre Überzeugung hätten beeinflussen können. Im Hinblick auf das prahlerische Verhalten des Angeklagten C ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer aus dessen behaupteten Angaben gegenüber dem Zeugen He nicht auf einen Täterwillen schließen wollte. Daß der Angeklagte C Anschläge mit dem Diplomaten A K gemeinsam plante, war entgegen dem Revisionsvorbringen nicht Gegenstand des Beweisantrags.
3. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der sich die Revision dagegen wendet, daß der Tatrichter nicht gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO die 1991 erfolgte polizeiliche Beschuldigtenvernehmung und die 1993 stattgefundene richterliche Zeugenvernehmung des ausländischen Zeugen A verlesen hat. Die Beschwerdeführerin teilt schon nicht mit, aufgrund welcher Umstände die Strafkammer nach Ablauf von fast acht Jahren davon hätte ausgehen müssen, daß die tatsächlichen Grundlagen für eine Verlesung, auf die sich die Beschwerdeführerin berief, noch fortbestanden. Auch brauchte der Tatrichter aus den unter Beweis gestellten Tatsachen nicht den von der Beschwerdeführerin gewünschten Schluß auf einen Täterwillen des Angeklagten C zu ziehen.
II. Sachrüge
Ohne durchgreifenden Erfolg beanstanden die – insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der
Sachrüge, das Landgericht hätte die Angeklagten C , A C und E als Mittäter bestrafen müssen, im Falle der Angeklagten V C nicht eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB zugrunde legen dürfen und bei allen vier Angeklagten das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejahen müssen.
1. Angeklagte C , A C und E

a) Soweit sich die Staatsanwaltschaft zum Nachteil dieser Angeklagten mit dem Ziel höherer Bestrafung gegen deren Verurteilung nur wegen Beihilfe zum Mord wendet, hat sie keinen Erfolg.
aa) Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGH StV 1998, 540 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540 m.w.N.).
bb) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hätte es womöglich näher gelegen, die Angeklagten als Mittäter und nicht als bloße
Gehilfen anzusehen. Der Senat muß jedoch berücksichtigen, daß das Landgericht bei der gegebenen ungewöhnlich schwierigen und teilweise kargen Beweislage für sich rechtsfehlerfrei zum unmittelbaren Tatgeschehen grundsätzlich nur Mindestfeststellungen, die durch Tatsachen oder übereinstimmende Angaben mehrerer Angeklagter getragen werden, der Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat. Zudem sind die Angeklagten nicht die Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags; dessen Ziel wurde im LVB festgelegt, das auch den bei der Tat verwendeten Sprengstoff lieferte.
Deshalb ist unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien die Entscheidung des Landgerichts, die Angeklagten C , A C und E seien Gehilfen und nicht Mittäter gewesen, aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Das Landgericht hat darauf abgestellt, daß keiner dieser Angeklagten am Transport der Bombe in die Diskothek und an der Auslösung des Zündmechanismus beteiligt oder auch nur anwesend war, als die Angeklagte V C in der Diskothek die Zündung auslöste. Das Landgericht hat weiter bedacht, daß die im LVB tätigen leitenden Mitarbeiter – die beide auch dem libyschen Geheimdienst angehörten – die „Federführung hinsichtlich aller Überlegungen und Planungsschritte“ innehatten (UA S. 351, 359, 364).
Die Strafkammer konnte sich hinsichtlich der Feststellungen zur unmittelbaren Vorbereitung und Durchführung des Anschlags nur auf die Einlassungen der Angeklagten E und A C sowie zum Ablauf des Zusammentreffens in der Wohnung am 4. April 1986 zusätzlich auf die Angaben der Angeklagten V C stützen. Andere Beweismittel, insbesondere die Vernehmung von Zeugen, waren unergiebig. Die Einlassungen der Angeklagten A C und E zur Planung von Anschlägen gegen amerikanische Einrichtungen im März 1986 sowie zur Vorbereitung des konkreten Bombenanschlags wichen erheblich voneinander ab. Der Tatrichter hat sich auch nach Auseinandersetzung mit sämtlichen Einzelheiten beider Einlassungen und ihrer umfassenden Würdigung nicht in der Lage gesehen,
eine der beiden Einlassungen als zuverlässiger im Vergleich zur anderen Einlassung anzusehen. Daher ist das Landgericht den Angaben, soweit sie Belastungen anderer zum Gegenstand haben, mit großer Sorgfalt begegnet und hat letztlich seine Feststellungen auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ dieser Einlassungen gestützt, soweit nicht durch weitere Beweismittel eine Einlassung eines Angeklagten zur Überzeugung des Landgerichts bestätigt wurde. Deshalb konnten an vielen Stellen die Einlassungen der Angeklagten zwar nicht als Grundlage für sichere Feststellungen dienen, andererseits aber auch nicht zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt werden, so daß insoweit nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ von der jeweils günstigeren Variante für den einzelnen Angeklagten ausgegangen wurde.
Im Hinblick auf einen Anschlag auf einen amerikanischen Bus konnte die Strafkammer nur feststellen, daß die Angeklagten in nicht näher zu ermittelnder Weise an letztlich abgebrochenen Planungen beteiligt waren. Hinsichtlich des Anschlags auf die Diskothek konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, daß die Angeklagten an der Planung und Vorbereitung beteiligt waren. Nach den Urteilsgründen ist davon auszugehen, daß die Angeklagten C und E aus dem LVB lediglich angewiesen wurden, in der Wohnung durch ihre Anwesenheit die Realisierung des Tatplans zu unterstützen, daß sie auch nur diese Rolle einnehmen wollten und daß dem Angeklagten A C erst nach Betreten der Wohnung der konkrete Tatplan bekannt wurde. Über die Anwesenheit in der Wohnung und die dadurch für die anderen Beteiligten zum Ausdruck gebrachte Billigung und Unterstützung des Vorhabens hinaus konnten keine weiteren Tatbeiträge der Angeklagten festgestellt werden. Zugunsten eines jeden einzelnen hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler unterstellt, daß er am Bau der Bombe nicht aktiv mitgewirkt hat.
Zwar hat der Tatrichter bei seiner Abwägung nicht ausdrücklich erörtert , daß alle drei Angeklagte an einer Zusammenkunft mit A J , der für eine Beteiligung an dem beabsichtigten Anschlag auf einen amerikanischen Bus vorgesehen war, teilgenommen haben. Entgegen der Auffassung
der Revision ist dieser Umstand jedoch nicht aussagekräftig im Hinblick auf eine mögliche Mittäterschaft der Angeklagten. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Rolle die Angeklagten bei diesem Gespräch spielten und welche Aufgaben ihnen bei dem geplanten Anschlag zukommen sollten.
Auch sonst liegen keine Umstände vor, die den Tatrichter an einer Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten als Beihilfe hindern mußten. Insbesondere ergeben diese sich nicht notwendig aus den Feststellungen zur Art ihrer Anbindung an das LVB und zu ihren sonstigen Aktivitäten. Daß danach eine abweichende tatrichterliche Wertung – insbesondere bei den Angeklagten E und C , auch angesichts ihrer festgestellten politischen Motivation – durchaus möglich gewesen wäre, begründet noch keinen Anlaß zu einem Eingreifen durch das Revisionsgericht.

b) Das Landgericht hat die Tat rechtsfehlerfrei als heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mord beurteilt. Der Tatrichter hat aber das Vorliegen des weiteren Mordmerkmals einer Tötung aus niedrigen Beweggründen verneint, weil „das politische Motiv ... dieses Mordmerkmal (nicht) ausfüllen“ könne, „zumal hierbei dem Bewertungspluralismus Rechnung zu tragen“ sei (UA S. 356, 357). Diese Wertung ist unzutreffend und wird zu Recht von der Staatsanwaltschaft, der sich etliche Nebenkläger angeschlossen haben, beanstandet. Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, daß es die Voraussetzungen für die Annahme einer Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen verkannt hat.
Wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen können die Angeklagten dann verurteilt werden, wenn V C oder deren Mittäter – die libyschen Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags – aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe der Mittäter er-
bracht haben (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen vor.
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinan- dersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen. Solches trifft ersichtlich für die maßgeblichen libyschen Hinterleute dieses Anschlags wie auch für die Angeklagten C , A C und E selbst zu.
Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Die hierzu von der Strafkammer festgestellten Umstände lassen die Wertung des Beweggrundes als „niedrig“ durch den Senat zu. Die zufällige, unterschiedslose und deshalb willkürliche Auswahl von unbeteiligten Menschen als Opfer rechtfertigt die Einstufung der Motivation als „niedrig“ (vgl. BGHSt 47, 128, 132 m.w.N.; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 27; Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 79, 85). Das „Startbahn -West-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (NStZ 1993, 341; ablehnend dazu Jähnke und Schneider aaO) steht dieser Wertung nicht entgegen, weil der dortige Einzelfall sowohl in der Tatmotivation als auch in der Auswahl der Opfer wesentliche Besonderheiten aufwies; im vorliegenden Fall waren die Opfer völlig unbeteiligt. Zudem ist der regelmäßig verheerend wirkende unkontrollierbare Einsatz von Bomben oder Minen von vornherein eklatant menschenverachtend (vgl. BGHSt 40, 218, 232; 44, 204, 209; v. Selle NJW 2000, 992, 996).
Auf die Herkunft der Angeklagten aus dem Libanon bzw. aus Libyen, wo der Sprengstoffanschlag auf die Diskothek möglicherweise aus politischer
Verblendung und weitgehender Indoktrination von manchen gebilligt worden sein mag, kann es bei der Gesamtwürdigung, ob das Tötungsmotiv als niedrig einzuschätzen ist, nicht ankommen. Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist grundsätzlich den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 41; BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.).

c) Die Annahme einer Beihilfe zum Mord auch aus niedrigen Beweggründen bei den Angeklagten C , A C sowie E und die damit verbundene Abweichung von der Rechtsauffassung des Tatrichters führt hier nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß bei zutreffender Bejahung eines Mordmerkmals die fehlerhafte Verneinung eines weiteren Mordmerkmals den Bestand des Schuldspruchs jedenfalls dann nicht gefährdet, wenn hinsichtlich des fehlerhaft behandelten Mordmerkmals weitere tatrichterliche Feststellungen – so wie hier – nicht erforderlich sind (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 1 Teilaufhebung 1). Der Senat schließt zudem aus, daß der jetzt erfolgten Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals niedriger Beweggründe, dessen Tenorierung es nicht bedarf, Auswirkungen auf die Strafaussprüche zukämen; diese können bestehen bleiben. Die Strafen sind untereinander sachgerecht differenziert und bewegen sich im oberen Bereich des zutreffend bestimmten Strafrahmens. Das schreckliche Tatbild ist vom Landgericht , für das die numerische Zahl der Mordmerkmale nicht strafentscheidend war, berücksichtigt worden. Vor dem Hintergrund der nach § 211 Abs. 1 StGB i. V. m. § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB für Beihilfe zum Mord bestehenden Obergrenze von 15 Jahren Freiheitsstrafe kommt hinzu, daß auf den inzwischen nochmals beträchtlich verlängerten zeitlichen Abstand zur
Tat strafmildernd Bedacht zu nehmen wäre (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
2. Angeklagte V C

a) Das Landgericht hat bei der Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf Grund der Auswirkungen einer depressiven Erkrankung in Verbindung mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung für nicht ausgeschlossen erachtet, obgleich der in der Hauptverhandlung gehörte psychiatrische Sachverständige Krö davon ausging, daß die Begutachtung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit erbracht hätte.
aa) Die Anwendung des § 21 StGB begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht ist zwar im Ergebnis nicht dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gefolgt. Dies war aber auch von Rechts wegen nicht geboten, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige dem Richter für die Prüfung der Tatsachenfrage, ob eine krankhafte seelische Störung der Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat, nur die von ihm ermittelten Befundtatsachen mitteilen und Sachkunde vermitteln soll, ihn aber nicht von der Verantwortung für die Entscheidung der aufgeworfenen Fragen entbinden kann (vgl. BGHSt 8, 113, 117 f.; BGH GA 1962, 116). Bei der Prüfung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB handelt es sich um eine Rechtsfrage (BGHSt 8, 113, 124; Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 8 ff. m.w.N.), die der Tatrichter ausschließlich in eigener Verantwortung beantworten muß (BGHR StGB § 21 Sachverständiger 11). Weder bezüglich der Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung noch seiner rechtlichen Bewertung, daß diese die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt habe, sind letztlich Rechtsfehler zu erkennen.

Der Sachverständige hat zwar nicht sicher feststellen, aber auch nicht ausschließen können, daß die Angeklagte zur Tatzeit an einer mittelschweren Depression im Sinne der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation (ICD-10 F33) litt, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen ist. Die Strafkammer hat sich nach eigener Prüfung dieser Sichtweise angeschlossen.
Darüber hinaus hat sie erneut nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht ausschließen können, daß die Angeklagte aufgrund der Auswirkungen einer möglicherweise im Abklingen befindlichen depressiven Phase nur erheblich vermindert in der Lage gewesen sein könnte, nach ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Der Sachverständige hat hierzu hervorgehoben, daß die für Depressionen typischen Krankheitssymptome wie die Unfähigkeit, einfache Aufgaben des Alltags zu bewältigen, verminderte Konzentration und geringes Selbstwertgefühl in der Regel zur Folge haben bzw. vermuten lassen, daß Depressionen die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten eher hemmen als fördern. Sollte die Angeklagte sich zur Tatzeit in einer depressiven Phase befunden haben und dennoch in der Lage gewesen sein, gezielt den Anschlag zu verüben, sei dies aus seiner Sicht allenfalls denkbar, wenn sie diese Tat trotz, nicht aber aufgrund der Depression begangen hätte. Das Landgericht hat sodann mit dem Sachverständigen anhand einschlägiger psychiatrischer Fachliteratur die bestehenden Unsicherheiten bei der vorzunehmenden Bewertung erörtert. Dabei hat sich der Sachverständige gegen eine darin vertretene Sichtweise gewandt, daß durch eine Depression eine „Auflockerung der Gesamtpersönlichkeit“ hervorgerufen werden könne. Er hat aber auch eingeräumt, daß es grundsätzlich Fallkonstellationen gäbe, bei denen Depressionen zur Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters führen könnten. In der forensischen Psychiatrie sei bis heute nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen Depressionen in der abklingenden Phase auf das Verhalten von Straftätern hätten.

Vor diesem Hintergrund hat die Strafkammer nicht auszuschließen vermocht, daß einerseits die Angeklagte aufgrund des Abklingens der Krankheitssymptome überhaupt in der Lage war, die Tat auszuführen, andererseits aber durch die Krankheit bei ihr Kontrollmechanismen noch so außer Kraft gesetzt waren, daß sie nur erheblich vermindert in der Lage war, entsprechend ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Dabei waren zwei Besonderheiten ausschlaggebend. Zum einen hat der Sachverständige zusätzlich eine histrionische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.4) diagnostiziert, die sich durch starkes Angewiesensein auf Bewunderung, durch theatralische Verhaltensweisen in Verbindung mit dieser Geltungsssucht sowie durch Affekte zum Überziehen und Sichinszenieren auszeichnet und nach vertretbarer Auffassung des Landgerichts im Zusammenwirken mit der abklingenden Depression das Hemmungsvermögen der Angeklagten verstärkt beeinträchtigt haben kann. Zum anderen konnten weder der Sachverständige noch das Landgericht trotz mehrjähriger Hauptverhandlung das Motiv der Angeklagten, vor 15 Jahren einen derartigen Bombenanschlag zu begehen, sicher aufklären. Der Klärung des Tatmotivs kommt aber auch nach den Darlegungen des Sachverständigen eine wesentliche Bedeutung bei der Einschätzung der Schuldfähigkeit eines Täters zu. Für den Tatrichter ist es hiernach denkbar, daß bei der hier nicht ausgeschlossenen Konstellation einer ausklingenden Depression mit histrionischer Komponente die Angeklagte mit etwa folgender Vorstellung handelte: „Mir ist sowieso alles egal, aber zumindest wird die ganze Welt über mich reden“ (UA S. 339). Das Landgericht selbst sieht seine Zweifel auf den Unsicherheiten gegründet, die von dem Sachverständigen bei der Bewertung des Falles selbst benannt worden sind und von ihm auch nach Auseinandersetzung mit der einbezogenen psychiatrischen Fachliteratur nicht ausgeräumt werden konnten.
bb) Die tatrichterliche Wertung ist namentlich vor dem Hintergrund erheblicher Einflußnahme Dritter auf den Entschluß der Angeklagten zur Tat-
begehung vertretbar. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Zu Unrecht vermißt die Revision konkrete Anknüpfungstatsachen dafür , daß sich die Angeklagte in einer mittelschweren Depression befunden haben könnte. Die Strafkammer hat zutreffend ausgeführt, daß den Einlassungen der Angeklagten E und A C insoweit nur geringeres Gewicht zukommt (vgl. auch BGH, Beschluß vom 31. März 2004 – 5 StR 351/03), und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen dargelegt , es sei nicht ungewöhnlich, daß Menschen, die zu Depressionen neigen, nach Jahren nicht mehr in der Lage seien, ihre psychische Verfassung auf einen bestimmten viele Jahre zurückliegenden Zeitpunkt zu beschreiben. Für Frühsommer 1985 und Dezember 1986 sind zumindest mittelschwere Depressionen ebenso belegt wie in einem ärztlichen Attest aus dem Jahre 1994 (UA S. 33, 150, 329). Berichten des MfS über Treffen mit der Angeklagten brauchte der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht zu entnehmen, daß lediglich zu den beiden darin genannten Zeitpunkten depressive Phasen bestanden haben.
Daß die Angeklagte nach ihrer Einlassung nicht allein zur Diskothek gehen wollte und auf ihre Schwester einwirkte, sie zu begleiten, steht der Annahme einer schweren depressiven Phase nicht entgegen. Die Fähigkeit, planvoll vorzugehen, wird hierdurch nicht etwa völlig ausgeschlossen.
Der Senat besorgt auch nicht, die Strafkammer könne bei der Prüfung eines Motivs der Angeklagten übersehen haben, daß diese zur Tatzeit arbeitslos war und vom Angeklagten A C keine finanzielle Unterstützung erhalten hatte. Der Tatrichter hat sich mit einem Motiv aus finanziellen oder sonstigen materiellen Gründen ausführlich und rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt (UA S. 296 – 298).
b) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten V C das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht an-
genommen hat, unterliegt das im Hinblick auf die nicht ausgeschlossene er- hebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit dieser Angeklagten keinen gleichermaßen durchgreifenden Bedenken wie bei den drei anderen Angeklagten (vgl. zum Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.). Da sie Mittäterin ist, kommt es sie betreffend darauf an, ob sie selbst niedrige Beweggründe hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte die Angeklagte V C im wesentlichen motivlos und ihr Handeln war – jedenfalls nicht ausschließbar – von depressiven Phasen bestimmt, die jedoch nicht ihre Fähigkeit zum planvollen Handeln ausschlossen. Aufgrund dieser Disposition läßt sich aus den Urteilsgründen nicht sicher ableiten, ob bei der Angeklagten auch die subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe erfüllt sind. Dies nötigt indes nicht zu einer Zurückverweisung der Sache. Aus denselben Gründen wie bei den drei anderen Angeklagten wäre auch bei der Angeklagten V C eine Auswirkung auf den Schuld- oder Strafausspruch zu verneinen.

C.


Revisionen der Nebenkläger
I. Revisionen des Nebenklägers Br
1. Die Zulässigkeit der gegen die wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes verurteilten Angeklagten V C gerichteten Revision scheitert an § 400 Abs. 1 StPO. Der Nebenkläger könnte mit seiner Revision, da das Landgericht das Tötungsdelikt als Mord beurteilt hat, hinsichtlich dieses Nebenklagedelikts nur eine andere Rechtsfolge der Tat erreichen; mit diesem Ziel kann er das Urteil nicht anfechten (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12).
2. Die den Freispruch der Angeklagten H betreffende Revision bleibt erfolglos.

a) Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags in den Urteilsgründen als bedeutungslos ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Tatrichter darf eine mögliche Indiztatsache dann als bedeutungslos ansehen, wenn sie selbst für den Fall des Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, weil das Gericht in seiner freien Beweiswürdigung einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluß aus der Tatsache nicht ziehen will (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 2, 4 und 23 m.w.N.).

b) Die Sachrüge ist unbegründet.
Die Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern und verstößt insbesondere nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Daß eine abweichende tatgerichtliche Wertung möglich gewesen wäre, vielleicht sogar näher gelegen hätte, berechtigt das Revisionsgericht noch nicht zum Eingreifen.
3. Auch den gegen die Angeklagten C , A C und E gerichteten Revisionen bleibt ein Erfolg versagt.

a) Die Verfahrensrügen, die sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E als Mittäter richten, gehen fehl.
Die Behauptungen der Revision, die am 274. Hauptverhandlungstag gestellten Hilfsbeweisanträge seien nicht beschieden worden, ist falsch. Im Urteil sind diese Anträge als bloßer Wiederholungsantrag bzw. wegen eigener Sachkunde des Gerichts zurückgewiesen worden (UA S. 202 ff., 238).
b) Soweit sich die Sachrüge gegen die Nichtverurteilung des Angeklagten C als Mittäter richtet, ist sie unbegründet (vgl. die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft und unten II. a.E.).

Die Revision des Nebenklägers ist dagegen unzulässig, soweit mit ihr als weiteres Anfechtungsziel die Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe erstrebt wird. Die Annahme eines weiteren Mordmerkmals würde sich allenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch auswirken können. Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil aber nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (vgl. BGH NJW 1999, 2449).
4. Soweit das Gericht nach § 405 Satz 2 StPO davon abgesehen hat, über den Antrag auf Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren zu entscheiden , ist die Rüge bereits deshalb unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 406a Abs. 1 StPO).
II. Revisionen der weiteren beschwerdeführenden Nebenkläger
Die Revisionen der Nebenkläger Ba , Be , Ed , El , Frei , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes wenden, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Nebenkläger ergeben hat. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.
Der Senat verkennt nicht, daß insbesondere aus der Perspektive der teilweise erheblich verletzten und schwer betroffenen Opfer die Verhängung nur zeitiger Freiheitsstrafen – die der schwierigen Beweis- und Rechtslage geschuldet ist – nicht leicht nachzuvollziehen sein mag. Dies gilt umso mehr, als eine andere Entscheidung des Landgerichts gleichermaßen vertretbar zu begründen und damit aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls hinzunehmen
gewesen wäre. Bei allem ist aber auch zu bedenken, daß nicht die eigentlichen Haupttäter – libysche Drahtzieher und Hintermänner – vor Gericht standen.

D.


Revisionen der Angeklagten
I. Revision des Angeklagten C
1. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Umrechnungsmaßstabs für die im Libanon vollzogene Auslieferungshaft und der Bestimmung ihrer anrechnungsfähigen Dauer ist ein Verstoß gegen § 261 StPO nicht zu erkennen. Die eingeholte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu den Haftverhältnissen im Libanon steht entgegen der Behauptung der Revision im Einklang mit den Wertungen des Landgerichts. Die Feststellung einer vom Angeklagten im Libanon bis Januar 1994 verbüßten Freiheitsstrafe kann durch die Zeugenaussage eines Ermittlungsbeamten, gegebenenfalls auf Vorhalt einer aktenkundigen Mitteilung aus dem Libanon, in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
II. Revision des Angeklagten A C
Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten.
III. Revision der Angeklagten V C
1. Die Revision beanstandet im Ergebnis ohne Erfolg die Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO, weil die Angeklagte vor ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß informiert und belehrt worden sei; daraus folge ein Beweisverwertungsverbot.
Das Landgericht hat – zutreffend – die Auffassung vertreten, daß der vernehmende Oberstaatsanwalt verpflichtet gewesen wäre, die Angeklagte zu Beginn der Vernehmung über die Tatsache der erfolgten Anklageerhebung und den aktuellen Umfang des Tatvorwurfs in der Anklageschrift zu unterrichten. Im Ergebnis mit Recht hat die Strafkammer aber ein Verwertungsverbot verneint. Über ihr Schweigerecht war die Angeklagte informiert. Jenseits davon lag ein relevantes Informationsdefizit nicht vor. Durch den Haftbefehl war für die Angeklagte erkennbar, daß sich der Tatvorwurf zusätzlich zu der Tötung von drei Menschen auch auf weitere Opfer erstrecken würde; die Tat insoweit rechtlich als versuchten Mord zu würdigen, lag angesichts der nicht beherrschbaren Sprengstoffexplosion nahe.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die weitere Verfahrensrüge und die erhobene Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
IV. Revision des Angeklagten E
Die Angriffe gegen die Strafzumessung, die die Revision mit der Sachrüge vorbringt, können keinen Erfolg haben.
1. Der sachlichrechtlichen Nachprüfung hält stand, daß der Tatrichter den Umstand, daß der Angeklagte „schon vor dem Anschlag längere Zeit in Vorbereitungshandlungen involviert war“ (UA S. 377), straferschwerend berücksichtigt hat. Die Stärke des Tatwillens (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) kann sich auch aus Tatvorbereitungen ergeben. Für eine rechtsfehlerhafte Anlastung eines Verhaltens, in dem ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten
zu finden wäre, ist bei den vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen nichts ersichtlich.
2. Irgendwelche tragfähigen Anhaltspunkte für einen Ansatz, die Bestrafung des Beschwerdeführers sei im Vergleich zu derjenigen des Angeklagten A C rechtsfehlerhaft zu hoch bemessen worden (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 25a), bestehen nicht.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Schaal

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine im Jahre 1944
während der Besetzung Italiens durchgeführte Massenerschießung
italienischer Gefangener als Vergeltungsmaßnahme nach einem gegen
deutsche Soldaten gerichteten Partisanenangriff.
BGH, Beschluß vom 17. Juni 2004 5 StR 115/03
- LG Hamburg -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2004

beschlossen:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. Juli 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Das Verfahren wird nach § 206a StPO eingestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (tateinheitlich begangenen ) Mordes (an 59 Menschen) zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Verfahrens. Zum selben Ergebnis führt gemäß § 301 StPO die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft.

I.


Im angefochtenen Urteil ist folgendes festgestellt:
1. Der im Jahre 1909 geborene Angeklagte wurde als SS-Sturmbannführer Ende 1943 in das von der deutschen Wehrmacht besetzte Italien abkommandiert. Anfang 1944 übernahm er die Leitung eines Außenkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS in Genua. Die
Sicherheitspolizei war u.a. zuständig für sogenannte „Sühnemaßnahmen“ nach gewaltsamen Aktionen von Partisanen, welche die deutschen Besatzer als Sabotagehandlungen und Attentate bewerteten.
Im April 1944 nahm der Angeklagte in Florenz an einer Besprechung der Leiter der Außenkommandos der Sicherheitsdienste teil, die derartige als erforderlich und zulässig angesehene Vergeltungsmaßnahmen nach Angriffen italienischer Partisanen gegen Angehörige der deutschen Besatzungstruppen zum Gegenstand hatte. Der Befehlshaber der deutschen Sicherheitsdienste in Italien Dr. H gab hierfür den Grundsatz bekannt, für jeden getöteten Deutschen seien zehn Italiener zu erschießen. Eine solche „Repressalquote“ – die den (Mindest-)Vorstellungen Adolf Hitlers entsprach – bezeichnete der Jurist Dr. H als im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht stehend.
2. Am 15. Mai 1944 kam es zu einem Bombenanschlag italienischer Partisanen auf ein gut besuchtes deutsches Soldatenkino in Genua. Fünf oder sechs deutsche Soldaten wurden getötet, weitere 15 Besucher verletzt. Entsprechend dem genannten Grundsatz erteilte der unmittelbare Vorgesetzte des Angeklagten, der das übergeordnete Außenkommando der Sicherheitsdienste in Mailand leitende SS-Obersturmbannführer R , diesem den Befehl, für jeden getöteten Deutschen die zehnfache Anzahl Italiener erschießen zu lassen. Die Auswahl der Opfer und die Art der Durchführung der „Sühnemaßnahme“ blieb dem Angeklagten überlassen.
Die Erfolgsaussicht für eine Ermittlung der Attentäter wurde als gering erachtet; der Angeklagte beschränkte sich auf die Auslobung einer Belohnung. Als Opfer der vorgesehenen „Sühnemaßnahme“ wurden auf seine Veranlassung 60 männliche Gefangene des seinem Außenkommando unterstellten Marassi-Gefängnisses – darunter jedenfalls 17 seit April 1944 inhaftierte Partisanen – ausgewählt. Als Ort für deren Erschießung sah der Angeklagte einen 25 km von Genua entfernten Platz oberhalb des Turchino-
Passes vor, der zwar gut erreichbar, aber so abgelegen war, daß eine Störung durch die Bevölkerung nicht zu erwarten war. Jüdische Häftlinge hoben dort am 17. Mai 1944 unter Aufsicht von Marineangehörigen eine Grube aus. Da die Opfer des Attentats überwiegend aus der Marine stammten, wurde das sachlich und personell für die Aktion unzureichend ausgestattete Außenkommando der Sicherheitsdienste dabei durch teils freiwillige, teils abkommandierte Angehörige der Marine unterstützt, welche auch die Soldaten für die Erschießungskommandos und für die Bewachung der Opfer auf der Paßhöhe stellte.
3. In den frühen Morgenstunden des 19. Mai 1944 wurden die ausgewählten Gefangenen – 59 Männer (einer der ursprünglich Vorgesehenen, der Zeuge Ri , blieb aus ungeklärten Gründen verschont) – unter dem Vorwand , sie sollten verlegt werden, ihre persönlichen Sachen würden ihnen später wieder ausgehändigt, mit Fahrzeugen in etwa einstündiger Fahrt auf die Paßhöhe transportiert. Von dort wurden sie unter Bewachung auf einem 500 bis 600 Meter langen ansteigenden schmalen Weg zu der ausgehobenen Grube geführt. An deren Rand wurden sie in Gruppen von mindestens vier, höchstens acht Gefangenen von zwei Kommandos, die sich abwechselten , erschossen. Die Opfer stürzten in die Grube; wer noch Lebenszeichen von sich gab, erhielt mit einer Pistole den „Gnadenschuß“. Ein Arzt war nicht zugegen. Ebenso stand den Gefangenen kein geistlicher Beistand zur Seite. Deren Ahnung über ihr Schicksal wurde spätestens zur Gewißheit, als sie beim Anmarsch die Gewehrsalven auf die vorangegangenen Opfer anhören mußten. Unmittelbar vor ihrer Tötung blickten sie noch auf die in der Grube liegenden Leichen der vor ihnen Erschossenen.
Der Angeklagte, der schon frühmorgens vor den Gefangenen am Tatort eingetroffen war, beobachtete das Geschehen aus einer Entfernung von höchstens 15 Metern, bis der letzte Gefangene erschossen war. Er war von der Haltung und Fassung der Opfer beeindruckt. Seinem Vorgesetzten mel-
dete er den Vollzug der Maßnahme. Am Folgetag ließ er eine Mitteilung über die „Sühnemaßnahme“ in einer Genueser Tageszeitung veröffentlichen.
4. Die Leichen der Opfer wurden erst nach Kriegsende, im Juni 1945, exhumiert. 47 Tote konnten identifiziert und in ihren Heimatgemeinden bestattet werden.
5. Der Angeklagte war im Januar 1945 zum SS-Obersturmbannführer befördert worden. Im April 1945 war er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten, wo er falsche Personalien angab. Nach etwa einem Jahr gelang ihm die Flucht.
Später übersiedelte er nach Hamburg, wo er noch heute lebt. Bis 1954 gebrauchte er – offenbar aus Furcht, sich für Kriegsverbrechen verantworten zu müssen – falsche Personalien. Zu seiner Tätigkeit in Italien wurde er lediglich zeugenschaftlich vernommen. Ein auf eine Anzeige eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im Jahre 1969 alsbald mangels Tatverdachts eingestellt.
In Italien hatte es schon frühzeitig Hinweise auf den Angeklagten und seine Verantwortlichkeit als Leiter des Genueser SD-Außenkommandos gegeben , und zwar in einem Strafverfahren gegen den italienischen Dolmetscher N , der bereits im November 1945 als Kollaborateur der deutschen Besatzungstruppen neben anderen Taten auch wegen Beteiligung an den Erschießungen am Turchino-Paß zum Tode (später in Freiheitsstrafe umgewandelt) verurteilt worden war. Aus ungeklärten Gründen wurden die Ermittlungen gegen den Angeklagten nicht fortgesetzt, sondern erst im Jahre 1995 wiederaufgenommen. Am 15. November 1999 wurde der Angeklagte vom Militärgericht in Turin wegen der hier abgeurteilten Tat und des Vorwurfs dreier weiterer kriegsverbrecherischer Morde in Abwesenheit zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Im Frühjahr 2000 wurde nach Eingang von
Unterlagen aus dem in Italien geführten Verfahren in Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet.

II.


Verfahrenshindernisse im Blick auf die Verurteilung des Angeklagten in Italien liegen nicht vor.
1. Die im angefochtenen Urteil niedergelegte Auffassung, das in Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens – SDÜ – (entsprechend Art. 1 EG-ne bis in idem-Übk) normierte Doppelbestrafungsverbot hindere die Verurteilung des Angeklagten nicht, erweist sich für die derzeitige Rechtslage als zutreffend. Das italienische Abwesenheitsurteil ist nicht vollstreckt (Art. 54 SDÜ, erste Variante). Jedenfalls mangels – bislang nach deutschem Recht ausgeschlossener – Auslieferungsbewilligung oder deutscher Bewilligung der Rechtshilfe zur Vollstreckung des italienischen Urteils fehlt es auch an einem Vollstreckungsbeginn (Art. 54 SDÜ, zweite Variante). Der Senat hat darüber hinaus mit Hilfe des Bundesministeriums der Justiz und unter Einschaltung von Eurojust ermittelt, ob etwa nach italienischem Recht ein Vollstreckungshindernis vorliegt (Art. 54 SDÜ, dritte Variante). Dies ist nicht der Fall; vielmehr hat Italien die Ausschreibung des Angeklagten im Schengener Informationssystem – SIS – zur Festnahme zwecks seiner Auslieferung nach Italien zur Strafvollstreckung veranlaßt.
2. Der Senat hat ferner erwogen, ob angesichts des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190/1 vom 18.7.2002) – RBEuHb –, der mit Wirkung vom 1. Januar 2004 eine Ablösung der zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Auslieferungsübereinkommen vorsieht (Art. 31), und angesichts der unmittelbar bevorstehenden innerstaatlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses in einem Europäischen Haftbefehlsgesetz (EuHbG; vgl. BRDrucks. 547/03)
Anlaß bestehen könnte, mit dem Verfahren bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes innezuhalten. Der Senat sieht davon ab, da eine unmittelbar bevorstehende relevante Änderung der Verfahrensrechtslage, die ein sofortiges Verfahrenshindernis aus dem Doppelbestrafungsverbot zur Folge hätte, aus mehrerlei Gründen nicht zu erwarten ist.

a) Zwar steht durch die Konkretisierung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG im EuHbG eine Lockerung des bisherigen strikten Verbots der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger, soweit es die Auslieferung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft, zu erwarten. Indes ist eine Auslieferung zur Strafvollstreckung ohne Zustimmung des verurteilten Deutschen nicht vorgesehen. Allerdings liegt es nahe, daß mit innerstaatlicher Umsetzung der Regelungen über den Europäischen Haftbefehl, wenn eine Auslieferung zur Strafvollstreckung gleichwohl ohne Zustimmung ausgeschlossen ist, regelmäßig stattdessen Rechtshilfe durch Vollstreckung der entsprechenden ausländischen Strafurteile – nach §§ 48 ff. IRG oder aufgrund spezieller Rechtsgrundlagen – zu leisten sein wird, damit die Rechtshilfepraxis den Intentionen des Rahmenbeschlusses nicht zuwiderläuft (vgl. Art. 4 Nr. 6 RBEuHb; BRDrucks. 547/03 S. 32). Ob etwa dann nach neuer Rechtslage im Bestehen einer Verpflichtung zu derartiger Rechtshilfe bereits ein Beginn der Vollstreckung im Sinne der zweiten Variante des Art. 54 SDÜ mit der Folge eines innerdeutschen Verfahrenshindernisses zu sehen ist oder ob es hierfür etwa über die internationale Ausschreibung des im Ausland verurteilten Deutschen hinaus – trotz Art. 9 Abs. 3 Satz 2 RBEuHb – eines wiederholten speziellen Rechtshilfeersuchens und insbesondere – was naheliegt – einer innerstaatlichen Rechtshilfebewilligung bedarf, ist zweifelhaft; es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Frage gegebenenfalls sogar nach § 1 EuGHG i. V. m. Art. 35 EUV dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt werden müßte (vgl. BGHSt 47, 326, 333 f.; Plöckinger/Leidenmühler wistra 2003, 81, 82).

b) Darüber hinaus können sich im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten hier relevanter Neuregelungen für die Vollstreckbarkeit ausländischer Strafurteile gegen Deutsche unter Umständen – selbst wenn dies bei einer prozessualen Neuregelung nicht unbedingt naheliegt (a. A. ohne nähere Begründung v. Münch, Geschichte vor Gericht: Der Fall Engel, 2004, S. 11 f.) – Rückwirkungsprobleme für deren Anwendbarkeit auf Altfälle ergeben.

c) Erheblich größere Probleme dürften aber ferner aus der Besonderheit des gegen den Angeklagten in Italien durchgeführten Abwesenheitsverfahrens erwachsen (vgl. Art. 5 Nr. 1 RBEuHb sowie den in Art. 1 Nr. 1 des Entwurfes zum EuHbG vorgesehenen § 83 Nr. 3 IRG; s. auch Kap. III Art. 3 des 2. ZP-EuAlÜbk, dazu Lagodny in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. § 73 IRG Rdn. 70 ff.). Dies gilt zumal aufgrund vorsorglicher erster Ermittlungen des Senats mit Hilfe von Eurojust. Danach könnte der Angeklagte bei der Unterrichtung über den Verfahrensgegenstand des gegen ihn beim Militärgericht in Turin durchgeführten Strafverfahrens unzulänglich informiert worden sein. Es gibt Anzeichen, daß ihm gerade der Vorwurf derjenigen Straftat nicht benannt worden ist, der Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens ist.

d) Unter Berücksichtigung all dieser rechtlichen und tatsächlichen Probleme sieht der Senat keinen Anlaß, mit der Förderung des vorliegenden Verfahrens innezuhalten, bis die alsbald in Aussicht stehende neue Auslieferungs - und Rechtshilferechtslage in Kraft tritt, da auch hierdurch ein Hindernis zur Fortführung des Verfahrens, wie es nach derzeitiger Rechtslage nicht besteht, nicht zu erwarten ist.
Der Senat sieht nach den hierüber eingeholten Erkenntnissen indes Anlaß zu dem Hinweis, daß Rechtshilfe bei der Vollstreckung des gegen den Angeklagten in Italien ergangenen Urteils insoweit durchsetzbar sein könnte, als dieses Urteil andere Tatvorwürfe betrifft, über die der Angeklagte recht-
zeitig unterrichtet worden war. Dem stünde, soweit ersichtlich, die hiesige Entscheidung, die einen weiteren Tatvorwurf betrifft, nicht entgegen.

III.


Der gegen den Angeklagten verhängte Schuldspruch wegen grausamen Mordes begegnet einem durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, da die Feststellungen des Schwurgerichts die subjektiven Voraussetzungen des angenommenen Mordmerkmals nicht ausreichend belegen.
1. Allerdings ist das Urteil des Schwurgerichts insoweit rechtsfehlerfrei, als der Angeklagte als täterschaftlich verantwortlich für die rechtswidrige und schuldhafte Tötung von 59 Menschen angesehen worden ist.

a) Mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung hat sich das Schwurgericht von dem gesamten Tathergang überzeugt. Gleiches gilt hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Angeklagten als Befehlshaber des an den Gefangenen verübten Massakers. Seine Einlassung, die Durchführung der „Sühnemaßnahme“ sei der Marine übertragen worden, ist rechtsfehlerfrei widerlegt worden. Konsequent hat das Schwurgericht den Angeklagten, der die Durchführung organisierte und beherrschte, aber keine Befehlsgewalt über die Marineeinheiten hatte, welche die Erschießungskommandos stellten, als Mittäter für verantwortlich gehalten.

b) Der Angeklagte handelte nach den tatgerichtlichen Feststellungen auch rechtswidrig und schuldhaft.
aa) Allerdings hat das Schwurgericht dem Angeklagten geglaubt, daß ihm die Tötung von 60 Italienern als „Sühnemaßnahme“ befohlen worden war. Es hat ferner ausgeführt, daß eine derartige Vergeltungsaktion zur Tatzeit unter Berücksichtigung von Kriegsvölkerrecht als gewohnheitsrechtlich
erlaubt angesehen worden sei (UA S. 61 f.), und zwar – entsprechend der dem Angeklagten unwiderlegt von zuständiger vorgesetzter Stelle erteilten Belehrung – selbst mit einer „Repressalquote“ von zehn zu eins. Dieser Befund des Schwurgerichts ist für sich jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1955 – 3 StR 603/54; Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien: Täter – Opfer – Strafverfolgung, 1996, S. 105; Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im zweiten Weltkrieg – Hinweise zur rechtlichen Beurteilung –, herausgegeben von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, 1968, S. 30 ff., 57 f.; v. Münch aaO S. 50 ff.).
Diese damalige Beurteilung ist allerdings mit der Bedeutung des Menschenrechts auf Leben schlechthin unvereinbar. Das Tatgeschehen umfaßte die Erschießung einer Vielzahl wehrloser, an dem mit der „Vergeltungsaktion“ zu ahndenden Geschehen individuell nicht unmittelbar beteiligter Personen. Es wurde dabei auch nicht näher darauf Bedacht genommen, ob und inwiefern die Opfer etwa sonst in Schuld verstrickt waren; jedenfalls gab es hierfür keine wie auch immer geartete Aburteilung. Die Tat ist daher nach geläuterter Auffassung als derart menschenverachtend einzustufen, daß sie nur als rechtswidrig zu werten ist (vgl. auch BGHSt 2, 333, 334 f.). Es bedarf daher nicht einmal der Vertiefung, ob eine Rechtmäßigkeit von Reaktionen der deutschen Wehrmacht gegen italienische Partisanen wegen der Rechtswidrigkeit der deutschen Besetzung Italiens vor dem Hintergrund der deutschen Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg nicht grundlegend in Frage zu stellen ist.
bb) Die Feststellung, daß dem Angeklagten die in die Tat umgesetzte „Repressalmaßnahme“ von den zuständigen militärischen Vorgesetzten befohlen worden ist, beseitigt nicht seine Schuld. Der Senat schließt – ungeachtet abweichender Tatzeitauffassung und selbst vor dem weiteren Hintergrund des damaligen aktuellen, mit mannigfaltigen Schrecknissen einhergehenden Kriegsgeschehens – aus, daß dem Angeklagten eine Entschuldigung
nach § 47 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuches (MStGB) – das auch für ihn galt (UA S. 55) – zuzubilligen wäre. Es mag im Blick auf die Tatzeitsicht problematisch sein, über die Beurteilung des Schwurgerichts in dem angefochtenen Urteil hinausgehend den Befehl der „Repressalie“ als solchen , deren äußerste numerische Grenzen nach den tatgerichtlichen Feststellungen (insoweit im Gegensatz zu den Feststellungen des italienischen Urteils gegen den Angeklagten) nicht überschritten wurden, bereits als verbrecherisch im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB zu bewerten. Jedenfalls wäre es angesichts der grauenvollen Begleitumstände des vom Angeklagten zu verantwortenden Massakers abwegig, den Befehl zu einem derartigen Verhalten anders als offensichtlich verbrecherisch zu bewerten.
Dies gilt angesichts der Greuel des Tatgeschehens selbst unter den im Urteil zugrundegelegten, durchweg zumindest nicht ausgeschlossenen Voraussetzungen (UA S. 61 ff.; vgl. dazu ferner Artzt in: Rückerl – Hrsg. –, NSProzesse , 1971, S. 163, 172), daß die von hoher Instanz angeordnete „Sühnemaßnahme“ zu dem als kriegsverbrecherisch gewerteten Anlaß in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stand, eine effektive zeitnahe Täterermittlung nicht zu erwarten war, die getöteten Gefangenen sämtlich ihrerseits der Partisanentätigkeit verdächtig waren (vgl. namentlich hierzu Artzt/Penner aaO S. 82) und eine öffentliche Bekanntgabe der „Repressalie“ aus Abschreckungsgründen vorgesehen war. Angesichts der vom Landgericht im angegebenen Zusammenhang erörterten „Humanitätsschranke“ (vgl. Artzt/Penner aaO S. 25 f.) hätte auch unter Berücksichtigung der Sittenverrohung während des Krieges auf eine derart qualvolle Vergeltungsaktion gegen für den Sprengstoffanschlag nicht unmittelbar verantwortliche Opfer gänzlich verzichtet werden müssen.
Erforderlich ist allerdings, daß der Angeklagte den offensichtlich verbrecherischen Charakter des ihm erteilten Befehls auch positiv erkannte (vgl. BGHSt 22, 223, 225; hierzu auch Ducklau, Die Befehlsverweigerung bei NSTötungsverbrechen , Diss. Freiburg 1976 S. 128 f.). Hieran kann indes – zu-
mal angesichts der Herkunft des Angeklagten und seines Bildungsgrades – kein Zweifel bestehen. Auch im vorliegenden Zusammenhang ist kein Raum, systemimmanent indoktrinierten Tätern eine Exkulpation aus subjektiven Gründen zu gewähren (vgl. in anderem Zusammenhang BGHSt 41, 247, 276; 41, 317, 340).
2. Das Schwurgericht hat auch die objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit angesichts der rechtsfehlerfrei festgestellten offensichtlich hochgradig entwürdigenden und quälenden Begleitumstände des Massakers, namentlich der damit verbundenen massiven, noch über eine „herkömmliche“ Hinrichtungsaktion hinausgehenden seelischen Qualen der Opfer zutreffend bejaht (vgl. nur Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 54 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies wird nicht etwa durch den im Urteil (UA S. 57) näher belegten Umstand in Frage gestellt, daß die Möglichkeit einer noch grausameren Tatausführung konkret denkbar gewesen wäre. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Schrecken des Zweiten Weltkrieges besteht insoweit kein Anlaß zu abweichender Bewertung (a. A. v. Münch aaO S. 80 ff.). Die Hinrichtung der Opfer erfolgte namentlich angesichts der Erschießungen an der offenen Grube unter Umständen, die dem verbrecherischen Vorgehen in den Konzentrationslagern der Naziherrschaft in ihrem Erscheinungsbild nahekommen (zweifelhaft daher v. Münch aaO S. 31 ff.).
3. Indes sind die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 23a m.w.N.) nicht rechtsfehlerfrei belegt.

a) Das Schwurgericht hat im Zusammenhang hiermit zum Beleg der für das Mordmerkmal der Grausamkeit zutreffend subjektiv verlangten gefühllosen unbarmherzigen Gesinnung ausgeführt: „Dabei hätten die Opfer unter weniger qualvollen Umständen, ohne daß hier Alternativen aufgezeigt werden müssen, auf eine nicht als grausam anzusehende Art und Weise getötet werden können“ (UA S. 58 f.). Ferner hat es im Rahmen der Begründung
befehlswidriger Mißachtung einer möglichen Einhaltung der „Humanitätsschranke“ ebenfalls ohne konkrete Bezeichnung von Handlungsalternativen angemerkt, es hätte für den Angeklagten Möglichkeiten gegeben, den ihm erteilten Befehl „so auszuführen, daß eine grausame Tötung der Opfer vermieden wurde“ (UA S. 64). Diese Erwägungen sind für die Frage, ob sich der Angeklagte wegen Mordes strafbar gemacht hat, relevant, erweisen sich indes als zweifelhaft und unbelegt.
Zum einen sind an die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit höhere Anforderungen zu stellen als an den bloßen Beleg des Bewußtseins vom verbrecherischen Charakter des erteilten Befehls im Rahmen der Schuldfrage; bei dieser ist das subjektive Element stärker an normativen Mindestanforderungen orientiert (oben 1 b bb a. E.). Zum anderen sind folgende tatsächliche Gegebenheiten bedeutsam: Das Schwurgericht hat festgestellt, daß das Ziel der Aktion den Opfern zunächst tunlichst verheimlicht werden sollte. Es hat nicht feststellen können, daß der Angeklagte sich etwa gar an den besonderen Leiden der Opfer – deren Haltung ihn sogar beeindruckte – erfreut hätte. Die Leiden der Opfer entgingen ihm zwar nicht, es kam ihm jedoch nicht hierauf an, er ließ sich dadurch lediglich nicht davon abhalten, den ihm erteilten erbarmungslosen Befehl strikt zu erfüllen. Sein Handeln war am Streben nach unbedingter – wenngleich gänzlich kritik- und gewissenloser – Befehlserfüllung orientiert. Der Angeklagte meinte ersichtlich, eine furchtbare Aufgabe im Interesse der deutschen Wehrmacht befehlsgemäß erfüllen zu sollen. Der gebotene Verzicht auf die ihm befohlene Durchführung der „Sühneaktion“ unter den gegebenen Begleitumständen hätte ihm auf Menschlichkeit und Mitgefühl basierenden Mut abverlangt.
Indes reicht der Mangel an solchen positiven Eigenschaften zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit allein noch nicht aus. Daher hat das Schwurgericht bezogen auf die besondere Tatzeitsituation zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen eines grausa-
men Mordes zutreffend noch den Nachweis für erforderlich gehalten, daß der Angeklagte bei der von ihm verantworteten brutalen Durchführung der „Sühneaktion“ so menschenverachtend vorgegangen ist, daß er eine ihm offenstehende Möglichkeit bewußt ausgelassen hat, den ihm erteilten Befehl zur Tötung derart vieler Männer unter Begleitumständen auszuführen, die für die Opfer schonender gewesen wären (vgl. Hanack JZ 1967, 297, 302 f.). Das Schwurgericht läßt diese zutreffend verlangte Prämisse indes unbewiesen und meint, keinen Beleg für die Möglichkeit einer objektiv weniger grausamen Verwirklichung der dem Angeklagten befohlenen Vergeltungsaktion erbringen zu müssen.
Diese Betrachtungsweise greift zu kurz und ist daher rechtsfehlerhaft. Denn eine derartige Möglichkeit versteht sich nicht von selbst. Aus dem Vergeltungszweck folgte eine besondere Eilbedürftigkeit der „Repressalie“; eine große Zahl von Opfern war vorgesehen; naheliegend – im Urteil auch angedeutet (UA S. 24) – wurde die Gefährdung einer solchen Aktion für den Fall erwartet, daß sie nicht derart versteckt, etwa unmittelbar im Bereich des mitten in der Stadt gelegenen Gefängnisses, durchgeführt worden wäre. All diese Umstände machen, zudem unter Berücksichtigung begrenzter personeller und sachlicher Mittel der für den Vollzug zur Verfügung stehenden Kräfte, die vom Angeklagten erkannte Möglichkeit einer – notwendig nicht nur in Details des Ablaufs der Erschießungsaktion – abweichenden Gestaltung, wie sie das Schwurgericht unbelegt voraussetzt, gerade nicht ohne weiteres vorstellbar.
Damit fehlt es im angefochtenen Urteil am Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit. Ein anderes Mordmerkmal ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Als Totschlag – auch wenn er wegen der Zahl der Opfer und der Begleitumstände der Tat als besonders schwerwiegend zu werten wäre – ist die Tat des Angeklagten bereits bei Anklageerhebung längst verjährt gewesen.

IV.


Gleichwohl ist nicht etwa auf die Revision des Angeklagten – und zugleich nach § 301 StPO auf diejenige der Staatsanwaltschaft – die Freisprechung des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Mordes (vgl. BGHSt 36, 340 f. m.w.N.) durch das Revisionsgericht auszusprechen.
1. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der bislang unterbliebene Beleg einer vom Angeklagten bewußt vernachlässigten Möglichkeit weniger brutaler Durchführung der Tötungshandlungen von einem neuen Tatgericht noch erbracht werden könnte. Sogar zu weitergehenden die Opfer quälenden Begleitumständen der Tat, welche subjektiv zur Erfüllung des Mordmerkmals der Grausamkeit zweifelsfrei ausreichten, sind ergänzende Feststellungen nicht undenkbar. Zudem erscheinen weitere Feststellungen zu vom Angeklagten zu verantwortenden Organisationsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Auswahl der Opfer nicht ausgeschlossen; dies gilt zumal angesichts entsprechender Andeutungen in dem angefochtenen Urteil (UA S. 23, 63/64) über teils besonders junge, möglicherweise auch nicht durchweg im Verdacht der Partisanentätigkeit stehende Gefangene. In diesem Zusammenhang könnte möglicherweise sogar auch eine Erfüllung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe belegt werden.
Dies würde die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung veranlassen. Daneben läge nicht fern, daß die Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft bei der Art des Kapitalverbrechens im Blick auf die in Betracht zu ziehenden Mordmerkmale ungeachtet der ganz ungewöhnlichen Dauer der seit Tatbegehung verstrichenen Zeit gleichfalls Erfolg haben müßte (vgl. BGH StV 2002, 598, 599; BGH, Beschluß vom 16. Mai 2002 – 1 StR 553/01). Jedenfalls käme das Moment, daß mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten im Interesse der Rechtskraft von einer Urteilsaufhebung auf eine
derartige Revision abzusehen ist (vgl. BGHSt 41, 72, 93 f.), bei ohnehin zugunsten des Angeklagten gebotener Urteilsaufhebung nicht zum Tragen.
2. Außergewöhnliche Umstände, die in Fallbesonderheiten und namentlich im hohen Alter des Angeklagten zu finden sind, geben Anlaß, von der bezeichneten üblichen Verfahrensweise abzusehen, vielmehr das Verfahren nunmehr abzubrechen und einzustellen.

a) Das hohe Alter des Angeklagten läßt in absehbarer Zeit eine beträchtliche Minderung seiner Verhandlungsfähigkeit erwarten. Dies macht die Möglichkeit einer notwendig umfassend wiederholten abschließenden Aufklärung des 60 Jahre zurückliegenden Tatgeschehens, die noch weiter als bisher gehen müßte, schon für sich hochgradig unwahrscheinlich (vgl. zu dieser Problematik v. Münch JZ 2004, 184). Eine fallspezifische Besonderheit kommt hinzu:
Käme ein neues Tatgericht zur Feststellung der genannten, eine Freisprechung hindernden gravierenden Erschwerungsgründe, könnte dies weiteren Klärungsbedarf nach sich ziehen. Es wäre nämlich zu prüfen, ob die Tat gerade unter derartigen, die Schrecklichkeit des Tatgeschehens noch verstärkenden Begleitumständen etwa selbst in den Augen der nationalsozialistischen Gewaltherrscher nicht mehr als eine unnachsichtige und strenge, aber vermeintlich noch zu rechtfertigende, jedenfalls ungeahndet hinzunehmende „Vergeltungsaktion“ bewertet worden wäre, sondern als eine verfolgbare und verfolgungswürdige Pflichtwidrigkeit. Für diesen Fall wäre nach den Grundsätzen, die der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs für ein im Herbst 1943 in Caiazzo/Italien begangenes exzessives Kriegsverbrechen im Rahmen von „Partisanenbekämpfung“ für erwägenswert erachtet hat (BGH NJW 1995, 1297 = BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 1), ein Ruhen der Verjährung während der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus in Frage zu stellen. Sofern eine Verfolgung der Tat durch die Militärgerichtsbarkeit auch unter der Herrschaft des Nationalsozialismus für möglich erachtet würde, wäre die am
19. Mai 1944 begangene Tat bereits im Januar 1969 vor Verlängerung der damals noch zwanzigjährigen Verjährungsfrist für Mord verjährt (vgl. BGH aaO).
Der Senat übersieht nicht die Kritik, die hiergegen vor dem Hintergrund fehlender historischer Erkenntnisse über Aktivitäten deutscher Militärgerichtsbarkeit in Fällen der hier in Rede stehenden Art vorgebracht worden ist (vgl. Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002, S. 127 f., 130 ff. m.w.N.). Er verkennt auch nicht das Problem, daß es mit dem Gerechtigkeitsgefühl schwer zu vereinbaren wäre, eine Tat bei Feststellung eines herausgehobenen Schweregrades im Gegensatz zu einem weniger schweren Kapitalverbrechen unverfolgbar zu stellen. Der Senat sähe indes vor dem Hintergrund des Urteils des 2. Strafsenats (aaO im Anschluß an BGHSt 23, 137) keine rechtliche Handhabe, eine solche – gegebenenfalls aufwendige und schwierige – Prüfung der Verjährungsfrage hier abzuschneiden.

b) Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sach- und Rechtslage hält es der Senat insbesondere auch unter den allein mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten bestehenden nurmehr begrenzten Möglichkeiten weiterer Verfahrensförderung und -beschleunigung für ausgeschlossen, daß die Feststellung eines vom Angeklagten verschuldeten Mordes unter gleichzeitiger sicherer Feststellung der Nichtverjährung der Tat in diesem Verfahren noch erbracht werden könnte.
Eine Abwägung der widerstreitenden, jeweils rechtsstaatlich verankerten Belange – Wahrheitsermittlung auf der einen, Vermeidung der Gefahr, den Angeklagten zum bloßen Objekt des Verfahrens zu machen, auf der anderen Seite – gebietet unter den gegebenen Voraussetzungen, von der Anordnung einer Verfahrensfortsetzung abzusehen. Dies gilt verstärkt vor dem Hintergrund, daß mit einer ernstlichen Verfolgung des Angeklagten erst 1995
und damit unbegreiflich spät begonnen wurde, und angesichts eines in jeder Beziehung offenen Ausgangs des Verfahrens.

c) Ein so begründetes Hindernis für die Fortsetzung des Verfahrens ist gegenüber der auf den Strafausspruch beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft schon im Blick auf § 301 StPO vorgreiflich. Der Senat ist bei dieser Sachlage nicht gehindert, die Verurteilung des Angeklagten durch einstimmigen Beschluß nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und das Verfahren einzustellen (vgl. BGHSt 44, 68, 82; BGHR StPO § 349 Abs. 4 Revision der Staatsanwaltschaft 1). Diese sofort angezeigte Entscheidung ist ebenfalls vorrangig gegenüber einem denkbaren Freispruch des Angeklagten, der zur Zeit nicht entscheidungsreif ist (vgl. BGHR StGB § 78b Ruhen 10).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Angesichts dessen, daß der – wegen der Tat in Italien in Abwesenheit zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte – Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Schwurgerichts rechtswidrig und schuldhaft mindestens den Tatbestand eines (an 59 Menschen begangenen) Totschlags erfüllt, sich zudem der strafrechtlichen Verantwortung nach Beendigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gezielt entzogen hatte, hat der Senat Anlaß gesehen zu erwägen, ob von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten jenseits des für ihn erfolgreichen Revisionsverfahrens gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO abzusehen ist (vgl. BGH NJW 1995, 1297, 1301 = BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 1). Da indes als Ergebnis einer potentiellen Verfahrensfortsetzung die Möglichkeit eines Freispruchs nicht sicher auszuschließen wäre, wenn mehr als Totschlag nicht nachweisbar ist, kommt – anders als im Fall eines beson-
ders schlimmen, lediglich gerade deshalb verjährten Mordes, wie in dem vom 2. Strafsenat entschiedenen Fall – hier eine solche Entscheidung letztlich nicht in Betracht.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Schaal
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen
Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen
Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen
(Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek
"La Belle" im Jahre 1986).
BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - LG Berlin
5 StR 306/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 15. und 24. Juni 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof K ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof F
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ko ,
Rechtsanwalt L
als Verteidiger des Angeklagten C ,
Rechtsanwalt P ,
Rechtsanwalt Ka
als Verteidiger des Angeklagten A C ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin Kr
als Verteidigerinnen der Angeklagten V C ,
Rechtsanwalt Kl ,
Rechtsanwalt Li ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Angeklagten E ,
Rechtsanwalt S ,
Rechtsanwältin W
als Verteidiger der Angeklagten H ,
Rechtsanwältin B ,
Rechtsanwalt D ,
Rechtsanwalt Eh ,
Rechtsanwalt Fo ,
Rechtsanwalt Fr ,
Rechtsanwalt Ga ,
Rechtsanwalt Gr ,
Rechtsanwalt Groe ,
Rechtsanwalt Gro ,
Rechtsanwalt Hi ,
Rechtsanwalt Ho ,
Rechtsanwalt Kar ,
Rechtsanwalt Kö ,
Rechtsanwalt La ,
Rechtsanwältin Le ,
Rechtsanwalt Lei ,
Rechtsanwalt M ,
Rechtsanwalt Mü ,
Rechtsanwalt N ,
Rechtsanwältin Pl ,
Rechtsanwalt Plö ,
Rechtsanwalt Ro ,
Rechtsanwalt Sc ,
Rechtsanwalt Sch ,
Rechtsanwalt Schu ,
Rechtsanwältin Se ,
Rechtsanwalt Wa ,
Rechtsanwalt We ,
Rechtsanwältin Wo ,
Rechtsanwalt Wol ,
Rechtsanwalt Wr
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte Re ,
Justizangestellte Wah
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
am 24. Juni 2004 für Recht erkannt:
Die Revisionen 1. der Staatsanwaltschaft, 2. der beschwerdeführenden Nebenkläger Ba , Be , Br , Ed , El , Fre , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sowie 3. der Angeklagten V C , A C , C und E gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. November 2001 werden verworfen.
Die Angeklagten V C , A C , C und E tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den nicht beschwerdeführenden Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen. Die beschwerdeführenden Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Der Nebenkläger Br trägt die durch sein Rechtsmittel der Angeklagten H entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte V C wegen (gemeinschaftlich begangenen) dreifachen Mordes in Tateinheit mit 104fachem ver- suchten Mord und vorsätzlicher Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie die Angeklagten A C , C und E wegen Beihilfe hierzu zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt; die Angeklagte H hat es freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren – auch mit Verfahrensrügen begründeten – Revisionen in der Sache dagegen , daß die Angeklagten A C , C und E nicht wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an der Tat verurteilt worden sind, daß der Angeklagten V C eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit strafmildernd zugute gehalten und bei keinem der Angeklagten das weitere Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen worden ist; die Staatsanwaltschaft erstrebt letztlich eine Verurteilung dieser vier Angeklagten zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die Nebenkläger wenden sich mit unterschiedlichen Anträgen ebenfalls gegen die unterbliebene mittäterschaftliche Verurteilung. Ferner wird von einem Nebenkläger der Freispruch der Angeklagten H angefochten. Auch die verurteilten Angeklagten haben Revisionen eingelegt.
Alle Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

A.

Sachverhalt
Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden seit Januar 1986 wachsende Spannungen zwischen den USA und Libyen. Etwa Mitte März 1986 beauftragten libysche Dienststellen das in Ost-Berlin gelegene „Libysche Volksbüro“ (die für die DDR zuständige libysche Auslandsvertretung , im folgenden: LVB), in Deutschland Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen zu begehen.
Zunächst wurde im LVB geplant, einen amerikanischen Bus, der täglich – mit amerikanischen Soldaten besetzt – zwischen West- und Ost-Berlin verkehrte, auf Ost-Berliner Gebiet mit Waffen anzugreifen. Der Angeklagte C war Mitglied der palästinensischen Terrororganisation PFLP-GC und am LVB als sogenannter technischer Mitarbeiter akkreditiert. Er wurde in diese Planung mit eingebunden; sein Diplomatenfahrzeug sollte bei dem Anschlag eingesetzt werden. Der Angeklagte E hielt sich 1985 und 1986 in Ost-Berlin auf. Er war Angestellter des libyschen Propagandaministeriums sowie Mitglied sogenannter Revolutionskomitees. Er hatte häufiger Kontakt zum LVB und lernte dabei den Angeklagten C kennen. Ohne selbst in den Anschlagsplan eingebunden zu sein, wußte er davon und unternahm nichts dagegen. Der Angeklagte A C lebte seit 1976 in West-Berlin. Er wurde 1982 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben und hatte die Aufgabe, insbesondere über Araber in West-Berlin Informationen zu beschaffen. Über seine Treffen mit den Angeklagten C und E , auch über geplante Aktionen gegen Amerikaner , berichtete er seinem Führungsoffizier. Vermutlich wegen der daraufhin vom MfS veranlaßten Überwachungsmaßnahmen wurde der Plan, einen Anschlag auf den amerikanischen Bus in Ost-Berlin zu verüben, aufgegeben.
Spätestens am 19. März 1986 wurde stattdessen der Plan entwickelt, denselben Bus in West-Berlin mit Waffen anzugreifen. Zur Vorbereitung einer solchen Tat transportierte der Angeklagte C gemeinsam mit einem im LVB tätigen diplomatischen Kurier Pistolen und Handgranaten von Ost- nach West-Berlin. Die Angeklagten C , A C und E nahmen an einem Gespräch über Einzelheiten des geplanten Anschlags teil. Wegen der Weigerung des hieran beteiligten, der PFLP-GC nahestehenden A J , an der Tat mitzuwirken, wurde auch dieser Plan im LVB nicht weiter verfolgt. Die Angelegenheit fand durch den Rücktransport der Waffen einen tatsächlichen Abschluß.
Zwischen dem 20. und 25. März 1986 sahen sich die Angeklagten E und A C gemeinsam mit dem der PFLP-GC nahestehenden I M in West-Berlin befindliche amerikanische Einrichtungen an, um aufzuklären , ob sie für einen Anschlag in Betracht kamen. Diese Objekte wurden jedoch von den im LVB tätigen Diplomaten A K und A E als potentielle Anschlagsziele verworfen.
Den weiteren Geschehensablauf zwischen dem 25. und 30. März 1986 konnte das Landgericht nur teilweise aufklären. Von Personen aus dem Umfeld des LVB wurde gezielt nach von Amerikanern besuchten Diskotheken in West-Berlin gesucht. Am 29. März 1986 teilte der Angeklagte A C seinem Führungsoffizier die Namen von drei Diskotheken mit, die in die engere Wahl gezogen wurden. Spätestens am 30. März 1986 übergab der Angeklagte A C dem Angeklagten E einen von der Angeklagten V C geschriebenen Zettel mit den Namen und Anschriften dieser drei Diskotheken. Der Hintergrund der Entstehung dieses Zettels konnte nicht aufgeklärt werden. Bei der Einreise des Angeklagten E am 30. März 1986 von West- nach Ost-Berlin entdeckten Kontrollorgane der DDR den Zettel und fertigten eine Fotokopie, die an das MfS weitergeleitet wurde. Der Angeklagte E übergab danach den Zettel an den Diplomaten A K . Im LVB wurde die Diskothek „La Belle“ als Anschlagsziel festgelegt. Das Landgericht hat zu Gunsten aller Angeklagten nicht ausgeschlossen , daß diese an der Festlegung des Anschlagsziels nicht beteiligt waren.
Spätestens zwischen dem 30. März und dem 4. April 1986 erfuhren die Angeklagten E und C , daß im LVB entschieden worden war, einen Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“ zu verüben. Unter Verwendung von 1.500 Gramm Plastiksprengstoff, den das LVB bereitstellte, sollte in der in Berlin-Kreuzberg gelegenen Wohnung der Angeklagten V C in Anwesenheit der Angeklagten V und A C eine Bombe gebaut werden; V C sollte veranlaßt werden, diese Bombe in die Diskothek zu bringen und dort zu zünden.
Die Angeklagten E und C entschlossen sich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen den USA und Libyen, sich an diesem Anschlag zu beteiligen und letztlich den USA Schaden zuzufügen; der Angeklagte E hoffte hierdurch auch, seine Chancen für eine Akkreditierung am LVB zu erhöhen. Die Motive der Angeklagten V C , die ebenso wie der Angeklagte A C als IM für das MfS tätig war, ihre Wohnung zur Verfügung zu stellen und den Anschlag auszuführen, sind unklar geblieben. Auch beim Angeklagten A C hat sich die Strafkammer keine sichere Überzeugung von dessen Tatmotiv verschaffen können.
Am 4. April 1986 übernahm die Ehefrau des Angeklagten C im LVB den Sprengstoff und überbrachte ihn der Angeklagten V C . Am selben Abend wurde in der Wohnung der Angeklagten V C mit dem Sprengstoff und einer Zündvorrichtung eine Bombe zusammengesetzt. In der Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt die Angeklagten V und A C , C und E sowie die Freigesprochene H , eine Schwester der Angeklagten V C . Eine aktive Beteiligung der Angeklagten an der Zusammensetzung der Bombe hat die Strafkammer bei keinem Angeklagten festzustellen vermocht. Wer von den Angeklagten die Bombe zusammensetzte und wer die Angeklagte V C in die Funktionsweise der Bombe einwies, konnte nicht festgestellt werden. Vor dem Hintergrund divergierender Angaben der Angeklagten E und A C ist zugunsten eines jeden der Angeklagten E , C und A C davon ausgegangen worden, daß jeweils die beiden anderen die Bombe zusammensetzten.
Zwischen 22.00 und 23.00 Uhr verließen die Angeklagten E , C und A C die Wohnung. Auf Nachfrage der Angeklagten V C erklärte sich ihre Schwester bereit, mit in die Diskothek „La Belle“ zu gehen , wobei diese möglicherweise lediglich davon ausging, zu einem „normalen“ Diskothekenbesuch aufgefordert zu werden. Die Angeklagte V C transportierte die Bombe in einer Tasche zur Diskothek, aktivierte
den Zeitzünder und verließ mit ihrer Schwester die Diskothek, in der sich über 200 Menschen aufhielten. Gegen 1.45 Uhr des 5. April 1986 explodierte die Bombe. Drei Menschen starben an ihren durch die Explosion verursachten schweren Verletzungen. Zahlreiche weitere Besucher sowie Angestellte des Lokals erlitten Verletzungen unterschiedlichen Grades.

B.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
I. Verfahrensrügen
1. Mit zwei Verfahrensrügen beanstandet die Beschwerdeführerin eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), weil das Landgericht die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E nicht verwertet hat.

a) Sie macht zunächst geltend, das Landgericht habe hinsichtlich dieser Aussagen zu Unrecht ein Verwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 StPO bejaht. Dazu trägt sie vor:
Der Angeklagte E habe bei einer Vernehmung in der deutschen Botschaft auf Malta vom 10. September 1996 und bei vier Folgevernehmungen in Deutschland zwischen Oktober und Dezember 1996 geständige Angaben gemacht. Die Strafkammer habe diese Angaben des Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zu Unrecht nicht verwertet. Entgegen ihrer Auffassung sei in dem rechtlichen Hinweis, den die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten E vor dessen erster Vernehmung gegeben habe, keine Täuschung im Sinne von § 136a StPO zu sehen. Auf der fehlerhaften Annahme eines Verwertungsverbotes beruhe das angefochtene Urteil auch: Hätte das Landgericht die Angaben des Angeklagten E berücksichtigt, hätte es zumindest
die Angeklagten C und A C nicht nur wegen Beihilfe zum Mord, sondern wegen gemeinschaftlicher Tatbegehung verurteilen müssen.
Nach Auffassung des Tatrichters ist der Angeklagte E dadurch getäuscht worden, daß in ihm der irrige Eindruck erweckt wurde, geständige Angaben würden sich unabhängig von dem Gewicht des eingeräumten Tatbeitrags bei einer Verurteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich strafmildernd für ihn auswirken. Dies sei geschehen, obwohl der Angeklagte E zum damaligen Zeitpunkt des mehrfachen mittäterschaftlichen Mordes beschuldigt wurde und bei Mord lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist, ohne daß wegen eines Geständnisses diese Strafe gemildert werden kann. Der Aussage des für den entsprechenden Hinweis an den Angeklagten E verantwortlichen Oberstaatsanwalts in der Hauptverhandlung, er habe das Geständnis als Anhaltspunkt für eine Prüfung der Schwere der Schuld nach § 57a StGB angesehen, ist die Strafkammer nicht gefolgt.

b) Die Rüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, muß die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGHSt 3, 213, 214; 21, 334, 340; 29, 203; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Befangenheitsrüge 1, Beweisantragsrecht 2, Beweiswürdigung 3, letztes Wort 1, 3 und Verwertungsverbot 5; st. Rspr.).
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hier nicht. Das Landgericht hat bei seiner in den Urteilsgründen vorgenommenen Beweiswürdigung zum Inhalt des Gesprächs im Hotel einen Vermerk des Oberstaatsanwalts vom 3. Dezember 1996 herangezogen, wo-
nach „der Angeklagte E für seine Tat mit vier bis sieben Jahren Freiheitsstrafe zu rechnen“ habe (UA S. 198). Ohne vollständige Kenntnis dieses Vermerks, den die Revision nicht mitteilt, kann der Senat nicht prüfen, ob es sich bei dem rechtlichen Hinweis an den Angeklagten E um eine Täuschung des Angeklagten oder allenfalls um eine doppeldeutige Erklärung gehandelt hat.

c) Demnach kommt es auf die weitere erhobene Beanstandung, daß im Urteil die im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen des Angeklagten E auch wegen eines Verstoßes gegen die Benachrichtigungspflicht des § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO als unverwertbar behandelt werden, nicht mehr an. Die Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Landgericht für diese Aussagen die Annahme eines nach § 136a Abs. 3 StPO bestehenden Verwertungsverbots bejaht hat, das von der Revision nicht wirksam angefochten worden ist.
2. Soweit die Beschwerdeführerin mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) die unterbliebene Vernehmung der Zeugen He und Gav rügt, kann sie keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Ablehnung des zugehörigen Beweisantrags rechtsfehlerfrei auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt. Nach dieser Bestimmung kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen abgelehnt werden, wenn dessen Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist, ohne daß die Erreichbarkeit dieses Zeugen geprüft werden müßte (BGHSt 40, 60, 62; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 244 StPO Rdn. 43 f.).
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsvortrag der Staatsanwaltschaft vollständig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es fehlt nämlich an jeglichen näheren Angaben zum aktenmäßig erfaßten Hintergrund für die benannten Zeugen, dessen Kenntnis für die Beurteilung nach § 244 Abs. 5
Satz 2 i. V. m. Abs. 2 StPO wesentlich wäre. Jedenfalls ist die Rüge unbe- gründet.
Bei der Beurteilung nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO darf der Tatrichter das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde legen. Mit Rücksicht hierauf hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei dargelegt, daß selbst dann, wenn die Zeugen die behaupteten Tatsachen bekundet hätten, aufgrund der zu den Beweisthemen bereits durchgeführten Beweisaufnahme keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären, die ihre Überzeugung hätten beeinflussen können. Im Hinblick auf das prahlerische Verhalten des Angeklagten C ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer aus dessen behaupteten Angaben gegenüber dem Zeugen He nicht auf einen Täterwillen schließen wollte. Daß der Angeklagte C Anschläge mit dem Diplomaten A K gemeinsam plante, war entgegen dem Revisionsvorbringen nicht Gegenstand des Beweisantrags.
3. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der sich die Revision dagegen wendet, daß der Tatrichter nicht gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO die 1991 erfolgte polizeiliche Beschuldigtenvernehmung und die 1993 stattgefundene richterliche Zeugenvernehmung des ausländischen Zeugen A verlesen hat. Die Beschwerdeführerin teilt schon nicht mit, aufgrund welcher Umstände die Strafkammer nach Ablauf von fast acht Jahren davon hätte ausgehen müssen, daß die tatsächlichen Grundlagen für eine Verlesung, auf die sich die Beschwerdeführerin berief, noch fortbestanden. Auch brauchte der Tatrichter aus den unter Beweis gestellten Tatsachen nicht den von der Beschwerdeführerin gewünschten Schluß auf einen Täterwillen des Angeklagten C zu ziehen.
II. Sachrüge
Ohne durchgreifenden Erfolg beanstanden die – insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der
Sachrüge, das Landgericht hätte die Angeklagten C , A C und E als Mittäter bestrafen müssen, im Falle der Angeklagten V C nicht eine erhebliche Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB zugrunde legen dürfen und bei allen vier Angeklagten das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejahen müssen.
1. Angeklagte C , A C und E

a) Soweit sich die Staatsanwaltschaft zum Nachteil dieser Angeklagten mit dem Ziel höherer Bestrafung gegen deren Verurteilung nur wegen Beihilfe zum Mord wendet, hat sie keinen Erfolg.
aa) Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGH StV 1998, 540 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540 m.w.N.).
bb) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hätte es womöglich näher gelegen, die Angeklagten als Mittäter und nicht als bloße
Gehilfen anzusehen. Der Senat muß jedoch berücksichtigen, daß das Landgericht bei der gegebenen ungewöhnlich schwierigen und teilweise kargen Beweislage für sich rechtsfehlerfrei zum unmittelbaren Tatgeschehen grundsätzlich nur Mindestfeststellungen, die durch Tatsachen oder übereinstimmende Angaben mehrerer Angeklagter getragen werden, der Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat. Zudem sind die Angeklagten nicht die Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags; dessen Ziel wurde im LVB festgelegt, das auch den bei der Tat verwendeten Sprengstoff lieferte.
Deshalb ist unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien die Entscheidung des Landgerichts, die Angeklagten C , A C und E seien Gehilfen und nicht Mittäter gewesen, aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Das Landgericht hat darauf abgestellt, daß keiner dieser Angeklagten am Transport der Bombe in die Diskothek und an der Auslösung des Zündmechanismus beteiligt oder auch nur anwesend war, als die Angeklagte V C in der Diskothek die Zündung auslöste. Das Landgericht hat weiter bedacht, daß die im LVB tätigen leitenden Mitarbeiter – die beide auch dem libyschen Geheimdienst angehörten – die „Federführung hinsichtlich aller Überlegungen und Planungsschritte“ innehatten (UA S. 351, 359, 364).
Die Strafkammer konnte sich hinsichtlich der Feststellungen zur unmittelbaren Vorbereitung und Durchführung des Anschlags nur auf die Einlassungen der Angeklagten E und A C sowie zum Ablauf des Zusammentreffens in der Wohnung am 4. April 1986 zusätzlich auf die Angaben der Angeklagten V C stützen. Andere Beweismittel, insbesondere die Vernehmung von Zeugen, waren unergiebig. Die Einlassungen der Angeklagten A C und E zur Planung von Anschlägen gegen amerikanische Einrichtungen im März 1986 sowie zur Vorbereitung des konkreten Bombenanschlags wichen erheblich voneinander ab. Der Tatrichter hat sich auch nach Auseinandersetzung mit sämtlichen Einzelheiten beider Einlassungen und ihrer umfassenden Würdigung nicht in der Lage gesehen,
eine der beiden Einlassungen als zuverlässiger im Vergleich zur anderen Einlassung anzusehen. Daher ist das Landgericht den Angaben, soweit sie Belastungen anderer zum Gegenstand haben, mit großer Sorgfalt begegnet und hat letztlich seine Feststellungen auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ dieser Einlassungen gestützt, soweit nicht durch weitere Beweismittel eine Einlassung eines Angeklagten zur Überzeugung des Landgerichts bestätigt wurde. Deshalb konnten an vielen Stellen die Einlassungen der Angeklagten zwar nicht als Grundlage für sichere Feststellungen dienen, andererseits aber auch nicht zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt werden, so daß insoweit nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ von der jeweils günstigeren Variante für den einzelnen Angeklagten ausgegangen wurde.
Im Hinblick auf einen Anschlag auf einen amerikanischen Bus konnte die Strafkammer nur feststellen, daß die Angeklagten in nicht näher zu ermittelnder Weise an letztlich abgebrochenen Planungen beteiligt waren. Hinsichtlich des Anschlags auf die Diskothek konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, daß die Angeklagten an der Planung und Vorbereitung beteiligt waren. Nach den Urteilsgründen ist davon auszugehen, daß die Angeklagten C und E aus dem LVB lediglich angewiesen wurden, in der Wohnung durch ihre Anwesenheit die Realisierung des Tatplans zu unterstützen, daß sie auch nur diese Rolle einnehmen wollten und daß dem Angeklagten A C erst nach Betreten der Wohnung der konkrete Tatplan bekannt wurde. Über die Anwesenheit in der Wohnung und die dadurch für die anderen Beteiligten zum Ausdruck gebrachte Billigung und Unterstützung des Vorhabens hinaus konnten keine weiteren Tatbeiträge der Angeklagten festgestellt werden. Zugunsten eines jeden einzelnen hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler unterstellt, daß er am Bau der Bombe nicht aktiv mitgewirkt hat.
Zwar hat der Tatrichter bei seiner Abwägung nicht ausdrücklich erörtert , daß alle drei Angeklagte an einer Zusammenkunft mit A J , der für eine Beteiligung an dem beabsichtigten Anschlag auf einen amerikanischen Bus vorgesehen war, teilgenommen haben. Entgegen der Auffassung
der Revision ist dieser Umstand jedoch nicht aussagekräftig im Hinblick auf eine mögliche Mittäterschaft der Angeklagten. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Rolle die Angeklagten bei diesem Gespräch spielten und welche Aufgaben ihnen bei dem geplanten Anschlag zukommen sollten.
Auch sonst liegen keine Umstände vor, die den Tatrichter an einer Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten als Beihilfe hindern mußten. Insbesondere ergeben diese sich nicht notwendig aus den Feststellungen zur Art ihrer Anbindung an das LVB und zu ihren sonstigen Aktivitäten. Daß danach eine abweichende tatrichterliche Wertung – insbesondere bei den Angeklagten E und C , auch angesichts ihrer festgestellten politischen Motivation – durchaus möglich gewesen wäre, begründet noch keinen Anlaß zu einem Eingreifen durch das Revisionsgericht.

b) Das Landgericht hat die Tat rechtsfehlerfrei als heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mord beurteilt. Der Tatrichter hat aber das Vorliegen des weiteren Mordmerkmals einer Tötung aus niedrigen Beweggründen verneint, weil „das politische Motiv ... dieses Mordmerkmal (nicht) ausfüllen“ könne, „zumal hierbei dem Bewertungspluralismus Rechnung zu tragen“ sei (UA S. 356, 357). Diese Wertung ist unzutreffend und wird zu Recht von der Staatsanwaltschaft, der sich etliche Nebenkläger angeschlossen haben, beanstandet. Zudem lassen die Ausführungen des Landgerichts besorgen, daß es die Voraussetzungen für die Annahme einer Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen verkannt hat.
Wegen Beihilfe zum Mord aus niedrigen Beweggründen können die Angeklagten dann verurteilt werden, wenn V C oder deren Mittäter – die libyschen Drahtzieher und eigentlichen Initiatoren des Sprengstoffanschlags – aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben und sie selbst als Gehilfen ihre Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen Beweggründe der Mittäter er-
bracht haben (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1996, 384, 385 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen vor.
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinan- dersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen. Solches trifft ersichtlich für die maßgeblichen libyschen Hinterleute dieses Anschlags wie auch für die Angeklagten C , A C und E selbst zu.
Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212). Die hierzu von der Strafkammer festgestellten Umstände lassen die Wertung des Beweggrundes als „niedrig“ durch den Senat zu. Die zufällige, unterschiedslose und deshalb willkürliche Auswahl von unbeteiligten Menschen als Opfer rechtfertigt die Einstufung der Motivation als „niedrig“ (vgl. BGHSt 47, 128, 132 m.w.N.; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 27; Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 79, 85). Das „Startbahn -West-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (NStZ 1993, 341; ablehnend dazu Jähnke und Schneider aaO) steht dieser Wertung nicht entgegen, weil der dortige Einzelfall sowohl in der Tatmotivation als auch in der Auswahl der Opfer wesentliche Besonderheiten aufwies; im vorliegenden Fall waren die Opfer völlig unbeteiligt. Zudem ist der regelmäßig verheerend wirkende unkontrollierbare Einsatz von Bomben oder Minen von vornherein eklatant menschenverachtend (vgl. BGHSt 40, 218, 232; 44, 204, 209; v. Selle NJW 2000, 992, 996).
Auf die Herkunft der Angeklagten aus dem Libanon bzw. aus Libyen, wo der Sprengstoffanschlag auf die Diskothek möglicherweise aus politischer
Verblendung und weitgehender Indoktrination von manchen gebilligt worden sein mag, kann es bei der Gesamtwürdigung, ob das Tötungsmotiv als niedrig einzuschätzen ist, nicht ankommen. Der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes ist grundsätzlich den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe , die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 41; BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.).

c) Die Annahme einer Beihilfe zum Mord auch aus niedrigen Beweggründen bei den Angeklagten C , A C sowie E und die damit verbundene Abweichung von der Rechtsauffassung des Tatrichters führt hier nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß bei zutreffender Bejahung eines Mordmerkmals die fehlerhafte Verneinung eines weiteren Mordmerkmals den Bestand des Schuldspruchs jedenfalls dann nicht gefährdet, wenn hinsichtlich des fehlerhaft behandelten Mordmerkmals weitere tatrichterliche Feststellungen – so wie hier – nicht erforderlich sind (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 1 Teilaufhebung 1). Der Senat schließt zudem aus, daß der jetzt erfolgten Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals niedriger Beweggründe, dessen Tenorierung es nicht bedarf, Auswirkungen auf die Strafaussprüche zukämen; diese können bestehen bleiben. Die Strafen sind untereinander sachgerecht differenziert und bewegen sich im oberen Bereich des zutreffend bestimmten Strafrahmens. Das schreckliche Tatbild ist vom Landgericht , für das die numerische Zahl der Mordmerkmale nicht strafentscheidend war, berücksichtigt worden. Vor dem Hintergrund der nach § 211 Abs. 1 StGB i. V. m. § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB für Beihilfe zum Mord bestehenden Obergrenze von 15 Jahren Freiheitsstrafe kommt hinzu, daß auf den inzwischen nochmals beträchtlich verlängerten zeitlichen Abstand zur
Tat strafmildernd Bedacht zu nehmen wäre (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
2. Angeklagte V C

a) Das Landgericht hat bei der Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf Grund der Auswirkungen einer depressiven Erkrankung in Verbindung mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung für nicht ausgeschlossen erachtet, obgleich der in der Hauptverhandlung gehörte psychiatrische Sachverständige Krö davon ausging, daß die Begutachtung keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit erbracht hätte.
aa) Die Anwendung des § 21 StGB begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht ist zwar im Ergebnis nicht dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gefolgt. Dies war aber auch von Rechts wegen nicht geboten, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige dem Richter für die Prüfung der Tatsachenfrage, ob eine krankhafte seelische Störung der Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat, nur die von ihm ermittelten Befundtatsachen mitteilen und Sachkunde vermitteln soll, ihn aber nicht von der Verantwortung für die Entscheidung der aufgeworfenen Fragen entbinden kann (vgl. BGHSt 8, 113, 117 f.; BGH GA 1962, 116). Bei der Prüfung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB handelt es sich um eine Rechtsfrage (BGHSt 8, 113, 124; Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 8 ff. m.w.N.), die der Tatrichter ausschließlich in eigener Verantwortung beantworten muß (BGHR StGB § 21 Sachverständiger 11). Weder bezüglich der Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung noch seiner rechtlichen Bewertung, daß diese die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt habe, sind letztlich Rechtsfehler zu erkennen.

Der Sachverständige hat zwar nicht sicher feststellen, aber auch nicht ausschließen können, daß die Angeklagte zur Tatzeit an einer mittelschweren Depression im Sinne der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation (ICD-10 F33) litt, die als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB anzusehen ist. Die Strafkammer hat sich nach eigener Prüfung dieser Sichtweise angeschlossen.
Darüber hinaus hat sie erneut nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht ausschließen können, daß die Angeklagte aufgrund der Auswirkungen einer möglicherweise im Abklingen befindlichen depressiven Phase nur erheblich vermindert in der Lage gewesen sein könnte, nach ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Der Sachverständige hat hierzu hervorgehoben, daß die für Depressionen typischen Krankheitssymptome wie die Unfähigkeit, einfache Aufgaben des Alltags zu bewältigen, verminderte Konzentration und geringes Selbstwertgefühl in der Regel zur Folge haben bzw. vermuten lassen, daß Depressionen die Bereitschaft zur Begehung von Straftaten eher hemmen als fördern. Sollte die Angeklagte sich zur Tatzeit in einer depressiven Phase befunden haben und dennoch in der Lage gewesen sein, gezielt den Anschlag zu verüben, sei dies aus seiner Sicht allenfalls denkbar, wenn sie diese Tat trotz, nicht aber aufgrund der Depression begangen hätte. Das Landgericht hat sodann mit dem Sachverständigen anhand einschlägiger psychiatrischer Fachliteratur die bestehenden Unsicherheiten bei der vorzunehmenden Bewertung erörtert. Dabei hat sich der Sachverständige gegen eine darin vertretene Sichtweise gewandt, daß durch eine Depression eine „Auflockerung der Gesamtpersönlichkeit“ hervorgerufen werden könne. Er hat aber auch eingeräumt, daß es grundsätzlich Fallkonstellationen gäbe, bei denen Depressionen zur Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters führen könnten. In der forensischen Psychiatrie sei bis heute nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen Depressionen in der abklingenden Phase auf das Verhalten von Straftätern hätten.

Vor diesem Hintergrund hat die Strafkammer nicht auszuschließen vermocht, daß einerseits die Angeklagte aufgrund des Abklingens der Krankheitssymptome überhaupt in der Lage war, die Tat auszuführen, andererseits aber durch die Krankheit bei ihr Kontrollmechanismen noch so außer Kraft gesetzt waren, daß sie nur erheblich vermindert in der Lage war, entsprechend ihrer Unrechtseinsicht zu handeln. Dabei waren zwei Besonderheiten ausschlaggebend. Zum einen hat der Sachverständige zusätzlich eine histrionische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.4) diagnostiziert, die sich durch starkes Angewiesensein auf Bewunderung, durch theatralische Verhaltensweisen in Verbindung mit dieser Geltungsssucht sowie durch Affekte zum Überziehen und Sichinszenieren auszeichnet und nach vertretbarer Auffassung des Landgerichts im Zusammenwirken mit der abklingenden Depression das Hemmungsvermögen der Angeklagten verstärkt beeinträchtigt haben kann. Zum anderen konnten weder der Sachverständige noch das Landgericht trotz mehrjähriger Hauptverhandlung das Motiv der Angeklagten, vor 15 Jahren einen derartigen Bombenanschlag zu begehen, sicher aufklären. Der Klärung des Tatmotivs kommt aber auch nach den Darlegungen des Sachverständigen eine wesentliche Bedeutung bei der Einschätzung der Schuldfähigkeit eines Täters zu. Für den Tatrichter ist es hiernach denkbar, daß bei der hier nicht ausgeschlossenen Konstellation einer ausklingenden Depression mit histrionischer Komponente die Angeklagte mit etwa folgender Vorstellung handelte: „Mir ist sowieso alles egal, aber zumindest wird die ganze Welt über mich reden“ (UA S. 339). Das Landgericht selbst sieht seine Zweifel auf den Unsicherheiten gegründet, die von dem Sachverständigen bei der Bewertung des Falles selbst benannt worden sind und von ihm auch nach Auseinandersetzung mit der einbezogenen psychiatrischen Fachliteratur nicht ausgeräumt werden konnten.
bb) Die tatrichterliche Wertung ist namentlich vor dem Hintergrund erheblicher Einflußnahme Dritter auf den Entschluß der Angeklagten zur Tat-
begehung vertretbar. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Zu Unrecht vermißt die Revision konkrete Anknüpfungstatsachen dafür , daß sich die Angeklagte in einer mittelschweren Depression befunden haben könnte. Die Strafkammer hat zutreffend ausgeführt, daß den Einlassungen der Angeklagten E und A C insoweit nur geringeres Gewicht zukommt (vgl. auch BGH, Beschluß vom 31. März 2004 – 5 StR 351/03), und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen dargelegt , es sei nicht ungewöhnlich, daß Menschen, die zu Depressionen neigen, nach Jahren nicht mehr in der Lage seien, ihre psychische Verfassung auf einen bestimmten viele Jahre zurückliegenden Zeitpunkt zu beschreiben. Für Frühsommer 1985 und Dezember 1986 sind zumindest mittelschwere Depressionen ebenso belegt wie in einem ärztlichen Attest aus dem Jahre 1994 (UA S. 33, 150, 329). Berichten des MfS über Treffen mit der Angeklagten brauchte der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht zu entnehmen, daß lediglich zu den beiden darin genannten Zeitpunkten depressive Phasen bestanden haben.
Daß die Angeklagte nach ihrer Einlassung nicht allein zur Diskothek gehen wollte und auf ihre Schwester einwirkte, sie zu begleiten, steht der Annahme einer schweren depressiven Phase nicht entgegen. Die Fähigkeit, planvoll vorzugehen, wird hierdurch nicht etwa völlig ausgeschlossen.
Der Senat besorgt auch nicht, die Strafkammer könne bei der Prüfung eines Motivs der Angeklagten übersehen haben, daß diese zur Tatzeit arbeitslos war und vom Angeklagten A C keine finanzielle Unterstützung erhalten hatte. Der Tatrichter hat sich mit einem Motiv aus finanziellen oder sonstigen materiellen Gründen ausführlich und rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt (UA S. 296 – 298).
b) Soweit das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten V C das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht an-
genommen hat, unterliegt das im Hinblick auf die nicht ausgeschlossene er- hebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit dieser Angeklagten keinen gleichermaßen durchgreifenden Bedenken wie bei den drei anderen Angeklagten (vgl. zum Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe BGH NJW 2004, 1466 – zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt – m.w.N.). Da sie Mittäterin ist, kommt es sie betreffend darauf an, ob sie selbst niedrige Beweggründe hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte die Angeklagte V C im wesentlichen motivlos und ihr Handeln war – jedenfalls nicht ausschließbar – von depressiven Phasen bestimmt, die jedoch nicht ihre Fähigkeit zum planvollen Handeln ausschlossen. Aufgrund dieser Disposition läßt sich aus den Urteilsgründen nicht sicher ableiten, ob bei der Angeklagten auch die subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe erfüllt sind. Dies nötigt indes nicht zu einer Zurückverweisung der Sache. Aus denselben Gründen wie bei den drei anderen Angeklagten wäre auch bei der Angeklagten V C eine Auswirkung auf den Schuld- oder Strafausspruch zu verneinen.

C.


Revisionen der Nebenkläger
I. Revisionen des Nebenklägers Br
1. Die Zulässigkeit der gegen die wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes verurteilten Angeklagten V C gerichteten Revision scheitert an § 400 Abs. 1 StPO. Der Nebenkläger könnte mit seiner Revision, da das Landgericht das Tötungsdelikt als Mord beurteilt hat, hinsichtlich dieses Nebenklagedelikts nur eine andere Rechtsfolge der Tat erreichen; mit diesem Ziel kann er das Urteil nicht anfechten (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 12).
2. Die den Freispruch der Angeklagten H betreffende Revision bleibt erfolglos.

a) Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags in den Urteilsgründen als bedeutungslos ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Tatrichter darf eine mögliche Indiztatsache dann als bedeutungslos ansehen, wenn sie selbst für den Fall des Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnte, weil das Gericht in seiner freien Beweiswürdigung einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluß aus der Tatsache nicht ziehen will (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 2, 4 und 23 m.w.N.).

b) Die Sachrüge ist unbegründet.
Die Beweiswürdigung ist frei von Rechtsfehlern und verstößt insbesondere nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Daß eine abweichende tatgerichtliche Wertung möglich gewesen wäre, vielleicht sogar näher gelegen hätte, berechtigt das Revisionsgericht noch nicht zum Eingreifen.
3. Auch den gegen die Angeklagten C , A C und E gerichteten Revisionen bleibt ein Erfolg versagt.

a) Die Verfahrensrügen, die sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E als Mittäter richten, gehen fehl.
Die Behauptungen der Revision, die am 274. Hauptverhandlungstag gestellten Hilfsbeweisanträge seien nicht beschieden worden, ist falsch. Im Urteil sind diese Anträge als bloßer Wiederholungsantrag bzw. wegen eigener Sachkunde des Gerichts zurückgewiesen worden (UA S. 202 ff., 238).
b) Soweit sich die Sachrüge gegen die Nichtverurteilung des Angeklagten C als Mittäter richtet, ist sie unbegründet (vgl. die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft und unten II. a.E.).

Die Revision des Nebenklägers ist dagegen unzulässig, soweit mit ihr als weiteres Anfechtungsziel die Bejahung des zusätzlichen Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe erstrebt wird. Die Annahme eines weiteren Mordmerkmals würde sich allenfalls auf den Rechtsfolgenausspruch auswirken können. Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil aber nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird (vgl. BGH NJW 1999, 2449).
4. Soweit das Gericht nach § 405 Satz 2 StPO davon abgesehen hat, über den Antrag auf Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren zu entscheiden , ist die Rüge bereits deshalb unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 406a Abs. 1 StPO).
II. Revisionen der weiteren beschwerdeführenden Nebenkläger
Die Revisionen der Nebenkläger Ba , Be , Ed , El , Frei , Gra , Kan , Laub , Mar , Mas , Mc C , Mö , I und M N , No , Nu , Pf , Red und St sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten C , A C und E wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes wenden, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Nebenkläger ergeben hat. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Sachrüge der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.
Der Senat verkennt nicht, daß insbesondere aus der Perspektive der teilweise erheblich verletzten und schwer betroffenen Opfer die Verhängung nur zeitiger Freiheitsstrafen – die der schwierigen Beweis- und Rechtslage geschuldet ist – nicht leicht nachzuvollziehen sein mag. Dies gilt umso mehr, als eine andere Entscheidung des Landgerichts gleichermaßen vertretbar zu begründen und damit aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls hinzunehmen
gewesen wäre. Bei allem ist aber auch zu bedenken, daß nicht die eigentlichen Haupttäter – libysche Drahtzieher und Hintermänner – vor Gericht standen.

D.


Revisionen der Angeklagten
I. Revision des Angeklagten C
1. Im Zusammenhang mit der Festsetzung des Umrechnungsmaßstabs für die im Libanon vollzogene Auslieferungshaft und der Bestimmung ihrer anrechnungsfähigen Dauer ist ein Verstoß gegen § 261 StPO nicht zu erkennen. Die eingeholte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu den Haftverhältnissen im Libanon steht entgegen der Behauptung der Revision im Einklang mit den Wertungen des Landgerichts. Die Feststellung einer vom Angeklagten im Libanon bis Januar 1994 verbüßten Freiheitsstrafe kann durch die Zeugenaussage eines Ermittlungsbeamten, gegebenenfalls auf Vorhalt einer aktenkundigen Mitteilung aus dem Libanon, in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
II. Revision des Angeklagten A C
Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten.
III. Revision der Angeklagten V C
1. Die Revision beanstandet im Ergebnis ohne Erfolg die Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO, weil die Angeklagte vor ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft nicht ordnungsgemäß informiert und belehrt worden sei; daraus folge ein Beweisverwertungsverbot.
Das Landgericht hat – zutreffend – die Auffassung vertreten, daß der vernehmende Oberstaatsanwalt verpflichtet gewesen wäre, die Angeklagte zu Beginn der Vernehmung über die Tatsache der erfolgten Anklageerhebung und den aktuellen Umfang des Tatvorwurfs in der Anklageschrift zu unterrichten. Im Ergebnis mit Recht hat die Strafkammer aber ein Verwertungsverbot verneint. Über ihr Schweigerecht war die Angeklagte informiert. Jenseits davon lag ein relevantes Informationsdefizit nicht vor. Durch den Haftbefehl war für die Angeklagte erkennbar, daß sich der Tatvorwurf zusätzlich zu der Tötung von drei Menschen auch auf weitere Opfer erstrecken würde; die Tat insoweit rechtlich als versuchten Mord zu würdigen, lag angesichts der nicht beherrschbaren Sprengstoffexplosion nahe.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die weitere Verfahrensrüge und die erhobene Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
IV. Revision des Angeklagten E
Die Angriffe gegen die Strafzumessung, die die Revision mit der Sachrüge vorbringt, können keinen Erfolg haben.
1. Der sachlichrechtlichen Nachprüfung hält stand, daß der Tatrichter den Umstand, daß der Angeklagte „schon vor dem Anschlag längere Zeit in Vorbereitungshandlungen involviert war“ (UA S. 377), straferschwerend berücksichtigt hat. Die Stärke des Tatwillens (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) kann sich auch aus Tatvorbereitungen ergeben. Für eine rechtsfehlerhafte Anlastung eines Verhaltens, in dem ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten
zu finden wäre, ist bei den vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen nichts ersichtlich.
2. Irgendwelche tragfähigen Anhaltspunkte für einen Ansatz, die Bestrafung des Beschwerdeführers sei im Vergleich zu derjenigen des Angeklagten A C rechtsfehlerhaft zu hoch bemessen worden (vgl. hierzu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 25a), bestehen nicht.
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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 67/00
vom
8. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. März 2000 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. August 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Der Angeklagte, seine Lebensgefährtin und zwei weitere Frauen gingen nach dem Besuch mehrerer Kneipen in der Düsseldorfer Altstadt die Mertensgasse hinunter, als ihnen der erheblich alkoholisierte Zeuge K. , der sich in Begleitung von sechs Personen befand, entgegen kam. Der Zeuge packte die Lebensgefährtin des Angeklagten kurz am Oberarm. Unklar geblieben ist, ob, was der Angeklagte gesehen haben will, er diese auch am Gesäß angefaßt hat. Aus Wut schlug der Angeklagte dem Zeugen in den Nacken oder packte ihn am Kragen; er ließ von ihm ab, als drei Begleiter des Zeugen, deren bis dahin fröhliche Stimmung in Aggression und Streitlust umgeschlagen war,
in drohender Haltung auf ihn zukamen. Der Angeklagte, der diese Aggression sofort bemerkte, entfernte sich. Nunmehr beschloß der Zeuge K. s owie drei seiner Begleiter, das Verhalten des Angeklagten nicht ungestraft zu lassen. Sie folgten dem Angeklagten und den drei Frauen, die alsbald stehen blieben. Der Angeklagte sah die vier Männer auf sich zurennen. "Anstatt selbst die Flucht zu ergreifen" - so das Landgericht (UA S. 10) -, forderte er die Frauen auf, sich in Sicherheit zu bringen; er selbst war mit einer körperlichen Auseinandersetzung einverstanden. Die Gelegenheit schien ihm günstig, den Zeugen K. wegen dessen Aktion gegen seine Lebensgefährtin zu bestrafen. Einem möglichen Streit sah er gelassen entgegen, hatte er doch ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 8 cm und einer Breite von 4 cm bei sich. Bevor der Angeklagte allerdings von sich aus aktiv werden konnte, schlug ihm einer der Begleiter des Zeugen von hinten eine Bierflasche auf den Hinterkopf, die dabei zerbrach. Gleichzeitig erhielt er einen Tritt, so daß er zu Boden ging. Es kam nun zu einer Schlägerei zwischen den beiden Gruppen, an denen sich auch die Frauen beteiligten; diese entfernten sich dann.
Zwischenzeitlich hatte der am Boden liegende Angeklagte sein Messer gezogen, war aufgestanden, hielt es in drohender Haltung gegen die Gruppe um den Zeugen K. und schwang es vom Körper entfernt in weiten Bögen von links nach rechts hin und her, um die ihn Bedrohenden von sich fernzuhalten. Einer der Begleiter des Zeugen K. hatte sich entfernt, zwei andere, die Zeugen T. und H. , blieben "in respektvoller Entfernung" stehen und versuchten, den Zeugen K. v om Angeklagten wegzuziehen. Sie haben später ausgesagt, die eigentliche Aggression sei von K. und ihnen ausgegangen , sie hätten aufgrund ihres eigenen Verhaltens Verständnis für den Einsatz des Messers seitens des Angeklagten gehabt.
In dieser Situation ging der Zeuge K. nun in wütender und aggressiver Stimmung auf den Angeklagten zu. Der Angeklagte, der sah, daß K. keine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich hatte, schwang weiter sein Messer, um K. auf Abstand zu halten. Da dieser trotzdem weiter auf den Angeklagten zukam, erlitt er fünf Schnittverletzungen.
Gleichwohl ging er noch weiter auf den Angeklagten zu. "Wut und Ä rger stiegen in dem Angeklagten hoch, war K. doch derjenige, der seine Freundin 'unsittlich' angefasst hatte und sich nunmehr auch noch mit ihm - dem Angeklagten - schlagen wollte. Getragen von dieser Wut wollte er dem K. einen Denkzettel verpassen. Bevor K. von sich aus irgendeine körperliche Attacke gegen den Angeklagten ausführte, holte dieser mit dem Messer in der rechten Hand aus und versetzte dem ihm gegenüber stehenden K. einen gezielten und wuchtigen Stich in den linken Oberbauch. Das Messer drang ca. 4 cm durch das Bauchfettgewebe in den Körper des K. ein und durchstach den Darm" (UA S. 12, 13). Der Zeuge wurde alsbald mit lebensgefährlicher Darmperforation in ein Krankenhaus eingeliefert, notfallmäßig operiert, und seine Schnittverletzungen wurden genäht.
Das Landgericht hat eine Notwehrlage sowohl hinsichtlich der fünf Schnittverletzungen als auch bezüglich des Bauchstichs verneint. Der Angeklagte habe genügend Zeit gehabt, zusammen mit den drei Frauen wegzurennen und so der kommenden Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Das habe er nicht getan. Vielmehr habe er sich wütend und erbost auf die körperliche Auseinandersetzung eingelassen, um die Gelegenheit zu nutzen, K. zu bestrafen. Der eigentliche unmittelbare Angriff mit der Bierflasche sei abgeschlossen gewesen, als K. auf den Angeklagten zugegangen sei. "Mag der
Zeuge auch die Absicht gehabt haben, sich - vom Messer des Angeklagten unbeeindruckt - mit diesem zu schlagen", habe doch kein Angriff auf ein geschütztes Rechtsgut des Angeklagten unmittelbar bevorgestanden. Der "unbewaffnete K. habe weder den Arm zum Schlag erhoben, noch eine sonstige körperliche Aktion gegen den Angeklagten ausgeführt" (UA S. 29). Bei dieser Sachlage sei ein künftiger Angriff durch K. "möglicherweise zu erwarten, die gerechtfertigte Notwehrhandlung (sei) zu dieser Zeit aber noch nicht möglich" (UA S. 29) gewesen.
2. Die Ansicht des Landgerichts, schon die fünf Schnittverletzungen seien nicht durch Notwehr gerechtfertigt, begegnet rechtlichen Bedenken. Dem Urteil liegt insoweit eine zu enge Auffassung vom Umfang des Notwehrrechts zugrunde.
Nach den Feststellungen stand dem Angeklagten unmittelbar ein rechtswidriger Angriff durch den Zeugen K. bevor. Die der Tat vorausgegangene körperliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen war beendet. Mindestens der Zeuge K. und noch zwei seiner Begleiter kamen nun in feindseliger Absicht auf den Angeklagten zu. Der Zeuge K. ließ sich auch durch die Messerschwünge nicht abhalten, weiter auf den Angeklagten zuzugehen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war jetzt nicht nur "ein künftiger Angriff möglicherweise zu erwarten", sondern gegenwärtig. Das Verhalten des K. konnte unmittelbar in eine Rechtsgutverletzung umschlagen, so daß durch das Hinausschieben einer Abwehrhandlung dessen Erfolg in Frage gestellt wäre (vgl. BGHR StGB § 32 II Angriff 1). Der Einsatz des Messers war unter den gegebenen Umständen auch erforderlich, da er die sofortige Beseitigung des Angriffs des K. erwarten ließ (vgl. BGHSt 27, 336;
BGH NStZ 1996, 29; BGHR StGB § 32 II Verteidigung 4); er war in der Form des im Abstand vor dem Körper Hin- und Herschwingens auch - im Vergleich zum sofortigen Zustechen - das schonendere Mittel zur Erreichung des Abwehrerfolges. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang brauchte sich der Angeklagte nicht einzulassen (vgl. BGHR StGB § 32 II Erforderlichkeit 6).
Darauf, daß K. unbewaffnet war und den Arm noch nicht zum Schlag erhoben hatte, kommt es angesichts der unmittelbaren Vorgeschichte und der drohenden Haltung des Zeugen K. und seiner Begleiter, denen der Angeklagte alleine gegenüberstand, nicht an.
Der Angeklagte war auch - weder vor Beginn der Schlägerei, als die Gruppe um den Zeugen K. auf ihn und die drei Frauen zurannte, noch, nachdem er von der Bierflasche getroffen zu Boden gestürzt war, sich erhoben hatte und erneut K. und seine Begleiter in drohender Haltung auf sich zukommen sah - nicht gehalten, "selbst die Flucht zu ergreifen" (UA S. 10, 34) und "wegzurennen" (UA S. 27). Seiner Abwehrhandlung war kein schuldhaft provozierter Angriff seinerseits vorausgegangen (vgl. BGHSt 39, 374 m.w.Nachw.), so daß er nicht verpflichtet war, dem Angriff auszuweichen. Der Zeuge K. war nach den getroffenen Feststellungen auch nicht so betrunken , als daß unter diesem Gesichtspunkt das Notwehrrecht des Angeklagten eingeschränkt gewesen wäre.
Der Angeklagte handelte auch mit Verteidigungswillen. Zwar schien dem Angeklagten vor dem Beginn der körperlichen Auseinandersetzung die Gelegenheit , den Zeugen K. für dessen Verhalten zu bestrafen, günstig und im Hinblick auf sein Messer sah er auch einem Streit trotz der zahlenmäßigen
Überlegenheit der Angreifer gelassen entgegen. Der Messereinsatz hatte aber dann später in der konkreten Situation nach den getroffenen Feststellungen nur noch den Zweck, zunächst die Gruppe um K. und dann diesen allein von sich fernzuhalten. Selbst wenn er in diesem Augenblick immer noch im Sinn gehabt haben sollte, den Zeugen K. zu bestrafen, so drängte dieses Motiv den Verteidigungszweck nicht völlig in den Hintergrund (vgl. BGH NStZ 1996, 29, 30).
3. Soweit das Landgericht auch bei dem anschließenden Bauchstich eine Notwehrlage verneint hat (vgl. BGHSt 42, 97; BGHR StGB § 32 II Verteidigung 6), kann der Senat nicht ausschließen, daß die rechtsfehlerhafte Beurteilung des ersten Tatkomplexes auch die Bewertung dieses Tatgeschehens beeinflußt hat. Im Hinblick auf die Feststellung, daß der Angeklagte aus Wut und um dem Zeugen einen Denkzettel zu verpassen, zugestochen hat, läßt das Urteil zudem eine Prüfung vermissen, ob der Angeklagte daneben auch noch mit Verteidigungswillen gehandelt hat. Denn eine Tat kann auch dann durch Notwehr gerechtfertigt sein, wenn der Täter neben der Abwehr noch andere
Ziele verfolgt, solange sie den Verteidigungszweck nicht völlig in den Hintergrund drängen; das gilt auch, wenn Wut bei der Tat eine Rolle spielt (BGH NStZ 1996, 29, 30 m.w.Nachw.).
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine im Jahre 1944
während der Besetzung Italiens durchgeführte Massenerschießung
italienischer Gefangener als Vergeltungsmaßnahme nach einem gegen
deutsche Soldaten gerichteten Partisanenangriff.
BGH, Beschluß vom 17. Juni 2004 5 StR 115/03
- LG Hamburg -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Juni 2004

beschlossen:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 5. Juli 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Das Verfahren wird nach § 206a StPO eingestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (tateinheitlich begangenen ) Mordes (an 59 Menschen) zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Verfahrens. Zum selben Ergebnis führt gemäß § 301 StPO die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft.

I.


Im angefochtenen Urteil ist folgendes festgestellt:
1. Der im Jahre 1909 geborene Angeklagte wurde als SS-Sturmbannführer Ende 1943 in das von der deutschen Wehrmacht besetzte Italien abkommandiert. Anfang 1944 übernahm er die Leitung eines Außenkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS in Genua. Die
Sicherheitspolizei war u.a. zuständig für sogenannte „Sühnemaßnahmen“ nach gewaltsamen Aktionen von Partisanen, welche die deutschen Besatzer als Sabotagehandlungen und Attentate bewerteten.
Im April 1944 nahm der Angeklagte in Florenz an einer Besprechung der Leiter der Außenkommandos der Sicherheitsdienste teil, die derartige als erforderlich und zulässig angesehene Vergeltungsmaßnahmen nach Angriffen italienischer Partisanen gegen Angehörige der deutschen Besatzungstruppen zum Gegenstand hatte. Der Befehlshaber der deutschen Sicherheitsdienste in Italien Dr. H gab hierfür den Grundsatz bekannt, für jeden getöteten Deutschen seien zehn Italiener zu erschießen. Eine solche „Repressalquote“ – die den (Mindest-)Vorstellungen Adolf Hitlers entsprach – bezeichnete der Jurist Dr. H als im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht stehend.
2. Am 15. Mai 1944 kam es zu einem Bombenanschlag italienischer Partisanen auf ein gut besuchtes deutsches Soldatenkino in Genua. Fünf oder sechs deutsche Soldaten wurden getötet, weitere 15 Besucher verletzt. Entsprechend dem genannten Grundsatz erteilte der unmittelbare Vorgesetzte des Angeklagten, der das übergeordnete Außenkommando der Sicherheitsdienste in Mailand leitende SS-Obersturmbannführer R , diesem den Befehl, für jeden getöteten Deutschen die zehnfache Anzahl Italiener erschießen zu lassen. Die Auswahl der Opfer und die Art der Durchführung der „Sühnemaßnahme“ blieb dem Angeklagten überlassen.
Die Erfolgsaussicht für eine Ermittlung der Attentäter wurde als gering erachtet; der Angeklagte beschränkte sich auf die Auslobung einer Belohnung. Als Opfer der vorgesehenen „Sühnemaßnahme“ wurden auf seine Veranlassung 60 männliche Gefangene des seinem Außenkommando unterstellten Marassi-Gefängnisses – darunter jedenfalls 17 seit April 1944 inhaftierte Partisanen – ausgewählt. Als Ort für deren Erschießung sah der Angeklagte einen 25 km von Genua entfernten Platz oberhalb des Turchino-
Passes vor, der zwar gut erreichbar, aber so abgelegen war, daß eine Störung durch die Bevölkerung nicht zu erwarten war. Jüdische Häftlinge hoben dort am 17. Mai 1944 unter Aufsicht von Marineangehörigen eine Grube aus. Da die Opfer des Attentats überwiegend aus der Marine stammten, wurde das sachlich und personell für die Aktion unzureichend ausgestattete Außenkommando der Sicherheitsdienste dabei durch teils freiwillige, teils abkommandierte Angehörige der Marine unterstützt, welche auch die Soldaten für die Erschießungskommandos und für die Bewachung der Opfer auf der Paßhöhe stellte.
3. In den frühen Morgenstunden des 19. Mai 1944 wurden die ausgewählten Gefangenen – 59 Männer (einer der ursprünglich Vorgesehenen, der Zeuge Ri , blieb aus ungeklärten Gründen verschont) – unter dem Vorwand , sie sollten verlegt werden, ihre persönlichen Sachen würden ihnen später wieder ausgehändigt, mit Fahrzeugen in etwa einstündiger Fahrt auf die Paßhöhe transportiert. Von dort wurden sie unter Bewachung auf einem 500 bis 600 Meter langen ansteigenden schmalen Weg zu der ausgehobenen Grube geführt. An deren Rand wurden sie in Gruppen von mindestens vier, höchstens acht Gefangenen von zwei Kommandos, die sich abwechselten , erschossen. Die Opfer stürzten in die Grube; wer noch Lebenszeichen von sich gab, erhielt mit einer Pistole den „Gnadenschuß“. Ein Arzt war nicht zugegen. Ebenso stand den Gefangenen kein geistlicher Beistand zur Seite. Deren Ahnung über ihr Schicksal wurde spätestens zur Gewißheit, als sie beim Anmarsch die Gewehrsalven auf die vorangegangenen Opfer anhören mußten. Unmittelbar vor ihrer Tötung blickten sie noch auf die in der Grube liegenden Leichen der vor ihnen Erschossenen.
Der Angeklagte, der schon frühmorgens vor den Gefangenen am Tatort eingetroffen war, beobachtete das Geschehen aus einer Entfernung von höchstens 15 Metern, bis der letzte Gefangene erschossen war. Er war von der Haltung und Fassung der Opfer beeindruckt. Seinem Vorgesetzten mel-
dete er den Vollzug der Maßnahme. Am Folgetag ließ er eine Mitteilung über die „Sühnemaßnahme“ in einer Genueser Tageszeitung veröffentlichen.
4. Die Leichen der Opfer wurden erst nach Kriegsende, im Juni 1945, exhumiert. 47 Tote konnten identifiziert und in ihren Heimatgemeinden bestattet werden.
5. Der Angeklagte war im Januar 1945 zum SS-Obersturmbannführer befördert worden. Im April 1945 war er in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten, wo er falsche Personalien angab. Nach etwa einem Jahr gelang ihm die Flucht.
Später übersiedelte er nach Hamburg, wo er noch heute lebt. Bis 1954 gebrauchte er – offenbar aus Furcht, sich für Kriegsverbrechen verantworten zu müssen – falsche Personalien. Zu seiner Tätigkeit in Italien wurde er lediglich zeugenschaftlich vernommen. Ein auf eine Anzeige eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im Jahre 1969 alsbald mangels Tatverdachts eingestellt.
In Italien hatte es schon frühzeitig Hinweise auf den Angeklagten und seine Verantwortlichkeit als Leiter des Genueser SD-Außenkommandos gegeben , und zwar in einem Strafverfahren gegen den italienischen Dolmetscher N , der bereits im November 1945 als Kollaborateur der deutschen Besatzungstruppen neben anderen Taten auch wegen Beteiligung an den Erschießungen am Turchino-Paß zum Tode (später in Freiheitsstrafe umgewandelt) verurteilt worden war. Aus ungeklärten Gründen wurden die Ermittlungen gegen den Angeklagten nicht fortgesetzt, sondern erst im Jahre 1995 wiederaufgenommen. Am 15. November 1999 wurde der Angeklagte vom Militärgericht in Turin wegen der hier abgeurteilten Tat und des Vorwurfs dreier weiterer kriegsverbrecherischer Morde in Abwesenheit zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Im Frühjahr 2000 wurde nach Eingang von
Unterlagen aus dem in Italien geführten Verfahren in Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet.

II.


Verfahrenshindernisse im Blick auf die Verurteilung des Angeklagten in Italien liegen nicht vor.
1. Die im angefochtenen Urteil niedergelegte Auffassung, das in Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens – SDÜ – (entsprechend Art. 1 EG-ne bis in idem-Übk) normierte Doppelbestrafungsverbot hindere die Verurteilung des Angeklagten nicht, erweist sich für die derzeitige Rechtslage als zutreffend. Das italienische Abwesenheitsurteil ist nicht vollstreckt (Art. 54 SDÜ, erste Variante). Jedenfalls mangels – bislang nach deutschem Recht ausgeschlossener – Auslieferungsbewilligung oder deutscher Bewilligung der Rechtshilfe zur Vollstreckung des italienischen Urteils fehlt es auch an einem Vollstreckungsbeginn (Art. 54 SDÜ, zweite Variante). Der Senat hat darüber hinaus mit Hilfe des Bundesministeriums der Justiz und unter Einschaltung von Eurojust ermittelt, ob etwa nach italienischem Recht ein Vollstreckungshindernis vorliegt (Art. 54 SDÜ, dritte Variante). Dies ist nicht der Fall; vielmehr hat Italien die Ausschreibung des Angeklagten im Schengener Informationssystem – SIS – zur Festnahme zwecks seiner Auslieferung nach Italien zur Strafvollstreckung veranlaßt.
2. Der Senat hat ferner erwogen, ob angesichts des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190/1 vom 18.7.2002) – RBEuHb –, der mit Wirkung vom 1. Januar 2004 eine Ablösung der zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Auslieferungsübereinkommen vorsieht (Art. 31), und angesichts der unmittelbar bevorstehenden innerstaatlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses in einem Europäischen Haftbefehlsgesetz (EuHbG; vgl. BRDrucks. 547/03)
Anlaß bestehen könnte, mit dem Verfahren bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes innezuhalten. Der Senat sieht davon ab, da eine unmittelbar bevorstehende relevante Änderung der Verfahrensrechtslage, die ein sofortiges Verfahrenshindernis aus dem Doppelbestrafungsverbot zur Folge hätte, aus mehrerlei Gründen nicht zu erwarten ist.

a) Zwar steht durch die Konkretisierung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG im EuHbG eine Lockerung des bisherigen strikten Verbots der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger, soweit es die Auslieferung in Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft, zu erwarten. Indes ist eine Auslieferung zur Strafvollstreckung ohne Zustimmung des verurteilten Deutschen nicht vorgesehen. Allerdings liegt es nahe, daß mit innerstaatlicher Umsetzung der Regelungen über den Europäischen Haftbefehl, wenn eine Auslieferung zur Strafvollstreckung gleichwohl ohne Zustimmung ausgeschlossen ist, regelmäßig stattdessen Rechtshilfe durch Vollstreckung der entsprechenden ausländischen Strafurteile – nach §§ 48 ff. IRG oder aufgrund spezieller Rechtsgrundlagen – zu leisten sein wird, damit die Rechtshilfepraxis den Intentionen des Rahmenbeschlusses nicht zuwiderläuft (vgl. Art. 4 Nr. 6 RBEuHb; BRDrucks. 547/03 S. 32). Ob etwa dann nach neuer Rechtslage im Bestehen einer Verpflichtung zu derartiger Rechtshilfe bereits ein Beginn der Vollstreckung im Sinne der zweiten Variante des Art. 54 SDÜ mit der Folge eines innerdeutschen Verfahrenshindernisses zu sehen ist oder ob es hierfür etwa über die internationale Ausschreibung des im Ausland verurteilten Deutschen hinaus – trotz Art. 9 Abs. 3 Satz 2 RBEuHb – eines wiederholten speziellen Rechtshilfeersuchens und insbesondere – was naheliegt – einer innerstaatlichen Rechtshilfebewilligung bedarf, ist zweifelhaft; es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Frage gegebenenfalls sogar nach § 1 EuGHG i. V. m. Art. 35 EUV dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt werden müßte (vgl. BGHSt 47, 326, 333 f.; Plöckinger/Leidenmühler wistra 2003, 81, 82).

b) Darüber hinaus können sich im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten hier relevanter Neuregelungen für die Vollstreckbarkeit ausländischer Strafurteile gegen Deutsche unter Umständen – selbst wenn dies bei einer prozessualen Neuregelung nicht unbedingt naheliegt (a. A. ohne nähere Begründung v. Münch, Geschichte vor Gericht: Der Fall Engel, 2004, S. 11 f.) – Rückwirkungsprobleme für deren Anwendbarkeit auf Altfälle ergeben.

c) Erheblich größere Probleme dürften aber ferner aus der Besonderheit des gegen den Angeklagten in Italien durchgeführten Abwesenheitsverfahrens erwachsen (vgl. Art. 5 Nr. 1 RBEuHb sowie den in Art. 1 Nr. 1 des Entwurfes zum EuHbG vorgesehenen § 83 Nr. 3 IRG; s. auch Kap. III Art. 3 des 2. ZP-EuAlÜbk, dazu Lagodny in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. § 73 IRG Rdn. 70 ff.). Dies gilt zumal aufgrund vorsorglicher erster Ermittlungen des Senats mit Hilfe von Eurojust. Danach könnte der Angeklagte bei der Unterrichtung über den Verfahrensgegenstand des gegen ihn beim Militärgericht in Turin durchgeführten Strafverfahrens unzulänglich informiert worden sein. Es gibt Anzeichen, daß ihm gerade der Vorwurf derjenigen Straftat nicht benannt worden ist, der Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens ist.

d) Unter Berücksichtigung all dieser rechtlichen und tatsächlichen Probleme sieht der Senat keinen Anlaß, mit der Förderung des vorliegenden Verfahrens innezuhalten, bis die alsbald in Aussicht stehende neue Auslieferungs - und Rechtshilferechtslage in Kraft tritt, da auch hierdurch ein Hindernis zur Fortführung des Verfahrens, wie es nach derzeitiger Rechtslage nicht besteht, nicht zu erwarten ist.
Der Senat sieht nach den hierüber eingeholten Erkenntnissen indes Anlaß zu dem Hinweis, daß Rechtshilfe bei der Vollstreckung des gegen den Angeklagten in Italien ergangenen Urteils insoweit durchsetzbar sein könnte, als dieses Urteil andere Tatvorwürfe betrifft, über die der Angeklagte recht-
zeitig unterrichtet worden war. Dem stünde, soweit ersichtlich, die hiesige Entscheidung, die einen weiteren Tatvorwurf betrifft, nicht entgegen.

III.


Der gegen den Angeklagten verhängte Schuldspruch wegen grausamen Mordes begegnet einem durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, da die Feststellungen des Schwurgerichts die subjektiven Voraussetzungen des angenommenen Mordmerkmals nicht ausreichend belegen.
1. Allerdings ist das Urteil des Schwurgerichts insoweit rechtsfehlerfrei, als der Angeklagte als täterschaftlich verantwortlich für die rechtswidrige und schuldhafte Tötung von 59 Menschen angesehen worden ist.

a) Mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung hat sich das Schwurgericht von dem gesamten Tathergang überzeugt. Gleiches gilt hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Angeklagten als Befehlshaber des an den Gefangenen verübten Massakers. Seine Einlassung, die Durchführung der „Sühnemaßnahme“ sei der Marine übertragen worden, ist rechtsfehlerfrei widerlegt worden. Konsequent hat das Schwurgericht den Angeklagten, der die Durchführung organisierte und beherrschte, aber keine Befehlsgewalt über die Marineeinheiten hatte, welche die Erschießungskommandos stellten, als Mittäter für verantwortlich gehalten.

b) Der Angeklagte handelte nach den tatgerichtlichen Feststellungen auch rechtswidrig und schuldhaft.
aa) Allerdings hat das Schwurgericht dem Angeklagten geglaubt, daß ihm die Tötung von 60 Italienern als „Sühnemaßnahme“ befohlen worden war. Es hat ferner ausgeführt, daß eine derartige Vergeltungsaktion zur Tatzeit unter Berücksichtigung von Kriegsvölkerrecht als gewohnheitsrechtlich
erlaubt angesehen worden sei (UA S. 61 f.), und zwar – entsprechend der dem Angeklagten unwiderlegt von zuständiger vorgesetzter Stelle erteilten Belehrung – selbst mit einer „Repressalquote“ von zehn zu eins. Dieser Befund des Schwurgerichts ist für sich jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1955 – 3 StR 603/54; Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien: Täter – Opfer – Strafverfolgung, 1996, S. 105; Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im zweiten Weltkrieg – Hinweise zur rechtlichen Beurteilung –, herausgegeben von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, 1968, S. 30 ff., 57 f.; v. Münch aaO S. 50 ff.).
Diese damalige Beurteilung ist allerdings mit der Bedeutung des Menschenrechts auf Leben schlechthin unvereinbar. Das Tatgeschehen umfaßte die Erschießung einer Vielzahl wehrloser, an dem mit der „Vergeltungsaktion“ zu ahndenden Geschehen individuell nicht unmittelbar beteiligter Personen. Es wurde dabei auch nicht näher darauf Bedacht genommen, ob und inwiefern die Opfer etwa sonst in Schuld verstrickt waren; jedenfalls gab es hierfür keine wie auch immer geartete Aburteilung. Die Tat ist daher nach geläuterter Auffassung als derart menschenverachtend einzustufen, daß sie nur als rechtswidrig zu werten ist (vgl. auch BGHSt 2, 333, 334 f.). Es bedarf daher nicht einmal der Vertiefung, ob eine Rechtmäßigkeit von Reaktionen der deutschen Wehrmacht gegen italienische Partisanen wegen der Rechtswidrigkeit der deutschen Besetzung Italiens vor dem Hintergrund der deutschen Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg nicht grundlegend in Frage zu stellen ist.
bb) Die Feststellung, daß dem Angeklagten die in die Tat umgesetzte „Repressalmaßnahme“ von den zuständigen militärischen Vorgesetzten befohlen worden ist, beseitigt nicht seine Schuld. Der Senat schließt – ungeachtet abweichender Tatzeitauffassung und selbst vor dem weiteren Hintergrund des damaligen aktuellen, mit mannigfaltigen Schrecknissen einhergehenden Kriegsgeschehens – aus, daß dem Angeklagten eine Entschuldigung
nach § 47 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuches (MStGB) – das auch für ihn galt (UA S. 55) – zuzubilligen wäre. Es mag im Blick auf die Tatzeitsicht problematisch sein, über die Beurteilung des Schwurgerichts in dem angefochtenen Urteil hinausgehend den Befehl der „Repressalie“ als solchen , deren äußerste numerische Grenzen nach den tatgerichtlichen Feststellungen (insoweit im Gegensatz zu den Feststellungen des italienischen Urteils gegen den Angeklagten) nicht überschritten wurden, bereits als verbrecherisch im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB zu bewerten. Jedenfalls wäre es angesichts der grauenvollen Begleitumstände des vom Angeklagten zu verantwortenden Massakers abwegig, den Befehl zu einem derartigen Verhalten anders als offensichtlich verbrecherisch zu bewerten.
Dies gilt angesichts der Greuel des Tatgeschehens selbst unter den im Urteil zugrundegelegten, durchweg zumindest nicht ausgeschlossenen Voraussetzungen (UA S. 61 ff.; vgl. dazu ferner Artzt in: Rückerl – Hrsg. –, NSProzesse , 1971, S. 163, 172), daß die von hoher Instanz angeordnete „Sühnemaßnahme“ zu dem als kriegsverbrecherisch gewerteten Anlaß in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stand, eine effektive zeitnahe Täterermittlung nicht zu erwarten war, die getöteten Gefangenen sämtlich ihrerseits der Partisanentätigkeit verdächtig waren (vgl. namentlich hierzu Artzt/Penner aaO S. 82) und eine öffentliche Bekanntgabe der „Repressalie“ aus Abschreckungsgründen vorgesehen war. Angesichts der vom Landgericht im angegebenen Zusammenhang erörterten „Humanitätsschranke“ (vgl. Artzt/Penner aaO S. 25 f.) hätte auch unter Berücksichtigung der Sittenverrohung während des Krieges auf eine derart qualvolle Vergeltungsaktion gegen für den Sprengstoffanschlag nicht unmittelbar verantwortliche Opfer gänzlich verzichtet werden müssen.
Erforderlich ist allerdings, daß der Angeklagte den offensichtlich verbrecherischen Charakter des ihm erteilten Befehls auch positiv erkannte (vgl. BGHSt 22, 223, 225; hierzu auch Ducklau, Die Befehlsverweigerung bei NSTötungsverbrechen , Diss. Freiburg 1976 S. 128 f.). Hieran kann indes – zu-
mal angesichts der Herkunft des Angeklagten und seines Bildungsgrades – kein Zweifel bestehen. Auch im vorliegenden Zusammenhang ist kein Raum, systemimmanent indoktrinierten Tätern eine Exkulpation aus subjektiven Gründen zu gewähren (vgl. in anderem Zusammenhang BGHSt 41, 247, 276; 41, 317, 340).
2. Das Schwurgericht hat auch die objektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit angesichts der rechtsfehlerfrei festgestellten offensichtlich hochgradig entwürdigenden und quälenden Begleitumstände des Massakers, namentlich der damit verbundenen massiven, noch über eine „herkömmliche“ Hinrichtungsaktion hinausgehenden seelischen Qualen der Opfer zutreffend bejaht (vgl. nur Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 54 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies wird nicht etwa durch den im Urteil (UA S. 57) näher belegten Umstand in Frage gestellt, daß die Möglichkeit einer noch grausameren Tatausführung konkret denkbar gewesen wäre. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Schrecken des Zweiten Weltkrieges besteht insoweit kein Anlaß zu abweichender Bewertung (a. A. v. Münch aaO S. 80 ff.). Die Hinrichtung der Opfer erfolgte namentlich angesichts der Erschießungen an der offenen Grube unter Umständen, die dem verbrecherischen Vorgehen in den Konzentrationslagern der Naziherrschaft in ihrem Erscheinungsbild nahekommen (zweifelhaft daher v. Münch aaO S. 31 ff.).
3. Indes sind die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 23a m.w.N.) nicht rechtsfehlerfrei belegt.

a) Das Schwurgericht hat im Zusammenhang hiermit zum Beleg der für das Mordmerkmal der Grausamkeit zutreffend subjektiv verlangten gefühllosen unbarmherzigen Gesinnung ausgeführt: „Dabei hätten die Opfer unter weniger qualvollen Umständen, ohne daß hier Alternativen aufgezeigt werden müssen, auf eine nicht als grausam anzusehende Art und Weise getötet werden können“ (UA S. 58 f.). Ferner hat es im Rahmen der Begründung
befehlswidriger Mißachtung einer möglichen Einhaltung der „Humanitätsschranke“ ebenfalls ohne konkrete Bezeichnung von Handlungsalternativen angemerkt, es hätte für den Angeklagten Möglichkeiten gegeben, den ihm erteilten Befehl „so auszuführen, daß eine grausame Tötung der Opfer vermieden wurde“ (UA S. 64). Diese Erwägungen sind für die Frage, ob sich der Angeklagte wegen Mordes strafbar gemacht hat, relevant, erweisen sich indes als zweifelhaft und unbelegt.
Zum einen sind an die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit höhere Anforderungen zu stellen als an den bloßen Beleg des Bewußtseins vom verbrecherischen Charakter des erteilten Befehls im Rahmen der Schuldfrage; bei dieser ist das subjektive Element stärker an normativen Mindestanforderungen orientiert (oben 1 b bb a. E.). Zum anderen sind folgende tatsächliche Gegebenheiten bedeutsam: Das Schwurgericht hat festgestellt, daß das Ziel der Aktion den Opfern zunächst tunlichst verheimlicht werden sollte. Es hat nicht feststellen können, daß der Angeklagte sich etwa gar an den besonderen Leiden der Opfer – deren Haltung ihn sogar beeindruckte – erfreut hätte. Die Leiden der Opfer entgingen ihm zwar nicht, es kam ihm jedoch nicht hierauf an, er ließ sich dadurch lediglich nicht davon abhalten, den ihm erteilten erbarmungslosen Befehl strikt zu erfüllen. Sein Handeln war am Streben nach unbedingter – wenngleich gänzlich kritik- und gewissenloser – Befehlserfüllung orientiert. Der Angeklagte meinte ersichtlich, eine furchtbare Aufgabe im Interesse der deutschen Wehrmacht befehlsgemäß erfüllen zu sollen. Der gebotene Verzicht auf die ihm befohlene Durchführung der „Sühneaktion“ unter den gegebenen Begleitumständen hätte ihm auf Menschlichkeit und Mitgefühl basierenden Mut abverlangt.
Indes reicht der Mangel an solchen positiven Eigenschaften zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit allein noch nicht aus. Daher hat das Schwurgericht bezogen auf die besondere Tatzeitsituation zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen eines grausa-
men Mordes zutreffend noch den Nachweis für erforderlich gehalten, daß der Angeklagte bei der von ihm verantworteten brutalen Durchführung der „Sühneaktion“ so menschenverachtend vorgegangen ist, daß er eine ihm offenstehende Möglichkeit bewußt ausgelassen hat, den ihm erteilten Befehl zur Tötung derart vieler Männer unter Begleitumständen auszuführen, die für die Opfer schonender gewesen wären (vgl. Hanack JZ 1967, 297, 302 f.). Das Schwurgericht läßt diese zutreffend verlangte Prämisse indes unbewiesen und meint, keinen Beleg für die Möglichkeit einer objektiv weniger grausamen Verwirklichung der dem Angeklagten befohlenen Vergeltungsaktion erbringen zu müssen.
Diese Betrachtungsweise greift zu kurz und ist daher rechtsfehlerhaft. Denn eine derartige Möglichkeit versteht sich nicht von selbst. Aus dem Vergeltungszweck folgte eine besondere Eilbedürftigkeit der „Repressalie“; eine große Zahl von Opfern war vorgesehen; naheliegend – im Urteil auch angedeutet (UA S. 24) – wurde die Gefährdung einer solchen Aktion für den Fall erwartet, daß sie nicht derart versteckt, etwa unmittelbar im Bereich des mitten in der Stadt gelegenen Gefängnisses, durchgeführt worden wäre. All diese Umstände machen, zudem unter Berücksichtigung begrenzter personeller und sachlicher Mittel der für den Vollzug zur Verfügung stehenden Kräfte, die vom Angeklagten erkannte Möglichkeit einer – notwendig nicht nur in Details des Ablaufs der Erschießungsaktion – abweichenden Gestaltung, wie sie das Schwurgericht unbelegt voraussetzt, gerade nicht ohne weiteres vorstellbar.
Damit fehlt es im angefochtenen Urteil am Beleg der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit. Ein anderes Mordmerkmal ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Als Totschlag – auch wenn er wegen der Zahl der Opfer und der Begleitumstände der Tat als besonders schwerwiegend zu werten wäre – ist die Tat des Angeklagten bereits bei Anklageerhebung längst verjährt gewesen.

IV.


Gleichwohl ist nicht etwa auf die Revision des Angeklagten – und zugleich nach § 301 StPO auf diejenige der Staatsanwaltschaft – die Freisprechung des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Mordes (vgl. BGHSt 36, 340 f. m.w.N.) durch das Revisionsgericht auszusprechen.
1. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der bislang unterbliebene Beleg einer vom Angeklagten bewußt vernachlässigten Möglichkeit weniger brutaler Durchführung der Tötungshandlungen von einem neuen Tatgericht noch erbracht werden könnte. Sogar zu weitergehenden die Opfer quälenden Begleitumständen der Tat, welche subjektiv zur Erfüllung des Mordmerkmals der Grausamkeit zweifelsfrei ausreichten, sind ergänzende Feststellungen nicht undenkbar. Zudem erscheinen weitere Feststellungen zu vom Angeklagten zu verantwortenden Organisationsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Auswahl der Opfer nicht ausgeschlossen; dies gilt zumal angesichts entsprechender Andeutungen in dem angefochtenen Urteil (UA S. 23, 63/64) über teils besonders junge, möglicherweise auch nicht durchweg im Verdacht der Partisanentätigkeit stehende Gefangene. In diesem Zusammenhang könnte möglicherweise sogar auch eine Erfüllung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe belegt werden.
Dies würde die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung veranlassen. Daneben läge nicht fern, daß die Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft bei der Art des Kapitalverbrechens im Blick auf die in Betracht zu ziehenden Mordmerkmale ungeachtet der ganz ungewöhnlichen Dauer der seit Tatbegehung verstrichenen Zeit gleichfalls Erfolg haben müßte (vgl. BGH StV 2002, 598, 599; BGH, Beschluß vom 16. Mai 2002 – 1 StR 553/01). Jedenfalls käme das Moment, daß mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten im Interesse der Rechtskraft von einer Urteilsaufhebung auf eine
derartige Revision abzusehen ist (vgl. BGHSt 41, 72, 93 f.), bei ohnehin zugunsten des Angeklagten gebotener Urteilsaufhebung nicht zum Tragen.
2. Außergewöhnliche Umstände, die in Fallbesonderheiten und namentlich im hohen Alter des Angeklagten zu finden sind, geben Anlaß, von der bezeichneten üblichen Verfahrensweise abzusehen, vielmehr das Verfahren nunmehr abzubrechen und einzustellen.

a) Das hohe Alter des Angeklagten läßt in absehbarer Zeit eine beträchtliche Minderung seiner Verhandlungsfähigkeit erwarten. Dies macht die Möglichkeit einer notwendig umfassend wiederholten abschließenden Aufklärung des 60 Jahre zurückliegenden Tatgeschehens, die noch weiter als bisher gehen müßte, schon für sich hochgradig unwahrscheinlich (vgl. zu dieser Problematik v. Münch JZ 2004, 184). Eine fallspezifische Besonderheit kommt hinzu:
Käme ein neues Tatgericht zur Feststellung der genannten, eine Freisprechung hindernden gravierenden Erschwerungsgründe, könnte dies weiteren Klärungsbedarf nach sich ziehen. Es wäre nämlich zu prüfen, ob die Tat gerade unter derartigen, die Schrecklichkeit des Tatgeschehens noch verstärkenden Begleitumständen etwa selbst in den Augen der nationalsozialistischen Gewaltherrscher nicht mehr als eine unnachsichtige und strenge, aber vermeintlich noch zu rechtfertigende, jedenfalls ungeahndet hinzunehmende „Vergeltungsaktion“ bewertet worden wäre, sondern als eine verfolgbare und verfolgungswürdige Pflichtwidrigkeit. Für diesen Fall wäre nach den Grundsätzen, die der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs für ein im Herbst 1943 in Caiazzo/Italien begangenes exzessives Kriegsverbrechen im Rahmen von „Partisanenbekämpfung“ für erwägenswert erachtet hat (BGH NJW 1995, 1297 = BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 1), ein Ruhen der Verjährung während der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus in Frage zu stellen. Sofern eine Verfolgung der Tat durch die Militärgerichtsbarkeit auch unter der Herrschaft des Nationalsozialismus für möglich erachtet würde, wäre die am
19. Mai 1944 begangene Tat bereits im Januar 1969 vor Verlängerung der damals noch zwanzigjährigen Verjährungsfrist für Mord verjährt (vgl. BGH aaO).
Der Senat übersieht nicht die Kritik, die hiergegen vor dem Hintergrund fehlender historischer Erkenntnisse über Aktivitäten deutscher Militärgerichtsbarkeit in Fällen der hier in Rede stehenden Art vorgebracht worden ist (vgl. Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002, S. 127 f., 130 ff. m.w.N.). Er verkennt auch nicht das Problem, daß es mit dem Gerechtigkeitsgefühl schwer zu vereinbaren wäre, eine Tat bei Feststellung eines herausgehobenen Schweregrades im Gegensatz zu einem weniger schweren Kapitalverbrechen unverfolgbar zu stellen. Der Senat sähe indes vor dem Hintergrund des Urteils des 2. Strafsenats (aaO im Anschluß an BGHSt 23, 137) keine rechtliche Handhabe, eine solche – gegebenenfalls aufwendige und schwierige – Prüfung der Verjährungsfrage hier abzuschneiden.

b) Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sach- und Rechtslage hält es der Senat insbesondere auch unter den allein mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten bestehenden nurmehr begrenzten Möglichkeiten weiterer Verfahrensförderung und -beschleunigung für ausgeschlossen, daß die Feststellung eines vom Angeklagten verschuldeten Mordes unter gleichzeitiger sicherer Feststellung der Nichtverjährung der Tat in diesem Verfahren noch erbracht werden könnte.
Eine Abwägung der widerstreitenden, jeweils rechtsstaatlich verankerten Belange – Wahrheitsermittlung auf der einen, Vermeidung der Gefahr, den Angeklagten zum bloßen Objekt des Verfahrens zu machen, auf der anderen Seite – gebietet unter den gegebenen Voraussetzungen, von der Anordnung einer Verfahrensfortsetzung abzusehen. Dies gilt verstärkt vor dem Hintergrund, daß mit einer ernstlichen Verfolgung des Angeklagten erst 1995
und damit unbegreiflich spät begonnen wurde, und angesichts eines in jeder Beziehung offenen Ausgangs des Verfahrens.

c) Ein so begründetes Hindernis für die Fortsetzung des Verfahrens ist gegenüber der auf den Strafausspruch beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft schon im Blick auf § 301 StPO vorgreiflich. Der Senat ist bei dieser Sachlage nicht gehindert, die Verurteilung des Angeklagten durch einstimmigen Beschluß nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und das Verfahren einzustellen (vgl. BGHSt 44, 68, 82; BGHR StPO § 349 Abs. 4 Revision der Staatsanwaltschaft 1). Diese sofort angezeigte Entscheidung ist ebenfalls vorrangig gegenüber einem denkbaren Freispruch des Angeklagten, der zur Zeit nicht entscheidungsreif ist (vgl. BGHR StGB § 78b Ruhen 10).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Angesichts dessen, daß der – wegen der Tat in Italien in Abwesenheit zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte – Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Schwurgerichts rechtswidrig und schuldhaft mindestens den Tatbestand eines (an 59 Menschen begangenen) Totschlags erfüllt, sich zudem der strafrechtlichen Verantwortung nach Beendigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gezielt entzogen hatte, hat der Senat Anlaß gesehen zu erwägen, ob von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Angeklagten jenseits des für ihn erfolgreichen Revisionsverfahrens gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO abzusehen ist (vgl. BGH NJW 1995, 1297, 1301 = BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 1). Da indes als Ergebnis einer potentiellen Verfahrensfortsetzung die Möglichkeit eines Freispruchs nicht sicher auszuschließen wäre, wenn mehr als Totschlag nicht nachweisbar ist, kommt – anders als im Fall eines beson-
ders schlimmen, lediglich gerade deshalb verjährten Mordes, wie in dem vom 2. Strafsenat entschiedenen Fall – hier eine solche Entscheidung letztlich nicht in Betracht.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Schaal

(1) Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, daß es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist.

(2) Ist die Schuld des Untergebenen mit Rücksicht auf die besondere Lage, in der er sich bei der Ausführung des Befehls befand, gering, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern, bei Vergehen auch von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 538/01
vom
21. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am
19. Februar 2002 in der Sitzung vom 21. Februar 2002, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30. Mai 2001 wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den nunmehr 90 Jahre alten Angeklagten wegen Mordes und wegen versuchten Mordes – die Taten verübte er 1943 und 1944 als etwa 30jähriger Aufseher des Gestapo-Gefängnisses bei Theresienstadt – unter Freispruch im übrigen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

Der Angeklagte war von 1940 bis 1945 Aufseher in dem in der Nähe von Leitmeritz befindlichen Gestapo-Gefängnis “Kleine Festung” bei Theresienstadt (damaliges Protektorat Böhmen und Mähren). In diesem Zeitraum waren dort über 30.000 Häftlinge – Menschen jüdischer Abstammung, Angehörige von Widerstandsgruppen und Kriegsgefangene – unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht, von denen nachweislich 2.500, wahrscheinlich aber we-
sentlich mehr, ums Leben kamen. Insbesondere gegen Kriegsende entwickelte sich das Gestapo-Gefängnis zu einem Vernichtungslager. 1. Unter dem Lagerkommandanten J. mißhandelte der überwiegende Teil der Aufseher aus Rassenhaß die Häftlinge; die Tötung der Häftlinge “gehörte zum Alltag der Kleinen Festung”; erwähnt seien nur drei vom Landgericht festgestellte Vorfälle: Im Jahre 1943 wurde in einer “jüdischen Zelle” ein provisorischer Galgen aufgebaut. Mehrere Häftlinge mußten sich unter dem Galgen mit einer Schlinge um den Hals auf eine Bank stellen, unter ihnen ein Häftling namens A. . Dessen Sohn wurde sodann befohlen, die Bank wegzustoßen und so seinen Vater zu erhängen. Nachdem der Sohn sich weigerte, mußte er sich selbst mit der Schlinge um den Hals auf die Bank stellen. Die Aufseher zwangen den Vater, die Bank wegzustoßen, so daß sein Sohn erhängt wurde. Im März 1945 wurden zwei Häftlinge, deren Flucht gescheitert war, über mehrere Tage grausam gefoltert. Aufseher banden sie auf leiterähnliche Gestelle und zerschlugen ihnen mit Stöcken die Gliedmaßen. Die um den Gnadentod flehenden Häftlinge blieben mehrere Tage auf den Gestellen hängen. Die Aufseher befahlen sodann anderen Häftlingen, die Mißhandelten zu steinigen. Um die Qualen zu verlängern, sollten mit den Steinen zunächst nur die Beine zertrümmert werden. Schließlich “erbarmte” sich ein Häftling und zertrümmerte mit einem Stein die Schädel der Opfer. An einem kalten Januartag im Jahre 1945 befahl der Lagerkommandant J. zwei jüdischen Häftlingen, sich im Hof nackt auszuziehen. Ein dritter Häftling mußte die beiden nackten Häftlinge unter dem Gejohle der herbeigerufenen Aufseher ± unter denen sich auch der Angeklagte befand ± mit einem
Schlauch so lange mit Wasser bespritzen, bis die um ihr Leben flehenden Opfer schlieûlich zusammenbrachen und an Unterkühlung starben. Insoweit wurde der Angeklagte, dem der Befehl zur Tötung der Häftlinge angelastet worden war, freigesprochen. Das Landgericht konnte ihm weder eine Täterschaft durch aktives Tun oder durch Unterlassen noch eine Beihilfe nachweisen. 2. Der Angeklagte ± er war zur Tatzeit Wachhabender, dem die Wachstube unterstand ± hatte die Ideologie des Rassenhasses verinnerlicht und lieû sich hiervon im Umgang mit den Häftlingen leiten. Er galt unter den Aufsehern als einer der gefürchtetsten und grausamsten, gerierte sich als Herrscher über Leben und Tod und nahm nichtige Anlässe zum Vorwand für Quälereien und Tötungen. Zwei Vorfälle sind Gegenstand seiner Verurteilung.
a) Im September 1943 waren jüdische Häftlinge als Erntearbeiter auf dem Feld zur Blumenkohlernte eingesetzt. Der Angeklagte ± der die Aufsicht führte ± bemerkte, wie ein namentlich nicht bekannter Häftling einen Blumenkohlkopf unter seinem Hemd versteckte. Er schlug mit einem Stock auf den Kopf des Häftlings ein und schoû mindestens zweimal mit (bedingtem) Tötungsvorsatz aus kurzer Entfernung auf den Brust- und Bauchbereich des Gefangenen. Er lieû den Häftling, im Bewuûtsein, ihn getötet zu haben, liegen und entfernte sich. Das weitere Schicksal des Häftlings, dem niemand half, ist nicht bekannt. Diese Tat hat das Landgericht als versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet und eine Freiheitsstrafe von elf Jahren verhängt.
b) Im September 1944 meldete sich der jüdische Ingenieur H. vom Arbeitseinsatz im sog. ªUrnenkommandoº ± dieses muûte Asche von im Krematorium Bohuvice verbrannten Leichen von Häftlingen in die Eger kippen ± versehentlich nicht bei der Wachstube zurück. Der Angeklagte veranlaûte , daû der Häftling vor die Wachstube gebracht wurde. Er lieû sich einen
Schlagstock aus Haselnuûholz bringen und schlug mehrmals mit voller Wucht auf den Kopf und die Schultern des Häftlings, der reaktionslos kopfüber nach vorne stürzte. Dann trat er mit (bedingtem) Tötungsvorsatz mit seinen Stiefeln dem Gefangenen mehrmals wuchtig gegen dessen Kopf, Hals und Brustkorb. Er befahl anderen Häftlingen, den Miûhandelten in die ªTotenkammerº zu bringen , wo dieser verstarb. Diese Tat hat das Landgericht als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet und eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt.

II.

Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg; der Erörterung bedarf nur folgendes: 1. Die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten in der Tatsacheninstanz hat das von drei Sachverständigen beratene Landgericht im Wege des Freibeweises festgestellt: Der geistige Zustand des Angeklagten ist altersgemäû; eine psychische Störung liegt nicht vor. Allerdings leidet er an körperlichen Gebrechen. Er hat Durchblutungsstörungen, ein Prostatakarzinom, dessen Behandlung eine Osteoporose hervorgerufen hat, und muû infolge von Schluckstörungen pürierte Kost und Flüssignahrung zu sich nehmen. Diesem Zustand hat das Landgericht ± ärztlicher Empfehlung folgend ± dadurch Rechnung getragen , daû die Hauptverhandlung auf zwei Stunden pro Tag mit einer längeren Pause beschränkt wurde. Die ± gleichfalls freibeweisliche ± Überprüfung durch den Senat ergibt, daû der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht verhandlungsfähig war. Da das Landgericht die Verhandlungsfähigkeit sorgfältig geprüft , daran keinen Zweifel hatte, und da hierbei keine Rechtsfehler erkennbar sind, kann auch das Revisionsgericht ohne Bedenken von der Verhandlungs-
fähigkeit ausgehen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Verhandlungsfähigkeit 1; BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 ± 1 StR 575/92; BGH, Beschlüsse vom 9. November 1993 ± 1 StR 697/93 ±, vom 17. Januar 1995 ± 1 StR 804/94 ± und vom 22. November 2000 ± 1 StR 375/00 ±). Auch die ± anders zu beurteilende ± Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten für das Revisionsverfahren (vgl. BGHSt 41, 16) ist gegeben. Der Angeklagte hatte, aus denselben Umständen, die seine Verhandlungsfähigkeit vor dem Landgericht begründeten, die Fähigkeit, über die Einlegung des Rechtsmittels der Revision verantwortlich zu entscheiden. Zudem ist nicht zweifelhaft, daû der Angeklagte während der Dauer des Revisionsverfahrens wenigstens zeitweilig zu einer Grundübereinkunft mit seinem Verteidiger über die Fortführung oder Rücknahme des Rechtsmittels in der Lage war. Das entnimmt der Senat den vom Landgericht getroffenen Feststellungen und zudem der Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der JVA München-Stadelheim vom 2. Januar 2002, die unter anderem durch den Anstaltsarzt Dr. F. , der das Landgericht bei der Frage der Verhandlungsfähigkeit in der Tatsacheninstanz beraten hat, verfaût wurde. Danach hat sich der Zustand des Angeklagten seit seiner Inhaftierung nicht verschlechtert. 2. Die Rüge, das Landgericht habe das Protokoll der kommissarischen Vernehmung des Zeugen L. vor dem österreichischen Bezirksgericht Josefstadt ± an dieser Vernehmung durfte der Verteidiger Dr. W. nicht teilnehmen ± zu Unrecht verwertet, ist schon nicht zulässig erhoben. So wird insbesondere nicht mitgeteilt, ob der Verteidiger der Verwertung (rechtzeitig) widersprochen hat (BGHR StPO § 168c Anwesenheitsrecht 1; BGH, Beschluû vom 20. November 2001 ± 1 StR 470/01). Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, da das Landgericht sich ausschlieûlich auf die Bekundungen dieses Zeugen in der
Hauptverhandlung gestützt hat. Zwar wurde dem Zeugen auch das Protokoll seiner kommissarischen Vernehmung vorgehalten, weil er dort mehrere in der Hauptverhandlung bekundete Einzelheiten nicht erwähnt hatte. Für diese Aussageerweiterung in der Hauptverhandlung hat das Landgericht aber eine plausible Erklärung gefunden und sich deshalb allein auf die Aussage in der Hauptverhandlung gestützt. Damit beruht das Urteil nicht auf der kommissarischen Vernehmung. 3. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand. Das gilt auch für die Überzeugung des Landgerichts von der Zuverlässigkeit der Angaben der Belastungszeugen. Zu beiden Taten hat das Landgericht jeweils einen Augenzeugen der Tat gehört und bei beiden Zeugen sowohl einen Irrtum als auch eine bewuûte Falschaussage rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Zudem wurden deren Angaben durch weitere Beweismittel zumindest mittelbar bestätigt.
a) Die erste Tat hat der damals etwa 17jährige Zeuge K. ± er war damals Gast der Familie, die das Feld bewirtschaftete ± bekundet. Er war von seinem Freund und anderen Dorfbewohnern auf den als besonders brutal bekannten Angeklagten aufmerksam gemacht worden. Auf einer kleinen Anhöhe stehend, hat er aus einer Entfernung von 35 bis 45 Metern plötzlich Geschrei wahrgenommen, dabei die Tat des Angeklagten gesehen, und gehört, wie der Angeklagte ªjüdische Schweine, Schweine, Sauhaufenº brüllte. Er hat den Angeklagten in der Hauptverhandlung wiedererkannt. Dieser Vorfall hatte sich auch im Gestapo-Gefängnis herumgesprochen und der ehemalige Häftling M. hat bekundet, daû davon die Rede war, der Angeklagte habe einen Häftling wegen eines ªblöden Blumenkohlsº erschossen.

b) Die zweite Tat hat der damals etwa 23jährige Häftling M. bekundet , der über ein nahezu fotografisches Gedächtnis verfügt und deshalb präzise Angaben bis hin zu kleinsten Details machen konnte. Dem Zeugen war befohlen worden, auf dem Hof vor der Wachstube ªStrafe zu stehenº, indem er mit ausgestreckten Armen mit dem Gesicht zur Wand Ziegelsteine halten muûte. Dabei konnte er aus einer Entfernung von 15 Metern die Tat beobachten und exakt wiedergeben. Der Zeuge schilderte zudem ein Gespräch zwischen dem Hofkommandanten und den Mitgliedern des ªUrnenkommandosº vom folgenden Tag, aus dem sich der Name des Getöteten ergibt (ªH. hin, H. her, ihr seit jetzt zu fünftº.) Ferner erfuhr der Zeuge nach Kriegsende von einem Mithäftling, dieser habe gesehen, wie der Leichnam des Opfers des Angeklagten in der Leichenverbrennungshalle verbrannt worden sei. 4. Auch die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe für den vollendeten Mord war rechtlich geboten. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, die als eigenständiger Strafmilderungsgrund zu einer exakt zu bestimmenden Herabsetzung der Strafe führen muû, liegt nicht vor. Auch die lange Verfahrensdauer , der auûergewöhnlich lange Abstand zwischen Tat und Urteil von 56 Jahren und sonstige Milderungsgründe können nicht zu einer auûergewöhnlichen Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB führen.
a) Soweit es den Zeitaspekt betrifft, ist zu differenzieren zwischen Verfahrensverlängerungen , die durch rechtsstaatswidrige Verzögerungen der Justizorgane verursacht worden sind, der Gesamtdauer des Verfahrens und dem zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13; BVerfG ± Kammer ±, Beschluû vom 5. Juni 2000 ± 2 BvR 814/00;).
Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes garantiert dem Beschuldigten im Strafverfahren das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren. Dieses Prozeûgrundrecht fordert eine angemessene Beschleunigung des Verfahrens (BVerfG ± Kammer ± NJW 1995, 1277; NStZ 1997, 591). Auch Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK garantiert das Recht des Angeklagten auf gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Frist. Die ªangemessene Fristº beginnt, wenn der Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wird, und endet mit dem rechtskräftigen Abschluû des Verfahrens. Für die Angemessenheit ist dabei auf die gesamte Dauer von Beginn bis zum Ende der Frist abzustellen und es sind Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen neben dem eigenen Verhalten des Beschuldigten sowie das Ausmaû der mit dem Andauern des Verfahrens verbundenen Belastungen des Beschuldigten zu berücksichtigen (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 9 unter Bezugnahme auf BVerfG NJW 1992, 2472; vgl. auch BGH StV 1994, 652; StV 1992, 452). Schon im Hinblick auf das in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK normierte Beschleunigungsgebot und dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, aber auch im Blick auf die Bedeutung der vom Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes geforderten Verfahrensbeschleunigung müssen aus einem durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkten Konventionsverstoû Folgen gezogen werden; dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 1, 7; BGH wistra 1992, 66). Diese Folgen bestehen darin, daû die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich
festzustellen und das Maû dieses eigenständigen Strafmilderungsgrundes rechnerisch exakt zu bestimmen ist (BVerfG ± Kammer ± NJW 1995, 1277; NStZ 1997, 591). Unabhängig von dem Strafmilderungsgrund eines Konventionsverstoûes durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung kommt auch einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige strafmildernde Bedeutung zu, bei der insbesondere die mit dem Verfahren selbst verbundenen Belastungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind. Dieser Strafmilderungsgrund kann auch dann gegeben sein, wenn die auûergewöhnlich lange Verfahrensdauer sachliche Gründe hatte und von den Strafverfolgungsorganen nicht zu vertreten ist (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13). Schlieûlich ist auch eine lange Zeitspanne zwischen Begehung der Tat und ihrer Aburteilung neben der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und der langen Verfahrensdauer ein wesentlicher Strafmilderungsgrund, ohne daû es dabei auf die Dauer des Strafverfahrens ankommt (BGH StV 1992, 452; StV 1994, 652; StV 1998, 377; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 6, 13; BGH, Beschlüsse vom 3. März 1993 ± 5 StR 67/93; vom 15. September 1993 ± 5 StR 523/93; und vom 6. November 2001 ± 4 StR 461/01). Die Strafe ist selbst dann zu mildern, wenn die Tat aus tatsächlichen Gründen lange Jahre unbekannt geblieben ist (BGH NStZ 1998, 133). Danach gilt hier: aa) Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung liegt nicht vor. Die Staatsanwaltschaft Dortmund ± Zentralstelle in Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen ± ermittelte schon seit 1970 gegen den Angeklagten wegen der in Theresienstadt verübten Ver-
brechen. Zwar waren die hier abgeurteilten Taten noch nicht bekannt, sie standen jedoch im Zusammenhang mit der Aufsehertätigkeit des Angeklagten und gehörten somit zum selben Ermittlungskomplex. Schon der Umstand, daû zwischen 1979 und April 1999 die Ermittlungen fünfmal eingestellt und ± ersichtlich wegen jeweils neu bekannt gewordener Tatsachen ± wieder aufgenommen worden sind, verdeutlicht, daû die Ermittlungsbehörden bemüht waren, den Sachverhalt mit dem gebotenen Nachdruck aufzuklären. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die hier abgeurteilten Taten wurden erstmals durch die Aussage des Zeugen K. vor der Staatsanwaltschaft in Prag am 8. Oktober 1999 bekannt. Drei Monate später, am 4. Januar 2000, leitete die Staatsanwaltschaft München I das Ermittlungsverfahren ein. Nicht ganz ein weiteres Jahr darauf, am 12. Dezember 2000, erhob sie Anklage und schon am 30. Januar 2001 eröffnete das Landgericht das Hauptverfahren. Die Hauptverhandlung begann drei Monate später, am 23. April 2001, und am 30. Mai 2001 erging das Urteil. Bei diesem Sachverhalt scheidet eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht nur aus; das Verfahren wurde ± im Gegenteil ± seit Bekanntwerden der Taten vielmehr zügig betrieben. bb) Allerdings liegt ± beginnend ab 1970 ± eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer des Gesamtkomplexes vor, auch wenn diese sachliche Gründe hatte. Zu den mit diesem Verfahrenskomplex verbundenen Belastungen ± insbesondere den mehrfachen Einstellungen und Wiederaufnahmen der Ermittlungen ± kommen Strafverfahren durch ausländische Behörden hinzu. Der Angeklagte wurde 1948 vom auûerordentlichen Volksgericht in Litomerice in Abwesenheit zum Tode verurteilt; dieses Urteil wurde erst 1969 vom Kreisgericht in Usti Nad Labem in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Graz wurde 1963 wegen un-
bekannten Aufenthalts eingestellt. Diese Umstände hätten sich bei einer zeitigen Freiheitsstrafe mildernd auswirken müssen. cc) Bei einer zeitigen Freiheitsstrafe wäre die lange Zeitspanne zwischen Tat und Aburteilung von fast 60 Jahren gleichfalls ein bestimmender Strafmilderungsgrund gewesen.
b) Die lange Verfahrensdauer, die lange Zeitspanne zwischen Tat und Aburteilung und die Milderungsgründe aufgrund der Lebensumstände des Angeklagten (Gesundheitszustand, Alter und bisherige Straffreiheit) können bei Taten der vorliegenden Art jedoch nicht dazu führen, auûergewöhnliche Umstände anzunehmen, die das Ausmaû der Täterschuld so erheblich mindern, daû anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe der Strafrahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB treten müûte. aa) Das Bundesverfassungsgericht hat am 21. Juni 1977 (BVerfGE 45, 187) entschieden, daû die absolut angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn dem Richter von Gesetzes wegen die Möglichkeit offenbleibt, bei der Subsumtion konkreter Fälle unter die abstrakte Norm zu einer Strafe zu kommen, die mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäûigkeit vereinbar ist. Den konkreten Fall ± ein Polizeibeamter , der mit Rauschgift handelte, hatte den ihn erpressenden Abnehmer heimtückisch und um eine andere Straftat zu verdecken erschossen ± bewertete das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht als so auûergewöhnlich , daû die verwirkte lebenslange Freiheitsstrafe unverhältnismäûig gewesen wäre. Die Entscheidung betraf ªinsbesondereº die Mordmerkmale ªheimtükkischº und ªum eine andere Straftat zu verdeckenº. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundesgerichtshof die Aufgabe übertragen, eine Lösung zu finden , die diesen Vorgaben gerecht wird.
bb) Mit Beschluû vom 19. Mai 1981 hat der Groûe Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGHSt 30, 105) mit Hilfe des Kriteriums der ªauûergewöhnlichen Umstände, auf Grund welcher die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäûig erscheintº, eine Ergänzung der Rechtsfolgenseite des Mordparagraphen vorgenommen. In Heimtückefällen ± dieses Mordmerkmal war Gegenstand des Vorlageverfahrens ± tritt auf der Rechtsfolgenseite des Mordes an die Stelle lebenslanger Freiheitsstrafe der Strafrahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn auûergewöhnliche Umstände vorliegen, die das Ausmaû der Täterschuld erheblich mindern. Im konkret entschiedenen Fall hatte der Angeklagte, dessen Ehefrau von seinem Onkel vergewaltigt worden war, den Onkel, der sich auch noch der Tat berühmt hatte, heimtückisch erschossen. Zu der Frage, in welchen Fällen solche auûergewöhnlichen Umstände anzunehmen sind, hat der Groûe Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs ausgeführt: ªEine abschlieûende Definition oder Aufzählung der in Fällen heimtückischer Tötung zur Verdrängung der absoluten Strafdrohung des § 211 Abs. 1 StGB führenden auûergewöhnlichen Umstände ist nicht möglich. Durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motivierte, in groûer Verzweiflung begangene, aus tiefem Mitleid oder aus ‚gerechtem Zorn’ auf Grund einer schweren Provokation verübte Taten können solche Umstände aufweisen, ebenso Taten, die in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben.º cc) In solchen Fallgestaltungen hat der Bundesgerichtshof dann in der Folgezeit eine Strafrahmenverschiebung gebilligt bzw. als rechtlich geboten angenommen (NStZ 1990, 490: Heimtückemord durch die Ehefrau, die vom
Ehemann schwer miûhandelt worden war, und die sich in einer ausweglos erscheinenden Situation befand; NStZ 1995, 231: Heimtückemord am gewalttätigen und körperlich überlegenen Erpresser). Hingegen hat der Bundesgerichtshof bei einem Habgiermord (BGHSt 42, 301: ein Arzt hatte eine vermögende Rentnerin getötet) eine Strafrahmenverschiebung abgelehnt: ªIn den Fällen des Mordes wegen Tötung aus Habgier kann die lebenslange Freiheitsstrafe nicht wegen auûergewöhnlicher Umstände im Sinne von BGHSt 30, 105 durch eine zeitige Freiheitsstrafe nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB ersetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich bei den Mordmerkmalen der Heimtücke und der Verdeckung einer Straftat eine Kollision mit dem Verhältnismäûigkeitsgrundsatz für möglich gehalten ...º. In einem Fall, bei dem ein Grenzsoldat der DDR einen Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der vom Westen aus die Grenze überschritten hatte, erschoû, hat der Bundesgerichtshof (NStZ-RR 2001, 296) das Mordmerkmal der Heimtücke verneint und auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils selbst auf Totschlag erkannt. Ob die 25 Jahre zurückliegende Tat durch auûergewöhnliche Umstände geprägt war, die eine Strafrahmenverschiebung geboten hätten, bedurfte deshalb ± so der Bundesgerichtshof ± keiner Entscheidung. Beim Heimtücke-Mord am Bülow-Platz im Jahre 1931 (BGHSt 41, 72, 93: Freiheitsstrafe von sechs Jahren) hat der Bundesgerichtshof die Strafmaûrevision der Staatsanwaltschaft verworfen. Er hat dabei offen gelassen, ob an der seitherigen Rechtsprechung, die für die Strafrahmenverschiebung ausschlieûlich auf tatbezogene Umstände abgestellt hat, auch für Ausnahmefälle festzuhalten sei, in denen ± wie im entschiedenen Fall ± zwischen Tat und Urteil mehr als 60 Jahre liegen. Da zweifelhaft war, ob der Angeklagte für eine
erneute Verhandlung vor dem Landgericht verhandlungsfähig sein würde, hätte eine Zurückverweisung der Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Einstellung des Verfahrens geführt. Bei einer solchen Sachlage habe die Rechtskraft Vorrang.
c) Hier kann offen bleiben, ob bei dem täterbezogenen Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe überhaupt eine Strafrahmenverschiebung in Betracht kommen kann. aa) Der Zeitaspekt der langen Verfahrensdauer und der lange zurückliegenden Tatzeit ist in Fällen der vorliegenden Art kein auûergewöhnlicher Umstand , auf Grund dessen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unverhältnismäûig wäre. Derartige Taten sind durch schwierige Ermittlungen gekennzeichnet, die zu einer langen Verfahrensdauer führen können. Gerade deshalb können die Taten oft erst nach vielen Jahren aufgeklärt werden. Auch aus diesen Gründen hat der Gesetzgeber zunächst die Verjährungsfristen für die Verfolgung solcher Taten mehrfach verlängert (Berechnungsgesetz vom 14. April 1965 ± BGBl. I S. 315; 9. StrÄndG vom 4. August 1969 ± BGBl. I S. 1065) und schlieûlich die Verjährung von Taten der vorliegenden Art gänzlich beseitigt (16. StrÄndG vom 16. Juli 1979 ± BGBl. I S. 1046). Dem ist zu entnehmen, daû der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Umstände ± und auch der typischen Lebensumstände der voraussehbar hochbetagten Angeklagten ± nicht nur eine unverjährbare Verfolgbarkeit , sondern auch keine Milderung der absolut angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe für Mord gewollt hat. Dieser gesetzgeberische Wille zeigt sich besonders deutlich daran, daû das 16. StrÄndG zwei Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977 (BVerfGE 49,
187) beschlossen wurde, ohne daû der Gesetzgeber einen Anlaû sah, die absolute Strafdrohung für Mord zu ändern. bb) Zudem verbietet sich eine Vergleichbarkeit des vorliegenden Falles mit den Fallgestaltungen, bei denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen erheblich geminderter Schuld ± von Verfassungs wegen ± unverhältnismäûig wäre. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz