Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 5 StR 96/19

bei uns veröffentlicht am04.06.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 96/19
vom
4. Juni 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:040619B5STR96.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 4. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. August 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Verabredung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision führt zur Aufhebung des Urteils.
2
1. Nach den Feststellungen plante der Angeklagte, ein spanischer Staatsangehöriger, gemeinsam mit dem anderweitig verurteilten F. Ende 2011, mindestens 80 Kilogramm qualitativ hochwertiges Haschisch von einer Kurierin in einem hierfür umgebauten Schmuggelfahrzeug von Spanien nach Hamburg bringen zu lassen, um es dort gewinnbringend zu verkaufen. Die von beiden ausgewählte Kurierin wurde auf der Fahrt von Spanien nach Hamburg in der Nacht auf den 7. Februar 2012 an der französischen Grenze angehalten. In dem Fahrzeug wurden von französischen Beamten 80 Kilogramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 19 % bis 27 % THC sichergestellt. Im Rahmen eines anderen, in Spanien geführten Strafverfahrens fanden spanische Ermittler im Juli 2012 bei einer Durchsuchung auf einem vom Angeklagten genutzten Grundstück weitere 60 Kilogramm Haschisch. Wegen Besitzes dieses zum Verkauf bestimmten Haschischs ist der Angeklagte in Spanien gesondert verurteilt worden und befand sich dort bis zu seiner Überstellung nach Deutschland zum Zwecke der Durchführung des hiesigen Strafverfahrens in Strafhaft.
3
2. Das Urteil ist aufzuheben.
4
Der Senat kann auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen und des ihm zugänglichen Akteninhalts nicht ausschließen, dass der Verurteilung des Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Tat mit Blick auf seine Verurteilung durch das Strafgericht Nr. 3 in Malaga vom 3. April 2013 in der Fassung des Urteils der Ersten Kammer des Landgerichts Malaga vom 30. Mai 2013 das von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis des zwischenstaatlichen Verbots der Strafverfolgung wegen derselben Tat gemäß Art. 54 SDÜ entgegensteht.
5
a) Nach den vom Strafgericht Nr. 3 in Malaga getroffenen Feststellungen wurden am 26. Juli 2012 auf dem Grundstück des Beschuldigten 60 Kilogramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 22,13 % THC sichergestellt, das vom Angeklagten zum Verkauf oder zur Abgabe an Dritte bestimmt war (Bl. 222 d. A.). Infolgedessen wurde der Angeklagte wegen einer Straftat gegen die öffentliche Gesundheit (Art. 368 Spanisches Strafgesetzbuch) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt (Bl. 227 f. d. A.). In jenem Verfahren hatte er eine Tatbegehung noch bestritten und angedeutet, die Betäubungsmittel seien von Dritten ohne sein Wissen auf seinem Grundstück versteckt worden (Bl. 225 d. A.).
6
b) Aus dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 24. Mai 2018 sowie aus der Anklageschrift vom 5. Juni 2018 geht hervor, dass der Angeklagte demgegenüber im Verlauf des hiesigen Ermittlungsverfahrens angegeben hat, er habe gemeinschaftlich mit F. eine Lieferung von insgesamt etwa 140 Kilogramm Haschisch aus Marokko bestellt, das – bedingt durch das geringere Fassungsvermögen des in das Kurierfahrzeug eingebauten Drogenverstecks – in zwei Lieferungen nach Hamburg transportiert und dort weiterverkauft werden sollte. Das Haschisch habe er zunächst auf seinem Grundstück gelagert. Aus dieser Menge habe er die bei der Kurierin sichergestellten Betäubungsmittel entnommen. Nachdem er und F. von deren Festnahme erfahren hätten, habe F. die weiteren Geschehnisse abwarten wollen und erklärt, es sollten zunächst keine Aktivitäten hinsichtlich des restlichen Haschischs erfolgen. Schließlich habe F. mitgeteilt, aus dem Rauschgifthandel aussteigen zu wollen. Deshalb hätten die restlichen Betäubungsmittel bis zu ihrer Sicherstellung am 26. Juli 2012 auf seinem, des Angeklagten , Grundstück verwahrt werden müssen und – entgegen dem ursprünglichen Plan – nicht nach Hamburg geliefert werden können.
7
Während diese Einlassung in der Anklageschrift nach eingehender Beweiswürdigung als Schutzbehauptung eingestuft worden ist, hat das Oberlandesgericht die Auffassung vertreten, bereits unter ihrer Zugrundelegung liege keine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ vor.
8
c) Das angefochtene Urteil verhält sich weder zu dieser Einlassung noch dazu, ob der Angeklagte etwa in der Hauptverhandlung von ihr abgerückt ist, was die Revision – insoweit freilich urteilsfremd – bestreitet. Es stellt auch nicht fest, ob die bei der Kurierfahrt im Februar 2012 und die im Juli 2012 auf dem Grundstück des Angeklagten sichergestellte Rauschgiftmenge aus einer oder mehreren Bestellungen oder Lieferungen stammte. Allerdings trifft es die in Richtung der Einlassung des Angeklagten weisenden Feststellungen, Ende Ja- nuar oder Anfang Februar 2012 habe der Angeklagte „jedenfalls“ 80,12 Kilo- gramm Haschisch entgegengenommen und auf seinem Grundstück verwahrt (UA S. 9), die dem ursprünglichen Plan entsprechend in zwei Fahrten von Spanien nach Hamburg befördert werden sollten (UA S. 7).
9
d) Ausgehend von der Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren läge ein Strafklageverbrauch nach Art. 54 SDÜ vor. Es kommt mithin darauf an, ob das Tatgericht dieser Einlassung – unter Berücksichtigung des für die Frage des Strafklageverbrauches zu beachtenden Zweifelssatzes (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2002 – 5 StR 574/01; LR-StPO/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 123) – folgt.
10
aa) Art. 54 SDÜ bestimmt, dass derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, nicht durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat verfolgt werden darf, wenn im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ handelt es sich um ein Verfahrenshindernis (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; vom 9. Juni 2008 – 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932), dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 531/12, BGHSt 59, 120, 123).
11
Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 54 SDÜ durch den Europäischen Gerichtshof gilt im Rahmen dieser Vorschrift ein im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen eigenständiger, autonom nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegender Tatbegriff (vgl. EuGH, NJW 2006, 1781; 2007, 3412; 2011, 983; NStZ 2008, 164). Maßgebendes Kriterium für die Anwendung des Art. 54 SDÜ ist danach die Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Demgegenüber ist die Einordnung der Tatsachen nach den Strafrechtsordnungen der Vertragsstaaten unbeachtlich. Allein aus dem Umstand, dass die Taten durch einen einheitlichen Vorsatz auf subjektiver Ebene verbunden sind, lässt sich die Identität der Sachverhalte nicht herleiten; erforderlich ist vielmehr eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 531/12, aaO, S. 126). Ob nach diesen Kriterien im konkreten Fall eine einheitliche Tat anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung durch die zuständigen nationalen Gerichte (EuGH, NJW 2006, 1781, 1782).
12
bb) Eingedenk dieser Maßstäbe läge ausgehend von der Einlassung des Angeklagten eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ vor.
13
Der Angeklagte hat das vom Landgericht abgeurteilte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) bereits mit der „Organisation“ der Anlieferung deszur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmten Rauschgifts in Spanien (UA S. 9) verwirklicht (vgl. Kör- ner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 46 ff.). Nach seiner Einlassung bezog sich dieses Handeltreiben auf die Gesamtmenge des im Februar und Juli 2012 sichergestellten Rauschgifts. Es schloss also die Drogenmenge ein, die Gegenstand der Verurteilung durch das Strafgericht Nr. 3 in Malaga vom 3. April 2013 war. Auch die Verabredung zum Weitertransport des von der spanischen Polizei auf dem Grundstück des Angeklagten aufgefunden Rauschgifts nach Deutschland und damit zu seiner Einfuhr war bereits getroffen. Die teilweise Identität des Rauschgifts, auf das sich die beiden Verurteilungen bezogen , hätte eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen begründet (vgl. EuGH, NStZ 2008, 164, 165 für den Fall, dass den rechtswidrigen Taten in zwei Vertragsstaaten ganz oder teilweise dieselben Gewinne aus dem Drogenhandel zugrundeliegen). Der spätere auf der Festnahme der Kurierin beruhende Verzicht auf die ursprünglich geplante zweite Lieferfahrt nach Hamburg könnte diese Verbindung nicht auflösen. Denn das Handeltreiben bezog sich auf die gesamte Rauschgiftmenge; ein der „Organisation“ der Anlieferung des Rauschgifts nachfolgendes Geschehen könnte daran nichts mehr ändern.
14
3. Ob danach ein Verfahrenshindernis vorliegt, hat das Revisionsgericht zwar grundsätzlich selbst aufgrund der getroffenen oder von ihm noch weiter zu treffenden ergänzenden Feststellungen und des Akteninhalts zu entscheiden. Es ist ihm aber nicht verwehrt, die Sache zur Nachholung fehlender Feststellungen an das Tatgericht zurückzuverweisen. Dazu besteht insbesondere dann Anlass, wenn die Ermittlung der maßgebenden Tatsachen eine Beweisaufnahme wie in der tatgerichtlichen Hauptverhandlung erforderlich machen würde (BGH, Beschluss vom 18. November 2015 – 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42, 43). Entsprechendes gilt, wenn die Feststellung eines Verfahrenshindernisses von der Würdigung der vom Tatgericht erhobenen Beweise abhängt. Denn diese ist zumindest dann, wenn sie untrennbar mit den Feststellungen zur Schuld- frage verbunden ist, Sache des Tatgerichts und liegt in dessen Verantwortung (vgl. BGH, Urteile vom 19. Oktober 2010 – 1 StR 266/10, BGHSt 56, 6, 10; vom 4. Juli 2018 – 5 StR 650/17, StraFo 2019, 17, 19).
15
So verhält es sich hier. Das Landgericht hat die auf das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses hinweisende Einlassung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren nicht beweiswürdigend in den Blick genommen. Die für die Frage eines Verstoßes gegen Art. 54 SDÜ maßgebliche Beurteilung ihrer Glaubhaftigkeit ist dem Senat versagt.
16
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Mutzbauer RiBGH Prof. Dr. Sander Schneider ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Mutzbauer König Köhler

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 5 StR 96/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 5 StR 96/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 5 StR 96/19 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Referenzen - Urteile

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 574/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. März 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Bandenhehlerei u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2002

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. April 2001 wird 1. das Verfahren im Fall II. 4 der Urteilsgründe (Tat vom 30. September 2000, Fall IV. 6 der Anklage ) gemäß § 206a Abs. 1 StPO eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen; 2. das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch wie folgt neu gefaßt : Der Angeklagte ist der Beihilfe zur gewerbsmäßigen Bandenhehlerei in zwei Fällen und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen schuldig,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
1. Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur gewerbsmäûigen Bandenhehlerei in zwei Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es eine Sperrfrist von vier Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt und den PKW BMW (amtliches Kennzeichen : LA-A 193) eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachbeschwerde.
Im Fall II. 4 der Urteilsgründe (Tat vom 30. September 2000, Fall IV. 6 der Anklage) liegt Strafklageverbrauch vor. Soweit die Revision den verbleibenden Schuldspruch angreift, ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, zum Rechtsfolgenausspruch hat sie teilweise Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: “Die Revision hat teilweise Erfolg, weil der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in einem Fall das von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs (vgl. BGHSt 20, 292, 293) entgegensteht bzw. ein solches jedenfalls nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann (vgl. Senat, Beschl. vom 16. Mai 1995 – 5 StR 181/95).
Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, am ‚Folgetag‘, das wäre der 30. September 2000, in Berlin Spandau mit seinem Fahrzeug gefahren zu sein (UA S. 9), handelt es sich um ein Fassungsversehen, wie der ausdrückliche Hinweis auf ‚IV. 6 der Anklage‘ belegt. In der unverändert zugelassenen Anklageschrift vom 21. Februar 2001 ist dem Angeklagten in die- sem Unterpunkt eine am 4. Oktober 2000 begangene Tat zur Last gelegt worden (Bd. VI Bl. 91, 101 d.A.). Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 26. Februar 2001 – 305 Ds 319/00 – ist der Angeklagte wegen eines ebenfalls an diesem Tage mit seinem Fahrzeug begangenen Verstoûes gegen § 21 StVG verurteilt worden (Bl. 36/37 BA). Zwar wird in diesem Urteil der “04.01.2000” als Tattag genannt, doch ergibt der Vergleich mit der dortigen Anklage (Bl. 18 aaO) und der Urteilsaufbau, daû es sich hierbei um ein Schreibversehen (01 statt 10) handelt. Tatort und Tatuhrzeit sind in beiden Fällen etwa dieselben. Darüber hinaus ist einer der Polizeibeamten, die die Verkehrsanzeige aufgenommen haben (Bl. 19/19R BA), derselbe, der nach vorläufiger Festnahme des Angeklagten in vorliegender Sache die Einlieferungsanzeige vom 4. Oktober 2000 unterschrieben hat (Bd. I Bl. 193 d.A.). Bei dieser Sachlage liegt es nahe, wird sich jedenfalls bei weiteren Ermittlungen nicht mehr sicher ausschlieûen lassen, daû in beiden Urteilen dieselbe Tat geahndet wurde.
Das Verfahren ist mithin im beantragten Umfang einzustellen, was der Gesamtstrafe die Grundlage entzieht. Die Einziehung und die Fahrerlaubnissperre werden dadurch nicht berührt. Die Festsetzung einer neuen Gesamtstrafe durch den Senat kommt hier nicht in Betracht, zumal da auch eine Gesamtstrafenbildung mit den im genannten Urteil des Amtsgerichts erkannten Einzelstrafen in Betracht zu ziehen sein wird.” Dem tritt der Senat bei.
Harms Häger Raum Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 57/10
vom
25. Oktober 2010
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Tötung von Unbeteiligten in Italien im Zweiten Weltkrieg als Rache
für einen Partisanenangriff.
BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 57/10 – LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 11. August 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

1
Die Strafkammer hat festgestellt:
2
Die zur Heeresgruppe C zählende, vom 1918 geborenen Angeklagten geführte 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 sollte am 26. Juni 1944 nahe dem Weiler Falzone di Cortona (Toskana) eine von Partisanen wegen ihrer Bedeutung für den Rückzug der deutschen Truppen gesprengte Brücke reparieren. Zwei Soldaten, die im Auftrag des Angeklagten Fahrzeuge zum Transport beschaffen sollten, wurden dabei in einem Hinterhalt von Partisanen erschossen, ein dritter wurde verletzt. Da sich die Partisanen nach dem Anschlag auf die Soldaten abgesetzt hatten, beschloss der Angeklagte aus Wut und Rachsucht eine Vergeltungsaktion gegen die männliche Zivilbevölkerung der Gegend. Zunächst meldete er den Vorfall dem Bataillonskommandeur und regte die von ihm geplante Maßnahme gegen die italienischen Zivilisten an, die der Bataillonskommandeur entsprechend dem Wunsch des Angeklagten anordnete und außerdem durch ein Flakgeschütz und Sprengstoff logistisch unterstützte. Am nächsten Tag befahl der Angeklagte, alle in der Gegend erreichbaren männlichen Zivilisten festzunehmen. Am Ende waren dies neun Männer, von denen der älteste 67 Jahre alt war, und zwei Jugendliche von 15 und 16 Jahren. Keiner war der Beteiligung an dem Anschlag oder überhaupt der Unterstützung von Partisanen verdächtig. Sie wurden in einem Haus eingeschlossen.
3
Zwar hatten einige Angst, erschossen zu werden, andere gingen jedoch davon aus, mit dem Leben davon zu kommen und nach Deutschland in ein Konzentrationslager gebracht zu werden, um dort zu arbeiten. Das Haus wurde alsbald in Anwesenheit und auf Befehl des Angeklagten gesprengt. Danach wurde ebenfalls auf seinen Befehl mit Maschinengewehren in die Trümmer geschossen , um noch lebende Opfer zu töten. Am Ende überlebte nur der schwer verletzte 15-jährige. Nach der Reparatur der Brücke verließ die Kompanie am 29. Juni 1944 die Region.
4
Auf dieser Grundlage wurde der Angeklagte wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision macht Verfahrenshindernisse geltend und erhebt Verfahrensrügen sowie die näher ausgeführte Sachrüge. Sie bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

5
Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Weder ist das Verbot der Doppelbestrafung („ne bis in idem“) verletzt (1.), noch ist die Tat verjährt (2.).
6
1. Allerdings wurde der Angeklagte bereits in Abwesenheit durch Urteil des Militärgerichts La Spezia (Italien) vom 28. September 2006, rechtskräftig seit dem 11. November 2008, wegen dieser Tat zu lebenslanger Haft verurteilt.
7
a) Das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - (ABl. EG 2000 L 239/219) ist hier nicht verletzt. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, die grundsätzlich auch Abwesenheitsurteile erfasst (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - C-297/07, NStZ 2009, 454), setzt voraus, dass die in dem Urteil vom 28. September 2006 verhängte Strafe entweder bereits vollstreckt worden ist oder gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates (hier: Italien) nicht mehr vollstreckt werden kann. All dies ist nicht der Fall. Die gegen den Angeklagten in Italien verhängte Freiheitsstrafe ist und wird nicht vollstreckt. Sie könnte aber, wie auch die zuständige italienische Behörde der Strafkammer bestätigt hat, nach italienischem Recht vollstreckt werden.
8
b) Nichts anderes als für Art. 54 SDÜ gilt für das mit Art. 54 SDÜ praktisch identische Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EG über das Verbot der Doppelbestrafung, das zwar noch nicht umfassend in Kraft getreten ist, aber sowohl von der Bundesrepublik als auch von Italien bereits angewendet wird (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Februar 2001 - 2 StR 458/00, BGHSt 46, 307, 309; Schomburg, StV 1999, 246, 247 ; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Einl. Rn. 177b).
9
c) Der Senat hat erwogen, ob das Urteil vom 28. September 2006 etwa im Blick auf eine mögliche Auslieferung des Angeklagten nach Italien oder eine mögliche Vollstreckung dieses Urteils in Deutschland ein Verfahrenshindernis begründen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03). Dies war jedoch zu verneinen.
10
(1) Italien hat bisher keinen Antrag auf Auslieferung des Angeklagten gestellt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich dies ändern könnte, bestehen nicht. Zwingend ausgeschlossen ist ein solcher Antrag aber auch nicht. Die (theoretische) Möglichkeit, dass ein nicht gestellter Antrag doch noch gestellt wird, führt nicht dazu, dass rechtliche Konsequenzen, die ein solcher Antrag im Falle seines Erfolges hätte, ein Verfahrenshindernis begründen würden. Im Übrigen wäre eine Auslieferung des Angeklagten zum Zwecke der Strafvollstreckung nur mit seiner Zustimmung möglich (§ 80 Abs. 3 Satz 1 IRG).
11
(2) Auch ein Antrag von Italien an die Bundesrepublik Deutschland, die Vollstreckung des Urteils vom 28. September 2006 zu übernehmen, ist nicht gestellt. Allerdings müsste die Bundesrepublik im Falle der Ablehnung einer Auslieferung die Strafvollstreckung übernehmen (Art. 4 Nr. 6 RbEuH, vgl. auch § 48 IRG), jedoch ebenfalls nur auf Verlangen des um Rechtshilfe ersuchenden Staates, hier also von Italien (vgl. Hackner, Schomburg, Lagodny, Gleß, NStZ 2006, 663, 667; Burchard/Brodowsky, StraFo 2010, 179, 185; vgl. auch § 80 Abs. 4 Satz 1 IRG „Ersuchen um Vollstreckung“). Wie dargelegt, kann allein die Möglichkeit eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auf Auslieferung kein Verfahrenshindernis begründen; für die Möglichkeit, auf der Grundlage der Annahme von Erfolglosigkeit des nicht gestellten Auslieferungsantrages einen Antrag auf Übernahme der Vollstreckung zu stellen, gilt nichts anderes.
12
Aus alledem ergibt sich insgesamt, dass das Urteil vom 28. September 2006 deshalb kein Verfahrenshindernis begründet, weil die Vollstreckung dieses Urteils sowohl aus rechtlichen als aus praktischen Gründen weder in Italien noch in Deutschland zu erwarten ist (vgl. Burchard/Brodowsky aaO 186). Auch die Revision zweifelt all dies nicht an.
13
d) Auch die im Vertrag von Lissabon enthaltene Charta der Grundrechte (GrCh), die am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist (BGBl. II S. 1223) und die der Senat daher - anders als noch die Strafkammer - zu beachten hat (§ 354a StPO), führt zu keinem anderen Ergebnis. Allerdings ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 50 GrCh, anders als das entsprechende Verbot in Art. 54 SDÜ (vgl. oben II 1. a), nicht ausdrücklich durch Vollstreckungsbedingungen modifiziert. Jedoch können gemäß Art. 52 Abs. 1 GrCh die in der Charta anerkannten Rechte durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden, die den Wesensgehalt der Charta achten. Art. 54 SDÜ ist eine solche einschränkende Regelung. Dies ergibt sich aus den Erläuterungen des Präsidiums des Konvents zur Ausarbeitung der Charta (ABl. EG 2004 C 310/453; aktualisierte Fassung ABl. EU 2007 C 303/17), die ausweislich der Präambel der Charta bei deren Auslegung durch die Gerichte zu berücksichtigen sind. Dort heißt es zu Art. 50 GrCh: „Nach Art. 50 findet der Grundsatz ‚ne bis in idem’ nicht nur innerhalb der Gerichtsbarkeit eines Staates, sondern auch zwischen den Gerichtsbarkeiten mehrerer Mitgliedstaaten seine Anwendung. Dies entspricht dem Rechtsbesitzstand der Union; siehe Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens (…). Die klar eingegrenzten Ausnahmen, in denen die Mitgliedstaaten nach diesen Übereinkommen von dem Grundsatz ‚ne bis in idem’ abweichen können, sind von der horizontalen Klausel des Artikels 52 Absatz 1 über die Einschränkungen abgedeckt.“
14
Danach besteht kein Zweifel, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ auch im Blick auf Art. 50 GrCh nur nach Maßgabe von Art. 54 SDÜ gilt, also hier nicht eingreift (Burchard/Brodowsky aaO, 184 im Ergebnis ebenso LG Aachen, StV 2010, 237 in einem im Rahmen eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ergangenen Beschluss, der allerdings auf die oben genannten Erläuterungen nicht eingeht; a.A. in einer Anmerkung hierzu Reichling [aaO, 238], der aber die Erläuterungen zur GrCh ebenfalls nicht anspricht).
15
Art. 52 Abs. 2 GrCh, wonach die Ausübung der durch die Charta anerkannten Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union begründet sind, nur im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgen darf, ist hier entgegen der Auffassung der Revision nicht einschlägig. „Ne bis in idem“ ist nicht durch diese Verträge begründet , sondern als über nationales Recht hinausgehender europarechtlicher Grundsatz vom EuGH im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung entwickelt worden (Schwarze/Stumpf, EU-Kommentar, 2. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 12 u. 30 mwN); hierauf findet Art. 52 Abs. 2 GrCh keine Anwendung (Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 52 GrCh Rn. 6 f.).
16
Für die von der Revision in diesem Zusammenhang angeregte Vorlage der Sache an den EuGH ist kein Raum. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist angesichts der dargelegten Erläuterungen offenkundig und zweifelsfrei („acte-claire-Doktrin“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81 , NJW 1983, 1257; BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 2419/06). Die Klarheit der Rechtslage, die sich aus den Erläuterungen ergibt, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass das Landgericht Aachen (aaO) diese Erläuterungen , die der Sache nach seine Entscheidung bestätigen, nicht erwähnt. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass dadurch eine „mangelnde Verbreitung“ der Erläuterungen „offenkundig“ und nicht zuletzt deshalb eine Vorlage an den EuGH geboten sei (so Burchard/Brodowsky, aaO, 185). Die Präambel der Charta selbst weist auf die Erläuterungen hin, deren Text in einschlägigen Gesetzessammlungen und juristischen Werken, aber auch im Internet ohne weiteres zu finden ist. Der Frage, ob eine noch nicht überall verbreitete Kenntnis der Grundlage einer eindeutigen Rechtslage die Eindeutigkeit der Rechtslage selbst überhaupt in Frage stellen könnte, geht der Senat daher nicht nach. http://www.juris.de/jportal/portal/t/2j4t/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE038302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 -
17
2. Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Anders wäre es nur, wenn die Verjährungsfrist unmittelbar nach der Tat zu laufen begonnen hätte (a) oder wenn die Tat - hierauf hebt die Revision ab - nicht als Mord (§ 211 StGB) zu werten wäre (b). Beides ist nicht der Fall.
18
a) Da Mord zur Tatzeit nach 20 Jahren verjährte (§ 67 Abs. 1, 1. Alt., § 211 Abs. 1 RStGB) wäre im Juni 1964 Verjährung eingetreten, wenn diese nicht bis Kriegsende geruht hätte (§ 69 StGB aF; entspricht § 78b StGB). Sonst hätten die Gesetze vom 13. April 1965 (BGBl. I S. 315), 4. August 1969 (BGBl. I S. 1065) und 16. Juli 1979 (BGBl. I S. 1045) zur Neuberechnung, Verlängerung und Aufhebung der Verjährungsfrist die Tat nicht mehr erfasst (vgl. näher BGH, Urteil vom 1. März 1995 - 2 StR 331/94, NJW 1995, 1297). Geruht hat die Verjährung bis zum Kriegsende (u.a.) dann, wenn die Tat den zu ihrer Verfolgung berufenen Stellen zwar bekannt war, eine Verfolgung aber aus politischen Gründen unterblieb (BGH aaO; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1969 - 2 StR 57/69, BGHSt 23, 137; BGH, Urteil vom 28. Mai 1963 - 1 StR 540/62, BGHSt 18, 367 jew. mwN). So verhält es sich hier. Nach den damaligen Bestimmungen hatte ein militärischer Vorgesetzter eine ihm bekannt gewordene gerichtlich zu verfolgende Straftat eines Untergebenen dem „Gerichtsherrn“ mitzuteilen. Hier meldete der Angeklagte dem Bataillonskommandeur die geplante Racheaktion, der sie auf dessen Wunsch hin „anordnete“ und logistisch unterstützte. Dies entsprach dem auch im angefochtenen Urteil zitierten kurz zuvor ergangenen Befehl von Generalfeldmarschall Kesselring, Oberbefehlshaber der Wehrmacht in Italien, vom 17. Juni 1944 (sog. erster Bandenbefehl). Danach war der „Kampf gegen die Banden“ - also Partisanen - „mit allen (…) Mitteln und (…) größter Schärfe“ durchzuführen. Dem, der bei der Wahl und Schärfe des Mittels bei der Bekämpfung der Banden über das „übliche zurückhaltende Maß“ hinausginge, wurde Deckung zugesagt. Dies belegt, dass die Verfolgung einer Tat im Zusammenhang mit der sog. Bandenbekämpfung, wie die Tötung von „Sühnegefangenen/-geiseln“ (zum Begriff vgl. Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im Zweiten Weltkrieg - Hinweise zur rechtlichen Beurteilung - Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg 1968 S. 3 mwN) als Vergeltung für die Tötung deutscher Soldaten durch Partisanen, aus den genannten Gründen unterbleiben sollte. Auch die von der Strafkammer zur „Verfolgungswahrscheinlichkeit“ der Tat gehörte Sachverständige Dr. von L. , die auf diesem Gebiet intensiv geforscht hat, hält eine Verfolgung einer solchen Tat im Hinblick auf die damalige Befehlslage für ausgeschlossen. Dabei verweist sie auch darauf, dass die vollständig erhaltenen und nunmehr umfassend ausgewerteten Gerichtsakten der Heeresgruppe C insbesondere auch nach diesem Befehl kein Verfahren gegen einen deutschen Soldaten wegen einer Tat zum Nachteil italienischer Zivilisten dokumentieren. Soweit es Hinweise auf die Meldung solcher Vorgänge an zur Mitwirkung an ihrer Strafverfolgung berufene Stellen gibt, wurden diese indes nicht aktenkundig gemacht.
19
Allerdings hat der Bundesgerichtshof auf der Grundlage des Zweifelssatzes die Annahme gebilligt, dass bei einer im Oktober 1943 begangenen, als Mord bewerteten Tötung italienischer Zivilisten durch einen deutschen Offizier die Möglichkeit einer Strafverfolgung schon vor Kriegsende nicht ausgeschlossen gewesen sei (BGH, Urteil vom 1. März 1995 - 2 StR 331/94, NJW 1995, 1297). Jedoch war in jenem Fall die Befehlslage zur Tatzeit am Tatort unklar und es stand die Möglichkeit eines individuellen Exzesses im Raum, der möglicherweise nur deshalb nicht verfolgt wurde, weil er nicht bekannt wurde. Hier war demgegenüber die Befehlslage eindeutig und die Tat kein individueller, unbekannt gebliebener Exzess. Sie geschah vielmehr im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten und mit dessen Unterstützung.
20
Nach alledem hat die Verjährung bis Kriegsende geruht, so dass die genannten Gesetze von 1965, 1969 und 1979 eingreifen und die Tat daher noch verfolgbar ist.
21
b) Weitere Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie als Mord (§ 211 StGB) zu werten ist, da lediglich insoweit die Verjährung aufgehoben ist. Läge etwa (nur) Totschlag (§ 212 StGB) vor, wäre inzwischen Verjährung eingetreten. Ob Mord vorliegt, ist hier daher nicht erst bei der sachlich-rechtlichen Überprüfung des Schuldspruchs, sondern schon bei der Frage, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung vorliegt, von entscheidender Bedeutung.
22
Die Strafkammer hat die von dem Angeklagten befohlene Tötung der italienischen Zivilisten zu Recht als Mord bewertet. Sie hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe rechtsfehlerfrei bejaht.
23
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGH, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 130 mwN). Bei einer Tötung aus Wut und Verärgerung kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (BGH aaO mwN). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - 1 StR 30/05; BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - 5 StR 508/06, NStZ 2007, 330, 331; jew. mwN). Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285).
24
Diesen Anforderungen an die vorzunehmende Gesamtwürdigung wird das angefochtene Urteil gerecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten, sondern vielmehr erst dann, wenn die Gefühlsregungen , auf denen sie beruhen, ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich sind, wie z.B. nach einem vom Opfer begangenen schweren Unrecht oder einer schwerwiegenden Kränkung des Täters durch das Opfer, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008 mwN). Hier war der Angeklagte von der Tötung der beiden zu seiner Kompanie gehörenden Soldaten, die in seinem Auftrag unterwegs waren, durch die Partisanen zwar persönlich betroffen. Die italienischen Zivilisten, deren Tötung der Angeklagte im Rahmen der von ihm befehligten Vergeltungsmaßnahme veranlasste, hatten aber nach den Feststellungen des Landgerichts mit dem Partisanenüberfall nichts zu tun. Keines der Opfer stand in dem Verdacht, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein oder die Partisanen in irgendeiner Form unterstützt zu haben. Hinzu kommt, dass es dem Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts bei der Durchführung der Vergeltungsaktion darum ging, möglichst „alle, junge wie alte, männlichen Einwohner der umliegenden Ortschaften (…), derer seine Einheit habhaft werden konnte“, zu töten. Ein solcher zufälliger, unterschiedsloser und deshalb willkürlicher Rückgriff auf die gesamte männliche Zivilbevölkerung eines ganzen Landstrichs, mit dem Ziel, diese auszulöschen, offenbart ebenfalls die niedere Gesinnung des Angeklagten bei der Tatbegehung, der hierdurch ein außerordentliches Maß an Missachtung der körperlichen Integrität seiner Opfer zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHR StGB § 11 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 40).
25
Dieses Maß an Missachtung zeigt sich darüber hinaus auch besonders in der Vorbereitung und Durchführung der Tötung der unschuldigen Zivilisten auf Anordnung des Angeklagten. Bei der von dem Angeklagten veranlassten Vergeltungsaktion handelte es sich nicht um eine Spontantat (vgl. allgemein zur Bedeutung eines spontanen Tatentschlusses für die Annahme niedriger Beweggründe BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 - 2 StR 96/00, NStZ 2001, 87; BGH, Urteil vom 14. Juli 1988 - 4 StR 210/88, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 11). Sie war vielmehr von dem Angeklagten gründlich vorbereitet. Für die Durchführung war ihm auf seinen Wunsch hin schon am Vortag durch das Bataillonskommando logistische Unterstützung durch mehrere Kisten Sprengstoff und ein Flakgeschütz (das beim Durchkämmen der Wälder dazu eingesetzt werden sollte, die sich dort versteckt haltenden Personen aufzuscheuchen ) gewährt worden. Die ihm unterstellten Zugführer informierte er schon am Vorabend der Tat über die von ihm geplante Vergeltungsaktion. Seine Opfer hingegen ließ er bis zur Sprengung des Gebäudes, in dem sie eingesperrt worden waren, über ihr Schicksal im Ungewissen. Keinem von ihnen war klar, dass ein Angriff auf sein Leben unmittelbar bevorstand, obwohl der Angeklagte dies seit langem schon so entschieden hatte. Angesichts dieser Umstände stellt sich die von dem Angeklagten veranlasste Tötung der Zivilisten durch Sprengung des Gebäudes und das sich anschließende Maschinengewehrfeuer, was jeweils für sich gesehen schon eine entwürdigende und erniedrigende Hinrichtungsart ist (vgl. Gribbohm, Selbst mit einer Repressalquote von zehn zu eins? Über Recht und Unrecht einer Geiseltötung im Zweiten Weltkrieg - Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen Kleine Schriften Bd. 6, S. 29), als besonders menschenverachtend dar (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43 mwN).
26
Eine solche aus Rachsucht motivierte und gründlich vorbereitete Tötung von Unschuldigen, die durch ihr Verhalten keine Veranlassung für die durchgeführte Vergeltungsmaßnahme gegeben haben, durch Sprengung eines Gebäudes und anschließendes Maschinengewehrfeuer kann daher selbst vor dem Hintergrund einer kriegsbedingten Ausnahmesituation nicht mehr als menschlich verständliche Handlung des Angeklagten angesehen werden. Sie ist vielmehr Ausdruck einer auf tiefster Stufe stehenden und besonders verachtenswerten Gesinnung. Mit dieser Wertung hat das Landgericht seinen aufgezeigten Beurteilungsspielraum offensichtlich nicht überschritten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 1975 - 1 StR 192/75 ; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03 [Rz. 38]; allgemein zur Tötung von Unbeteiligten vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 - 5 StR 306/03, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 43).

III.

27
Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen, die auch durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden, unbegründet.

IV.

28
Auch die Sachrüge bleibt erfolglos.
29
Der Angeklagte war erstmals 2005 auf Ersuchen der italienischen Behörden als Beschuldigter vernommen worden. Damals hatte er erklärt, er habe mit der Tat nichts zu tun, so etwas wäre illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar gewesen. Auch im gesamten weiteren Verfahrensverlauf hat er die Tat nicht eingeräumt. Die Strafkammer sieht ihn dennoch als überführt an, weil die Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme ausschließlich von Soldaten der 1. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 durchgeführt wurde, deren alleiniger befehlshabender Offizier zur Tatzeit der Angeklagte war. Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung sind nicht ersichtlich. Auch die rechtliche Bewertung der Tat durch die Strafkammer als Mord (§ 211 StGB) ist zutreffend (vgl. oben II 2. b).
30
Anders als die Revision meint, ist die Tat auch weder als Kriegsrepressalie gerechtfertigt (1.), noch als Handeln auf Befehl straffrei (2.).
31
1. Eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Bewertung der Tat als eine zur Tatzeit nach Kriegsvölkergewohnheitsrecht zulässige Kriegsrepressalie kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen hierfür sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht fehlen.
32
a) Die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes erfordert neben seinen objektiven Voraussetzungen auch ein oft „Rechtfertigungsvorsatz“ genanntes subjektives Rechtfertigungselement. Die rechtfertigenden Umstände müssen dem Täter bekannt sein und sich im Motiv seines Handelns niederschlagen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Januar 1952 - 1 StR 552/51, BGHSt 2, 111, 114 <übergesetzlicher Notstand>; BGH, Beschluss vom 8. März 2000 - 3 StR 67/00, NStZ 2000, 365, 366 ; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1953 - 3 StR 151/53, BGHSt 5, 245, 247 ; BGH MDR 1953, 401 <§ 193 StGB>; LK-Rönnau, 12. Aufl., vor § 32 Rn. 82 Fußn. 295 mwN auch zu anderen Rechtfertigungsgründen). Gründe für die Annahme, bei einer mögli- chen Rechtfertigung wegen einer Kriegsrepressalie gelte anderes, sind nicht ersichtlich (zur Notwendigkeit eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ bei allen Rechtfertigungsgründen vgl. auch eingehend Rönnau aaO Rn. 82 mwN).
33
Hier ist der Angeklagte bei der Tat jedoch nicht davon ausgegangen, er handle im Rahmen einer zur Tat vom Recht gedeckten Kriegsrepressalie. Dagegen spricht seine Einlassung, er habe die von ihm selbst als illegal und mit seinem Soldateneid nicht vereinbar bewertete Tat nicht begangen.
34
Durch die so begründete Ablehnung eines „Rechtfertigungsvorsatzes“ entstehen dem Angeklagten hier keine Nachteile aus einem zulässigen Verteidigungsverhalten.
35
Allerdings kann ein die Tat bestreitender Angeklagter nicht zugleich (möglicherweise) strafmildernde Umstände vorbringen. Gleichwohl, so die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insbesondere im Zusammenhang mit § 213 StGB, ist insoweit von der dem Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den konkreten Umständen in Betracht kommt, damit ihm aus zulässigem Verteidigungsverhalten keine Nachteile erwachsen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 - 1 StR 338/96, NStZ-RR 1997, 99 mwN).
36
Diese Fälle sind dem vorliegenden Fall zwar ähnlich, aber nicht mit ihm identisch. Dort erscheint möglich, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Strafmilderungsgründe beruft, weil er lieber freigesprochen als (nur) milder bestraft werden will. Hier wäre demgegenüber zu unterstellen, dass der Angeklagte sich nicht wahrheitsgemäß auf Gesichtspunkte beruft, die (möglicherweise ) zu einem Freispruch wegen eines Rechtfertigungsgrundes führen könnten, weil er lieber mangels Tatnachweises freigesprochen werden will.
37
Letztlich braucht der Senat diesem Unterschied aber nicht näher nachzugehen. Die Strafkammer hat nämlich mit rechtsfehlerfreien Erwägungen im Einzelnen dargelegt, dass der Angeklagte bei der Tat wusste, dass sie unter militärischen Gesichtspunkten keinen Sinn hatte, sondern ausschließlich der Rache für den Anschlag an hieran Unbeteiligten diente, und dass sein Vorgehen deshalb - entsprechend seiner eigenen Bewertung im Rahmen seines Verteidigungsvorbringens - einen rein verbrecherischen Charakter hatte.
38
b) Ohnehin kommt eine Rechtfertigung des Angeklagten mit Blick auf eine nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht als zulässig angesehene Kriegsrepressalie durch Tötung von „Sühnegefangenen“ hier nicht in Betracht (zur Fortgeltung des Kriegsvölkergewohnheitsrechts für sog. „Altfälle“ vgl. Gribbohm aaO S. 32 mwN; zur Zulässigkeit von Kriegsrepressalien vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03, BGHSt 49, 189, 193 mwN und zu deren völkerrechtlichen Grundlagen zusammenfassend Gribbohm aaO S. 5 ff, 25 ff m. zahlr. Nachw.). Die auch nach damaligem Rechtsverständnis hierfür erforderlichen objektiven Voraussetzungen waren nämlich insgesamt nicht erfüllt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Umfeldes, als auch hinsichtlich der Auswahl der Opfer, der Art ihrer Tötung und dem darauf folgenden Geschehen.
39
(1) Regelmäßige Voraussetzung für eine derartige Aktion war, dass sie letztlich im besetzten Gebiet zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diente (Gribbohm aaO S. 25; Artzt/Penner aaO S. 5 f unter Hinweis auf Art. 43 HLKO). Schon daran fehlte es. Das in Rede stehende Gebiet war nicht (mehr) von den Deutschen besetzt, die Alliierten waren wenige Kilometer entfernt, der Angeklagte war mit seinem Truppenteil nur kurzfristig in der Region, um die für den Rückzug wichtige Brücke zu reparieren, eine wie auch immer geartete Berechtigung oder Verpflichtung, gegenüber der einheimischen Bevölkerung noch öffentliche Sicherheit und Ordnung durchzusetzen, bestand, auch wenn sie sonst bestanden haben sollte, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr. Eine im Rahmen von Kriegsgeschehen erfolgte „vorbeugende Erschießung“ zur Abwehr womöglich anderweitig drohender künftiger Gefahren hat der Bundesgerichtshof als „verbrecherisch“ bewertet (BGH, Urteil vom 30. September 1960 - 4 StR 242/60, BGHSt 15, 214, 217). Es ist nicht ersichtlich , warum für eine vorbeugende Tötung Unbeteiligter, die nicht der Wahrung und Durchsetzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem besetzten Gebiet diente, anderes gelten könnte.
40
(2) Kriegsrepressalien waren von der so genannten Humanitätsschranke begrenzt. Wenn auch - um so mehr nach heutigem Verständnis - eine wie auch immer durchgeführte „humane“ Tötung Unschuldiger kaum vorstellbar ist, so fiel unter diesen Begriff jedenfalls schon damals das Verbot von Kriegsrepressalien gegen Frauen und Kinder (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1955 - 3 StR 603/54 ; BGH, Urteil vom 17. März 1967 - 4 StR 464/66, wo zwischen „Kindern“ und „Kleinkindern“ nicht durchgängig unterschieden ist; vgl. auch Artzt/Penner aaO S. 26; v. Münch, Geschichte vor Gericht - Der Fall Engel, S. 55).
41
Die Revision meint, die hier Opfer gewordenen Personen im Alter von damals 15 und 16 Jahren seien keine Kinder gewesen. Der Senat neigt nicht zu dieser Auffassung. Das Gesetz definiert den Begriff des Kindes nicht einheitlich. Die UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 - in Deutschland seit dem 5. April 1992 in Kraft (vgl. die Bekanntmachung vom 10. Juli 1992, BGBl. II S. 990) - definiert in Art. 1 Kinder als Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Entsprechend dem jeweiligen Regelungsbedarf hat der Begriff des Kindes etwa im Strafrecht einen anderen Inhalt als im Unterhaltsrecht oder im Erbrecht. Fehlt, wie hier, mangels Kodifikation eine ausdrückliche Altersgrenze zur Definition des Begriffs des Kindes, ist daher auf den Rege- lungszusammenhang abzustellen (in vergleichbarem Sinne OLG Zweibrücken NStZ 1985, 179, 180). Aus der damals vorgenommenen Gleichsetzung von Frauen und Kindern ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass Kriegsrepressalien nicht gegen solche Personen gerichtet sein sollten, die schon im Ansatz nicht (Frauen) oder noch nicht (Kinder) als reguläre Soldaten in Frage gekommen wären. Nach dem damals geltenden italienischen Wehrpflichtgesetz begann die Wehrpflicht jedoch erst mit 17 Jahren (v. Münch aaO S. 104), so dass hier die beiden von der Vergeltungsaktion betroffenen Jugendlichen nicht zum Militärdienst hätten eingezogen werden können, weshalb sie nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall als Kinder angesehen werden müssen.
42
(3) Als ein für die Beurteilung der „Humanität“ einer Tötung im Rahmen einer Repressalie wesentlicher Gesichtspunkt wurde damals auch vielfach die Art der Tötung angesehen (Gribbohm aaO S. 29; Artzt/Penner S. 26). Als eine entwürdigende und erniedrigende und daher inhumane und von Kriegsrecht nicht gedeckte Tötungsart galt die hier praktizierte Sprengung des Gebäudes, in dem die über ihr Schicksal bewusst im Unklaren gelassenen Opfer gefangen gehalten wurden (Gribbohm aaO S. 28 f). Für das zusätzlich anschließend noch praktizierte Maschinengewehrfeuer gilt nichts anderes (Gribbohm aaO S. 29; vgl. auch v. Münch aaO S. 112).
43
(4) Als völkerrechtlich unumstrittenste Anforderung an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie galt in diesem Zusammenhang die so genannte Notifikation, d.h. die öffentliche Bekanntmachung des Geschehens (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03, BGHSt 49, 189, 193; BGH, Urteil vom 30. September 1960 - 4 StR 242/60, BGHSt 15, 214, 217; Artzt/Penner aaO S. 28; Gribbohm aaO S. 29). Ihr Sinn lag darin, dass einerseits das Ziel der Abschreckung vor künftigen Wiederholungen von gegen die Besatzungsmacht gerichteten Anschlägen erreicht werden sollte (Artzt/Penner aaO) und anderer- seits gezeigt werden sollte, „dass die Maßnahmen der Durchsetzung des Rechts dienen (…) und deshalb das Tageslicht nicht zu scheuen brauchen“ (Gribbohm aaO S. 28). Eine solche Bekanntmachung ist vorliegend nicht erfolgt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie ursprünglich vor Begehung der Tat beabsichtigt gewesen wäre.
44
c) Es mag zwar in Einzelfällen durchaus vorstellbar sein, dass trotz der Nichteinhaltung einzelner, auch nach damaligem Kriegsvölkergewohnheitsrecht an die Rechtmäßigkeit einer Kriegsrepressalie zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Gesamtumstände ausnahmsweise von einer zulässigen (Repressal)Maßnahme ausgegangen werden kann (Gribbohm aaO S. 30). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auch eine Gesamtschau der Tatumstände unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte führt hier dazu, dass die Auffassung der Strafkammer, die objektiven Voraussetzungen einer zulässigen Kriegsrepressalie würden hier fehlen, rechtlicher Überprüfung ohne weiteres Stand hält.
45
d) Nachdem die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht vorliegen, braucht der Senat der uneinheitlich beurteilten Frage nicht nachzugehen, welche Konsequenzen sich dann ergeben könnten, wenn zwar die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen, dieser aber gleichwohl wegen des fehlenden „Rechtfertigungsvorsatzes“ nicht eingreift (vgl. hierzu Rönnau aaO Rn. 88, 90 mwN für die unterschiedlichen Auffassungen).
46
2. Die Tat ist schließlich auch nicht nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuchs (MStGB) straffrei, der noch immer für vor seiner Aufhebung durch das Kontrollratsgesetz Nr. 34 mit Wirkung vom 20. August 1946 begangene Taten anwendbar ist (BGH LM § 47 MStGB Nr. 1, 3). Auch in diesem Zusammenhang braucht der Senat der Frage, ob dem Ange- klagten, der sich hier auch nicht auf die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Satz 1 MStGB beruft, durch ein zulässiges Verteidigungsverhalten ein Nachteil entstehen kann, nicht nachzugehen (vgl. oben IV1. a), da bereits die objektiven Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vorliegen.
47
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des zur Tatzeit geltenden MStGB ist, von näher beschriebenen Ausnahmen abgesehen, ein befehlender Vorgesetzter allein verantwortlich, wenn „durch die Ausführung eines Befehls (…) ein Strafgesetz verletzt“ wird (zur heutigen Rechtslage vgl. MünchKommStGB/Dau, § 5 WStG Rn. 4 mwN). Ein Befehl erforderte aber, dass der Vorgesetzte - so ältere militärrechtliche Rechtsprechung - „in gebietender Weise“ (RGSt 58, 110; 64, 69) Gehorsam verlangt (vgl. auch Schölz/Lingens, WStG, 4. Aufl., § 2 Rn. 9). Hieran fehlte es, wenn der Untergebene seinem Vorgesetzten eine Maßnahme vorschlug und deren Genehmigung einforderte. Auch wenn diese Genehmigung durch den Vorgesetzten äußerlich ein Befehl ist, fehlt die zur Entlastung des Untergebenen nötige Alleinverantwortlichkeit des Vorgesetzten, der hier nicht „ausschließlich (…) durch Ausübung seiner Befehlsgewalt (…) die Folgen (…) des Befehls“ herbeigeführt hat (BGH LM § 47 MStGB Nr. 3). Vorliegend beruht die Tat des Angeklagten nicht etwa nur auf dem Befehl seines Vorgesetzten, sondern sie entsprach seinem Plan, den er schon vor Erteilung des Befehls hatte , nämlich eine sog. Racheaktion gegenüber der italienischen Zivilbevölkerung durchzuführen. Nur deshalb hatte er dem Bataillonskommandeur nahegelegt, einen entsprechenden Befehl zu erteilen. Wer einen solchen Plan hat und den Vorgesetzten zu dessen Genehmigung, auch in Form eines Befehls, - strafrechtlich gesprochen - anstiftet, kann nicht mit dem Vorbringen gehört werden, er hätte diesem Befehl gehorchen müssen, da es in einer solchen Situation an der typischerweise mit der Gehorsamspflicht verbundenen, einer Notstandslage nahe kommenden Konfliktslage eines Untergebenen fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1971 - 3 StR 337/68; Schölz/Lingens, aaO zu § 5 WStG Rn. 3). Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass der Angeklagte gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB auch deshalb als Teilnehmer des Mordes zu bestrafen wäre, weil ihm „bekannt gewesen ist, dass der Befehl (…) ein (…) militärisches Verbrechen (…) bezweckte“.
48
3. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerfrei. Das Alter des Angeklagten, die Dauer des Verfahrens und die Zeitspanne zwischen Tat und Aburteilung sind in Fällen der vorliegenden Art keine derart außergewöhnlichen Umstände, aufgrund derer die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unverhältnismäßig erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01, StV 2002, 598).
Nack Wahl Elf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 531/12
vom
12. Dezember 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
SDÜ Art. 54
Zum Begriff "derselben Tat" im Sinne des Art. 54 SDÜ.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 531/12 - LG Mönchengladbach
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. September 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig ist. Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie bestimmt, dass hierauf die in Kroatien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis eins zu eins angerechnet wird. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte zwei Aufklärungsrügen und beanstandet die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es am späten Abend des 5. Februar 2005 zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in V. . In dessen Verlauf äußerte der Angeklagte, seine vier Jahre alte Tochter M. mit nach Bosnien nehmen zu wollen. Der Angeklagte verfügte über zwei Schusswaffen nebst Munition und zwei Handgranaten, von denen er eine in die Hand nahm und entsicherte. Nach dem Erscheinen mehrerer Polizeibeamter äußerte er, er müsse wahrscheinlich bereits aus diesem Grunde in Deutschland mindestens fünf Jahre ins Gefängnis. Sodann entschloss er sich, die gemeinsame Ausreise mit seiner Tochter nach Bosnien zu erzwingen. Er zog den Sicherungsstift einer Handgranate und erklärte, er werde diese den Beamten erst übergeben, wenn er in Holland sei; andernfalls werde er sich und seine Tochter umbringen und noch ein paar Polizeibeamte "mitnehmen". Daraufhin gestatteten die Polizeibeamten dem Angeklagten, mit seiner Tochter in seinem PKW wegzufahren. Aus Sorge um das Leben des Kindes versuchten die Polizeibeamten nicht, den Angeklagten aufzuhalten. Der Angeklagte fuhr nicht in Richtung Holland, sondern den Rastplatz F. an, gab dort zwei Schüsse in die Luft ab und parkte neben einer Zapfsäule. Er bedrohte einen Polizeibeamten mit der Schusswaffe sowie der Handgranate und forderte diesen auf, seine Waffe abzulegen und das Fahrzeug zu betanken. Der Polizeibeamte weigerte sich, diesen Forderungen nachzukommen. Als der Angeklagte dies erkannte, setzte er seine Fahrt auf der BAB 3 in Richtung Frankfurt fort. Einige Kilometer vor der Raststätte Fe. wendete er und erklärte den ihn verfolgenden Polizeibeamten, wenn er auf der nächsten Raststätte nicht tanken dürfe, werde er ohne Rücksicht auf Verluste auf irgendjemanden schießen. Er wolle mit dem Kind "raus aus Deutschland", man solle ihn fahren lassen. Sodann setzte er seine Fahrt bis zur Raststätte Fe. fort. Dort betankte er das Fahrzeug und erklärte, er wolle mit seiner Tochter nach Bosnien, falls nötig werde er sich selbst und das Kind töten. Sodann verlangte er von einer Polizeibeamtin, für das Kind Speisen und Getränke aus der Tankstelle zu besorgen, was diese unter dem Eindruck der Drohungen befolgte. Danach forderte er die Beamtin auf, ihm die Rechnung nach Bosnien zu schicken und setzte seine Fahrt fort. Auf einem Rastplatz in Bayern erklärte er unter Vorzeigen der entsicherten Handgranate gegenüber einem Polizeibeamten, man solle ihm nicht zu nahe kommen, dann geschehe nichts. Sodann fuhr der Angeklagte weiter durch Österreich und Slowenien bis nach Kroatien. Dort gab er die mitgeführten Waffen heraus und setzte die Fahrt bis nach Bosnien-Herzegowina fort.
3
Der Angeklagte wurde am 23. Februar 2007 von dem Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) durch im Strafbefehlsverfahren ergangenes Urteil wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Angeklagte am 6. Februar 2005 um 13.00 Uhr auf dem Gebiet der Gemeinde Majur, Stadt Hrvatska Kostajnica, unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 1 Punkt 5, 6 und 8 des kroatischen Waffengesetzes im Besitz zweier "Handbomben" sowie eines Gewehrs und einer Patrone für dieses war und dadurch eine Straftat gegen die öffentliche Ordnung (unerlaubter Besitz der Waffen und Explosivsubstanzen, Art. 335 Abs. 1 des kroatischen Strafgesetzbuchs) beging. Der Verbleib der zweiten Schusswaffe, die der Angeklagte in Deutschland neben diesen Waffen führte, ergibt sich weder aus dem hiesigen Urteil noch aus der kroatischen Entscheidung.
4
Am 2. Juni 2010 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Novi Grad (Bosnien-Herzegowina) wegen Kindesentziehung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 KM verurteilt.
5
Gegen den Angeklagten wurde unmittelbar nach der Tat wegen der in Deutschland begangenen Taten ein internationaler Haftbefehl erlassen. Die bosnisch-herzegowinischen Behörden verweigerten in der Folgezeit jedoch die Auslieferung ihres Staatsangehörigen. Am 17. Februar 2011 stellte sich der Angeklagte den kroatischen Behörden. Er befand sich vom 7. Juli 2011 bis zum 6. März 2012 in Kroatien in Auslieferungshaft und wurde am 7. März 2012 nach Deutschland ausgeliefert. Die Auslieferung wurde versagt, soweit der Angeklagte bereits wegen Kindesentziehung, unerlaubten Waffenbesitzes und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bosnien-Herzegowina bzw. Kroatien bestraft worden war.
6
I. Die Tat ist hinsichtlich des tateinheitlich abgeurteilten Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht mehr verfolgbar. Im Übrigen besteht kein Verfahrenshindernis.
7
1. Soweit der Angeklagte wegen tateinheitlich begangenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden ist, ist die Tat verjährt. Sie wurde am 6. Februar 2005 begangen. Die Verjährungsfrist für ein Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährung wurde zuletzt am 10. Februar 2005 durch den Erlass eines Haftbefehls gegen den Angeklagten unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB). Die Anklage wurde im April 2012 erhoben und das Hauptverfahren im August 2012 eröffnet (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 und 7 StGB); zu diesen Zeitpunkten war die Verjährung bereits eingetreten. Ein förmliches Auslieferungsersuchen, das nach § 78b Abs. 5 StGB zum Ruhen der Verjährung geführt hätte, ist ebenfalls erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden. Da das Verfahrenshindernis nur eine von mehreren tateinheitlich (§ 52 StGB) begangenen Gesetzesverletzungen betrifft, scheiden eine Teilaufhebung des Urteils und Teileinstellung des Verfahrens aus; vielmehr hat es mit der Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 206a Rn. 5).
8
2. Ein darüber hinausgehendes Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Aburteilung des Angeklagten steht insbesondere nicht mit Blick auf die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Waffen und Explosivsubstanzen durch das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica (Kroatien) das Verbot der Doppelbestrafung ("ne bis in idem") nach Art. 54 SDÜ entgegen (zum Verhältnis von Art. 54 SDÜ zu Art. 50 GrCh vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11, 14 f.). Diese Norm bestimmt, dass derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, nicht durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat verfolgt werden darf, wenn im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Sie statuiert somit das Verbot, einen Beschuldigten wegen einer bestimmten Tat im prozessualen Sinne mehrfach in verschiedenen Vertragsstaaten mit einem Strafverfahren zu überziehen (Radtke, NStZ 2008, 162, 163). Im vorliegenden Fall betrifft die kroatische Entscheidung allerdings nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ, wie sie dem hiesigen Strafverfahren zugrunde liegt. Die vom Generalbundesanwalt aufgeworfenen weiteren Fragen, etwa ob das in Deutschland entscheidende Tatgericht bei der Bewertung der Einheitlichkeit der Tat an die Beurteilung, die der vorangegangenen kroatischen Auslieferungsbewilligung zugrunde liegt, vor allem mit Blick auf den europarechtlichen Grundsatz des "effet utile" zur Vermeidung unterschiedlicher Betrachtungsweisen gebunden ist, sind danach nicht entscheidungserheblich. Im Einzelnen:
9
a) Die Anwendbarkeit von Art. 54 SDÜ ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schengener Durchführungsübereinkommen in Kroatien noch nicht galt, als das dortige Urteil erging, sondern erst anlässlich des am 1. Juli 2013 wirksam gewordenen Beitritts von Kroatien zur Europäischen Union in Kraft gesetzt wurde (s. Anhang II Nr. 2 zum Beitrittsvertrag). Die Frage der Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" stellt sich erst zu dem Zeitpunkt, zu dem in einem anderen Vertragsstaat - hier: Deutschland - ein zweites Strafverfahren gegen dieselbe Person durchgeführt wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) ist es daher nicht entscheidend, ob das Schengener Durchführungsübereinkommen für den ersten Vertragsstaat zu dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene dort rechtskräftig abgeurteilt wurde, noch nicht verbindlich war. Vielmehr ist das in Art. 54 SDÜ niedergelegte Verbot der Doppelbestrafung auch auf ein Strafverfahren anzuwenden, das in einem Vertragsstaat wegen einer Tat eingeleitet worden ist, die in einem anderen Vertragsstaat bereits zur Verurteilung des Betroffenen geführt hat, selbst wenn das Schengener Durchführungsübereinkommen in diesem letztgenannten Staat zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Verurteilung noch nicht in Kraft war, sofern es in den betreffenden Vertragsstaaten zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem das mit dem zweiten Verfahren befasste Gericht die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" zu prüfen hat.
10
b) Da es sich bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ um ein Verfahrenshindernis handelt (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober2010 - 1 StR 57/10, BGHSt 56, 11; vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., Art. 54 SDÜ Rn. 18), dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Einl. Rn. 150; vgl. auch zu Art. 50 GrCh BGH, aaO, BGHSt 56, 11), kommt es weiter nicht darauf an, dass das tatgerichtliche Urteil im hiesigen Verfahren ebenfalls vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Gemeinschaft ergangen ist.
11
c) Bei der Entscheidung des Amtsgerichts in Hrvatska Kostajnica vom 23. Februar 2007 handelt es sich um eine rechtskräftige Aburteilung im Sinne des Art. 54 SDÜ, verstanden als eine Entscheidung, die nach kroatischem Recht als endgültig und bindend anzusehen ist mit der Folge, dass sie in Kroatien den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz bewirkt (vgl. EuGH, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZRR 2009, 109, 110). Gemäß der sachverständigen Stellungnahme des MaxPlanck -Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, welcher der Senat folgt, erging das genannte Urteil in einem speziellen Verfahren für den Erlass eines Strafbefehls. Es entspricht in seiner Wirkung einer "normalen" Verurteilung im Anschluss an eine Hauptverhandlung und bewirkt nach kroatischem Recht mit dem Eintritt der Rechtskraft, an dem hier nach den konkreten Umständen des Falles keine Zweifel bestehen, den sich aus dem Verbot der Doppelbestrafung ergebenden Schutz.
12
d) Der durch das Amtsgericht Hrvatska Kostajnica abgeurteilte Sachverhalt und derjenige, der Grundlage der hier angefochtenen Entscheidung ist, betreffen indes nicht dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ. Hierzu gilt:
13
aa) Nach deutschem innerstaatlichen Recht ist das Verbot der Doppelbestrafung in Art. 103 Abs. 3 GG verankert. Der Begriff der Tat im Sinne dieser Vorschrift richtet sich nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 264 StPO und ist somit als der geschichtliche sowie damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang zu verstehen, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Der materiellrechtliche und der prozessuale Tatbegriff stehen indes nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Vielmehr stellt ein durch den Rechtsbegriff der Tateinheit nach § 52 StGB zusammengefasster Sachverhalt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine einheitliche prozessuale Tat dar. Umgekehrt liegen im Falle sachlichrechtlicher Tatmehrheit nach § 53 StGB grundsätzlich auch mehrere Taten im prozessualen Sinne vor (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - 3 StR 566/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 47).
14
Von diesen Grundsätzen sind allerdings jeweils unter Berücksichtigung der Besonderheiten der abgeurteilten Delikte Ausnahmen zu machen. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass bei einem weiten Verständnis des prozessualen Tatbegriffs die Kognitionspflicht des zuerst entscheidenden Tatgerichts ausgedehnt und damit dessen Leistungsfähigkeit möglicherweise überschritten wird. So werden etwa von einer Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a StGB) trotz materiellrechtlicher Tateinheit diejenigen vom Täter begangenen konkreten Straftaten nicht erfasst, die in dem früheren Verfahren tatsächlich nicht - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren und mit Blick auf ihre Strafdrohung schwerer wiegen als die abgeurteilten Delikte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.; Beschluss vom 4. September 2009 - StB 44/09, NStZ 2010, 287, 288). Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, dass bei sich unter Umständen lange hinziehenden Delikten wie Organisations- oder Dauerstraftaten sowie Bewertungseinheiten auch dann mehrere prozessuale Taten anzunehmen sind, wenn nur einzelne Betätigungen Gegenstand der früheren Anklage und gerichtlichen Untersuchung waren und der Angeklagte nicht darauf vertrauen durfte, dass durch das frühere Verfahren alle strafbaren Handlungen erfasst wurden (BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4 und 5/01, BGHR StGB § 129a Strafklageverbrauch 1).
15
bb) Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 54 SDÜ in mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 11. Februar 2003 - C-187/01 - Gözütok und Brügge -; vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -; vom 28. September 2006 - C-150/05 - Van Straaten -; vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; vom 18. Juli 2007 - C-367/05 - Kraaijenbrink -, NStZ 2008, 164; vom 22. Dezember 2008 - C-491/07 - Turansky -, NStZ-RR 2009, 109; vom 16. November2010 - C-261/09 Mantello -, NJW 2011, 983) gilt im Rahmen dieser Vorschrift indes ein im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen eigenständiger, autonom nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegender Tatbegriff. Danach ist maßgebendes Kriterium für die Anwendung des Art. 54 SDÜ allein die Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Das Verbot der Doppelbestrafung greift ein, wenn ein solcher Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen besteht und die verschiedenen Verfahren jeweils Tatsachen aus dem einheitlichen Komplex zum Gegenstand haben (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 - 5 StR 342/04, NJW 2008, 2931, 2932 f.). Auf materiellrechtliche Bewertungen , insbesondere dahin, ob die verschiedenen begangenen Delikte nach deutschem Recht sachlichrechtlich im Verhältnis von Tateinheit oder Tatmehrheit stehen, kommt es demnach nicht an.
16
Die nähere Auslegung dieses Tatbegriffs im Sinne des Art. 54 SDÜ hat sich in erster Linie am Zweck dieser Norm auszurichten, der darin besteht, die ungehinderte Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit der Unionsbürger zu sichern. Wer wegen eines Tatsachenkomplexes bereits in einem Vertragsstaat abgeurteilt ist, soll sich ungeachtet unterschiedlicher rechtlicher Maßstäbe in den einzelnen Staaten darauf verlassen können, dass er nicht - auch nicht unter einem anderen rechtlichen Aspekt - ein zweites Mal wegen derselben Tatsachen strafrechtlich verfolgt wird. Demgegenüber ist die Einordnung der Tat- sachen nach den Strafrechtsordnungen der Vertragsstaaten unbeachtlich. Die Qualifizierung eines Tatsachenkomplexes als eine Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ ist darüber hinaus von dem jeweils rechtlich geschützten Interesse unabhängig; denn dieses kann wegen der fehlenden Harmonisierung der nationalen Strafvorschriften von einem Vertragsstaat zum anderen unterschiedlich sein. Allein aus dem Umstand, dass die Taten durch einen einheitlichen Vorsatz auf subjektiver Ebene verbunden sind, lässt sich die Identität der Sachverhalte nicht herleiten; erforderlich ist vielmehr eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen (vgl. EuGH, jeweils aaO).
17
Ob im konkreten Fall nach diesen Kriterien eine einheitliche Tat anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung durch die nationalen Gerichte (EuGH, Urteile vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781; vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
18
cc) Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt hier eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ nicht vor. Der Sachverhalt, der die Grundlage der hiesigen Verurteilung bildet, und derjenige, den das Amtsgericht in Hrvatska Kostajnica abgeurteilt hat, bilden weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht noch unter Zweckgesichtspunkten einen Komplex unlösbar miteinander verbundener Tatsachen. Zwar plante der Angeklagte von Beginn an, mit seinem Kind bis nach Bosnien-Herzegowina zu fahren. Auch verwendete er diejenigen Waffen, deren Besitz in Kroatien abgeurteilt wurde, bereits bei seinen strafbaren Handlungen in Deutschland und übte durchgängig die tatsächliche Gewalt über sie aus. Es kann dahinstehen, ob diese Umstände nach innerdeutschem Strafrecht sachlichrechtlich zur Annahme von Tateinheit führen würden (zum nach deutschem Recht allerdings eingeschränkten Strafklageverbrauch bei einer Verurteilung wegen Besitzes und/oder Führens von Waffen vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151; vom 15. April 1998 - 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8). Sie verknüpfen jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht das jeweils abgeurteilte Geschehen nicht so stark, dass ein insgesamt einheitlicher, untrennbarer Tatsachenkomplex anzunehmen ist.
19
(1) Für die an den zwei Raststätten in Deutschland begangene vollendete und die versuchte besonders schwere räuberische Erpressung folgt dies bereits daraus, dass diese Delikte lediglich das jeweilige, in sich insoweit abgeschlossene Geschehen in Deutschland betreffen. Dieses steht weder zeitlich noch örtlich noch inhaltlich in einem engen, unlösbaren Zusammenhang mit dem Besitz der Waffen am Mittag des nächsten Tages in Kroatien.
20
(2) Entsprechendes gilt im Verhältnis der Geiselnahme in Deutschland zu dem Waffenbesitz in Kroatien.
21
Bezüglich dieses Delikts erhält das von § 239b StGB erfasste Geschehen in Deutschland sein wesentliches Gepräge dadurch, dass der Angeklagte sich seiner Tochter bemächtigte bzw. diese entführte und die Waffen nicht nur besaß, sondern sie darüber hinaus als Mittel zu einer qualifizierten Drohung mit dem Tod von sich selbst, seiner Tochter und Polizeibeamten aktiv und bewusst einsetzte. Weder dem in dem hiesigen Verfahren ergangenen Urteil noch demjenigen des Amtsgerichts Hrvatska Kostajnica lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte die in Deutschland zuletzt auf einem Rastplatz in Bayern ausgesprochenen Drohungen nach Verlassen des Landes weiterhin aufrecht erhielt. Die Feststellungen des in Kroatien ergangenen Urteils stellen im Gegenteil eindeutig lediglich darauf ab, dass der Angeklagte am Mittag des 6. Februar 2012 in Hrvatska Kostajnica im Besitz des größten Teils der Waffen war; davon, dass der Angeklagte dort oder sonst wo in Kroatien noch auf irgendjemanden nötigend einwirkte, ist nicht die Rede.
22
Diese jeweiligen Urteilsfeststellungen stehen im Einklang mit dem vom Senat darüber hinaus bei der Prüfung des Bestehens eines Verfahrenshindernisses im Freibeweisverfahren zu verwertenden Beweisstoff. Danach ist davon auszugehen, dass der Angeklagte das in Deutschland aufgebaute Bedrohungsszenario nach Verlassen des Landes nicht aufrecht erhielt und allenfalls noch einmal kurzzeitig erneuerte. Zunächst ist für die anschließende Fahrt durch Österreich eine irgendwie geartete konkrete Bedrohungs- oder sonstige Nötigungshandlung nicht belegt (Bericht KOK Fö. vom 9. Februar 2005, Sonderband I, Bl. 150). Während der Fahrt durch Slowenien erklärte er lediglich bei der Einreise, man habe in Deutschland auf ihn geschossen; er sei bereit , seine Tochter und sich selbst zu töten (Bericht Interpol Ljubljana vom 10. Februar 2005, Sonderband I Bl. 153). Während seines Aufenthalts am Grenzübergang zwischen Slowenien und Kroatien drohte der Angeklagte demgegenüber nicht erneut damit, seine Handgranaten zur Explosion zu bringen. In der Folgezeit übergab er sogar freiwillig die zwei Handgrananten und eine weitere Waffe an die ihn observierenden kroatischen Polizeibeamten (Bericht Interpol Zagreb vom 2. März 2005, Sonderband I Bl. 158). Sein Verhalten in Kroatien unterschied sich somit ganz wesentlich von demjenigen in Deutschland.
23
Demnach fehlt es auch mit Blick auf die sonstigen Umstände an einer ausreichenden objektiven Verbindung der zu bewertenden Sachverhaltskomplexe. Der Angeklagte durfte nicht berechtigterweise darauf vertrauen, die Aburteilung in Kroatien wegen bloßen Waffenbesitzes umfasse auch das schwere Straftaten verwirklichende Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland. Ihm musste vielmehr ohne Weiteres klar sein, dass die strafrechtliche Ahndung in Kroatien nicht das Gesamtgeschehen umfasste, sondern sich allein auf das konkrete Geschehen in Kroatien bezog, wie es in der Verurteilung dargestellt ist. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs von Bedeutung, dass die Kognitions- pflicht des ersten Tatgerichts - eingedenk der Unterschiedlichkeit der nationalen Strafrechtsordnungen - nicht überdehnt werden darf. Nach alldem ist der Angeklagte durch die Durchführung des Strafverfahrens in Deutschland in seinem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union nicht in rechtsstaatswidriger Weise beeinträchtigt.
24
dd) Die Annahme unterschiedlicher Taten steht auch im Einklang mit den Ergebnissen in den bisher von der Rechtsprechung zu Art. 54 SDÜ entschiedenen Fällen. Ein den dortigen Feststellungen vergleichbar einheitliches, durchgängiges Gesamtgeschehen ist hier nicht gegeben; das im vorliegenden Fall zu beurteilende tatsächliche Geschehen unterscheidet sich vielmehr wesentlich von den Sachverhalten, in denen bislang eine einheitliche Tat im Sinne des Art. 54 SDÜ angenommen wurde. Dies war der Fall etwa bei einer Ausfuhr von Betäubungsmitteln aus einem Vertragsstaat (Belgien) und anschließender Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (Norwegen) (EuGH, Urteil vom 9. März 2006 - C-436/04 - Van Esbroeck -, NJW 2006, 1781) sowie bei der Übernahme geschmuggelten ausländischen Tabaks in Griechenland und dessen Einfuhr nach und Besitz in Italien, wobei von Anfang an der Plan bestand, den Tabak nach Verbringung in den ersten Vertragsstaat zu seinem endgültigen Bestimmungsort zu transportieren (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - C-288/05 - Kretzinger -, NJW 2007, 3412; BGH, aaO, NJW 2008, 2931). Eine einheitliche Tat kommt auch in Betracht bei der Vermarktung einer Ware (Olivenöl) in einem Vertragsstaat nach deren ursprünglicher Einfuhr in einen anderen Vertragsstaat (EuGH, Urteil vom 28. September 2006 - C-467/04 - Gasparini -).
25
Soweit es in diesen Entscheidungen um den Transport von Rauschgift durch mehrere Vertragsstaaten ging, war dieser insgesamt und durchgängig Teil eines einheitlichen, auf die Verwertung des Rauschgifts und damit einen einheitlichen übergeordneten objektiven Zweck gerichteten Gesamtvorgangs, dessen Aufspaltung in voneinander zu trennende Phasen dem engen Zusammenhang des Gesamtgeschehens nicht entsprochen hätte. Entsprechendes gilt in den Fällen des geschmuggelten Tabaks sowie der Einfuhr und anschließenden Verwertung des Olivenöls. Bei dem Verbringen der Betäubungsmittel nach Norwegen waren zudem maßgebend die konkreten Einzelfallumstände und dabei insbesondere, dass keine wesentliche Unterbrechung des Transports oder ein längeres Zwischenlagern der Ware vorlag und der genaue Ablauf des Transports bereits vor dessen Beginn geplant war (BGH, aaO, NJW 2008, 2931, 2933). Im Gegensatz hierzu ist im vorliegenden Fall das Geschehen in Deutschland wesentlich durch die Begründung und Aufrechterhaltung der Bemächtigungslage sowie die massiven Drohungen des Angeklagten geprägt, während bei dem in Kroatien abgeurteilten Geschehen allein der Besitz der Waffen maßgebend ist. Deshalb ist, obwohl der Angeklagte den Großteil der Waffen bis nach Kroatien mit sich führte, ein den "Transportfällen" entsprechender übergeordneter, die einzelnen Komplexe gleichermaßen prägender objektiver und durchgängig einheitlicher Zweck nicht gegeben. Dies zeigt sich schließlich auch darin, dass der Angeklagte seine Fahrt auch nach Abgabe der Schusswaffe und Handgranaten in Kroatien unbewaffnet bis zu seinem Ziel in Bosnien-Herzegowina fortsetzte.
26
II. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, so dass es bei der durch die Verjährung des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bedingten Änderung des Schuldspruchs sein Bewenden hat. Die beiden erhobenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Dasselbe gilt, soweit der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Diesbezüglich bedarf lediglich der folgende Gesichtspunkt der ergänzenden Erörterung:
27
Die auf den Handlungen des Angeklagten an den Rastplätzen F. und Fe. beruhende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vollendeter und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar waren bei dem Geschehen an der Raststätte F. nach der Vorstellung des Angeklagten der genötigte Polizeibeamte und der geschädigte Tankstelleninhaber nicht personenidentisch. Auch lassen es die Feststellungen offen, ob der Vermögensnachteil bei dem Geschehen an der Raststätte Fe. bei der genötigten Polizeibeamtin oder dem dortigen Tankstelleninhaber eintrat. Diese Umstände begründen jedoch keinen Rechtsfehler. Nach dem Wortlaut des § 253 StGB kann der Nachteil bei dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen eintreten. Nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass bietet , ist die Norm insoweit dahin einschränkend auszulegen, dass nicht jedes einem Dritten abgenötigte vermögensschädigende Verhalten eine Strafbarkeit wegen Erpressung begründen kann. Vielmehr ist zwischen dem Genötigten und dem in seinem Vermögen Geschädigten ein Näheverhältnis dergestalt erforderlich , dass das Nötigungsopfer spätestens im Zeitpunkt der Tatbegehung auf der Seite des Vermögensinhabers steht und ihm dessen Vermögensinteressen nicht gleichgültig sind (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 125 f.; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 253 Rn. 6).
28
Ein solches Näheverhältnis liegt hier vor. Der Schutz von Individualrechtsgütern Dritter vor Straftaten ist wesentlicher Bestandteil der Berufspflicht eines jeden Polizeibeamten (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 358/92, BGHSt 38, 388, 390). Eine Erpressung ist deshalb auch anzunehmen, wenn Polizeibeamte in Erfüllung ihrer Aufgaben anstelle des Geschädigten handeln, indem sie etwa dem Genötigten vom Täter geforderte Gelder zur Verfügung stellen und deren Übergabe übernehmen (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 371). Dasselbe gilt, wenn Polizeibeamte wie hier in Ausübung ihres Amtes zunächst an Stelle des Vermögensinhabers Adressat der Nötigung werden (vgl. hierzu schon RG, Urteil vom 8. Mai 1929 - II 240/29, RGSt 63, 164, 165).
29
III. Die Änderung des Schuldspruchs berührt nicht die Höhe der Strafe, auf die das Landgericht erkannt hat. Nach der Wertung der Strafkammer fiel der tateinheitlich abgeurteilte Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei der Bemessung der Strafe nicht wesentlich ins Gewicht (UA S. 14). Im Übrigen können auch im Urteil festgestellte strafbare Sachverhalte, deren Verfolgung wegen Verjährungseintritt nicht mehr möglich ist, in angemessenem Umfang bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn es bedacht hätte, dass das tateinheitlich begangene Vergehen nach § 113 Abs. 1 StGB nicht mehr verfolgt werden durfte.
30
IV. Der geringe Teilerfolg der Revision macht es nicht unbillig, den Angeklagten in vollem Umfang mit den entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 76/15
vom
18. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. November 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 28. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen veräußerte der Angeklagte ab dem Jahr 2006 über von ihm kontrollierte Firmen Immobilien zu überhöhten Preisen. Die Käufer verfügten jeweils nicht über hinreichende Eigenmittel und Einkünfte zur Aufnahme eines Kredites zum Erwerb der Wohnungen. Der Angeklagte spiegelte den Mitarbeitern der finanzierenden Bausparkassen durch Vorlage unrichtiger Unterlagen die Bonität der Darlehensnehmer vor, worauf es zum Abschluss der Darlehensverträge und zur Auszahlung der Valuta auf ein Anderkonto des beurkundenden Notars kam. Von diesem Notaranderkonto wurden die Darlehensbeträge an die vom Angeklagten und den Käufern benannten Personen und Unternehmen ausgezahlt. Darauf kam es dem Angeklagten an.
3
In den fünf verfahrensgegenständlichen Fällen wurden die Kaufverträge im Zeitraum zwischen Dezember 2006 und März 2007 geschlossen. In demselben Zeitraum wurden die Darlehensanträge bei der B. und der D. Bausparkasse gestellt. Die Eintragung der Käufer als Eigentümer im Grundbuch erfolgte im Zeitraum zwischen April 2008 und Juni 2009. Feststellungen zu den Zeitpunkten, in denen die Auszahlungen vom Notaranderkonto an die von den Kaufvertragsparteien benannten Empfänger vorgenommen wurden, enthält das Urteil nicht.
4
Als früheste zur Verjährungsunterbrechung geeignete Untersuchungshandlung erfolgte am 25. Februar 2013 die Anordnung der ersten Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten.

II.


5
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen hat keinen Bestand, weil weder den Urteilsgründen noch dem Akteninhalt zu entnehmen ist, wann die abgeurteilten Betrugstaten beendet waren. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung der Strafverfolgung vorliegt.
6
1. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB beginnt nach § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist.
Beim Betrug ist dafür nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Erlangung des letzten vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils maßgeblich (BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2004 – 5 StR 415/03, StraFo 2004, 215; vom 25. April 2014 – 1 StR 13/13, BGHSt 59, 205, 217; vom 21. Mai 1992 – 4 StR 577/91, wistra 1992, 253, 254). Die vom Angeklagten erstrebte Bereicherung bestand in der Auszahlung der Darlehensvaluta an die von ihm benannten Empfänger, so dass die Verjährung mit der vollständigen Auszahlung des Darlehensbetrages vom Notaranderkonto an die vom Angeklagten angegebenen Personen und Unternehmen begann.
7
Der Auffassung des Landgerichts, die Beendigung der Tat sei erst mit der Grundbucheintragung der jeweiligen Käufer als Eigentümer eingetreten, vermag der Senat nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, ob vom Beendigungsbegriff des § 78a Satz 1 StGB auch Verdeckungshandlungen, die nicht Merkmale des objektiven oder subjektiven Tatbestands erfüllen, erfasst sein können, wenn sie Teil des Tatplans sind, in zeitlichem Zusammenhang mit der Planverwirklichung stehen und dadurch die erlangte Beute gesichert werden soll (vgl. OLG Schleswig, OLGR Schleswig, 2007, 251, 253; LK-StGB/Schmid, 12. Aufl., § 78a Rn. 4). Denn die Eigentumsumschreibung auf die Käufer der Wohnungen war jedenfalls keine Verdeckungshandlung in diesem Sinne. Durch die Eigentumsübertragung ist weder ein Verhalten des Angeklagten verschleiert oder verdeckt worden noch diente sie der Sicherung des Erlangten gegen drohende Entziehung. Zudem war der Angeklagte an dieser Handlung nicht selbst beteiligt und hatte auf ihre Durchführung keinen Einfluss. Allein der Zusammenhang zwischen Vollzug der Kaufverträge und den betrügerisch erlangten Finanzierungsdarlehen rechtfertigt es nicht, für die Beendigung der Betrugstaten auf die Eigentumseintragung abzustellen.
8
2. Der demnach für die Beendigung der Tat maßgebliche Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehensvaluta an die Empfänger ist weder den Urteilsfeststellungen noch der Verfahrensakte zu entnehmen. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob diese Taten zum Zeitpunkt der Anordnung der ersten Beschuldigtenvernehmung am 25. Februar 2013 bereits verjährt waren.
9
Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Zwar hat das Revisionsgericht grundsätzlich selbst über die Voraussetzungen eines Verfahrenshindernisses aufgrund der vorliegenden oder von ihm noch weiter zu treffenden ergänzenden Feststellungen und des Akteninhalts zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1961 – 2 StR 193/61, BGHSt 16, 399, 403 mwN). Es ist ihm aber nicht verwehrt, die Sache zur Nachholung fehlender Feststellungen an den Tatrichter zurückzuverweisen (BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 1961 – 2 StR 193/61 aaO; vom 28. Februar 2001 – 2 StR 458/00, BGHSt 46, 307, 309 f.; vom 8. Februar 2011 – 1 StR 490/10, BGHSt 56, 146, 151 f.; vgl. auch Urteil vom 19. Oktober 2010 – 1 StR 266/10, BGHSt 56, 6). Dazu kann insbesondere dann Anlass bestehen, wenn die Ermittlung der maßgebenden Tatsachen eine Beweisaufnahme wie in der Hauptverhandlung vor dem Tatrichter erforderlich machen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2001 – 2 StR 458/00 aaO; Urteil vom 10. Juni 1987 – 3 StR 97/87, wistra 1988, 23; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 337 Rn. 29; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 337 Rn. 6).
10
So liegt der Fall hier. Dem Akteninhalt sind die maßgeblichen Auszahlungszeitpunkte nicht zu entnehmen. Die Feststellung dieser Zeitpunkte würde eine Beweisaufnahme entsprechend dem tatrichterlichen Verfahren erforderlich machen. Lediglich im Fall II. 2. c) der Urteilsgründe könnten sich aus dem Urteil des OLG Hamm vom 9. September 2011 in dem Zivilverfahren zwischen der B. Bausparkasse und dem beurkundenden Notar Anhaltspunkte dafür ergeben , dass die Auszahlung des Darlehensbetrages am 7. März 2007 erfolgt ist und diese Tat somit verjährt wäre (Bd. IX, Bl. 3974, 3981 ). Die Feststellung dieses Auszahlungszeitpunktes wird indes nach den oben genannten Grundsätzen , ebenso wie in den weiteren vier Fällen, durch den neuen Tatrichter zu treffen sein.
11
3. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
12
Besteht beim Betrug der Taterfolg in einer Mehrzahl von Ereignissen, dann ist für die Beendigung der Zeitpunkt der Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils maßgebend (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2014 – 1 StR 13/13, BGHSt 59, 205, 217; und vom 22. Januar 2004 – 5 StR 415/03, StraFo 2004, 215). In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der erstrebte Vorteil an verschiedene Empfänger ausgezahlt werden soll, beginnt die Verjährung daher mit der Auszahlung des letzten, vom Angeklagten erstrebten Teilbetrages an den von ihm bestimmten Empfänger.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 266/10
vom
19. Oktober 2010
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
In einem Einstellungsurteil wegen Verjährung sind die tatsächlichen und rechtlichen
Voraussetzungen des Verfahrenshindernisses in einer revisionsrechtlich überprüfbaren
Weise festzustellen und zu begründen.
BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 - 1 StR 266/10 - LG Bamberg
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 23. Februar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es hat weiter angeordnet, dass von der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten. Hinsichtlich zweier weiterer Taten hat es das Verfahren (wegen Verjährung) eingestellt.
2
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Staatsanwaltschaft beanstandet insbesondere, dass das Landgericht, das zwar Bandenmitgliedschaft des Angeklagten angenommen hat, die gewerbsmäßige Begehungsweise des Betruges aber verneint und deshalb die Qualifikation des § 263 Abs. 5 StGB nicht bejaht hat. Dies hatte zur Folge, dass das Landgericht in zwei Fällen vom Eintritt der Verjährung ausgegangen ist und in den anderen Fällen nur einen Schuldspruch gemäß dem Grundtatbestand (§ 263 Abs. 1 StGB) zugrunde gelegt hat.
3
Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge , der ebenfalls Gewicht zukommt, nicht bedarf.
4
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte Mitglied einer Bande war, die sich zusammengeschlossen hatte, "um künftig auf Dauer in einer Vielzahl von Fällen unter Beteiligung weiterer Personen ... vorsätzlich KfzUnfälle herbeizuführen und diese fingierten Unfallschäden an den Fahrzeugen in betrügerischer Weise gegenüber den jeweiligen Versicherungsgesellschaften abzurechnen, indem sie diesen gegenüber wahrheitswidrig angaben, dass die Schäden bei Verkehrsunfällen verursacht worden waren" (UA S. 6). Chef der Bande war der Inhaber des Autohauses S. , bei dem der Angeklagte als "Geringverdiener" angestellt war. Das Landgericht hat zehn Fälle dargestellt, bei denen der Angeklagte als Bandenmitglied bei den Taten mitwirkte. Es hat jedoch eine gewerbsmäßige Begehungsweise durch ihn insbesondere deshalb verneint, weil der Verbleib der Versicherungsleistungen teilweise ungeklärt sei, der Angeklagte in einzelnen Fällen keine direkte Auszahlung erhalten habe, er von den Gutschriften auf seinem Firmenkonto (oder dem Konto seiner Freundin ) keine Kenntnis gehabt habe, sein Lohn und seine unregelmäßigen Prämienleistungen nicht aus den Versicherungsleistungen beglichen worden seien und die kostenlose Nutzung von Fahrzeugen nicht auf die Beteiligung am Versicherungsbetrug zurückzuführen sei. Von den unwiderlegbaren Angaben des glaubhaft geständigen Angeklagten sei insoweit auszugehen.
5
Hinsichtlich der beiden wegen Verjährung eingestellten Fälle teilt das Landgericht lediglich mit, dass diese am 5. Oktober 1998 bzw. am 20. Januar 2000 begangen wurden und, dass die obigen Ausführungen zur fehlenden Gewerbsmäßigkeit entsprechend gelten würden.
6
1. Die Einstellung in den Fällen 1. und 2. der Anklage hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat hier rechtsfehlerhaft keine hinreichenden Feststellungen getroffen, die dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen , ob die Taten nicht nur bandenmäßig, sondern auch gewerbsmäßig begangen wurden, so dass sie entgegen der Ansicht des Gerichts nicht verjährt wären, da für § 263 Abs. 5 StGB anders als für § 263 Abs. 1 StGB eine zehnjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB) gilt.
7
In einem Einstellungsurteil (§ 260 Abs. 3 StPO) wegen Verjährung sind die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Verfahrenshindernisses in einer revisionsrechtlich überprüfbaren Weise festzustellen und zu begründen.
8
Der Tatrichter ist verpflichtet, die Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen und grundsätzlich so darzulegen, dass sie vom Revisionsgericht nachgeprüft werden können. Soweit zu dieser Überprüfung eine dem Tatrichter obliegende Feststellung von Tatsachen erforderlich ist, hat er diese rechtsfehlerfrei zu treffen und (gegebenenfalls) zu würdigen. Dieser Begründungszwang ergibt sich sowohl aus § 34 StPO wie aus der Natur der Sache (vgl. RGSt 69, 157, 159; Meyer-Goßner StPO, 53. Aufl., Rn. 29 zu § 267 StPO; Löwe-RosenbergGollwitzer StPO, 25. Aufl., Rn. 158 zu § 267; Julius in HK-StPO, Rn. 32 zu § 267; KMR-Paulus StPO, Rn. 106 zu § 267; auch OLG Hamm MDR 1986, 778, mwN; OLG Köln NJW 1963, 1265). Würde man die pauschale, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher belegte Angabe des Tatrichters, dass ein bestimmtes Verfahrenshindernis bestehe oder eine Verfahrensvoraussetzung fehle, für ausreichend erachten, so wäre der betreffende Verfahrensbeteiligte in Unkenntnis des vom Gericht als gegeben unterstellten, aber nicht mitgeteilten Sachverhalts in vielen Fällen gar nicht in der Lage, die Entscheidung sach- und formgerecht anzufechten. Ein derartiger sachlich-rechtlicher Mangel nötigt zur Aufhebung des Urteils und der ihm zugrunde liegenden Feststellungen (vgl. OLG Hamm aaO).
9
In den Urteilsgründen muss daher grundsätzlich, von der zugelassenen Anklage ausgehend, in revisionsrechtlich nachprüfbarer Weise dargelegt werden , aus welchen Gründen die Durchführung des Strafverfahrens unzulässig ist, d.h. die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Verfahrenshindernisses sind festzustellen und anzugeben (vgl. u.a. Meyer-Goßner/Appl Die Urteile in Strafsachen 28. Aufl., Rn. 644; KK-Engelhardt StPO 6. Aufl., Rn. 45 zu § 267 StPO; Löwe-Rosenberg-Gollwitzer aaO, Rn. 158 zu § 267; KMRPaulus aaO Rn. 106 zu § 267; E. Schmidt StPO, Rn. 38 zu § 267; auch BGH, Urteil vom 6. März 2002 - 2 StR 530/01, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 13). Der Umfang der Darlegung richtet sich nach den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles, insbesondere nach der Eigenart des Verfahrenshindernisses. Die angeführten Grundsätze gelten jedenfalls und vor allem dann, wenn - wie hier - das Verfahrenshindernis von der strafrechtlichen Würdigung der Sache abhängt und eine abschließende Beurteilung darüber, ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, nur getroffen werden kann, wenn eine diesbezügliche Beweisaufnahme durchgeführt und entsprechende Feststellungen getroffen wurden. Gerade bei der Prüfung der Voraussetzungen der Verjährung sind die tatsächlichen Voraussetzungen des behaupteten Verfahrenshindernisses , das zur Einstellung des Verfahrens nach § 260 Abs. 3 StPO führen müsste , hinreichend festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374, 375 mwN). Hier benötigt ein Einstellungsurteil eine vom Tatrichter festzustellende Sachverhaltsgrundlage. Erst auf dieser Grundlage lässt sich die Verjährungsfrage beurteilen. Daher sind in solchen Fällen eine umfassende Beweisaufnahme und detaillierte Feststellungen zum Tatgesche- hen erforderlich, bevor die Verjährungsfrage beurteilt werden kann (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 1995 - 2 StR 433/95, BGHSt 41, 305). An diesen Anforderungen ändert daher auch der Umstand nichts, dass das Revisionsgericht befugt ist, das Vorliegen von Verfahrensvoraussetzungen selbständig zu prüfen (vgl. u.a. OLG Hamm MDR 1986, 778 mwN; Löwe-Rosenberg-Gollwitzer aaO, Rn. 158 zu § 267). Es hat dieses Verfahrenshindernis vielmehr nach revisionsrechtlichen Grundsätzen zu überprüfen (vgl. auch Senatsurteil vom 14. Januar 2010 - 1 StR 587/09 - Rn. 12 mwN). Der Senat könnte die für die Beurteilung des Eintritts der Verjährung maßgebliche Frage , ob der Angeklagte "gewerbsmäßig" gehandelt hat, nicht im Freibeweisverfahren klären; dies obliegt vielmehr dem Tatrichter im Strengbeweisverfahren.
10
Diesen Anforderungen an ein Einstellungsurteil (Prozessurteil) wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Für beide eingestellten Fälle wird schon nicht mitgeteilt, ob ein eigenes Fahrzeug des Angeklagten bei der Fingierung der Unfälle beteiligt war, was ein finanzielles Eigeninteresse des Angeklagten belegen kann, noch wird festgestellt, an wen die Versicherungsleistungen ausbezahlt wurden und ob der Angeklagte hieran in irgendeiner Form partizipiert hat.
11
Die Einstellung in diesen beiden Fällen hat danach keinen Bestand.
12
Der Senat kann nicht ausschließen, dass es in einer neuen Hauptverhandlung insoweit zu einer Verurteilung nach § 263 Abs. 5 StGB kommt. In diesem Zusammenhang weist der Senat auch daraufhin, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, Behauptungen eines Angeklagten als unwiderlegbar hinzunehmen, wenn Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Angaben fehlen. Es erscheint nicht nahe liegend, dass der Angeklagte eine Vielzahl dieser Delikte - auch unter Verwendung eigener Fahrzeuge - begangen hat, ohne nennenswerten eigenen finanziellen Vorteil hieraus zu ziehen, was eine gewerbsmäßige Begehungsweise belegen könnte. Es ist weiter nicht nachvollziehbar, warum (was auch mit der Verfahrensrüge geltend gemacht wird) der Chef der Bande, S. , über den die gesamten Abwicklungen liefen, nicht als Zeuge vernommen wurde, obwohl er nahe liegend zur finanziellen Beteiligung des Angeklagten Angaben machen kann. Die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) drängte danach, ihn als Zeugen anzuhören, unabhängig davon, ob die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung auf seine Vernehmung verzichtet haben sollten (vgl. auch BGH, Urteil vom 25. März 2010 - 4 StR 522/09 - Rn. 11, NStZ-RR 2010, 236, 237).
13
2. Die Aufhebung der eingestellten Fälle erfasst hier auch die übrigen Fälle, in denen Gewerbsmäßigkeit ebenfalls verneint wurde. Denn durch die rechtsfehlerhafte Einstellung zweier Fälle kann die Beweiswürdigung in den übrigen Fällen tangiert sein. Es ist nicht auszuschließen, dass der Tatrichter bei Feststellung, dass in den eingestellten Fällen Gewerbsmäßigkeit zu bejahen ist, auch bei den übrigen Taten hiervon ausgegangen wäre. Dies könnte z.B. dann der Fall sein, wenn das Überleben des Autohauses, das vom Angeklagten angestrebt wurde, nur durch diese Taten ermöglicht wurde und der Angeklagte sich dadurch seinen Nebenverdienst erhalten wollte oder, wenn die kostenlose Nutzung der Fahrzeuge durch den Angeklagten ohne seine Beteiligung an den Taten nicht gewährleistet war oder das Kundenkonto ihm doch bekannt war und für ihn einen finanziellen Vorteil darstellt oder wenn die im Urteil nicht genauer bezifferten Prämienzahlungen sehr wohl eine dauernde Einnahmequelle waren.
14
Der Senat hält es für möglich, dass insgesamt noch Feststellungen getroffen werden können, die in allen Fällen eine gewerbsmäßige Begehungsweise belegen.
15
Danach war das Urteil insgesamt aufzuheben.
Nack Rothfuß Elf Graf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 650/17
vom
4. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2018:040718U5STR650.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Juli 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer, als Vorsitzender
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin V. als Verteidigerin des Angeklagten Y. ,
Rechtsanwalt N. als Verteidiger des Angeklagten A. C. ,
Rechtsanwältin H. als Verteidigerin des Angeklagten B. ,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juli 2017 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
a) das Verfahren hinsichtlich der Angeklagten Y. und A. C. eingestellt und
b) der Angeklagte B. freigesprochen worden ist.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat angenommen, die Angeklagten Y. und der von einem weiteren Vorwurf freigesprochene A. C. seien zu ihrer Tat jeweils rechtsstaatswidrig provoziert worden, und hat das Verfahren infolgedessen eingestellt (§ 260 Abs. 3 StPO). Den Angeklagten B. hat es freigesprochen. Gegen diese Verfahrenseinstellungen und den Freispruch B. s wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts ge- stützten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
Im allein entscheidungsrelevanten Tatkomplex des „Scheingeschäfts“ legt die Anklageschrift den Angeklagten sowie dem deswegen rechtskräftig verurteilten K. C. zur Last, mit fünf Kilogramm Kokaingemisch gehandelt zu haben. Hierzu hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
3
1. Durch die Aussage einer Vertrauensperson (VP1) geriet der Angeklagte A. C. in den Verdacht, mit weiteren Familienmitgliedern mit Kokain im Kilogrammbereich zu handeln. K. C. , einer seiner Brüder, sei der „Kopf“ des Drogenhandels. Weitere Brüder (F. und C. ) sowie sein Cousin O. seien ebenfalls involviert. Die Gruppierung betreibe einen „Kulturverein“ und einen Kiosk in H. . Von beiden Einrichtungen aus werde mit Betäubungsmitteln gehandelt. Nach Aufnahme der Ermittlungen am 9. Dezember 2015 wurden zahlreiche Überwachungsmaßnahmen ermittlungsrichterlich genehmigt. Zudem erhielt eine weitere Vertrauensperson (VP2) den Auftrag, ein Betäubungsmittelgeschäft anzubahnen. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Vorteile ihr hierfür in Aussicht gestellt wurden und ob deren Ausmaß von einem Ermittlungserfolg abhängig war.
4
Die VP2 gab am 26. Januar 2016 im Rahmen einer Vernehmung durch ih- ren „Führer“ an, zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt von dem bis da- hin nicht verdächtigten Angeklagten Y. an einem nicht näher feststellbaren Ort auf Kokaingeschäfte angesprochen worden zu sein, wobei dieser Lieferungen von bis zu zehn Kilogramm in Aussicht gestellt habe. Infolge dieses Angebots habe ein weiteres Treffen stattgefunden, zu dem der Angeklagte Y. ei- ne Person mitgebracht habe, die sich als „K. “ vorgestellt habe und bei der es sich nach den Angaben des Angeklagten Y. um einen „großen Koksdea- ler“ handeln sollte. „K. “ habe die VP2 gefragt, was diese in der Lage sei abzuwickeln. Die VP2 habe daraufhin nach Qualität und Preis gefragt. „K. “ habe geantwortet, dass es um „gestempelte Pakete“ gehe und man erst mal „eins machen“ solle, womit sich die VP2 einverstanden erklärt habe. „K. “ habe dann mitgeteilt, dass der weitere Kontakt über den Angeklagten Y. laufen solle.
5
Ein weiteres vom VP-Führer in Auftrag gegebenes Treffen am 9. Februar 2016 wurde polizeilich observiert. Zudem wurde der von dem Angeklagten Y. genutzte Pkw, in dem dieser sich mit der VP2 über das geplante Betäubungsmittelgeschäft unterhielt, akustisch überwacht. Im Rahmen dieser Gespräche versicherte der Angeklagte Y. der VP2, dass alles, was er für richtig halte, gemacht werden könne. Im Anschluss hieran erhielt die VP2 von ihrem „Führer“ den Auftrag,am 16. Februar 2016 ein Geschäft über fünf Kilogramm Kokain zum Preis von 190.000,- Euro durchzuführen.
6
Noch am selben Tag entschuldigte sich die VP2 bei dem Angeklagten per Textnachricht dafür, dass es zu einem Missverständnis gekommen sei. Der Angeklagte Y. solle dem „Ab. “ sagen, nächste Woche am Dienstag werde es sicher „klappen“. Dann sollten an dem Platz von heute „fünf Frauen“ sein, die VP2 werde „Kleidung“ für diese dabei haben. Der AngeklagteY. antwortete kurze Zeit später, dass es „okay“ sei und so sein solle, wie die VP2 es wolle. Am 12. Februar 2016 wurde der genannte Termin nochmals von beiden Beteiligten bestätigt. Auch am folgenden Tag kommunizierten der Angeklagte Y. und die VP2 mittels Textnachrichten. Der Angeklagte schrieb „Zwei Blondinen, Mädels wie Models, sogar rasiert“, worauf die VP2 unverzüglich antwortete: „2? Waren es nicht 5?“. Der Angeklagte Y. verwies auf die getroffene Abspra- che. Die VP2 schrieb daraufhin: „ok. 5Frauen“. Der Angeklagte fragte, ob die VP2 „fünf Stück erledigen könne“. Die VP2 sicherte dies zu.
7
Am 16. Februar 2016 fuhr sie mit dem Angeklagten Y. in dessen Fahrzeug zur Raststätte S. –O. . Im Auto unterhielten sie sich konspirativ über das bevorstehende Geschäft und die Möglichkeit der Abwicklung zukünftiger Lieferungen. Dabei brachte die VP2 das Gespräch auf „K. Ab. “, woraufhin sie vom Angeklagten Y. aufgefordert wurde, nicht im Auto zu sprechen.
8
An der Raststätte begaben sich beide zum Fahrzeug eines dort wartenden , nicht offen ermittelnden Polizeibeamten (NoeP). Dieser nahm eine Sporttasche aus dem Kofferraum und reichte sie dem inzwischen auf der Rückbank sitzenden Angeklagten Y. , der das darin befindliche Geld (190.000,- Euro) prüfte. Anschließend legte es der Angeklagte in die Tasche zurück, die der NoeP wiederum im Kofferraum verstaute. Etwa gegen 12:30 Uhr fuhr der Angeklagte Y. wieder ab.
9
In den folgenden Stunden traf sich der Angeklagte Y. mit F. C. und hatte zudem telefonische Kontakte mit konspirativem Charakter zu O. und A. C. . Letzterer telefonierte gegen 14:00 Uhr mit dem Angeklagten B. , erkundigte sich, wo sich dieser aufhalte und kündigte sodann sein Kommen in wenigen Minuten an.
10
Nach Rückkehr des Angeklagten Y. zur Raststätte S. –O. um 15:18 Uhr rief dieser von der dortigen Telefonzelle aus den Angeklagten A. C. an und forderte ihn auf, sofort und nicht „leer“ zu kommen, so wie es besprochen worden sei. Außerdem erläuterte er den Anfahrtsweg zur Raststätte. Die VP2 berichtete unterdessen dem NoeP, dass fünf Kilogramm Kokain nicht geliefert werden könnten, da am Vortag sechs Kilogramm verkauft worden und deshalb nur noch vier Kilogramm vorhanden seien.
11
Gegen 15:42 Uhr trafen auch die Angeklagten A. C. undB. an der Raststätte ein. Die drei Angeklagten sprachen etwa zehn Minuten mit der VP2, wobei entweder der Angeklagte B. oder der Angeklagte A. C. in Richtung der Raststätte S. –W. zeigte. Danach fuhren diese beiden Angeklagten wieder ab. Die VP2 berichtete daraufhin dem NoeP, dass nunmehr doch fünf Kilogramm Kokain geliefert werden könnten, jedoch in zwei hälftigen Mengen. Sie berichtete ferner, dass es Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Übergabeortes gegeben habe und die Verkäufer aufgrund der dort besseren Abfahrtsmöglichkeiten die andere Seite der Raststätte vorgeschlagen hätten; dies habe er abgelehnt.
12
Gegen 16:30 Uhr traf K. C. mit seinem Fahrzeug gemeinsam mit A. C. an der Raststätte S. –O. ein. Er erklärte dem Angeklagten Y. und der VP2, dass er mit einer Kokainübergabe an diesem Ort nicht einverstanden sei und das Geschäft in einem nahegelegenen Restaurant durchführen wolle. Als die VP2 trotz Vermittlungsversuchen des Angeklagten Y. den geforderten Ortswechsel ablehnte, erklärte der Angeklagte K. C. , dass das Geschäft dann nicht stattfinden werde und verließ die Raststätte. Die VP2 signalisierte dem NoeP mit einer Handbewegung, dass das Geschäft fehlgeschlagen sei.
13
Die Angeklagten A. C. und Y. begaben sich zu dessen Pkw und fuhren ebenfalls davon. Auf der Fahrt unterhielten sie sich über das gescheiterte Geschäft und die ablehnende Haltung der VP2 zu dem von K. C. vorgeschlagenen Übergabeort. Der Angeklagte Y. äußerte sinnge- mäß, dass er nicht wisse, weshalb die VP2 den anderen Übergabeort nicht akzeptiert habe. Die VP2 kenne ihn nicht und habe kein Vertrauen.
14
2. Das Landgericht hat die Feststellungen bezüglich der Tathandlungen der schweigenden Angeklagten im Wesentlichen aufgrund der Angaben der polizeilichen Ermittlungsführer und des NoeP, des Inhalts der Observationsberichte sowie aufgrund der Erkenntnisse aus der Pkw-Innenraum- und der Telekommunikationsüberwachung getroffen. Den infolge von Sperrerklärungen ausschließlich durch die VP-Führer eingeführten Angaben der beiden Vertrauenspersonen hat es keinen bzw. einen nur geringen Beweiswert beigemessen, da bei der Würdigung von Angaben einer Verhörsperson eine besonders vorsichtige und kritische Vorgehensweise geboten sei. Feststellungen dürften auf solche Beweismittel regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn die Angaben durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt würden.
15
Das Landgericht war aus diesem Grund der Ansicht, insbesondere zum konkreten Auftrag der VP2 hinsichtlich der Einzelheiten des Scheingeschäfts und zur Entstehung des Kontakts zwischen der VP2 und dem Angeklagten Y. - keine Feststellungen treffen zu können. Die Angaben der VP2 zur Kontakt- genese hat es als „ausgesprochen lebensfremd“ (UA S. 28) bewertet. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die VP2 „aus dem Nichts“ von dem Angeklagten Y. angesprochen worden sei und dieser sogleich Kokaingeschäfte in der angegebenen Größenordnung thematisiert habe. „Zugunsten des Angeklagten Y. “ ist das Landgericht davon ausgegangen, dass dieser den Betäubungs- mittelhandel nicht initiiert habe. Weiter konnte es nicht ausschließen, „dass zur Anbahnung des Betäubungsmittelgeschäfts (auch) unlautere Mittel von der VP2“ (UA S. 28) eingesetzt worden seien, um den Angeklagten Y. zur Durchführung des Geschäfts zu bewegen.
16
3. a) Danach hat das Landgericht eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation bejaht und das Verfahren gegen den unbestraften Angeklagten Y. gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die VP2 bei der Gestaltung des Betäubungsmittelgeschäfts einen zu weiten Spielraum gehabt habe, wobei weiter nicht aufklärbar gewesen sei, ob der VP2 bei Sicherstellung einer größeren Menge von Betäubungsmitteln eine höhere Vergütung in Aussicht gestellt worden sei. Angesichts dieser Kumulation von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sei eine strafmildernde Kompensation unzureichend. Vielmehr sei das Verfahren insbesondere angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09 „Furcht gegen Deutschland“, NStZ 2015, 412) und des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276) einzustellen.
17
Entsprechendes gelte für den Angeklagten A. C. . Die bei der Provokation des Angeklagten Y. festgestellten Verstöße wirkten sich insofern mittelbar aus. Denn der Angeklagte Y. habe den Angeklagten A. C. in die Tat verstrickt. Zudem handele es sich auch bei dem Angeklagten A. C. um eine unbestrafte Person, gegen die nur ein äußerst vager Anfangsverdacht bestanden habe, der eine Maßnahme wie die Anbahnung eines Kokaingeschäfts im Kilogrammbereich nicht gerechtfertigt hätte.
18
b) Den Angeklagten B. hat das Landgericht – trotz der Überzeugung davon, dass dieser sich am 16. Februar 2016 gemeinsam mit dem Angeklagten A. C. zur Raststätte S. –O. begeben und sich dort mit dem An- geklagten Y. sowie der VP2 getroffen hat – freigesprochen, da es keine konkreten Tatbeiträge zu einem Betäubungsmittelgeschäft habe feststellen können. Insbesondere das Gespräch, in dem der Angeklagte B. der VP2 die Anlieferung von zweieinhalb Kilogramm Kokain in Aussicht gestellt haben soll, könne allein auf die Bekundungen des VP-Führers gestützt werden. Hinreichende Beweisanzeichen , die diese Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen könnten , hat das Landgericht als nicht gegeben erachtet.

II.


19
Die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten A. C. ist rechtswirksam auf die Entscheidung zum „Scheingeschäft“ beschränkt.
20
Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer Revisionsbegründung keine Beschränkung erklärt und am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte ) Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen beantragt. Mit diesem die Entscheidung zum weiteren Komplex des „Betäubungsmittellagers“ ein- schließenden Revisionsantrag steht jedoch der übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Aus dieser ergibt sich, dass die Revisions- führerin allein die Beweiswürdigung zum „Scheingeschäft“ und die sich hieran anknüpfende Annahme eines Verfahrenshindernisses für fehlerhaft hält. Ausführungen zum zweiten Tatkomplex enthält die Revisionsbegründungsschrift nicht. Da sich somit Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung widersprechen , ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR 453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3, und vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118).
21
Nach dem hierbei maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist allein der Teil des Urteils, der sich mit dem „Scheingeschäft“ beschäftigt, Gegenstand des Revisionsangriffs. Denn bei dem weiteren Komplex handelt es sich um eine andere prozessuale Tat, bei der es um Betäubungsmittelfunde im Rahmen von mehrere Monate später vorgenommenen Durchsuchungen geht. Deren Einbeziehung liegt fern, zumal dabei auch weitere Drogenarten (Marihuana und Heroin ) gefunden wurden. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat daher das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft Feststellungen und Sachentscheidung zum „Betäubungsmittellager“ nicht angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 – 4 StR 296/12 mwN).

III.


22
Die den Einstellungsentscheidungen (1.) und dem Freispruch (2.) vom Landgericht zugrundegelegten Feststellungen erweisen sich als nicht tragfähig.
23
1. Der Senat kann nicht feststellen, ob ein die Einstellungsentscheidungen tragendes Verfahrenshindernis besteht.
24
a) Ein Verfahrenshindernis – wie es das Landgericht zugunsten der Angeklagten Y. und A. C. angenommen hat – wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Die Umstände müssen dabei so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 – 3 StR 104/87, BGHSt 35, 137, 140; vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 168 f., und vom 6. September 2016 – 1StR 104/15, wistra 2017, 193, 195). Selbst schwere Verfahrensfehler, wie etwa der Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO (also die Herbeiführung einer Aussage des Beschuldigten durch Misshandeln, Quälen, Täuschen oder das Verabreichen von Mitteln), führen – insofern schon nach der ausdrücklichen Bewertung durch den Gesetzgeber – nicht ohne weiteres zu einem Verfahrenshindernis (BGH, Urteile vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15, aaO, und vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, aaO, 173).
25
Auf dieser Grundlage ist ein die Verurteilung der genannten Angeklagten ausschließendes Verfahrenshindernis aufgrund rechtsstaatswidriger Tatprovokation – wie es vom Landgericht bejaht worden ist – nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs – auch unter Berücksichtigung der die Entscheidung des 2. Strafsenats im Urteil vom 10. Juni 2015 (2 StR 97/14) tragenden Gründe – lediglich in extremen Ausnahmefällen , also bei einer besonders hohen Eingriffsintensität gegeben (vgl. BVerfG, NJW 2015, 1083; BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 – 1 StR 320/17, NStZ 2018, 355; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238, 244 f.). Denn das Rechtsstaatsprinzip schützt nicht nur Belange des Beschuldigten , sondern auch das Interesse an einer der materiellen Gerechtigkeit dienenden Strafverfolgung (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, aaO, 241).
26
Ausgangspunkt ist dabei, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation nur dann vorliegt, wenn eine nicht verdächtigte und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232, und vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238, 244 f.; Urteil vom 7. Dezember 2017 – 1 StR 320/17, NStZ 2018, 355, 356). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben , wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheb- lichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorlie- gen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232, und vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238; Urteile vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276, 284 f., und vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279). Im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (BGH, Urteile vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276, 285 und vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation (BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 – 4 StR 252/15, NStZ 2016, 232 und vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238; Urteile vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338, und vom 7. Dezember 2017 – 1 StR 320/17, NStZ 2018, 355, 357).
27
Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht auf eine „weitgehend passive“ Straf- ermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238 mwN). Bei der Frage, ob eine Person tatgeneigt war, hält der Gerichtshof nach Maßgabe des konkreten Einzelfalls u.a. die erwiesene Vertrautheit des Betroffenen mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, dessen Fähigkeit, solche kurzfristig zu beschaffen, sowie seine Gewinnbeteiligung für bedeutsam (vgl. EGMR, NStZ 2015, 412, 414). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, aaO).
28
b) Ob auf dieser Grundlage eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegt , die aufgrund ihrer Schwere zu einem Verfahrenshindernis führt, hat das Revisionsgericht zwar grundsätzlich selbst aufgrund der vorliegenden oder von ihm noch weiter zu treffenden ergänzenden Feststellungen und des Akteninhalts zu entscheiden. Es ist ihm aber nicht verwehrt, die Sache zur Nachholung fehlender Feststellungen an das Tatgericht zurückzuverweisen. Dazu kann insbesondere dann Anlass bestehen, wenn die Ermittlung der maßgebenden Tatsachen eine Beweisaufnahme wie in der tatgerichtlichen Hauptverhandlung erforderlich machen würde (BGH, Beschluss vom 18. November 2015 – 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42, 43). Entsprechendes kann gelten, wenn die Feststellung eines Verfahrenshindernisses von der Würdigung der vom Tatgericht erhobenen Beweise abhängt. Denn diese ist zumindest dann – wenn sie wie vorliegend untrennbar mit den Feststellungen zur Schuldfrage verbunden ist – Sache des Tatgerichts und liegt in dessen Verantwortung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 – 1 StR 266/10, BGHSt 56, 6, 10).
29
So verhält es sich hier. Denn hinsichtlich der Frage, ob die Taten der Angeklagten Y. und A. C. rechtsstaatswidrig provoziert worden sind, hat das Landgericht wesentliche Umstände, die das Vorgehen der Angeklagten und die Entwicklung des Kontaktes des Angeklagten Y. zur VP2 betreffen, teilweise bewusst nicht in den Blick genommen und darüber hinaus einen Widerspruch bei seinen abwägenden Überlegungen nicht aufgelöst.
30
Dem Urteil lässt sich insofern entnehmen, dass die VP2 sich gegenüber ihrem „Führer“ namentlich zum Inhalt eines Gesprächs mit dem Angeklagten Y. am 9. Februar 2016, zu einem zuvor erfolgten Treffen sowie zum Entstehen des Kontakts insgesamt geäußert hat. Das Landgericht hat gemeint, diese durch den VP-Führer als einen Zeugen vom Hörensagen wiedergegebenen Angaben nicht berücksichtigen zu dürfen, weil sie nicht „durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt worden“ seien, und sie infolgedessen in den Urteils- gründen nur partiell mitgeteilt. Diese Verfahrensweise war unzutreffend. Denn auch derart eingeführten Umständen kommt ein Beweiswert zu, mag er auch regelmäßig gering sein. Sie hätten daher mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Würdigung sämtlicher Beweisergebnisse eingestellt werden müssen, wären jedoch nur dann geeignet gewesen, die Angeklagten belastende Feststellungen zu tragen, sofern sie im Rahmen der Gesamtwürdigung durch andere gewichtige Beweisanzeichen – gegebenenfalls auch nur mittelbar – bestätigt worden wären. Den Weg zu dieser Bewertung sämtlicher Beweisanzeichen – etwadem zeitlich und organisatorisch offenbar straffen Ablauf bis zur beabsichtigten Kokainübergabe am 16. Februar 2016 – hat sich das Landgericht indes verstellt.
31
Es hat aufgrund der danach defizitären Prüfung ausdrücklich nicht festzustellen vermocht, wie der Kontakt zwischen der VP2 und dem Angeklagten Y. zustandegekommen ist und sich der Kokainhandel entwickelt hat. Selbst wenn das Landgericht dieses Ergebnis auf rechtsfehlerfreie Weise erzielt hätte, wäre ihm – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – die Annahme nicht gestattet gewesen, „dass zur Anbahnung des Betäubungsmit- telgeschäfts (auch) unlautere Mittel von der VP2 eingesetzt wurden“. Denn es ist weder durch den Zweifelssatz – bei dem es sich ohnehin nicht um eine auf einzelne Indizien anzuwendende Beweis-, sondern nach abgeschlossener Beweiswürdigung gegebenenfalls eingreifende Entscheidungsregel handelt – noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen – wie hier – keine Anhaltspunkte bestehen.
32
Dies gilt insbesondere für die Erkenntnisse aus den Telefon- und PkwInnenraum -Überwachungsmaßnahmen. Diese zeugen von einer ausnahmslos „kollegialen“ und geschäftsbezogenen Kommunikation zwischen beiden Betei- ligten und deuten – im Einklang mit den Angaben der VP2 – in keiner Weise auf unlautere Einflussnahmen durch diese hin.
33
Auch ein Fall, in dem aufgrund der Sperrung eines potentiell entlastenden Beweismittels ausnahmsweise eine hypothetisch entlastende Aussage des gesperrten Zeugen in die Beweiswürdigung einzustellen sein könnte (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 2004 – 3 StR 218/03, BGHSt 49, 112), liegt nicht vor. Die Rechtsprechung des EGMR zur – dem deutschen Verfahrensrecht grundsätzlich systemfremden – „Beweislast“ der Staatsanwaltschaft für das Nichtvorliegen einer Tatprovokation (vgl. nur EGMR, aaO, Rn. 53) erfordert angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falls keine andere Bewertung.
34
Darüber hinaus erweist sich die Beweiswürdigung in einem Punkt als widersprüchlich. Hinsichtlich der seitens der VP2 vom Angeklagten Y. georderten größeren Kokainmenge hält das Landgericht es einerseits für möglich, dass dieser nicht „in der Lage war, eine solche Menge zu beschaffen“. Andererseits bezieht es Inhalte am 16. Februar 2016 geführter Telefonate – insbesondere zwischen den Angeklagten Y. und A. C. – auf die Anlieferung von Kokain, die nur deshalb nicht erfolgt sei, „weil die Angeklagten Bedenken we- gen des Orts der Übergabe hatten“. Für die Frage, ob die Angeklagten rechts- staatswidrig zu ihrem Tun provoziert worden sind, wäre es jedoch bedeutsam gewesen, ob sie in der Lage waren, innerhalb eines kurzen Zeitraums fünf Kilogramm Kokain zu beschaffen. Der Widerspruch hätte daher in den Urteilsgründen aufgelöst werden müssen.
35
2. Auch hinsichtlich des Angeklagten B. war das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben. Die ihn betreffende Beweiswürdigung hält ebenfalls revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand; sie erweist sich als lückenhaft. Denn insbesondere dann, wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl gegen einen Angeklagten – wie hier – ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und einer Gesamtwürdigung zuführen (vgl. BGH, Urteile vom 22. August 2002 – 5 StR 240/02, wistra 2002, 430 mwN; vom 6. September 2006 – 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19, und vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465, 466). Hieran fehlt es.
36
a) Zwar hat das Landgericht im Ansatzpunkt zutreffend erörtert, dass bei der Würdigung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen – hier der Vernehmungsperson – eine besonders vorsichtige und kritische Vorgehensweise geboten ist. Bei der Gesamtwürdigung hat es aber nicht beachtet, dass die durch den VP-Führer mitgeteilten Angaben der VP2 durch den gesamten auf der Grundlage der Schilderungen der Observationskräfte und des NoeP festgestellten äußeren Ablauf der Geschehnisse auf dem Parkplatz der Raststätte S. –O. gestützt werden und sich zudem mit dem mitgeteilten, den Ange- klagten B. belastenden Inhalt des Gesprächs zwischen diesem und der VP2 in Einklang bringen lassen. Dieser Aspekt wäre ebenso bedeutsam gewesen wie der Umstand, dass der Angeklagte B. sich – nach der Überzeugung des Landgerichts – an der Raststätte ausschließlich mit und auf Veranlas- sung von Personen traf (UA S. 32), die planten, dort kurzfristig einen umfangreichen Betäubungsmittelhandel durchzuführen, und sich andere, strafrechtlich irrelevante Gründe für seine Anwesenheit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder ergeben haben noch aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten sonst ersichtlich sind.
37
b) Zudem enthält das Urteil keine Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten B. , insbesondere zu eventuellen (einschlägigen) Vorstrafen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, die Strafzumessungserwägungen nachvollziehen zu können. Bei freisprechenden Urteilen ist das Tatgericht aus sachlichrechtlichen Gründen aber zumindest dann zu Feststellungen zur Person des Angeklagten verpflichtet, wenn diese – z. B. bei einschlägigen Vorverurteilungen – für die Bewertung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur revisionsgerichtlichen Überprüfung des Freispruchs auf Rechtsfehler hin notwendig sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 21. November 2013 – 4 StR 242/13, NStZ 2014, 172, und vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315). Vorliegend liegt es nicht fern, dass die Lebensumstände des Angeklagten zur Tatzeit sowie eventuelle (einschlägige) Vorstrafen indizielle Bedeutung bei der umfassenden Würdigung des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs haben können.

IV.


38
Im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils bedarf die Sache somit neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich – nach den hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. nur EGMR, aaO, mwN), vom Bundesverfas- sungsgericht (vgl. BVerfG, NJW 1987, 1874; 1995, 651, 652; 2015, 1083) und vom Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 346 f.; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338; vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279; vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, BGHSt 60, 276, 284 f., und vom 7. Dezember 2017 – 1StR 320/17, NStZ 2018, 355 m. Anm. Esser, NStZ 2018, 358; Beschlüsse vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, BGHSt 60, 238, 244 f.; vom 19. Januar 2016 – 4StR 252/15, NStZ 2016, 232, 233; vom 28. Februar 2018 – 4 StR 640/17, und vom 13. März 2018 – 4 StR 614/17) entwickelten Maßstäben – selbst auf der Basis der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ein aus einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation erwachsendes, ohnehin nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommendes Verfahrenshindernis nicht ergeben würde.
39
Dies gilt zunächst für den Angeklagten Y. . Denn konkrete Feststellungen zu einer unvertretbar übergewichtigen Einwirkung der VP2 auf diesen An- geklagten etwa durch Insistieren trotz anfänglicher ernsthafter Ablehnung, „Ködern“ mit den Marktwert übersteigenden Preisen oder Schildern einer bedrohli- chen Situation lassen sich dem Urteil nicht entnehmen. Letztlich war der Angeklagte – ungeachtet seiner bisherigen Unbestraftheit – ohne Weiteres dazu bereit , an einem erheblichen Kokaingeschäft mitzuwirken, verfügte über entsprechende Kontakte, pflegte einen konspirativen Kommunikationsstil und verhandelte über die Verkaufsmenge, deren Preis und den Ort der Übergabe.
40
Eine unvertretbar übergewichtige staatlich veranlasste Einwirkung auf den – nach denAngaben der VP1 tatverdächtigen – Angeklagten A. C. ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dieser war gleichermaßen tatgeneigt, stand in Kontakt zum Angeklagten Y. sowie dem rechtskräftig verurteilten K. C. und wirkte an der geplanten Geschäftsabwicklung mit. Zudem hatte die VP2 in der Anbahnungsphase des Geschäfts ausschließlich Kontakt zum Angeklagten Y. und traf am Tag der geplanten Übergabe erstmals auf den Angeklagten A. C. . Eine unzulässige (auch nur mittelbare) Einwirkung der VP2 auf diesen Angeklagten folgt hieraus nicht.
Mutzbauer Sander Berger
Mosbacher Köhler