Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juni 2003 - 5 StR 30/03

bei uns veröffentlicht am04.06.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 30/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Juni
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Juli 2002 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision zu tragen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen unter Einbeziehung einer anderweitig verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, sichergestellte 11.390 DM für verfallen erklärt und 54 kg Haschisch eingezogen. Die gegen den Schuldspruch gerichtete , auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ebenso erfolglos wie die – auf die Frage einer weitergehenden Anordnung des Verfalls beschränkte – Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt: Der Angeklagte bezog von August bis November 2001 von dem Rauschgifthändler E große Mengen Haschisch zum Preis von 2.250 DM je Kilogramm. Davon verkaufte er in acht Fällen Handelsmengen zwischen 5 und 27 kg – insgesamt 130,5 kg – mit einem Gewinn von 250 DM je Kilogramm an T . Nach Auslieferung der letzten veräußerten 20 kg am 8. November 2001 wurde der Angeklagte im Besitz des sichergestellten Geldbetrages beim Verlassen der Kanzlei seines Verteidigers festgenommen. Die eingezogene Haschischmenge wurde in einem vom Angeklagten in der Wohnung seiner Mutter mitbenutzten Zimmer sichergestellt.
2. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

a) Die Rüge, die Jugendkammer sei mit der durch Beschluß des Präsidiums vom 10. Juli 2002 für die Hauptverhandlung am 18. Juli 2002 zugewiesenen Richterin am Landgericht H unrichtig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO), versagt. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
Die nach § 21e Abs. 3 GVG getroffene Maßnahme des Präsidiums hielt sich in den in BGHSt 27, 209 genannten Grenzen, von denen abzugehen der Senat keinen Anlaß sieht. Die grundsätzlich ausreichende, insgesamt zwölf Richter aus vier großen Strafkammern erfassende Vertretungsregelung versagte aus zu Beginn des Geschäftsjahres unvorhersehbaren Umständen (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 1 Beisitzer 1) und erforderte keine Änderung des Geschäftsverteilungsplans wegen einer voraussehbaren Häufung der Bestellung zeitweiliger Vertreter (vgl. BGHSt 27, 209, 210 f.). Der Senat hält die Mitwirkung der Richterin am Landgericht H als zeitweilige Vertreterin aus folgenden Erwägungen für hinnehmbar: Die Nichtbesetzung von zwei Stellen beisitzender Richter in zwei Vertreterkammern war nur vorübergehend. Die Vakanzen betrugen lediglich zehn Tage bzw. zweieinhalb Monate und bewegten sich damit im von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tolerierten Rahmen (vgl. BGHR aaO). Die Revision trägt nichts dafür vor, daß sich längere Zeiten der Nichtbesetzung angeschlossen hätten. Auch die Verhinderung von drei Richtern wegen vorrangiger eigener Sitzung in einer großen Strafvollstrekkungskammer führt nicht zur Annahme einer unzureichenden Vertretungsregelung. Es ist nichts dafür vorgetragen, daß diese Richter wegen regelmäßiger Sitzungen donnerstags im wesentlichen nicht als Vertreter zur Verfügung gestanden hätten. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Vertreterkette und der hinzunehmenden Ausfälle und Verhinderungen führen auch die weiteren Verhinderungen – fünf wegen Urlaubs, zwei wegen Überlastung – zu keiner anderen Bewertung (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 1 Beisitzer 6).
Dafür, daß der Beschluß des Präsidiums von sachfremden Erwägungen beeinflußt worden ist, fehlt jeder Anhaltspunkt.

b) Der Schuld- und Rechtsfolgenausspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand. Der Annahme einer Bewertungseinheit, die den Schuldspruch nicht berühren würde, steht das Geständnis des Angeklagten (UA S. 6, 8) entgegen. Auch die Verfallsanordnung hat Bestand. Das Landgericht hat zu ihrer Begründung zwar zu Unrecht auch auf § 73d StGB abgestellt. Die Feststellungen belegen aber hinreichend, daß das für verfallen erklärte Bargeld einen Vermögensvorteil aus einer angeklagten und festgestellten Tat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB) darstellt (vgl. BGHSt 28, 369; BGH, Urt. vom 27. März 2003 – 5 StR 434/02 – m. w. N.). Das Landgericht hat sich "nach Würdigung der Lebens- und Einkommensverhältnisse ... davon überzeugt, daß ein Geldbetrag in dieser Höhe nur aus dem von ihm betriebenen Betäubungsmittelhandel stammen kann" (UA S. 15). Damit hat es den für verfallen erklärten Betrag den ausgeurteilten Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz zugeordnet. Einer Feststellung derart, aus welcher einzelnen dieser Taten das Geld erlangt worden ist, bedurfte es nicht (BGHR StGB § 73 Vorteil 5; BGH, Urt. vom 27. März 2003 – 5 StR 434/02).
3. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft dringt nicht durch.
Zwar ist die Anordnung des Verfalls obligatorisch, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen (BGHSt 47, 369, 370 f.; BGH, Urt. vom 27. März 2003 – 5 StR 434/02 – m. w. N.). Dafür maßgeblich ist das Brutto- prinzip, wonach nicht nur der bloße, sich nach Abzug der Aufwendungen ergebende Gewinn, sondern alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten dem Verfall unterliegt (BGH aaO m. w. N.). Danach war vorliegend, wie sich aus den Feststellungen ergibt, eine Entscheidung über den Verfall (des Wertersatzes) bis zur Höhe von 276.250 DM als Erlös des Angeklagten aus den abgewickelten sieben Rauschgiftgeschäften möglich; davon hat das Landgericht lediglich 11.390 DM für verfallen erklärt. Dies ist aber gleichwohl letztlich nicht zu beanstanden.

a) Für eine von der Revision erstrebte weitergehende Verfallserklärung in Höhe des Einkaufspreises der eingezogenen Haschischmenge war kein Raum. Insoweit hatte der Angeklagte nicht einen Erlös, sondern die Betäubungsmittel selbst erlangt; diese unterliegen als Beziehungsgegenstände nur der Einziehung nach § 33 Abs. 2 BtMG, nicht dem Verfall (BGHR StGB § 73a Anwendungsbereich 1 m. w. N.). Damit scheidet auch die ersatzweise Anordnung des Wertersatzverfalls aus (vgl. BGHR aaO).
Ebensowenig boten die Feststellungen Anlaß, die Voraussetzungen für einen erweiterten Verfall nach § 73d StGB zu prüfen.

b) Eine ausdrückliche Begründung des Landgerichts, lediglich den sichergestellten Geldbetrag für verfallen zu erklären, fehlt zwar. Doch kann der Senat mit dem Generalbundesanwalt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch ausreichend entnehmen, daß der Tatrichter insoweit von seinem Ermessen nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, von der Anordnung abzusehen , Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Urt. vom 29. November 2001 – 5 StR 451/01). Zwar ist eine solche Ermessensentscheidung hier deshalb nicht bedenkenfrei, weil der für verfallen erklärte Betrag noch nicht einmal den gesamten Gewinnanteil des Angeklagten erfaßte (vgl. BGHR StGB § 73c Härte 6). Der Senat vermag indes auch insoweit angesichts der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen zu den Lebensverhältnissen des Angeklagten und zum Gesamttatzeitraum dem Generalbundesanwalt zu folgen und sieht letztlich noch keinen durchgreifenden Anlaß zum revisionsgerichtlichen Eingreifen.
Harms Basdorf Raum Brause Schaal

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juni 2003 - 5 StR 30/03

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juni 2003 - 5 StR 30/03 zitiert 9 §§.

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(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind. (2) Hat sich de

Strafgesetzbuch - StGB | § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung


(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden is

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21e


(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, wel

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 33 Einziehung


Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

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Referenzen

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

5 StR 434/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. März 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
27. März 2003, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. März 2002 wird verworfen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil insoweit aufgehoben, als – jenseits des angeordneten Verfalls von 26.915,75 DM als Wertersatz – die Anordnung von Verfall und Verfall des Wertersatzes unterblieben ist.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 26.915,75 DM als Wertersatz angeordnet. Die gegen die Verurteilung wegen der Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet. Dagegen hat die – auf die Frage einer weitergehenden Anordnung des Verfalls beschränkte – Revision der Staatsanwaltschaft mit der allein erhobenen Sachrüge Erfolg.
Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt: Der Angeklagte verkaufte unter Mitwirkung des Zeugen T einmal 100 g Kokain (davon 10 g an T selbst) und zweimal 50 g Kokain, jeweils mit einem Wirkstoffanteil von mindestens 15 %. Hierfür erhielt der Angeklagte insgesamt 25.000,00 DM (Fälle 1 bis 3). Im Fall 4 beauftragte der Angeklagte den Zeugen T , 1 kg Kokain aus den Niederlanden zu beschaffen , und übergab ihm hierfür 60.000,00 DM. T beschaffte unter Mitwirkung u. a. des Zeugen Z für 30.000,00 DM 500 g Kokain, das er dem Angeklagten überreichte. In den Fällen 5 und 6 ließ der Angeklagte sich durch den Zeugen T , dem er dafür vorab jeweils 60.000,00 DM übergab und der sich der Mitwirkung des Zeugen Z bediente, jeweils 1 kg Kokain aus den Niederlanden beschaffen. In gleicher Weise erlangte der Angeklagte im Fall 7 nach Vorabzahlung von 33.000,00 DM 500 g Kokain. Das in den Fällen 4 bis 7 gehandelte Kokain hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 20 % und wurde vom Angeklagten – jeweils überwiegend – mit Gewinn weiterverkauft. Am 17. September 2001 wurden in der Wohnung des Angeklagten 139 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 22,6 %, 26.915,75 DM Bargeld und eine Flinte mit 49 Patronen sichergestellt.
I. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand. Namentlich ist die Beweiswürdigung frei von Rechtsfehlern.
Das Landgericht hat seine Überzeugung von den sieben Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln insbesondere aufgrund einer umfassenden Würdigung derjenigen Angaben gewonnen, die der Zeuge T im Laufe des Verfahrens gemacht hat. Stützend hat das Landgericht herangezogen , daß in der Wohnung des Angeklagten 139 g Kokain und 26.915,75 DM Bargeld in breitgestreuter Stückelung sichergestellt worden sind.
Weshalb das Landgericht den Zeugen G und L nicht geglaubt hat, hat es ausreichend dargelegt. Soweit die Revision die Beweismittel anders würdigt, zeigt sie damit keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere besteht der von der Revision gesehene Widerspruch nicht: Die Bezeichnung der Fälle 1 bis 3 als (quantitativ) „am Gesamtkomplex gemessen relativ unbedeutendes Geschehen“ einerseits und die Bewertung der Bekundungen des Zeugen T in diesen Fällen als (beweislich) „ferner entscheidend“ andererseits ist keineswegs widersprüchlich.
Daß das Landgericht, während es die rechtskräftige Verurteilung des Zeugen T wegen Betäubungsmitteldelikten zu drei Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe und die Entwicklung der Aussage dieses Zeugen umfassend mitteilt und seine Aussagemotivation ausführlich würdigt, ohne dabei die Vorschrift des § 31 BtMG zu zitieren, begründet nicht die Besorgnis , daß der Tatrichter die von dieser Norm latent ausgehende Gefahr einer Verführung zur Falschbezichtigung Dritter etwa übersehen hätte.
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand.
Dies gilt namentlich für die Verfallsanordnung. Zutreffend geht die Revision des Angeklagten davon aus, daß der für einen Verfall in Betracht kommende Vermögensvorteil durch eine angeklagte und festgestellte Tat erlangt sein muß (BGHSt 28, 369; BGH StV 1981, 627; BGH, Beschl. vom 10. Juni 1998 – 3 StR 182/98; BGH, Beschl. vom 17. Mai 1999 – 5 StR 155/99; W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 17; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 73 Rdn. 6). Dem hat das Landgericht Rechnung getragen, indem es sich davon überzeugt hat, daß das in den Räumlichkeiten des Angeklagten sichergestellte Bargeld in Höhe von 26.915,75 DM Gewinn „aus den Straftaten“ – scil. aus den sieben festgestellten Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz – war. Einer Feststellung derart, aus welcher einzelnen dieser Taten das Geld erlangt worden war, bedurfte es nicht (BGHR StGB § 73 Vorteil 5).
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft dringt durch.
1. Aus den Feststellungen ergibt sich, daß der Angeklagte aus den sieben Taten nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zumindest folgendes im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB „erlangt“ hat: In den Fällen 1 bis 3 erhielt der Angeklagte von T als Erlös aus den Kokainverkäufen einmal 12.000,00 DM und zweimal 6.500,00 DM, insgesamt also 25.000,00 DM. In den Fällen 4 bis 7 verkaufte der Angeklagte Heroin, das er zu Preisen von 30.000,00 DM (Fall 4), zweimal 60.000,00 DM (Fälle 5 und 6) und 33.000,00 DM (Fall 7) erworben hatte, überwiegend mit Gewinn weiter; allein der Einkaufspreis dieser vier Fälle beträgt zusammen 183.000,00 DM; der Verkaufspreis lag jedenfalls insgesamt höher. Danach hat der Angeklagte aus den genannten Taten jedenfalls mehr als 208.000,00 DM erlangt, nämlich aus den Fällen 1 bis 3 25.000,00 DM Verkaufserlös und aus den Fällen 4 bis 7 den jedenfalls über dem Einkaufspreis von 183.000,00 DM liegenden Verkaufspreis. Dies hat das Landgericht übersehen, indem es lediglich den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 26.915,75 DM als Wertersatz angeordnet und gemeint hat, eine weitere Verfallsanordnung käme nicht in Betracht, „weil insoweit sichere Feststellungen zur Höhe des Erlangten nicht getroffen werden konnten“.
2. Vielmehr war es zwingend geboten, in Höhe des sich nach dem Bruttoprinzip ergebenden Geldbetrages den Verfall (des Wertersatzes) anzuordnen , soweit nicht die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB entgegensteht.

a) Hierfür ist zunächst maßgeblich, daß das Bruttoprinzip gilt, wonach nicht nur der bloße, sich nach Abzug der Aufwendungen ergebende Gewinn, sondern alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten dem Verfall unterliegt (BGH, Urt. vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen = NJW 2002, 3339, 3340; BGHR StGB § 73d Strafzumessung 1; BGH NStZ 1996, 539; W. Schmidt aaO § 73 Rdn. 18; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 17; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 3, 7).

b) Zudem ist die Anordnung des Verfalls (des Wertersatzes) obligatorisch, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen (BGH, Urt. vom 21. August 2002 aaO; BGHR StGB § 73c Härte 5; BGHR StGB § 43a Konkurrenzen 1, 2; W. Schmidt aaO § 73 Rdn. 49, § 73a Rdn. 14; Eser aaO § 73 Rdn. 44, § 73a Rdn. 9; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 5, § 73a Rdn. 3).

c) Ob der Angeklagte den erlangten Vorteil noch immer hat, ist hier einzig unter dem Gesichtspunkt der Härtevorschrift des § 73c Abs.1 Satz 2 StGB von Bedeutung (BGH, Urt. vom 21. August 2002 aaO; W. Schmidt aaO § 73c Rdn. 2 f.; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 10). Für die Anwendbarkeit dieser Ermessensvorschrift (BGHR StGB § 73c Härte 5) kommt es zunächst darauf an, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Die entsprechende Beurteilung setzt die Feststellung der Vermögensverhältnisse des Angeklagten voraus. Hierzu enthält das angefochtene Urteil lediglich die – insoweit unzulängliche – Feststellung , daß der Angeklagte im Februar 2001 ein mit einem Wohnhaus be- bautes Grundstück erwarb, dessen Eigentümerin „mittlerweile“ seine Lebensgefährtin ist.
III. Danach hebt der Senat das angefochtene Urteil insoweit auf, als – jenseits des rechtsfehlerfrei angeordneten Verfalls von 26.915,75 DM als Wertersatz – die Anordnung von Verfall und Verfall des Wertersatzes unterblieben ist. Dies zieht nicht die Aufhebung von Feststellungen nach sich; solche sind rechtsfehlerhafterweise unterblieben.
Die verhängten Strafen können bestehenbleiben; denn die mit dem Verfall verbundene Vermögenseinbuße ist regelmäßig (BGHR StGB § 73d Strafzumessung 1) und so auch hier kein Strafmilderungsgrund.
Der neue Tatrichter wird zunächst den Wert des aus den Straftaten nach dem BtMG Erlangten festzustellen haben. Hierbei ist eine Schätzung nach § 73b StGB möglich. Alsdann sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten – soweit möglich – aufzuklären. Auf der Grundlage dieser Fest- stellungen wird – eingedenk des obligatorischen Charakters der Vorschriften der §§ 73, 73a StGB , jedoch unter Berücksichtigung von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH, Urt. vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen = NJW 2003, 300) – über die Anordnung eines Verfalls (als Wertersatz) nach Ermessensgrundsätzen zu entscheiden sein.
Basdorf Häger Raum Brause Schaal

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

5 StR 434/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. März 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
27. März 2003, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. März 2002 wird verworfen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil insoweit aufgehoben, als – jenseits des angeordneten Verfalls von 26.915,75 DM als Wertersatz – die Anordnung von Verfall und Verfall des Wertersatzes unterblieben ist.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 26.915,75 DM als Wertersatz angeordnet. Die gegen die Verurteilung wegen der Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet. Dagegen hat die – auf die Frage einer weitergehenden Anordnung des Verfalls beschränkte – Revision der Staatsanwaltschaft mit der allein erhobenen Sachrüge Erfolg.
Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt: Der Angeklagte verkaufte unter Mitwirkung des Zeugen T einmal 100 g Kokain (davon 10 g an T selbst) und zweimal 50 g Kokain, jeweils mit einem Wirkstoffanteil von mindestens 15 %. Hierfür erhielt der Angeklagte insgesamt 25.000,00 DM (Fälle 1 bis 3). Im Fall 4 beauftragte der Angeklagte den Zeugen T , 1 kg Kokain aus den Niederlanden zu beschaffen , und übergab ihm hierfür 60.000,00 DM. T beschaffte unter Mitwirkung u. a. des Zeugen Z für 30.000,00 DM 500 g Kokain, das er dem Angeklagten überreichte. In den Fällen 5 und 6 ließ der Angeklagte sich durch den Zeugen T , dem er dafür vorab jeweils 60.000,00 DM übergab und der sich der Mitwirkung des Zeugen Z bediente, jeweils 1 kg Kokain aus den Niederlanden beschaffen. In gleicher Weise erlangte der Angeklagte im Fall 7 nach Vorabzahlung von 33.000,00 DM 500 g Kokain. Das in den Fällen 4 bis 7 gehandelte Kokain hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 20 % und wurde vom Angeklagten – jeweils überwiegend – mit Gewinn weiterverkauft. Am 17. September 2001 wurden in der Wohnung des Angeklagten 139 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 22,6 %, 26.915,75 DM Bargeld und eine Flinte mit 49 Patronen sichergestellt.
I. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand. Namentlich ist die Beweiswürdigung frei von Rechtsfehlern.
Das Landgericht hat seine Überzeugung von den sieben Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln insbesondere aufgrund einer umfassenden Würdigung derjenigen Angaben gewonnen, die der Zeuge T im Laufe des Verfahrens gemacht hat. Stützend hat das Landgericht herangezogen , daß in der Wohnung des Angeklagten 139 g Kokain und 26.915,75 DM Bargeld in breitgestreuter Stückelung sichergestellt worden sind.
Weshalb das Landgericht den Zeugen G und L nicht geglaubt hat, hat es ausreichend dargelegt. Soweit die Revision die Beweismittel anders würdigt, zeigt sie damit keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere besteht der von der Revision gesehene Widerspruch nicht: Die Bezeichnung der Fälle 1 bis 3 als (quantitativ) „am Gesamtkomplex gemessen relativ unbedeutendes Geschehen“ einerseits und die Bewertung der Bekundungen des Zeugen T in diesen Fällen als (beweislich) „ferner entscheidend“ andererseits ist keineswegs widersprüchlich.
Daß das Landgericht, während es die rechtskräftige Verurteilung des Zeugen T wegen Betäubungsmitteldelikten zu drei Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe und die Entwicklung der Aussage dieses Zeugen umfassend mitteilt und seine Aussagemotivation ausführlich würdigt, ohne dabei die Vorschrift des § 31 BtMG zu zitieren, begründet nicht die Besorgnis , daß der Tatrichter die von dieser Norm latent ausgehende Gefahr einer Verführung zur Falschbezichtigung Dritter etwa übersehen hätte.
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand.
Dies gilt namentlich für die Verfallsanordnung. Zutreffend geht die Revision des Angeklagten davon aus, daß der für einen Verfall in Betracht kommende Vermögensvorteil durch eine angeklagte und festgestellte Tat erlangt sein muß (BGHSt 28, 369; BGH StV 1981, 627; BGH, Beschl. vom 10. Juni 1998 – 3 StR 182/98; BGH, Beschl. vom 17. Mai 1999 – 5 StR 155/99; W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 17; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 73 Rdn. 6). Dem hat das Landgericht Rechnung getragen, indem es sich davon überzeugt hat, daß das in den Räumlichkeiten des Angeklagten sichergestellte Bargeld in Höhe von 26.915,75 DM Gewinn „aus den Straftaten“ – scil. aus den sieben festgestellten Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz – war. Einer Feststellung derart, aus welcher einzelnen dieser Taten das Geld erlangt worden war, bedurfte es nicht (BGHR StGB § 73 Vorteil 5).
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft dringt durch.
1. Aus den Feststellungen ergibt sich, daß der Angeklagte aus den sieben Taten nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zumindest folgendes im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB „erlangt“ hat: In den Fällen 1 bis 3 erhielt der Angeklagte von T als Erlös aus den Kokainverkäufen einmal 12.000,00 DM und zweimal 6.500,00 DM, insgesamt also 25.000,00 DM. In den Fällen 4 bis 7 verkaufte der Angeklagte Heroin, das er zu Preisen von 30.000,00 DM (Fall 4), zweimal 60.000,00 DM (Fälle 5 und 6) und 33.000,00 DM (Fall 7) erworben hatte, überwiegend mit Gewinn weiter; allein der Einkaufspreis dieser vier Fälle beträgt zusammen 183.000,00 DM; der Verkaufspreis lag jedenfalls insgesamt höher. Danach hat der Angeklagte aus den genannten Taten jedenfalls mehr als 208.000,00 DM erlangt, nämlich aus den Fällen 1 bis 3 25.000,00 DM Verkaufserlös und aus den Fällen 4 bis 7 den jedenfalls über dem Einkaufspreis von 183.000,00 DM liegenden Verkaufspreis. Dies hat das Landgericht übersehen, indem es lediglich den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 26.915,75 DM als Wertersatz angeordnet und gemeint hat, eine weitere Verfallsanordnung käme nicht in Betracht, „weil insoweit sichere Feststellungen zur Höhe des Erlangten nicht getroffen werden konnten“.
2. Vielmehr war es zwingend geboten, in Höhe des sich nach dem Bruttoprinzip ergebenden Geldbetrages den Verfall (des Wertersatzes) anzuordnen , soweit nicht die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB entgegensteht.

a) Hierfür ist zunächst maßgeblich, daß das Bruttoprinzip gilt, wonach nicht nur der bloße, sich nach Abzug der Aufwendungen ergebende Gewinn, sondern alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten dem Verfall unterliegt (BGH, Urt. vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen = NJW 2002, 3339, 3340; BGHR StGB § 73d Strafzumessung 1; BGH NStZ 1996, 539; W. Schmidt aaO § 73 Rdn. 18; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 17; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 3, 7).

b) Zudem ist die Anordnung des Verfalls (des Wertersatzes) obligatorisch, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen (BGH, Urt. vom 21. August 2002 aaO; BGHR StGB § 73c Härte 5; BGHR StGB § 43a Konkurrenzen 1, 2; W. Schmidt aaO § 73 Rdn. 49, § 73a Rdn. 14; Eser aaO § 73 Rdn. 44, § 73a Rdn. 9; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 5, § 73a Rdn. 3).

c) Ob der Angeklagte den erlangten Vorteil noch immer hat, ist hier einzig unter dem Gesichtspunkt der Härtevorschrift des § 73c Abs.1 Satz 2 StGB von Bedeutung (BGH, Urt. vom 21. August 2002 aaO; W. Schmidt aaO § 73c Rdn. 2 f.; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 10). Für die Anwendbarkeit dieser Ermessensvorschrift (BGHR StGB § 73c Härte 5) kommt es zunächst darauf an, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Die entsprechende Beurteilung setzt die Feststellung der Vermögensverhältnisse des Angeklagten voraus. Hierzu enthält das angefochtene Urteil lediglich die – insoweit unzulängliche – Feststellung , daß der Angeklagte im Februar 2001 ein mit einem Wohnhaus be- bautes Grundstück erwarb, dessen Eigentümerin „mittlerweile“ seine Lebensgefährtin ist.
III. Danach hebt der Senat das angefochtene Urteil insoweit auf, als – jenseits des rechtsfehlerfrei angeordneten Verfalls von 26.915,75 DM als Wertersatz – die Anordnung von Verfall und Verfall des Wertersatzes unterblieben ist. Dies zieht nicht die Aufhebung von Feststellungen nach sich; solche sind rechtsfehlerhafterweise unterblieben.
Die verhängten Strafen können bestehenbleiben; denn die mit dem Verfall verbundene Vermögenseinbuße ist regelmäßig (BGHR StGB § 73d Strafzumessung 1) und so auch hier kein Strafmilderungsgrund.
Der neue Tatrichter wird zunächst den Wert des aus den Straftaten nach dem BtMG Erlangten festzustellen haben. Hierbei ist eine Schätzung nach § 73b StGB möglich. Alsdann sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten – soweit möglich – aufzuklären. Auf der Grundlage dieser Fest- stellungen wird – eingedenk des obligatorischen Charakters der Vorschriften der §§ 73, 73a StGB , jedoch unter Berücksichtigung von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH, Urt. vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen = NJW 2003, 300) – über die Anordnung eines Verfalls (als Wertersatz) nach Ermessensgrundsätzen zu entscheiden sein.
Basdorf Häger Raum Brause Schaal

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

5 StR 451/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 29. November 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. November
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger des Angeklagten L ,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger des Angeklagten Be ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 2000 werden verworfen.
2. Der Staatskasse fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sowie die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu langjährigen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Es hat bei dem Angeklagten L daneben 150.000 DM und bei dem Angeklagten Be 50.000 DM als Wertersatz für verfallen erklärt und beim Angeklagten Be zusätzlich den bei einem “aufgeflogenen” Rauschgiftgeschäft sichergestellten Bargeldbetrag von 36.000 DM eingezogen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision gegen die Höhe des angeordneten Wertersatzverfalls und die unterbliebene Prüfung eines erweiterten Verfalls.
Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg. Der Tatrichter hat auf einer insgesamt gerade noch ausreichenden Tatsachengrundlage aus den Angaben der geständigen Angeklagten die notwendigen Umsätze ermitteln können und ersichtlich einen Betrag nach § 73c StGB im Wege des Härteausgleichs für Aufwendungen abgezogen, die den Angeklagten ihrerseits beim Ankauf des Rauschgifts entstanden sind. Hierin ist kein Rechtsfehler zu erkennen (vgl. auch BGH, Beschl. vom 25. Juli 2001 ± 5 StR 300/01).
Ein Erörterungsmangel hinsichtlich der Voraussetzungen des erweiterten Verfalls nach § 73d StGB liegt gleichfalls nicht vor. Anhaltspunkte dafür, daß die Angeklagten über die als verfallen erklärten Beträge hinaus über weitere Vermögenswerte verfügen, und diese aus anderweitigen rechtswidrigen Taten erlangt sind (vgl. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73d Rdn. 5 f.), lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen und werden auch von der Beschwerdeführerin, die keine Verfahrensrüge erhoben hat, nicht aufgezeigt.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.