Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2001 - 5 StR 360/01

bei uns veröffentlicht am09.10.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 360/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Oktober 2001
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Diebstahls u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober
2001, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Februar 2001 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil aufgehoben, soweit die Anordnung von Sicherungsverwahrung unterblieben ist; ferner wird es zugunsten des Angeklagten im Gesamtstrafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit dreifacher Freiheitsberaubung, wegen Diebstahls in 18 Fällen und wegen versuchten Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist, wie die Auslegung der Revisionsbegründung erweist, zum Nachteil des Angeklagten auf die Überprüfung des Unterlassens der Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der 1968 in Beirut geborene Angeklagte lebt seit 1983 in Berlin. Er verschaffte sich seinen Lebensunterhalt im wesentlichen durch die Begehung von Eigentumsdelikten und wurde vielfach verurteilt, zuletzt im Jahre 1996 wegen mehrerer Trickdiebstähle aus Wohnungen betagter Frauen; zwei dieser Taten wurden mit Einzelfreiheitsstrafen von je einem Jahr, eine mit einer solchen von einem Jahr und sechs Monaten geahndet. Die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wurde vollständig bis zum 2. August 1999 vollstreckt.
Der Angeklagte verschaffte sich vom 21. Oktober 1999 bis zu seiner Festnahme am 18. Januar 2000 auf ähnliche Weise aus 14 Wohnungen vor allem Bargeld und Schmuck im Wert von insgesamt über 39.000 DM. In sechs Fällen konnte der Angeklagte nach Trickdiebstahl der Wohnungsschlüssel keine Beute erzielen. Dabei hatte der Angeklagte die Aufmerksamkeit der hochbetagten, seh- und gehbehinderten Frauen auf von ihm vorgehaltene Visitenkarten oder Zettel mit Scheinanschriften in der Nähe ihrer Wohnungen gelenkt. Einmal blieb seine List, durch blitzschnelles Aufdrehen aller Wasserhähne einen Wasserschaden vorzutäuschen und die dadurch entstandene Verwirrung der Wohnungsinhaberin auszunutzen, erfolglos. In einem Fall mißlang der Schlüsseldiebstahl aus einer Handtasche.
Beim Verlassen einer Wohnung mit Schmuck und Bargeld schlug der Angeklagte mit beiden Fäusten gegen die Brust der 80jährigen Geschädigten , um sich im Besitz der Beute zu halten (Fall 15). Die Geschädigte fiel auf den Rücken und zog sich langandauernd schmerzhafte Prellungen zu. In
einem weiteren Fall (Fall 20) schlug der Angeklagte die Hand der 87jährigen Geschädigten weg und sicherte dadurch erneut seinen Gewahrsam an gestohlenen Geldscheinen. Anschließend schloß er die alte Frau und zwei weitere in der Wohnung weilende über 90 Jahre alte Personen im Wohnzimmer ein, um ungestört mit der Beute flüchten zu können.

II.


Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos. Das Landgericht hat die Taten, denen ein einheitliches “handschriftartiges” Handlungsmuster zugrundeliege, mit zahlreichen Indizien nach fehlerfreier Gesamtwürdigung (vgl. BGHR StPO § 261 ± Beweiswürdigung 2 m.w.N.) sämtlich allein dem Angeklagten zugerechnet.
Entgegen der Auffassung der Revision war das Landgericht auch nicht verpflichtet, die Merkmale der inneren Tatseite hinsichtlich der Nötigungen und der Körperverletzung näher darzulegen. Aus der Schilderung des äußeren Sachverhalts ergibt sich hier vorsätzliches Handeln des Angeklagten von selbst (vgl. BGHR StGB § 15 ± Vorsatz, bedingter 2).
Der Schuldspruch enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Die maßvollen Strafaussprüche sind nicht zu beanstanden.

III.


Die auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Die Begründung, mit der das Landgericht eine Anwendung von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausschließt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat dazu ausgeführt, die dissoziale Persönlichkeitsstruktur
des Angeklagten lasse zwar ähnliche Straftaten der mittleren Eigentumskriminalität erwarten, deren Gewicht erreiche aber “in jedem Einzelfall aus Rechtsgründen noch nicht die Qualität einer besonders schweren seelischen Beeinträchtigung oder eines besonders schweren wirtschaftlichen Schadens”. Damit werden mit den gesetzlichen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zu vereinbarende erhöhte Anforderungen gestellt. Diese Vorschrift verlangt eine Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit aufgrund eines Hanges zu erheblichen Straftaten; hierfür genügen auch Taten, durch die ein schwerer seelischer, körperlicher oder wirtschaftlicher Schaden verwirklicht wird. Wenn das Landgericht “besonders” schwere seelische Beeinträchtigungen oder “besonders” schwere wirtschaftliche Schäden fordert , so überschreitet es den ihm eingeräumten Rahmen tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (BGHR StGB § 66 Abs. 1 ± Erheblichkeit 1). Feststellungen zu seelischen Schäden hat das Landgericht zudem nicht getroffen, obwohl solche Auswirkungen angesichts der meist hochbetagten, zum Teil gebrechlichen und in panische Angst geratenen Opfer (UA S. 23) naheliegen (vgl. BGHR § 66 StGB Abs. 1 ± Erheblichkeit 3). Die Strafkammer hat auch nicht bedacht, daû die beiden als räuberische Diebstähle ausgeurteilten Taten belegen, daû der Angeklagte zur Sicherung seiner Beute bereit ist, Gewalt anzuwenden, die gerade bei den betagten und behinderten Opfern auch zu schweren körperlichen Schäden führen kann. Die vom Angeklagten begangene Diebstahlsserie hätte auûerdem eine Würdigung des Gesamtschadens als schwerer wirtschaftlicher Schaden im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nahegelegt. Bei Diebstählen, die planmäûig auf Wiederholung angelegt sind oder infolge des Hanges in rascher Folge begangen wurden, ist nämlich die Höhe des durch die Tat insgesamt verursachten Schadens maûgebend (BGHSt 24, 153, 157; 24, 345, 347; BGH NStZ 1984,

309).


Unabhängig von diesen Einzelerwägungen wird die Gesetzesauslegung des Landgerichts dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Anliegen
nicht gerecht. Daû gemäû § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ªnamentlichº solche Straftaten als ªerheblichº eingestuft werden, die zu schweren Schäden führen , hat vornehmlich den Sinn, Straftaten von geringerem Schweregrad auszuscheiden , soll aber keine abschlieûende Regelung bedeuten (BGH NStZ 1986, 165). Entscheidend soll vielmehr sein, daû die Straftaten einen hohen Schweregrad aufweisen und den Rechtsfrieden empfindlich stören (BGHR StGB § 66 Abs. 1 ± Erheblichkeit 3). Die Erheblichkeit einer Straftat ist also nicht allein am eingetretenen Erfolg zu messen (vgl. BGH NStZ aaO). Das gehäufte gezielte, in der Regel durch Trickdiebstahl vorbereitete Eindringen des Angeklagten in Wohnungen betagter und gebrechlicher Frauen zur Begehung von gewerbsmäûigen Diebstählen bei Inkaufnahme auch körperlicher Konfrontationen läût schwerlich eine andere Beurteilung zu als die, daû es sich um eine den Rechtsfrieden ganz empfindlich störende, die Allgemeinheit erheblich in Mitleidenschaft ziehende und damit ªerhebliche Straftatº handelt.
2. Zwar schlieût der Senat aus, daû die Einzelstrafen geringer hätten ausfallen können, wenn der Tatrichter Sicherungsverwahrung verhängt hätte (vgl. BGHR StGB § 66 ± Strafausspruch 1; BGH StV 2000, 615, 617; BGH, Urteil vom 7. November 2000 ± 1 StR 377/00 ±). Er vermag indes nicht auszuschlieûen , daû die Gesamtstrafe milder bemessen worden wäre, falls das Landgericht zugleich auf Sicherungsverwahrung erkannt hätte (vgl. BGH NJW 1980, 1055, 1056). Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler aber nicht. Weitergehende, den bis-
herigen nicht widersprechende Feststellungen darf der neue Tatrichter, der gemäû § 246a StPO den psychiatrischen Sachverständigen (nur noch) zur Frage einer Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung erneut zu hören haben wird, treffen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2001 - 5 StR 360/01

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per
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Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 377/00
vom
7. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Bundesanwalt und Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

I.

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Februar 2000, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte im Fall B I der Urteilsgründe der Unterschlagung und im Fall B VIII der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Geiselnahme schuldig ist, und im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe gilt auch für den früheren Mitangeklagten S. . 4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen ist und im gesamten Strafausspruch.

II.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
a) Der Angeklagte hat am 5. Oktober 1998 nachts zusammen mit dem früheren Mitangeklagten S. im Einvernehmen mit dem Nachtkassierer einen bewaffneten Überfall auf eine Tankstelle fingiert, wobei ihm dieser den Kasseninhalt (mindestens 7.100 DM) sowie dreihundert Telefonkarten im Wert von insgesamt 3.600 DM aushändigte. Unbeteiligte Dritte waren nicht anwesend (Fall B I der Urteilsgründe).
b) Zwischen dem 19. Oktober und dem 28. November 1998 hat der Angeklagte sieben bewaffnete Überfälle begangen, sechs davon auf Drogeriemärkte , einen auf einen Lebensmittelmarkt. Einmal war er allein, viermal handelte er mit S. z usammen, in den letzten beiden Fällen handelte er zusammen mit dem Mitangeklagten E. (Fälle B II bis B VIII der Urteilsgründe).
c) Als sich der Angeklagte und E. nach der letzten Tat mit der Beute entfernen wollten, war der Drogeriemarkt von Polizei umstellt. Sie nahmen daher vier Angestellte des Drogeriemarkts mit Waffengewalt als Geiseln und forderten in stundenlangen Verhandlungen von der Polizei vergeblich freien Abzug, ehe sie sich, ersichtlich wegen Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen , ergaben (ebenso wie der Überfall Fall B VIII der Urteilsgründe). 2. Den fingierten Überfall auf die Tankstelle hat die Strafkammer wegen Bruchs des Gewahrsams des Tankstellenpächters als Diebstahl gewertet. Hierfür hat sie eine Einzelstrafe von zwei Jahren verhängt. Die Überfälle hat die Strafkammer je nach dem konkreten Geschehensablauf in drei Fällen als
schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub, in drei Fällen als schwere räuberische Erpressung und in einem Fall als schweren Raub gewertet. Die hierfür jeweils verhängten Einzelstrafen liegen zwischen sechs und sieben Jahren. Wegen der Geiselnahme hat die Strafkammer eine weitere Strafe von fünf Jahren verhängt. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren gebildet. Von Maßnahmen der Besserung und Sicherung hat die Strafkammer abgesehen. 3. Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten, die auf die Sachrüge und eine Reihe von Verfahrensrügen gestützt ist. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision nur dagegen, daß keine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zugleich dazu, daß der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben war.

II.

Zur Revision des Angeklagten: 1. Im Fall B I der Urteilsgründe liegt nicht Diebstahl sondern Unterschlagung (§ 246 StGB) vor.
a) Wie der Generalbundesanwalt vor dem Senat zutreffend ausgeführt hat, hat ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über deren
Inhalt abzurechnen hat, in aller Regel Alleingewahrsam am Kasseninhalt. Ohne seine Mitwirkung darf niemand Geld aus der Kasse nehmen, damit bei Fehlbeträgen die Verantwortlichkeit festgestellt werden kann. Das generelle Kontrollund Weisungsrecht des Dienstherren gegenüber seinem Bediensteten begründet nicht ohne weiteres den Mitgewahrsam des Dienstherrn (BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 m.w.N.).
b) Hinsichtlich der Telefonkarten gilt unter den hier gegebenen Umständen nichts anderes.
c) Einem Schuldspruch gemäß § 246 StGB steht nicht entgegen, daß der Angeklagte vor der Tat noch nicht im Besitz der Beute war (vgl. Lackner/ Kühl, StGB 23. Aufl. § 246 Rdn. 12 m.w.N.; zur Rechtslage vor der Ä nderung von § 246 StGB durch das 6. StrRG vgl. BGHSt 40, 8, 22 f. m.w.N.).
d) Der Senat ändert den Schuldspruch selbst, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß noch tatsächliche Feststellungen möglich wären, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten. § 265 StPO steht nicht entgegen , da sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender hätte verteidigen können. 2. Im Fall B VIII der Urteilsgründe hat die Strafkammer zu Unrecht Tatmehrheit zwischen der schweren räuberischen Erpressung und der Geiselnahme angenommen. Es besteht Tateinheit, da die Geiselnahme auch der endgültigen Beutesicherung diente (BGHSt 26, 24, 27 f.). Der Senat ändert den Schuldspruch selbst; auch hier hätte sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender verteidigen können.
3. Im übrigen hat die auf Grund des Revisionsvorbringen gebotene Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 4. Die Ä nderungen des Schuldspruchs führen hier zu einer Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Zumal, da von den Ä nderungen mehrere Taten betroffen sind und die wegen Geiselnahme verhängte Einzelstrafe entfällt, kann der Senat eine Auswirkung der aufgezeigten Ä nderungen auch auf die übrigen Fälle nicht völlig ausschließen. Damit erledigen sich zugleich die nicht auf den Schuldspruch bezogenen Verfahrensrügen des Angeklagten. Die Grenze der im Fall B VIII neu festzusetzenden Strafe (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) ergibt sich aus der Summe der bisher in diesem Zusammenhang verhängten Einzelstrafen (BGH b. Holtz MDR 1980, 988). 5. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe war auch auf den früheren Mitangeklagten S. z u erstrecken (§ 357 StPO). Der Senat hat jedoch davon abgesehen, die gegen ihn in diesem Fall verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten aufzuheben. Es ist zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen, daß eine neue Verhandlung für S. , der noch an v ier bewaffneten Überfällen beteiligt war und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun J ahren verurteilt wurde, ein günstigeres Ergebnis erbringen würde (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 3; Kuckein in KK 4. Aufl. § 357 Rdn. 17 m.w.N.). S. ist häufig vorbestraft, darunter allein dreimal wegen (einmal auch mehrfachen) schweren Raubes oder schwerer räuberischer Erpressung und hat deshalb schon insgesamt über acht Jahre Strafe verbüßt.

III.

Zur Revision der Staatsanwaltschaft: 1. Die Strafkammer bejaht sowohl im Hinblick auf frühere Verurteilungen des Angeklagten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB, als auch im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB. § 66 Abs. 3 StGB ist dagegen nicht angesprochen. Die bei sämtlichen Alternativen zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden jedoch verneint: Die Taten gingen nicht unbedingt auf den dissozialen Charakter des Angeklagten zurück. Sie seien vielmehr durch eine innere Erregung des Angeklagten ausgelöst worden, die auf der Verhaftung der Ehefrau des Angeklagten am 21. Mai 1998 wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen beruhe. Außerdem sei nach sachverständiger Beratung davon auszugehen, "daß durch den natürlichen Alterungsprozeß insbesondere bei Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe die Gefährlichkeit des Angeklagten sich anders darstellen kann". Der Angeklagte werde voraussichtlich erst mit 55 Jahren aus der Strafhaft entlassen. Zumal, da er noch keine längeren Strafen verbüßt habe, reiche die verhängte Strafe aus, seiner "Gefährlichkeit ... zu begegnen". Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand: 2. Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht, daß die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.
a) Das Urteil vom 21. Juni 1993 hat in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben. Der Angeklagte war damals unter Freispruch im übrigen in
einer Entziehungsanstalt untergebracht worden, nachdem er am 25. Januar 1991, trunkenheitsbedingt möglicherweise schuldunfähig, seine Lebensgefährtin mit einer Schußwaffe in Tötungsabsicht verletzt hatte. Da der Angeklagte nicht zu Freiheitsstrafe verurteilt wurde, liegt insoweit keine Vorverurteilung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 66 Rdn. 12 m.w.N.).
b) Im übrigen hat der Angeklagte am 4. Juni 1986 vergeblich versucht, ein Juweliergeschäft zu überfallen; deshalb wurde er am 30. Oktober 1986 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die er voll verbüßt hat. Außerdem wurde er am 30. Juli 1990 wegen vier Vergehen des fahrlässigen Vollrauschs (er war in diesem Zustand zwischen dem 5. Mai und dem 17. August 1988 gegen seine Lebensgefährtin gewalttätig geworden) und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Auch diese Strafe hat er voll verbüßt. Die Einzelstrafen betrugen einmal ein Jahr, dreimal sechs Monate und einmal vier Monate. Welche Strafe für welches Delikt verhängt wurde, wird nicht deutlich. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche Strafe von einem Jahr wegen einer Vorsatztat für das Waffendelikt verhängt wurde, ist jedenfalls die Tatzeit des (auch im übrigen nicht näher geschilderten) Waffendelikts nicht festgestellt. Diese Tat ist aber jedenfalls deutlich länger als fünf Jahre vor den hier abgeurteilten Taten begangen worden. Ob entgegen § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB gemäß § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB gleichwohl keine Rückfallverjährung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich, da auch der Zeitraum, in dem der Angeklagte sich in Strafhaft und im Maßregelvollzug befand, (zuletzt von "1991" bis "August 1994"), nicht präzise festgestellt ist.
3. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB vor. 4. Die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind nicht rechtsfehlerfrei verneint. Die Strafkammer geht für sich genommen rechtsfehlerfrei davon aus, daß die Taten des Angeklagten dafür sprechen, daß er ein gefährlicher Hangtäter ist. Damit ist regelmäßig die bestimmte Gefahr weiterer schwerer Straftaten gegeben (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 3 m.w.N.). Die von der Strafkammer angeführten gegenteiligen Gesichtspunkte können kein anderes Ergebnis rechtfertigen.
a) Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf den Urteilszeitpunkt an, jedoch darf der Tatrichter den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges Bedeutung beimessen, soweit dieser nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung mit hoher prognostischer Sicherheit eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten läßt (st.Rspr., vgl. zuletzt BGH StV 2000, 615, 616 m.w.N.). Diese Sicherheit ergibt sich aber nicht aus der Annahme, daß sich die Gefährlichkeit des Angeklagten bei seiner Haftentlassung anders darstellen "kann". Daß der Angeklagte dann (voraussichtlich) 55 Jahre alt sein wird, kann daran nichts ändern (BGHR aaO Gefährlichkeit 5); Besonderheiten, die hier eine andere Annahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
b) Bei der Gewichtung der in der hier abgeurteilten Tatserie zum Ausdruck kommenden Gefährlichkeit des Angeklagten stellt die Strafkammer auch auf die Festnahme der Ehefrau als auslösendes Moment ab. Dies ist schon deshalb bedenklich, weil es in der Regel ohne Bedeutung ist, warum sich ein bereits vorhandener Hang gesteigert hat (Stree aaO Rdn. 33 m.w.N.). Zumindest wäre aber zu erörtern gewesen, daß die Taten erst mehrere Monate nach der Festnahme begangen wurden. Darüber hinaus ist festgestellt, daß die
Ehefrau im November 1998 einige Zeit entwichen war und sich beim Angeklagten aufhielt. Auch in dieser Zeit hat der Angeklagte einen Überfall begangen. Damit hat sich die Strafkammer ebenfalls nicht auseinander gesetzt.
c) Soweit die Strafkammer darauf abstellt, daß der Angeklagte längere Haft noch nicht verbüßt hat, ist dies (jedenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 66 Abs. 2 StGB) ein nicht zu beanstandender Ansatz (BGH StV 1982, 114; NStZ 1985, 261). Die Annahme der Strafkammer ist jedoch mit der Feststellung, daß der Angeklagte - abgesehen von einer Unterbringung im Maßregelvollzug - insgesamt schon mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt hat, unvereinbar. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu entschieden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Anordnung von Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.). Da die Strafkammer ausdrücklich einen Bezug zwischen der Dauer der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Schaal

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.