Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2018 - 5 StR 488/17

bei uns veröffentlicht am23.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 488/17
vom
23. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:230118U5STR488.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Januar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Dölp, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Sc.
als Vertreter des Neben- und Adhäsionsklägers,
Amtsinspektorin N. – in der Verhandlung – Justizangestellte R. – bei der Verkündung –
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 29. Mai 2017 wird mit der Maßgabe verworfen , dass die Zinsen auf das Schmerzensgeld erst ab dem 18. Mai 2017 zu zahlen sind und es in der Adhäsionsent- scheidung anstatt „Im Übrigen wird der Adhäsionsantrag abgewiesen“ heißt „Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.“ 2. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch dem Neben- und Adhäsionskläger entstandenen notwendigen Auslagen sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen worden ist.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer insoweit beschränkten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, dass der Angeklagte nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden ist. Der Angeklagte wendet sich mit seinem Rechtsmittel umfassend gegen seine Verurteilung. Beide Revisionsführer rügen die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, während die Revision des Angeklagten lediglich zu einer Klarstellung des Adhäsionsausspruchs führt.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wuchs der 74-jährige, bislang unbestrafte Angeklagte auf dem Hof der Eltern auf. Diesen verließ er im Streit, weil er sich ungerecht behandelt fühlte, schloss erfolgreich eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ab und war anschließend acht Jahre in Madagaskar in der Entwicklungshilfe tätig. Einer weiteren Ausbildung zum Betriebswirt und dem Erwerb mehrerer Eigentumswohnungen in Teneriffa folgte der Kauf des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in Bremen, des späteren Tatorts. Eine anschließende Anstellung mit Einsatz in Algerien endete nach sechs Monaten im Streit, weil sich der Ange- klagte „nichts vorschreiben lassen“ wollte. In den Folgejahren lebteder Angeklagte von Mieteinnahmen und zwischenzeitlich auch von dem Betrieb einer Kiesgrube auf dem elterlichen Hof und auf angrenzenden Grundstücken. Er wohnte seit Ende der 1980-er Jahre in einem Eigenheim in Leer, benutzte aber ab und zu auch eine leerstehende Wohnung in seinem Bremer Haus.
3
Der Angeklagte lebte seit seinem frühen Erwachsenenalter als Einzelgänger ohne engere partnerschaftliche oder freundschaftliche Bindungen. Das Verhalten anderer erlebte er schon früh als gezielte Handlungen gegen sich. Im Rahmen des Kiesgrubenbetriebs war er in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten verwickelt , die er häufig verlor. Weil er nicht einsehen konnte, dass er nicht im Recht war, verdächtigte er teilweise seine eigenen Anwälte der Zusammenarbeit mit der Gegenseite. Zunehmend verfestigte sich sein Eindruck, ihm stehe eine „Justizmafia“ gegenüber, die ihm sein Recht verweigere. Unzählige Einga- ben, Dienstaufsichtsbeschwerden und Strafanzeigen sowie der Betrieb einer Internetseite zur Offenlegung des von ihm so empfundenen „Justizskandals“ folgten. Da die Texte teilweise antisemitische Inhalte hatten, kam es zu einem Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung. In einem dort erstatteten Gutachten kam der psychiatrische Sachverständige zur Einschätzung, der Angeklagte leide an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung. Auch dies sah der Angeklagte als Ausdruck krimineller Machenschaften zwischen Gericht und Gutachter, um ihn mundtot zu machen.
4
Der Angeklagte kümmerte sich selbst um die Verwaltung der von ihm vermieteten Immobilien. Sah er sich gegenüber seinen Mietern im Recht, wurde er teilweise auch aufbrausend, verbal aggressiv und einschüchternd. Die Wohnung im zweiten Obergeschoss seines Hauses hatte der Angeklagte an den Nebenkläger Sl. im Jahr 2005 vermietet. Er ging dabei – wie bei anderen Mietern – davon aus, dass Sl. nach Ende seines damaligen Studiums wieder ausziehen würde. Langfristige Mieter wollte der Angeklagte nicht. Der Nebenkläger brach indes sein Studium ab und lebte von wechselnden Tätigkeiten. Der Angeklagte war hierüber verärgert. Im Herbst 2013 wollte er selbst die Wohnung des Nebenklägers nutzen und erklärte diesem , dass er ausziehen solle. Es folgte im Februar 2014 eine zumindest münd- liche Kündigung, die der Nebenkläger mit anwaltlicher Hilfe zurückwies. Der Angeklagte war der Meinung, die Kündigung sei zu Ende März 2014 wirksam geworden, und versuchte am 1. April 2014, sich Zugang zu der Wohnung zu verschaffen. Dies gelang nicht, weil der Schlüssel des Nebenklägers von innen steckte. In der Annahme, das Schloss sei ausgetauscht worden, begann der Angeklagte, das Schloss mit einer Bohrmaschine aufzubohren. Als Sl. die Tür öffnete, ging der erregte Angeklagte mit laufender Bohrmaschine auf ihn zu. Der Bohrer verhedderte sich im T-Shirt des Nebenklägers und verursachte eine Schürfwunde am Bauch. Sl. stellte Strafanzeige und erwirkte mit anwaltlicher Hilfe eine einstweilige Verfügung, die dem Angeklagten das Betreten der Wohnung ohne Einwilligung verbot. Zudem erging Mitte Juni 2015 ein umfassendes Kontaktverbot gegen den Angeklagten nach dem Gewaltschutzgesetz.
5
Der Angeklagte sah das Verhalten des Nebenklägers als illegale Wohnraumbesetzung an und war überzeugt, dass die gegenteiligen Gerichtsentscheidungen auf Prozessbetrug beruhten. Zudem wuchs bei dem Angeklagten vor dem Hintergrund seiner paranoiden Persönlichkeitsstörung die Überzeu- gung, dass die Bremer Justiz in diese „kriminellen Machenschaften“ verwickelt sei. Er sah die Bremer Justiz von einer „Ganovenorganisation“, einer „Wohnungsenteignungsbande“ untergraben, hinter der die Scientology-Sekte stecke, deren Mitglieder durch bestellte Urteile lebenslang illegal in Wohnungen „eingenistet“ würden. Es folgten Strafanzeigen, Dienstaufsichtsbeschwerden und Ein- gaben, u.a. auch beim Bundesverfassungsgericht, beim Bundesjustizminister und beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Der Angeklagte sah sich aus seiner zunehmend wahnhaft verzerrten Sicht ohnmächtig einer vermeintlich rechtswidrigen Wohnungsenteignung ausgeliefert. In zunehmend aggressiven Schreiben erklärte er, dass beteiligte Rechtsanwälte und Richter „an die Wand gestellt gehörten“. Als ihm in der Strafsache wegen des Geschehens mit der Bohrmaschine kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, erklärte er sinngemäß, ob er dann wohl mit einer „Kalaschnikow“ vorbeikommen müsse. Aufgrund des aus seiner Sicht rechtswidrigen Justizhandelns sah er sich hierzu als berechtigt an. Im Juli 2015 wurde der Angeklagte wegen des Vorfalls mit der Bohrmaschine zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld an den Nebenkläger verurteilt. Auch hiergegen ging der Angeklagte mit zahlreichen Eingaben vor und mahnte eine Aufarbeitung des vermeintlichen Justizskandals an. Während eines der gerichtlichen Zusammentreffen mit Sl. sagte der Angeklag- te zu ihm: „Entweder du ziehst aus oder du bist tot.“
6
2. Im April 2016 entschloss sich der Angeklagte aufgrund der Erfolglosigkeit seines bisherigen Vorgehens, weitergehend gegen den Nebenkläger vorzugehen. Um ihm den Ernst der Lage zu demonstrieren und ihn zum Auszug zu bewegen, richtete der Angeklagte im Treppenflur die Gabelspitzen einer Mistforke gegen Sl. und schwenkte sie kurz vor seinem Kopf hin und her. Dies führte zu einem weiteren Strafverfahren. Wahrscheinlich schon im Rahmen dieses Vorfalls, jedenfalls im Verlauf des Sommers 2016 bis zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Tat hatte sich der Eindruck der Existenz einer Bremner Justizmafia, einer „Wohnraumenteignungsbande“, gelenkt von der Scientology -Sekte, bei dem Angeklagten so verfestigt, dass er davon unkorrigierbar überzeugt und bei ihm eine wahnhafte Störung entstanden war. Als der Angeklagte im Oktober 2016 feststellte, dass der Nebenkläger die Miete für diesen Monat noch nicht überwiesen hatte und aus seiner Wohnung Wasser in die un- tere Wohnung eingedrungen war, verfestigte sich seine Überzeugung, „Sl. muss raus“. Er wollte die Sache nunmehr selbst in die Hand nehmen und ent- schloss sich, deutlich massiver gegen seinen Mieter vorzugehen. Er besorgte sich einen gut geschliffenen Spaten und ein spitzes Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 11,5 cm. Mit dem Spaten wollte er Sl. angreifen, wobei es ihm nicht darauf ankam, ihn zu töten; dies nahm er aber billigend in Kauf.
7
Am 7. Oktober 2016 hielt sich der Angeklagte in dem Haus R. in einer leerstehenden Wohnung im 1. Obergeschoss auf und wartete auf den Nebenkläger. Als er hörte, dass dieser das Treppenhaus betrat, versteckte sich der Angeklagte hinter seiner Wohnungstür, die sich direkt gegenüber der verschlossenen Tür eines Windfangs befand, durch den Sl. in seine im 2. Obergeschoss gelegene Wohnung gehen musste. Der Angeklagte bemerkte , dass der Nebenkläger die Tür des Windfangs aufschloss, und trat unter bewusster Ausnutzung des Überraschungsmoments von hinten an den völlig ahnungslosen Sl. heran. Er schlug mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig den Spaten in Richtung des Kopfes. Dabei schrie er: „Jetzt habe ich dich, jetzt bist du dran, mein Haus, mein Eigentum.“
8
Der Spaten traf den Nebenkläger an Kopf und Schulter und verursachte eine leichte Schädelprellung und Schmerzen in der Schulter. Platz zum erneuten Ausholen mit dem Spaten hatte der Angeklagte, der auf sein Opfer zugegangen war, nun nicht mehr. Er stieß den Spaten noch ein-, zweimal gegen Sl. , dem es gelang, den Spaten zu ergreifen und festzuhalten. Nunmehr griff der Angeklagte dem Nebenkläger schmerzhaft in Gesicht und Mund. Während eines Gerangels fielen beide die steile Treppe herunter. Der Angeklagte erlitt dabei einen Schienbeinkopfbruch. Hiervon unbeeindruckt nahm er erneut den Spaten und schlug wiederum zwei- bis dreimal nach dem Nebenkläger. Bei einem weiteren Gerangel nahm der Angeklagte Sl. , der hierdurch zunehmend Luftnot bekam, in den Schwitzkasten und stach – weiterhin mit bedingtem Tötungsvorsatz – nunmehr mit seinem Küchenmesser in Rich- tung Bauch bzw. Oberkörper seines Opfers. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es diesem, die Hand des Angeklagten fest- und das Messer von sich fernzuhalten. Letztlich fügte der Angeklagte dem Geschädigten eine zwölf Zentimeter lange oberflächliche Schnittwunde im Bereich des Bauchnabels zu. Der Nebenkläger schrie lauthals um Hilfe und versuchte weiter sich zu wehren, während der Angeklagte – hiervon unbeeindruckt – erneut mit dem Messer gegen ihn vorging. Von herbeigekommenen Passanten wurde der Angeklagte schließlich vom Nebenkläger weggezogen und am Boden fixiert.
9
Aufgrund einer akuten wahnhaften Störung und einer paranoiden Persönlichkeitsstörung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung erheblich vermindert.
10
3. Das sachverständig beratene Schwurgericht hat eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt, weil nicht ausreichend sicher festgestellt werden könne, dass der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich sei. Zwar wirkten – wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt habe – die vom Angeklagten geäußerten Überzeugungen unkorrigierbar und es bestehe die Gefahr, dass er störungsbedingt weiter versuchen würde, Sl. aus der Wohnung zu bekommen. Ein tatsächliches Unrechtsbewusstsein sei trotz Wissen um die Strafbarkeit des Handelns nicht zu erkennen. Es sei auch nicht zu erwarten, dass der Angeklagte zukünftig zu weniger drastischen Maßnahmen greifen würde. Ohne eine Behandlung bestehe die Gefahr zukünftiger Aggressionstaten zumindest zum Nachteil von Sl. als Mieter. Die Dynamik würde sich deutlich entaktualisieren, wenn sich Sl. eine andere Wohnung suchen und der Angeklagte dauerhaft in Leer wohnen bleiben würde.
11
Angesichts der spezifischen Täter-Opfer-Beziehung habe die Kammer Zweifel, dass eine Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit wirklich vorliege, auch wenn er weiterhin als Vermieter tätig sei und deshalb Gefahren für andere denkbar erschienen. Zwar sei davon auszugehen, dass das Krankheitsbild weiterhin bestehen bleibe. Allerdings sprächen gute Anhaltspunkte dafür, dass es bis zur Entlassung des Angeklagten aus der Haft durchaus erwartbare Veränderungen im Lebensumfeld des Angeklagten gebe, die weitere Taten zum Nachteil von Sl. und anderen nicht hochgradig wahrscheinlich erscheinen ließen. Es sei wahrscheinlich, dass Sl. bis zur Haftentlassung des Angeklagten umziehe. Der Angeklagte könne die Kündigung im Wege der Eigenbedarfskündigung wirksam durchsetzen. Auch eine dauerhafte Verwaltung der Immobilie durch seine Nichte sei möglich. Sollten sich im Verlauf des Strafvollzugs Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Entaktualisierung unterblieben sei, müsse dann auch bei geringfügigen Anlassdelikten wie etwa massiven Bedrohungen eine Unterbringung nach § 63 StGB ernsthaft geprüft werden.

II.


12
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
13
Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch die Strafzumessung weist keine revisionsrechtlich beachtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten aus.
14
Der Klarstellung bedarf lediglich die Adhäsionsentscheidung. Gibt das Gericht – wie hier – einem Adhäsionsantrag nur teilweise statt, obliegt der weitergehende Teil nicht der Abweisung. Vielmehr ist insoweit von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl.
hierzu näher BGH, Urteil vom 13. Mai 2003 – 1 StR 529/02, NStZ 2003, 565, 566). Zudem sind die geltend gemachten Prozesszinsen erst ab dem auf die Anhängigkeit folgenden Tag (hier also ab dem 18. Mai 2017) zu entrichten (vgl. § 404 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 411/15 mwN).

III.


15
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
16
1. Die Revision ist wirksam auf die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschränkt.
17
2. Die Ablehnung einer Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
18
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und des von ihm begangenen Anlassdelikts zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 5 StR 388/17 mwN).
19
Die Gefährlichkeitsprognose ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Urteils zu beziehen; nur mögliche positive Entwicklungen in der Zukunft haben dabei außen vor zu bleiben (vgl. BGH, Urteile vom 10. August 2005 – 2 StR 209/05, NStZ-RR 2005, 370, 371, und vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. August 2017 – 4 StR 193/17 mwN).
20
b) Diesen Maßstäben werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht:
21
Das Landgericht hat seine Gefährlichkeitsprognose nicht auf den Zeitpunkt des Urteils bezogen, sondern auf mögliche, keineswegs jetzt schon sichere Entwicklungen abgestellt, die zu einer Verringerung der Gefährlichkeit des Angeklagten führen können. Festgestellt ist, dass sich die Aggressionen des weiterhin seinen Wahnvorstellungen verhafteten Angeklagten immer noch gegen seinen Mieter Sl. richten (UA S. 54). Gefährlich für die Allgemeinheit ist ein Angeklagter auch dann, wenn von ihm nur gegen bestimmte Einzelpersonen erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1995 – 2 StR 206/95, NStZ 1995, 609 mwN). Ob der Nebenkläger auszieht, ist derzeit ebenso ungewiss wie ein dauerhafter Übergang der Immobilienverwaltung an seine Nichte. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf mithin erneuter Prüfung.
22
3. Der Senat schließt aus, dass das Schwurgericht bei Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB eine noch niedrigere als die verhängte Freiheitsstrafe verhängt hätte und dass angesichts des Krankheitsbildes Feststellungen getroffen werden, die zur Annahme von Schuldunfähigkeit führen könnten.
Mutzbauer Sander Dölp
Berger Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2018 - 5 StR 488/17

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Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung


(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die

Strafprozeßordnung - StPO | § 404 Antrag; Prozesskostenhilfe


(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des
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(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

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1.
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an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- für den Angeklagten K. -
Rechtsanwalt
- für die Angeklagte T. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. Juli 2002 werden verworfen. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel sowie die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen. Die Formel des landgerichtlichen Urteils wird in III. wie folgt ergänzt : "Hinsichtlich der weitergehenden Schmerzensgeld- und Zinsforderung des Nebenklägers wird von einer Entscheidung abgesehen." Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten A. K. - unter Freisprechung im übrigen - wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen und wegen Körperverletzung in fünf Fällen, in zwei der Fälle in Tateinheit mit Freiheitsberaubung , zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Angeklagte S. T. hat das Landgericht wegen schweren se- xuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen sowie wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auch sie wurde im übrigen freigesprochen.
Außerdem wurden die Angeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,-- nsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2002 zu bezahlen.
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat festgestellt:
Der im Januar 1993 geborene Nebenkläger J. K. ist Sohn des seit 1998 von der Mutter des Kindes geschiedenen Angeklagten A. K. . Seit Mai 2000 lebte dieser mit der Angeklagten S. T. zusammen und zwar vom 16. Juli 2000 bis 24. Juni 2001 in einer Wohnung in E. . J. K. besuchte seinen damals gemeinsam mit der Mutter sorgeberechtigten Vater regelmäßig in der Wohnung der Angeklagten. Dort wurde das Kind in der Zeit von Sommer 2000 bis Ende Juni 2001 von den Angeklagten körperlich mißhandelt und sexuell mißbraucht. An im einzelnen nicht mehr genau feststellbaren Tagen - "die letzte solche Handlung geschah in den bayerischen Pfingstferien 2001" - ereignete sich zumindest folgendes:
Zweimal steckte der Angeklagte A. K. einen Finger in den Anus seines Sohnes, der hierzu von der - insoweit nicht angeklagten - S. T. auf dem Bett der Angeklagten festgehalten wurde, und "popelte darin herum". Ein weiteres Mal machte dies der Angeklagte A. K. in Abwesenheit der Angeklagten. Einmal geschah dies durch die Angeklagte S. T. , während A. K. Zigaretten holte. An zwei anderen Tagen nahm die Angeklagte S. T. den Penis des Kindes in den Mund und lutsche daran, während der insoweit nicht angeklagte A. K. diesem die Augen zuhielt. Außerdem fesselten die Angeklagten J. K. mindestens zwei Mal mit Ketten - sie hingen an der Wand des Schlafzimmers - an Armen und Füßen sowie über den Bauch an einen Stuhl, verbanden ihm mit einem Tuch die Augen und ließen ihn so jeweils etwa eine Stunde lang alleine sitzen. J. verspürte Angst und Schmerzen. An drei weiteren Tagen schlug der Angeklagte A. K. dem Kind in der Küche mit einer stets auf dem Eßtisch bereit liegenden Schöpfkelle - Gedächtniskeule genannt - kräftig schmerzhaft auf den Kopf.
Mit Ausnahme eines vom Angeklagten A. K. eingeräumten Schlages mit der Schöpfkelle bestreiten die Angeklagten die Tatvorwürfe. Insbesondere stellen sie jeglichen sexuellen Mißbrauch in Abrede. Die Strafkammer stützt sich bei Ihren Feststellungen zum Tatgeschehen im wesentlichen auf die "glaubhaften und unbefangenen" Angaben von J. K. .

II.


1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos.

2. Auch die Überprüfung des Urteils des Landgerichts aufgrund der Sachrüge deckt bei beiden Angeklagten keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu deren Nachteil auf. Insbesondere genügt die Beweiswürdigung den Anforderungen , die an die Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage eines Hauptbelastungszeugen zu stellen sind, wenn im wesentlichen Aussage gegen Aussage steht, objektive Beweisanzeichen fehlen und die Strafkammer im Hinblick auf ihre Aufklärungspflicht die Zuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen für geboten erachtet hat (vgl. dazu BGHSt 45, 164; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 StR 274/02). Die Strafkammer würdigt - wenn auch knapp - alle hier in Betracht kommenden Gesichtspunkte, die gegen einen fehlenden Erlebnishintergrund der Angaben des Kindes sprechen (Unwahrhypothese ). Sie setzt sich ebenso mit der Aussagegenese auseinander, wie mit wechselnden Darstellungen, Fehlerinnerungen und Widersprüchen in den Angaben des kindlichen Zeugen. Dabei stützt sich die Strafkammer nicht nur auf das Sachverständigengutachten - deren Anknüpfungstatsachen und sonstige zum Verständnis und zur Beurteilung der Schlüssigkeit notwendigen Aspekte sie im hier gebotenen Umfang mitteilt - einer Psychologin sowie ergänzend auf die sachverständigen Darlegungen eines Kinderarztes und Psychologen , sondern auch auf die Beobachtungen des behandelnden Kinderarztes und der Lehrerin des Kindes sowie weiterer sachkundiger Zeugen, die dieses betreuten oder behandelten. Die Strafkammer erkennt in J. K. schließlich "ein aufgewecktes, frisches und auch kontaktfreudiges, örtlich und zeitlich orientiertes, aussagetüchtiges" - und schon gar nicht geisteskrankes - Kind, das sich in der Hauptverhandlung ohne Scheu zunächst spontan, bei Rückfragen überlegt äußerte und dessen Aussage im Kernbereich von Kon-
stanz und Detailreichtum geprägt ist und insoweit tatsächlich Erlebtes wiedergibt.
Rechtsfehlerfrei gelangt die Strafkammer schließlich zu folgender Bewertung : "Die Entstehung der Aussage von J. K. deutet nicht darauf hin, daß das Kind von seiner Mutter zu einer Belastung der beiden Angeklagten beeinflußt worden wäre." Die Angaben des aussagetüchtigen Zeugen J. K. "gegenüber der Kriminalpolizei, der Sachverständigen und dem Gericht sind im Kernbereich konstant geblieben. Gegenstand der Aussage waren jeweils Schläge seines Vaters mit der Schöpfkelle, das gemeinschaftliche Fesseln im Schlafzimmer sowie der sexuelle Mißbrauch durch Oralverkehr seitens der Angeklagten T. und das Eindringen in seines Anus durch einen Finger seines Vaters." Die detailreichen Schilderungen des Jungen weisen signifikante Realkennzeichen auf mit raum-zeitlichen Verknüpfungen sowie Interaktionsschilderungen. Vor diesem Hintergrund wird - wie die Strafkammer im einzelnen überzeugend darlegt - die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht dadurch erschüttert, daß er sich hinsichtlich der Anzahl der Tathandlungen nicht genau erinnerte, sich bei der Anordnung der Möblierung teilweise irrte, sich bezüglich des Ortes der Fesselung im Schlafzimmer und der Anzahl sowie der Länge der dabei verwendeten Ketten korrigierte, sich über die Beschädigungen an der Schlafzimmertür bei seinem - im übrigen besonders plastisch und überzeugend geschilderten - Versuch, seine Schwester, zu befreien, falsche Vorstellungen machte, und er die weitere Tathandlung der Angeklagten S. T. erst in der Hauptverhandlung benannte. Erinnerungsdefizite zu verschleiern oder zu beschönigen, versuchte er nie.
Der mangelnden Erinnerung des geschädigten Kindes an die genaue Zahl der Übergriffe der Angeklagten hat die Strafkammer in der Konsequenz zutreffend dadurch Rechnung getragen, daß sie die Verurteilung auf die zweifelsfrei sicher feststellbare Mindestzahl von Taten beschränkte und die Angeklagten im übrigen freisprach, beziehungsweise - hinsichtlich des auch bei S. T. angeklagten Vorwurf des Schlagens mit der Schöpfkelle - das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat.

III.


Die Verurteilung der Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld ist frei von Rechtsfehlern. Beide haften als Gesamtschuldner. Die Strafkammer hat zwar zur Begründung des Anspruchs auch auf den durch die einzelnen Tathandlungen - etwa die Schläge mit der Schöpfkelle allein durch den Angeklagten A. K. - unmittelbar verursachten Schmerz abgestellt. Ausschlaggebend waren jedoch die infolge aller Taten - insbesondere derjenigen des sexuellen Mißbrauchs - und deren unmittelbare Auswirkungen insgesamt verursachten länger andauernden körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen , wie Angstzustände, Alpträume, erhöhte Aggressivität und Einkoten. Dies haben beide Angeklagte gemeinsam verursacht. Für die Entschädigung hierfür (§ 847 Abs. 1 BGB) haften sie deshalb als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) und zwar - zumindest - in den beiden Fällen der Fesselung an den Stuhl als Mittäter (§ 830 Abs. 1 BGB), im übrigen als Nebentäter (vgl. Palandt - Thomas BGB 61. Aufl. § 840 Rdn. 2).
Das Landgericht hat der bezifferten Schmerzensgeldforderung ("minde- ! " $# %'&' ( ) * # + ', -/. %'&1032 4 %'&5 6 * stens 12.500,-- 7 8 9 * )&4 -3# . vollem Umfang, sondern nur in Höhe von 10.000,-- entsprochen. Zutreffend hat die Strafkammer davon abgesehen, die weitergehende Klage in der Urteilsformel abzuweisen, sie hat vielmehr - im Ergebnis - von einem Ausspruch über den weitergehenden Antrag abgesehen (§ 405 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StPO). Denn im Adhäsionsverfahren kommt - entgegen den mißverständlichen Ausführungen des Landgerichts in den Urteilsgründen - eine Klageabweisung nicht in Betracht. Der Nebenkläger kann, soweit seinem Antrag nicht entsprochen wurde, sein Ziel anderweitig weiter verfolgen (§ 406 Abs. 3 Satz 2 StPO). Der Sache nach handelt es sich hier bei der Entscheidung der Strafkammer im Adhäsionsverfahren um ein Teilendurteil (vgl. LRHilger StPO 25. Aufl. § 406 Rdn. 8; Rieß, Das neue Strafverfahrensrecht, NStZ 1987, 145 [156]). Das - auch teilweise - Absehen von einer Entscheidung ist im Hinblick auf § 406 Abs. 3 Satz 2 StPO zur Verdeutlichung ausdrücklich zu tenorieren. Denn dieser Ausspruch - Absehen von einer Entscheidung - beendet die Rechtshängigkeit des vermögensrechtlichen Anspruchs (LR-Hilger StPO 25. Aufl. § 405 Rdn. 15). Der Senat hat deshalb die Formel des landgerichtlichen Urteils entsprechend ergänzt.
Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 411/15
vom
2. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. Dezember 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 27. Februar 2015 wird verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. 2. Jedoch wird die Adhäsionsentscheidung wie folgt abgeändert:
a) Der Angeklagte S. wird verurteilt, an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 € sowie Schadensersatz in Höhe von 15,30 € (Fahrtkosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 12. Juli 2014 sowie Schadensersatz in Höhe von 119,80 € (beschädigte Kleidung) nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten für die Zeit vom 22. Dezember 2013 bis zum 11. Juli 2014 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 12. Juli 2014 zu zahlen.

b) Insoweit ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
c) Hinsichtlich der weiter gehenden Zinsforderung wird von einer Entscheidung abgesehen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Der Senat berichtigt den Ausspruch über die Zinsen in der Adhäsionsentscheidung entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 14. Oktober 2015. In entsprechender Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB stehen dem Adhäsionskläger Prozesszinsen allerdings erst ab dem auf die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs (§ 404 Abs. 2 StPO) folgenden Tag zu, hier also erst seit dem 12. Juli 2014 (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519; Deppenkemper in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 10. Aufl., § 187 Rn. 4).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke Mutzbauer Quentin

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 388/17
vom
13. Dezember 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:131217U5STR388.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dölp, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28. April 2017 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Die hiergegen gerichtete und mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts traf der bislang nur wegen einer Sachbeschädigung zu einer niedrigen Geldstrafe vorgeahndete Beschuldigte im August 2015 in den frühen Morgenstunden in Dresden auf die ihm bis dahin unbekannte Passantin Re. . Er näherte sich ihr von hinten, drehte sie herum und versuchte, ihren Rock zu zerreißen, um mit ihr den ungeschützten Geschlechtsverkehr durchführen zu können. Als sich die Geschädigte wehrte , stieß er sie zu Boden, um sein Vorhaben fortzusetzen, und berührte auch ihr bedecktes Geschlechtsteil, um hieraus Lustgewinn zu erzielen. Ein Passant zog den Beschuldigten von der jungen Frau weg, die Verletzungen am Kopf, dem Ellenbogen und einem Finger erlitt.
3
Zu einem zweiten Vorfall kam es im Dezember 2016. Der Beschuldigte rauchte in einem Einkaufszentrum trotz Rauchverbots. Als er daraufhin von Sicherheitsmitarbeitern und zwei Kunden festgehalten wurde, um seine Personalien wegen eines Hausverbots aufzunehmen, begann er, um sich zu schlagen. Deshalb zu Boden gedrückt warf er im Fallen zwei Getränkedosen in Richtung der Mitarbeiter, die niemanden trafen. Ob der Wurf gezielt gegen Personen gerichtet war, ließ sich nicht feststellen.
4
Im Januar 2017 riss der Beschuldigte schließlich den Telefonhörer eines öffentlichen Münzfernsprechers ab, wodurch ein Schaden von knapp 300 Euro entstand.
5
Bei allen drei Vorfällen war jedenfalls die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgrund einer chronisch-produktiven, auch negativ-symptomatischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie aufgehoben.
6
2. Nach den Feststellungen des insoweit sachverständig beratenen Landgerichts besteht keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Beschuldigte wieder eine vergleichbar schwere Tat wie die Sexualstraftat vom August 2015 begeht. Zu erwartende Taten im Ausmaß der übrigen Vorfälle seien nicht erheblich genug, um eine Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen.
7
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt keinen Rechtsfehler auf.
8
a) Das Landgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und des von ihm begangenen Anlassdelikts zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 StR 249/17 mwN).
9
b) Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht. Das Landgericht hat bei seiner Gefährlichkeitsprognose die Besonderheiten der Erkrankung des Beschuldigten , seine bisherige Delinquenz seit Krankheitsausbruch und seine Lebensumstände in den Blick genommen. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit der krankheitsbedingten Begehung von Straftaten geringeren Gewichts die schwerwiegende Maßregel des § 63 StGB nicht rechtfertigen kann. Dass es mit sachverständiger Hilfe nach umfassender Prüfung zu dem Schluss gekommen ist, erhebliche Straftaten wie diejenige vom August 2015 seien nicht höhergradig wahrscheinlich, lässt unabhängig von der rechtlichen Bewertung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten Rechtsfehler nicht erkennen.
Mutzbauer Dölp König
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 437/03
vom
17. Februar 2004
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. Februar 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 17. Januar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat es abgelehnt, den Beschuldigten gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, da er "lediglich lästige", geringfügige Taten begangen habe und schwerwiegendere Taten auch in Zukunft nicht zu erwarten seien.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


1. Bei dem jetzt 48 Jahre alten Beschuldigten liegt als Folge einer frühkindlichen Hirnentzündung eine hirnorganisch begründete psychische Wesensveränderung vor, die im wesentlichen von "paranoiden Befürchtungen sowie einer Störung der Affektivität" geprägt ist. Der Beschuldigte fühlt sich "von Personen aus seiner nächsten Umgebung beeinträchtigt und bedroht", was
immer wieder zu "aggressiven Spannungszuständen" führt. Insgesamt liegt eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB vor.
2. Im Zustand der krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit hat der Beschuldigte etwa den Hausmeister der Wohnanlage, in der er seit 1990 wohnt, beschimpft und mit dem Tode bedroht, ebenso weitere Personen - überwiegend Nachbarn - beschimpft, ohne daß in allen Fällen klar würde, wodurch die Vorgänge ausgelöst wurden. Soweit festgestellt, handelt es sich darum, daß sich die Nachbarn, teilweise durch Einschalten der Polizei, gegen Belästigungen durch den Angeklagten - Lärmen oder Herumwerfen von Abfällen - zu schützen versuchten. Neben bloß verbalen Ausfällen kam es aber auch zu Sachbeschädigungen - so zerstach er einen Reifen des Pkw's der Nachbarin V., die sich dagegen verwahrt hatte, daß er immer wieder Knochen in ihren Garten warf - und zu Körperverletzungen. Er gab etwa der Nachbarin H. eine Ohrfeige, als sie ihn zur Ruhe mahnte, nachdem sie durch sein intensives Lärmen im Hausflur aus dem Schlaf gerissen war. Den Polizeibeamten S. versuchte er mit der Faust ins Gesicht zu schlagen, wobei er ihn jedoch nur streifte. Vorausgegangen war, daß der Beschuldigte den Vater S.s - wie dieser seinem Sohn mitgeteilt hatte - aus nicht erkennbaren Gründen beleidigt und zu schlagen versucht haben soll.
3. Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, daß bei der Bewertung der Taten des Beschuldigten auch frühere Taten mit zu berücksichtigen sind. Insoweit hat sie, teils anhand früherer Urteile, in einem Fall durch Beweisaufnahme über einen von einem anderen Gericht gemäß § 154 StPO eingestellten Vorwurf; unter anderem folgendes festgestellt:

a) 1989 zerschlug der Beschuldigte in der Wohnung seiner Eltern vier Türen und trat auf den Vater ein. Einige Stunden nach diesem Vorfall zerschlug
er die Schlafzimmertür und ging mit einem Hammer auf den Vater los. Als dieser ihm den Hammer entreißen und flüchten konnte, warf er die Mutter zu Boden und brach ihr den Oberarm. Als schließlich die Polizei kam, kratzte er, biß und schlug auf die Polizisten ein. Einer von ihnen wurde an Händen und Armen verletzt. Er entriß einem Polizisten die Dienstwaffe, deren "Benutzung ... scheiterte, da der Abzug ... blockiert war".
Wegen dieser Taten wurde der Beschuldigte in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, wobei die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Näheres ist nicht mitgeteilt.

b) Erneut wurde 1998 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zur Bewährung ausgesetzt. Der Beschuldigte hatte auf offener Straße einen Herrn W. - ob Nachbar oder nicht, bleibt offen - ohne erkennbaren Grund beleidigt, angegriffen, zu Boden geworfen und sich auf ihn gesetzt. W. erlitt eine Trümmerfraktur eines Fingers und mußte wochenlang einen Gips tragen.

c) Wegen dieser Verurteilung wurde ein weiteres Verfahren gemäß § 154 StPO eingestellt. Der Beschuldigte hatte auf der Straße einen verstorbenen Arbeitskollegen gegenüber dessen Witwe beschimpft und ihr und ihrem Begleiter vorgeworfen, ihm einige Wochen zuvor in einem Park nachgeschaut zu haben. Als sich der Begleiter diese Beleidigungen und Belästigungen verbat , "schob" er sein Fahrrad gegen ihn und schlug ihn mit der Faust ins Gesicht.
4. Nach Auffassung der Strafkammer liegen insgesamt nicht erhebliche, sondern nur lästige Taten vor, die sich im "unteren Bereich" bewegten; letztlich seien es "Nachbarstreitigkeiten", denen mit den "Mitteln des Zivilrechts" zu begegnen sei. Zwar sei auch in Zukunft mit vergleichbaren "Konflikten" und dem
entsprechend mit vergleichbaren - nicht aber schwerwiegenderen Taten - zu rechnen, eine im Sinne des § 63 StGB bedeutsame Gefahr für die Allgemeinheit begründe dies jedoch nicht. Auch unter Berücksichtigung der im einzelnen gewürdigten früheren Taten sei daher eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unverhältnismäßig und komme nicht in Betracht.

II.


Wenn die Strafkammer auch von im Ansatz rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgeht, hält das Urteil rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Selbst wenn den Bewertungen der Strafkammer im übrigen zu folgen wäre, sind ihre Erwägungen an einer zentralen Stelle unklar.
Der gerichtliche Sachverständige, dessen Sachkunde die Strafkammer hervorhebt, sieht bei "weiterer Verschlechterung des psychischen Befindens" eine "Eskalationsgefahr". Zugleich hat er die Möglichkeit schwerer wiegender rechtswidriger Taten nach den Urteilsfeststellungen aber als "reine Spekulation" bezeichnet. Im Ergebnis habe er bei "Anwendung der erwähnten Kriterien" nur eine Wiederholungsgefahr für mit den vorliegenden "vergleichbare Delikte" bejaht.
Es erscheint schon wenig naheliegend, daß ein erfahrener Sachverständiger im Rahmen eines Gutachtens über den gegenwärtigen und den zu erwartenden künftigen psychischen Zustand im Rahmen seiner Prognose nach eigener Bewertung "reine Spekulationen" anstellt. Auch die Verknüpfung dieser Prognose mit den "erwähnten Kriterien" ist unklar. Es ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, welche Kriterien damit gemeint sind, jedoch hat die Strafkammer im übrigen, wenn auch unter unterschiedlichen Aspekten, allein rechtliche Erwägungen zur Frage der Verhältnismäßigkeit angestellt. Die rechtliche Gewich-
tung festgestellter Taten durch das Gericht kann aber nicht verdeutlichen, warum aus psychiatrischer Sicht mit gewichtigeren als den festgestellten Taten nicht zu rechnen ist.
2. Unabhängig davon bestehen sowohl gegen die Bewertung der früheren als auch der verfahrensgegenständlichen Taten rechtliche Bedenken:

a) Den Vorfall aus dem Jahre 1989 hält die Strafkammer nicht nur wegen des inzwischen verstrichenen Zeitraums für wenig bedeutsam, sondern auch wegen des zugrundeliegenden, inzwischen aber überwundenen Vater -Sohn-Konflikts. Ob auch der Angriff gegen die Mutter, der immerhin zu einem Oberarmbruch führte, deshalb und wegen der zusätzlich genannten ehelichen Spannungen der Eltern als weitgehend relativiert angesehen werden kann, erscheint zumindest fraglich. Dies gilt noch mehr für die Annahme, all dies lasse auch das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Polizei in einem vergleichsweise milden Licht erscheinen. Soweit sich die Strafkammer mit dem gewaltsamen Entreißen der Waffe befaßt, ist insbesondere die Erwägung, der Beschuldigte habe möglicherweise mit der Waffe nur drohen wollen, mit der Feststellung unvereinbar, die Benutzung der Waffe sei an ihrem blockierten Abzug gescheitert.

b) Auch die Erwägung, das Verhalten des Beschuldigten gegenüber Herrn W. wiege deshalb weniger schwer, weil er ihn zuvor ohne erkennbaren Grund (unter anderem mit dem Wort "Dreckhammel") beleidigt habe und der Trümmerbruch des Fingers nicht eigentlich beabsichtigt, sondern Folge der Auseinandersetzung wegen dieser "Formalbeleidigung" gewesen sei, ist nicht ohne weiteres einsichtig. Der Beschuldigte hat W. ohne erkennbaren Grund beleidigt, ihn geschlagen, auf den Boden geworfen und sich auf ihn gesetzt ; dies führte zu dem Trümmerbruch. Ohne daß es auf eine isolierte Bewertung jeder einzelnen Phase dieses Geschehens ankäme, liegt diese auch in
ihrem Ursprung auf einen Angriff des Beschuldigten zurückgehende Verletzung schon auf Grund ihrer Schwere jedenfalls nicht, wie die Strafkammer meint, "im untersten Bereich".

c) Für die Bewertung des von der Strafkammer ebenfalls dem "unteren Bereich" zugeordneten Faustschlags ins Gesicht des Begleiters der Witwe des früheren Arbeitskollegen gilt nichts anderes.

d) Es mag dahinstehen, ob allein die aufgezeigten Bedenken gegen die Bewertung der früheren Taten notwendig zur Aufhebung des Urteils führen müßten, wenn die verfahrensgegenständlichen Taten rechtsfehlerfrei gewürdigt wären.
Dies ist jedoch nicht der Fall.
Insbesondere folgt dies aus der Annahme, es lägen (nur) "Nachbarstreitigkeiten" vor. Dieser Begriff erweckt letztlich den Anschein wechselseitiger Auseinandersetzungen, die in räumlich engem Zusammenleben der Beteiligten ihre Wurzel haben, an objektiv eher weniger bedeutende Gründe anknüpfen und im Grunde leicht bereinigt werden könnten. Auch wenn dies, wie hier, voraussichtlich nicht gelingen wird, so will die Strafkammer offenbar zum Ausdruck bringen, handele es sich unter diesen Umständen jedenfalls nicht um Vorgänge , die ein nachhaltiges Eingreifen in Form einer Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen könnten.
All dies wird den Feststellungen zur Art der Erkrankung des Beschuldigten und den daraus resultierenden Folgen nicht gerecht. Der Beschuldigte fühlt sich offenbar von jedermann, der mit ihm in Kontakt kommt, bedroht und reagiert mit Aggression. Dies war offenbar schon so, als er noch bei den Eltern lebte - die Strafkammer erwähnt über den Vorgang von 1989 hinaus häufige
wechselseitige Handgreiflichkeiten - und gilt auch für die jeweiligen Nachbarn. Darüber hinaus ist aber auch jeder andere gefährdet, wie z.B. der Begleiter der Witwe des Arbeitskollegen, Polizisten, wohl auch der Vater des Polizisten S., oder auch der auf der Straße angegriffene Herr W., dessen Beziehung zum Beschuldigten die Urteilsgründe nicht ergeben. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu "Nachbarstreitigkeiten" liegt auch darin, daß, soweit ersichtlich, keiner dieser Geschädigten durch auch nur im weitesten Sinne vorwerfbares eigenes Verhalten die Attacken des Beschuldigten ausgelöst hat. Insgesamt liegt die Bewertung nahe, daß infolge der Krankheit des Beschuldigten jedermann , der irgendwie in Kontakt mit ihm gerät, mit Angriffen nicht nur gegen seine Ehre und jedenfalls in Einzelfällen auch gegen sein Eigentum, sondern auch gegen seine körperliche Integrität rechnen muß. Es bedarf auch keiner weiteren Darlegung, daß körperliche Attacken, die wiederholt sogar zu Knochenbrüchen geführt haben, aber auch Ohrfeigen oder Faustschläge ins Gesicht nicht lediglich lästige und unbedeutende und daher von der Allgemeinheit hinzunehmende Vorfälle sind (vgl. auch BGH, Beschluß vom 16. Januar 2003 - 1 StR 531/02), selbst wenn im Einzelfall Ohrfeige oder Fausthieb den Betroffenen letztlich aus Zufall oder wegen eigenen geschickten Ausweichens nicht oder nicht mit voller Wucht getroffen hat. Es fällt auch ins Gewicht, daß sich diese Vorfälle, entsprechend der fortbestehenden Grunderkrankung über Jahre hin immer wiederholt haben, ohne daß es unter diesen Umständen darauf ankäme , ob, was die Strafkammer verneint, schon von einer Tatserie auszugehen ist.
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Auch die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen waren aufzuheben. Der Beschuldigte hat sich dahin eingelassen, er zersteche keine Reifen und habe niemanden geschlagen. Er hatte mangels Beschwer keine Möglichkeit , überprüfen zu lassen, ob die gegenteiligen Feststellungen der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Sie können daher nicht als mögliche
Grundlage einer Unterbringung des Beschuldigten bestehenbleiben (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 204 m.w. Nachw. für den vergleichbaren Fall der Aufhebung eines Freispruchs).

III.


Der Senat sieht Anlaß zu folgendem Hinweis:
Bei der Frage der Notwendigkeit einer hier in Frage kommenden Maßregel kommt es gemäß § 63 StGB entscheidend auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung an (BGH, Beschluß vom 17. Oktober 2000 - 1 StR 428/00; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 13, vor § 61 Rdn. 10 m.w. Nachw.).
Aus im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ergibt sich, daß der Beschuldigte auf Anordnung des Landratsamtes München am 11. April 2002 in das Bezirkskrankenhaus Haar eingewiesen wurde, wo er im Rahmen des vorliegenden Verfahrens am 20. Juni 2002 begutachtet wurde.
Die Strafkammer führt aus, daß bei "Rückkehr des Beschuldigten in sein bisheriges Umfeld" wieder mit Taten der festgestellten Art zu rechnen sei. Dies spricht dafür, daß er auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch im Bezirkskrankenhaus war. In gleiche Richtung deutet die Aussage der "behandelnden Ärztin", die von einer deutlichen Verbesserung durch die Behandlung im Bezirkskrankenhaus berichtet hat, wenn auch keine wirkliche Krankheitseinsicht und keine endgültige Stabilisierung vorliege. Eine zunehmende Stabilisierung sei "auf Grund des geänderten äußeren Rahmens" aber festzustellen, aggressives Verhalten sei seit Juli 2002 nicht mehr aufgefallen. Dementsprechend basiert auch die Prognose des gerichtlichen Sachverständigen auf der Annahme einer "Unterbrechung der Behandlung".

All dies hat die Strafkammer nicht erkennbar erörtert, sondern sie geht ohne weiteres von der Gefahr weiterer Taten "bei Rückkehr" aus. Die rechtlich gebotene Feststellung einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit künftiger Taten (vgl. BGH NStZ 1993, 78) ist unter diesen Umständen den Urteilsgründen nicht hinreichend klar zu entnehmen. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird daher nähere Feststellungen zum weiteren Verlauf der Behandlung und den Lebensverhältnissen und dem Zustand des Beschuldigten zum Zeitpunkt der neuen Hauptverhandlung zu treffen haben. Je nach den Umständen könnte die Grundlage für eine Unterbringung entfallen sein oder jedenfalls die Grundlage für eine (nochmalige) Aussetzung einer Unterbringungsanordnung zur Bewährung vorliegen.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 193/17
vom
3. August 2017
in dem Straf- und Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:030817U4STR193.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. August 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Staatsanwalt - bei der Verkündung - als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 15. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat nach Verbindung eines Strafverfahrens und eines Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im Folgenden : Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von dem mit der Anklageschrift vom 3. Juli 2014 erhobenen Vorwurf, eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs misshandelt und tateinheitlich dazu versucht zu haben, einen anderen Menschen rechtswidrig mit Gewalt zu einer Handlung zu nötigen, wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und den im Straf- und Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, abgelehnt. Mit ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht nicht die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte leidet spätestens seit dem Jahr 2005 an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (ICD-10 F 20.0). Von Mitte Dezember 2007 bis zum 24. Januar 2008 war er erstmals in stationärer psychiatrischer Behandlung. Danach lebte er unauffällig , bevor im Jahr 2013 aufgrund seiner psychischen Erkrankung schwere Wahnvorstellungen auftraten. Er fühlte sich von Geistern, die in seiner Wohnung leben würden, bedroht, beschimpft und sexuell missbraucht. Seinen Verfolgungs - und Vergiftungswahn projizierte er auf seine Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus, die die Geister zu ihm schickten bzw. selbst böse Geister seien. Am 17. März 2013 sagte er zu einer Nachbarin, die er für den schlechten Zustand seiner schimmelbefallenen Wohnung verantwortlich machte: „I will kill you“. Die herbeigerufenen Polizeibeamten bedrohte er mit einem 20 cm langen Fleischermesser und äußerte: „Ich bringe jeden um, der sich mir nähert“. Ab dem 18. April 2013 war der Beschuldigte für vier Wochen in stationärer psychiatrischer Behandlung, die zu einer deutlichen Verbesserung der Symptomatik führte.
4
a) Im weiteren Verlauf kam es wieder zu ausgeprägten Krankheitserscheinungen und in der Folge zu der dem Beschuldigten mit Anklageschrift vom 3. Juli 2014 zur Last gelegten Tat:
5
Am Ostersonntag, dem 21. April 2014, klingelte der Beschuldigte bei seinem Wohnungsnachbarn V. und beschimpfte ihn, weil jener – was zutraf – den Flur nicht geputzt hatte. Er fasste V. an den Hals und schubste ihn zurück in die Wohnung, wobei er schrie, er sei „ein Schwein und eine Drecksau“ und müsse den Flur putzen. Mit einem mitgeführten, etwa vier cm dicken Stock schlug er V. und traf ihn u.a. am Arm. Es kam zu einem Gerangel; V. flüchtete auf die Straße. Der Beschuldigte, der völlig außer sich war und laut herumschrie, ließ ihn nicht wieder ins Haus. Die eintreffenden Polizeibeamten überwältigten den Beschuldigten mit Hilfe von Pfefferspray. Er wurde bis zum 2. Juni 2014 nach dem PsychKG untergebracht. Nach medikamentöser Behandlung war er nicht mehr fremdaggressiv, blieb aber krankheitsuneinsichtig, weshalb er seine Medikamente nach der Entlassung absetzte.
6
b) Zu den dem Beschuldigten mit der Antragsschrift im Sicherungsverfahren vom 18. Mai 2016 vorgeworfenen Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
7
Im September 2014 zog der aus Kenia stammende O. in die frühere Wohnung des V. . Am 5. Februar 2015 lehnte sich der Beschuldigte aus dem Fenster und drohte dem vorbeigehenden O. , ihn zu töten. Auch als uniformierte Polizeibeamte erschienen, drohte er, O. abzustechen, weil der ein böser Geist sei, der ihm nach dem Leben trachte. Der Beschuldigte wurde bis zum 20. Februar 2015 nach dem PsychKG untergebracht und medikamentös behandelt.
8
Im März 2015 flammten seine Wahnvorstellungen wieder auf. Am 30. März 2015 klingelte der Beschuldigte gegen 23.30 Uhr an der Wohnungstür des O. . Er sagte zu seinem Nachbarn, er solle hier warten, heute werde er ihn umbringen. Dann lief er in seine Wohnung und holte ein 34 cm langes Mes- ser mit einer Klingenlänge von 20 cm. O. lief in seine Wohnung zurück und verschloss die Tür. Der Beschuldigte versuchte, die Tür gewaltsam zu öffnen, was ihm nicht gelang. Die Polizei erschien mit einem Sondereinsatzkommando und nahm den Beschuldigten in seiner Wohnung fest. Nachfolgend war er vom 31. März bis zum 28. April 2015 nach dem PsychKG untergebracht. Seine psychische Erkrankung war danach zunächst nicht mehr floride.
9
Ende 2015/Anfang 2016 kam es wieder zu Wahnvorstellungen. Am 20. Januar und am 4. Februar 2016 trat der Beschuldigte jeweils gegen die Wohnungstür des O. und beschädigte sie dadurch.
10
c) Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich dieser festgestellten rechtswidrigen Taten die Schuldfähigkeit des Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Der Beschuldigte habe sich zu den Tatzeitpunkten seinem Wahnsystem entsprechend einer nicht beherrschbaren, von Nachbarn ausgehenden Gefahr ausgesetzt gewähnt und sich „zur Wehr gesetzt“.
11
d) Nach den Anlasstaten schlug der Beschuldigte am 18. April 2016 mehrmals mit einer Axt gegen die Wohnungstür des O. , weil er glaubte, O. beeinflusse seine Träume und verabreiche ihm Sprays, „um ihn schwul zu machen“. Der Beschuldigte äußerte, wenn der Nachbar da gewesen wäre, wäre es gefährlich geworden. Nach diesem Vorfall wurde der Beschuldigte zunächst nach dem PsychKG und dann bis zur Urteilsverkündung einstweilig untergebracht.
12
2. Das Landgericht hat die Anlasstaten als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung (21. April 2014), Bedrohung (5. Februar 2015), Bedrohung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (30./31. März 2015) und Sachbeschädigung (20. Januar und 4. Februar 2016) gewertet. Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist nicht angeordnet worden. Es fehle bereits ein ausreichend hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten gegen die körperliche Unversehrtheit oder das Leben beliebiger Nachbarn. Auch wäre die Anordnung nicht verhältnismäßig.

II.


13
1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung in Bezug auf das Strafverfahren nicht gegen den Freispruch, sondern nur gegen die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wendet, liegt eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung auf die unterbliebene Maßregelanordnung nicht vor. Die Aufspaltung des Urteils in seinen freisprechenden Teil und die unterbliebene Maßregelanordnung ist hier nicht möglich, weil die Feststellungen zum Tatgeschehen und zur Motivation des Beschuldigten mit denjenigen zur Schuldunfähigkeit, die zugleich Unterbau des Freispruchs und Voraussetzung der Unterbringung nach § 63 StGB ist, in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 30. November 2011 – 1 StR 341/11).
14
2. Das Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
Die Ablehnung der Maßregelanordnung gemäß § 63 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.
16
a) Das Landgericht ist zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung des Tatrichters derjenige der Hauptverhandlung ist (vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1977 – 1 StR 417/77, NJW 1978, 599; vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03; vom 10. August 2005 – 2 StR 209/05, StraFo 2005, 472). Dies bedeutet aber nicht, dass die Gefährlichkeitsprognose nur bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu stellen ist; sie muss vielmehr einen längeren Zeitraum in den Blick nehmen. Daher muss auch in Fällen, in denen auf Grund einer zwischenzeitlichen Behandlung – etwa, wie hier, während der Unterbringung nach dem PsychKG und der einstweiligen Unterbringung – im Urteilszeitpunkt eine Stabilisierung des Krankheitsbildes eingetreten ist, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bei der Prognoseentscheidung der Umstand in die Abwägung einbezogen werden, dass in späterer, aber absehbarer Zeit mit einer erneuten Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der Wahrscheinlichkeit erneuter rechtswidriger Taten zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 30. August 1988 – 1 StR 358/88, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 6).
17
Dies hat das Landgericht verkannt und den Beurteilungszeitraum rechtsfehlerhaft verkürzt. Es hat die Gefährlichkeitsprognose allein deshalb verneint, weil bei dem jetzigen Gesundheitszustand des Beschuldigten, der bei (derzeit) ausreichender Medikation und entsprechender Betreuung eine retardierte, devote Haltung einnehme, keine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Begehung von erheblichen Straftaten bestehe (UA S. 27). Hingegen hat es die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen, die gegen eine längerfristige Stabi- lisierung der psychischen Erkrankung des Beschuldigten spricht, bei Beurteilung seiner Gefährlichkeit außer Acht gelassen.
18
Der Sachverständige Dr. M. , dem die Strafkammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung gefolgt ist (UA S. 24, 26), hat zur Prognose ausgeführt, dass die aktuelle Gesundheitssituation des Beschuldigten nicht günstig sei, da sein Zustandsbild fortdauernd bestehe und er keine Mitwirkungsbereitschaft bei der Behandlung seiner Erkrankung zeige. So sei die Einnahme von Medikamenten nur im klinischen Umfeld erfolgt. Hinzu komme, dass der Beschuldigte auf die erforderliche Gabe wirksamer Neuroleptika stark reagiere. Sein Wahnsystem flaue unter Medikamentengabe zwar ab, es komme aber als Nebenwirkung zu einem roboterhaften Auftreten des Beschuldigten; sein gesamter Gedankenfluss sei verlangsamt und er könne sich nicht allein versorgen. Der Beschuldigte habe kein soziales Umfeld, insbesondere keine Wohnung mehr und werde in eine Obdachlosigkeit geraten. Seine Tabletten werde er ohne das beschützende Umfeld nicht weiter einnehmen. Deshalb sei es sicher, dass das Wahnsystem bald wieder anspringe. Da er bei florider Psychotik aggressiv sei, sei dann zu befürchten, dass es zu ähnlichen wie den hier verfahrensgegenständlichen Taten komme. In den letzten zwei Jahren zeige sich zudem eine deutliche Zunahme seiner Aggressivität und eine zunehmende Gefährlichkeit seiner Handlungen.
19
Diese Ausführungen des Sachverständigen sind mit einer positiven Gefahrprognose nicht in Einklang zu bringen. Vielmehr besteht danach die naheliegende Gefahr, dass mit dem Abklingen des bisherigen Behandlungserfolgs – wie sich auch bereits nach früheren Unterbringungen nach dem PsychKG gezeigt hat – in absehbarer Zeit mit erneuten Wahnvorstellungen und damit verbunden rechtswidrigen Taten gerechnet werden muss. Dies hätte das Landgericht bei seiner Abwägung zur Gefahrprognose berücksichtigen müssen.
20
b) Auch die Erwägungen, die das Landgericht zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Maßregel angestellt hat, vermögen die Entscheidung nicht zu tragen. Außerstrafrechtliche Sicherungssysteme, um der Gefährlichkeit des Beschuldigten entgegenzuwirken, hier die vom Landgericht angeführten Maßnahmen der Betreuung mit den Möglichkeiten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Depotgabe von Psychopharmaka und der Unterbringung in einem betreuten Wohnen, stehen der Anordnung der Maßregel nicht entgegen (BGH, Urteile vom 23. Juni 1993 – 3 StR 260/93, BGHR StGB § 63 Beweiswürdigung 1; vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09, juris Rn. 16). Solche täterschonenden Mittel – ihreWirksamkeit vorausgesetzt – erlangen Bedeutung erst für die Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann (BGH, Urteile vom 20. Februar 2008 – 5 StR 575/07, juris Rn. 14; vom 11. Dezember 2008 – 3 StR 469/08, NStZ 2009, 260 f.).
21
c) Hinzu kommt hier, dass die Strafkammer die Wirksamkeit der von ihr aufgezeigten Möglichkeiten zu einer Reduzierung der Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht mit Tatsachen belegt hat. Das Urteil verhält sich nicht zu der Frage, wie eine ausreichende Medikation des krankheitsuneinsichtigen Beschuldigten sichergestellt werden soll. Der Umstellung auf eine Depotmedikation könnten die anderen Erkrankungen des Beschuldigten entgegenstehen (UA S. 21). Bezüglich der Aufnahme des Beschuldigten in einem betreuten Wohnen war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nichts veranlasst. Dafür, dass allein die auf Anregung der Strafkammer erfolgte Einrichtung einer vorläufigen Betreuung die Gefährlichkeit des Beschuldigten ausräumen würde, ist nach den bisherigen Feststellungen nichts ersichtlich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Feilcke

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.