Bundesgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2007 - 5 StR 508/06

bei uns veröffentlicht am13.02.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 508/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 13. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Februar
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt S.
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. März 2006 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenklägerin tragen jeweils die Kosten des eigenen Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils mit der Sachrüge geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft, der Nebenklägerin und des Angeklagten. Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war mit S. –M. , seinem späteren Opfer , zunächst glücklich in zweiter Ehe verheiratet. Es kam jedoch zum Streit, als sich die Geschädigte – auch durch die Aufnahme einer Tätigkeit als Kellnerin – von dem häufiger durch Montagearbeiten abwesenden Angeklagten mehr und mehr distanzierte. Im Zusammenhang mit einem bei seiner Frau gefundenen „Joint“, den ihr ein Arbeitskollege überlassen hatte, reagierte der Angeklagte erstmals aggressiv und handgreiflich. Hierbei war er von dem Gedanken geleitet, seine von ihm geliebte Frau vor schädlichen Einflüssen schützen zu müssen, aber wohl auch von der – begründeten – Sorge, sie alsbald zu verlieren. Die Geschädigte ging anschließend vordergründig zwecks Versöhnung auf den Vorschlag des Angeklagten ein, ihre alte Arbeit aufzugeben und eine neue zu suchen. Als der Angeklagte ein Telefonat des Gaststättenwirts mit der Geschädigten bemerkte und sie daraufhin zur Rede stellte, verbat diese sich eine Kontrolle durch den Angeklagten. Er verwies darauf, dass sie es nicht nötig habe, in der Gaststätte zu arbeiten, da er doch genug Geld verdient habe. Sie holte das bezeichnete Geld aus einem Schrank und gab es ihm mit dem Bemerken, er könne es behalten. Anschließend verschüttete sie Kaffee über den Tisch und wies den Angeklagten mit den Worten „Raus hier, das ist meine Wohnung!“ aus der ehelichen Wohnung. Der Angeklagte – von diesem Sinneswandel völlig überrascht und erschüttert – trat spontan an die Geschädigte heran, fasste mit beiden Händen von vorne um ihren Hals und würgte die Geschädigte, bis der Tod eintrat. In dieser heftigen Gefühlsaufwallung bewegten ihn Wut, Verzweiflung, Verlustängste und möglicherweise auch ein vermeintliches Besitzrecht. Über die Vorstellungen der Geschädigten machte er sich keine Gedanken und realisierte auch nicht, dass der lebensbedrohliche Angriff für die ihm körperlich unterlegene Geschädigte, die keine Möglichkeit zur Abwehr hatte, völlig überraschend kam. Kurze Zeit später stellte sich der Angeklagte der Polizei.
4
Das Landgericht hat die Tat als Totschlag gewertet und die Annahme von Mordmerkmalen abgelehnt. Es hat ausgeschlossen, dass der Angeklagte eine mögliche Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst ausgenutzt hat, weil ihm insbesondere – wie der Sachverständige näher ausgeführt hat – jeglicher Zugang zur eigenen Aggressivität verschlossen sei. Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen hat die Strafkammer verneint, weil sie nicht festzustellen vermochte, dass ein übersteigertes Besitzdenken Hauptmotiv des Angeklagten gewesen sei.

II.


5
Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.
6
1. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , mit der die Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke beanstandet wird, ist unbegründet.
Die Annahme eines Heimtückemordes setzt Feststellungen des Landgerichts voraus, die tragfähig belegen, dass der Angeklagte in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausgenutzt hat, sich also bei Beginn des tödlichen Angriffs bewusst war, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH NStZ 2003, 535; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2006 – 5 StR 468/06). Eben solche Feststellungen hat das Landgericht allerdings nicht getroffen. Im Gegenteil hat es festgestellt, dass dem Angeklagten die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers gerade nicht bewusst war. Der Umstand, dass eine gewisse affektive Erschütterung bei vorsätzlichen Tötungsdelikten der Normalfall ist, stellt diese Feststellung hier nicht in Frage. Zur Begründung hat das Landgericht auf die Ausführungen des Sachverständigen abgestellt, wonach dem Angeklagten jeglicher Zugang zu seiner eigenen feindseligen Haltung fehle und ihm deshalb auch die Bewertung seines aggressiven Verhaltens im Verhältnis zur Geschädigten nicht möglich gewesen sei. Diese Feststellungen beruhen angesichts der Gesamtumstände des Geschehens auf tragfähiger Grundlage.
7
2. Die Revision der Nebenklägerin, die sich gegen die Ablehnung der Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe richtet, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Denn auch die Ablehnung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe begegnet auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts keinen Bedenken.
8
a) Beweggründe sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind und – in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag – als verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2006, 286, 287 m.w.N.).
9
Bei dieser Würdigung steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann. Hat der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt, ist seine Würdigung auch dann nicht zu beanstanden, wenn ein anderes Ergebnis möglich oder gar näher liegend gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 2006, 284, 285; NStZ-RR 2006, 340; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06).
10
b) Nach diesen Kriterien ist die Ablehnung niedriger Beweggründe aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden: Das Landgericht hat die sicher festzustellenden Tatmotive hinreichend gesehen und gewürdigt. Seine Wertung, keines der dominierenden Motive sei in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag verachtenswert, ist nachvollziehbar begründet und gut vertretbar.
11
3. Die Revision des Angeklagten deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die mit der Dauer und Massivität des Würgevorgangs belegte besondere Tatintensität und die objektiv gegebene Argund Wehrlosigkeit des Opfers durften dem Angeklagten, dessen Steuerungsfähigkeit rechtsfehlerfrei als nicht erheblich vermindert angesehen wurde, ebenso angelastet werden wie die überaus egozentrische, damit schon an der Grenze zu niedrigen Beweggründen stehende Tatmotivation. Aufgrund der noch verwertbaren Vorstrafen war er nicht wie ein gänzlich unbestrafter Täter zu beurteilen. Die – eher hoch bemessene – Strafe ist auch sonst aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

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5 StR 468/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2006

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. Juni 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe verurteilt ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft genannten Gründen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der aus Sizilien stammende Angeklagte dem späteren Tatopfer B. , einem italienischen Wirt, seit 1999 wiederholt nicht unerhebliche Geldbeträge geliehen. Als der Angeklagte ab 2003 mehrfach auf eine Rückzahlung der Schulden in Höhe von über 10.000 Euro drängte, wurde er von B. immer wieder vertröstet und um neue Darlehen gebeten, die der Angeklagte teilweise auch gewährte. Die freundschaftlichen Beziehungen änderten sich, als der Angeklagte erfuhr, dass B. Mitte 2005 einen Motorradführerschein machte, anstatt seine Schulden zurückzuzahlen. Ende 2005 benötigte der Angeklagte dringend selbst Geld und drang abermals auf das spätere Tatopfer ein, es solle seine Schulden zurückzahlen. Der Angeklagte war deshalb sehr erbost, als B. ihm Anfang 2006 einen Teilbetrag in Höhe von 700 Euro zahlte, das Geld aber am selben Tag unter Hinweis darauf zurückforderte, es handele sich um Falschgeld. Einige Wochen später (zwei Tage vor der Tat) traf der Angeklagte das spätere Opfer mit einem vor kurzem für mehrere tausend Euro erworbenen fabrikneuen Motorrad an. Dies versetzte den Angeklagten in große Wut; er fühlte sich von seinem Landsmann hintergangen.
3
Am Abend des Tattages rief der angetrunkene Angeklagte B. an und stellte ihn zur Rede, weshalb er seine Schulden nicht zurückzahle. B. antwortete, der Angeklagte solle „ihn am Arsch lecken“, er werde ihn mit seinem Geld in einen Mülleimer werfen, sein Geld werde er nicht zurückbekommen. Über diese erstmalig von B. ihm gegenüber ausgesprochenen Beleidigungen war der Angeklagte äußerst wütend; er beschloss , B. zu töten. Er sagte zu dem späteren Tatopfer am Telefon: „Pass auf, mein Freund, ich komme jetzt zu dir ins Restaurant und mach dich platt.“
4
Diese Ankündigung setzte der Angeklagte wie folgt in die Tat um: Er nahm einen zu Hause aufbewahrten Revolver, lud diesen und ging zu Fuß in das Lokal von B. . Dort war B. nach der telefonischen Drohung des Angeklagten merklich nervös geworden, was sich jedoch nach einem erneuten Telefonat mit dem Angeklagten, das indes unbekannten Inhalts ist, etwas zu legen schien. Einen tätlichen Angriff erwartete B. von dem bislang nicht als gewalttätig bekannten Angeklagten nicht, sondern er hoffte, diesen beruhigen zu können. Als der Angeklagte das Lokal betrat, grüßte er kurz einige Anwesende und ging direkt auf den am Tresen stehenden B. zu, wobei er anfänglich seine mitgeführte Schusswaffe unter dem Mantel verbarg. Mit dem Wort „miserable“ zog er im Gehen seine rechte Hand mit der Waffe hervor und schoss aus einer Entfernung von höchstens zwei Metern zielgerichtet auf die Brust von B. , der hierdurch letztlich tödlich getroffen wurde. Anschließend kam es noch zu weiteren Schüssen.
5
Dass der Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers erkannt und ausgenutzt habe, begründet das Schwurgericht mit dem Tatbild: B. habe sich nach erster Aufregung wieder etwas beruhigt gehabt und abwartend am Tresen gestanden. Als der Angeklagte auf ihn zugetreten sei, habe er nicht mit einem Angriff gerechnet. Der Angeklagte habe nicht mit vorgehaltener Waffe das Lokal betreten, sondern die Waffe unter dem Mantel zunächst verborgen gehalten, bis er kurz vor seinem Opfer stand und dieses keine Ausweichmöglichkeit mehr gehabt habe. Dies habe der Angeklagte auch erkannt und für seine Zwecke ausgenutzt.
6
2. Die Annahme eines Heimtückemordes begegnet – wie die Revision zu Recht rügt – unter diesen Umständen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere belegen die Feststellungen des Landgerichts nicht tragfähig, dass der Angeklagte in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausgenutzt hat, sich also bei Abgabe des tödlichen Schusses bewusst war, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH NStZ 2003, 535).
7
Dem steht schon die nach gravierenden Beleidigungen geäußerte Ankündigung des Angeklagten gegenüber dem späteren Opfer entgegen, „ich komme jetzt zu dir ins Restaurant und mach dich platt.“ Zwar mag die Annahme des Landgerichts noch tragfähig sein, der zu Recht wegen dieser Ankündigung besorgte Geschädigte habe sich etwas später wieder beruhigt und deshalb unmittelbar keinen tödlichen Angriff erwartet. Dem Senat scheint es jedoch gänzlich fernliegend zu sein, dass auch der Angeklagte davon ausgegangen sein soll, er könne nach einer solchen Ankündigung vor dem Hintergrund des vorangegangenen heftigen Streits noch einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen überraschen. Die Revision weist vielmehr zu Recht darauf hin, dass derjenige, der heimtückisch handeln will, seine Tat nicht kurz zuvor anzukündigen pflegt.
8
Da der Angeklagte den gewalttätigen Übergriff unmittelbar angekündigt und dementsprechend ausgeführt hat, bedarf die Annahme des notwendigen Ausnutzungsbewusstseins ganz besonderer Umstände (vgl. auch Mosbacher, NStZ 2005, 688, 690). Solche können hier nicht schon darin gesehen werden, dass der Angeklagte beim Betreten des Lokals zunächst die Hand mit der Waffe verborgen hielt und während des zielstrebigen Zusteuerns auf sein Opfer kurz einige Gäste grüßte. Denn nur durch ein solches Vorgehen konnte er sicherstellen, dass er weder auf der Straße noch beim Betreten des Lokals von Unbeteiligten an seinem festen Plan gehindert wurde , B. – wie angekündigt – zu töten.
9
Der Senat schließt angesichts des Tatablaufs aus, dass das Landgericht das erforderliche Ausnutzungsbewusstsein noch tragfähig feststellen könnte, und ändert deshalb den Schuldspruch von Mord in Totschlag.
10
3. Aufgrund des neuen Schuldspruchs bedarf die Bemessung der Strafe erneuter schwurgerichtlicher Prüfung auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfreien Feststellungen. Der neue Tatrichter wird hierzu allenfalls solche ergänzenden Feststellungen treffen können, die den bisherigen nicht widersprechen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 419/06
vom
14. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Dezember
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5. April 2006 werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin mit ihren Revisionen. Der Angeklagte rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft in erster Linie die Verneinung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe durch das Landgericht. Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel, mit welchem sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, ebenfalls gegen die Verurteilung des Angeklagten lediglich wegen Totschlags. Sie vertritt die Auffassung, dass der Angeklagte des Mordes aus niedrigen Beweggründen, hilfsweise tateinheitlich zum Totschlag des versuchten Verdeckungsmordes, begangen durch Unterlassen, hätte schuldig gesprochen werden müssen. Sämtliche Revisionen erweisen sich als unbegründet.

II.

2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der Angeklagte war mit der Nebenklägerin verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen, der am 10. April 2003 geborene Steffen Lars und das spätere am 23. April 2005 geborene Tatopfer Mike Steven. Nach der Geburt des zweiten Kindes verschlechterte sich aufgrund von Arbeitsüberlastung und sich zuspitzender finanzieller Probleme das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau. Auch im Verhältnis zu seinen Kindern reagierte der Angeklagte zusehends gereizter und aggressiver. Bei den ihm häufig von seiner Ehefrau im Zusammenhang mit der Pflege von Mike übertragenen Aufgaben, etwa beim Ankleiden oder Windelwechseln, ging er sehr ungeduldig und grob, in zwei Fällen sogar mit derartiger körperlicher Kraft vor, dass das Kind erheblich verletzt wurde. In einem Fall, hatte er, als der Säugling beim Ankleiden strampelte, dessen linken Arm so fest gepackt und durch den Ärmel des Kleidungsstücks gezogen , dass das Kind einen Bruch des Oberarms erlitt. Bei einem weiteren Vorfall trug das strampelnde Kind durch einen heftigen Griff des Angeklagten beim Wickeln eine Spiralfraktur des rechten Oberschenkelknochens davon. Diese Vorfälle sind nicht Verfahrensgegenstand.
4
Am Tattag, den 9. Juli 2005, verließ die Nebenklägerin gegen 9 Uhr morgens die eheliche Wohnung zu einem Einkaufsbummel. Die Bitte des Angeklagten , Mike oder wenigstens den älteren Sohn Lars mitzunehmen, hatte sie zuvor abgelehnt. Hierüber war der Angeklagte verärgert, da er bereits am Vortag sowie bei mehreren Gelegenheiten zuvor allein die Pflege und Aufsicht über die Kinder wahrgenommen hatte, während seine Ehefrau Freizeitaktivitäten nachgegangen war. Im Verlauf des Morgens begann Mike zu quengeln und zu schreien. Der Angeklagte war "genervt"; er versuchte zunächst das Kind durch Herumtragen und Schaukeln in seinem Kindersitz zu beruhigen. Weder durch anschließendes Füttern noch Wickeln gelang es ihm jedoch, das Kind vollständig ruhig zu stellen. Durch das fortwährende Schreien seines Sohnes wurde der Angeklagte immer ungeduldiger und gereizter. Hinzu kam, dass er auch den älteren Sohn Steffen zu beaufsichtigen hatte. Schließlich war der Angeklagte bereit, körperliche Gewalt anzuwenden, um Mike zum Schweigen zu bringen. Zunächst schüttelte er den Säugling so heftig, dass hierdurch Einblutungen in dessen Augen hervorgerufen wurden. Als das Kind daraufhin weiter schrie, schlug ihm der Angeklagte mit der Hand mehrfach mit derart roher Gewalt auf das mit einer Windel bedeckte Gesäß, dass ein großflächiges Hämatom entstand. Da Mike heftig weiter schrie, geriet der Angeklagte in eine derart aggressive , gereizte und ungeduldige Stimmung, dass ihm jedes Mittel recht war, um endlich Ruhe zu bekommen. Er führte - wovon das Landgericht zu seinen Gunsten ausgegangen ist - den Kindersitz, in dem das Kind unangeschnallt saß, mit einem wuchtigen Schlag gegen einen Heizkörper, so dass Mike aus dem Sitz heraus mit dem Kopf gegen den Heizkörper geschleudert wurde. Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass eine solche massive Gewalteinwirkung auch tödliche Verletzungen des erst zehn Wochen alten Kindes zur Folge haben konnte. Er nahm dies jedoch in Kauf, um den Säugling endlich zur Ruhe zu bringen. Mike erlitt infolge des Aufpralls eine Fraktur des linken Scheitelbeins und verlor das Bewusstsein. Gegenüber seiner unmittelbar danach zurückkehrenden Ehefrau versuchte der Angeklagte den Zustand des Kindes zu verheimlichen. Diese bemerkte jedoch eine Beule am Kopf des Kindes und brachte es umgehend in eine Kinderklinik. Noch in der folgenden Nacht verstarb Mike an den schweren Hirnverletzungen, die er durch den Aufprall auf den Heizkörper erlitten hatte.
5
Zu den Beweggründen der Tat hat das Landgericht ausgeführt, mitursächlich für die Tat sei die Verärgerung des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau gewesen, die ihn zum Tatzeitpunkt nahezu zwei Tage mit den Kindern allein gelassen hatte, um ihren eigenen Interessen nachzugehen. Diese Verärgerung sei zum Zeitpunkt der Tathandlung jedoch bereits in den Hintergrund gerückt. Bestimmendes und unmittelbar tatauslösendes Motiv sei die Verärgerung und Gereiztheit des Angeklagten über das ständige Schreien des Kindes gewesen. Der ohnehin gegenüber seinen Kindern ungeduldige und leicht reizbare Angeklagte habe nur noch das Ziel gehabt, Ruhe vor dem schreienden Kind zu haben. Diese Annahme werde durch die Einlassung des Angeklagten gestützt, der von einem ständigen "Plärren" des Kindes sowie seiner sich dadurch immer weiter steigender Gereiztheit berichtet habe. Auch der den Angeklagten noch am Tattag vernehmende Polizeibeamte habe bekundet, nach seinem Eindruck habe der Angeklagte aufgrund des ständigen Schreiens des Kindes die Nerven verloren und nur noch gewollt, dass dieses ruhig sei.

III.

6
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin:
7
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu den Beweggründen der Tat und zur Annahme eines (lediglich) bedingten Tötungsvorsatzes lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe stellen weitgehend den revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch die eigene zu ersetzen (zur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit tatrichterlicher Beweiswürdigung vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2 und Überzeugungsbildung 33 m.w.N.).
8
2. Das Landgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint.
9
a) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe der Tat "niedrig" sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 35, 116, 127; 47, 128, 130). Gefühlsregungen wie Wut, Ärger, Hass und Rache kommen dabei in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36, 45 und 46 jew. m.w.N.). Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 20; BGH NStZ 2006, 338, 340 m.w.N.).
10
b) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung diese Grundsätze im Blick gehabt. Es hat sich im Ergebnis nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der maßgebliche Beweggrund des Angeklagten für die Tatbegehung, nämlich seine Verärgerung über das ständige Weinen des Kindes verbunden mit dem Bestreben "Ruhe vor dem schreienden Kind zu haben", Ausdruck einer niedrigen, besonders verachtenswerten Gesinnung des Angeklagten war. Hierbei war für das Landgericht leitend, dass der Angeklagte nahezu zwei Tage mit der Aufsicht und Pflege beider Kinder befasst gewesen war, er vor der Tat mehrfach versucht hatte, Mike mit angemessenen Mitteln, etwa durch Wickeln und Füttern, ruhig zu stellen und das Kind gleichwohl immer wieder, zuletzt unaufhörlich weiter geschrieen hatte. Ersichtlich hat es damit darauf abgestellt, dass der ohnehin leicht reizbare Angeklagte in dieser Situation nervlich überfordert war und es deshalb - und nicht aus einer auf tiefster Stufe stehenden, verwerflichen Gesinnung heraus - zu einem Aggressionsdurchbruch und der Gewaltanwendung gegen das Kind kam (vgl. hierzu BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 1, 31). Dies hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 79, 80; NStZ 2006, 338, 340) und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
11
3. Vergebens rügt die Nebenklage, das Landgericht habe es jedenfalls rechtsfehlerhaft unterlassen, den Angeklagten im Hinblick auf sein Nachtatverhalten wegen eines tateinheitlich durch Unterlassen begangenen versuchten Verdeckungsmordes zu verurteilen. Hat der Täter das Tatopfer - wie hier - mit (bedingtem) Tötungsvorsatz misshandelt und unterlässt er es anschließend, zur Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmen zur Rettung des zunächst überlebenden Opfers einzuleiten, so ist eine Strafbarkeit wegen Verdeckungsmordes durch Unterlassen schon deshalb nicht gegeben, weil es an einer für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht "anderen" Straftat fehlt (vgl. Senat, NStZ 2003, 312). Dies gilt selbst dann, wenn - wovon hier nach den getroffenen Feststellungen nicht auszugehen ist - zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil eine zeitliche Zäsur liegt (Senat aaO).
12
Die Revision des Angeklagten:
13
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der vom Angeklagten allgemein erhobenen Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible