Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2015 - I ZR 13/14

bei uns veröffentlicht am30.04.2015
vorgehend
Landgericht Köln, 31 O 360/11, 27.09.2012
Oberlandesgericht Köln, 6 U 188/12, 20.12.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I ZR 13/14 Verkündet am:
30. April 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Tagesschau-App
ZPO § 50; UWG § 4 Nr. 11; RStV § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3, § 11f

a) Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) ist in
Rechtsstreitigkeiten, die die Erfüllung der den Rundfunkanstalten zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben betreffen
(hier die Bereitstellung eines Telemedienangebots), nicht gemäß § 50 ZPO parteifähig.

b) Die Vorschrift des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nichtsendungsbezogene
presseähnliche Angebote in Telemedien untersagt, ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des

c) Die Beurteilung eines Telemedienkonzepts als nicht presseähnlich durch das zuständige Gremium (§ 11f Abs. 4 bis
6 RStV) und die Freigabe dieses Telemedienkonzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde (§ 11f Abs. 7 RStV) entfalten
keine Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines konkreten Telemedienangebots.

d) Unter einem Angebot im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, dessen Presseähnlichkeit zu beurteilen
ist, ist grundsätzlich das gesamte Telemedienangebot zu verstehen, das auf einem entsprechenden Telemedienkonzept
beruht. Besteht ein Telemedienangebot sowohl aus nichtsendungsbezogenen als auch aus sendungsbezogenen
Inhalten, ist bei der Prüfung der Presseähnlichkeit allein auf die Gesamtheit der nichtsendungsbezoge-
nen Beiträge abzustellen. Stehen bei einem Telemedienangebot „stehende“ Texte und Bilder deutlich im Vorder-
grund, deutet dies auf die Presseähnlichkeit des Angebots hin.
BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 30. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher
, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und
den Richter Feddersen

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Dezember 2013 wird hinsichtlich der Beklagten zu 1 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auf die Berufung der Beklagten zu 1 das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. September 2012 abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 1 als unzulässig abgewiesen wird. Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 20. Dezember 2013 hinsichtlich des Beklagten zu 2 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage mit den Hilfsanträgen zum Unterlassungsantrag abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerinnen sind Verlage, die Tageszeitungen herausgeben oder
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verantworten. Die Zeitungen werden als Druckwerke und im Internet sowie über Applikationen für Smartphones und Tabletcomputer veröffentlicht. Der Beklagte zu 2, der Norddeutsche Rundfunk, ist eine öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt. Er hat sich mit weiteren Landesrundfunkanstalten und der Deutschen Welle zu der Beklagten zu 1, der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), zusammengeschlossen. Die in der Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten
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betreiben seit dem Jahr 1996 das von dem Beklagten zu 2 betreute OnlinePortal „tagesschau.de“. Im Jahr 2009 wurden in den Rundfunkstaatsvertrag (RStV) mit §§ 11d, 11f RStV Regelungen eingefügt, wonach öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten die inhaltliche Ausrichtung ihrer Telemedien zu konkretisieren haben und ihre Telemedienangebote in einem näher beschriebenen Verfahren (dem sogenannten „Drei-Stufen-Test“) zu prüfen sind. Die in der Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten entwickelten unter Federführung des Beklagten zu 2 im Jahr 2010 ein Telemedienkonzept für das Angebot „tagesschau.de“. Dieses wurde vom Rundfunkrat des Beklagten zu 2 am 25. Juni 2010 beschlossen, von der Niedersächsischen Staatskanzlei als Rechtsaufsichtsbehörde mit Schreiben vom 17. August 2010 freigegeben und am 24. August 2010 im Niedersächsischen Ministerialblatt (Nr. 30/2010, S. 733 ff.) veröffentlicht. Seit dem 21. Dezember 2010 bieten die Rundfunkanstalten neben dem
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Online-Portal „tagesschau.de“ die Applikation „Tagesschau-App“ für Smartphones und Tabletcomputer an. Über diese können unter verschiedenen thematischen Rubriken - teils um Standbilder oder Bildstrecken ergänzte - Textbeiträ- ge, Audio- und Videobeiträge, interaktive Elemente sowie Stand- und Bewegtbilder aufgerufen werden. Mit ihrer Klage wenden sich die Klägerinnen gegen das Angebot, das
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- nach Darstellung der Klägerinnen wie aus der von ihnen vorgelegten Anlage K 1 ersichtlich - am 15. Juni 2011 über die „Tagesschau-App“ bereitgestellt war. Sie sind der Ansicht, dieses Angebot verstoße gegen die als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG einzustufende Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, wonach nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote in Telemedien unzulässig sind. Die Klägerinnen haben beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu un5 terlassen, das Telemedienangebot „Tagesschau-App“, wie in den von ihnen vorgelegten Screenshots (Anlage K 1) enthalten, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen; hilfsweise, innerhalb des Telemedienangebots „Tagesschau-App“ bestimmte vorgelegte Artikel (Anlage K 2) einzeln und/oder kumulativ zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen. Das Landgericht hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben (LG
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Köln, WRP 2012, 1606). Mit ihrer Berufung haben die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der
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Klage weiterverfolgt. Die Klägerinnen haben in der Berufungsinstanz zusätzlich zu ihrem Hauptantrag und ihrem bisherigen Hilfsantrag mit ihrem nunmehr ersten Hilfsantrag beantragt, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die „Tagesschau-App“ wie in der Anlage K 1 bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die
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Klage abgewiesen (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 342 = WRP 2014, 194).
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Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage habe weder mit
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dem Hauptantrag noch mit den beiden Hilfsanträgen Erfolg. Dazu hat es ausgeführt : Der auf ein Unterlassen des Verbreitens des Telemedienangebots „Ta11 gesschau-App“ gerichtete Hauptantrag sei nicht hinreichend bestimmt, weil zwischen den Parteien streitig sei, ob es sich bei der „Tagesschau-App“ um ein eigenständiges Telemedienangebot oder nur um einen Bestandteil des Telemedienangebots „tagesschau.de“ handele. Der im Berufungsrechtszug als erster Hilfsantrag gestellte Antrag, den
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Beklagten ein Bereitstellen der „Tagesschau-App“ wie in den als Anlage K 1 beigefügten Bildschirmausdrucken zu untersagen, sei unbegründet. Es sei bereits zweifelhaft, ob das in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV niedergelegte Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG sei. Ein etwaiger Verstoß der Beklagten gegen dieses Verbot könne jedenfalls deshalb keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche begründen, weil das Angebot des Online-Portals „tagesschau.de“ und damit das Angebot der „Tagesschau-App“ im Zuge des „DreiStufen -Tests“ von den mit der Prüfung befassten Einrichtungen als nicht presseähnlich eingestuft und deshalb freigegeben worden sei. Die Wettbewerbsgerichte seien an diese rechtliche Bewertung gebunden. Die Freigabe des vom Rundfunkrat des Beklagten zu 2 beschlossenen Telemedienkonzepts durch die Niedersächsische Staatskanzlei sei als rechtsverbindlicher Verwaltungsakt zu werten. Dessen Legalisierungswirkung erfasse nicht nur das Online-Portal „tagesschau.de“ und die generelle Abrufbarkeit der dort eingestellten Inhalte über die „Tagesschau-App“, sondern auch das von den Klägerinnen angegriffene konkrete Angebot vom 15. Juni 2011. Der zweite Hilfsantrag, den Beklagten das Veröffentlichen von innerhalb
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des Telemedienangebots „Tagesschau-App“ im Einzelnen aufgelisteten Artikeln zu verbieten, sei gleichfalls im Hinblick auf den auslegungsbedürftigen und zwischen den Parteien umstrittenen Rechtsbegriff des Telemedienangebots unbestimmt. Im Übrigen komme ein Verbot bestimmter Artikel nicht in Betracht, weil für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines Telemedienangebots auf die Gesamtheit der Beiträge abzustellen sei. B. Die Revision der Klägerinnen hat hinsichtlich der Beklagten zu 1 kei14 nen Erfolg (dazu B I) und hinsichtlich des Beklagten zu 2 teilweise Erfolg (dazu B II). I. Die Revision der Klägerinnen hat keinen Erfolg, soweit sie sich dage15 gen wendet, dass das Berufungsgericht die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abgewiesen hat. Die Klage ist insoweit allerdings nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen, weil die Beklagte zu 1 nicht parteifähig ist. 1. Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, in einem Rechtsstreit klagen (aktive
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Parteifähigkeit) oder verklagt werden (passive Parteifähigkeit) zu können. Die Parteifähigkeit zählt zu den Prozessvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht grundsätzlich in jeder Verfahrenslage einschließlich der Revisionsinstanz gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 40/03, BGHZ 159, 94, 98). Fehlt die Parteifähigkeit zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, ist die Klage wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (Saenger /Bendtsen, ZPO, 6. Aufl., § 50 Rn. 12). Parteifähig ist gemäß § 50 Abs. 1 ZPO, wer rechtsfähig ist. Ferner kann ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, gemäß § 50 Abs. 2 ZPO klagen und verklagt werden. 2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 1 sei als eine
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im Rechtsverkehr unter einer eigenen Bezeichnung und einem eigenen Logo auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtsfähig und damit gemäß § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig. Selbst wenn die Beklagte zu 1 keine eigene Rechtspersönlichkeit haben sollte, sei sie in entsprechender Anwendung von § 50 Abs. 2 ZPO parteifähig, weil sie auf der Grundlage ihrer Satzung über eine körperschaftliche Struktur verfüge, die der eines Vereins vergleichbar sei. Dem kann nicht zugestimmt werden.
a) Die Beklagte zu 1 ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, je18 denfalls soweit sie die hier in Rede stehende „Tagesschau-App“ unter ihrer Bezeichnung und ihrem Logo im Rechtsverkehr anbietet, keine rechtsfähige und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähige (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 343 ff.). Vielmehr handelt es sich bei der Beklagten zu 1 insoweit um eine nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform. aa) Der Abschluss eines Vertrages, durch den sich die Beteiligten ge19 genseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern (§ 705 BGB), lässt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts entstehen, wenn der Zusammenschluss keinen körperschaftlichen Charakter hat und die weiteren Voraussetzungen für eine andere Form der Personengesellschaft fehlen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - I ZR 6/11, BGHZ 193, 49 Rn. 19 - Kommunikationsdesigner; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 705 Rn. 1). Zwar können juristische Personen des öffentlichen Rechts eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden oder Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden (vgl. RG, Urteil vom 1. April 1940 - V ZR 174/39, RGZ 163, 142, 149; Staudinger/Habermeier, BGB, 2003, § 705 Rn. 25; MünchKomm.BGB/Ulmer/Schäfer, 6. Aufl., § 705 Rn. 76). Schließen sich juristische Personen des öffentlichen Rechts jedoch zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammen, der in der gemeinsamen Erfüllung einer öffentlich -rechtlichen Aufgabe besteht, entsteht keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern eine öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform; ein solcher Zusammenschluss hat keinen bürgerlich-rechtlichen, sondern öffentlich-rechtlichen Charakter. So verhält es sich hier. bb) Die Beklagte zu 1 ist ein Zusammenschluss juristischer Personen
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des öffentlichen Rechts, nämlich der Landesrundfunkanstalten und der Deutschen Welle, einer Anstalt des Bundesrechts (§ 1 Abs. 1 der Satzung der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland [ARD] vom 9./10. Juni 1950 in der Fassung vom 8. April 2014). Dieser Zusammenschluss dient der gemeinsamen Erfüllung der in § 2 der Satzung aufgezählten Aufgaben, namentlich der Bearbeitung gemeinsamer Fragen des Programms (§ 2 Abs. 1 Buchst. c der Satzung). Die Aufgabe der Herstellung und Verbreitung von Rundfunkprogrammen und Telemedien ist den Rundfunkanstalten durch den Rundfunkstaatsvertrag als öffentlich-rechtliche Aufgabe zugewiesen (vgl. zur Veranstaltung von Rundfunkprogrammen BFH, Urteil vom 6. Juli 1967 - V 76/64, BFHE 89, 164, 167). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RStV haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Auftrag, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind gemäß § 11a RStV Rundfunkprogramme und Telemedien.
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Die Beklagte zu 1 ist daher, jedenfalls soweit sie den Rundfunkanstalten zugewiesene öffentlich-rechtliche Aufgaben - wie hier die Bereitstellung eines Telemedienangebots - erfüllt, keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (offengelassen von OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2015, 166 Rn. 40; LG Köln, ZUM 2013, 502 Rn. 109 bis 111), sondern eine öffentlich-rechtliche Gemeinschaftsform ohne eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 2005 - 6 PB 14/05, juris Rn. 5; OLG München, NJW-RR 1992, 1444, 1445; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 16 Rn. 9; Binder, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11 RStV Rn. 61; Gersdorf, Rundfunkrecht, 2003, Teil 5 Rn. 349; ders. in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 2014, § 11b RStV Rn. 12; Hesse, Rundfunkrecht, 3. Aufl., Kapitel 4 Rn. 172; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Kapitel 12 Rn. 321; Hahn in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., Anhang zu §§ 11e, 11f RStV Rn. 36; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar zum Rundfunkstaatsvertrag, 50. AL November 2011, vor § 11 RStV Rn. 66; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., Kapitel 9 Rn. 36; Fessmann, FuR 1980, 623 ff.; Steinwärder, Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich -rechtlichen Rundfunkanstalten, 1998, S. 318 ff.). Es liegt nahe, bei der Beklagten zu 1 - wie bei der gleichfalls von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betriebenen Stelle zum Einzug des Rundfunkbeitrags (vgl. § 10 Abs. 7 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags) - von einer nicht rechtsfähigen öffentlich -rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft auszugehen (vgl. Herrmann/ Lausen, Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 16 Rn. 10; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Kapitel 12 Rn. 459; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., Kapitel 9 Rn. 36), ohne dass die Frage hier abschließend entschieden zu werden braucht. Die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten zu 1 ist nicht in Anlehnung
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an die von der Rechtsprechung zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze zu bejahen.
Das käme nur in Betracht, wenn die Struktur der Beklagten zu 1 der einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zumindest ebenbürtig und die Beklagte zu 1 rechtlich und organisatorisch verselbständigt sowie eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten wäre (zur Rechts- und Parteifähigkeit der Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - III ZR 295/08, VersR 2010, 346 Rn. 10). Die Beklagte zu 1 ist aber kein eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten. Soweit in der Rechtsprechung erwogen worden ist, die Beklagte zu 1 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen (vgl. OLG Dresden, ZUM-RD 2000, 540, 541; OLG Jena, ZUM-RD 2000, 542 f.; OLG München, NJW 2001, 613, 614), betrafen diese Entscheidungen nicht die Frage , ob die Beklagte zu 1 als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts rechts- und parteifähig ist. Vielmehr ging es in diesen Entscheidungen darum, ob die in der Beklagten zu 1 zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten hinsichtlich der Ausstrahlung eines Gemeinschaftsprogramms über Satellit einander die Zustimmung zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung schulden, weil sie im Innenverhältnis wie Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu behandeln sind.
b) Die Beklagte zu 1 ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
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nicht deshalb in entsprechender Anwendung von § 50 Abs. 2 ZPO als parteifähig anzusehen, weil sie auf der Grundlage ihrer Satzung über eine körperschaftliche Struktur verfügt, die der eines Vereins vergleichbar ist. Die Zuerkennung der Parteifähigkeit an nicht rechtsfähige Vereine nach § 50 Abs. 2 ZPO beruht mittlerweile maßgeblich auf der Erwägung, dass auf nicht rechtsfähige Vereine gemäß § 54 Satz 1 BGB die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts anwendbar sind und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs parteifähig ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen, BT-Drucks. 16/12813, S. 15; BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, NJW 2008, 69, 73 f.). § 50 Abs. 2 ZPO kann daher nicht allein deshalb auf andere nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse entsprechend angewendet werden, weil diese über eine vereinsähnliche Organisationsstruktur verfügen. Es gibt keine § 54 Satz 1 BGB entsprechende Regelung, wonach auf solche Zusammenschlüsse die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts anwendbar sind. II. Die Revision der Klägerinnen hat teilweise Erfolg, soweit sie sich da24 gegen wendet, dass das Berufungsgericht die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat zwar ohne Rechtsfehler angenommen, dass der mit der Klage verfolgte Hauptantrag unbestimmt und daher unzulässig ist (dazu B II 1). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch der in der Berufungsinstanz als erster Hilfsantrag gestellte Unterlassungsantrag nicht abgewiesen werden (dazu B II 2). Das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (dazu B II 3). 1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der mit
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der Klage verfolgte Hauptantrag sei unbestimmt und daher unzulässig.
a) Ein Verbotsantrag darf im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht
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derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Danach ist die Verwendung eines auslegungsbedürftigen Begriffs im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung im Regelfall jedenfalls dann unzulässig, wenn die Parteien über die Bedeutung dieses Begriffs streiten (st.
Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 7/13, GRUR 2014, 398 Rn. 15 = WRP 2014, 431 - Online-Versicherungsvermittlung).
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach diesen Maßstäben sei
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der auf ein Unterlassen des Verbreitens des Telemedienangebots „Tagesschau -App“ gerichtete Hauptantrag der Klägerinnen nicht hinreichend bestimmt, weil zwischen den Parteien streitig sei, ob die „Tagesschau-App“ ein eigenständiges Telemedienangebot oder nur ein Bestandteil des Telemedienangebots „tagesschau.de“ sei. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. 2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von
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den Klägerinnen in der Berufungsinstanz als erster Hilfsantrag gestellte Unterlassungsantrag nicht abgewiesen werden.
a) Mit diesem Antrag haben die Klägerinnen beantragt, den Beklagten zu
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untersagen, die „Tagesschau-App“ wie in der Anlage K 1 bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen. Dieser Antrag ist dahin auszulegen, dass die Klägerinnen den Beklagten damit verbieten lassen wollen, die Applikation „TagesschauApp“ bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen, wenn über diese Applikation ein Angebot abgerufen werden kann, wie es aus den in der Anlage K 1 enthaltenen Bildschirmausdrucken ersichtlich ist.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der geltend gemachte Unter30 lassungsanspruch sei nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV begründet. Ein Verstoß der Beklagten gegen das Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote könne jedenfalls deshalb keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung begründen , weil das Angebot des Online-Portals „tagesschau.de“ und damit das Angebot der „Tagesschau-App“ im Zuge des „Drei-Stufen-Tests“ von den mit der Prüfung befassten Einrichtungen als nicht presseähnlich eingestuft und deshalb freigegeben worden sei. Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung nicht stand.
c) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
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dass der Tatbestand des Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung nach § 4 Nr. 11 UWG ausscheidet, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde einen wirksamen Verwaltungsakt erlassen hat, der das beanstandete Marktverhalten ausdrücklich erlaubt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 269 - Atemtest I; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 73/12, GRUR 2014, 405 Rn. 10 f. = WRP 2014, 429 - Atemtest II). Solange ein solcher Verwaltungsakt nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist, ist die Zulässigkeit des beanstandeten Verhaltens einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen (sogenannte Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts, vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04, WRP 2007, 1359; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - IX ZR 50/07, NVwZ-RR 2010, 372 Rn. 7; Beschluss vom 16. Dezember 2014 - EnVR 54/13, N&R 2015, 107 Rn. 19).
d) Das Berufungsgericht hat angenommen, die im Schreiben der Nieder32 sächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 zum Ausdruck kommende Freigabe des vom Rundfunkrat des Beklagten zu 2 am 25. Juni 2010 beschlossenen Telemedienkonzepts für das Angebot „tageschau.de“ sei als rechtsverbindlicher Verwaltungsakt zu werten. Zwar sei der Wille der Rechtsaufsichtsbehörde nicht auf die unmittelbare Herbeiführung einer Rechtswirkung im Sinne einer Genehmigung oder Erlaubnis gerichtet. Das Schreiben sei jedoch als verbindliche Entscheidung zur Übereinstimmung des Telemedienangebots mit den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags und damit als feststellender Verwaltungsakt einzustufen. Jedenfalls komme der in diesem Schreiben enthaltenen Erklärung in Anbetracht der Entstehungsgeschichte des § 11f RStV und der Ausgestaltung des darin vorgesehenen „Drei-Stufen-Tests“ eine vergleichbare Legalisierungswirkung zu. Es kann offenbleiben, ob das Schreiben der Niedersächsischen Staats33 kanzlei vom 17. August 2010 als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zu werten oder ob es als schlichtes Verwaltungshandeln einzustufen ist (für Ersteres Eifert in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11f RStV Rn. 189; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar zum Rundfunkstaatsvertrag , 39. AL Mai 2009, § 11f RStV Rn. 56; Hain, AfP 2012, 313, 322; Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1496 f.; für Letzteres Huber, ZUM 2010, 201, 202 f.; Degenhart, AfP 2014, 107, 108 f.; Wierny, ZUM 2014, 196, 199; vgl. auch Peters, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 486). Selbst wenn dieses Schreiben als Verwaltungsakt zu werten wäre, stünde damit - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht mit bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass das am 15. Juni 2011 über die „Tagesschau -App“ abrufbar gewesene Angebot der Beklagten nicht presseähnlich gewesen ist.
e) Das Berufungsgericht hat angenommen, aufgrund der Freigabe des
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Online-Angebots „tagesschau.de“ durch das als Verwaltungsakt zu wertende Schreiben der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 stehe mit bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass dieses Angebot nicht presseähnlich sei. Die Legalisierungswirkung dieses Verwaltungsakts erfasse nicht nur das Online-Portal „tagesschau.de“ und die generelle Abrufbarkeit der dort eingestellten Inhalte über die „Tagesschau-App“, sondern auch das von den Klägerinnen angegriffene konkrete Angebot vom 15. Juni 2011. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. aa) Die Reichweite der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts wird
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durch seinen Regelungsgehalt bestimmt (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rn. 142; BeckOK.VwVfG/Schemmer, Stand: 1. Januar 2015, § 43 Rn. 28; Peuker in Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl., § 43 Rn. 22). Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach ist der erklärte Wille der erlassenden Behörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BGH, WRP 2007, 1359 Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 9 C 4/04, BVerwGE 123, 292, 297; Urteil vom 19. März 2013 - 5 C 16/12, NJW 2013, 1832 Rn. 10). Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen; darüber hinaus ist das materielle Recht, auf dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2006 - 6 C 20/05, BVerwGE 126, 254 Rn. 78; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 43 Rn. 15). Ein Verwaltungsakt ist vom Revisionsgericht selbständig auszulegen (BGH, WRP 2007, 1359 Rn. 16). bb) Das an den Intendanten des Beklagten zu 2 gerichtete Schreiben der
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Niedersächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 lautet wie folgt: […] haben Sie herzlichen Dank für die Übersendung der für die rechtsaufsichtli- che Prüfung notwendigen, umfangreichen Unterlagen zu den Telemedienkonzepten tagesschau.de und eins-extra.de. Die Prüfung durch die Rechtsaufsicht gem. § 11f Absatz 7 RStV ist nunmehr abgeschlossen und beide Telemedienkonzepte können im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht werden. Um für künftige Verfahren noch mehr Klarheit zu schaffen, erlaube ich mir, Ihnen bei dieser Gelegenheit folgende Hinweise zu geben: […] cc) Das Schreiben vom 17. August 2010 enthält weder einen Entschei37 dungssatz im eigentlichen Sinne noch eine Begründung. Seine Kernaussage beschränkt sich auf die Mitteilung, dass die Prüfung durch die Rechtsaufsicht gemäß § 11f Abs. 7 RStV abgeschlossen sei und die Telemedienkonzepte im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht werden könnten. Der Regelungsgehalt dieser Mitteilung ist daher im Blick auf die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages zu ermitteln, die der rechtsaufsichtlichen Prüfung zugrunde liegen. (1) Gegenstand der rechtsaufsichtlichen Prüfung ist, wie sich aus § 11f
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Abs. 7 Satz 2 RStV ergibt, das Telemedienkonzept, mit dem die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gemäß § 11f Abs. 1 RStV die inhaltliche Ausrichtung von - unter anderem - nichtsendungsbezogenen Telemedien nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RStV konkretisieren, indem sie deren Zielgruppe, Inhalt, Ausrichtung und Verweildauer näher beschreiben. Die Beschreibung des Telemedienangebots ist gemäß § 11f Abs. 7 Satz 2 RStV „nach Prüfung durch die für die Rechtsaufsicht zuständige Behörde“ in den amtlichen Verkündungsblättern der betroffenen Länder zu veröffentlichen. Diese Beschreibung ist in erster Linie heranzuziehen, um den Regelungsgehalt der Mitteilung der Rechtsaufsichtsbehörde zu bestimmen. (2) Der für die Rechtsaufsicht zuständigen Behörde sind nach § 11f
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Abs. 7 Satz 1 RStV vor der Veröffentlichung alle für eine rechtsaufsichtliche Prüfung notwendigen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zu übermitteln. Zu den Unterlagen zählen die Begründung der Gremienentscheidung sowie Stellungnahmen oder Gutachten (vgl. § 11f Abs. 5 RStV). Diese sind allerdings lediglich Mittel und nicht Gegenstand der rechtsaufsichtlichen Prüfung. Sie werden nicht Bestandteil des Telemedienkonzepts und sind dementsprechend nicht zusammen mit diesem gemäß § 11f Abs. 7 Satz 2 RStV zu veröffentlichen (vgl. Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Landtag von BadenWürttemberg , Drucks. 14/3859, S. 51). Diese Unterlagen können deshalb nicht ohne Weiteres herangezogen werden, um den Regelungsgehalt einer Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde zu ermitteln. Das gilt auch für die Begründung , die das zuständige Gremium für seine Entscheidung gibt, ob das Angebot vom Auftrag umfasst ist (§ 11f Abs. 6 RStV).
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(3) Die für die Rechtsaufsicht zuständige Behörde hat nach § 11f Abs. 7 RStV nicht nur zu prüfen, ob das für die Prüfung eines Telemedienangebots vorgeschriebene Verfahren (der „Drei-Stufen-Test“) ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Sie hat vielmehr auch zu untersuchen, ob das Telemedienkonzept den materiell-rechtlichen Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages entspricht. Dem Wortlaut des § 11f Abs. 7 RStV ist zwar nur zu entnehmen, dass eine rechtsaufsichtliche Prüfung von der zuständigen Behörde vorzunehmen ist; aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt aber nicht, was diese Behörde prüfen soll. Das ergibt sich allerdings aus der Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Danach prüft die Behörde die Einhaltung der Verfahrensschritte und der gesetzlichen Vorgaben. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt ist und das neue Angebot dem gesetzlichen Auftrag entspricht, ist das Telemedienkonzept im jeweiligen amtlichen Verkündungsblatt zu veröffentlichen (vgl. Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag , Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 14/3859, S. 51). Zu den gesetzlichen Vorgaben, deren Einhaltung die Rechtsaufsichtsbehörde zu prüfen hat, gehört im - hier vorliegenden - Fall eines Telemedienkonzepts für ein (auch) nichtsendungsbezogenes Telemedienangebot das in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV niedergelegte Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote. dd) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die
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im Schreiben der Niedersächsischen Staatskanzlei zum Ausdruck kommende Freigabe des Telemedienkonzepts „tagesschau.de“ die Freigabe des Abrufs der im Online-Portal „tagesschau.de“ eingestellten Inhalte über die Applikation „Tagesschau -App“ umfasst. Das unter „tagesschau.de“ vorgehaltene OnlineAngebot der Beklagten ist durch das spätere Angebot der „Tagesschau-App“ lediglich um eine für mobile Endgeräte optimierte Zugriffsmöglichkeit ergänzt worden. Darin liegt kein neues oder verändertes Angebot, das nach dem Rund- funkstaatsvertrag einer eigenständigen Überprüfung bedurft hätte. Es kann danach offenbleiben, ob die Möglichkeit, das Online-Angebot „tagesschau.de“ über Smartphones abzurufen, schon deshalb vom freigegebenen Telemedien- konzept „tagesschau.de“ umfasst ist, weil im Telemedienkonzept die Verbrei- tung des Angebots im Wege der mobilen Ausspielung über Handys mehrfach erwähnt ist. (1) Ein neues oder verändertes Telemedienangebot ist, wie sich aus
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§ 11f Abs. 3 Satz 1 RStV ergibt, in einem eigenständigen Verfahren daraufhin zu überprüfen, ob es vom Auftrag umfasst ist. Ein verändertes Angebot liegt nach § 11f Abs. 3 Satz 2 RStV insbesondere vor, wenn die inhaltliche Gesamtausrichtung des Angebots oder die Zielgruppe verändert wird. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der „Tagesschau-App“ nicht um ein gegenüber dem Online-Portal „tagesschau.de“ verändertes Telemedienangebot. (2) Das über die „Tagesschau-App“ abrufbare Angebot stimmt nach den
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Feststellungen des Berufungsgerichts mit dem im Online-Portal vorgehaltenen Angebot „tagesschau.de“ inhaltlich überein. Über die „Tagesschau-App“ sind sämtliche auf dem Online-Portal „tagesschau.de“ eingestellten Beiträge abrufbar. Wegen der geringeren Darstellungskapazität eines Smartphones sind bei einem Abruf über die „Tagesschau-App“ zwar die seitlichen Navigations- und Überblicksleisten des Online-Angebots „tagesschau.de“ nicht zu sehen. Dadurch wird jedoch die inhaltliche Gesamtausrichtung des Angebots nicht verändert. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, über die „Tagesschau-App“ sei kein vollständiger Zugriff auf die unter „tagesschau.de“ vorgehaltenen Inhalte möglich. Die Revision legt nicht dar, auf welche Inhalte nicht zugegriffen werden kann und weshalb dies zu einer anderen inhaltlichen Gesamtausrichtung des Angebots führt. Sie zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht entsprechendes Vorbringen der Klägerinnen übergangen hat.
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(3) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Angebot, die Inhalte des Online-Portals „tagesschau.de“ über die „Tagesschau-App“ abzurufen , an eine andere Zielgruppe richtet, als das Angebot des Online-Portals „tagesschau.de“. ee) Dem für die Bestimmung des Regelungsgehalts des Schreibens der
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Niedersächsischen Staatskanzlei vom 17. August 2010 maßgeblichen Tele- medienkonzept ist zwar die Feststellung zu entnehmen, dass das Angebot „tagesschau.de“ nicht im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV presseähnlich sei. Selbst wenn das Schreiben der Staatskanzlei als Verwaltungsakt zu werten wäre, stünde jedoch aufgrund dieser Feststellung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit bindender Wirkung für den vor- liegenden Rechtsstreit fest, dass das über die „Tagesschau-App“ am 15. Juni 2011 abrufbar gewesene Angebot „tagesschau.de“ nicht im Sinne dieser Bestimmung presseähnlich gewesen ist (vgl. Degenhart, AfP 2014, 107, 111; Hartl/Wagner, jurisPR-ITR 6/2914 Anm. 5; vgl. auch Held in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11d RStV Rn. 142). (1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Legalisierungswirkung
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einer Freigabe des Telemedienkonzepts erfasse die konkreten Angebote, durch die dieses Konzept umgesetzt werde, weil sich die Prüfung des Telemedienkonzepts nicht auf ein abstraktes Konzept beschränke, sondern auf die im Online -Portal eingestellten konkreten Angebote erstrecke, durch die das Konzept umgesetzt werde. Dem kann nicht zugestimmt werden. Gemäß §§ 11f Abs. 1 RStV konkretisieren die Rundfunkanstalten in Te47 lemedienkonzepten zwar die inhaltliche Ausrichtung ihrer - unter anderem - nichtsendungsbezogenen Telemedien (§ 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RStV), indem sie Zielgruppe, Inhalt, Ausrichtung und Verweildauer der geplanten Angebote näher beschreiben. Dabei müssen diese Konzepte - nach der Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag - genauer als die gesetzliche Ermächtigung sein und können ein einziges oder eine Vielzahl von Angeboten umfassen. Aus dem Text muss sich ablesen lassen, wer angesprochen werden soll, was vorrangig angeboten wird und wie das Angebot sich ausrichtet, ob es sich zum Beispiel um informative, unterhaltende, bildende oder kulturelle Inhalte handelt (vgl. Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 14/3859, S. 49). Danach ist in einem Telemedienkonzept zwar die inhaltliche Ausrichtung des Angebots näher zu beschreiben , um damit einen gegenüber der gesetzlichen Ermächtigung höheren Grad an Konkretisierung zu erreichen; ein Telemedienkonzept soll und kann durch eine solche Beschreibung jedoch nicht die konkrete Umsetzung eines geplanten Angebots zu einem bestimmten Zeitpunkt in allen Einzelheiten im Vorhinein festlegen. Auch die Beschreibung des Angebots „tagesschau.de“ auf den Seiten 42
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bis 48 des Telemedienkonzepts des Beklagten zu 2 bildet zwangsläufig nur einen Rahmen für konkrete Umsetzungen des Konzepts. So heißt es in den vom Berufungsgericht herangezogenen Auszügen aus dieser Beschreibung, „tagesschau.de“ informiere den Nutzer über aktuelle politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse und biete erläuternde und informierende Hintergrundberichte; die Beiträge würden als Audio oder Video und in Manuskriptform angeboten und um originäre aktuelle Textmeldungen und vertiefende Inhalte wie Interviews, Hintergründe und Analysen, Fotos oder (interaktive) Grafiken ergänzt. Diese allgemeine Beschreibung der inhaltlichen Ausrichtung des Konzepts lässt weiten Raum für konkrete Umsetzungen und ist nicht geeignet, die Übereinstimmung von im Online-Portal zur Umsetzung dieses Konzepts eingestellten konkreten Angeboten mit den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages zu gewährleisten.
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(2) Aufgrund einer Legalisierungswirkung der Freigabe des Telemedienkonzepts „tagesschau.de“ steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht mit bindender Wirkung für das vorliegende Verfahren fest, dass ein in Umsetzung dieses Konzepts im Online-Portal „tagesschau.de“ eingestelltes Angebot und insbesondere das hier in Rede stehende Angebot vom 15. Juni 2011 nicht presseähnlich ist. In Telemedienkonzepten für nichtsendungsbezogene Telemedien (§ 11d
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Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RStV) ist die inhaltliche Ausrichtung des Telemedienangebots zwar im Hinblick darauf gemäß § 11f Abs. 1 RStV zu konkretisieren, dass nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV nicht zulässig sind. Auch insoweit kann ein Telemedienkonzept jedoch zwangsläufig nur gewisse Leitlinien für die Gestaltung des Angebots aufstellen und nicht gewährleisten, dass eine konkrete Umsetzung des Konzepts, die sich im Rahmen dieser Leitlinien hält, nicht gegen das Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote verstößt. Deshalb kann eine Billigung dieses Konzepts durch die Rechtsaufsichtsbehörde, selbst wenn sie bindende Wirkung hätte, nicht dazu führen, dass konkrete Angebote nicht als presseähnlich anzusehen sind. Das gilt auch für das hier in Rede stehende Telemedienkonzept, in dem
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auf Seite 24 ausgeführt ist, weshalb die Angebote im Online-Portal der ARD - und damit auch das Telemedienangebot „tagesschau.de“ - nicht presseähnlich seien. In dieser - vom Berufungsgericht zitierten - Beschreibung des OnlinePortals heißt es, die ARD nutze alle medientypischen Gestaltungselemente und technischen Anwendungen wie Bewegtbilder, Audios, interaktive Module (inkl. Personalisierung), Hypertextstrukturen (Links), verschiedene Formen von Bild-, Text- und Tonkombinationen und gestaffelten Angebotstiefen; außerdem seien die Telemedien der ARD in hohem Maße dynamisch, das heiße die Inhalte würden teilweise in einem sehr kurzen Rhythmus aktualisiert, der sich allein an der aktuellen Entwicklung des Berichtsgegenstands orientiere. Allein die Verwendung medientypischer Gestaltungselemente und technischer Anwendungen sowie die hohe Dynamik eines Telemediums gewährleisten nicht, dass ein konkretes Angebot nicht presseähnlich ist. (3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt eine Legalisie52 rungswirkung der Freigabe des Telemedienkonzepts für das hier in Rede stehende konkrete Angebot vom 15. Juni 2011 nicht daraus, dass im Telemedienkonzept kein geplantes, sondern ein bestehendes Angebot beschrieben worden ist und sich das von den Klägerinnen beanstandete Angebot vom 15. Juni 2011 nicht von dem im Telemedienkonzept beschriebenen Angebot unterscheidet. Allerdings ist im Telemedienkonzept „tagesschau.de“ kein geplantes An53 gebot, sondern ein bestehendes Angebot beschrieben. Die Bestimmungen der §§ 11d, 11f RStV gelten zwar unmittelbar nur für geplante Angebote (vgl. § 11f Abs. 1 RStV). Sie sind nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 und 3 RÄStV jedoch entsprechend auf alle bestehenden Angebote anwendbar, die über den 31. Mai 2009 hinaus fortgeführt werden. Für diesen Bestand war nach Art. 7 Abs. 1 Satz 4 RÄStV das Verfahren entsprechend § 11f RStV bis zum 31. August 2010 abzuschließen. Bei dem von der Beklagten zu 1 seit dem Jahr 1996 betriebenen und von dem Beklagten zu 2 betreuten Online-Portal „tagesschau.de“ handelte es sich um ein bestehendes Angebot, das über den 31. Mai 2009 fortgeführt wurde , und dessen inhaltliche Ausrichtung deshalb entsprechend § 11f Abs. 1 RStV in einem Telemedienkonzept zu konkretisieren war. Das bedeutet jedoch nicht, dass das bestehende Angebot in seiner kon54 kreten Gestalt zum Inhalt des Telemedienkonzepts wurde. Durch die von § 11f Abs. 1 RStV geforderte nähere Beschreibung der inhaltlichen Ausrichtung des Angebots in einem Telemedienkonzept soll lediglich ein gegenüber der gesetzlichen Ermächtigung höherer Grad an Konkretisierung erzielt werden; dagegen soll und kann durch eine solche Beschreibung nicht ein konkretes Angebot in allen Einzelheiten für die Zukunft festgeschrieben werden (vgl. oben Rn. 47). Deshalb ändert der Umstand, dass sich die Beschreibung der inhaltlichen Ausrichtung des fortzuführenden Angebots im Telemedienkonzept „tagesschau.de“ an dem bestehenden Angebot in seiner konkreten Erscheinungsform orientiert, nichts daran, dass sich das Telemedienkonzept nicht auf dieses konkrete Angebot beschränkt, sondern davon unter Berücksichtigung der Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages abstrahiert. Dementsprechend kann die Freigabe des Telemedienkonzepts für ein bestehendes Angebot ebenso wie die für ein geplantes Angebot eine Tatbestandswirkung nur für das von konkreten Angeboten abstrahierende Konzept entfalten und kein konkretes Angebot legitimieren. 3. Soweit das Berufungsgericht den in der Berufungsinstanz als ersten
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Hilfsantrag gestellten Unterlassungsantrag abgewiesen hat, stellt sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob es sich bei dem in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV niedergelegten Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Diese Frage ist zu bejahen.
a) Eine gesetzliche Vorschrift ist im Hinblick auf den Zweck des Geset56 zes gegen den unlauteren Wettbewerb, die Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen zu schützen (§ 1 Satz 1 UWG), nur dann eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, wenn sie eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat. Daran fehlt es, wenn eine Vorschrift lediglich bestimmte Unternehmen von bestimmten Märkten fernhalten oder die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs festlegen soll (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 - I ZR 152/07, GRUR 2010, 654 Rn. 23 = WRP 2010, 876 - Zweckbetrieb, mwN).
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b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 UWG Rn. 11.49; Peters , Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 335; Degenhart, AfP 2014, 107; Hartl/Wagner, jurisPR-ITR 6/2914 Anm. 5; aA Eifert in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11f RStV Rn. 197; Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1497 f.; Peifer, GRUR-Prax 2012, 521, 523; ders., GRUR-Prax 2014, 44). Der Wortlaut und die Systematik des § 11d RStV könnten allerdings - wie
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das Berufungsgericht angenommen hat - dafür sprechen, dass es sich bei § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV um eine Regelung handelt, die lediglich bestimmte Unternehmen von bestimmten Märkten fernhalten soll. Gemäß § 11d Abs. 1 RStV bieten die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten , das ZDF und das Deutschlandradio Telemedien an, die journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sind. Dieser Auftrag umfasst nach § 11d Abs. 2 Satz 1 RStV das - inhaltlich und zeitlich näher bezeichnete - Angebot von Sendungen auf Abruf, von sendungsbezogenen und nichtsendungsbezogenen Telemedien sowie von Archiven. Diese Bestimmungen öffnen den genannten Rundfunkanstalten den Zutritt zum Markt der Telemedien. Vor diesem Hintergrund könnte die Vorschrift des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, wonach nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote nicht zulässig sind, als eine Regelung verstanden werden, die den genannten Rundfunkanstalten den an sich eröffneten Zutritt zum Markt der Telemedien verschließen soll, soweit nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote betroffen sind.
Bei dieser Bestimmung handelt es sich aber jedenfalls nicht um eine rei59 ne Marktzutrittsregelung, sondern zumindest auch um eine Marktverhaltensregelung. Sie hat den Zweck, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedien zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Sie ist damit dem für den Staat bestehenden Gebot vergleichbar, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, bei dem es sich gleichfalls um eine Marktverhaltensregelung handelt, die (auch) dem Schutz von Presseunternehmen dient (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - I ZR 129/10, GRUR 2012, 728 Rn. 11 = WRP 2012, 935 - Einkauf Aktuell). Die Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV regelt, dass öffentlich -rechtliche Rundfunkanstalten, wenn sie in den ihnen eröffneten Wettbewerb auf dem Markt der Telemedien eintreten, auf nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote verzichten müssen. Sie bestimmt das Verhalten auf dem Markt der Telemedien, ohne den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Sie ist den Regelungen vergleichbar, die beispielsweise Werbung und Sponsoring (§ 11d Abs. 5 Satz 1 RStV) oder bestimmte Angebotsformen (§ 11d Abs. 5 Satz 4 RStV in Verbindung mit der Anlage zum Staatsvertrag) bei Telemedienangeboten verbieten, und bei denen es sich ebenfalls um Marktverhaltensregelungen handelt (Peters, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 306). C. Danach ist die Revision der Klägerinnen gegen das Berufungsurteil
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hinsichtlich der Beklagten zu 1 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass auf die Berufung der Beklagten zu 1 das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 1 als unzulässig abgewiesen wird. Auf die Revision der Klägerinnen ist das Berufungsurteil hinsichtlich des Beklagten zu 2 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Klage mit den Hilfsanträgen zum Unterlassungsantrag abgewiesen worden ist. Dies gilt auch hinsichtlich des in der Berufungsinstanz als zweiten Hilfsantrags verfolgten Klageantrags, weil über diesen in der Sache erst entschieden werden darf, wenn feststeht, dass der erste Hilfsantrag unbegründet ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann insoweit in der Sache nicht selbst entscheiden , da sie nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob es sich bei dem Angebot des Beklagten zu 2 vom 15. Juni 2011 um ein nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV unzulässiges, nichtsendungsbezogenes presseähnliches Angebot gehandelt hat. Dazu weist der Senat auf Folgendes hin: I. Unter einem Angebot im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3
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RStV, dessen Presseähnlichkeit zu beurteilen ist, ist grundsätzlich das gesamte Telemedienangebot zu verstehen, das auf einem entsprechenden Telemedienkonzept beruht. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Begriff des Telemedienangebots auch in den übrigen Bestimmungen der §§ 11f, 11d RStV in diesem umfassenden Sinne verwendet wird. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob einzelne Beiträge innerhalb dieses Angebots für sich genommen als presseähnlich einzustufen sind (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar zum Rundfunkstaatsvertrag, 43. AL Mai 2010, § 11d RStV Rn. 15; Hain, Die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄndStV, 2009, S. 106; Peters, Öffentlich -rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 305; Schmidtmann, ZUM 2011, 526, 539; Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1499; Fiedler, K&R 2012, 795, 797; vgl. auch Held in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 11d RStV Rn. 70; Nawrath, MMR 2011, 79, 82). II. Presseähnliche Angebote sind gemäß § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teil62 satz 3 RStV lediglich in nichtsendungsbezogenen Telemedien unzulässig. Besteht ein Telemedienangebot - wie das hier in Rede stehende Telemedienan- gebot „tagesschau.de“ - sowohl aus nichtsendungsbezogenen als auch aus sendungsbezogenen Inhalten, ist bei der Prüfung der Presseähnlichkeit allein auf die Gesamtheit der nichtsendungsbezogenen Beiträge abzustellen (Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1499). Im Streitfall ist daher zu prüfen, ob das über die „Tagesschau-App“ am 15. Juni 2011 abrufbar gewesene Angebot des Online-Portals „tagesschau.de“ in der Gesamtheit seiner nichtsendungsbezogenen Beiträge als presseähnlich anzusehen ist. Da bei sendungsbezogenen Telemedien der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung nach § 11d Abs. 3 Satz 2 RStV im jeweiligen Telemedienangebot ausgewiesen werden muss, dürfte es unschwer möglich sein, die nichtsendungsbezogenen Beiträge, bei denen ein solcher Ausweis fehlt, zu ermitteln und einer solchen Prüfung zu unterziehen. III. Nach der in § 2 Abs. 2 Nr. 20 RStV niedergelegten Legaldefinition
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sind unter einem presseähnlichen Angebot nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionellen Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen, zu verstehen. Zur Beurteilung der Presseähnlichkeit eines Telemedienangebots ist die64 ses danach mit Zeitungen und Zeitschriften zu vergleichen. Für diesen Vergleich ist auf gedruckte Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften abzustellen. Das ergibt sich bereits daraus, dass elektronische Ausgaben von Printmedien - und damit auch elektronische Ausgaben von gedruckten Zeitungen und Zeitschriften - nach der Legaldefinition ohne Weiteres als presseähnliche Angebote anzusehen sind. Auf das Internetangebot von Presseverlagen kommt es für den Vergleich dagegen nicht an (Schulz in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 2 RStV Rn. 173; Hain, Die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄndStV, 2009, S. 106; Peters, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 304; Schmidtmann, ZUM 2011, 526, 539; Hain/Brings, WRP 2012, 1495, 1499). Bei dem Vergleich ist auf die Gestaltung und den Inhalt von Zeitungen
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und Zeitschriften abzustellen. Für Zeitungen und Zeitschriften ist es charakteristisch , dass sie vor allem Texte und daneben (unbewegte) Bilder enthalten. Steht der Text deutlich im Vordergrund, deutet dies daher auf die Presseähnlichkeit eines Angebots hin (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Kommentar zum Rundfunkstaatsvertrag, 43. AL Mai 2010, § 11d RStV Rn. 15; Hain, Die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄndStV, 2009, S. 107; Peters, Öffentlich -rechtliche Online-Angebote, 2010, Rn. 306; Schmidtmann, ZUM 2011, 526, 539 f.; Nawrath, MMR 2011, 79, 80 f.). Dafür spricht auch die Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Danach soll das Verbot presseähnlicher Angebote der Tendenz begegnen, dass von Rundfunkanstalten angebotene nichtsendungsbezogene Telemedien den inhaltlichen und gestalterischen Schwerpunkt in Texten setzen; ein solcher Schwerpunkt könne vermieden werden , wenn öffentlich-rechtliche nichtsendungsbezogene Telemedienangebote ihren Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung oder einer entsprechenden Kombination hätten (vgl. Begründung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag , Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 14/3859, S. 47). Ein Telemedienangebot ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts -
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nicht deshalb presseähnlich, weil es aus Sicht des Nutzers aufgrund der Dichte und Breite der dargebotenen Information geeignet ist, als „Presseersatz“ zu dienen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können sich auf die gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk berufen. Diese umfasst neue Dienste mittels neuer Techniken, die künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übernehmen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88, BVerfGE 83, 238, 302). Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann es daher durch § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV grundsätzlich nicht verwehrt sein, in dem von ihrem Programmauftrag umfassten nichtsendungsbezogenen Telemedienangebot ausführlich und umfassend über sämtliche Themen zu berichten, die auch Gegenstand der Berichterstattung in Zeitungen und Zeitschriften sind. Die Eröffnung der Möglichkeit zu einer solchen Berichterstattung für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch § 11d Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 1 RStV beeinträchtigt allerdings die wirtschaftlichen Interessen der Presseverlage. Sie berührt damit die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gleichfalls verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit. Diese hat auch eine objektiv -rechtliche Seite und garantiert das Institut „Freie Presse”. Der Staat ist verpflichtet , in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen (BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966, 1 BvR 586/62, 610/63, 212/64, BVerfGE 20, 162, 175 f.). Dem ist indessen dadurch genügt, dass journalistisch-redaktionelle Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in nichtsendungsbezogenen Telemedien nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV nicht durch „stehende“ Texte und Bilder geprägt sein dürfen, sondern ihren Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung oder einer entsprechenden Kombination haben müssen.
Büscher Koch Richter am BGH Dr. Löffler ist in Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Büscher
Schwonke Feddersen
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 27.09.2012 - 31 O 360/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 20.12.2013 - 6 U 188/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2015 - I ZR 13/14

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Medienrecht: Zur Beurteilung von presseähnlichen Angeboten in Telemedien

14.01.2016

Die Beurteilung eines Telemedienkonzepts als nicht presseähnlich entfaltet keine Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines konkreten Telemedienangebots.
1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2015 - I ZR 13/14.

Medienrecht: Zur Beurteilung von presseähnlichen Angeboten in Telemedien

14.01.2016

Die Beurteilung eines Telemedienkonzepts als nicht presseähnlich entfaltet keine Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Presseähnlichkeit eines konkreten Telemedienangebots.

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2015 - I ZR 13/14 zitiert 19 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 8 Beseitigung und Unterlassung


(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwider

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen


(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 4 Mitbewerberschutz


Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 35 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. (2) Vorschri

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 44b Gemeinsame Einrichtung


(1) Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung. Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 705 Inhalt des Gesellschaftsvertrags


Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 50 Parteifähigkeit


(1) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist. (2) Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 56 Prüfung von Amts wegen


(1) Das Gericht hat den Mangel der Parteifähigkeit, der Prozessfähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Prozessführung von Amts wegen zu berücksichtigen. (2) Die Partei oder deren gesetzlic

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 54 Nicht rechtsfähige Vereine


Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere,

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2015 - I ZR 13/14 zitiert oder wird zitiert von 24 Urteil(en).

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um die Erhebung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags von einem selbständig tätigen Elternteil.
10 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2015 - I ZR 13/14.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2020 - I ZR 40/17

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 40/17 Verkündet am: 30. Januar 2020 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Ersatzteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2018 - I ZR 40/17

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. Nov. 2018 - I ZR 108/17

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Landgericht Memmingen Endurteil, 01. Apr. 2019 - 22 O 539/18

bei uns veröffentlicht am 01.04.2019

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Referenzen

(1) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist.

(2) Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist.

(2) Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Das Gericht hat den Mangel der Parteifähigkeit, der Prozessfähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Prozessführung von Amts wegen zu berücksichtigen.

(2) Die Partei oder deren gesetzlicher Vertreter kann zur Prozessführung mit Vorbehalt der Beseitigung des Mangels zugelassen werden, wenn mit dem Verzug Gefahr für die Partei verbunden ist. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beseitigung des Mangels zu bestimmende Frist abgelaufen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 40/03 Verkündet am:
4. Mai 2004
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________

a) Die Parteifähigkeit gehört zu den Prozeßvoraussetzungen, deren Mangel in jeder
Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Das Berufungsgericht
darf diesbezügliches Vorbringen daher nicht als verspätet zurückweisen.

b) Eine Überprüfung der Parteifähigkeit ist jedoch nur geboten, wenn hinreichende
Anhaltspunkte für deren Fehlen vorliegen. Tritt eine juristische Person in der
Beklagtenrolle, von der außer Frage steht, daß sie ursprünglich rechts- und parteifähig
war, mit der Behauptung hervor, diese Eigenschaft verloren zu haben,
so muß sie Tatsachen darlegen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte
für die Richtigkeit ihrer Behauptung ergeben.
BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 40/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Joeres und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger nehmen die Beklagte wegen des Verlusts von Kapitalanlagebeträgen auf Schadensersatz in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte, eine in New York ansässige Aktienges ellschaft amerikanischen Rechts, veranlaßte im Jahr 1990 die Gründung der D. AG. Aktien Die wurden von den Mitglied ern des Aufsichtsrats und
des Vorstands treuhänderisch für die Beklagte übernommen. Die D. AG legte unter anderem ein DAX-Programm, das den Handel mit Terminkontrakten auf den Deutschen Aktien Index (DAX) zum Inhalt hatte, auf. Für eine Beteiligung an diesem Fonds wurde mit einem Zeichnungsprospekt geworben, der auf der Titelseite als Angebot der D. AG bezeichnet und mit dem Emblem der Beklagten versehen war. In ihm hieß es insbesondere, daß die D. AG, eine Tochtergesellschaft der Beklagten, die Aufgabe der Vermögensverwalterin wahrnehmen werde. Die im Jahr 1870 gegründete Beklagte sei das älteste private Mitglied der New Yorker Börse.
Die Kläger zeichneten zwischen Oktober 1992 und Au gust 1993 Anteile an dem DAX-Programm, die von 35.000 DM bis 120.000 DM reichten.
Im Frühjahr 1993 kam der Verdacht auf, daß ein Ang estellter der B. AG unter Mitwirkung von Mitarbeitern der D. AG unzulässige Insidergeschäfte vorgenommen hatte. Das DAXProgramm war hiervon nicht unmittelbar betroffen. Mit Vertrag vom 22./27. Juli 1993 verkaufte die Beklagte daraufhin die Aktienrechte an der D. AG. Am 28. Juli 1993 bestellte deren Aufsichtsrat der D. AG auf Veranlassung des Käufers einen neuen Vorstand. Bis zu diesem Zeitpunkt waren im DAX-Programm Gewinne erzielt worden. In den folgenden Monaten wurden die von den Klägern angelegten Beträge insbesondere dadurch aufgezehrt, daß die D. AG mittels des Abschlusses einer Vielzahl von Verträgen Provisionsschinderei betrieb ("Churning"). Im Frühjahr 1994 wurde das Konkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet.

Die Kläger begehren mit ihren im Februar 2000 getr ennt erhobenen Klagen Schadensersatz in Höhe der von ihnen angelegten Beträge und eines von ihnen gezahlten Agios nebst Zinsen. Sie behaupten, daß die Beklagte das DAX-Programm initiiert sowie den Zeichnungsprospekt gekannt und gebilligt habe. Indem im Zeichnungsprospekt mit ihrem Ansehen und ihrer Branchenerfahrung geworben worden sei, habe sie persönlich das Vertrauen der Kläger in Anspruch genommen. Sie habe diese daher über den Verkauf der Aktienrechte an der D. AG und die Auswechselung des Vorstands informieren müssen. In diesem Fall hätten sie, die Kläger, ihre Beteiligungen an dem DAX-Programm gekündigt und ihre - zu diesem Zeitpunkt sogar leicht gestiegenen - Einlagen zurückgefordert bzw. von der Beteiligung an dem DAX-Programm abgesehen. Im übrigen sei die im Zeichnungsprospekt enthaltene Aufklärung über die Risiken von Aktientermingeschäften unzureichend.
Die Beklagte bestreitet, für das DAX-Programm und den Zeichnungsprospekt verantwortlich zu sein. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat sie geltend gemacht, daß sie bereits im Jahr 1998 liquidiert worden sei und als Rechtsperson nicht mehr existiere.
Die Klagen sind in den Vorinstanzen erfolgreich ge wesen und in der Berufungsinstanz zu einem einheitlichen Verfahren verbunden worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebun g des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wes entlichen wie folgt begründet:
Aus der Verbreitung des DAX-Prospekts durch die D. hät- AG ten sich für die Beklagte den Anlegern gegenüber Pflichten ergeben, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen der Kläger führe. Der DAX-Prospekt sei dazu geeignet und bestimmt gewesen, bei den Anlegern das Vertrauen zu schaffen, die Beklagte garantiere mit ihrem guten Namen, ihrer langjährigen geschäftlichen Erfahrung und ihrer Bonität für die Sicherheit der Einlagen. Hieraus habe sich eine Garantenstellung der Beklagten ergeben, weil die D. AG mit Wissen und Billigung der Beklagten deren good will bei der Werbung für das DAX-Programm in Anspruch genommen habe. Bereits der Gründung der D. AG auf Veranlassung der Beklagten habe der Gedanke zugrunde gelegen, unter Verwendung des eingeführten Namens und des Rufs der Beklagten Investoren für Börsentermingeschäfte zu gewinnen. Die Beklagte habe die maßgebliche Kontrolle über die geschäftlichen Aktivitäten der D. AG gehabt. Die wesentlichen Umstände des DAX-Programms, insbesondere
dessen Prospekt und seine Vertriebsart, seien der Beklagten bekannt gewesen.
Die Beklagte sei kraft ihrer durch die Inanspruchn ahme von Vertrauen begründeten Garantenpflicht gehalten gewesen, vor Übertragung der Anteile an der D. AG die bereits im DAX-Programm engagierten Kläger von dem bevorstehenden Wechsel der Aktionäre zu informieren. Diesen habe ein aus § 242 BGB herzuleitendes Sonderkündigungsrecht zugestanden, von dem sie bei Kenntnis des Wechsels der Gesellschafter Gebrauch gemacht hätten. Gegenüber denjenigen Klägern, die sich erst nach der Veräußerung der Gesellschaftsanteile im DAX-Programm engagiert hätten, habe die Beklagte dafür sorgen müssen, daß der bisherige Prospekt nicht länger verwendet und berichtigt würde. Jene hätten bei Kenntnis des Wechsels der Gesellschafter der D. AG von einer Beteiligung am DAX-Programm Abstand genommen. Den für die Beklagte handelnden Personen falle zumindest fahrlässiges Verhalten zur Last. Der Schadensersatzanspruch der Kläger sei nicht verjährt, weil die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. maßgeblich sei. Lediglich Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien in analoger Anwendung von § 20 KAGG der kurzen sechsmonatigen Verjährung unterworfen. Für die hier maßgebliche Haftung aus culpa in contrahendo gelte dies jedoch nicht.
Die erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung au fgestellte Behauptung , die Beklagte existiere als Rechtsperson nicht mehr, sondern sei bereits im Jahr 1998 liquidiert worden, nötige nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreits. Das entsprechende Vorbringen der Beklagten, dessen
Zulassung eine Beweisaufnahme notwendig machen und damit eine erhebliche Verfahrensverzögerung bewirken würde, sei verspätet (§ 528 ZPO a.F.).

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Soweit das Berufungsgericht es abgelehnt hat, d er Behauptung der Beklagten nachzugehen, sie existiere als Rechtsperson nicht mehr, ist dies im Ergebnis richtig.

a) Unzutreffend ist allerdings die Begründung, die das Berufungsgericht dafür gegeben hat.
Die rechtliche Existenz und damit die Parteifähigk eit jeder an einem Rechtsstreit beteiligten Partei gehört zu den Prozeßvoraussetzungen , deren Mangel das Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen hat (BGHZ 134, 116, 118). Der Beklagte ist zwar nach § 282 Abs. 3 ZPO verpflichtet, Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, innerhalb einer ihm gesetzten Frist zur Klageerwiderung oder spätestens in der ersten mündlichen Verhandlung geltend zu machen. Zulässigkeitsrügen des Beklagten, die eine der in § 56 Abs. 1 ZPO genannten Prozeßvoraussetzungen betreffen und auf die er daher nicht verzichten kann, dürfen aber in erster Instanz nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden (§ 296 Abs. 3 ZPO) und kön-
nen in den Rechtsmittelinstanzen zu der dort ebenfalls von Amts wegen durchzuführenden Überprüfung der Prozeßvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 ZPO (vgl. BGHZ 134, 116, 118) Anlaß geben. Sie sind deshalb auch in der Berufungsinstanz einer Zurückweisung wegen Verspätung nicht zugänglich.
Das Berufungsgericht hat sich daher zu Unrecht auf § 528 ZPO a.F. gestützt, als es die erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung der Beklagten über ihre angebliche Nichtexistenz unbeachtet ließ.

b) Auf diesem Fehler beruht das Berufungsurteil je doch nicht. Das Berufungsgericht war aus einem anderen Grund berechtigt, das Vorbringen der Beklagten über ihre angebliche Nichtexistenz unbeachtet zu lassen.
aa) § 56 Abs. 1 ZPO verpflichtet die Gerichte nich t, in jedem Rechtsstreit von Amts wegen eine umfassende Überprüfung aller in der Vorschrift genannten Prozeßvoraussetzungen vorzunehmen. Sie haben in dieser Hinsicht lediglich einen "Mangel ... von Amts wegen zu berücksichtigen". Für die Prozeßvoraussetzung der Prozeßfähigkeit hat der Bundesgerichtshof daher ausgesprochen, daß im allgemeinen von ihrem Vorhandensein auszugehen und ihre Überprüfung nur dann angezeigt ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß Prozeßunfähigkeit vorliegen könnte (BGHZ 86, 184, 189). Behauptet eine Partei , sie sei prozeßunfähig, so muß die Darlegung von Tatsachen erwartet werden, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Behauptung richtig sein könnte (BGHZ 18, 184, 189 f.; BGH, Urteile
vom 4. Februar 1969 - VI ZR 215/67, NJW 1969, 1574 und vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 73/85, WM 1986, 58, 59). Anderenfalls braucht das Gericht die Prozeßfähigkeit nicht zu überprüfen.
Entsprechendes gilt für die Prozeßvoraussetzung de r Parteifähigkeit. Jedenfalls bei einer juristischen Person, von der, wie hier, außer Frage steht, daß sie ursprünglich rechts- und parteifähig im Sinne des § 50 Abs. 1 ZPO war, ist im allgemeinen vom Fortbestand dieser Eigenschaft auszugehen und eine Überprüfung nur dann veranlaßt, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Gegenteil gegeben sind. Eine beklagte Partei, die behauptet, sie habe ihre Rechts- und Parteifähigkeit inzwischen verloren, muß daher Tatsachen darlegen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Behauptung ergeben. Das gilt in besonderem Maße dann, wenn die beklagte Partei, wie hier, erst nach jahrelangem Rechtsstreit und nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mit der Behauptung hervortritt, sie sei bereits vor dem Zeitpunkt, in dem sie in die Beklagtenrolle geriet, rechtlich nicht mehr existent gewesen. In derartigen Fällen müssen die Gerichte besonders sorgfältig prüfen, ob sich aus den vorgetragenen Tatsachen hinreichend konkrete Anhaltspunkte ergeben, die es rechtfertigen , in eine - in aller Regel zeitaufwendige - Überprüfung der Parteifähigkeit einzutreten. Das ist auch deshalb geboten, weil anderenfalls der Gefahr der mutwilligen Prozeßverschleppung Tür und Tor geöffnet würde.
bb) Das Berufungsgericht war danach nicht verpflic htet, die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten einer Überprüfung zu unterziehen. Für eine solche Überprüfung bot der Vortrag der Beklagten keine
hinreichenden Anhaltspunkte. Da die Beklagte bereits seit vielen Jahren in zwei Instanzen am Rechtsstreit teilgenommen hatte und ihr Präsident in beiden Beweisterminen vor dem Berufungsgericht ohne jeden Hinweis auf eine Liquidation aufgetreten war, durfte von ihr erwartet werden, daß sie ihre überraschende Behauptung, schon vor dem Beginn des Rechtsstreits infolge Liquidation die rechtliche Existenz verloren zu haben, durch einen substantiierten Tatsachenvortrag plausibel machte. Dem ist die Beklagte nicht gerecht geworden.
Die Behauptung der Beklagten, sie sei bereits vor Jahren liquidiert worden, reicht für sich allein nicht aus, um eine Überprüfung ihrer Rechts- und Parteifähigkeit zu rechtfertigen. Das gilt schon deshalb, weil die Rechtsfähigkeit und die daran anknüpfende Parteifähigkeit (§ 50 Abs. 1 ZPO) der in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründeten Beklagten sich gemäß Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29. Oktober 1954 nach deren Gründungsrecht richtet (vgl. BGHZ 153, 353, 355 ff. m.w.Nachw.) und die Beklagte nichts darüber ausgeführt hat, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Liquidation nach ihrem Gründungsrecht den Verlust der Rechtsfähigkeit zur Folge hat. Solche Darlegungen waren insbesondere auch deshalb unverzichtbar, weil im Falle der Anwendbarkeit deutschen Rechts die Parteifähigkeit der Beklagten bereits deshalb zu bejahen gewesen wäre, weil sie im vorliegenden Rechtsstreit das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hatte, das im Falle des Obsiegens einen Kostenerstattungsanspruch hätte begründen können und damit der Annahme der völligen Vermögenslosigkeit entgegenstand (vgl. BGH, Urteile vom 21. Oktober 1985 - II ZR 82/85, WM 1986, 145 und vom 6. Februar 1991 - VIII ZR 26/90, WM 1991, 765, 766). Es hätte des-
halb eines substantiierten Vortrags zu in diesem Punkt etwa vorhandenen Abweichungen des Gründungsrechts der Beklagten von der deutschen Rechtslage bedurft, um plausibel zu machen, daß die angebliche Liquidation der Beklagten zum Wegfall ihrer passiven Parteifähigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit geführt haben könnte.
Außerdem hat die Beklagte auch keine überprüfbaren Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, ob und in welcher Weise eine Liquidation stattgefunden hat. Aus den von ihr in Ablichtung und ohne Übersetzung ins Deutsche vorgelegten beiden englischsprachigen Verträgen vom 30. September 1998 ist nur ersichtlich, daß sie damals einen Teil ihrer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft D. LLC übertragen hat. Dabei handelt es sich um eine Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten von einer Konzernmutter auf eine Tochtergesellschaft. Eine Liquidation der Konzernmutter liegt darin nicht.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen Sch adensersatzansprüche der Kläger aus Verschulden bei Vertragsschluß, die nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht einer Verjährungsfrist von 30 Jahren unterlagen (§ 195 BGB a.F.), bejaht.

a) Das Berufungsgericht hat diese Frage allerdings zutreffend nach deutschem Recht beurteilt. Die Parteien haben sich zur Begründung und zur Abwehr der geltend gemachten Ansprüche ausschließlich auf deutsche Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Prospekthaftung berufen. Dies rechtfertigt die Annahme, daß die Parteien sich jedenfalls im Rechtsstreit stillschweigend auf die
Geltung deutschen Rechts verständigt haben (st. Rspr., vgl. BGHZ 98, 263, 274; 103, 84, 86; BGH, Urteile vom 9. Dezember 1998 - IV ZR 306/97, WM 1999, 916, 917, insoweit in BGHZ 140, 167 ff. nicht veröffentlicht , und vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, WM 2000, 1643, 1645). Davon gehen sie auch in der Revisionsinstanz übereinstimmend aus.

b) Aus Verschulden bei Vertragsschluß haftet grund sätzlich nur, wer Vertragspartner ist oder werden soll. Ausnahmsweise kann allerdings der für einen Beteiligten auftretende Vertreter, Vermittler oder Sachwalter selbst aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat oder wenn er - was vorliegend nicht in Betracht kommt - ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluß des Geschäfts hatte (st. Rspr., BGHZ 56, 81, 83 ff.; 70, 337, 341 ff.; 74, 103, 108; 129, 136, 170; BGH, Urteil vom 29. Januar 1997 - VIII ZR 356/95, WM 1997, 1431, 1432; vgl. nunmehr § 311 Abs. 3 BGB). Dies gilt auch dann, wenn unter Verwendung von Prospekten verhandelt worden ist und eine sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne in Betracht kommt (vgl. BGHZ 83, 222, 227).
Als Vertreter der D. AG oder als Vermittler der Kapitalanlage ist die Beklagte gegenüber den Klägern nicht tätig geworden. Die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch einen Sachwalter setzt in jedem Fall voraus, daß er entweder an den Vertragsverhandlungen selbst beteiligt ist oder im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit einem Anspruch auf Vertrauen hervortritt (BGH, Urteile vom
4. Mai 1981 - II ZR 193/80, WM 1981, 1021, 1022, vom 21. Mai 1984 - II ZR 83/84, WM 1984, 889, 890, vom 17. Februar 1986 - II ZR 238/84, WM 1986, 583 und vom 3. Februar 2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495). Letzteres ist allerdings nicht nur dann der Fall, wenn er die Verhandlungen selbst führt. Es genügt, daß er diese von einem anderen für sich führen läßt und dem Vertragspartner gegenüber als die Person erscheint, von deren Entscheidung der Abschluß des Vertrags abhängt (BGH, Urteile vom 21. Mai 1984 und vom 17. Februar 1986 jeweils aaO).
Daß die Beklagte in dieser Weise unmittelbar oder mittelbar an den Verhandlungen beteiligt war, die zur Zeichnung der Anteile an dem DAX-Programm durch die Kläger geführt haben, ist, wie die Revision zu Recht rügt, weder von den Parteien vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt worden. Das Vertrauen der Kläger, daß die Beklagte mit ihrer langjährigen geschäftlichen Erfahrung und ihrer sich daraus ableitenden Zuverlässigkeit und Sachkunde als Muttergesellschaft hinter der D. AG steht und, wie das Berufungsgericht angenommen hat, für die Sicherheit der Einlagen der Kläger garantiert, gründet sich vielmehr ausschließlich auf die Angaben über die Beklagte sowie ihren Einfluß auf die D. AG und das DAX-Programm im Zeichnungsprospekt. Ist ein Initiator oder Hintermann eines Kapitalanlagemodells nicht Vertragspartner des Anlegers und nimmt er nicht in besonderem Maße persönliches Vertrauen für sich in Anspruch, so kommen unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung nur Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektinhalts in Betracht (vgl. zu den Voraussetzungen der Prospekthaftung im engeren Sinne: BGHZ 71, 284, 286 ff.; 72, 382, 384 ff.; 77, 172, 175 ff.; 79, 337, 340 ff.; 145, 187, 196; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 - III ZR 93/93,
WM 1995, 344, 345; zu deren Anwendungsbereich: BGHZ 111, 314, 316 ff.; 115, 213, 218 f.; 123, 106, 109; 145, 121, 125 f.; BGH, Urteil vom 4. Mai 1981 - II ZR 193/80, WM 1981, 1021, 1022).

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 56 2 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird zu prüfen haben, ob die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als dem des Verschuldens bei Vertragsschluß gerechtfertigt sind. Dabei kommen, da vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien nicht bestehen und Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne in sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers, spätestens aber drei Jahre nach Erwerb der Anteile verjähren (BGHZ 83, 222, 223 ff.; BGH, Urteil vom 7. Juli 2003 - II ZR 18/01, WM 2003, 1718, 1719), insbesondere Ansprüche der Kläger aus § 826 BGB in Betracht, etwa weil der Zeichnungsprospekt über die besonderen Risiken von Termingeschäften sowie die Auswirkungen der der D. AG als Vermögensverwalterin zufließenden Provision von 228 DM pro gehandelten DAX-Terminkontrakt für das Verlustrisiko und die Verringerung der Gewinnchancen der Kapitalanleger nicht ausreichend informiert (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1992 - XI ZR 204/91, WM 1992, 770, 771 und vom 14. Mai 1996 - XI ZR 188/95, WM 1996, 1214, 1215).
Sollte die Beklagte ihren bislang ungenügenden Vor trag zu ihrer angeblich fehlenden Parteifähigkeit hinreichend präzisieren, so wird das
Berufungsgericht vorrangig zu prüfen haben, ob die Klage unter diesem Gesichtspunkt als unzulässig abgewiesen werden muß. In diesem Fall wird das Berufungsgericht im Rahmen seiner Pflicht, von Amts wegen alle in Betracht kommenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1996 - VI ZR 94/95, NJW 1996, 1059, 1060), gegebenenfalls auch den bisher nur in dem Parallelprozeß 11 U 58/2001 von der dortigen Klägerin gehaltenen Vortrag über nach wie vor vorhandene Vermögenswerte der Beklagten in der Gestalt von Regreßansprüchen gegen ihre Liquidatoren zu berücksichtigen haben. Im Falle der Abweisung der Klage als unzulässig wird das Berufungsgericht bei seiner Kostenentscheidung § 97 Abs. 2 ZPO zu beachten und darüber hinaus auch § 34 GKG in Erwägung zu ziehen haben.
Nobbe Bungeroth Müller
Joeres Wassermann

(1) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist.

(2) Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
und
VERSÄ UMNISURTEIL
II ZR 331/00 Verkündet am:
29. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit
sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten
begründet.

b) In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv parteifähig.

c) Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit
der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen
bei der OHG (Akzessorietät) - Fortführung von BGHZ 142, 315.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00 – OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. März 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und hinsichtlich der Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Vorbehaltsurteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ansbach vom 26. November 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zu 1 neben den Beklagten zu 2 und 3 wie eine Gesamtschuldnerin verurteilt wird.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4 trägt die Klägerin. Die Beklagten zu 1, 2 und 3 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich des ersten Rechtszuges tragen die Beklagten zu 2 und 3 gesamtschuldnerisch und daneben die Beklagte zu 1 wie eine Gesamtschuldnerin 3/4 und die Klägerin 1/4 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in den Rechts- mittelinstanzen sowie die Gerichtskosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1 je zur Hälfte. Die Gerichtskosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1 zu 1/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin klagt im Wechselprozeß auf Zahlung der Wechselsumme von 90.000,00 DM zuzüglich Nebenforderungen gegen die Beklagte zu 1, eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, als Wechselakzeptantin und die früheren Beklagten zu 2 und 3 als deren Gesellschafterinnen. Die Haftung des Beklagten zu 4 für die Wechselforderung leitet sie aus Rechtsscheinsgesichtspunkten her. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß gesamtschuldnerisch zur Zahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 4 auf deren Berufung hin abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:


Da die Beklagte zu 1 im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die sie betreffende Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage wendet. Im übrigen ist sie unbegründet.

A.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage gegen die Beklagte zu 1 unzulässig, weil es sich bei dieser um eine nicht parteifähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts handele. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der Senat hält es unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung für geboten, die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts in dem Umfang als im Zivilprozeß parteifähig anzusehen (§ 50 ZPO), in dem sie als Teilnehmer am Rechtsverkehr Träger von Rechten und Pflichten sein kann.
I. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr grundsätzlich, das heißt soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (BGHZ 116, 86, 88; 136, 254, 257; im Ansatz auch bereits BGHZ 79, 374, 378 f.). Soweit sie in
diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie (ohne juristische Person zu sein) rechtsfähig (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).
1. Über die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden sich im Gesetz keine umfassenden und abschließenden Regeln. Im ersten Entwurf des BGB war die Gesellschaft nach römischrechtlichem Vorbild als ein ausschließlich schuldrechtliches Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern ohne eigenes, von dem ihrer Gesellschafter verschiedenen, Gesellschaftsvermögen gestaltet (vgl. Mot. II 591 = Mugdan II 330). Die zweite Kommission konstituierte hingegen ein Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen (vgl. die heutigen §§ 718, 719 BGB), ohne jedoch die aus dem Gesamthandsprinzip folgenden Konsequenzen im einzelnen zu regeln. Es ist vielmehr im wesentlichen bei der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses als Schuldverhältnis geblieben, dem in unvollständiger Weise das Gesamthandsprinzip "darüber gestülpt" wurde (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Bd. I/1 1977, S. 3 f.; vgl. auch Ulmer, FS Robert Fischer 1979, S. 785, 788 f.). Zum Inhalt des Gesamthandsprinzips heißt es in den Protokollen lediglich, die Meinungen "darüber, wie die Rechtsgemeinschaft der gesammten Hand theoretisch zu konstruiren sei und was man als das charakteristische Merkmal derselben anzusehen habe, (gingen) auseinander" (Prot. II 429 = Mugdan II 990). "Die Kom. glaubte, zu der wissenschaftlichen Streitfrage über das Wesen der gesammten Hand nicht Stellung nehmen zu sollen, vielmehr nur entscheiden zu müssen, welche Bestimmungen sachlich den Vorzug verdienen" (Prot. II 430 = Mugdan II 990).
2. Die Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung und das erkennbare Bestreben des historischen Gesetzgebers, eine konkrete Festlegung zu ver-
meiden, lassen Raum für eine an den praktischen Bedürfnissen der Verwirklichung des Gesamthandsprinzips orientierte Beurteilung der Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Danach verdient die Auffassung von der nach außen bestehenden beschränkten Rechtssubjektivität der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft den Vorzug. Diese Auffassung geht auf die deutschrechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zurück (vgl. Otto Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 1 1895, S. 663 ff., 682). Sie wurde maßgeblich von Flume (aaO S. 50 ff.; ZHR 136 [1972], 177 ff.) in die moderne Diskussion eingeführt und hat sich im neueren Schrifttum weitgehend durchgesetzt (vgl. vor allem MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl. § 705 Rdn. 130 ff. m.w.N. in Fn. 373; ders. AcP 198 [1998], 113 ff.; ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. § 8 III, S. 203 ff.; Wiedemann, WM 1994 Sonderbeilage 4, S. 6 ff.; Huber, FS Lutter 2000, 107, 122 ff.; Hüffer, Gesellschaftsrecht 5. Aufl. S. 47 ff.; DaunerLieb , Die BGB-Gesellschaft im System der Personengesellschaften, in: Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften [Schriftenreihe der Bayer-Stiftung für deutsches und internationales Arbeits- und Wirtschaftsrecht ] 1999, S. 95, 99 ff.; Reiff, ZIP 1999, 517, 518; Mülbert, AcP 1999, 39, 43 ff.; Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen in der Zwangsvollstreckung 2000, S. 211 ff.).

a) Dieses Verständnis der Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsgemeinschaft bietet ein praktikables und weitgehend widerspruchsfreies Modell für die vom Gesetz (§§ 718-720 BGB) gewollte rechtliche Absonderung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter. Die sogenannte traditionelle Auffassung, die ausschließlich die einzelnen Gesellschafter als Zuordnungssubjekte der die Gesellschaft betreffenden Rechte und Pflichten ansieht (vgl. Zöllner, FS Gernhuber 1993, S. 563 ff.; ders. FS
Kraft 1998, S. 701 ff.; Hueck, FS Zöllner 1998, S. 275 ff.) weist demgegenüber konzeptionelle Schwächen auf. Betrachtet man die Gesellschaftsverbindlichkeiten lediglich als gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter gemäß § 427 BGB, widerspricht dies dem Gesamthandsprinzip. Der einzelne Gesellschafter kann, wenn sich der geschuldete Gegenstand im Gesellschaftsvermögen befindet, die Leistung wegen § 719 BGB nicht als Gesamtschuldner allein erbringen. Dies führt dazu, daß auch die Vertreter der traditionellen Auffassung zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterschuld differenzieren müssen. Bei der für die "Gesellschaft" abgeschlossenen Verbindlichkeit handele es sich um eine "einheitliche Verpflichtung mit doppelter Wirkung" in Bezug auf einerseits das Gesamthandsvermögen, andererseits das persönliche Vermögen der Gesellschafter (vgl. Hueck, FS Zöllner, S. 293; Zöllner, FS Gernhuber, S. 573). Dies verwischt aber die Grenzen zwischen Schuld und Haftung, denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen (Aderhold, Das Schuldmodell der BGB-Gesellschaft 1981, S. 110 f.; Dauner-Lieb aaO, S. 100 ff.).

b) Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach außen bestehenden Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im oben beschriebenen Sinne besteht darin, daß danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluß auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (vgl. Senat, BGHZ 79, 374, 378 f.). Bei strikter Anwendung der traditionellen Auffassung müßten Dauerschuldverhältnisse mit der "Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt werden. Wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis nur ein Schuldverhältnis darstellt, können zwei aus verschiedenen Mitgliedern bestehende Schuldverhältnisse nicht identisch sein. Das Erfordernis von
Neuabschlüssen von Dauerschuldverhältnissen bei einem Gesellschafterwechsel ist aber ohne innere Rechtfertigung und würde die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigen. Die traditionelle Auffassung vermag im übrigen keine befriedigende Erklärung dafür zu liefern, warum auch ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte. Die dafür angebotene Begründung, wonach der neue Gesellschafter in einer Art Gesamtrechtsnachfolge "in alle bestehenden Rechts- und Vertragspositionen hineinwachse" (Zöllner, FS Kraft, S. 715), läßt sich mit der Auffassung der Gesellschaft als reines Schuldverhältnis der Gesellschafter im Grunde nicht vereinbaren (dazu auch Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 142).

c) Die hier vertretene Auffassung ist zudem eher in der Lage, identitätswahrende Umwandlungen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in andere Rechtsformen und aus anderen Rechtsformen zu erklären. Betreibt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gewerbe, dann wird sie von Gesetzes wegen ohne jeden Publizitätsakt zu einer personen- und strukturgleichen OHG, sobald das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 105 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 HGB). Da der OHG jedenfalls Rechtssubjektivität im oben beschriebenen Sinne zukommt (vgl. § 124 Abs. 1 HGB), würden sich bei konsequenter Anwendung der traditionellen Auffassung die Eigentumsverhältnisse an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen mit der Umwandlung zur OHG ändern. Dies würde für die Praxis insbesondere deshalb schwierige Probleme bereiten (vgl. Reiff, ZIP 1999, 517, 518 f.), weil für den Übergang von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur OHG infolge des wertungsabhängigen Kriteriums des Erfordernisses eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs ein genauer
Zeitpunkt der Umwandlung kaum ausgemacht werden kann. Auch der Umstand , daß im neuen Umwandlungsrecht (§§ 190 ff., 226 ff. UmwG) Kapitalgesellschaften im Wege des identitätswahrenden Formwechsels in Personengesellschaften - auch in Gesellschaften bürgerlichen Rechts, vgl. § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG - umgewandelt werden können, läßt sich auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung ohne weiteres, aus Sicht der traditionellen Auffassung aber - wenn überhaupt - nur mit Mühe erklären (vgl. dazu Wiedemann, ZGR 1996, 286, 289 f.; Mülbert, AcP 199 [1999], 38, 60 ff.; Timm, NJW 1995, 3209 ff.; Hueck, FS Zöllner, S. 280 ff.; Zöllner, FS Claussen 1997, 423, 429 ff.).

d) Schließlich unterstützt die Tatsache, daß der Gesetzgeber mittlerweile die Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO wie auch schon § 1 Abs. 1 GesO), die Gesellschaft mithin als Träger der Insolvenzmasse ansieht, ebenfalls die Annahme der Rechtssubjektivität.
3. Gegen diese Auffassung läßt sich nicht mit dem Gesetzeswortlaut insbesondere des § 714 BGB argumentieren. Zwar zeigt der Umstand, daß dort nur von einer Vertretungsmacht für die Gesellschafter, nicht aber für die "Gesellschaft" die Rede ist, daß bei der Formulierung der Norm an eine Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer verpflichtungsfähigen Organisation nicht gedacht worden ist (Senat, BGHZ 142, 315, 319 f.). Bedenkt man aber, daß die Vorschrift im Kern unverändert aus § 640 Abs. 1 des ersten Entwurfs (abgedruckt bei Mugdan II CVI) in das BGB übernommen wurde und dieser erste Entwurf das Gesamthandsprinzip noch nicht kannte, gibt der Wortlaut für eine Deutung der Rechtsnatur der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft nichts her. Der Senat braucht insoweit nicht der Frage nachzugehen,
ob bereits der historische Gesetzgeber in Ansehung der deutschrechtlichen Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft als ungeschriebenes geltendes Recht angesehen hat (dazu Wertenbruch aaO, S. 34 ff.). Entscheidend ist, daß er jedenfalls eine solche Annahme nicht hat ausschließen wollen.
4. In der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft liegt kein Widerspruch zu den §§ 21, 22, 54 BGB, wo mit Rechtsfähigkeit offensichtlich die Fähigkeit der Gesellschaft gemeint ist, Träger von Rechten und Pflichten aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit "als solcher" und nicht als Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder zu sein. Wie § 14 Abs. 2 BGB zeigt, geht aber das Gesetz davon aus, daß es auch Personengesellschaften gibt, die Rechtsfähigkeit besitzen. So ist es praktisch unbestritten, daß OHG und KG Träger von Rechten und Pflichten sein können und damit rechtsfähig sind, ohne als Gesamthandsgemeinschaften den Status einer juristischen Person zu besitzen. Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 80, 129, 132; 117, 323, 326) für die Vorgesellschaften von Kapitalgesellschaften.
II. Erkennt man die Fähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, kann ihr die Parteifähigkeit im Zivilprozeß , die gemäß § 50 ZPO mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert, nicht abgesprochen werden.
1. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die notwendige prozeßrechtliche Konsequenz der Anerkennung der Rechtssubjektivität der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten (bejahend auch Wiedemann
aaO, S. 9 f.; Hüffer, FS Stimpel 1985, S. 165, 168 ff.; Soergel/Hadding, BGB 11. Aufl. § 714 BGB Rdn. 52; Wertenbruch aaO, S. 213 ff.; MünchKomm ZPO/Lindacher, § 50 Rdn. 23 ff.; Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. § 50 Rdn. 22; für die Mitunternehmer-Gesellschaft auch K. Schmidt aaO, § 60 IV 1, S. 1805 ff.). Im Zivilprozeß ist aktivlegitimiert, das heißt "richtige" Partei, wer Inhaber des geltend gemachten Rechts ist; derjenige ist passivlegitimiert, also "richtiger" Beklagter, der Verpflichteter aus dem geltend gemachten Recht ist. Dieser Sachbefugnis entspricht - von den Fällen der Prozeßstandschaft abgesehen - grundsätzlich auch die Prozeßführungsbefugnis. Da nicht die einzelnen Gesellschafter , sondern die Gesellschaft materiell Rechtsinhaberin oder Verpflichtete ist, ist diese "richtige" Partei eines Rechtsstreits um eine Gesellschaftsforderung oder -verpflichtung und insoweit parteifähig und prozeßführungsbefugt.
2. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist dem bisher praktizierten Modell, wonach die aktive und passive Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich das Gesellschaftsvermögen betreffender Forderungen und Verbindlichkeiten bei den eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO bildenden Gesellschaftern liegt (vgl. Senat, BGHZ 30, 195, 197; Urt. v. 12. März 1990 - II ZR 312/88, ZIP 1990, 715, 716; MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 42 f.; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 50 Rdn. 17; Heller, Der Zivilprozeß der Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1989, S. 56 ff., 110 ff.), in mehrfacher Hinsicht vorzuziehen.

a) Die notwendige Streitgenossenschaft der Gesellschafter kann nicht als adäquater Ersatz für die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft angesehen werden, weil das Instrument der notwendigen Streitgenossenschaft
nicht die angemessenen prozessualen Konsequenzen aus den gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsregeln zieht. Zwar stimmen notwendige Streitgenossenschaft und Gesamthandsprinzip insoweit überein, als die Klage nur gegen alle Gesamthänder erhoben werden kann und das Urteil einheitlich ergehen muß. Im übrigen gewährleistet aber die notwendige Streitgenossenschaft keine den Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand entsprechende Prozeßführung, denn bei der notwendigen Streitgenossenschaft betreibt jeder Streitgenosse seinen eigenen Prozeß (§ 63 ZPO). Die Verbindung mit den anderen Streitgenossen besteht lediglich in der erforderlichen Einheitlichkeit des Urteils und der Zurechnung des Verhandelns der anderen Streitgenossen im Falle der Säumnis eines Teils der Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 ZPO). Es gibt bei der notwendigen Streitgenossenschaft aber keine Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Vornahme von Prozeßhandlungen. Vielmehr kann jeder Streitgenosse unabhängig von den anderen Prozeßhandlungen mit Wirkung für sein Prozeßrechtsverhältnis vornehmen (BGHZ 131, 376, 379) und kann jeder Streitgenosse auch einen eigenen Prozeßbevollmächtigten bestellen. Sich widersprechenden Vortrag verschiedener Streitgenossen kann das Gericht gemäß § 286 ZPO frei würdigen (MünchKommZPO/Schilken, § 62 Rdn. 48; Heller aaO, S. 159). Jeder der Streitgenossen kann gesondert Rechtsmittel mit der Folge einlegen, daß das Urteil auch gegenüber den anderen Streitgenossen nicht rechtskräftig wird (BGHZ 131, 376, 382).
Es bestehen somit wesentliche Unterschiede zur materiellrechtlichen Vertretungs- und Verfügungsbefugnis bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Wenn beispielsweise nur ein Gesellschafter geschäftsführungsbefugt ist, können die anderen Gesellschafter materiellrechtlich für die Gesellschaft
keine wirksamen Erklärungen abgeben; wenn zwei nur gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugte Gesellschafter sich widersprechende materiellrechtliche Erklärungen abgeben, kann keine davon wirksam sein. Das Modell der notwendigen Streitgenossenschaft ist also nicht in der Lage, eine den materiellrechtlichen Verhältnissen adäquate Prozeßführung zu gewährleisten, weil die Prozeßführung bei einer notwendigen Streitgenossenschaft anderen Regeln unterliegt als sie für die Vertretung der Gesellschaft gelten.
Dieses Ergebnis ließe sich allenfalls dadurch umgehen, daß man die materiellrechtliche Vertretungsbefugnis auf die Prozeßführungsbefugnis der Gesamthänder als Streitgenossen überträgt, die Gesellschafter prozessual als "Gruppe", vertreten durch ihren Geschäftsführer, behandelt und nur vom Geschäftsführer vorgenommene Prozeßhandlungen als wirksam anerkennt. Eine solche Lösung wäre jedoch mit den Grundprinzipien der notwendigen Streitgenossenschaft nicht vereinbar. Die Bevollmächtigung des Geschäftsführers im Gesellschaftsvertrag kann dem einzelnen als Streitgenossen verklagten Gesellschafter nicht die Prozeßführungsbefugnis in einem Prozeß nehmen, in dem er selbst Partei ist. Im Ergebnis liefe ein derartiger Korrekturversuch auf eine verschleierte Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hinaus. Geht man hingegen offen von der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus, läßt sich die gewünschte Übereinstimmung von Prozeßführungsund gesellschaftsrechtlicher Vertretungsbefugnis zwanglos und ohne Verletzung prozessualer Grundsätze erreichen. Es sind dann von vornherein nur diejenigen Prozeßhandlungen wirksam, die in Übereinstimmung mit den gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln erfolgen.

b) Gegen das Modell der notwendigen Streitgenossenschaft der Gesellschafter spricht des weiteren, daß unter seiner Geltung sowohl im Aktiv- als auch im Passivprozeß immer sämtliche gegenwärtigen Mitglieder der Gesellschaft verklagt werden und klagen müssen, um einen Titel gegen und für die Gesamthand zu erhalten. Das kann den Gesellschaftsgläubigern bei größeren Gesellschaften und bei solchen mit häufigem Mitgliederwechsel erfahrungsgemäß erhebliche Probleme bereiten. Als Beispiele hierfür sei auf die den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 12. März 1990 (Senat aaO, ZIP 1990, 715) und vom 15. Oktober 1999 (V ZR 141/98, ZIP 1999, 2009) zugrundeliegenden Sachverhalte verwiesen. Der Senat ist im erstgenannten Fall dem klagenden Gesellschaftsgläubiger, der aus eigener Kenntnis nicht über die Namen der inzwischen mehr als 70 Gesellschafter verfügte, dadurch entgegengekommen, daß er die korrekte Einbeziehung aller Gesellschafter in die Klage lediglich als einen Akt der Rubrumsberichtigung aufgefaßt hat (Senat aaO, ZIP 1990, 715, 716). Diese Lösung verläßt im Grunde bereits die Auffassung von den Gesellschaftern als notwendigen Streitgenossen, denn die unterbliebene Benennung aller aus materiellrechtlichen Gründen notwendigen Streitgenossen hätte zur Unzulässigkeit der Klage führen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 1991 - V ZR 196/90, WM 1992, 313, 315; Stein/Jonas/Bork aaO, § 62 Rdn. 20 f., 25; Musielak/Weth aaO, § 62 Rdn. 11). Im Ergebnis ist dieser Fall bereits so behandelt worden, als sei die Gesellschaft selbst die beklagte Partei und mithin parteifähig. Vor ähnlichen Schwierigkeiten stehen die Beteiligten auf der Grundlage der Streitgenossenschaftslösung auch in den nicht seltenen Fällen, in denen die Mitgliedschaft eines Gesellschafters unklar und streitig ist. In diesen Fällen muß - sei es im Aktivverfahren oder im Passivverfahren - vor einer Entscheidung in der Sache zunächst die mit dem Kern des Rechtsstreits in keiner Weise zusammenhängende Frage geklärt werden, inwiefern die fragliche
Person wirksam Mitglied geworden ist, bzw. inwiefern sie wirksam ausgeschieden ist. Auch hier hat sich die Rechtsprechung damit zu behelfen versucht, daß bei irrtümlich unterbliebener Aufführung eines Gesellschafters lediglich das Rubrum unrichtig sei (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1996 - IX ZR 135/95, NJW 1997, 1236; vgl. auch OLG Hamburg LZ 1917, 78). Diese Hilfskonstruktionen der bisherigen Rechtsprechung, die es im Interesse der Sachgerechtigkeit ermöglichen sollten, trotz formalen Festhaltens am Streitgenossenschaftsmodell die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als parteifähig zu behandeln, können aber letztlich nicht überzeugen. Insbesondere versagen sie im Stadium der Zwangsvollstreckung, denn der Gerichtsvollzieher hat in Zweifelsfällen nicht die Möglichkeit zu prüfen, ob es sich bei den in einem Titel aufgeführten Gesellschaftern um sämtliche Gesellschafter handelt. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist demgegenüber sowohl im Erkenntnis-, als auch im Vollstreckungsverfahren die einfachere und konsequentere Lösung.

c) Zu erheblichen Problemen, die praktisch nicht befriedigend gelöst werden können, kommt die Streitgenossenschaftslösung auch im Falle des Neueintritts und des Mitgliederwechsels während des Erkenntnis- und des Vollstreckungsverfahrens im Gesamthandsschuldprozeß. Die Vertreter der Streitgenossenschaftslösung gehen bei einem während des Erkenntnisverfahrens eingetretenen Parteiwechsel analog §§ 239, 241, 246 ZPO von einem gesetzlichen Parteiwechsel aus (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 60 ff.; Heller aaO, S. 200 f.): Auf Antrag sei der Prozeß in diesem Fall analog § 246 ZPO bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den neuen Gesellschafter zu unterbrechen; das Rubrum sei vom Gericht zu berichtigen; bleibe ein nach Rechtshängigkeit erfolgter Neueintritt oder Mitgliederwechsel bis zum Abschluß
des Erkenntnisverfahrens unbekannt, könne der Titel nachträglich analog § 727 ZPO auf den neueingetretenen Gesellschafter umgeschrieben werden; gleiches gelte für den nach Abschluß des Erkenntnisverfahrens und vor Beginn der Zwangsvollstreckung neu eingetretenen Gesellschafter.
Dieser Lösungsvorschlag ist in praktischer Hinsicht unzulänglich. So ist eine Titelumschreibung gemäß § 727 ZPO jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn der unerkannte Neueintritt oder Mitgliederwechsel vor Rechtshängigkeit der Klage erfolgt ist. Die Vorschrift ist nur auf nach Rechtshängigkeit eingetretene Rechtsänderungen anwendbar (BGHZ 120, 387, 392). Die Möglichkeit der Titelumschreibung versagt zudem, wenn der Gläubiger den Neueintritt nicht in der gemäß § 727 ZPO erforderlichen Art und Weise (Offenkundigkeit bei Gericht oder öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden) nachweisen kann. Er müßte dann erst Klage auf Klauselerteilung gemäß § 731 ZPO erheben. Im übrigen ist zu bedenken, daß bei Bekanntwerden eines vom Titel abweichenden Bestandes der Gesellschafter zunächst in jedem Fall erst einmal das Zwangsvollstreckungsverfahren eingestellt werden müßte. Etwa bereits eingeleitete Forderungspfändungen und andere Zwangsmaßnahmen gingen ins Leere und die Gesellschaft könnte inzwischen anderweitig über die zur Zwangsvollstreckung ausersehenen Gegenstände verfügen. Im übrigen könnte die Gesellschaft - die Gefahr ist insbesondere bei Publikumsgesellschaften gegeben - die Vollstreckung durch sukzessive Bekanntgabe immer weiterer Veränderungen im Gesellschafterbestand nahezu gänzlich unmöglich machen (vgl. Wiedemann aaO, S. 5). Die Streitgenossenschaftslösung kann demnach die infolge des Auseinanderfallens von materieller Berechtigung (die der Gesellschaft zukommt) und Prozeßführungsbefugnis (die bei den Gesellschaftern liegen soll) unweigerlich auftretenden Probleme nicht befriedigend lösen, sondern
verlagert sie lediglich vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren. Bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hindert eine Veränderung im Gesellschafterbestand - sei sie vor, während oder nach dem Prozeß erfolgt - die Rechtsdurchsetzung hingegen in keiner Weise.
3. Die Regelung des § 736 ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist, steht der Anerkennung der Parteifähigkeit nicht entgegen. Ein gegen die Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil ist ein Urteil "gegen alle Gesellschafter" im Sinne des § 736 ZPO. Die Vorschrift verlangt weder vom Wortlaut noch vom Zweck her ein Urteil gegen jeden einzelnen Gesellschafter.

a) Aus der Entstehungsgeschichte des § 736 ZPO folgt, daß Zweck dieser Regelung die Verhinderung der Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen, nicht aber der Ausschluß der Parteifähigkeit der Gesellschaft ist (ausführlich Wertenbruch aaO, S. 122 ff.; vgl. auch Wiedemann aaO, S. 10). Nach § 645 des ersten Entwurfs (E I) zum BGB (abgedruckt bei Mugdan II CVII), der die Gesellschaft als römischrechtliche Bruchteilsgemeinschaft gestaltete, war die Verfügung des Gesellschafters über seinen Anteil nicht dinglich, sondern nur schuldrechtlich ausgeschlossen. Privatgläubiger einzelner Gesellschafter hätten im Rahmen der Zwangsvollstreckung also direkt Zugriff auf deren Anteile am Gesellschaftsvermögen gehabt. Um eine solche Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zu verhindern, beschloß die zweite Kommission zunächst "in eventueller Abstimmung, für den Fall der Beibehaltung des § 645 des Entwurfs" (Prot. II 428 = Mugdan II 989) folgenden § 645 a:

"Die Zwangsvollstreckung in die gemeinschaftlichen Gegenstände findet nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt. Aufgrund eines nur gegen einen Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels findet die Zwangsvollstreckung nur in dasjenige statt, was dem Gesellschafter als Gewinnantheil oder bei der Auseinandersetzung zukommt. ..." (Prot. II 426 = Mugdan II 988). Im weiteren Verlauf der Beratungen entschied sich die zweite Kommission , an Stelle des § 645 E I das Prinzip der gesamten Hand zu setzen (Prot. II 428 ff. = Mugdan II 990 ff.), welches in § 658 des zweiten Entwurfs (abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. III 1983, S. 296) seinen Ausdruck fand. § 658 E II entspricht dem heutigen § 719 BGB und enthielt zunächst zusätzlich folgenden Absatz 3:
"Die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen findet nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt." Später wurde dieser Abs. 3 aus dem zweiten Entwurf zum BGB gestrichen. "Als Ersatz" sollte "im Art. 11 des Einführungsgesetzes vor dem § 671 a folgender § 671 in die Civilprozeßordnung eingestellt werden" (Jakobs /Schubert aaO, S. 297 Fn. 20):
"Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 745 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist ein gegen alle Gesellschafter vollstreckbares Urtheil erforderlich." Hieraus wurde schließlich die Bestimmung des § 736 ZPO.
Diese Entwicklung zeigt, daß die Regelung eine Ausprägung des Prinzips der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens darstellt, mit dessen Übernahme der historische Gesetzgeber erreichen wollte, daß der einzelne Gesellschafter nicht über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), daß er sich nicht durch Aufrechnung mit einer ihm nur gegen einen der anderen Gesellschafter zustehenden Forderung aus einer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft befreien (§ 719 Abs. 2 BGB) und daß nicht ein Gläubiger nur eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen vollstrecken können soll (§ 736 ZPO). Diese Zielsetzung ist in der dem Reichstag mit dem Gesetzentwurf des BGB vom Reichsjustizamt vorgelegten Denkschrift (Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs 1896, S. 87 f.) ausdrücklich in diesem Sinne formuliert worden. Die Regelung in § 736 ZPO stellt mithin als Ausdruck der gesamthänderischen Vermögensbindung das vollstreckungsrechtliche Pendant zu § 719 Abs. 1 BGB dar und wird treffend auch als "§ 719 Abs. 3 BGB" (Wertenbruch aaO, S. 124, 129) bezeichnet.
Das Ziel der Verhinderung einer Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen durch Gläubiger nur einzelner Gesellschafter wird bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft mindestens ebenso gut erreicht wie bei Zulassung von Klagen nur gegen die einzelnen Gesellschafter. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, daß die Regelung des § 736 ZPO zum Ziel hat, die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozeß auszuschließen. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft ist vom Gesetzgeber ebensowenig abschließend geregelt worden wie das "Wesen der Gesamthand" allgemein. Dementsprechend hat Gottlieb Planck, Generalreferent der zweiten Kommission, bereits in der im Jahre 1900 erschienenen ersten Auflage seines
Kommentars zum BGB trotz Ablehnung der Parteifähigkeit ausgeführt, die §§ 736, 859 ZPO berührten die Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht, sie seien lediglich mit Rücksicht auf das Gesamthandsprinzip in das Gesetz aufgenommen worden (vor § 705 Anm. II 2, S. 453).

b) Kein durchgreifendes Argument gegen die Anerkennung einer Parteifähigkeit kann auch der amtlichen Begründung der CPO-Novelle zu § 670 b CPO (später § 736 ZPO) aus dem Jahre 1897 (Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 8. Band, 1898, S. 138 f.) entnommen werden. Soweit es darin heißt, die Gesellschaft könne nicht "als solche" verklagt werden, muß das nicht im Sinne einer Ablehnung der Parteifähigkeit gemeint sein. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert galt der Begriff "Gesellschaft als solche" - wie Wertenbruch (aaO S. 9 ff.; 46 ff.; 132) nachgewiesen hat - als Umschreibung für juristische Person. So hieß es in Art. 231 ADHGB zur Aktiengesellschaft, diese könne "als solche" klagen und verklagt werden (vgl. auch den heutigen § 41 Abs. 1 AktG). Bei der OHG hingegen wurde der Zusatz, die Gesellschaft habe "als solche" ihre Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermögen, wie er noch in Art. 87 des preußischen Entwurfs zum ADHGB aus dem Jahre 1857 enthalten war, nicht in den späteren Art. 111 ADHGB (heute § 124 HGB) übernommen, weil darin eine Definition der juristischen Person zu sehen sei (vgl. Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches 1858, S. 156). Daß die Formulierung "als solche" in bezug auf die Aktiengesellschaft die Gestaltung als juristische Person zum Ausdruck bringen soll, geht auch aus den Ausführungen von Makower (HGB Band I 13. Aufl. 1906, § 210 Anm. I a) und Flechtheim (in Düringer/Hachenburg, HGB 3. Aufl. 1934, § 210 Anm. 2) hervor.

c) Die Bestimmung des § 736 ZPO wird durch die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht überflüssig. Versteht man die Bestimmung so, daß der Gläubiger nicht nur mit einem Titel gegen die Gesellschaft als Partei in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann, sondern auch mit einem Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter aus ihrer persönlichen Mithaftung (vgl. auch MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 54), behält sie durchaus einen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Rechtslage bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist insoweit anders als bei der OHG, wo gemäß § 124 Abs. 2 HGB eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ausschließlich mit einem gegen die Gesellschaft lautenden Titel möglich ist.
4. Auch der Umstand der fehlenden Registerpublizität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hindert nicht die Anerkennung ihrer Parteifähigkeit. Der Senat verkennt zwar nicht, daß es wegen der fehlenden Publizität in einigen Fällen schwierig werden könnte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Prozeß so klar zu bezeichnen, daß eine eindeutige Identifizierung - vor allem auch im Vollstreckungsverfahren - möglich ist. Auch ist von außen nicht immer leicht zu ermitteln, inwieweit ein Zusammenschluß mehrerer tatsächlich als (Außen -)Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert ist (vgl. K. Schmidt aaO, § 60 IV 1, S. 1806 f.). Diese Schwierigkeiten wiegen aber nicht so schwer, daß daran die Anerkennung der Parteifähigkeit scheitern müßte.
Im Aktivprozeß der Gesellschaft ist es den für die Gesellschaft auftretenden Personen ohne weiteres zumutbar, die Gesellschaft - beispielsweise durch die möglichst exakte Bezeichnung der Gesellschafter, der gesetzlichen Vertreter und der Bezeichnung, unter der die Gesellschaft im Verkehr auftritt - identifizierbar zu beschreiben. Sollte sich im Verlauf des Prozesses heraus-
stellen, daß tatsächlich keine Außengesellschaft existiert, müßte zumindest derjenige für die Prozeßkosten aufkommen, der im Namen der vermeintlichen Gesellschaft den Prozeß als deren Vertreter ausgelöst hat. Im Falle des Auftretens für eine nicht existierende Partei trägt der in deren Namen auftretende und die Existenz der Partei behauptende Vertreter als Veranlasser des unzulässigen Verfahrens die Prozeßkosten (Sen.Urt. v. 25. Januar 1999 - II ZR 383/96, ZIP 1999, 489, 491 m.w.N.). Es ist also immer zumindest eine natürliche Person als Kostenschuldner vorhanden.
Im Passivprozeß ist es wegen der persönlichen Gesellschafterhaftung für den Kläger - wie bei der OHG (vgl. Behr, NJW 2000, 1137, 1139) - praktisch immer ratsam, neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter persönlich zu verklagen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nicht sicher ist, ob eine wirkliche Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen existiert. Stellt sich während des Prozesses heraus, daß die Gesellschafter nicht als Gesamthandsgemeinschaft verpflichtet sind, sondern nur einzeln als Gesamtschuldner aus einer gemeinschaftlichen Verpflichtung schulden (§ 427 BGB), wird nur die Klage gegen die Gesellschaft - nicht aber die gegen die Gesellschafter persönlich - abgewiesen. Stellt sich erst während der Zwangsvollstreckung heraus, daß überhaupt kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, bleiben dem Gläubiger noch die Titel gegen die einzelnen Gesellschafter. Es besteht also bei Annahme einer Parteifähigkeit der Gesellschaft kein Unterschied zur Situation, wie sie sich auf der Grundlage der Streitgenossenschaftslösung darstellt, denn auch hier wird zwischen der Klage gegen die Gesamthand (Gesamthandsschuldklage ) und gegen die Gesellschafter (Gesamtschuldklage) unterschieden (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 47 ff.; Heller aaO, S. 73 ff.). Im übrigen bleibt es dem Gesellschaftsgläubiger auch bei Anerkennung der Par-
teifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unbenommen, ausschließlich die Gesellschafter persönlich in Anspruch zu nehmen. Dem Gesellschaftsgläubiger wird die Rechtsverfolgung demnach durch die Anerkennung der Parteifähigkeit in keiner Weise erschwert.

B.


Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage ist auch begründet. Insbesondere ist die Beklagte zu 1 wechselfähig. Die Gründe, die vom Bundesgerichtshof zur Begründung der Scheckfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts herangezogen worden sind (BGHZ 136, 254, 257 f.), sprechen in gleichem Maße auch für deren Wechselfähigkeit (vgl. auch Flume, Allgemeiner Teil aaO, S. 108 f.; Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 21. Aufl. Einl. WG Rdn. 20 a).
Damit erweist sich das landgerichtliche Urteil, soweit es die Verurteilung der Beklagten zu 1, 2 und 3 betrifft, im Grunde als zutreffend. Im Urteilstenor war jedoch kenntlich zu machen, daß zwischen den Ansprüchen gegen die Beklagte zu 1 einerseits und denen gegen die Beklagten zu 2 und 3 andererseits kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht, jedoch die Beklagte zu 1 neben den ihrerseits untereinander gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafterinnen wie eine Gesamtschuldnerin verpflichtet ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27. September 1999 (BGHZ 142, 315, 318 ff.) die Frage der rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung noch offengelassen. Sie ist nunmehr in Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne einer akzessorischen Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu entscheiden. So-
weit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haftet (BGHZ 142, 315, 318), ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld also auch für die persönliche Haftung maßgebend. Insoweit entspricht das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung damit der Rechtslage in den Fällen der akzessorischen Gesellschafterhaftung gemäß §§ 128 f. HGB bei der OHG. Danach ist eine unmittelbare Anwendung der §§ 420 ff. BGB nicht möglich, weil kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht; es ist aber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der jeweils verschiedenartigen Interessen der Beteiligten der Rechtsgedanke der §§ 420 ff. BGB im Einzelfall zur Anwendung kommt oder nicht (BGHZ 39, 319, 329; 44, 229, 233; 47, 376, 378 ff.; 104, 76, 78). Für die Gesellschaft als originär Verpflichtete ist die entsprechende Anwendung der Gesamtschuldregeln im Verhältnis zur Gesellschafterhaftung grundsätzlich angebracht. Stehen den Gesellschaftern beispielsweise individuelle Einreden im Sinne des § 425 BGB gegen ihre persönliche Inanspruchnahme zu, wäre es nicht gerechtfertigt, daß sich auch die Gesellschaft darauf berufen könnte.

C.


Hinsichtlich der Abweisung der gegen den Beklagten zu 4 gerichteten Klage auf Haftung kraft Rechtsscheins hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision stand. Eine Rechtsscheinhaftung des Beklagten zu 4 für die Wechselverbindlichkeit der Beklagten zu 1 käme in Betracht, wenn er gegenüber der Klägerin in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt hätte, er sei selbst Mitglied der ARGE und folglich persönlich haftender Gesellschafter (vgl. BGHZ 17, 13, 15). Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen , daß die von der Klägerin dargelegten Umstände nicht den Schluß darauf zulassen, der als Architekt tätige Beklagte zu 4 sei ihr gegenüber als Gesellschafter der ARGE aufgetreten.
Insbesondere reicht es für eine solche Schlußfolgerung nicht aus, daß der Beklagte zu 4 in dem von der ARGE gegenüber der Klägerin - die als Nachunternehmerin der ARGE beauftragt war - verwendeten Briefkopf aufgeführt ist. Dieser Briefkopf ist in der Form gestaltet, daß dort unter der hervorgehobenen Überschrift "Arbeitsgemeinschaft W. " die Beklagten zu 2 und 3 - beides Gesellschaften mit beschränkter Haftung - als "Technische Geschäftsführung" (Beklagte zu 2) und als "Kaufm. Geschäftsführung" (Beklagte zu 3) sowie der Beklagte zu 4 als "Bauleitung" bezeichnet werden. Läßt sich ein Architekt in dieser Weise im Briefkopf einer bauwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft aufführen, muß er nicht damit rechnen, daß bei deren Nachunternehmern , denen gegenüber der Briefkopf verwendet wird, der Eindruck entsteht , er sei selbst Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft. Bei "technischer Geschäftsführung", "kaufmännischer Geschäftsführung" und "Bauleitung" handelt es sich gemäß § 5 des Mustervertrages des Hauptverbandes der Deut-
schen Bauindustrie für Arbeitsgemeinschaften (ARGE-Vertrag, abgedruckt bei Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl.), der seit vielen Jahren verwendet wird, im Baugewerbe weit verbreitet ist (vgl. Langen in Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht 1999, S. 64, 69) und auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kam, um die nach außen in Erscheinung tretenden "Organe" der in Teilen körperschaftlich strukturierten Arbeitsgemeinschaften. Es ist deshalb anzunehmen , daß der baugewerbliche Rechtsverkehr bei einer Auflistung dieser Bezeichnungen im allgemeinen an eine Benennung der Gesellschaftsorgane, nicht aber an eine Benennung der Gesellschafter denkt. Zwar trifft es zu, daß nach dem personengesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Selbstorganschaft als technische und kaufmännische Geschäftsführer nur Personen in Frage kommen, die auch Gesellschafter sind. Es würde aber zu weit gehen, würde man dem Rechtsverkehr ein Verständnis dahingehend unterstellen, daß die Nennung von Geschäftsführung und Bauleitung in einem Briefkopf darauf schließen ließe, auch der Bauleiter müsse Gesellschafter sein. Üblicherweise wird nämlich die Bauleitung auf solche Personen übertragen, die zwar Mitarbeiter eines Gesellschafters, nicht aber selbst Gesellschafter sind (Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 7, 12 ff.). In diese Richtung weist im vorliegenden Fall zudem der Umstand, daß im Vertragsformular des der Hingabe des Wechsels zugrunde liegenden Nachunternehmervertrages zwischen Klägerin und Beklagter zu 1 ausdrücklich zwischen der ARGE als "Auftraggeber und Bauherr i.S. dieses Vertrages" und dem Beklagten zu 4, der unter der Rubrik "Planung und Bauleitung" aufgeführt ist, differenziert wird.
Der Umstand, daß der Beklagte zu 4 nach dem Vortrag der Klägerin sämtliche Vertragsverhandlungen mit ihr geführt und auch das streitgegenständliche Wechselakzept im Namen der Beklagten zu 1 unterschrieben hat,
reicht für die Begründung einer Rechtsscheinhaftung ebenfalls nicht aus. Der Beklagte zu 4 war Geschäftsführer der ihrerseits als technische Geschäftsführerin der ARGE eingesetzten Beklagten zu 2 und in dieser Funktion allgemein zum Abschluß von Nachunternehmerverträgen für die ARGE befugt (§ 7.45 ARGE-Vertrag). Selbst wenn die Klägerin keine Kenntnis von dieser Funktion des Beklagten zu 4 gehabt hätte, hätte dessen Handeln nicht zwangsläufig darauf schließen lassen müssen, daß er in eigener Person Gesellschafter der ARGE ist. Es wäre vielmehr auch denkbar - wenn nicht sogar naheliegender - gewesen, daß Abschluß und Abwicklung des Nachunternehmervertrages von der Geschäftsführung der ARGE auf den Bauleiter als Unterbevollmächtigten weiterdelegiert worden ist, was durchaus zulässig gewesen wäre (vgl. Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 9) und ebenfalls nicht zu einer persönlichen Haftung des Beklagten zu 4 geführt hätte. Der von der Revision zur Begründung der Rechtsscheinhaftung schließlich noch herangezogene Vortrag der Klägerin, wonach der Beklagte zu 4 sämtliche Bankgeschäfte der ARGE erledigt habe, vermag eine Rechtsscheinhaftung gegenüber der Klägerin schon
deshalb nicht zu begründen, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern es sich bei einem solchen Handeln des Beklagten zu 4 gegenüber Dritten um einen im Verhältnis zur Klägerin gesetzten Rechtsschein gehandelt haben könnte.

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.

19
bb) Der Abschluss eines Vertrages, durch den sich die Beteiligten gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern (§ 705 BGB), lässt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts entstehen, wenn der Zusammenschluss keinen körperschaftlichen Charakter hat und die weiteren Voraussetzungen für eine andere Form der Personengesellschaft fehlen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 705 Rn. 1). Vereinbaren Miturheber eine gemeinsame Verwertung ihrer Werke , bilden sie daher - sofern sie keine andere Rechtsform wählen - eine Gesell- schaft bürgerlichen Rechts (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1998 - I ZR 250/95, GRUR 1998, 673, 675 - Popmusikproduzenten; Loewenheim in Schricker/ Loewenheim aaO § 8 UrhG Rn. 13; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht , 2. Aufl., § 8 UrhG Rn. 30, vgl. zu Urhebern verbundener Werke BGH, Urteil vom 1. Dezember 1972 - I ZR 81/70 und I ZR 18/71, GRUR 1973, 328, 329 - Musikverleger II, mwN).

(1) Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung. Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach diesem Buch wahr; die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b bleibt unberührt. Die gemeinsame Einrichtung ist befugt, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Die Aufgaben werden von Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wahrgenommen, denen entsprechende Tätigkeiten zugewiesen worden sind.

(2) Die Träger bestimmen den Standort sowie die nähere Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung durch Vereinbarung. Die Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung sollen die Besonderheiten der beteiligten Träger, des regionalen Arbeitsmarktes und der regionalen Wirtschaftsstruktur berücksichtigen. Die Träger können die Zusammenlegung mehrerer gemeinsamer Einrichtungen zu einer gemeinsamen Einrichtung vereinbaren.

(3) Den Trägern obliegt die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen. Sie haben in ihrem Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 gegenüber der gemeinsamen Einrichtung ein Weisungsrecht; dies gilt nicht im Zuständigkeitsbereich der Trägerversammlung nach § 44c. Die Träger sind berechtigt, von der gemeinsamen Einrichtung die Erteilung von Auskunft und Rechenschaftslegung über die Leistungserbringung zu fordern, die Wahrnehmung der Aufgaben in der gemeinsamen Einrichtung zu prüfen und die gemeinsame Einrichtung an ihre Auffassung zu binden. Vor Ausübung ihres Weisungsrechts in Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung befassen die Träger den Kooperationsausschuss nach § 18b. Der Kooperationsausschuss kann innerhalb von zwei Wochen nach Anrufung eine Empfehlung abgeben.

(4) Die gemeinsame Einrichtung kann einzelne Aufgaben auch durch die Träger wahrnehmen lassen. Im Übrigen gelten die §§ 88 bis 92 des Zehnten Buches für die gemeinsamen Einrichtungen im Aufgabenbereich dieses Buches entsprechend.

(5) Die Bundesagentur stellt der gemeinsamen Einrichtung Angebote an Dienstleistungen zur Verfügung.

(6) Die Träger teilen der gemeinsamen Einrichtung alle Tatsachen und Feststellungen mit, von denen sie Kenntnis erhalten und die für die Leistungen erforderlich sind.

10
1. Die Beklagte ist parteifähig im Sinne des § 50 Abs. 1 ZPO. Dies folgt zwar nicht schon daraus, dass in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass eine auf der Grundlage des § 44b SGB II errichtete Arbeitsgemeinschaft die Beteiligtenfähigkeit nach § 70 SGG besitzt. Denn an sozialgerichtlichen Streitigkeiten kann nach § 70 Nr. 2 SGG auch eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung beteiligt sein; § 70 SGG ist insoweit also weiter gefasst als § 50 ZPO (vgl. BSGE 97, 217, 227 f, Rn. 30). Jedoch ist die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten im Zivilprozess in Anlehnung an die von der Rechtsprechung zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze (BGHZ 146, 341, 343 ff; 154, 88, 94; 172, 169, 172 Rn. 9) zu bejahen (im Ergebnis ebenso OLG Zweibrücken, OLGReport 2007, 617, 619; offen gelassen in KG, OLGReport 2009, 261 f; siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drucks. 15/4709 S. 2, wonach § 44b SGB II voraussetzt, dass die Arbeitsgemeinschaft als solche rechtserheblich handeln, klagen und verklagt werden kann, somit rechts- und prozessfähig zu sein hat, ohne dass es darauf ankäme, sie als juristische Person des öffentlichen Rechts zu qualifizieren). Die nach Maßgabe von § 44b SGB II durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Agentur für Arbeit B. /Geschäftsstelle S. und der Stadt S. errichtete Beklagte ist berechtigt, zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide gemäß § 44b SGB II zu erlassen (§ 3 Abs. 5 des Vertrags). Ihre Organe sind der Lenkungsausschuss (Trägerversammlung ) und die Geschäftsführung (§ 4 Abs. 1 des Vertrags). Diese besteht aus dem Geschäftsführer, der die ARGE gerichtlich und außergerichtlich vertritt, sowie dem stellvertretenden Geschäftsführer (§ 7 des Vertrags). Damit ist die Beklagte rechtlich und organisatorisch verselbständigt sowie eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten. Ihre Struktur ist der einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zumindest ebenbürtig, wobei es in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung der Frage bedarf, ob es sich bei der Beklagten um eine Gesellschaft des öffentlichen Rechts (vgl. hierzu etwa das Merkblatt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit für Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II, Stand: 24. August 2004, S. 2 unter Ziffer 2 "Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten" ; Strobel, Die Rechtsform der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II, NVwZ 2004, 1195, 1198 f) oder um eine öffentlich-rechtliche Organisation bzw. Einrichtung sui generis handelt (vgl. zur ARGE "Jobcenter in der Region Hannover": SG Hannover, NVwZ 2005, 976; siehe allgemein nur Kersten, Arbeitsgemeinschaften (§ 44b SGB II), ZfPR 2005, 130, 145 ff; Berlit in Münder, Lehr- und Praxiskommentar, SGB II, 2. Aufl., § 44b, Rn. 20 ff, jew. m.w.N.).

(1) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist.

(2) Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL UND VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 111/05 Verkündet am:
2. Juli 2007
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der nicht rechtsfähige Verein ist aktiv parteifähig.

a) Einer rechtlich unselbständigen Untergliederung eines eingetragenen Vereins
fehlt das Feststellungsinteresse, von dessen Mitgliedern gefasste Beschlüsse
einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Die Beschlussanfechtung
setzt auch im Vereinsrecht grundsätzlich voraus, dass das klagende Mitglied
dem Verein sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung als auch dem der
Rechtshängigkeit angehört.

b) Ist der Gegenstand der Beschlussfassung in der Einladung zu einer Mitgliederversammlung
nicht oder so ungenau bestimmt, dass den Mitgliedern eine
sachgerechte Vorbereitung der Versammlung und eine Entscheidung, ob sie
an der Versammlung teilnehmen wollen, nicht möglich ist, so sind die auf
der Versammlung gefassten Beschlüsse nichtig.
BGH, Urteil und Versäumnisurteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - KG
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und
die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Kläger zu 1 und 53 sowie des Beklagten zu 1 wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. März 2005 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. November 2006 und des Ergänzungsurteils vom 22. Januar 2007 im Kostenpunkt voll und in der Sache teilweise aufgehoben und wird das Urteil der 36. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 16. Januar 2004 teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst: 1. Es wird auf Antrag der Kläger zu 2, 3, 9-15, 17-19, 21-27, 2930 , 32-38, 41-45, 47-54, 56-59, 67, 69, 70, 76-78, 83-85, 87, 90, 92-94, 96-99, 101, 110-112, 115, 116, 118, 121, 122, 125, 126, 129-133 festgestellt, dass der von der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Beklagten zu 1 am 30. Januar 2003 zum Tagesordnungspunkt 2. "Verkauf Clubhaus" mit 247 Ja-Stimmen gegen 163 NeinStimmen bei 10 Enthaltungen gefasste Beschluss nichtig ist. Dieser Antrag hat sich gegenüber den Klägern zu 4-8, 16, 20, 28, 31, 39, 40, 46, 55, 61, 68, 72-74, 79, 81, 82, 86, 91, 95, 100, 102, 106, 107, 109, 124, 127, 128 erledigt. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. 2. Auf die Widerklage des Beklagten zu 1 wird gegenüber den Klägern zu 1-4, 6-59, 62-67, 69, 70, 83-85, 87-99, 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126 und 129-133 festgestellt, dass der Beklagte zu 1 das Eigentum an dem im Grundbuch von G. Blatt unter den laufenden Nummern 1 und 2 eingetragenen Grundstücken Flur , Flurstücke (W.
mit einer Größe von 1.472 m²), und (Am H. mit einer Größe von 32 m² bzw. 252 m²) nicht treuhänderisch für seine Ruderabteilung, den Kläger zu 1, hält und den Klägern zu 1-4, 6-59, 62-67, 69, 70, 83-85, 87-99, 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126 und 129-133 nicht zur treuhänderischen Verwaltung verpflichtet ist. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen. 3. Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges tragen der Beklagte zu 1 27,6 % und die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch 72,4 % wobei die gesamtschuldnerische Haftung folgender Kläger in der nachstehend angegebenen Höhe begrenzt ist: Die Kläger zu 2-4, 6- 57 höchstens 72,2 %, die Kläger zu 58-133 höchstens 27,8 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2-4 und 6133 im ersten Rechtszug trägt der Beklagte zu 1 27,8 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 im ersten Rechtszug tragen die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch , wobei die gesamtschuldnerische Haftung folgender Kläger in der nachstehend angegebenen Höhe begrenzt ist: Die Kläger zu 2-4, 6-57 höchstens 72,2 %, die Kläger zu 58-133 höchstens 27,8 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 im ersten Rechtszug tragen die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch. Von den Gerichtskosten des zweiten Rechtszuges tragen der Beklagte zu 1 36,3 % und die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch 63,7 %, wobei die gesamtschuldnerische Haftung folgender Kläger in der nachstehend angegebenen Höhe begrenzt ist: Die Kläger zu 60, 61, 68, 71-82, 86, 100, 102, 105-107, 109, 123, 124, 127, 128 höchstens 27,8 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2-4, 6-59, 6267 , 69, 70, 83-85, 87-99, 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126, 129-133 im zweiten Rechtszug trägt der Beklagte zu 1 27,8 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 60, 61, 68, 71-82, 86, 100, 102, 105-107, 109, 123, 124, 127, 128 im zweiten Rechtszug trägt der Beklagte zu 1 72,2 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 im zweiten Rechtszug tragen die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch , wobei die gesamtschuldnerische Haftung folgender Kläger in der nachstehend angegebenen Höhe begrenzt ist: Die Kläger zu 2-4, 6-59, 62-67, 69, 70, 83-85, 87-99, 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126, 129-133 höchstens 72,2 %, und die Kläger zu 60, 61, 68, 71-82, 86, 100, 102, 105-107, 109, 123, 124, 127, 128 höchstens 27,8 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 im zweiten Rechtszug tragen die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch. Von den Gerichtskosten des dritten Rechtszuges tragen der Beklagte zu 1 27,6 % und die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch 72,4 % wobei die gesamtschuldnerische Haftung folgender Kläger in der nachstehend angegebenen Höhe begrenzt ist: Der Kläger zu 53 höchstens 72,2 %, die Kläger zu 2-4, 6-52, 54-133 höchstens 27,8 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2-4, 6-52, 54133 im dritten Rechtszug trägt der Beklagte zu 1 50 %.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 53 im dritten Rechtszug trägt der Beklagte zu 1 27,8 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 im dritten Rechtszug tragen die Kläger zu 1-4 und 6-133 gesamtschuldnerisch , wobei die gesamtschuldnerische Haftung folgender Kläger in der nachstehend angegebenen Höhe begrenzt ist: Der Kläger zu 53 höchstens 72,2 % und die Kläger zu 2-4, 6-52, 54-133 höchstens 27,8 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte zu 1, ein eingetragener Sportverein mit mehr als 1.000 Mitgliedern, ist entsprechend den unter seinem Dach ausgeübten Sportarten in 18 Abteilungen gegliedert. Der Kläger zu 1 bildet die Ruderabteilung, die weiteren Kläger sind Mitglieder sowohl des Klägers zu 1 als auch des Beklagten zu 1. Nach dem Grundbuch ist der Beklagte zu 1 Eigentümer eines mit einem Clubhaus bebauten Grundstücks. Die Parteien streiten u.a. darum, ob der Beklagte zu 1 diese Liegenschaft an den Beklagten zu 2, einen eingetragenen Rudersportverein, wirksam veräußert hat.
2
Die Vereinssatzung des Beklagten zu 1 enthält u.a. folgende Bestimmungen : "§ 3 Gliederung 1. Für jede im Verein betriebene Sportart wird eine eigene, in der Haushaltsführung selbständige Abteilung gegründet. Zur Zeit bestehen folgende Abteilungen: … Rudern … . 2. Die Abteilungen regeln ihre sportlichen und finanziellen Angelegenheiten selbst, soweit diese Satzung nichts anderes bestimmt oder das Gesamtinteresse des Vereins nicht betroffen wird. Für die Mitgliederversammlung, die Wahlen und die Zusammensetzung der Abteilungsvorstände gelten die Bestimmungen dieser Satzung entsprechend. … § 5 3. Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft 1. Dem Verein kann jede natürliche Person als Mitglied angehören. 2. Über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidet der jeweilige Abteilungsvorstand. … … 4. Der Austritt muss dem jeweiligen Abteilungsvorstand gegenüber schriftlich erklärt werden. … 5. Ein Mitglied kann vom jeweiligen Abteilungsvorstand ausgeschlossen werden,
a) wegen … … § 8 Mitgliederversammlung … 4. Die Einberufung von Mitgliederversammlungen erfolgt durch den Vorstand mittels schriftlicher Einladung. … Zwischen dem Tag der Einladung und dem Termin der Versammlung muss eine Frist von mindestens vier Wochen liegen. Mit der Einberufung der Mitgliederversammlung ist die Tagesordnung mitzuteilen. 5. Satzungsänderungen erfordern eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. … 7. Anträge auf Satzungsänderungen müssen vier Wochen vor der Mitgliederversammlung schriftlich beim Vorsitzenden des Vereins eingegangen sein. 8. Über andere Anträge kann in der Mitgliederversammlung nur abgestimmt werden, wenn diese Anträge mindestens eine Woche vor der Versammlung schriftlich bei dem Vorsitzenden des Vereins eingegangen sind. Später eingehende Anträge dürfen in der Mitgliederversammlung nur behandelt werden, wenn ihre Dringlichkeit mit einer Zweidrittelmehrheit bejaht wird. … § 10 Vorstand … 2. Zur Vertretung des Vereins im Sinne des § 26 Abs. 2 BGB berechtigt sind jeweils zwei Vorstandsmitglieder, von denen eines entweder der Vereinsvorsitzende oder stellvertretender Vorsitzender sein muss. … 6. Die Abteilungsvorsitzenden sind im Innenverhältnis berechtigt , Verpflichtungen einzugehen, die die jeweilige Abteilung betreffen und sich im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel halten. …“
3
Durch Schreiben vom 27. Dezember 2002 berief der Beklagte zu 1 die Mitglieder für den 30. Januar 2003 zu einer außerordentlichen Versammlung ein. Als Punkt 2 der Tagesordnung war ohne weitere Erläuterung "Verkauf Clubhaus" angegeben. Das Clubhaus einschließlich der zugehörigen, mit einem Bootssteg ausgestatteten Grundstücksparzellen wird wegen des unmittelbaren Havelzugangs überwiegend von den Mitgliedern der Ruderabteilung, aber auch von den übrigen Vereinsmitgliedern genutzt. Nachdem zwischenzeitlich die Absicht des Beklagten zu 1, das Grundstück an den unmittelbar benachbarten Beklagten zu 2 zu veräußern, bekannt geworden war, unterrichtete der Beklagte zu 1 durch ein Rundschreiben vom 23. Januar 2003 die Mitglieder nunmehr "in zutreffender Weise" über Punkt 2 der Tagesordnung dahin, dass Gegenstand der Beschlussfassung ein Verkauf des Grundstücks zum Preis von 720.000,00 € an den Beklagten zu 2 bilde. Am 30. Januar 2003 ergab die Abstimmung über den Tagesordnungspunkt "Verkauf Clubhaus" 247 Ja-Stimmen, 163 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen.
4
Der Kläger zu 1 teilte durch Schreiben vom 3. Februar 2003 dem Beklagten zu 2 unter Hinweis auf ein beigefügtes anwaltliches Kurzgutachten seine Absicht mit, gegen den Beschluss vom 30. Januar 2003 gerichtlich vorzugehen. Am 13. Februar 2003 verkaufte der Beklagte zu 1 unter gleichzeitiger Auflassung durch notariell beurkundeten Vertrag die mit dem Clubhaus und dem Bootssteg bebauten Grundstücke zum Preis von 720.000,00 € an den Beklagten zu 2. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Beklagten zu 1 vom 30. Juni 2003 wurde der Tagesordnungspunkt "Beschluss über Verhand- lungen zur Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages" bei 116 JaStimmen und 14 Enthaltungen mit 263 Nein-Stimmen abgelehnt.
5
Der Kläger zu 1 sowie - nach Ausscheiden des "Klägers zu 5" noch vor Zustellung der Klage - 131 in seiner Abteilung organisierte Mitglieder haben die Feststellung begehrt, dass der auf der Mitgliederversammlung des Beklagten zu 1 gefasste Beschluss vom 30. Januar 2003 und der zwischen den Beklagten zu 1 und 2 am 13. Februar 2003 geschlossene notarielle Kaufvertrag nebst Auflassungsvereinbarung nichtig sind. Für den Fall, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des notariellen Vertrages abgewiesen wird, haben die Kläger die Feststellung beantragt, dass das auf dem Grundstück befindliche Gebäude (Clubhaus) nebst Bootssteg nicht Gegenstand des notariellen Kaufvertrages und der Auflassungsvereinbarung sind und der Kläger zu 1 Eigentümer des Gebäudes sowie des Bootsstegs ist. Ferner haben sie beantragt, den Beklagten zu 2 unter gleichzeitiger Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Rechte zur Rückauflassung an den Beklagten zu 1 zu verurteilen. Der Beklagte zu 1 hat gegenüber den Klägern zu 1 bis 4 sowie zu 6 bis 56 "Zwischenfeststellungswiderklage" mit dem Antrag erhoben, dass der Beklagte zu 1 das Eigentum an den von dem notariellen Vertrag betroffenen Grundstücken nicht treuhänderisch für den Kläger zu 1 hält und den Klägern zu 1 bis 4 und 6 bis 56 nicht zur treuhänderischen Verwaltung dieses Grundstücks verpflichtet ist. Für den Fall, dass dem Antrag der Kläger auf Feststellung der Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrages stattgegeben wird, hat er die weitere Feststellung beantragt , dass der Beklagte zu 1 Eigentümer des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes nebst Bootssteg ist. Das Landgericht hat - unter Abweisung des von den Klägern in den Rechtsmittelinstanzen nicht weiter verfolgten Rückauflassungsanspruchs - den Klage- und Widerklageanträgen stattgegeben.
6
Gegen dieses Urteil haben auf Klägerseite die namentlich benannten Kläger zu 1-3, 9-15, 17-19, 21-27, 29, 30, 32-38, 41-45, 47-54, 56-59, 62-67, 69, 70, 75-78, 83-85, 87-90, 92-94, 96-99, 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126, 129-133 mit dem Ziel der Abweisung der Widerklage Berufung eingelegt. Die Beklagten zu 1 und 2 haben mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage beantragt. Der Beklagte zu 1 hat außerdem seine Widerklageanträge über die Kläger zu 1-4 und 6-56 hinaus auf die Kläger zu 57-59, 62-72, 75-78, 81, 83-85, 87-90 sowie 92-133 erweitert. Die in der Berufungsschrift nicht genannten - zwischenzeitlich aus dem Kläger zu 1 bzw. dem Beklagten zu 1 ausgetretenen - Kläger haben auf Anregung des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit im Blick auf das Klagebegehren für erledigt erklärt. Dem Erledigungsantrag ist der Beklagte zu 1 entgegengetreten, während sich der Beklagte zu 2 dem Antrag angeschlossen hat.
7
Das Kammergericht hat den auf der Mitgliederversammlung des Beklagten zu 1 vom 30. Januar 2003 gefassten Beschluss sowie den zwischen dem Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 geschlossenen notariellen Kaufvertrag nebst Auflassungsvereinbarung vom 13. Februar 2003 für nichtig und den Rechtsstreit entsprechend dem klägerischen Antrag teilweise für erledigt erklärt. Auf die "Zwischenfeststellungswiderklage" und die Hilfswiderklage des Beklagten zu 1 hat das Kammergericht gegenüber den Klägern zu 1-3, 9-19, 21-27, 29-39, 41-45, 47-54, 56-59, 62-67, 69, 70, 83-85, 87-99, 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126 und 129-133 festgestellt, dass der Beklagte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück nicht treuhänderisch für den Kläger zu 1 hält und den Klägern nicht zur treuhänderischen Verwaltung verpflichtet ist sowie dass der Beklagte zu 1 Eigentümer des auf diesen Grundstücken errichteten Gebäudes einschließlich des Bootssteges ist. Die Kläger zu 1 und 53 sowie der Beklagte zu 1 verfolgen mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision ihre abgewiesenen Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revisionen der Kläger zu 1 und 53 und des Beklagten zu 1 sind teilweise begründet und führen unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu der im einzelnen aus dem Urteilstenor ersichtlichen Abänderung der vordergerichtlichen Entscheidungen.

A.


9
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
10
Der Kläger zu 1, der innerhalb des Beklagten zu 1 einen nicht rechtsfähigen Verein bilde, sei über den Wortlaut des § 50 ZPO hinaus berechtigt, auch Aktivprozesse zu führen. Ferner könne er, soweit sein Wirkungsbereich betroffen sei, Beschlüsse der Mitgliederversammlung des Beklagten zu 1 selbständig anfechten. Der von der Mitgliederversammlung des Beklagten zu 1 am 30. Januar 2003 unter dem Tagesordnungspunkt "Verkauf Clubhaus" gefasste Beschluss, der zudem der für eine Satzungsänderung notwendigen qualifizierten Mehrheit von drei Viertel entbehre, sei jedenfalls wegen eines in der unzureichenden Konkretisierung des Beschlussgegenstandes liegenden Einberufungsmangels nichtig.
11
Der am 13. Februar 2003 zwischen dem Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 vereinbarte Grundstückskaufvertrag sei ebenfalls nichtig. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagten bewusst zum Nachteil der Kläger gehandelt hätten. Der Beklagte zu 2 sei als Vertragspartner des Vertretenen nicht schutzwürdig, weil er den Grundstückskaufvertrag in Kenntnis des Umstandes geschlossen habe, dass Mitglieder des Beklagten zu 1 beabsichtigten, den Be- schluss über die Ermächtigung des Vereinsvorstands zur Veräußerung des Grundstücks anzufechten.
12
Die aus dem Beklagten zu 1 bzw. dem Kläger zu 1 ausgeschiedenen Kläger zu 4, 6-8, 20, 28, 39, 40, 46, 55, 60, 61, 68, 71-74, 79-82, 86, 91, 100, 102, 105-107, 109, 123, 124, 127 und 128 hätten den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz wirksam in der Hauptsache für erledigt erklärt.
13
Die Zwischenfeststellungswiderklage des Beklagten zu 1 sei zulässig (§ 256 Abs. 2 ZPO), weil die Entscheidung über die Gültigkeit des Beschlusses der Mitgliederversammlung vom 30. Januar 2003 von den Eigentumsverhältnissen an dem Grundstück abhänge. Die subjektive Erweiterung der Widerklage durch den Beklagten zu 1 auf weitere Kläger sei, soweit sie sich nicht gegen zwischenzeitlich ausgetretene Mitglieder richte, zulässig, weil sie sachdienlich sei. Das Begehren sei auch in der Sache begründet, weil der Beklagte mangels eines Treuhandverhältnisses das Eigentum nicht treuhänderisch für die Kläger halte. Die hilfsweise erhobene Widerklage des Beklagten zu 1 habe ebenfalls Erfolg, da es sich bei Clubhaus und Bootssteg nicht um im Eigentum des Klägers zu 1 stehende bloße Scheinbestandteile des Grundstücks handele.
14
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung nur teilweise stand.
B. (Revision der Kläger zu 1 und 53)
15
Die Kläger zu 1 und 53 bekämpfen mit ihrer Revision vergeblich die - auf die Widerklage des Beklagten zu 1 - getroffene (negative) Feststellung des Berufungsgerichts , dass der Beklagte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück nicht treuhänderisch für den Kläger zu 1 hält und insbesondere den Klägern zu 1 und 53 nicht zur treuhänderischen Verwaltung verpflichtet ist.
16
I. Die Kläger zu 1 und 53 rügen allerdings zu Recht, dass es sich bei dem Begehren des Beklagten zu 1 nicht um einen - kein besonderes Feststellungsinteresse erfordernden - Antrag auf Zwischenfeststellung eines Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 2 ZPO) handelt.
17
1. Ein Antrag auf Zwischenfeststellung hat zur Voraussetzung, dass die Feststellung des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist, also ohnehin darüber befunden werden muss, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht. Wird dagegen über die Hauptsache unabhängig von dem Bestand des streitigen Rechtsverhältnisses entschieden, ist mangels Vorgreiflichkeit für eine Zwischenfeststellung kein Raum (BGH, Urt. v. 17. Juni 1994 - V ZR 34/92, NJW-RR 1994, 1272 f.). So verhält es sich hier.
18
2. Für die rechtliche Beurteilung der von den Klägern gestellten Hauptanträge , die Feststellung zu treffen, dass der Beschluss der Mitgliederversammlung vom 30. Januar 2003 und der notarielle Vertrag vom 13. Februar 2003 nichtig sind, wie auch des Hilfsbegehrens ist es ohne Bedeutung, ob der Beklagte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück treuhänderisch für den Kläger zu 1 hält und den Klägern zu einer treuhänderischen Verwaltung verpflichtet ist. Denn das Bestehen eines Treuhandverhältnisses oder des Eigentums des Klägers zu 1 ist nicht Voraussetzung für die begehrte Feststellung.
19
a) Selbst wenn man eine Treuhänderstellung der Beklagten zu 1 an dem Grundstück unterstellt, würde dadurch die Gültigkeit des Beschlusses der Mitgliederversammlung über den Verkauf des Grundstücks nicht berührt, weil aufgrund der Vertragsfreiheit und der nie ausschließbaren Möglichkeit eines Erwerbs ein Kaufvertrag selbst über eine in fremdem Eigentum stehende Sache geschlossen werden kann (BGHZ 141, 179, 181 f.). Ebenso würde die dingliche Verfügungsbefugnis des Beklagten zu 1, als Eigentümer die mit Clubhaus und Bootssteg bebauten Grundstücke wirksam auf den Beklagten zu 2 zu übertra- gen, durch eine Treuhand nicht beschränkt (BGHZ 11, 37, 43; Sen.Urt. v. 4. April 1968 - II ZR 26/67, NJW 1968, 1471). Die in dem Verstoß gegen das schuldrechtliche Veräußerungsverbot liegende, Schadensersatzansprüche begründende (Sen.Urt. v. 4. April 1968 - II ZR 26/67 aaO) Vertragsverletzung wäre mangels Gesetzesgleichheit nicht geeignet, einen Beschlussmangel zu rechtfertigen (vgl. RGZ 83, 377, 380 f.; MünchKommAktG/Hüffer aaO § 243 Rdn. 16). Aus diesen Erwägungen würde auch die Wirksamkeit des notariellen Vertrages durch eine Treuhänderstellung des Beklagten zu 1 nicht berührt. Deshalb bilden etwaige Treuhandverhältnisse an dem Grundstück kein notwendiges Zwischenglied für die über die Hauptanträge zu treffende Entscheidung.
20
b) Schließlich fehlt es auch für den hilfsweise erhobenen Antrag der Kläger auf Feststellung, dass dem Kläger zu 1 das Eigentum an dem Clubhaus und dem Bootssteg zusteht, an der erforderlichen Präjudizialität, weil die Eigentümerstellung des Klägers zu 1 an den Gebäuden gerade unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an dem Grundstück geltend gemacht wird.
21
II. Das Begehren des Beklagten zu 1 ist jedoch als allgemeine negative Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) zulässig.
22
Das notwendige Feststellungsinteresse ist gegeben, weil sich die Kläger Eigentumsrechten (BGHZ 27, 190 ff.) am Vermögen des Beklagten zu 1 berühmen , die einer entsprechenden Feststellung zugänglich sind. Die Kläger haben dem Beklagten zu 1 in diesem Rechtsstreit wiederholt im Blick auf das streitige Grundstück einschließlich seiner Bebauung die Befugnisse eines bloßen Grundstückstreuhänders zugesprochen, für sich selbst aber die Treugeberstellung als Eigentümer in Anspruch genommen. Obwohl die Kläger zu 2 ff. nur für den Kläger zu 1 und nicht auch für sich selbst ein Treuhandverhältnis behaupten und es darum ihnen gegenüber um die Feststellung eines Drittrechtsverhältnisses geht, liegt das erforderliche Feststellungsinteresse vor, weil die begehrte Feststellung für die Rechtsbeziehungen des Beklagten zu 1 zu den Klägern zu 2 ff. als seinen Mitgliedern von Bedeutung ist (vgl. BGHZ 83, 122, 125 f.; BGH Urt. v. 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, NJW 1993, 2539 f.).
23
III. Das Feststellungsbegehren ist - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - begründet.
24
1. Greifbare Anhaltspunkte für ein zwischen dem Kläger zu 1 und dem Beklagten zu 1 vereinbartes Treuhandverhältnis sind, wie das Kammergericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, nicht ersichtlich und werden auch von der Revision der Kläger zu 1 und 53 nicht aufgezeigt. Da die Annahme eines Erwerbs des Grundstücks aus Mitteln des Klägers zu 1 einer hinreichenden Tatsachengrundlage entbehrt, kann daraus nicht der konkludente Abschluss eines Treuhandverhältnisses hergeleitet werden. Wie das Landgericht im unstreitigen Tatbestand festgestellt hat, wurde im Gegenteil der Kaufpreis für das Grundstück in Höhe von insgesamt 50.000,00 DM durch Zuwendungen der Bank für 17.000,00 DM von und der D. Bank AG von 40.000,00 DM an den Beklagten zu 1 finanziert. Diese Feststellungen, auf die das Kammergericht Bezug genommen hat, sind auch dem Revisionsverfahren zugrunde zu legen, weil ein dagegen erhobener Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) der Kläger zurückgewiesen wurde und eine Richtigstellung des Tatbestandes nicht mit Hilfe einer Verfahrensrüge durchgesetzt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 29. April 1993 - IX ZR 215/92, NJW 1993, 1851 f.).
25
2. Ferner war das Kammergericht entgegen der Auffassung der Revision der Kläger nicht gehalten, von sich aus die vorgelegten umfangreichen Ordner auf für die Frage eines Treuhandverhältnisses möglicherweise erhebliche Tatsachen durchzusehen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nie ersetzen (BGH, Urt. v. 27. September 2001 - V ZB 29/01, BGH-Report 2002, 257; vgl. Sen.Urt. v.
23. Januar 2006 - II ZR 306/04, ZIP 2006, 562, 564). Im Übrigen ist der von den Klägern in der mündlichen Revisionsverhandlung zum Inhalt der Anlagen gehaltene Sachvortrag unzutreffend. Tatsächlich wurde der Schriftverkehr, aus dem die Kläger eine Treuhänderstellung herleiten, nicht allein namens des Klägers zu 1, sondern stets zugleich auch namens des Beklagten zu 1 geführt.
26
3. Schließlich kann eine treuhänderische Bindung des Beklagten zu 1 nicht allgemeinen vereinsrechtlichen Grundsätzen entnommen werden.
27
Handelt es sich - wie im Streitfall - um einen eingetragenen Verein und seine teilweise verselbständigte Untergliederung, so sind beide Vermögenssphären zu unterscheiden und der jeweiligen Organisation die von ihr erworbenen Vermögensgegenstände rechtlich zugeordnet (Schaible, Der Gesamtverein und seine vereinsmäßig organisierte Untergliederung 1992 S. 89). Befinden sich Einrichtungen im Eigentum des Gesamtvereins, begründet deren Nutzung durch eine Abteilung nicht bereits ein zu ihren Gunsten wirkendes Treuhandverhältnis. Andernfalls würde der eingetragene Verein entgegen der sachenrechtlichen Zuordnung für sämtliche von ihm selbst erworbene Vermögensgegenstände allgemein zum bloßen Treuhänder seiner Abteilungen herabgestuft. Eine derart einschneidende Rechtsfolge, die den Gesamtverein faktisch jeglicher Handlungsmöglichkeiten beraubt, würde das Überordnungsverhältnis zwischen Gesamtverein und Untergliederung in das Gegenteil verkehren und kann darum nicht Ausdruck allgemeiner vereinsrechtlicher Grundsätze sein.

C. (Revision des Beklagten zu 1)
28
I. Soweit sich der Beklagte zu 1 dagegen wendet, dass seiner Feststellungswiderklage nur hinsichtlich der Kläger zu 1-3, 9-19, 21-27, 29-39, 41-45, 47-54, 56-59, 62-67, 69, 70, 83-85, 87-99, 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126 und 129-133 und nicht auch bezüglich der übrigen Kläger (mit Ausnahme der von ihm insoweit ausdrücklich nicht mit-widerverklagten Kläger zu 5, 60, 61, 73, 74, 79, 80, 82, 86 und 91) stattgegeben wurde, erweist sich seine Revision teilweise als begründet. Das Begehren hat hinsichtlich der im Tenor unter 2 zusätzlich bezeichneten einzelnen Kläger Erfolg.
29
1. Entgegen der Auffassung des Kammergerichts ist es für die Begründetheit der erstinstanzlich gegen die Kläger zu 1-4, 6-56 erhobenen Widerklage ohne Bedeutung, dass die in der Berufungsschrift nicht namentlich genannten Kläger zwischenzeitlich aus dem Kläger zu 1 bzw. dem Beklagten zu 1 ausgetreten sind. Zwar mag dieser Umstand ihnen gegenüber das Feststellungsinteresse entfallen lassen. Diese Kläger haben aber nach dem eindeutigen Inhalt der Berufungsschrift, wonach nur die "namentlich aufgeführten" Kläger als Rechtsmittelführer gemeint sind, gegen das der Widerklage stattgebende Urteil nicht Berufung eingelegt (BGH, Urt. v. 11. Juli 2003 - V ZR 223/01, NJW 2003, 3203 f.; Urt. v. 10. Juli 1985 - IVa ZB 8/85, VersR 1985, 970 f.), so dass das Ersturteil im Verhältnis zu ihnen in Rechtskraft erwachsen ist. Folglich ist der - wie unter B. im einzelnen dargelegt - in der Sache begründete Feststellungswiderklageantrag gegenüber den bereits erstinstanzlich widerbeklagten Klägern zu 1-4, 6-56 jedenfalls gerechtfertigt, und zwar teils wegen Unbegründetheit des Rechtsmittels, teils wegen eingetretener Rechtskraft. Darum ist das Urteil des Landgerichts auf die Revision des Beklagten zu 1 insoweit wiederherzustellen.
30
2. Eine Erstreckung des Feststellungswiderklageantrags über die von dem Kammergericht bezeichneten Kläger zu 57-59, 62-67, 69, 70, 83-85, 8799 , 101, 103, 104, 108, 110-122, 125, 126 und 129-133 hinaus auf weitere Kläger scheitert an der fehlenden Beschwer des Beklagten zu 1. Soweit das Kammergericht die Klageerweiterung in dem vorbezeichneten Umfang zugelassen hat, ist dies jedoch mangels Einlegung einer Revision durch die betroffenen Kläger aus Gründen der Rechtskraft hinzunehmen.
31
a) Der Beklagte zu 1 hat die Widerklage erstmals im Berufungsrechtszug auf die im Einzelnen bezeichneten Kläger 57 ff. erweitert. Da der Widerklage erstinstanzlich uneingeschränkt stattgegeben worden war, ist eine Beschwer des Beklagten zu 1 nicht gegeben. Eine Berufung darf aber nicht lediglich zum Zwecke der Klageerweiterung eingelegt werden (vgl. BGHZ 155, 21, 26; 85, 140, 142 f.; Sen.Urt. v. 20. März 2000 - II ZR 250/99, NJW 2000, 1958; BGH, Beschl. v. 21. September 1994 - VIII ZB 22/94, NJW 1994, 3358). Wegen dieses der Zulässigkeit der Berufung entgegenstehenden, von Amts wegen zu berücksichtigenden Rechtsfehlers (BGHZ 102, 37 f.) ist der Beklagte zu 1 daran gehindert, nunmehr im Revisionsrechtszug zu rügen, das Berufungsgericht habe teilweise seine Klageerweiterung in zweiter Instanz nicht beachtet.
32
b) Soweit das Kammergericht rechtsfehlerhaft die Klageerweiterung gebilligt hat, ist dies revisionsrechtlich hinzunehmen, weil die angefochtene Entscheidung gegenüber den betroffenen Klägern, die sich nicht an der Revision beteiligt haben, in Rechtskraft erwachsen ist. Die allein von den Klägern zu 1 und 53 erhobene Revision wirkt mangels einer notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 ZPO) nicht zugunsten der andern Kläger. Sowohl eine prozessual notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO), die eine Rechtskrafterstreckung auf die Streitgenossen voraussetzt, als auch eine materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO), die bei einer Feststellungsklage in Betracht kommt, wenn das Recht nur gemeinschaftlich besteht (Musielak/Weth, ZPO 5. Aufl. § 62 Rdn. 10), ist ersichtlich nicht gegeben.
33
II. Zu Recht haben die Vordergerichte auf Antrag der Klägerseite den auf der Mitgliederversammlung des Beklagten zu 1 vom 30. Januar 2003 unter dem Tagungsordnungspunkt 2 "Verkauf Clubhaus" gefassten Beschluss für nichtig erklärt. Die Revision des Beklagten zu 1 hat nur in geringem, aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinsichtlich des Klägers zu 1 und einzelner dem Kläger zu 1 bzw. dem Beklagten zu 1 erst nach der Beschlussfassung beigetretener Mitglieder Erfolg.
34
1. Das Begehren der im Tenor näher bezeichneten Kläger auf Nichtigerklärung des Beschlusses ist begründet.
35
a) Die Kläger haben die behaupteten Beschlussmängel zutreffend im Wege der allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) geltend gemacht.
36
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt im Vereinsrecht bei der Behandlung fehlerhafter Beschlüsse eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG wegen der Vielgestaltigkeit vereinsrechtlicher Zusammenschlüsse und der darum anders gelagerten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht in Betracht (BGHZ 59, 369, 371 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 3. März 1971 - KZR 5/70, NJW 1971, 879 f., insoweit bei BGHZ 55, 381 ff. nicht abgedruckt ). An dieser Rechtsprechung ist trotz im Schrifttum geäußerter Kritik (vgl. etwa MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 32 Rdn. 56 m.w.Nachw.) insbesondere mit Rücksicht auf die geringeren Förmlichkeiten des Vereinsrechts, das gerade nicht zwischen rechtsgestaltender Beschlussanfechtung und deklaratorischer Feststellung der Nichtigkeit unterscheidet, festzuhalten. Mängel von Vereinsbeschlüssen sind daher mit Hilfe der allgemeinen Feststellungsklage zu verfolgen.
37
b) Der Beschluss der Versammlung vom 30. Januar 2003 ist mangels ordnungsgemäßer Mitteilung der Tagesordnung nichtig.
38
aa) Zur Gültigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung ist es gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich, dass der Gegenstand bei der Ein- berufung bezeichnet wird. In Anlehnung an diese Bestimmung sieht § 8 Nr. 4 der Satzung des Beklagten zu 1 vor, die Mitgliederversammlung mit einer Frist von mindestens vier Wochen unter Mitteilung der Tagesordnung einzuberufen. Ist der Gegenstand der Beschlussfassung nicht oder so ungenau bestimmt, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung der Versammlung und eine Entscheidung, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen, nicht möglich ist, so sind die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB nichtig (Sen.Urt. v. 17. November 1986 - II ZR 304/85, NJW 1987, 1811 f.; Waldner in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein 18. Aufl. Rdn. 213; Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl. § 32 Rdn. 15).
39
bb) Da in der Einladung des Beklagten zu 1 nur der Tagungsordnungspunkt "Verkauf Clubhaus" angegeben worden war, obwohl tatsächlich über einen konkreten Vertrag, der mit dem Erwerber bereits im Einzelnen bis hin zum Kaufpreis ausgehandelt worden war, abgestimmt werden sollte, fehlt es an der korrekten Mitteilung des Beschlussgegenstandes. Die Mitglieder sollten nämlich nicht nur einen "Grundsatzbeschluss" über einen künftigen Verkauf treffen, sondern einer konkreten Veräußerung zustimmen. Falls Gegenstand der Beschlussfassung die Durchführung eines Vertrages bildet, so ist sowohl der Vertragspartner als auch der Inhalt des Vertrages in der Tagesordnung schlagwortartig anzugeben, weil nur so dem Zweck der vorherigen Mitteilung entsprochen werden kann, die Mitglieder in die Lage zu versetzen zu entscheiden, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen (MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 32 Rdn. 18). Diesen Anforderungen ist ersichtlich nicht genügt.
40
c) Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen des Beklagten zu 1, es sei in der Mitgliederversammlung "nicht einengend" über den Verkauf der Grundstücke an den Beklagten zu 2, sondern vielmehr in allgemeiner Weise über eine Veräußerung verhandelt und beschlossen worden. Mit dieser Darstellung stellt der Beklagte zu 1 nicht in Abrede, dass - entsprechend der durch das Schreiben vom 23. Januar 2003 nachträglich konkretisierten Tagesordnung - jedenfalls auch über den wenige Tage später am 13. Februar 2003 mit dem Beklagten zu 2 geschlossenen Vertrag abgestimmt worden ist. Hat ein Beschluss den Abschluss eines bestimmten Veräußerungsvertrages zum Gegenstand, so versteht es sich von selbst, dass dabei zugleich die vorgelagerte Frage, ob überhaupt eine Verkaufsbereitschaft besteht, zu erörtern ist.
41
d) Die erforderliche Information über den tatsächlich vorgesehenen Tagesordnungspunkt wurde den Mitgliedern entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1 durch das Schreiben vom 23. Januar 2003 nicht fristgerecht erteilt.
42
Da die Mitgliederversammlung am 30. Januar 2003 stattfand, konnte angesichts des vorstehend unter b) bb) erörterten Zwecks der Mitteilungspflicht mit diesem Schreiben die Vierwochenfrist des § 8 Nr. 4 der Satzung nicht gewahrt werden. Zwar kann über "andere Anträge" nach § 8 Nr. 8 der Satzung abgestimmt werden, wenn sie eine Woche vor der Versammlung schriftlich bei dem Vorsitzenden des Vereins eingegangen sind. Wegen der Notwendigkeit einer Bekanntgabe an den Vorstand betrifft die Wochenfrist nach dem eindeutigen Sinnzusammenhang der Regelungen nur Anträge der Mitglieder und nicht solche des Vorstandes selbst, der keinen Anlass zu einer Eigenunterrichtung hat. Die Fristvorschriften unterscheiden damit zwischen den von dem Vorstand initiierten, binnen vier Wochen den Mitgliedern bekannt zu gebenden und umgekehrt den von den Mitgliedern initiierten, binnen einer Woche dem Vorstand bekannt zu gebenden Anträgen. Wollte man dies anders sehen, könnte der Vorstand die Vierwochenfrist durch eine nicht einmal an die Mitglieder zu richtende bloße Eigenunterrichtung unterlaufen, was eindeutig dem Zweck der Fristbestimmungen zuwiderliefe. Für dieses Verständnis spricht auch die in § 124 Abs. 1 Satz 2 AktG zum Ausdruck kommende Unterscheidung zwischen der Bekanntgabe der von dem Vorstand und der von einer Minderheit zur Abstimmung gestellten Tagesordnungspunkte.
43
e) Eine Heilung des Beschlusses ist nicht eingetreten.
44
aa) Nach früherer Auffassung des Senats führt ein Verfahrensfehler nur dann zur Ungültigkeit eines Beschlusses, wenn das Abstimmungsergebnis darauf beruht (BGHZ 59, 369, 374). Anstelle von Kausalitätserwägungen ist nach neuerer Senatsrechtsprechung bei der Rechtmäßigkeitskontrolle auf die Relevanz des Verfahrensfehlers für die Ausübung der Mitwirkungsrechte durch ein objektiv urteilendes Verbandsmitglied abzustellen. Infolge des Ladungsmangels ist ein relevanter Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht gegeben , weil die Entschließung eines Mitglieds, an einer Versammlung teilzunehmen oder nicht, maßgeblich vom Inhalt der Tagesordnung abhängt (BGHZ 160, 385, 391 f.; 153, 32, 37).
45
bb) Der Mangel wurde nicht durch den Beschluss der Mitgliederversammlung vom 30. Juni 2003 geheilt, nach dessen Inhalt der Antrag, zur Beendigung des vorliegenden Verfahrens mit dem Beklagten zu 2 in Verhandlungen über die Rückabwicklung des notariellen Vertrages einzutreten, abgelehnt wurde. Eine Heilung setzt voraus, dass der Beschlussgegenstand in satzungsmäßig einwandfreier Form erneut zur Abstimmung gestellt wird (BGHZ 49, 209, 211). Dies ist nicht geschehen, weil der zur Abstimmung gestellte Beschluss im Ergebnis die Rückabwicklung des Erstbeschlusses und nicht dessen Heilung zum Ziel hat.
46
f) Angesichts des durchgreifenden Einladungsmangels kann letztlich dahinstehen , ob der Beschluss vom 30. Januar 2003 auch deswegen als unwirksam zu erachten ist, weil die für eine Satzungsänderung erforderliche Mehrheit von drei Viertel der erschienenen Mitglieder (§ 8 Nr. 5 der Satzung) nicht er- reicht ist. Allerdings dürfte entgegen der Auffassung des Kammergerichts eine Satzungsänderung ausscheiden, weil der Verkauf des Grundstücks nicht zwingend einen Fortfall der Ruderabteilung (§ 3 Nr. 1 der Satzung) herbeiführt. Grundsätzlich kann Rudersport auch nach dem Verkauf des Grundstücks betrieben werden, indem der Beklagte zu 1 den Mitgliedern des Klägers zu 1 auf andere Weise Zugang zu einem Gewässer bietet. Da das gegen den Willen der Klägerseite veräußerte Grundstück den Ersatz für ein anderes, im früher nicht zugänglichen Ostteil B. gelegenes Grundstück bildet, kann schon der gemeinsamen Vereinsgeschichte der Parteien entnommen werden, dass mit dem Verlust eines über einen Wasseranschluss verfügenden Grundstücks nicht notwendig die Einstellung des Rudersports verbunden ist. Anders könnte es zu beurteilen sein, wenn mit dem Verkauf des Grundstücks der Hintergedanke verfolgt würde, die Ruderabteilung sozusagen "auf kaltem Wege zu liquidieren".
47
2. Erfolg hat die Revision des Beklagten zu 1 dagegen, soweit das Kammergericht den Beschluss vom 30. Januar 2003 auch auf Antrag des Klägers zu 1 für nichtig erklärt hat. Dem Kläger zu 1 kann als Nichtmitglied des Beklagten zu 1 ein Feststellungsinteresse für eine Beschlussmängelklage nicht zugebilligt werden, so dass seine Klage unzulässig ist.
48
a) Zu Unrecht beanstandet die Revision des Beklagten zu 1 freilich die Würdigung des Kammergerichts, dass dem Kläger zu 1 die Eigenschaft eines nicht rechtsfähigen Vereins und die aktive Parteifähigkeit (§ 50 Abs. 2 ZPO) zukommt.
49
aa) Der Kläger zu 1 ist ein nicht rechtsfähiger Verein.
50
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Untergliederung eines eingetragenen Vereins als nicht rechtsfähiger Verein anzusehen, wenn er auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, handlungs- fähige Organisation wahrnimmt (BGHZ 90, 331, 333). Die Untergliederung muss eine körperschaftliche Verfassung besitzen, einen Gesamtnamen führen, vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig sein und neben ihrer unselbständigen Tätigkeit für den Hauptverein Aufgaben auch eigenständig wahrnehmen (Senat aaO 332; BGHZ 73, 275, 278; BGH, Urt. v. 21. März 1972 - VI ZR 157/70, LM ZPO § 50 Nr. 25).
51
(2) Diesen Anforderungen ist für den Kläger zu 1 genügt.
52
§ 3 Nr. 1 der Satzung des Beklagten zu 1 ordnet ausdrücklich an, für jede innerhalb des Vereins betriebene Sportart eine eigene, in der Haushaltsführung selbständige Abteilung einzurichten. Nach § 3 Nr. 2 der Satzung regeln die Abteilungen ihre sportlichen und finanziellen Aktivitäten selbst; diese Bestimmung sieht weiter vor, dass für die Mitgliederversammlung, die Wahlen und die Zusammensetzung der Abteilungsvorstände die Bestimmungen der Satzung entsprechend gelten. Über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidet nach § 5 der Satzung der Abteilungsvorstand, dem gegenüber auch der Austritt zu erklären ist. Der Abteilungsvorstand entscheidet mit der Möglichkeit der Anrufung des Vereinsvorstandes ferner über den Ausschluss von Mitgliedern (§ 5 Nr. 5 der Satzung).
53
Damit verfügt der Kläger zu 1 - was die Revision des Beklagten zu 1 zu Unrecht in Abrede stellt - aufgrund der satzungsgemäßen Übernahme der Bestimmungen für den Gesamtverein (BGHZ 90, 331, 334; vgl. Schaible aaO S. 38; König, Der Verein im Verein 1992 S. 147) über eine eigene körperschaftliche Verfassung. Durch den Verweis auf die Satzung des Beklagten zu 1 wird dem Abteilungsvorstand zur Wahrnehmung der Belange des Klägers zu 1 organschaftliche Vertretungsmacht eingeräumt. Aus der Gliederung des Beklagten zu 1 nach einzelnen Sportarten folgt, dass der Kläger zu 1 - ebenso wie die weiteren Abteilungen - den Gesamtvereinsnamen mit einem auf die Sportart verweisenden Zusatz führt (Schaible aaO S. 28; vgl. BGHZ 90, 331, 333: "Ortsgruppe" ). Der vom Wechsel seiner Mitglieder unabhängige Kläger zu 1 nimmt eigenständig Aufgaben wahr, weil er nach § 3 Nr. 2 der Satzung seine sportlichen und finanziellen Angelegenheiten selbst regelt. Zudem entscheidet der Kläger zu 1 - auch mit Wirkung für den Gesamtverein - über Eintritt und Ausschluss der Mitglieder, die in "gestufter Mehrfachmitgliedschaft" sowohl dem Kläger zu 1 als auch dem Beklagten zu 1 angehören (BGHZ 73, 275, 278).
54
bb) Der Kläger zu 1 ist über den Wortlaut des § 50 Abs. 2 ZPO hinaus aktiv parteifähig.
55
Zwar hat der Senat in der Vergangenheit entsprechend dem Wortlaut des § 50 Abs. 2 ZPO nicht rechtsfähigen Vereinen die aktive Parteifähigkeit versagt (BGHZ 109, 15 ff.). Als Ausnahme von diesem Grundsatz wird den in der Rechtsform eines nicht rechtsfähigen Vereins geführten Gewerkschaften seit langem die aktive Parteifähigkeit zugebilligt (BGHZ 50, 325 ff.; 42, 210, 215 ff.). Zwischenzeitlich hat der Senat der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts die aktive und passive Parteifähigkeit zuerkannt (BGHZ 146, 341 ff.). Da § 54 Satz 1 BGB für den nicht rechtsfähigen Verein ergänzend auf die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts verweist, kann ihm in Abkehr vom früheren Verständnis die aktive Parteifähigkeit nicht weiter vorenthalten werden (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 50 Rdn. 37 m.w.Nachw.; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 10. Aufl. Rdn. 2455a; Hadding, ZGR 2006, 137, 146; Jauernig, NJW 2001, 2231 f.; K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1003; diese dem gegenwärtigen Rechtszustand entsprechende Schlussfolgerung teilt - trotz der von ihm vorgeschlagenen Klarstellung des § 50 Abs. 2 ZPO - auch der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vereinsrechts vom 25. August 2004, S. 33).
56
b) Ohne Erfolg rügt der Beklagte zu 1, das Verfahren zwischen ihm und dem Kläger zu 1 stelle einen unzulässigen Insichprozess dar.
57
aa) Im Zivilprozess stehen sich zwei Parteien mit gegensätzlichen - nämlich auf Angriff und Verteidigung bedachten - Positionen gegenüber (Zöller/Vollkommer aaO Rdn. 1 vor § 50). Aus dem Parteiengegensatz folgt die zwingende Notwendigkeit einer Personenverschiedenheit von Kläger und Beklagtem (Musielak/Weth, ZPO 5. Aufl. § 50 Rdn. 4; MünchKommZPO/Lindacher 2. Aufl. Rdn. 4 vor § 50), so dass Organstreitverfahren innerhalb eines Rechtsträgers nur ausnahmsweise aufgrund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung zulässig sind (MünchKommZPO/Lindacher aaO Rdn. 8 vor § 50; vgl. BGHZ 106, 54 ff.).
58
bb) Der Kläger zu 1 gehört nicht dem Beklagten zu 1 als Mitglied an, weil er ein eigenständiger Verband ist und nach § 5 Nr. 1 der Satzung nur natürliche Personen Mitglieder des Beklagten zu 1 sein können (BGHZ 89, 153, 156; Schaible aaO S. 77 f.; zu Unrecht beruft sich Reichert aaO Rdn. 1770 für die von ihm vertretene Gegenauffassung auf BSGE 71, 175, 179, wo die Untergliederung nach dem einschlägigen Kassenarztrecht Mitglied des übergeordneten Verbands war). Ferner ist der Kläger zu 1 nicht - wie der Beklagte zu 1 meint - Organ des Beklagten zu 1, da diese Stellung durch § 10 der Satzung ausschließlich dessen Vorstandsmitgliedern zugewiesen ist. Vielmehr stellt der Kläger zu 1 als nicht rechtsfähiger Verein ein eigenständiges, von dem Beklagten zu 1 zu unterscheidendes Rechtsgebilde dar. Damit ist das dem Zivilprozess wesenseigene Merkmal der Personenverschiedenheit von Kläger und Beklagtem erfüllt.
59
c) Dem Kläger zu 1 fehlt jedoch das erforderliche Feststellungsinteresse für sein Begehren.
60
aa) Die Gültigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung kann von jedem Vereinsmitglied durch eine Feststellungsklage zur gerichtlichen Prüfung gestellt werden (Waldner aaO Rdn. 215 a), wobei der Beschluss einer Untergliederung von deren Mitgliedern angegriffen werden kann (KG NJW 1988, 3159 f.). Über die Mitglieder hinaus sind auch die Organe eines Vereins berechtigt , die Nichtigkeit von Mitgliederbeschlüssen geltend zu machen, während außerhalb des Vereins stehenden Dritten diese Befugnis mangels eines anerkennenswerten Feststellungsinteresses nicht zukommt (Sen.Urt. v. 26. Mai 1975 - II ZR 34/74, WM 1975, 1041 f.). Da der Kläger zu 1 - wie vorstehend unter 2 b bb dargelegt - als Untergliederung weder zu den Mitgliedern noch zu den Organen des Beklagten zu 1 gehört, ist seine Feststellungsklage unzulässig.
61
bb) Dessen ungeachtet ist der Vorstand des Klägers zu 1 - wie die ihm durch § 10 Nr. 6 der Satzung erteilte Vertretungsmacht verdeutlicht - satzungsmäßiger Vertreter des Beklagten zu 1 (§ 30 BGB) und unterliegt in dieser Eigenschaft gemäß §§ 665, 27 Abs. 3, § 30 BGB einem Weisungsrecht der Gesamtvereinsversammlung (vgl. Schaible aaO S. 82). Mit diesem Weisungsrecht wäre es unvereinbar, der Untergliederung, die nur ihre eigenen Belange selbst regeln darf, die Befugnis zuzuerkennen, Beschlüsse des ihr übergeordneten Gesamtvereins zu beanstanden.
62
3. Ferner ist die Revision des Beklagten zu 1 begründet, soweit das Kammergericht dem gegen die Wirksamkeit der Beschlussfassung vom 30. Januar 2003 gerichteten Feststellungsantrag auch zugunsten der dem Kläger zu 1 bzw. dem Beklagten zu 1 erst nach der Beschlussfassung vom 30. Januar 2003 beigetretenen Kläger zu 62-66, 75, 88, 89, 103, 104, 108, 113, 114, 117, 119 und 120 stattgegeben hat. Diesen Klägern fehlt ein Feststellungsinteresse zur Geltendmachung des Beschlussmangels.
63
a) Verfahrensfehlerhaft hat das Kammergericht - wie der Beklagte zu 1 mit Recht rügt - das Vorbringen über den Zeitpunkt des Beitritts in Anwendung von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigt. Tatsächlich liegt schon kein neuer Sachvortrag vor, weil sich der Beklagte zu 1 auf die bereits mit der Klage eingereichte Mitgliederliste bezogen hat, die den Zeitpunkt des Eintritts der Mitglieder ausweist. Selbst wenn es sich um neue Tatsachen handelte, wären sie gleichwohl beachtlich, weil sie unstreitig sind (BGHZ 161, 138, 141 ff.).
64
b) In Übereinstimmung mit der im Kapitalgesellschaftsrecht ganz überwiegend vertretenen Auffassung setzt die Beschlussanfechtung auch im Vereinsrecht grundsätzlich voraus, dass der Kläger sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung als auch dem der Rechtshängigkeit Mitglied des Vereins ist. Die Mitgliedschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ist unverzichtbare Klagevoraussetzung , weil sie bei einem späteren Erwerb durch den angegriffenen Beschluss nicht verletzt worden sein kann (RGZ 66, 134 f.; 33, 91, 94; Hüffer, AktG 6. Aufl. § 245 Rdn. 7; ders. in MünchKomm/AktG aaO § 245 Rdn. 23; K. Schmidt in Großkomm.z.AktG aaO § 245 Rdn. 17 m.w.Nachw. betreffend die AG vor Klarstellung der Frage durch das UMAG; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. Anh. § 47 Rdn. 63; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 45 Rdn. 131 betreffend die GmbH; a.A. Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 18. Aufl. Anh. § 47 Rdn. 138).
65
4. Soweit einzelne dem Kläger zu 1 bzw. Beklagten zu 1 im Zeitpunkt der Beschlussfassung angehörende Kläger nach Klagerhebung ausgetreten sind, ist - wie aus dem Tenor ersichtlich - das Erledigungsbegehren begründet. Dass die in der Berufungsschrift der Klägerseite namentlich nicht benannten Kläger - wie unter C I. 1. im Einzelnen ausgeführt - ihrerseits kein Rechtsmittel eingelegt haben, steht der Zulässigkeit eines Erledigungsantrages nicht entgegen. Denn sämtliche erstinstanzlichen Kläger sind infolge der uneingeschränkten Berufung des Beklagten zu 1 hinsichtlich der von ihnen erhobenen Klageanträge Parteien des Berufungsverfahrens geworden.
66
III. Die Revision des Beklagten zu 1 hat Erfolg, soweit er sich gegen die Feststellung der Nichtigkeit des Grundstückskauf- und Auflassungsvertrages vom 13. Februar 2003 wendet. Das keine Sachurteilsvoraussetzung bildende Feststellungsinteresse braucht im Streitfall für die einzelnen Kläger keiner näheren Prüfung unterzogen zu werden, weil sich das Begehren in der Sache als unbegründet erweist (BGHZ 12, 308, 316; BGH, Urt. v. 14. März 1978 - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031 f.; BAG NJW 2003, 1755 f.).
67
1. Der Beklagte zu 1 wurde beim Abschluss des Vertrages ordnungsgemäß vertreten (§ 26 Abs. 2 BGB). Die Vertretung obliegt nach § 10 Nr. 2 der Satzung zwei Vorstandsmitgliedern, von denen eines das Amt des Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden zu bekleiden hat. Den notariellen Vertrag haben der Vorsitzende des Vorstands und der Kassenwart als weiteres Vorstandsmitglied in Einklang mit den satzungsrechtlichen Vorgaben namens des Beklagten zu 1 am 13. Februar 2003 mit dem Beklagten zu 2 vereinbart.
68
2. Die Wirksamkeit der Verträge scheitert entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht. Aus der Nichtigkeit des Beschlusses der Mitgliederversammlung vom 30. Januar 2003 kann eine interne Beschränkung der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder nicht hergeleitet werden.
69
a) Der Vertretene ist gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragspartner dann geschützt, wenn der Vertreter unter Überschreitung der ihm im Innenverhältnis gesetzten Schranken von seiner Vertretungsmacht in rechtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen muss- ten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt (BGHZ 50, 112, 114; 113, 315, 320). Hat der Geschäftsgegner den Missbrauch erkannt oder musste er sich ihm aufdrängen, kommt es nicht darauf an, ob der Vertreter (bewusst) zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat (Sen.Beschl. v. 19. Juni 2006 - II ZR 337/05, ZIP 2006, 1391 Tz. 2 f.).
70
b) Im Streitfall scheidet indes - was das Kammergericht im Ansatz nicht verkennt - schon deswegen ein Missbrauch der Vertretungsmacht aus, weil die Vertreter des Beklagten zu 1 nicht ihnen im Innenverhältnis gesteckte Grenzen der Vertretung überschritten haben. Der Vorstand des Beklagten zu 1, der nach dem Inhalt der Satzung ohne die Notwendigkeit einer zustimmenden Beschlussfassung der Mitgliederversammlung zur Veräußerung des Grundstücks berechtigt war, hat am 30. Januar 2003 lediglich vorsorglich einen Beschluss der Mitgliederversammlung einholen wollen, durch den er mehrheitlich zum Verkauf des Grundstücks ermächtigt werden sollte. Dieser Beschluss ist durch die Nichtigkeitsfeststellungsklage - wie dem Beklagten zu 2 durch das ihm vor Abschluss des notariellen Vertrages überreichte Gutachten verdeutlicht wurde - entfallen. Damit fehlt es an einer Zustimmung, aber - was das Kammergericht nicht bedacht hat - auch an einer rechtlich verbindlichen Ablehnung des Verkaufs. Eine Selbstbindung, den Verkauf nur auf der Grundlage eines wirksamen Zustimmungsbeschlusses beurkunden zu lassen, ist der Vorstand des Beklagten zu 1 nicht eingegangen. Er befand sich bei Vertragsschluss vielmehr rechtlich in derselben Lage wie vor der Beschlussfassung vom 30. Januar 2003, als weder ein positives noch ein negatives Votum vorlag und er - anders als in der durch das Senatsurteil vom 14. März 1988 (- II ZR 211/87, WM 1988, 704, 706) entschiedenen Sache, in der das Fehlen des im Innenverhältnis erforderlichen Beschlusses dem Geschäftsgegner bekannt war - ohne jede Beschränkung zum Verkauf des Grundstücks berechtigt war. Mangels einer internen Bindung hätte dem Beklagten zu 2 auf Rückfrage (vgl. BGH, Urt. v. 28. Februar 1966 - VII ZR 125/65, NJW 1966, 1911) von dem Beklagten zu 1 mitgeteilt werden müssen, dass die Vertretungsmacht des Vorstands für den Abschluss des Grundstückskaufvertrages keiner Beschränkung unterliegt.
71
3. Die Abweisung des Feststellungsantrags wirkt auch im Verhältnis zu dem Beklagten zu 2, der zwar selbst gegen das Berufungsurteil kein Rechtsmittel eingelegt hat, aber infolge der Revision des Beklagten zu 1 als dessen notwendiger Streitgenosse ebenfalls am Revisionsrechtszug beteiligt ist (BGH, Urt. v. 25. September 1990 - XI ZR 94/89, NJW 1991, 101). Die Parteien sind aus Gründen des materiellen Rechts notwendige Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO), weil die mit dem Nichtigkeitsfeststellungsantrag verbundenen Rechtsfolgen einer Rückabwicklung von beiden nur gemeinsam erfüllt werden können (vgl. MünchKommZPO/Schilken aaO § 62 Rdn. 37).
72
IV. Unbegründet ist der - nunmehr im Revisionsrechtszug zu bescheidende - Hilfsantrag der Kläger auf Feststellung, dass das auf den Grundstücken gelegene Clubhaus und der Bootssteg im Eigentum des Klägers zu 1 stehen und nicht Gegenstand des notariellen Vertrages zwischen dem Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 sind.
73
1. Über dieses für den Fall, dass der Antrag, die Nichtigkeit des notariellen Vertrages festzustellen, keinen Erfolg hat, gestellte Hilfsbegehren der Kläger war durch die Tatgerichte nicht zu entscheiden, weil sie den Hauptantrag als begründet angesehen haben. Da sich der Hauptantrag wegen der Wirksamkeit des notariellen Vertrages entgegen der Auffassung der Vordergerichte als unbegründet erwiesen hat, ist der nicht beschiedene Hilfsantrag der Kläger infolge der Rechtsmitteleinlegung durch den Beklagten zu 1 Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (Sen.Urt. v. 20. September 1999 - II ZR 345/97, NJW 1999, 3779 f.; Sen.Urt. v. 20. September 2004 - II ZR 264/02, BGH-Report 2005, 192). Umgekehrt ist der von dem Beklagten zu 1 für den Fall, dass dem Antrag der Kläger auf Feststellung der Nichtigkeit des notariellen Vertrages vom 13. Februar 2003 stattgegeben wird, gestellte Hilfsantrag nach Abweisung dieses Antrags und damit Nichteintritt der an den Antrag geknüpften Bedingung entfallen. Da beide Anträge abgesehen von der konträren Zielrichtung im Kern inhaltlich übereinstimmen, bedarf es keiner weiteren Feststellungen, um über den Hilfsantrag der Kläger zu entscheiden.
74
2. Das Feststellungsbegehren der Kläger ist - weswegen es hier ebenfalls der Prüfung eines Feststellungsinteresses nicht bedarf (vgl. C III.) - unbegründet und die Klage auch im Hilfsantrag abzuweisen.
75
Zu Unrecht beruft sich die Revision der Kläger zu 1 und 53 auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 1959 (- V ZR 173/57, NJW 1959, 1487 ff.), die im Rahmen einer zweigliedrigen GbR eine von dem einen Gesellschafter auf dem zur Nutzung eingebrachten Grundstück des anderen Gesellschafters errichtete Halle als Scheinbestandteil angesehen hat, weil das Gesellschaftsverhältnis nicht anders als Miete oder Pacht ein vorübergehendes Nutzungsverhältnis für die Errichtung dargestellt habe. Diese Überlegungen sind auf die vorliegende Gestaltung aus mehreren Gründen nicht übertragbar.
76
a) Es fehlen bereits jegliche Anhaltspunkte dafür, dass Clubhaus und Bootssteg von dem Kläger zu 1 auf der Grundlage eines mehrstufigen Mitgliedschaftsverhältnisses auf dem Grundstück des Beklagten zu 1 errichtet wurden. Umgekehrt deuten die vorgelegten Unterlagen, nach deren Inhalt im Verkehr mit den Baubehörden stets der Beklagte zu 1 als Bauherr auftrat und der damalige Vorsitzende des Klägers zu 1 Honorarforderungen wegen Architektenleistungen im Zusammenhang mit dem Bau des Clubhauses dem Beklagten zu 1 in Rechnung stellte, nachdrücklich darauf hin, dass das Clubhaus von dem Beklagten zu 1 und nicht dem Kläger zu 1 errichtet wurde. Nicht zuletzt sind die für den Bau des Gebäudes gegebenen Großspenden von 17.000,00 DM bzw. 40.000,00 DM an den Beklagten zu 1 gezahlt worden. Darum sprechen die objektiven Umstände dagegen, dass Gebäude und Bootssteg von dem Kläger zu 1 bzw. seinen damaligen Mitgliedern errichtet wurden.
77
b) Die Frage, wer Clubhaus und Bootssteg errichtet hat, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil sich der Kläger zu 1 - der den Beklagten zu 1 als seinen Treuhänder betrachtet - als wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks ansieht und sowohl bezüglich des Grundstücks als auch der Gebäude Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 erhebt. Bestand danach die Erwartung, das Eigentum an dem Grundstück, das bebaut wurde, zu erwerben, kann ein vorübergehender Zweck der Verbindung (§ 95 BGB) nicht angenommen werden. Vielmehr wird der Gegenstand dann wesentlicher Bestandteil (§ 94 BGB) des Grundstücks (BGHZ 104, 298, 301; BGH, Urt. v. 27. Oktober 1972 - V ZR 41/70, DNotZ 1973, 471 f.; BGH, Urt. v. 12. April 1961 - VIII ZR 152/60, NJW 1961, 1251; RGZ 106, 147, 148 f.; MünchKommBGB/Holch 5. Aufl. § 95 Rdn. 5).

D.


78
Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen, hat der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entschieden. Entgegen der Auffassung der Vordergerichte hat der "Kläger zu 5" keine Kosten zu tragen, weil er nur an dem dem Hauptsacheverfahren vorgeschalteten Eilverfahren beteiligt war, aber nicht auch in seinem Namen Klage erhoben wurde.
Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Caliebe
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 16.01.2004 - 36 O 285/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 02.03.2005 - 26 U 32/04 -

(1) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist.

(2) Ein Verein, der nicht rechtsfähig ist, kann klagen und verklagt werden; in dem Rechtsstreit hat der Verein die Stellung eines rechtsfähigen Vereins.

Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

15
b) Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt der Unterlassungsantrag in seiner allgemeinen Fassung (Hauptteil des Unterlassungsantrags) nicht. Die Begriffe "vermitteln", "anzubieten" und "anbieten zu lassen" sind nicht hinreichend bestimmt. Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung ist allerdings hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig oder sogar geboten, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht , so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht. Davon ist im Regelfall auszugehen, wenn über die Bedeutung des an sich auslegungsbedürfti- gen Begriffs zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 13 = WRP 2011, 742 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Zwischen den Parteien ist umstritten, was unter der Vermittlung und dem Angebot von Versicherungsverträgen und Finanzdienstleistungen zu verstehen ist und ob die Beklagte diese Leistungen im Rahmen ihres Internetauftritts erbracht hat.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 194/02 Verkündet am:
23. Juni 2005
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Atemtest

a) Eine nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlautere Zuwiderhandlung gegen eine
Marktverhaltensregelung setzt allein ein objektiv rechtswidriges Verhalten
voraus.

b) Das Inverkehrbringen und Bewerben von Arzneimitteln ohne Zulassung stellt
ein nach § 4 Nr. 11 UWG unlauteres Marktverhalten dar, das, da insoweit die
Gesundheit der Verbraucher auf dem Spiel steht, auch gemäß § 3 UWG erheblich
ist.

a) Ein Arzneimittel ist kein Rezepturarzneimittel, sondern ein Fertigarzneimittel,
wenn es in keiner Weise mehr von der dem Apotheker angelieferten Bulkware
abweicht und sich dessen Tätigkeit daher auf das bloße Neuverteilen der
seiner Einwirkung im übrigen nicht mehr unterliegenden Arznei beschränkt.

b) Hinsichtlich der Zulassungspflichtigkeit eines Arzneimittels verbleibende
Zweifel gehen zu Lasten desjenigen, der die Zulassungsfreiheit geltend
macht.
Der Wettbewerbsrichter hat sich jedenfalls dann sachverständiger Hilfe zu bedienen
, wenn er von der Beurteilung einer Fachfrage durch die für die Arzneimittelüberwachung
zuständige Behörde abweichen will.
BGH, Urt. v. 23. Juni 2005 - I ZR 194/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Juni 2002 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage dort unter Abänderung des Urteils der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 2001 mit dem Unterlassungsantrag und mit den auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Anträgen für die Zeit bis zum 12. April 2000 abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin produziert ein 13C-Harnstoff-Atemtestset und vertreibt dieses bundesweit. Das Testset besteht aus 75 mg 13C-Harnstoffpulver, das in Orangensaft gelöst eingenommen wird, und vier verschließbaren Röhrchen, von denen zwei vor der Einnahme der Lösung und die beiden anderen 30 Minuten nach Einnahme der Lösung mit der Atemluft befüllt werden. Die Röhrchen werden sodann in ein Labor gesandt, wo das zahlenmäßige Verhältnis der Kohlenstoffisotope 12C zu den Kohlenstoffisotopen 13C bestimmt wird. Auf diese Weise kann eine etwaige Infektion des Magens mit Helicobacter-pylori-Bakterien nachgewiesen werden. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat der Klägerin für deren Atemtest durch Entscheidung vom 14. August 1997 eine gemeinschaftsweite arzneimittelrechtliche Zulassung erteilt.
Die Beklagte ist Inhaberin einer Apotheke in T. . Sie stellte einen 13C-Harnstofftest für die diagnostische Anwendung durch Ärzt e in nichtindustrieller Weise her. Den dafür benötigten 13C-Harnstoff bezog sie als fertiges Produkt und füllte ihn in Mengen von 75 mg zusammen mit dem Stoff Lactose in Kapseln ab, nachdem sie ihn nach ihrem insoweit von der Klägerin bestrittenen Vortrag mittels eines Massenspektrometers auf Identität, Reinheit und Gehalt überprüft hatte. Sie bereitete diese Kapseln dabei zum einen im Wege der sogenannten verlängerten Rezeptur (Defektur) im Vorgriff auf entsprechende ärztliche Verschreibungen in einer Anzahl von bis zu 100 Stück täglich vor, um sie bei Anforderung schnell zur Verfügung stellen zu können. Zum anderen bereitete sie nach ihrem - von der Klägerin bestrittenen - Vortrag die Kapseln auch im Wege der Rezeptur, d.h. auf spezielle ärztliche Anforderung durch Re-

zept zu. Über eine arzneimittelrechtliche Zulassung für ihren 13C-Harnstofftest verfügt die Beklagte nicht.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Verhalten der Beklagten sei nicht durch das sogenannte Apothekenprivileg in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG gedeckt, sondern rechts- und auch wettbewerbswidrig. Sie hat mit ihrer deshalb erhobenen Klage vor dem Landgericht beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen 13C-Harnstoff-Atemtest zum Nachweis einer Helicobacter-pylori-Infektion in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, solange für dieses Fertigarzneimittel keine Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff. AMG vorliegt; 2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der unter Nr. 1 beschriebenen Handlungen Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen, den angegebenen Arzneimittelmustern sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet; 3. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Nr. 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und zukünftig entstehen wird. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie vertritt die Auffassung, ihr Verhalten sei durch die Bestimmung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG gedeckt. Außerdem beruft sie sich auf ein auf ihre Anfrage hin an sie ergangenes Schreiben des für die Arzneimittelüberwachung als Landesbehörde zuständigen Regierungspräsidiums T. vom 12. April 2000. In diesem Schreiben wurde der Beklagten mitgeteilt, daß gegen die Herstellung von 13C-Harnstoff-

kapseln arzneimittelrechtlich und apothekenrechtlich keine Bedenken bestünden , sofern - wie von der Beklagten behauptet - eine Identitätsprüfung in der Apotheke durchgeführt und die Qualität des Ausgangsstoffs gemäß § 6 Abs. 3 der Apothekenbetriebsordnung belegt sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin hat sich mit ihrer Anschlußberufung auch gegen das Inverkehrbringen und Bewerben der entsprechend der Darstellung der Beklagten von dieser auf Einzelrezeptur hin hergestellten 13C-Harnstoff-Atemtests ge- wandt.
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 15).
Mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht , soweit dieses die Klage mit den Unterlassungsanträgen insgesamt und mit den auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Anträgen für die Zeit bis zum 12. April 2000 abgewiesen hat. Ohne

Erfolg bleibt die Revision dagegen, soweit das Berufungsgericht den weitergehenden Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und den darauf bezogenen Auskunftsanspruch abgewiesen hat.
I. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Verhalten der Beklagten unabhängig davon, ob deren Atemtest als zulassungspflichtiges Arzneimittel zu qualifizieren ist, schon deshalb nicht wettbewerbswidrig, weil die zum Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständige Landesbehörde auf Anfrage der Beklagten die Zulassungspflicht für den Test verneint hat. Die betreffende Äußerung habe nicht nur Vertrauensschutz begründet, sond ern sei ein Verwaltungsakt , mit dem sich die Behörde verpflichtet habe, keine Verbotsverfügung zu erlassen. Ihm komme, da er jedenfalls nicht nichtig sei, Tatbestandswirkung zu.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings mit Recht davon ausgegangen, daß der Tatbestand des § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs - ebenso wie nunmehr der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG - nicht erfüllt ist, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist (vgl. zu § 1 UWG a.F.: BGH, Urt. v. 11.10.2001 - I ZR 172/99, GRUR 2002, 269, 270 = WRP 2002, 323 - Sportwetten-Genehmigung; Stolterfoth, Festschrift für Rittner, 1991, S. 695, 710 f.; zu § 4 Nr. 11 UWG: Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11.20; Köhler, GRUR 2004, 381, 388 Fn. 88).
2. Nicht zugestimmt werden kann aber der Ansicht des Berufungsgerichts , das Schreiben des Regierungspräsidiums T. habe die durch Ver-

waltungsakt erteilte Zusage enthalten, daß gegen die Beklagte keine Verbotsverfügung erlassen werde, und damit eine entsprechende Tatbestandswirkung entfaltet. Das Schreiben des Regierungspräsidiums T. stellte lediglich die Beantwortung einer Anfrage zur Zulassungspflicht eines Arzneimittels gemäß § 10 Satz 1 der aufgrund des § 82 Satz 1 AMG am 25. August 1983 erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes (BAnz. S. 9649 - AMGVwV) dar. Diese Äußerung ent hielt keine Regelung , wie das für einen Verwaltungsakt mit Tatbestandswirkung unverzichtbar ist (vgl. auch BVerwG Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 34; BVerwG VRS 87, 305,

306).


III. Die angefochtene Entscheidung hat aber Bestand, soweit mit ihr die Klage mit den auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Anträgen für die Zeit ab dem 13. April 2000 abgewiesen worden ist, weil sie sich in dieser Hinsicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt (§ 561 ZPO). Denn es ist davon auszugehen, daß die Beklagte bei in diesem Zeitraum etwa begangenen Rechtsverstößen ohne das für die Schadensersatzpflicht erforderliche Verschulden gehandelt hat.
1. Für die Beurteilung der im wiedereröffneten Berufungsverfahren gemäß den Ausführungen zu nachstehend IV. erst noch festzustellenden Unlauterkeit der Verhaltensweise der Beklagten ist der Inhalt des Schreibens des Regierungspräsidiums T. vom 12. April 2000 nicht maßgeblich. Die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten beurteilt sich allein danach , ob die Herstellung und der Vertrieb des Atemtests vom Apothekenprivileg des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG gedeckt ist oder die Beklagte hierzu einer Zulassung bedarf. Die Äußerung des Regierungspräsidiums än derte nichts daran, daß die Beklagte weiterhin Kenntnis von den Umständen hatte, die bei objekti-

ver Würdigung die etwa gegebene Sittenwidrigkeit i.S. des § 1 UWG a.F. ihrer Verhaltensweise begründeten (vgl. BGHZ 117, 115, 117 f. - Pullovermuster; BGH, Urt. v. 27.1.1994 - I ZR 326/91, GRUR 1995, 693, 695 = WRP 1994, 387 - Indizienkette; Großkomm.UWG/Teplitzky, § 1 Rdn. G 19; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf. Rdn. 294, jeweils m.w.N.), so daß ein danach wettbewerbsrechtlich zu beanstandendes Verhalten auch weiterhin vorlag. Dasselbe gilt für Verletzungshandlungen , welche die Beklagte unter der Geltung des am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen neuen UWG begangen hat; denn eine nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlautere Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung setzt allein ein objektiv rechtswidriges Verhalten voraus (vgl. Baumbach/ Hefermehl/Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 11.54; Harte/Henning/v. Jagow, UWG, § 4 Nr. 11 Rdn. 49; Ullmann, GRUR 2003, 817, 822).
2. Die Beklagte handelte aber bei nach dem Zugang des Schreibens des Regierungspräsidiums T. vom 12. April 2000 etwa begangenen Verstößen ohne das für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 11, § 9 Satz 1 UWG erforderliche Verschulden. Sie durfte auf die Richtigkeit der ihr in dieser Hinsicht erteilten Auskunft des Regierungspräsidiums T. vertrauen, das - anders als für Entscheidungen über die Zulassung von Arzneimitteln (vgl. dazu BGH, Urt. v. 2.10.2002 - I ZR 177/00, GRUR 2003, 162 f. = WRP 2003, 72 - Progona) - dafür zuständig ist, daß die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes im übrigen eingehalten werden; denn sie konnte davon ausgehen , daß das Regierungspräsidium für die Beurteilung des ihm - zutreffend - mitgeteilten Sachverhalts besonders sachkundig sei.
IV. Die Entscheidung des Rechtsstreits im übrigen hängt davon ab, ob das Inverkehrbringen und Bewerben des von der Beklagten im Wege der Rezeptur und der Defektur hergestellten 13C-Harnstoff-Atemtests arzneimittelrecht-

lich zulässig oder unzulässig ist. Zu dieser Frage hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Diese können auch nicht aufgrund des unstreitigen Sachverhalts sowie der vom Landgericht getroffenen und im zweiten Rechtszug unangegriffen gebliebenen Feststellungen nachgeholt werden, so daß dem erkennenden Senat insoweit eine abschließende Entscheidung verwehrt ist. Dementsprechend wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren die Frage der Zulässigkeit der Verhaltensweise der Beklagten sachlich zu prüfen haben. Hierbei werden folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein:
1. Nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG dürfen zur Anwendung beim Menschen bestimmte Fertigarzneimittel auch ohne Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde bzw. entsprechende gemeinschaftsrechtliche Genehmigungen in den Verkehr gebracht werden, wenn sie aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Pakkungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe in dieser Apotheke bestimmt sind. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber solche Fertigarzneimittel von der Zulassung freistellen, die im wesentlichen in der Apotheke selbst und nicht durch einen industriellen Hersteller produziert werden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum 4. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373, S. 13). Erforderlich ist daher, daß alle wesentlichen Herstellungsschritte in der Apotheke erfolgen (vgl. BVerwG Buchholz 418.32 AMG Nr. 33, S. 6). Die Frage, ob dies zutrifft, erfordert eine Prüfung des jeweiligen Einzelfalls, wobei im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung die Art und die Anzahl der jeweiligen Herstellungsschritte des Mittels zu berücksichtigen sind (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht , 82. Erg.-Lief. Juni 2002, § 21 AMG Anm. 30). Der Gesetzgeber

hat die Ausnahme ersichtlich auf die traditionelle "verlängerte Rezeptur" beschränken und die industrielle Herstellung ausschließen wollen. Dementsprechend sind auch diejenigen für das Fertigarzneimittel erforderlichen Herstellungsschritte zu berücksichtigen, die nicht in einer Apotheke, sondern nur industriell erfolgen können (BVerwG Buchholz 418.32 AMG Nr. 33, S. 6). Dabei ist zu prüfen, welcher Stellenwert der nicht in der Apotheke der Beklagten erfolgenden Herstellung des Wirkstoffs im Verhältnis zu den von der Beklagten zur Herstellung ihrer Kapseln bei der Defektur ausgeführten weiteren Arbeitsschritten zukommt.
Sollte das Berufungsgericht in dieser Hinsicht zu der - vom Landgericht im Gegensatz zum Regierungspräsidium T. als der für die Arzneimittelüberwachung zuständigen Fachbehörde vertretenen - Auffassung gelangen, der Wirkstoffherstellung komme im Verhältnis zu den von der Beklagten in der Apotheke durchgeführten Herstellungsschritten keine nur untergeordnete Bedeutung zu, hätte es allerdings zunächst eine weitergehende Klärung der Frage durch einen Sachverständigen oder eine nochmalige bzw. ergänzende Äußerung der dafür gemäß § 10 Satz 1 AMGVwV zuständigen Landesbehörde herbeizuführen (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.1998 - X ZR 106/96, NJW 1998, 3355, 3356).
2. Das von der Klägerin mit der Anschlußberufung verfolgte Begehren ist darauf gerichtet, der Beklagten das Inverkehrbringen und Bewerben ihrer Atemtests auch insoweit verbieten zu lassen, als dies auf Rezeptur geschieht. Ob die Voraussetzungen für die zulassungsfreie Herstellung und den entsprechenden Vertrieb aufgrund einer Rezeptur vorliegen, wird zu prüfen sein. Dafür ist es erforderlich, daß das Mittel tatsächlich aufgrund einer individuellen Rezeptur hergestellt wird (Rehmann, AMG, 2. Aufl., § 4 Rdn. 1). Hieran fehlt es, wenn ein Mittel in keiner Weise mehr von der dem Apotheker angelieferten Bulkware ab-

weicht und sich dessen Tätigkeit daher auf das bloße Neuverteilen der seiner Einwirkung im übrigen nicht mehr unterliegenden Arznei beschränkt (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.6.1991 - 2 U 18/91, abgedr. bei Sander, Entscheidungssammlung zum Arzneimittelrecht, § 21 AMG Nr. 14; OLG Köln GRUR 1990, 691, 692; Sander, Arzneimittelrecht, Stand Februar 2002, Erl. 3 zu § 4 AMG; vgl. auch OLG Hamburg PharmR 2002, 441, 447). Ein solches bloßes Aufteilen des gebrauchsfertigen Wirkstoffs in Portionen machte diesen zu einem Fertigarzneimittel , welches gemäß § 21 Abs. 1 AMG grundsätzlich nur dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn eine entsprechende Zulassung durch das BfArM oder eine gemeinschaftsrechtliche Genehmigung vorliegt (vgl. BVerwG Buchholz 418.32 AMG Nr. 33, S. 5). Die Frage, ob im Streitfall eine solche Fallgestaltung vorliegt, erfordert - zumal hier zudem der zugrundezulegende Sachverhalt streitig ist - eine vom Tatrichter vorzunehmende Beurteilung, der sich gegebenenfalls auch insoweit sachverständiger Hilfe zu bedienen haben wird (vgl. zu vorstehend 1.).
3. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auch zu berücksichtigen haben, daß ein Arzneimittel gemäß den Bestimmungen der Art. 3, 5, 6 bis 12 und 87 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG Nr. L 2001, S. 67) grundsätzlich nur dann in den Verkehr gebracht und beworben werden darf, wenn die zuständige Behörde eine entsprechende Genehmigung bzw. Zulassung erteilt hat (vgl. OLG Hamburg PharmR 2002, 441, 447; Eisenblätter/Meinberg, PharmR 2003, 425, 426-428). Denn damit gehen auch nach einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhalts etwa noch verbleibende Zweifel, ob die von der Beklagten im Wege der Defektur und/oder der Rezeptur hergestellten Atemtests zulassungspflichtige Fertigarzneimittel sind, zu Lasten der Beklagten.

4. Das Inverkehrbringen und Bewerben von Arzneimitteln ohne Zulassung stellt ein i.S. des § 1 UWG a.F. sittenwidriges Handeln (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.1995 - I ZR 209/92, GRUR 1995, 419, 421 f. = WRP 1995, 386 - Knoblauchkapseln ; Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 158/98, GRUR 2001, 450, 453 = WRP 2001, 542 - Franzbranntwein-Gel) und ebenso ein nach § 4 Nr. 11 UWG unlauteres Marktverhalten dar (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 11.147; Harte/Henning/v. Jagow aaO § 4 Nr. 11 Rdn. 62). Dieses ist, da insoweit die Gesundheit der Verbraucher auf dem Spiel steht, auch gemäß § 3 UWG erheblich (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler aaO § 3 UWG Rdn. 57; Fezer/Fezer, UWG, § 3 Rdn. 40, jeweils m.w.N.).
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert
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3. Der Feststellungsbescheid steht - als feststellender Verwaltungsakt - dem Erfolg der Klage entgegen, weil er dem Beklagten das von der Klägerin mit der Klage beanstandete Verhalten ausdrücklich erlaubt hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 269 - Atemtest I; Winnands in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 21 Rn. 98; Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 21 Rn. 13; Heßhaus in Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 21 AMG Rn. 21; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 121. Lief., 2012, § 21 AMG Anm. 74 mwN; aA Guttmann in Prütting, Medizinrecht, 2. Aufl., § 21 AMG Rn. 45).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 125/04 Verkündet am:
14. Juni 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Abs. 1, § 57 Abs. 2 Satz 2
Zur Tatbestandswirkung eines Bescheids (hier: Schreiben des Vizepräsidenten
der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 30. Juni 2000
an die Deutsche Post AG), durch den auf Antrag mitgeteilt wurde, dass eine
erteilte Genehmigung für genehmigungsbedürftige Briefpreisentgelte bis zu einem
bestimmten Zeitpunkt wirksam bleibt (hier: die der Deutschen Post AG erteilte
Genehmigung vom 3. Juni 1997).
BGH, Urt. v. 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juni 2007 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant,
Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Juni 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der damalige Bundesminister für Post und Telekommunikation genehmigte auf Antrag der Beklagten, der Deutschen Post AG, vom 11. April 1996 mit Schreiben vom 3. Juni 1997 mit Wirkung ab 1. September 1997 und befristet bis zum 31. August 2000 die Änderung der Leistungsentgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Briefdienst im Monopolbereich des Postwesens. Am 29. März 2000 wies der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (im Weiteren: Bundeswirtschaftsminister) die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (im Weiteren: Regulierungsbehörde ) an, "die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG so auszulegen, dass alle Genehmigungen, die vor dem 1. Januar 1998 erteilt worden sind, bis zum 31. Dezember 2002 wirksam bleiben" (Bundesanzeiger Nr. 69 vom 7.4.2000 S. 6374). Mit Schreiben vom 27. Juni 2000 stellte die Beklagte bei der Regulierungsbehörde den "Antrag auf Bescheidung", dass bestimmte Briefpreisgenehmigungen , darunter die ihr mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung, bis zum 31. Dezember 2002 fortgälten. Die Genehmigungsbescheide seien noch nicht auf die nur an die Regulierungsbehörde gerichtete Weisung vom 29. März 2000 abgestimmt und liefen nach ihrem Wortlaut am 31. August 2000 aus. Die Regulierungsbehörde antwortete der Beklagten hierauf mit Schreiben ihres Vizepräsidenten vom 30. Juni 2000 unter Bezugnahme auf die Weisung des Bundeswirtschaftsministers vom 29. März 2000, dass - neben anderen näher bezeichneten Genehmigungen - auch die mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung bis zum 31. Dezember 2002 wirksam bleibe.
2
Der Kläger trägt vor, das Unternehmen S. , das er damit beauftragt habe, seine Briefsendungen versandfertig zu machen, habe ihm für die Zeit von September 2000 bis Oktober 2001 an die Beklagte als Beförderungsentgelte bezahlte Portokosten für Briefe bis 1000 g (ohne Infopost über 50 g) in Höhe von 83.586,46 DM (= 42.737,08 €) in Rechnung gestellt. Er verlangt von der Beklagten aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht der S. , die Rückzahlung dieser Entgelte, soweit die Beklagte um sie ungerechtfertigt bereichert sei. Die der Beklagten mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung von Beförderungsentgelten sei nicht wirksam verlängert worden. Die Briefbeförderungsverträge in den Monaten September 2000 bis Oktober 2001 seien daher gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam gewesen.
3
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.737,08 € abzüglich der vom Gericht festzustellenden, gegebenenfalls zu schätzenden Kosten der effektiven Leistungsbereitstellung, die der Beklagten für den Transport der streitgegenständlichen Briefsendungen des Klägers vom 1. September 2000 bis 31. Oktober 2001 entstanden sind, zuzüglich Zinsen auf den verbleibenden Differenzbetrag zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.737,08 € zuzüglich Zinsen zu zahlen.
4
Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung sei mit dem Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 wirksam verlängert worden.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
6
Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (KG-Rep 2004, 559).
7
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine in den Vorinstanzen erfolglosen Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Bereicherungsanspruch als unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt:
9
Die von der Beklagten geforderten Tarife seien auch in der Zeit von September 2000 bis Oktober 2001 genehmigt gewesen. Die in diesem Zeitraum geschlossenen Briefbeförderungsverträge seien daher nicht gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam.
10
Eine behördliche Genehmigung sei aufgrund der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten der zivilgerichtlichen Kontrolle entzogen. Der Kläger hätte daher, soweit er sich durch das Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 in seinen Rechten verletzt gesehen habe, hiergegen vor den Verwaltungsgerichten vorgehen können und müssen. Bei dem Schreiben habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt. Da die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2000 ausdrücklich um eine Entscheidung gebeten habe, habe sie das Schreiben vom 30. Juni 2000 nur so verstehen können, dass mit ihm die Fortgeltung der erteilten Genehmigungen von Leistungsentgelten geregelt werden sollte. Der Umstand, dass die Regulierungsbehörde auf Weisung des Bundeswirtschaftsministers gehandelt habe, stehe der Annahme eines Verwaltungsakts nicht entgegen.
11
Der ergangene Verwaltungsakt sei auch nicht deshalb nichtig, weil er von dem Vizepräsidenten der Regulierungsbehörde erlassen worden sei. Es habe nicht eine unzuständige Behörde, sondern allenfalls ein unzuständiges Organ gehandelt. Auch wenn es an einer gesetzlichen Grundlage für die Verlängerung gefehlt haben sollte, hätte dies nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts geführt.
12
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der vom Kläger unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 BGB geltend gemachte Anspruch auf zumindest teilweise Rückzahlung des bezahlten Briefportos nicht besteht.
13
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Verträge über Briefbeförderungen nicht mangels Genehmigung der Entgelte gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG unwirksam sind.
14
a) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung mit Recht zugrunde gelegt , dass eine durch Verwaltungsakt ausgesprochene Genehmigung, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist, der Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen ist (vgl. BGHZ 73, 114, 116 f.; BGH, Urt. v. 19.6.1998 - V ZR 43/97, NJW 1998, 3055 f.; BGHZ 158, 19, 22). Es genügt, wenn der betreffende Bescheid durch Bekanntgabe an einen Betroffenen wirksam geworden ist (BGH NJW 1998, 3055 f.).
15
b) Das Berufungsgericht hat das Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 zutreffend als Verwaltungsakt angesehen.
16
aa) Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz 1 VwVfG). Die Frage, ob die Äußerung einer Behörde einen Verwaltungsakt darstellt, ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach richtet sich die Auslegung eines Verwaltungsakts nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwGE 123, 292, 297 m.w.N.). Der Inhalt einer behördlichen Entscheidung ist vom Revisi- onsgericht selbständig auszulegen (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.2007 - V ZR 137/06, Tz 14).
17
bb) Die Regulierungsbehörde hat in ihrem Schreiben vom 30. Juni 2000 eine verbindliche Festlegung getroffen, dass es nicht notwendig sei, die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 befristet bis zum 31. August 2000 erteilte Genehmigung durch eine Entscheidung der Behörde zu verlängern, weil die Genehmigung ohnehin bis Ende 2002 fortgelte. Der Wortlaut des Schreibens vom 30. Juni 2000 spricht zwar eher dafür, dass die Regulierungsbehörde mit ihm lediglich ihre Rechtsauffassung mitgeteilt hat, die Laufzeit der vor dem 1. Januar 1998 erteilten Genehmigungen für genehmigungsbedürftige Entgelte sei unmittelbar durch § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG verlängert worden. Nach den Umständen konnte dieses Schreiben aber nur als behördliche Entscheidung verstanden werden. Die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben vom 27. Juni 2000 ausdrücklich einen "Antrag auf Bescheidung" gestellt, weil die ergangenen Entgeltgenehmigungen nach dem Wortlaut der Genehmigungsbescheide am 31. August 2000 ausliefen. Nach § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG blieb eine Genehmigung , die vor dem 1. Januar 1998 erteilt worden war, bis zum Ablauf der im Genehmigungsbescheid bestimmten Geltungsdauer, längstens aber bis zum 31. Dezember 2002 wirksam. Eine Entscheidung der Regulierungsbehörde war daher ersichtlich erforderlich, weil der Wortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG nicht ergab, dass die bestehenden Genehmigungen bis zum 31. Dezember 2002 ohne Weiteres wirksam bleiben sollten, und die am 29. März 2000 ergangene Weisung des Bundeswirtschaftsministers allein das Innenverhältnis der Behörden betraf. Für die Beklagte war, wie im Hinblick auf § 23 Abs. 2 Satz 2 PostG offensichtlich war, eine verbindliche Regelung unverzichtbar. Aus der Sicht der Beklagten konnte das Schreiben vom 30. Juni 2000 daher nur so verstanden werden, dass die Regulierungsbehörde das, was nach der Weisung des Bundeswirtschaftsministers vom 29. März 2000 Inhalt des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG sein sollte, nunmehr als Verwaltungsakt erklärt hat, durch den die Frage, ob es notwendig war, die erteilte Entgeltgenehmigung zu verlängern oder eine neue Entgeltgenehmigung zu erteilen, verbindlich im verneinenden Sinn geklärt werden sollte (vgl. auch Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 42 Rdn. 26 m.w.N.).
18
c) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der mit Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassene Verwaltungsakt nicht nichtig ist.
19
aa) Es erscheint allerdings durchaus als fraglich, ob der Vizepräsident der Regulierungsbehörde für die Entscheidung darüber zuständig war, ob die Laufzeit einer der Beklagten vor dem 1. Januar 1998 erteilten Genehmigung für genehmigungsbedürftige Entgelte verlängert werden musste oder eine Verlängerung im Hinblick auf § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG entbehrlich war. Nach dem Inkrafttreten des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 ist für die Genehmigung genehmigungsbedürftiger Entgelte nach § 22 Abs. 2 PostG die Regulierungsbehörde zuständig, die dabei gemäß § 46 Abs. 1 PostG durch eine Beschlusskammer entscheidet. Nach dem Wortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG kann nicht angenommen werden, dass mit ihm die Geltungsdauer befristeter Genehmigungen kraft Gesetzes verlängert werden sollte. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass über die Frage, ob eine neue Genehmigung erforderlich war, die Entscheidung einer Beschlusskammer herbeizuführen gewesen wäre und diese gegebenenfalls auch die Vorfrage hätte entscheiden müssen, ob die der Beklagten mit Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung fortgalt (vgl. dazu auch Gramlich, CR 2000, 816, 822).
20
bb) Die Frage der Nichtigkeit des mit dem Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassenen Verwaltungsakts richtet sich, da keiner der in § 44 Abs. 2 und 3 VwVfG besonders geregelten Fälle vorliegt, nach § 44 Abs. 1 VwVfG. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts als Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings als unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der Fehler muss zudem für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (BVerwG NVwZ 2000, 1039, 1040 m.w.N.). Ein Verwaltungsakt ist daher insbesondere nicht schon deshalb als nichtig anzusehen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (BVerwG NVwZ 1998, 1061, 1062 m.w.N.) oder weil ein behördenintern unzuständiges Organ gehandelt hat (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 44 Rdn. 166 ff.; Meyer in Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 44 Rdn. 16; Schiedeck, Die Nichtigkeit von Verwaltungsakten nach § 44 Absatz 1 VwVfG, Diss. Regensburg 1993, S. 74 ff., 78 ff.). Auch das Handeln einer Einzelperson anstelle des innerhalb der Behörde zuständigen Kollegialorgans führt nur dann zur Nichtigkeit gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG, wenn die sachliche Unzuständigkeit der Einzelperson eine absolute ist, d.h. diese unter keinen wie auch immer gearteten Umständen mit der Sache befasst sein kann und der insoweit gegebene Fehler zudem offensichtlich ist (vgl. dazu auch BSG, Urt. v. 30.5.1988 - 2 RU 72/87, zitiert nach juris).
21
cc) Danach ist im Streitfall ein besonders schwerwiegender und offensichtlicher Fehler i.S. von § 44 Abs. 1 VwVfG zu verneinen. Dies gilt auch dann, wenn angenommen wird, dass die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG nur bis zum 31. August 2000 wirksam war. Der Vizepräsident der Regulierungsbehörde wollte ausweislich des Wortlauts seines Schreibens nicht wie eine Beschlusskammer entscheiden, sondern als Vertreter der Regulierungsbehörde lediglich verbindlich festlegen, dass bis zum 31. Dezember 2002 keine neue Genehmigungsentscheidung erforderlich sei, weil die alte Genehmigung fortgelte. Bei dieser Entscheidung handelte die Regulierungsbehörde durch ihren Vizepräsidenten nicht offensichtlich außerhalb jeder Rechtsgrundlage. Die geregelte Frage fiel als solche in die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde. Die unter Berufung auf die Übergangsregelung in § 57 Abs. 2 Satz 2 PostG getroffene Entscheidung betraf zudem einen Sachverhalt aus einer Übergangszeit und war im Hinblick darauf jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig.
22
dd) Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht auf die Frage an, ob die Regulierungsbehörde dadurch gegen Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14) verstoßen hat, dass sie die in ihrem Schreiben vom 30. Juni 2000 getroffene Regelung durch ihren Vizepräsidenten und damit nicht durch eine unabhängige Stelle getroffen hat.
23
Bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts kommen - soweit ihm nicht spezielle Regelungen zu entnehmen sind - die formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts zur Anwendung (vgl. EuGH, Urt. v. 19.9.2006 - C-392/04 und C-422/04, NVwZ 2006, 1277 Tz 57; BVerwG NVwZ 2000, 1039 f.). Insofern ist auch die Frage, ob ein auf nationales Recht gestützter Verwaltungsakt infolge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nichtig ist, nach § 44 Abs. 1 VwVfG zu beantworten (BVerwG NVwZ 2000, 1039 f.). Ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft stellt nicht allein wegen des Rangs oder der Bedeutung der verletzten Bestimmung einen besonders schwerwiegenden Fehler i.S. von § 44 Abs. 1 VwVfG dar (vgl. BVerwGE 104, 289, 295 f.; BVerwG NVwZ 2000, 1039, 1040; Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs aaO § 44 Rdn. 106; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 44 Rdn. 4a m.w.N.). Dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts wird Rechnung getragen, wenn hinreichende Anfechtungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs aaO § 44 Rdn. 7). Dies ist hier der Fall (vgl. nachstehend unter e)).
24
d) Der von der Regulierungsbehörde mit Schreiben vom 30. Juni 2000 erlassene Verwaltungsakt bindet danach andere Gerichte und Behörden in den Grenzen seiner Bestandskraft (vgl. BGH, Urt. v. 21.9.2006 - IX ZR 89/05, NJW-RR 2007, 398 Tz 14 m.w.N.). Dementsprechend ist im Streitfall die mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilte Genehmigung als bis zum 31. Dezember 2002 wirksam zu behandeln.
25
e) Die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts steht nicht im Widerspruch zu dem aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. dazu auch BGH NJW 1998, 3055, 3056).
26
aa) Die Revision weist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend darauf hin, dass es mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt wäre (vgl. BVerfG DVBl 2000, 556 f.; BVerwGE 117, 93, 104 ff.; a.A. Lübbig in Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Aufl., § 22 Rdn. 66 ff.).
27
bb) Die mit dem Schreiben der Regulierungsbehörde vom 30. Juni 2000 getroffene Entscheidung über die Wirksamkeit der mit dem Schreiben vom 3. Juni 1997 erteilten Genehmigung der Postentgelte konnte auch von den Kunden angefochten werden.
28
(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur behördlichen Genehmigung von Entgelten allerdings wiederholt eine Befugnis der einzelnen Kunden, die Genehmigung anzufechten, verneint. Zur Begründung hat es dabei entweder ausgeführt, es sei jeweils noch eine Umsetzung notwendig (vgl. BVerwGE 75, 147, 149 ff.; 95, 133, 135; 117, 93, 97), oder darauf hingewiesen , die Genehmigung berechtige den Adressaten zwar zur Erhebung des erhöhten Entgelts, verpflichte ihn dazu aber nicht (BVerwGE 30, 135, 136; 95, 133, 135; vgl. auch BVerwGE 117, 93, 97 f.). Abweichendes gilt jedoch dann, wenn sich die Genehmigung unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Leistungserbringer auswirkt und es weder eines privatrechtlichen Umsetzungsaktes bedarf noch auch für die Beteiligten irgendein Gestaltungsspielraum besteht (BVerwGE 100, 230, 234 f.; vgl. auch BGHZ 73, 114, 119). In solchen Fällen kann sich die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben; denn diese Bestimmung gewährleistet auch die Freiheit, bei der Inanspruchnahme von Leistungen den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen mit der Gegenseite auszuhandeln (vgl. BVerwGE 100, 230, 233).
29
(2) Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber dem einzelnen Kunden in dem vorstehend unter (1) dargestellten Sinne ist bei dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt anzunehmen, da dieser jedenfalls die Wirkung einer Genehmigung hatte. Dies folgt aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 PostG, wonach Verträge über Postdienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam sind, dass das genehmigte Ent- gelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt, und die Verträge unwirksam sind, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehlt, obwohl dieses nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig ist. Danach steht den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu und ist die Sachlage insoweit mit dem Fall vergleichbar , dass die Tarife unmittelbar durch Verwaltungsakt festgesetzt werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 2.7.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, 3191 f.; für einen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz Gramlich, CR 2000, 816, 823; a.A. Lübbig in Beck'scher PostG-Kommentar aaO § 23 Rdn. 68 ff.; für die grundsätzliche Anfechtbarkeit von Genehmigungen nach § 24 TKG a.F. durch Endkunden Schuster/Stürmer in Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., § 24 Rdn. 87; ebenso Schuster/Ruhle in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 28 Rdn. 116 zu § 28 TKG 2004; vgl. auch Ossenbühl, ArchivPT 1996, 207, 216 ff.).
30
(3) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es bislang zwar offengeblieben, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets befugt ist, gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis ist aber zumindest für den Fall bejaht worden, dass der Kunde geltend macht, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle (BVerwGE 100, 230, 234). Entsprechend verhält es sich im Streitfall, da der Kläger den geltend gemachten Bereicherungsanspruch maßgeblich darauf stützt, dass es für die Entscheidung der Regulierungsbehörde keine rechtliche Grundlage gegeben habe. Es kommt noch hinzu, dass eine Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit durch die Zivilgerichte bei der im Streitfall gegebenen Falllage nicht möglich ist (vgl. dazu auch BVerwGE 100, 230, 236; 117, 93, 104 ff.; vgl. weiter nachstehend unter 2.).
31
2. Die streitgegenständlichen Entgelte können auch nicht nach § 315 Abs. 3 BGB überprüft und gegebenenfalls gekürzt werden.

32
a) Bei Tarifen für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil im Bedarfsfall angewiesen ist, kommt eine Billigkeitskontrolle i.S. von § 315 Abs. 3 BGB allerdings grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn die Tarife behördlich genehmigt sind (BGHZ 73, 114, 116; BGH, Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2920, insoweit nicht in BGHZ 163, 321 abgedruckt). Abweichendes gilt jedoch dann, wenn ein privatautonomer Spielraum des Leistungserbringers fehlt, weil Verträge mit Preisvereinbarungen , die von den genehmigten Tarifen abweichen, nichtig sind (BGH NJW 1998, 3188, 3191 f.; vgl. auch v. Westphalen, DB 1996, Beilage 5, S. 14; kritisch Michalski/Bauriedl, CR 1998, 657, 663 ff.).
33
b) Nach § 23 Abs. 2 PostG sind Verträge im Falle der Vereinbarung abweichender Entgelte zwar nicht nichtig. Die Genehmigung hat hier aber eine vergleichbare Wirkung, da bei abweichenden Vereinbarungen die genehmigten Entgelte als vereinbart gelten. Damit hatte die Beklagte in dieser Hinsicht keinen Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Dementsprechend scheidet im Streitfall eine Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB aus.
34
III. Danach war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Büscher
Bergmann Schaffert
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2002 - 28 O 82/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 17.06.2004 - 12 U 335/02 -
7
a) Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Revision darauf hin, dass Gerichte und Behörden die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung grundsätzlich ohne eigenständige Überprüfung als verbindlich zu beachten haben (BGHZ 158, 19, 22; BVerwG, NVwZ 1987, 496; Kopp/Ramsauer, VwVfG 10. Aufl. § 43 Rn. 18 f; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 7. Aufl. § 43 Rn. 137 ff; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl. § 17 GVG Rn. 13). Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Fälligkeit der Beitragsforderung wegen dessen Tatbestandswirkung nicht abweichend vom Beitragsbescheid beurteilen dürfen, setzt jedoch voraus, dass der Bescheid bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in unveränderter Fassung fortbestand. Grundsätzlich bedarf die Aufhebung oder Abänderung eines Verwaltungsakts eines gesonderten Verwaltungsakts (vgl. die gemäß § 15 ThürKAG hier entsprechend anwendbare Bestimmung des § 124 Abs. 2 AO). Der Grundsatz steht jedoch unter dem Vorbehalt abweichender spezialgesetzlicher Regelung (vgl. Kopp/Ramsauer, aaO § 43 Rn. 43; Stelkens/Bonk/Sachs, aaO § 43 Rn. 203; Bader/Ronellenfitsch/Schemmer, VwVfG § 43 Rn. 53).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens übertragen wird.

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf bis zu 650.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Betroffene betreibt ein Gasverteilernetz im Stadtgebiet von Hannover, in Teilgebieten von Langenhagen und Laatzen sowie in den Umlandkommunen Ronnenberg, Seelze und Hemmingen. Mit Bescheid vom 30. Mai 2008 erhielt sie eine auf den Daten des Geschäftsjahres 2006 beruhende, bis zum 31. Dezember 2008 geltende Genehmigung der Entgelte für den Netzzugang gemäß § 23a EnWG. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2008 setzte die Bundesnetzagentur die einzelnen Erlösobergrenzen für die Jahre 2009 bis 2012 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Dabei legte sie für die Ermittlung der Tagesneuwerte nach § 6 Abs. 3 GasNEV hinsichtlich der in Anwendung zu bringenden Preisindizes ihre Festlegung vom 17. Oktober 2007 (BK9-07/602-1) zugrunde. Die von der Betroffenen begehrte Bereinigung des Effizienzwerts nach § 15 Abs. 1 ARegV lehnte die Bundesnetzagentur ab.

2

Mit ihrer Beschwerde hat die Betroffene, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse, geltend gemacht, der Effizienzwert sei wegen der in ihrem Netz im Verhältnis zu den Ausspeisepunkten überdurchschnittlich hohen Zahl von Messstellen zu bereinigen. Außerdem sei das Ausgangsniveau für die Bestimmung der Erlösobergrenzen nach § 6 Abs. 2 ARegV rechtsfehlerhaft ermittelt worden, weil die in der Festlegung vom 17. Oktober 2007 gebildeten Indexreihen - was das Beschwerdegericht in einem anderen Verfahren erkannt und vom Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 12. November 2013 (EnVR 33/12, RdE 2014, 113 - Festlegung Tagesneuwerte) bestätigt worden sei - sachfremd seien und die Festlegung damit rechtswidrig sei. Dies sei auch vorliegend zu beachten, auch wenn die Betroffene die von ihr gegen die Festlegung erhobene Beschwerde zurückgenommen habe, so dass die Festlegung ihr gegenüber bestandskräftig geworden sei.

3

Das Beschwerdegericht hat den Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben und diese verpflichtet, den Festlegungsbeschluss mit der Maßgabe neu zu erlassen, dass die Betroffene eine Bereinigung des Effizienzwerts wegen des Verhältnisses der Anzahl der Messstellen zur Anzahl der Ausspeisepunkte verlangen könne. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg gehabt.

4

Hiergegen richten sich die - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Betroffenen und der Bundesnetzagentur.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat Erfolg, während die Rechtsbeschwerde der Betroffenen unbegründet ist.

6

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung (OLG Düsseldorf, RdE 2013, 484) im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Beschwerde habe keinen Erfolg, soweit sich die Betroffene dagegen wende, dass die Bundesnetzagentur die Tagesneuwerte der Altanlagen auf der Grundlage rechtswidriger Preisindizes ermittelt habe. Zwar habe der Beschwerdesenat auf die Beschwerden zahlreicher Netzbetreiber die Festlegung der Bundesnetzagentur vom 17. Oktober 2007 durch die Beschlüsse vom 6. Juni 2012 aufgehoben. Die Betroffene habe aber ihre Beschwerde gegen die Festlegung zurückgenommen, so dass diese ihr gegenüber bestandskräftig geworden sei.

8

Dagegen könne die Betroffene eine Bereinigung des Effizienzwerts im Hinblick auf das Verhältnis der Anzahl der Messstellen zur Anzahl der Ausspeisepunkte verlangen. Die im Netz der Betroffenen über dem Durchschnitt liegende Anzahl von 2,87 Messstellen pro Ausspeisepunkt stelle eine Besonderheit ihrer Versorgungsaufgabe im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV dar. Dies habe der Bundesgerichtshof zu der vergleichbaren Problematik bei einem Elektrizitätsverteilernetz in Bezug auf die Anzahl der Zählpunkte entschieden und gelte für ein Gasverteilernetz gleichermaßen. Die im Jahr 2013 in Kraft getretene Neuregelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV sei erst für die zweite Regulierungsperiode relevant. Dass die Anzahl der Messstellen pro Ausspeisepunkt im Netz der Betroffenen überdurchschnittlich hoch sei, stehe unabhängig davon fest, ob die durchschnittliche Zahl 1,2 - so die Betroffene - oder 1,51 Messstellen - so die Bundesnetzagentur - betrage.

9

Die Betroffene habe auch dargelegt, dass sich die nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ARegV ermittelten Kosten infolge dieser Besonderheit um mehr als drei Prozent erhöhten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei insoweit ein Nachweis der Mehrkosten erforderlich, die gerade dadurch entstünden, dass die Anzahl der Messstellen pro Ausspeisepunkt über dem Durchschnitt liege. Diese Mehrkosten beliefen sich hier auf 2.317.295 €. Die Betroffene habe zutreffend zwischen mengenabhängigen (variablen) und mengenunabhängigen (fixen) Kosten unterschieden und die Mehrkosten ausschließlich auf der Basis der mengenabhängigen Kosten unter Zugrundelegung des konkreten Mengengerüsts berechnet. Den Unterschieden zwischen verschiedenen Zählergruppen habe sie in ausreichender Weise dadurch Rechnung getragen, dass sie ausschließlich die Messstellen der Haushalts- und kleinen Gewerbekunden berücksichtigt habe. Eine darüber hinaus gehende weitere Unterscheidung zwischen den Messstellen in Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sei - entgegen dem Einwand der Bundesnetzagentur im Hinblick auf angebliche Synergieeffekte - nicht geboten, weil die Betroffene nachvollziehbar dargelegt habe, dass derartige Synergieeffekte wegen des bei ihr überwiegend gebräuchlichen Selbstableseverfahrens nicht in einem relevanten Umfang auftreten würden.

10

Im Hinblick auf die Kosten des Messstellenbetriebs habe die Betroffene zu Recht sämtliche Kapitalkosten, d.h. kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung und kalkulatorische Gewerbesteuer, sowie die Personal- und Sachkosten für die eichrechtliche Abnahmeprüfung, Lagerhaltung, Stichprobenprüfung, Einbau und Wechsel nach Ablauf der Betriebsdauer, Betrieb und Wartung als mengenabhängig bewertet, weil diese Kostenpositionen erkennbar stückbezogen anfallen würden. Ebenfalls zutreffend habe sie Personal- und Sachkosten für Anlageplanung, Geräteausfall, Beschaffung, Umsetzung bzw. Einhaltung der Vorgaben des gesetzlichen Messwesens, Grundsatz- und Bedarfsplanung, Berichtswesen sowie diesen Prozessen zugeordnete Verwaltungsgemeinkosten als fixe Kosten eingeordnet und bei der Ermittlung der Mehrkosten außer Betracht gelassen. Entsprechendes gelte hinsichtlich der auf die Messdienstleistungen (Messung) entfallenden Kosten und deren Unterscheidung nach variablen und fixen Kostenbestandteilen. Entgegen dem Einwand der Bundesnetzagentur habe die Betroffene insbesondere auch nicht die Kosten der Ausstattung, bei denen es sich um Verwaltungsgemeinkosten handele, in die Mehrkostenermittlung (anteilig) einbezogen, sondern diese als fixe Kosten eingeordnet.

11

Die konkrete Berechnung der Mehrkosten auf Basis des variablen Kostenanteils sei nicht zu beanstanden. Die Betroffene habe in einem ersten Schritt die tatsächliche Höhe der variablen Kostenanteile - bezogen auf die Messstellen der Haushalts- und kleinen Gewerbekunden - sowohl nach absoluten Beträgen als auch pro Zählpunkt ermittelt. In einem zweiten Schritt habe sie ausgehend von den variablen Gesamtkosten je Messstelle die sich aus der Anzahl von 2,87 Messstellen pro Ausspeisepunkt ergebenden konkreten Mehrkosten ermittelt, indem sie zunächst die variablen Kosten für die durchschnittlich anzutreffenden 1,2 Messstellen und sodann die Kosten für 2,87 Messstellen pro Ausspeisepunkt errechnet habe. Die Differenzwerte habe die Betroffene schließlich mit der Anzahl der Ausspeisepunkte multipliziert und dadurch methodisch wie inhaltlich korrekt den Schwellenwert übersteigende Mehrkosten in Höhe von 2.317.295 € identifiziert. Insoweit habe die Betroffene den von ihr angegebenen Durchschnittswert von 1,2 Messstellen zugrundelegen dürfen; soweit die Bundesnetzagentur erstmals in der mündlichen Verhandlung ohne nähere Begründung vorgetragen habe, der Durchschnittswert betrage 1,51, stelle dies lediglich ein nicht substantiiertes Bestreiten des Vorbringens der Betroffenen dar und sei daher unerheblich.

12

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

13

a) Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.

14

Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die Bundesnetz-agentur bei der Ermittlung der Tagesneuwerte nach § 6 Abs. 3 GasNEV die in der Festlegung vom 17. Oktober 2007 (BK9-07/602-1) bestimmten Preisindizes zugrunde legen durfte. Dem steht nicht entgegen, dass das Beschwerdegericht die Festlegung auf die Beschwerden anderer Netzbetreiber unter anderem durch Beschluss vom 6. Juni 2012 (VI-3 Kart 269/07, juris) aufgehoben hat und die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde vor dem erkennenden Senat ohne Erfolg geblieben ist (Senatsbeschluss vom 12. November 2013 - EnVR 33/12, RdE 2014, 113 - Festlegung Tagesneuwerte). Entscheidend ist vielmehr, dass die Festlegung gegenüber der Betroffenen bestandskräftig geworden ist.

15

aa) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kann sich die Betroffene nicht auf die Rechtsprechung des Senats berufen, wonach das Ergebnis der nach § 6 Abs. 2 ARegV maßgeblichen Kostenprüfung bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus für die Festlegung der Erlösobergrenzen zu korrigieren ist, soweit es mit der hierzu in der Zwischenzeit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang steht (vgl. nur Beschluss vom 28. Juni 2011 - EnVR 48/10, RdE 2011, 308 Rn. 9 ff. - EnBW Regional AG; Beschluss vom 6. November 2012 - EnVR 101/10, N&R 2013, 89 Rn. 16 - E.ON Hanse AG).

16

Die Anpassung an später ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung soll verhindern, dass eine rechtswidrige Regulierungspraxis bei der Umstellung der Netzentgeltregulierung auf die Methode der Anreizregulierung fortgeschrieben wird. Danach ist eine Anpassung geboten, wenn eine gerichtliche Entscheidung, zu der das Ergebnis der Kostenprüfung in Widerspruch steht, erst nach der Festlegung der Erlösobergrenzen ergangen ist oder wenn sich erst im Verfahren zur Überprüfung dieser Festlegung ergibt, dass die der Kostenprüfung zugrunde liegende Regulierungspraxis rechtswidrig war. Entscheidende Voraussetzung ist stets, dass sich eine der Kostenprüfung zugrunde liegende Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (Senatsbeschluss vom 6. November 2012 - EnVR 101/10, N&R 2013, 89 Rn. 18 - E.ON Hanse AG).

17

Darum geht es vorliegend nicht. Die Festlegung der Bundesnetzagentur vom 17. Oktober 2007 hinsichtlich der zur Ermittlung der Tagesneuwerte gemäß § 6 Abs. 3 GasNEV a.F. in Anwendung zu bringenden Preisindizes galt nicht nur für die Genehmigungsverfahren nach § 23a EnWG, sondern unmittelbar auch für die Verfahren im Rahmen der Anreizregulierung, die - wie hier - das in 2006 abgelaufene oder ein früheres Geschäftsjahr zur Grundlage haben. Damit kommt es allein darauf an, ob die Bundesnetzagentur der Betroffenen die Bestandskraft der Festlegung entgegenhalten kann.

18

bb) Entgegen den Angriffen der Rechtsbeschwerde ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Bundesnetzagentur gegenüber der Betroffenen auf die Bestandskraft der Festlegung berufen kann.

19

(1) Bei Festlegungen nach § 29 Abs. 1 EnWG, § 30 GasNEV handelt es sich um Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2008 - KVR 28/07, RdE 2008, 362 Rn. 8 ff. - EDIFACT). Der Gegenstand und die rechtliche Tragweite der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes lassen sich nicht einheitlich für alle Rechtsgebiete und für alle Arten von Verwaltungsakten beurteilen (vgl. BVerfGE 2, 380, 393; BVerwGE 4, 250, 252 f.; 19, 153, 154; 25, 241, 242; 48, 271, 278 f.). Die Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes steht indes, wenn nicht inzwischen eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, regelmäßig einem Anspruch auf eine erneute Sachentscheidung entgegen (vgl. nur BVerwGE 19, 153, 154 f.; 24, 115, 116 f.; BVerwG, DVBl. 1960, 728 f.). Damit haben Gerichte und Behörden die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung grundsätzlich ohne eigenständige Überprüfung als verbindlich zu beachten (BGH, Urteile vom 4. Februar 2002 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 22 und vom 14. Januar 2010 - IX ZR 50/07, NVwZ-RR 2010, 372 Rn. 7; BVerwG, NVwZ 1987, 496; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 43 Rn. 18 f.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 43 Rn. 137 ff.; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 4. Aufl., § 17 GVG Rn. 13). Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, beschränkt sich die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten gegenüber anderen Behörden und Gerichten allerdings auf die sogenannte Tatbestandswirkung. Diese hat regelmäßig nur zum Inhalt, dass der Verwaltungsakt und die durch ihn für einen bestimmten Rechtsbereich getroffene Regelung als gegeben hingenommen werden müssen (vgl. BVerwG, NVwZ 1987, 496). Die in einem Verwaltungsakt getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die ihm zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen sind für einen anderen als den durch den Verwaltungsakt "geregelten" Rechtsbereich aber ausnahmsweise dann verbindlich, wenn eine derartige über die Tatbestandswirkung hinausgehende "Feststellungswirkung" gesetzlich angeordnet ist (vgl. BVerwGE 15, 332, 334 f.; 21, 33, 34 f.; BVerwG NVwZ 1987, 496, 497 mwN), und zwar solange und soweit der Verwaltungsakt, dessen Entscheidungssatz die Feststellung ist, nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs. 2 VwGO entsprechend; vgl. BVerwG, RdL 1997, 278, 279). So liegt der Fall hier.

20

Nach § 29 Abs. 1 EnWG trifft die Regulierungsbehörde Entscheidungen über die Bedingungen und Methoden für den Netzanschluss oder den Netzzugang nach den hierzu erlassenen Rechtsverordnungen durch Festlegung gegenüber einem Netzbetreiber, einer Gruppe von oder allen Netzbetreibern. Die Festlegung hat damit die Funktion, eine Regelung mit Verbindlichkeit gegenüber einem durch allgemeine Merkmale bestimmten Personenkreis zu treffen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2008 - KVR 28/07, RdE 2008, 362 Rn. 11 - EDIFACT). Damit trifft eine Festlegung, wenn sie unanfechtbar geworden ist, für den von ihr geregelten Gegenstand in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine abschließende Entscheidung, die für das nachfolgende Genehmigungsverfahren bindend ist. Soweit der Genehmigungsbescheid den Inhalt der Festlegung wiedergibt, ist dies nur als "redaktionelle Übernahme" - ohne eigene Regelung - der bereits getroffenen Entscheidung anzusehen, ohne dass eine - erneute - Befugnis zur Prüfung der in der Festlegung getroffenen Regelung eröffnet wäre (vgl. BVerwGE 68, 241, 243; 70, 365, 372 f.). Ein solches gestuftes Verfahren soll den Betroffenen Sicherheit in der Weise verschaffen, dass im Umfang der jeweiligen Festlegungen und Genehmigungen endgültig entschieden wird und dass die zu seinen Gunsten entstandene Bindungswirkung nur durch Widerruf oder Rücknahme aufgehoben werden kann (vgl. BVerwGE 92, 185, 191).

21

Dies gilt auch für die - mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene - Festlegung vom 17. Oktober 2007. Diese bestimmte für alle Entgeltgenehmigungsverfahren nach § 23a EnWG und die Verfahren im Rahmen der Anreizregulierung die zur Ermittlung der Tagesneuwerte gemäß § 6 Abs. 3 GasNEV anwendbaren Preisindizes ersichtlich abschließend und sollte im Falle ihrer Unanfechtbarkeit - verbindliche - Grundlage für das anschließende (weitere) Genehmigungsverfahren sein; eine - erneute oder erstmalige - streitige Auseinandersetzung über die rechtliche Zulässigkeit der Festlegung sollte nicht mehr stattfinden. Der Regelungsgehalt der Festlegung vom 17. Oktober 2007 erschöpft sich nicht in einer reinen Förderung des Verfahrens zur Entgeltgenehmigung nach § 23a EnWG bzw. zur Bestimmung der Erlösobergrenzen nach § 4 ARegV, sondern entfaltet bereits darüber hinausgehende Bindungswirkungen. Das Gesetz folgt insofern nicht dem Modell der Rechtsschutzkonzentration, wie es etwa § 44a Satz 1 VwGO zugrunde liegt, sondern dem Modell des gestuften Verfahrens, in welchem das zu bewältigende Gesamtproblem phasenweise abgearbeitet und konkretisiert wird, wobei die jeweils vorangegangenen Stufen das sachliche Fundament für die nachfolgenden Verfahrensschritte bilden. Im Wesen eines derart gestuften Verfahrens liegt es, dass die einzelnen Entscheidungen der selbstständigen Bestandskraft fähig sind und daher für sich genommen der Anfechtung unterliegen (vgl. BVerwGE 134, 368 Rn. 25).

22

Die selbstständige Anfechtbarkeit der Festlegung führt nicht zu Ergebnissen, die mit Zweck und Systematik der Entgeltgenehmigungsverfahren bzw. der Anreizregulierung unvereinbar wären. Die Erhebung von Rechtsbehelfen auf einer vorangegangenen Verfahrensstufe zwingt die Regulierungsbehörde nicht dazu, das weitere Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Rechtsmittel auszusetzen. Da eine Beschlusskammerentscheidung unbeschadet einer etwaigen Anfechtung mit ihrer Bekanntgabe wirksam (§ 43 Abs. 1 VwVfG) und sofort vollziehbar (§ 76 Abs. 1 EnWG) ist, kann dem weiteren Verfahren trotz der Einlegung des Rechtsmittels Fortgang gegeben werden, sofern nicht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs angeordnet wird. Zwar handelt die Regulierungsbehörde in solchen Fällen auf eigenes Risiko. Doch dies unterscheidet das Modell des gestuften Verfahrens nicht von dem Modell der Rechtsschutzkonzentration nach § 44a Satz 1 VwGO, denn auch und gerade unter dieser Prämisse müsste die Regulierungsbehörde damit rechnen, dass ein auf einer früheren Stufe unterlaufener ergebnisrelevanter Rechtsfehler erst nachträglich rechtskräftig festgestellt wird (vgl. BVerwGE 134, 368 Rn. 26). Auch sonst sind durchgreifende Bedenken gegen die Anerkennung eines gestuften Rechtsschutzes nicht erkennbar. So steht dem Nachteil potentiell gehäufter Rechtsmittel (schon) auf den ersten Verfahrensstufen der Vorteil gegenüber, der mit dem Abschichtungseffekt bestandskräftiger Zwischenentscheidungen verbunden ist. Zudem kann die Regulierungsbehörde gegebenenfalls durch zweckmäßige Zusammenfassung mehrerer Beschlusskammerentscheidungen in eine bzw. deren Aufteilung auf mehrere Allgemeinverfügungen die Rahmenbedingungen, unter denen Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann, gegenständlich und zeitlich in gewissem Umfang selbst steuern (vgl. BVerwGE 134, 368 Rn. 27).

23

(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde muss sich die Betroffene die Bestandskraft der Festlegung entgegenhalten lassen. Durch die Rücknahme der von ihr gegen die Festlegung eingelegten Beschwerde hat sie diese unanfechtbar werden lassen. Auf den Umstand, dass das Beschwerdegericht die Festlegung auf die Beschwerden anderer Netzbetreiber unter anderem durch Beschluss vom 6. Juni 2012 (VI-3 Kart 269/07, juris) aufgehoben hat und die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde vor dem erkennenden Senat ohne Erfolg geblieben ist (Senatsbeschluss vom 12. November 2013 - EnVR 33/12, RdE 2014, 113 - Festlegung Tagesneuwerte), kann sich die Betroffene nicht berufen, weil die Festlegung insoweit in persönlicher Hinsicht teilbar ist.

24

(a) Nach § 83 Abs. 2 Satz 1 EnWG hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung der Regulierungsbehörde auf, wenn es sie für unzulässig oder unbegründet hält. Dies bedeutet aber nicht, dass die Aufhebung einer Festlegung auch gegenüber anderen Betroffenen Wirkung entfaltet und diese faktisch Nutznießer der erstrittenen Entscheidung sind.

25

Nach allgemeinen Grundsätzen darf ein Gericht einen Verwaltungsakt, der gegenüber einer Vielzahl von Personen wirkt, auf die erfolgreiche Anfechtungsklage oder Beschwerde eines Betroffenen nur aufheben, soweit er zwischen den Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens wirkt (vgl. nur BVerwGE 148, 48 Rn. 66). Insoweit bestehen bei der Anfechtung einer Allgemeinverfügung keine Besonderheiten. Soweit dies für das allgemeine Verwaltungsrecht vor allem mit dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet wird, wonach das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid aufhebt, "soweit" der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. BVerwG aaO), kann für das energiewirtschaftsrechtliche Verfahren nichts anderes gelten. § 83 Abs. 2 Satz 1 EnWG enthält zwar keine dem § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO gleichlautende Formulierung, sondern stellt lediglich auf die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der angefochtenen Entscheidung ab. Dieser an § 71 GWB angelehnten Vorschrift (vgl. BT-Drucks. 15/3917, S. 72) kommt indes insoweit kein anderer Regelungsgehalt zu, als auch sie das Vorliegen einer materiellen Beschwer und die Verletzung eigener Rechte voraussetzt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Juli 1976 - KVR 4/75, BGHZ 67, 104, 110 f. - Vitamin B 12, vom 10. April 1984 - KVR 8/83, WuW/E 2077, 2079 - Coop Supermagazin und vom 28. Juni 2005 - KVR 27/04, BGHZ 163, 296, 301 - Arealnetz).

26

Voraussetzung einer subjektiv beschränkten Aufhebung ist allerdings, dass der Verwaltungsakt in persönlicher Hinsicht teilbar ist. Soweit sich aus dem jeweiligen Fachrecht nichts Abweichendes ergibt, kommt es dabei darauf an, ob der Verwaltungsakt von allen Adressaten nur einheitlich befolgt werden kann oder nicht (vgl. BVerwGE 148, 48 Rn. 66; Hanebeck in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 83 Rn. 9 unter Hinweis auf § 44 Abs. 4 VwVfG analog; siehe auch Senat, Beschluss vom 3. Juli 1976 - KVR 4/75, BGHZ 67, 104, 110 f. - Vitamin B 12). Unteilbar sind grundsätzlich solche Allgemeinverfügungen, deren Regelungen und Regelungsbestandteile einen untrennbaren Zusammenhang bilden, so dass nicht einzelne Elemente von ihnen isoliert angefochten werden können.

27

(b) Nach diesen Maßgaben ist die Festlegung vom 17. Oktober 2007 teilbar und setzt keine einheitliche Befolgung durch alle Adressaten voraus. Weder aus den im Energiewirtschaftsgesetz geregelten Wirkungen der Festlegung (aa) noch aus Sinn und Zweck der Entgeltregulierung (bb) oder allgemeinen Rechtsschutzgesichtspunkten (cc) lassen sich substantielle Einwände gegen eine subjektiv beschränkte Aufhebungsentscheidung ableiten.

28

(aa) Für eine Unteilbarkeit der Festlegung könnte zwar sprechen, dass die Bundesnetzagentur diese einheitlich erlassen hat und die Festlegung im Ausgangspunkt eine gleichmäßige Behandlung aller Netzbetreiber gewährleisten soll. Dies zwingt jedoch nicht dazu, dass die Aufhebung der Festlegung im Verhältnis zu einem oder mehreren Netzbetreibern auch anderen Netzbetreibern, die die Festlegung nicht angefochten haben, zugutekommen muss. Gegenüber Netzbetreibern, die nicht nur die Festlegung, sondern auch die Entgeltgenehmigung bzw. die Bestimmung der Erlösobergrenzen haben bestandskräftig werden lassen, kommt dies ohnehin nicht mehr in Betracht. Für einen Netzbetreiber, der lediglich den Bescheid über die Bestimmung der Erlösobergrenzen angefochten hat, kann nichts anderes gelten. Für eine Teilbarkeit der Festlegung spricht bereits der Wortlaut des § 29 Abs. 1 EnWG, wonach Festlegungen gegenüber einem Netzbetreiber, einer Gruppe von oder allen Netzbetreibern erlassen werden können. Die Bundesnetzagentur wäre danach nicht gehindert gewesen, die Festlegung vom 17. Oktober 2007 nicht in Form einer Allgemeinverfügung, sondern jeweils als individuellen, wenn auch inhaltsgleichen Verwaltungsakt gegenüber jedem einzelnen Netzbetreiber zu erlassen. In einem solchen Fall hätte die Aufhebung der Festlegung in einem Individualverhältnis von vornherein keine "inter-omnes"-Wirkung. Dass die Festlegung in Folge der gerichtlichen Entscheidung in diesem Fall nur in Bezug auf einzelne Netzbetreiber keine Wirkung hat, so dass die Tagesneuwerte auf andere Weise zu berechnen sind, während es im Übrigen bei der Wirkung der bestandskräftigen Bestimmung der Erlösobergrenzen verbleibt, stößt nicht auf systematische Bedenken. Diese Rechtsfolge kann sich auch ergeben, wenn ein einzelner Netzbetreiber den Bescheid über die Bestimmung der Erlösobergrenzen aus Gründen, die außerhalb der Festlegung liegen, angreift und vor Gericht Recht bekommt, während andere Netzbetreiber, bei denen diese Gründe ebenfalls vorgelegen haben, die Bescheide unangefochten lassen.

29

(bb) Aus Sinn und Zweck der Anreizregulierung lassen sich ebenfalls keine zwingenden Einwände gegen die Annahme herleiten, dass die Festlegung vom 17. Oktober 2007 aus personell abgrenzbaren Teilen besteht mit der Folge, dass eine auf das Rechtsverhältnis zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten beschränkte Aufhebung möglich ist.

30

Die Anreizregulierung dient der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen (§ 1 Abs. 2 EnWG). Zugleich wird damit eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas bezweckt (§ 1 Abs. 1 EnWG). Diese Ziele werden im Falle einer Teilbarkeit der Festlegung nicht verletzt.

31

In Bezug auf den überwiegenden Teil der genannten Regulierungsziele sind die nachteiligen Auswirkungen im Fall einer auf das Rechtsverhältnis zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten beschränkten gerichtlichen Aufhebung der Festlegung allenfalls sehr begrenzt. Denn dies hat lediglich zur Folge, dass die Tagesneuwerte gemäß § 6 Abs. 3 GasNEV nicht nach den in der Festlegung bestimmten Preisindizes berechnet werden, sondern zunächst andere Preisindizes entwickelt werden müssen. Ob und mit welchen Auswirkungen für die Bestimmung der Erlösobergrenzen sich dies zugunsten des beteiligten Netzbetreibers oder womöglich sogar zu seinen Lasten auswirkt, ist derzeit nicht absehbar. Die Nutzer- und Verbraucherinteressen sind nur dann mittelbar nachteilig betroffen, wenn die Neubestimmung der Preisindizes zu einer Erhöhung der Erlösobergrenzen führt. Dies ist indes von der Betroffenen nicht behauptet worden. Zudem ist dies keine Folge, deren Eintritt durch die Annahme einer subjektiven Unteilbarkeit der Festlegung unbedingt verhindert werden müsste.

32

Lediglich das in § 1 Abs. 2 EnWG genannte Regulierungsziel der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas könnte bei einer auf die klagenden Netzbetreiber beschränkten Aufhebung der Festlegung in relevanter Weise nachteilig berührt sein, wenn durch die fehlerhafte Bestimmung der Preisindizes in der Festlegung nachfolgend zu Lasten der Betroffenen die Erlösobergrenzen zu niedrig bestimmt würden. Derartige Rechtsfolgen, die wegen der am 22. August 2013 in Kraft getretenen Neuregelung der § 6a GasNEV, § 6a StromNEV zudem auf die erste Regulierungsperiode beschränkt wären, schließt das Energiewirtschaftsgesetz - wie bereits dargelegt - nicht aus. Die Bestimmung von Erlösobergrenzen nach unterschiedlichen Kriterien ist zwar nicht wünschenswert und vom Gesetz- und Verordnungsgeber im Ausgangspunkt auch nicht gewollt. Beruht eine unterschiedliche Behandlung - wie hier - lediglich auf den rechtlichen Wirkungen der im Verhältnis zu denjenigen Adressaten, die von der Einlegung eines Rechtsmittels abgesehen haben, eingetretenen Bestandskraft eines Verwaltungsakts, ist eine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung gegeben (vgl. BVerwGE 148, 48 Rn. 72).

33

Den nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb im Fall einer auf das Rechtsverhältnis zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten beschränkten gerichtlichen Aufhebung der Festlegung stehen zudem anders geartete Nachteile für den Wettbewerb im umgekehrten Fall einer uneingeschränkten Aufhebung gegenüber. Das Regulierungsziel der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs beinhaltet nämlich, dass die Marktteilnehmer eine hinreichend verlässliche Kalkulations- und Planungsgrundlage für ihre Investitionsentscheidungen haben (vgl. BVerwGE 148, 48 Rn. 73 mwN). Sinn und Zweck der Entgeltregulierung erfordern es, dass die Netzbetreiber während der Geltungsdauer einer Festlegung auf deren Bestand vertrauen können. Dieser Vertrauensschutz wäre beeinträchtigt, wenn die Aufhebung der Festlegung durch das Gericht, die zu einer erneuten Entscheidung der Bundesnetzagentur und damit bei Vorliegen neuer Erkenntnisse möglicher-weise auch zur Bestimmung niedrigerer Erlösobergrenzen führen kann, auch im Verhältnis zwischen denjenigen Netzbetreibern wirken würde, die kein Rechtsmittel eingelegt haben und die Festlegung damit bestandskräftig haben werden lassen.

34

Bei dieser Ausgangslage trägt es der gesetzlichen Konzeption der Entgeltregulierung Rechnung, wenn die Beurteilung, welche der aufgezeigten Nachteile für das Regulierungsziel der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs eher hingenommen werden können, im jeweiligen Einzelfall von der Regulierungsbehörde vorgenommen wird. Es erscheint daher sachgerecht, im Fall der gerichtlichen Aufhebung zunächst vom Fortbestand der Festlegung im Verhältnis zwischen der Regulierungsbehörde und denjenigen Netzbetreibern auszugehen, die die Festlegung nicht angefochten haben. Damit bleibt letztlich der Bundesnetzagentur die in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehende Entscheidung überlassen, ob die rechtswidrige, im Verhältnis zu den nicht an einem gerichtlichen Verfahren beteiligten Unternehmen aber weiterhin bestandskräftige Festlegung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zumindest mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen ist (vgl. BVerwGE 148, 48 Rn. 74).

35

(cc) Durchgreifende Einwände gegen die subjektive Teilbarkeit der Festlegung und die hieraus in der vorliegenden prozessualen Konstellation der Beschwerde gegen die Bestimmung der Erlösobergrenzen folgende Beschränkung der gerichtlichen Aufhebung auf das Rechtsverhältnis zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten ergeben sich auch nicht unter Rechtsschutzgesichtspunkten. Die unterschiedliche Behandlung von Netzbetreibern ist eine rechtlich zwingende Folge der jeweils unterschiedlichen Streitgegenstände. Die Betroffene hatte die Möglichkeit, gegen die Festlegung Beschwerde einzulegen. Durch die Rücknahme ihrer Beschwerde hat sie sich selbst dieses Rechtsschutzes begeben.

36

b) Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat dagegen Erfolg.

37

aa) Das Beschwerdegericht hat allerdings im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass im Hinblick auf die Anzahl der Messstellen pro Ausspeisepunkt eine Besonderheit der Versorgungsaufgabe im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV vorliegt.

38

Nach der Rechtsprechung des Senats gehören zur Versorgungsaufgabe im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV in der hier maßgeblichen, bis 21. August 2013 geltenden Fassung - die seit 22. August geltende neue Fassung (BGBl. I 2013, S. 3250) findet erst ab der zweiten Regulierungsperiode Anwendung (BR-Drucks. 447/13 (Beschluss), S. 31) - alle Anforderungen, die an den Netzbetreiber von außen herangetragen werden und denen er sich nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand entziehen kann. Dies sind, wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, nicht nur die in § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ARegV ausdrücklich aufgeführten Parameter, also die Fläche des versorgten Gebiets, die Anzahl der Anschlusspunkte und die Jahreshöchstlast, sondern auch alle anderen Rahmenbedingungen, mit denen sich der Netzbetreiber beim Betrieb des Netzes konfrontiert sieht und auf die er keinen unmittelbaren Einfluss hat (BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - EnVR 88/10, RdE 2013, 22 Rn. 59 - SWM Infrastruktur GmbH, vom 21. Januar 2014 - EnVR 12/12, RdE 2014, 276 Rn. 112 - Stadtwerke Konstanz GmbH und vom 7. Oktober 2014 - EnVR 25/12 Rn. 44).

39

Der Senat hat bereits entschieden, dass eine über dem Durchschnitt der Netzbetreiber von Elektrizitätsverteilernetzen liegende Anzahl von Zählpunkten eine nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV relevante Besonderheit darstellen kann. Dies hat er damit begründet, dass die Anzahl von Zählpunkten ähnlich wie die in § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ARegV ausdrücklich genannte Anzahl der Anschlusspunkte in der Regel durch Kundenanforderungen vorgegeben und vom Netzbetreiber allenfalls in begrenztem Umfang beeinflussbar ist (Senatsbeschluss vom 9. Oktober 2012 - EnVR 88/10, RdE 2013, 22 Rn. 70 ff. - SWM Infrastruktur GmbH).

40

Für die Anzahl der Messstellen eines Gasverteilernetzes gilt dies gleichermaßen (Senatsbeschluss vom 21. Januar 2014 - EnVR 12/12, RdE 2014, 276 Rn. 114 - Stadtwerke Konstanz GmbH). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt der Umstand, dass die Anzahl der Messstellen und deren Verhältnis zur Anzahl der Ausspeisepunkte bei der Entwicklung des Modells für den Effizienzvergleich als nicht signifikant eingestuft worden ist, nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

41

Die Bereinigung des Effizienzwerts gemäß § 15 Abs. 1 ARegV dient gerade dazu, Umständen Rechnung zu tragen, die in die Berechnung des Effizienzwerts nicht eingeflossen sind. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV setzt eine Bereinigung unter anderem voraus, dass die Besonderheiten im Effizienzvergleich durch die Auswahl der Parameter nach § 13 Abs. 3 und 4 ARegV nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Angesichts dessen darf eine Bereinigung des Effizienzwerts nicht deshalb abgelehnt werden, weil dem in Rede stehenden Umstand bei der dem Effizienzvergleich zugrundeliegenden generalisierenden Betrachtung keine signifikante Bedeutung zukommt (Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2014 - EnVR 25/12, juris Rn. 51).

42

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ergibt sich aus dem in § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV normierten Tatbestandsmerkmal einer nicht hinreichenden Berücksichtigung der Besonderheit im Effizienzvergleich nichts anderes. Die Bedeutung dieses Kriteriums erschöpft sich nach der Rechtsprechung des Senats darin, dass es sich bei der von dem Netzbetreiber geltend gemachten Besonderheit der Versorgungsaufgabe um eine solche - untypische - Besonderheit handeln muss, die in den für den Effizienzvergleich herangezogenen Vergleichsparametern nicht berücksichtigt wird (Senatsbeschluss vom 9. Oktober 2012 - EnVR 88/10, RdE 2013, 22 Rn. 62 - SWM Infrastruktur GmbH). Dies ist im Hinblick auf die Anzahl der Messstellen und deren Verhältnis zur Anzahl der Ausspeisepunkte - was auch die Bundesnetzagentur nicht in Abrede stellt - der Fall.

43

bb) Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die Annahme des Beschwerdegerichts wendet, die Betroffene habe hinreichend nachgewiesen, dass die überdurchschnittliche Anzahl von Messstelleneinrichtungen pro Ausspeisepunkte die nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ARegV ermittelten Kosten um mindestens drei Prozent (§ 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV in der bis 21. August 2013 geltenden Fassung) erhöht.

44

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats können Mehrkosten nur insoweit berücksichtigt werden, als sie durch die in Rede stehende Besonderheit der Versorgungsaufgabe verursacht werden. Besteht die Besonderheit darin, dass eine mit hohen Kosten verbundene Leistung überdurchschnittlich häufig erbracht werden muss, genügt es deshalb nicht, die Mehrkosten allein anhand der Zahl der Leistungseinheiten und der für eine Leistungseinheit durchschnittlich anfallenden Kosten zu berechnen. Vielmehr ist darzulegen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen, in welchem Umfang die Kosten für diese Leistung - hier die Einrichtung und der Betrieb von Messstellen - gerade dadurch angestiegen sind, dass ihr Anteil an den insgesamt erbrachten Leistungen größer ist, als dies dem Durchschnitt entspricht (BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - EnVR 88/10, RdE 2013, 22 Rn. 76 f. - SWM Infrastruktur GmbH und vom 7. Oktober 2014 - EnVR 25/12 Rn. 57). Erforderlich ist ein Nachweis der Mehrkosten, die gerade dadurch entstehen, dass die Anzahl der Messstellen pro Ausspeisepunkt über dem Durchschnitt liegt. Maßgeblich ist insoweit die Kostensituation des betroffenen Netzbetreibers (Senatsbeschluss vom 9. Oktober 2012 - EnVR 86/10, ZNER 2012, 609 Rn. 30).

45

(2) Von diesen Maßgaben ist das Beschwerdegericht im Kern ausgegangen. Seine Entscheidung kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur eingeschränkt überprüft werden. Lediglich wenn die ihr zugrunde liegende Würdigung unvollständig oder widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, darf das Rechtsbeschwerdegericht eine solche Wertung beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2013 - EnVR 33/12, RdE 2014, 113 Rn. 25 mwN - Festlegung Tagesneuwerte). Dies ist hier der Fall.

46

(a) Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, dass das Vorbringen der Betroffenen zum Nachweis der in § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV normierten Voraussetzungen den Anforderungen der Senatsrechtsprechung genügt.

47

Die Betroffene hat nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts die Mehrkosten auf Basis des variablen Kostenanteils berechnet, indem sie in einem ersten Schritt die tatsächliche Höhe der variablen Kostenanteile pro Zählpunkt ermittelt und sodann in einem zweiten Schritt daraus durch schlichte Multiplikation die Differenz zwischen den Kosten für 2,87 Zählpunkte pro Ausspeisepunkt und 1,2 Zählpunkten pro Ausspeisepunkt gebildet hat; diese Differenz (Mehrkosten pro Ausspeisepunkt) hat sie schließlich mit der Anzahl der Ausspeisepunkte multipliziert. Diese - auf einer pauschalen Grundlage beruhende und diesen Ansatz nicht verlassende - Berechnung eines anhand der variablen Kosten ermittelten Durchschnittswerts genügt zum Nachweis der in § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV normierten Voraussetzungen nicht. Die Betroffene hätte vielmehr darlegen und unter Beweis stellen müssen, in welchem Umfang die Kosten für die Messstellen gerade dadurch angestiegen sind, dass pro Ausspeisepunkt mehr Messstellen vorhanden sind, als dies dem Durchschnitt entspricht. Der Ansatz der genehmigten Preise ist dafür selbst dann ungeeignet, wenn diese die durchschnittlichen Kosten einer Messstelle widerspiegeln. Aus dieser Berechnungsweise ergibt sich nämlich nicht, ob die Kosten einer Messstelle an einem Ausspeisepunkt, dem weitere Messstellen zugeordnet sind, diesen durchschnittlichen Kosten entsprechen oder ob sie - zum Beispiel im Hinblick auf die mit der Zuordnung zu einem gemeinsamen Ausspeisepunkt zu erwartende räumliche Nähe der Messstellen oder wegen anderer Besonderheiten - deutlich geringer sind. Erforderlich wäre ein Nachweis der Mehrkosten, die gerade dadurch entstehen, dass die Anzahl von Messstellen pro Ausspeisepunkt über dem Durchschnitt liegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - EnVR 88/10, RdE 2013, 22 Rn. 77 - SWM Infrastruktur GmbH und EnVR 86/10, ZNER 2012, 609 Rn. 25). Dies hätte etwa dadurch geschehen können, dass die Kosten für Messstellen an Ausspeisepunkten, denen keine weiteren Messstellen zugeordnet sind, den Kosten für Messstellen an den sonstigen Ausspeisepunkten gegenübergestellt werden.

48

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ergeben sich daraus - auch im Hinblick auf die Anzahl von über 200.000 Messstellen - keine unzumutbaren Anforderungen an die Darlegungslast des Netzbetreibers. Der Nachweis einer relevanten Kostensteigerung obliegt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ARegV dem Netzbetreiber. Er trägt deshalb das Risiko der Nichterweislichkeit (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - EnVR 86/10, ZNER 2012, 609 Rn. 31). Der Aufwand, der mit dem Nachweis der Mehrkosten verbunden ist, kann im Grundsatz nicht zu einer Herabsetzung der Anforderungen an diesen Nachweis führen.

49

(b) Entgegen der Rechtsbeschwerde ist es dagegen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht für die anteilige Berechnung der Kapitalkosten des Messstellenbetriebs auf die Wiederbeschaffungswerte aller Messgeräte abgestellt hat. Insoweit ist zwar zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Berechnung der Mehrkosten im Hinblick auf die kalkulatorischen Abschreibungen der Altanlagen nach den Maßgaben des § 6 Abs. 2 GasNEV auf Basis der historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu erfolgen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2014 - EnVR 25/12, Rn. 61). Dies gilt indes nur für die Berechnung der Mehrkosten als solche. Steht wie hier nur der Anteil der Kapitalkosten des Messstellenbetriebs an den gesamten Kapitalkosten in Rede, ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn dieser Anteil auf einem anderen Weg ermittelt wird. Dass dies hier nicht sachgerecht gewesen ist und zu einem unrichtigen Ergebnis geführt hat, hat die Rechtsbeschwerde nicht dargelegt.

50

(c) Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Beschwerdegerichts wendet, es sei - insoweit dem Vorbingen der Betroffenen folgend - von einem Durchschnittswert von 1,2 Messstellen pro Ausspeisepunkt auszugehen, während die erstmals in dem letzten Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erhobene Behauptung der Bundesnetzagentur, der Durchschnittswert liege tatsächlich bei 1,51, als unsubstantiiertes Bestreiten des Vorbingens der Betroffenen anzusehen sei, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Beschwerdegericht damit gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 82 Abs. 1 EnWG, gegen die Erörterungspflicht nach § 82 Abs. 2 EnWG oder gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen hat. Das Beschwerdegericht wird sich in der neuen Verhandlung mit dem gegebenenfalls noch zu vertiefenden Vorbringen der Bundesnetzagentur erneut auseinandersetzen müssen.

51

(d) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Beschwerdegericht habe nicht ohne weitere Untersuchungen von dem Vortrag der Betroffenen ausgehen dürfen, dass keine Synergieeffekte bei mehreren Messstellen pro Ausspeisepunkt entstünden. Das Beschwerdegericht hat seine Feststellung, die sich allerdings lediglich auf die Messstellenablesung bezieht, im Rahmen der freien Würdigung der ihm vorliegenden Beweise getroffen. Damit berührt die Rüge den Kernbereich der tatrichterlichen Würdigung, die in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur eingeschränkt überprüft werden kann. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Rechtsbeschwerde verweist insbesondere auf kein Vorbringen der Bundesnetzagentur in der Tatsacheninstanz, das vom Beschwerdegericht übergangen worden ist. Vielmehr hat die Bundesnetzagentur zu den Synergieeffekten nur allgemeine Angaben zur Gesamtheit der von ihr untersuchten Netze vorgetragen, die die Feststellungen des Beschwerdegerichts zu dem konkreten Netz der Betroffenen nicht in Frage stellen können und einen Rechtsfehler der tatrichterlichen Würdigung nicht aufzuzeigen vermögen.

52

(e) Schließlich ist auch die Feststellung des Beschwerdegerichts, der Mehrkostennachweis beziehe Verwaltungsgemeinkosten, soweit sie die "Ausstattung" beträfen, nicht mit ein, nicht zu beanstanden. Soweit die Rechtsbeschwerde insoweit rügt, dies entspreche nicht dem Vortrag der Betroffenen, trifft dies nicht zu. In dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Schriftsatz der Betroffenen vom 3. Mai 2013 wird dargelegt, dass "die Abschreibungen für Büro- und Geschäftsausstattung" als fixe Kostenbestandteile bewertet worden und somit nicht in die Mehrkostenberechnung eingeflossen sind. Soweit die Betroffene andere Verwaltungsgemeinkosten anteilig variablen Kostenbestandteilen zugeordnet hat, betrifft dies nach dem Inhalt des Schriftsatzes der Betroffenen vom 3. Mai 2013 nicht die Abschreibungen für Büro- und Geschäftsausstattung.

III.

53

Die Sache ist demnach an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens übertragen ist. Das Beschwerdegericht wird der Betroffenen Gelegenheit geben müssen, ihr Vorbringen zu den Mehrkosten zu ergänzen.

Limperg                     Strohn                        Grüneberg

                 Bacher                    Deichfuß

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags von einem selbständig tätigen Elternteil.

2

Der Kläger ist Vater einer heute 17-jährigen Tochter, die bereits kurz nach ihrer Geburt in einer Pflegefamilie untergebracht wurde. Das Jugendamt der Beklagten kam aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen, insbesondere des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2006, zu dem Ergebnis, dass der Kläger kostenbeitragspflichtig sei. Es setzte mit Bescheid vom 16. April 2009 einen vorläufigen Kostenbeitrag in Höhe von 425 € monatlich (rückwirkend) ab 1. April 2008 fest.

3

Der Kläger hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Höhe des Kostenbeitrags gewandt und die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 sowie diverse weitere Belege nachgereicht. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte eine erneute Berechnung durchgeführt und mit Schriftsatz vom 8. September 2011 erklärt, dass für das Jahr 2008 ein monatlicher Kostenbeitrag in Höhe von 575 € und für das Jahr 2009 in Höhe von 185,83 € zu fordern sei. Die Neuberechnung hat der Kläger mit dem Argument angefochten, dass tatsächlich geleistete Einkommenssteuer- und Gewerbesteuerzahlungen zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien.

4

Das Verwaltungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Kostenbeitragsvorschriften seien zu unbestimmt, um bei Selbständigen einen Kostenbeitrag erheben zu können. Die gesetzlichen Regelungen träfen keine Anordnung darüber, welcher Zeitraum für die Erfassung der der Einkommensermittlung zugrunde liegenden Faktoren maßgeblich sein solle. Der maßgebliche Zeitraum sei auch nicht durch Auslegung zu bestimmen. Die Praxis der Jugendämter sei uneinheitlich. Auch werde die Frage, ob für die Beitragserhebung ein monatliches Durchschnittseinkommen zu bilden sei, von den Gerichten unterschiedlich beantwortet. Unabhängig davon sei der angegriffene Bescheid deswegen rechtswidrig, weil er eine vorläufige Kostenbeitragsfestsetzung treffe. Dafür fehle die erforderliche Rechtsgrundlage. Eine analoge Anwendung von § 165 AO komme nicht in Betracht. Außerdem genüge der Bescheid nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die an vorläufige Verwaltungsakte zu stellen seien.

5

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor, dass die gesetzlichen Vorschriften für die Beitragserhebung hinreichend bestimmt seien. Der Kostenbeitrag müsse bei Selbständigen wie im Unterhaltsrecht aufgrund des durchschnittlichen Einkommens der letzten drei Jahre ermittelt werden. Solange die maßgeblichen Einkommensteuerbescheide nicht vorlägen, sei eine vorläufige Beitragserhebung zulässig und notwendig. Im vorliegenden Fall sei die vorläufige Beitragsfestsetzung indes mit Schriftsatz vom 8. September 2011 abgeändert worden, so dass nur noch die endgültig festgesetzte Beitragshöhe für die Jahre 2008 und 2009 im Streit stehe.

6

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und führt im Wesentlichen aus, im Kostenbeitragsrecht fehle eine Regelung zu dem für die Einkommensberechnung maßgeblichen Zeitraum. Diese Lücke könne auch nicht durch Analogie geschlossen werden, da der Gesetzgeber sowohl die Fortgeltung unterhaltsrechtlicher Regelungen als auch die Anwendung sozialhilferechtlicher Berechnungsvorschriften ausgeschlossen habe. Der Rückgriff auf die im Sozialhilferecht geltenden Berechnungsregelungen überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung. Darüber hinaus fehle es für eine vorläufige Kostenbeitragsfestsetzung an einer Ermächtigungsgrundlage. Der umstrittene vorläufige Beitragsbescheid sei auch nicht durch die im Prozess vorgelegte Neuberechnung obsolet geworden. Sollte man dies anders sehen, habe der Kläger die Neuberechnung jedenfalls umgehend angegriffen.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, dass sich das für die Kostenbeitragserhebung maßgebliche Einkommen durch Auslegung ermitteln lasse.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich das für die Beitragserhebung maßgebliche Einkommen bei Selbständigen nicht bestimmen lasse, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Kostenbeitragspflicht des Klägers vom 1. April 2008 bis 31. Dezember 2009 (a). Der Beklagte hat für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 16. April 2009 zunächst eine vorläufige Regelung der Kostenbeitragshöhe getroffen, die er später mit Schriftsatz vom 8. September 2011 in eine endgültige Beitragsfestsetzung für das Jahr 2008 in Höhe von 525 € und für das Jahr 2009 in Höhe von 185,83 € abgeändert hat. Der so geänderte Ausgangsbescheid ist Gegenstand des Klageverfahrens geworden (b).

10

a) Der Bescheid vom 16. April 2009 ist dahin auszulegen, dass mit ihm eine Kostenbeitragspflicht bis Ende des Jahres 2009 begründet wurde. Das Verwaltungsgericht hat zwar nicht festgestellt, dass der vorläufige Bescheid nur eine bis Ende 2009 begrenzte Regelung enthielt. Das Revisionsgericht darf jedoch den Inhalt des umstrittenen Verwaltungsakts selbst auslegen, sofern es hierzu - wie im vorliegenden Fall - keiner neuen Tatsachenermittlungen bedarf, die über den aus den Akten ersichtlichen Wortlaut des Verwaltungsakts hinausgehen (Urteil vom 26. August 2010 - BVerwG 3 C 35.09 - BVerwGE 137, 377 Rn. 13 = Buchholz 11 Art. 34 GG Nr. 5 Rn. 13). Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB nicht der innere Wille der Behörde maßgebend, sondern der in der Erklärung zum Ausdruck kommende, also der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. Urteile vom 18. Juni 1980 - BVerwG 6 C 55.79 - BVerwGE 60, 223 <228 f.> = Buchholz 448.0 § 25a WPflG Nr. 2 S. 5 f. und vom 26. August a.a.O. Rn. 12).

11

Der vorläufige Beitragsbescheid bezog sich nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur auf die Zeit ab 1. April 2008 und nennt für die Dauer der Beitragsverpflichtung keine auf einen bestimmten Zeitpunkt festgelegte Begrenzung. Da nach der dem Kläger bekannten Berechnungspraxis des Beklagten für die Ermittlung der Höhe der Beitragspflicht auf das Durchschnittseinkommen der vorangegangenen drei Jahre abzustellen war und lediglich Unterlagen für die Jahre 2007 und 2008 nachgefordert wurden, ist hinreichend deutlich erkennbar, dass die im Bescheid begründete Zahlungsverpflichtung im Dezember 2009 auslaufen sollte. In der Revisionsverhandlung haben beide Parteien bestätigt, dass der Bescheid ihres Erachtens entsprechend zu verstehen sei.

12

b) Die Beklagte hat während des erstinstanzlichen Verfahrens durch die in ihrem Schriftsatz vom 8. September 2011 enthaltene Erklärung den Bescheid vom 16. April 2009 insoweit geändert, als von den vorläufig erhobenen Kostenbeiträgen abweichende Beiträge endgültig festgesetzt worden sind. Zwar sind im Prozess abgegebene Äußerungen und Erklärungen von Beteiligten, insbesondere auch schriftsätzliche Äußerungen, in erster Linie auf den Fortgang des Rechtsstreits und nur ausnahmsweise auch auf die Änderung der materiellen - streitigen - Rechtslage gerichtet. Verbindliche Erklärungen zur Änderung der streitigen Rechtslage führen, soweit ihr Verpflichtungsinhalt reicht, zur Erledigung eines auf entsprechende Verpflichtung gerichteten Rechtsstreits. Deshalb müssen besondere Umstände vorliegen, um annehmen zu können, ein Prozessbeteiligter wolle sich durch eine schriftsätzliche Äußerung materiell-rechtlich binden (Urteil vom 7. Februar 1986 - BVerwG 4 C 28.84 - BVerwGE 74, 15 <17> = Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 231 S. 149).

13

Im vorliegenden Fall kommt der Wille der Beklagten, gegenüber dem Prozessgegner eine verbindliche Änderung der streitigen Rechtslage herbeizuführen, eindeutig zum Ausdruck. Der Bescheid vom 16. April 2009 sah die Erhebung eines vorläufigen Kostenbeitrags in Höhe von 425 € bis zur Berechnung des Beitrags auf der Grundlage von vom Kläger einzureichender Unterlagen über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse für die Jahre 2008 und 2009 vor. Nachdem der Kläger die angeforderten Unterlagen vorgelegt hatte, wird in dem Schriftsatz vom 8. September 2011 das Ergebnis der angekündigten Berechnung mitgeteilt. Es wird nicht lediglich in Gestalt einer Wissensmitteilung das Ergebnis einer Berechnung präsentiert. Vielmehr wird der Wille, dass für das Jahr 2008 ein Beitrag von 525 € und für das Jahr 2009 ein Betrag von 185,83 € monatlich zu fordern sei, bereits eingangs formuliert und am Ende des Schriftsatzes vom 8. September 2011 nochmals ähnlich wie ein Bescheidtenor durch Fettdruck hervorgehoben. Diese mit keinerlei Einschränkungen, Abschwächungen oder Vorbehalten verbundene Willenserklärung musste der Kläger als die verbindliche Abänderung der Kostenbeitragshöhe ansehen, die die Beklagte im Bescheid vom 16. April 2009 ausdrücklich angekündigt hatte. Bei verständiger Würdigung war nicht davon auszugehen, dass die Beklagte gleichsam wider besseres Wissen prozessual an einer auf veralteten Berechnungsgrundlagen beruhenden und damit nach ihrer eigenen Ansicht rechtswidrig gewordenen vorläufigen Beitragserhebung festhalten wollte. Vielmehr ist im Schriftsatz vom 8. September 2011 die Absicht erkennbar, eine erneute und endgültige Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NW in Bezug auf die umstrittene Kostenbeitragshöhe für die Jahre 2008 und 2009 zu treffen.

14

Davon ist anscheinend auch der Kläger ausgegangen, der mit seiner Replik vom 6. Oktober 2011 ausschließlich die Neuberechnung angegriffen und die darin fehlende Berücksichtigung der von ihm geleisteten Einkommens- und Gewerbesteuerzahlungen moniert hat. Darin liegt jedenfalls eine den Änderungsbescheid erfassende Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, auf die sich die Beklagte rügelos eingelassen hat. Folglich kommt es auf die Frage, ob auch eine nach § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 264 ZPO zulässige Antragserweiterung vorliegt, nicht an.

15

2. Soweit das Verwaltungsgericht den Kostenbeitragsbescheid der Beklagten aufgehoben hat, beruht dies auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts genügen die für die Kostenbeitragserhebung maßgeblichen Rechtsvorschriften dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Insbesondere kann das Einkommen auch bei Selbständigen durch Auslegung der für die Jahre 2008 und 2009 jeweils maßgeblichen §§ 93 und 94 des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1163), in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) - für das Jahr 2008 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2403) - für das Jahr 2009 - in der Folge: SGB VIII) bestimmt werden.

16

a) Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger in den Jahren 2008 und 2009 dem Grunde nach kostenbeitragspflichtig gewesen ist. Da seine Tochter Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII erhalten hat, sind nach § 91 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a SGB VIII Kostenbeiträge zu erheben. Die Eltern werden hierbei getrennt entsprechend ihrem Einkommen unter Berücksichtigung ihrer Belastungen und ihrer sonstigen Unterhaltspflichten durch Leistungsbescheid zu einem Kostenbeitrag herangezogen (vgl. §§ 92 bis 94 SGB VIII). Ein Kostenbeitrag kann vom Kläger seit Juli 2007 erhoben werden, weil er nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Ende Juni 2007 über die Hilfegewährung und die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter aufgeklärt worden ist (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII).

17

b) Es trifft jedoch nicht zu, dass sich das für die Beitragserhebung maßgebliche Einkommen des Klägers nicht durch Auslegung der §§ 93, 94 SGB VIII bestimmen lässt. Diese Vorschriften genügen dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 <263>; Beschluss vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396>). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung nimmt ihr jedoch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit. Dies gilt auch für Bestimmungen, auf deren Grundlage der Betroffene zu finanziellen Leistungen herangezogen wird (vgl. Urteil vom 1. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 4.04 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 100 Rn. 49). Der Normgeber braucht nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Vielgestaltigkeit der zu erfassenden Vorgänge oft nicht in der Lage. Vielmehr ist es Sache der Behörden und Gerichte, die bei der Gesetzesauslegung mangels ausdrücklicher Regelungen auftretenden Zweifelsfragen mithilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten (BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 397; BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2005 a.a.O.).

18

Nach diesen Maßstäben genügt es, dass der Gesetzgeber in § 91 SGB VIII die für das Entstehen der Kostenbeitragspflicht maßgeblichen Umstände festgelegt hat. Der Kostenbeitragspflichtige wird zusätzlich durch die in § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII enthaltene Aufklärungspflicht auf das Entstehen der Zahlungspflicht hingewiesen. Ferner wird der Umfang der Kostenbeitragsschuld vom Gesetzgeber hinreichend genau umrissen. In § 93 SGB VIII wird die grundlegende Entscheidung getroffen, dass die Höhe des Kostenbeitrags vom bereinigten Nettoeinkommen des Pflichtigen und damit von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängig ist. Dabei werden sowohl die in Ansatz zu bringenden Einkünfte (§ 93 Abs. 1 SGB VIII) als auch die zu berücksichtigenden Belastungen näher präzisiert (§ 93 Abs. 2 und 3 SGB VIII). Sodann wird in § 94 SGB VIII bestimmt, dass der Kostenbeitrag in angemessener Höhe durch einkommensabhängig gestaffelte Pauschalbeträge nach Maßgabe der Kostenbeitragsverordnung zu erheben ist. Damit werden alle wesentlichen Entscheidungen zur Höhe des Kostenbeitrags durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes getroffen.

19

Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber nicht jede sich im Einzelfall bei der Ermittlung der Kostenbeitragshöhe stellende Frage ausdrücklich entschieden hat. Insbesondere bei der Auslegung des unbestimmten Begriffs des Einkommens bestehen Zweifelsfragen hinsichtlich des maßgeblichen Zeitraums und der damit verbundenen Frage der Durchschnittsbildung. § 93 Abs. 1 SGB VIII beschränkt sich darauf, die anzurechnenden Einkünfte zu umschreiben, ohne die Details der Einkommensberechnung explizit zu regeln. Diese Fragen lassen sich jedoch - wie der Senat im Urteil vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - (NJW 2013, 629 = juris Rn. 18 f.) ausgeführt hat - mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Berücksichtigung der Gesetzessystematik, und im Wege richterlicher Rechtsfortbildung beantworten.

20

Soweit die Gesetzesauslegung nicht zu einer endgültigen Gewissheit mit Blick auf die bei der Einkommensermittlung anzulegenden Maßstäbe führt, enthält das Gesetz eine planwidrige Lücke, die durch eine analoge Anwendung von im Sozialhilferecht geltenden Grundsätzen über die Berechnung des Einkommens zu schließen ist. Das Gesetz erweist sich insbesondere insoweit als lückenhaft, als es an Einzelheiten über Ermittlung des Einkommens fehlt, wie sie für das Sozialhilferecht in der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (VO zu § 82 SGB XII) vom 28. November 1962 (BGBl I S. 692), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818), geregelt sind. Diese Lücke entspricht nicht dem gesetzgeberischen Willen. Die hier anwendbaren Fassungen des § 93 SGB VIII gehen u.a. zurück auf das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729). Im Rahmen des dieses Regelungswerk betreffenden Gesetzgebungsverfahrens war vorgesehen, in § 93 SGB VIII eine Regelung aufzunehmen, nach der für die Berechnung des Einkommens die Bestimmungen der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend gelten (vgl. BTDrucks 15/3676 S. 16). Eine solche Regelung hat keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Dabei ging der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass die jugendhilferechtlichen Bestimmungen zur Ermittlung des Einkommens ausreichen. Dies ist hingegen nicht der Fall, soweit es an Bestimmungen über die Berechnung des Einkommens fehlt, wie sie im Sozialhilferecht vorhanden sind. Dies gebietet eine - wenn auch eingeschränkte - analoge Anwendung der einschlägigen sozialhilferechtlichen Normen über die Einkommensermittlung.

21

§ 93 Abs. 1 SGB VIII enthält zwar einen eigenständigen jugendhilferechtlichen Einkommensbegriff (vgl. BTDrucks 16/9299 S.19). Die darin enthaltene Definition des Einkommens ist jedoch der Einkommensdefinition des Sozialhilferechts nachgebildet (vgl. § 76 Abs. 1 BSHG 2002, § 82 Abs. 1 SGB XII und § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Angesichts der deutlichen Parallelen zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch liegt es daher nahe, zur Lückenschließung auf die Berechnungsmethoden des Sozialhilferechts zurückzugreifen. Zwar scheidet eine pauschale Übernahme der gesamten sozialhilferechtlichen Berechnungsvorschriften aus, weil der Gesetzgeber - wie aufgezeigt - den im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen Verweis auf die sozialhilferechtliche Einkommensberechnungsverordnung nicht übernommen hat. Jedoch können die im Sozialhilferecht geltenden Einkommensberechnungsregeln sinngemäß Anwendung finden, wenn sie dem gesetzgeberischen Ziel einer einfachen und schnellen Einkommensberechnung Rechnung tragen und wenn sie mit den sonstigen Besonderheiten des jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsrechts im Einklang stehen (Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 18).

22

An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Entgegen der Auffassung des Klägers überschreitet der Senat nicht die von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gezogenen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Eine Verletzung dieser Grenzen liegt insbesondere nicht darin, dass die entsprechende Anwendung sozialhilferechtlicher Bestimmungen bei der Einkommensermittlung in krassem Widerspruch zu den einschlägigen jugendhilferechtlichen Bestimmungen stände (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 <209>). Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Analogie ein anerkanntes und verfassungsmäßiges methodisches Instrument richterlicher Rechtsfortbildung ist und hier - wie aufgezeigt - die Voraussetzungen eines Analogieschlusses gegeben sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6 <11 ff.>). In der entsprechenden Anwendung sozialhilferechtlicher Bestimmungen liegt kein von der Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung nicht gedeckter Wechsel des vom Gesetzgeber vorgesehenen Systems der Berechnung des Einkommens im Jugendhilferecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 a.a.O. <211 ff.>). Insbesondere verhält es sich nicht so, dass der Gesetzgeber durch den Verzicht auf die ursprünglich vorgesehene Bezugnahme auf die Bestimmungen der Durchführungsverordnung zu § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ein Berechnungssystem begründen wollte, das eine entsprechende Anwendung jener Regelungen ausschließt. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Definition des Einkommens in § 93 Abs. 1 SGB VIII unverändert gelassen und damit die Anlehnung des jugendhilferechtlichen Einkommensbegriffs an den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff nicht aufgegeben. Mit der Streichung des Verweises auf die sozialhilferechtliche Berechnungsverordnung hat er das Näheverhältnis lediglich gelockert. Diesem gesetzgeberischen Modell trägt der Senat Rechnung, indem er die sozialhilferechtlichen Berechnungsgrundsätze nur anwendet, wenn und soweit sie mit den Besonderheiten des jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsrechts in Einklang stehen.

23

c) Nach diesen Maßstäben kann auch das Einkommen Selbständiger ermittelt werden. Es begegnet keinen Bedenken, dass die Beklagte bei der Ermittlung des Einkommens im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auf die zum Sozialhilferecht entwickelte Zuflusstheorie zurückgegriffen hat (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 19). Danach gehört zum Einkommen alles, was jemand in der Bedarfs- oder Hilfezeit wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist das, was er in der Bedarfs- oder Hilfezeit bereits hat (vgl. Urteil vom 18. Februar 1999 - BVerwG 5 C 35.97 - BVerwGE 108, 296 <299 f.>). Bei einem selbständig Erwerbstätigen kann indes nicht jede seinem Unternehmen zufließende Einnahme auch als privates Einkommen gewertet werden. Vielmehr steht nur der nach Abzug der betriebsbedingten Ausgaben verbleibende steuerliche Gewinn zur Verwendung als persönliches Einkommen zur Verfügung. Davon geht auch § 4 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 VO zu § 82 SGB XII aus. Der steuerliche Gewinn aus dem Gewerbebetrieb oder aus der freiberuflichen Tätigkeit ist bei Selbständigen häufig nur der wichtigste Teil des jugendhilferechtlich relevanten Einkommens. Es können auch Einkünfte aus anderen Einkommenssteuerarten (z.B. aus Vermietung und Verpachtung) hinzutreten und die für die jugendhilferechtliche Berechnung als Ausgangspunkt maßgebliche Summe der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG erhöhen. Ferner können nicht einkommenssteuerpflichtige Einkünfte (insbesondere Einkommenssteuererstattungen, Entlohnungen für ehrenamtliche Tätigkeiten etc.) nach dem Zuflussprinzip zusätzlich zu berücksichtigen sein.

24

Ebenfalls zutreffend hat die Beklagte für die Kostenbeitragsberechnung auf das bereinigte Monatseinkommen abgestellt. Dies ergibt sich bereits aus der zu § 94 Abs. 5 SGB VIII erlassenen Kostenbeitragsverordnung, deren Anlage auf das bereinigte Monatseinkommen Bezug nimmt (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 19). Maßgeblich kann jedoch nicht der in jedem einzelnen Monat exakt erzielte Einkommenszufluss sein, weil bei Selbständigen berufsbedingte Einnahmen und Ausgaben monatsweise häufig stark schwanken. Der Senat hat jedoch bereits im Fall eines angestellten Kostenbeitragspflichtigen entschieden, dass eine Verpflichtung zu einer streng an den jeweiligen Monatsbezügen ausgerichteten Einzelberechnung dem im Jugendhilferecht geltenden Grundsatz der einfachen und schnellen Einkommensberechnung widerspräche (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 20). Für selbständige Kostenbeitragspflichtige ist daher erst recht auf das durchschnittliche Monatseinkommen abzustellen. Dementsprechend sehen auch die Regelungen des Sozialhilferechts bei Selbständigen die Ermittlung eines monatlichen Durchschnittseinkommens vor. Nach § 4 Abs. 2 VO zu § 82 SGB XII sind bei Selbständigen die Einkünfte für das Jahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liegt. Als Monatseinkommen gilt der zwölfte Teil der Jahreseinkünfte (vgl. § 11 Abs. 1 VO zu § 82 SGB XII). Diese Regelungen können entsprechend im Jugendhilferecht herangezogen werden, weil eine vergleichbare Interessenlage besteht. Eines Rückgriffs auf die davon abweichende unterhaltsrechtliche Ermittlung des durchschnittlichen Monatseinkommens bedarf es - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht. Auch wäre damit für die endgültige Festsetzung des Kostenbeitrags keinerlei Verwaltungsvereinfachung verbunden.

25

Für die endgültige Kostenbeitragserhebung ist das Einkommen maßgeblich, das im Zeitraum der Durchführung der beitragspflichtigen Hilfemaßnahme, also im Hilfe- oder Bedarfszeitraum, erzielt wird. Denn der Kostenbeitrag der Eltern tritt an die Stelle der Unterhaltspflicht, solange der Jugendhilfeträger im Rahmen der Hilfemaßnahme den Unterhalt abdeckt. Anhaltspunkte dafür, dass für die Kostenbeitragspflicht frühere oder spätere Einkommenszeiträume maßgeblich sein könnten, enthält das Gesetz nicht. Die Betrachtung anderer Einkommenszeiträume würde die Gefahr zu hoher finanzieller Belastungen in sich bergen und die Lebensbedingungen der Familien - entgegen dem Gesetzeszweck des § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII - übermäßig belasten. Daher kann auch bei Selbständigen für die abschließende Kostenbeitragsberechnung nur das tatsächlich im Hilfezeitraum erzielte monatliche Durchschnittseinkommen ausschlaggebend sein. Dies schließt es nicht aus, bei Beginn der Beitragserhebung als Prognosegrundlage für das zu erwartende monatliche Durchschnittseinkommen auf ein in der Vergangenheit erzieltes monatliches Durchschnittseinkommen zurückzugreifen (Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 21 f.).

26

Nach allem ist auch bei Selbständigen eine Einkommensermittlung nach § 93 Abs. 1 SGB VIII grundsätzlich möglich. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht.

27

3. Auf diesem Bundesrechtsverstoß beruht die angegriffene Entscheidung auch. Das Verwaltungsgericht hat für den Zeitraum von April 2008 bis Dezember 2009 die Einkommensberechnung nicht überprüft und die von den Parteien zur Höhe des Einkommens aufgestellten Tatsachenbehauptungen und die vorgelegten Beweismittel nicht gewürdigt. Auf die vom Verwaltungsgericht zusätzlich für die Aufhebung des Bescheids gegebene Begründung, dass eine vorläufige Kostenbeitragserhebung generell oder jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht zulässig sei, kommt es nicht an. Wie ausgeführt hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. September 2011 die vorläufige Kostenbeitragserhebung durch eine endgültige Beitragserhebung ersetzt. Da eine tatrichterliche Überprüfung dieser endgültigen Beitragsfestsetzung nicht stattgefunden hat, ist der Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

28

Dabei wird das Verwaltungsgericht zu beachten haben, dass nach § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII "auf das Einkommen gezahlte Steuern" abzuziehen sind. Nach dem in dieser Bestimmung enthaltenen Tatsächlichkeitsprinzip sind die entrichteten einkommensbezogenen Steuern grundsätzlich in der tatsächlich geleisteten Höhe anzurechnen. Unter den Begriff der auf das Einkommen gezahlten Steuern können nach dem Zweck des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII auch tatsächlich geleistete Einkommensteuervorauszahlungen fallen (Urteil vom 11. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 23 f.). Allerdings müssen sich die einkommensbezogenen Steuern oder Vorauszahlungen auf das im maßgeblichen Jahr erwirtschaftete Einkommen beziehen und dürfen nicht bereits bei den Betriebsausgaben abgesetzt worden sein. Werden - wie vorgetragen - auch Steuerrückstände aus Vorjahren getilgt, muss über die Anrechnung dieser Schuldverpflichtungen nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 4 SGB VIII entschieden werden.

29

Soweit der Kläger Gewerbesteuern entrichtet hat, handelt es sich nicht um auf das Einkommen gezahlte Steuern im Sinne des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII. Denn die Gewerbesteuer stellt eine auf das Unternehmen gerichtete Real- oder Objektsteuer (§ 3 Abs. 2 AO) dar. Zwar konnte sie bis zum Jahr 2007 als Betriebsausgabe von den Betriebseinnahmen abgezogen werden, so dass sie den für die Einkommensberechnung nach § 92 Abs. 1 SGB VIII maßgeblichen Gewinn minderte. Seit dem Jahr 2008 ist ein solcher Abzug aber nach § 4 Abs. 5b EStG nicht mehr statthaft. Das bedeutet jedoch nicht, dass Gewerbesteuern oder Gewerbesteuervorauszahlungen seither unberücksichtigt bleiben könnten. Vielmehr gehören sie zu den mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII, sofern sie im Berechnungsjahr entstanden sind. Bei der Rückführung von Gewerbesteuerschulden aus Vorjahren ist wie bei Einkommensteuerrückständen eine Anrechnung nach Maßgabe der § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 4 SGB VIII möglich.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

23
(2) Die Wettbewerbsbezogenheit einer Bestimmung ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer Marktbezogenheit i.S. des § 4 Nr. 11 UWG. Eine Marktbezogenheit im Sinne dieser Bestimmung liegt nur dann vor, wenn die Vorschrift, gegen die der Wettbewerber bei seinem geschäftlichen Handeln verstößt , eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion aufweist (st. Rspr.; vgl. BGHZ 150, 343, 347 - Elektroarbeiten; BGH, Urt. v. 29.6.2006 - I ZR 171/03, GRUR 2007, 162 Tz. 11 = WRP 2007, 177 - Mengenausgleich in Selbstentsorgergemeinschaft; Urt. v. 26.2.2009 - I ZR 222/06, GRUR 2009, 883 Tz. 11 = WRP 2009, 1092 - MacDent). Daran fehlt es etwa dann, wenn eine Vorschrift lediglich bestimmte Unternehmen von bestimmten Märkten fernhalten oder die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs festlegen soll (vgl. BGHZ 150, 343, 347 - Elektroarbeiten; BGH, Urt. v. 26.9.2002 - I ZR 293/99, GRUR 2003, 164, 166 = WRP 2003, 1182 - Altautoverwertung).

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

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4. Das für den Staat bestehende Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, dient - wie oben ausgeführt - der Sicherung der Meinungsvielfalt. Es regelt damit die Frage, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Falle ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben. Das Gebot der Staatsferne der Presse stellt damit insoweit, als es auch den Schutz der Mitbewerber und der Verbraucher bezweckt, eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 13.53 f.; v. Walter, Rechtsbruch als unlauteres Verhalten, 2007, S. 61).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.