Bundesgerichtshof Urteil, 14. Feb. 2008 - I ZR 183/05

bei uns veröffentlicht am14.02.2008
vorgehend
Landgericht Köln, 88 O 64/97, 19.09.2002
Oberlandesgericht Köln, 3 U 143/02, 27.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 183/05 Verkündet am:
14. Februar 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 1
Der Begriff des Beförderungsvertrages im Sinne von Art. 1 CMR ist autonom
und damit losgelöst von den nationalen Begrifflichkeiten zu bestimmen. Die Fixkostenspedition
unterfällt dem Geltungsbereich der CMR, unabhängig davon,
ob dies in nationalen (unvereinheitlichten) Rechtsvorschriften ausdrücklich bestimmt
ist.
BGH, Urt. v. 14. Februar 2008 - I ZR 183/05 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. September 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerinnen sind Transportversicherer der B. AG in Köln (im Weiteren : Versicherungsnehmerin). Sie nehmen die Beklagte aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin sowie aus abgetretenem Recht der Warenversenderin wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

2
Die in Angers (Frankreich) ansässige Tochtergesellschaft der P. Europe B.V. (im Weiteren: Versenderin) erteilte der Beklagten im November 1996 im Namen ihrer Muttergesellschaft telefonisch den Auftrag, 20 Paletten mit Notebooks zu festen Kosten von Angers zur Versicherungsnehmerin nach Köln bzw. Langen bei Frankfurt am Main zu befördern. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte als Spediteurin mit der Besorgung des Transports oder als Frachtführerin beauftragt wurde. Die Beklagte führte den Transport nicht selbst durch, sondern betraute damit ihre Streithelferin. Deren Fahrer holte die Ware am 22. November 1996 bei der Z. (im Weiteren: Verkäuferin), einer französischen Tochteroder Schwestergesellschaft der Versenderin, in der Nähe von Angers ab. In der Nacht vom 22. auf den 23. November 1996 wurden auf einem unbewachten Parkplatz an einer Tankstelle zwischen Paris und Maubeuge während der Ruhepause des Fahrers, der sich zur Tatzeit in der Fahrerkabine aufhielt, 158 Kartons mit Notebooks aus dem LKW entwendet. Das gestohlene Gut hatte einen Wert von 582.911 DM (= 298.037,64 €).
3
Die Klägerinnen haben behauptet, sie hätten an ihre Versicherungsnehmerin für den Verlust des Gutes eine Entschädigung in Höhe von 639.667,60 DM gezahlt. Die Beklagte, die einen eigenen Fuhrpark unterhalte, sei - ebenso wie bei vorangegangenen Transporten - als Frachtführerin beauftragt worden. Sie unterliege daher der Haftung nach den Vorschriften der CMR.
4
Die Klägerinnen sind des Weiteren der Auffassung, dass die Beklagte für den eingetretenen Schaden unbeschränkt hafte. Das Abstellen des mit besonders diebstahlgefährdetem Transportgut beladenen LKW auf einem unbewachten Parkplatz sei grob fahrlässig gewesen, weil das Fahrzeug lediglich verplombt gewesen sei und über keine Sicherheitsvorkehrungen (Alarmanlage o.Ä.) verfügt habe. Der Fahrer habe die Möglichkeit gehabt, zwei im näheren Umkreis gelegene bewachte Parkplätze anzufahren.
5
Die Klägerinnen haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie insgesamt 298.037,64 € nebst Zinsen zu zahlen.
6
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der streitgegenständliche Auftrag sei ihr als "commissionaire de transport" erteilt worden. Frachtführerin sei die Streithelferin gewesen, die auch den CMR-Frachtbrief ausgestellt habe. Die Nebenstraßen rund um Paris seien seinerzeit aufgrund von Blockaden der Autobahnen durch streikende LKW-Fahrer derart überlastet gewesen, dass es dem Fahrer der Streithelferin nicht zuzumuten gewesen sei, weitere 20 km bis zu einem angeblich bewachten Parkplatz zurückzulegen, um dort die vorgeschriebene Ruhepause zu verbringen. Unter den damals gegebenen Umständen könne das Verhalten des Fahrers nicht als grob fahrlässig eingestuft werden.
7
Die Beklagte hat weiterhin behauptet, die Verkäuferin habe der Versicherungsnehmerin nach Bekanntwerden des Diebstahls eine Gutschrift in Höhe des Handelsrechnungsbetrages erteilt.
8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt (OLG Köln TranspR 2007, 316).
9
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerinnen beantragen , das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


10
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 i.V. mit Art. 13 Abs. 1 CMR für begründet erachtet. Dazu hat es - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:
11
Die Klägerinnen seien aktivlegitimiert. Die Ersatzansprüche der Versicherungsnehmerin seien gemäß Art. L 121-12 Code des Assurances auf die Klägerinnen übergegangen, da sie die Versicherungsleistung in Höhe von 639.667,60 DM an die Versicherungsnehmerin gezahlt hätten. Für die Anspruchsberechtigung der Klägerinnen komme es nicht darauf an, ob die Versicherungsnehmerin oder die Versenderin bzw. die Verkäuferin durch den Verlust der Computer geschädigt worden seien, da die Versicherungsnehmerin den Kaufpreis gezahlt habe. Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Verkäuferin sofort nach Bekanntwerden des Diebstahls eine Gutschrift in Höhe des Handelsrechnungsbetrages erteilt habe, brauche nicht geklärt zu werden, weil die Versicherungsnehmerin auch einen Schaden der Verkäuferin im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen könne. Dieses Recht sei auf die Klägerinnen übergegangen, da es von der Abtretungserklärung der Versicherungsnehmerin vom 27. Mai 1997 erfasst werde.
12
Der auf die Klägerinnen übergegangene Schadensersatzanspruch sei gemäß Art. 13 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 CMR begründet. Der Streitfall unterliege dem Anwendungsbereich der CMR, weil die Beklagte unstreitig zu fixen Kosten auf eigene Rechnung tätig geworden sei und ein Speditionsauftrag zu festen Kosten als Beförderungsvertrag i.S. von Art. 1 Abs. 1 CMR gelte. Da die Computeranlagen während des Obhutszeitraums der Beklagten abhandengekommen seien, hafte sie gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR für den Verlust.
13
Die Beklagte könne sich nicht auf Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen nach Art. 17 bis 28 CMR berufen, weil dem Fahrer der Streithelferin ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden zur Last falle, das sich die Beklagte gemäß Art. 3 und Art. 29 Abs. 2 CMR zurechnen lassen müsse. Da das Schuldverhältnis, aus dem die Klägerinnen ihre Ansprüche herleiteten, vor dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 begründet worden sei, stelle die grobe Fahrlässigkeit ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR dar. Es könne offenbleiben, ob nicht schon das Abstellen des mit diebstahlgefährdetem Gut beladenen LKW auf einem unbewachten Parkplatz grob fahrlässig gewesen sei. Jedenfalls sei das weitere Verhalten des Fahrers als grob fahrlässig zu bewerten. Dieser habe ein kontinuierliches Wackeln des LKW wahrgenommen. Dadurch hätte sich ihm der Eindruck aufdrängen müssen, dass ein Einbruch in das Fahrzeug versucht werde. Auch wenn der Fahrer eine persönliche Auseinandersetzung mit den Einbrechern gescheut habe und deshalb nicht sofort ausgestiegen sei, um nachzuschauen, so hätte er doch nicht ganz untätig bleiben dürfen, sondern versuchen müssen, die Täter durch Starten des LKW und Hupen zu vertreiben.
14
Die Beklagte müsse gemäß Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR den Wert des in Verlust geratenen Gutes ersetzen, den es bei der Übernahme gehabt habe.
Dieser Wert habe 582.911 DM (= 298.037,64 €) betragen. Der Zinsanspruch folge aus Art. 27 CMR.
15
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
16
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist durch das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Juni 1999 (9 U 147/98) festgestellt. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
17
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der zwischen der Versenderin und der Beklagten geschlossene Vertrag unterliege dem Geltungsbereich der CMR.
18
a) Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) gilt nach seinem Art. 1 Abs. 1 Satz 1 für jeden Vertrag, der eine entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen zum Gegenstand hat, wenn der im Vertrag vorgesehene Ort der Übernahme des Gutes und der vertraglich vereinbarte Ablieferungsort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Die Anwendbarkeit der CMR erfordert mithin einen grenzüberschreitenden Straßentransport sowie den Abschluss eines entgeltlichen Güterbeförderungsvertrags. Dagegen findet die CMR auf Speditionsverträge i.S. des § 453 HGB grundsätzlich keine Anwendung, weil sich der Spediteur - anders als von der CMR vorausgesetzt - nicht zur Ausführung der Beförderung, das heißt zur Verbringung des Gutes von Ort zu Ort für eigene Rechnung (§ 407 HGB), sondern zur Organisation der Versendung für fremde Rechnung im eigenen Namen verpflichtet (OLG Düsseldorf TranspR 1990, 440, 441; OLG Hamm TranspR 2000, 29; OLG Karlsruhe TranspR 2002, 344, 345; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., Art. 1 CMR Rdn. 2; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 1 CMR Rdn. 5; Helm, Frachtrecht II: CMR, 2. Aufl. [2002], Art. 1 Rdn. 22; Ferrari/Ferrari, Internationales Vertragsrecht [2007], Art. 1 CMR Rdn. 7; Herber/Piper, CMR, Art. 1 Rdn. 25).
19
Das bedeutet indes nicht, dass alle von einem Spediteur geschlossenen Verträge von vornherein aus dem Anwendungsbereich der CMR ausscheiden. Entscheidend ist, ob der Spediteur lediglich für Rechnung seines Auftraggebers tätig werden oder den Transport als eigene Verpflichtung übernehmen wollte, was im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist. Dabei sind insbesondere das Auftreten des Spediteurs nach außen - etwa seine Eintragung im Frachtbrief als Beförderer - und das eigene Interesse an der Beförderung - beispielsweise durch die Vereinbarung eines festen Satzes für das Entgelt - von Bedeutung. Ergibt die Auslegung, dass der Spediteur sich gegenüber seinem Auftraggeber verpflichtet hat, für die Beförderung und deren Erfolg einzustehen, so handelt es sich um einen Beförderungsvertrag. Für diesen gelten, wenn er einen grenzüberschreitenden Straßengütertransport zum Gegenstand hat, unabhängig von der Bezeichnung des Vertrags und der Parteien zwingend die Regeln der CMR (MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 1 CMR Rdn. 5; Herber/ Piper aaO Art. 1 Rdn. 26; Piper, TranspR 1990, 357, 358).
20
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass im Streitfall der räumliche Anwendungsbereich der CMR eröffnet ist, weil die Beförderung des Gutes von Angers/ Frankreich nach Köln bzw. Langen erfolgen sollte und sowohl Frankreich als auch Deutschland zu den Vertragsstaaten der CMR gehören.
21
c) Das Berufungsgericht hat des Weiteren angenommen, zwischen der Versenderin und der Beklagten sei ein Beförderungsvertrag i.S. von Art. 1 Abs. 1 CMR zustande gekommen, so dass auch der sachliche Geltungsbereich der CMR eröffnet sei. Der Abschluss eines Frachtvertrags könne nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme zwar nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Es sei aber unbestritten, dass die Beklagte zu fixen Kosten auf eigene Rechnung tätig geworden sei. Ein Speditionsvertrag zu festen Kosten stelle einen Beförderungsvertrag i.S. von Art. 1 Abs. 1 CMR dar, auch wenn es im französischen Recht, das im Streitfall zur Anwendung komme, eine dem § 459 HGB entsprechende Regelung nicht gebe und in Frankreich die Ansicht vertreten werde, dass der auf eigene Rechnung handelnde "commissionaire de transport" nicht der CMR unterworfen sei. Denn der Fixkostenspediteur sei unabhängig von dem jeweils ergänzend anzuwendenden nationalen Recht als Frachtführer ("carrier") im Sinne der CMR anzusehen. Dies ergebe sich aus der autonomen Auslegung der CMR. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
22
aa) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Begriff "Beförderungsvertrag", für den sich in der CMR keine Definition findet, nicht auf der Grundlage des ergänzend anwendbaren nationalen Rechts (hier: des französischen Rechts), sondern autonom und damit losgelöst von den nationalen Begrifflichkeiten zu bestimmen ist, da das Ziel einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung in den Vertragsstaaten anderenfalls gefährdet würde (vgl. BGHZ 84, 339, 343 = VersR 1982, 1100; 115, 299, 302 = TranspR 1992, 100; 157, 66, 68 = TranspR 2004, 77; MünchKomm.HGB/Basedow, Einleitung CMR Rdn. 19; Koller aaO vor Art. 1 CMR Rdn. 4; Ferrari/Ferrari aaO Art. 1 CMR Rdn. 7).
23
bb) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei das Zustandekommen eines Beförderungsvertrags i.S. von Art. 1 Abs. 1 CMR zwischen der Versenderin und der Beklagten bejaht. Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte den in Rede stehenden Auftrag der Versenderin auf eigene Rechnung zu festen Kosten, also als Fixkostenspediteurin, ausgeführt.
24
Die Fixkostenspedition unterfällt dem Geltungsbereich der CMR, unabhängig davon, ob dies in nationalen (unvereinheitlichten) Rechtsvorschriften ausdrücklich bestimmt ist oder auf nationalen Grundsätzen über die Behandlung gemischter Verträge beruht. Maßgeblich hierfür ist die gebotene autonome , vom ergänzend anwendbaren nationalen Recht losgelöste Auslegung der CMR (OLG München TranspR 1997, 33, 34; OLG Hamm TranspR 2000, 29, 30; OLG Köln TranspR 2005, 472, 473; Koller aaO Art. 1 CMR Rdn. 3; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 1 CMR Rdn. 5; Helm aaO Art. 1 Rdn. 28; Ferrari/Ferrari aaO Art. 1 CMR Rdn. 7). Der Wortlaut der verbindlichen (Art. 51 CMR) englischen und französischen Originalfassungen der CMR steht dem nicht entgegen. Der von der CMR erfasste Vertragstyp wird im englischen Originaltext als "contract for the carriage of goods by road" und in der französischen Originalfassung als "contract de transport" bezeichnet. Kennzeichnend für die dem Art. 1 Abs. 1 CMR unterfallende Vertragsgestaltung ist also, dass sie eine entgeltliche Beförderung von Gütern zum Gegenstand hat. Dies trifft aber auch für den Fixkostenspediteur zu, der auf eigene Rechnung tätig wird. Ebenso wie bei einem Selbsteintritt (§ 458 HGB), bei dem der Spediteur freiwillig die Beförderungspflicht übernimmt, liegt auch bei der Fixkostenspedition , die auf eigene Rechnung durchgeführt wird, wirtschaftlich ein Frachtgeschäft vor. Der Fixkostenspediteur kann sein Angebot zu festen Sätzen nur dann machen, wenn er seine Kosten überschauen kann. Das setzt aber voraus, dass er die organisatorische Verfügungsgewalt über die nachgefragte Beförderung innehat. Er ist dann vertraglicher Beförderer i.S. von Art. 1 Abs. 1 CMR, der seinem Auftraggeber nach Durchführung des Transports nicht zur Rech- nungs- und Rechenschaftslegung verpflichtet ist (MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 1 CMR Rdn. 8; Helm aaO Art. 1 Rdn. 28; Koller aaO Art. 1 CMR Rdn. 3).
25
Die Annahme, dass der auf eigene Rechnung handelndeFixkostenspediteur kraft autonomer Auslegung der CMR als Beförderer i.S. von Art. 1 Abs. 1 CMR anzusehen ist, steht auch in Einklang mit der Rechtspraxis verschiedener Vertragsstaaten der CMR. So wird in England und in Belgien die Auffassung vertreten, dass der für eigene Rechnung Handelnde und nicht zur Rechenschaftslegung verpflichtete "Spediteur" als "carrier" anzusehen bzw. der CMR zu unterwerfen sei (Queen's Bench Division ETR 1984, 411; Hof van Beroep te Brussel ETR 1969, 937; 1969, 943; 1973, 503; 1974, 608). In Frankreich wird diese Auffassung allerdings abgelehnt (Cour de Cassation ETR 1983, 207; 1983, 217), während in den Niederlanden die Ansichten geteilt sind (Frachtführerhaftung des Fixkostenspediteurs bejahend: Arrondissementsrechtbank te Rotterdam ETR 1971, 273; verneinend: Gerechtshof te Amsterdam ETR 1969, 151; vgl. dazu auch Koller aaO Art. 1 CMR Rdn. 2).
26
Eine autonome Auslegung des Frachtführerbegriffs der CMR ist auch deshalb geboten, weil dadurch vermieden wird, dass bereits im Kernbereich der CMR - hier bei einem Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 CMR - die ergänzende Heranziehung nationalen Rechts erforderlich wird (vgl. OLG Hamm TranspR 2000, 29, 30). Schließlich wäre das Ziel der Rechtsvereinheitlichung auf dem Transportsektor nur unvollkommen erreicht, wenn schon der Umstand, dass ein Vertrag in gewissem Umfang auch Elemente eines Speditionsvertrags enthält, zur Verneinung der Frachtführereigenschaft des Fixkostenspediteurs führte (Koller aaO Art. 1 CMR Rdn. 3).
27
3. Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Versicherungsnehmerin sei als frachtbrief- mäßige Empfängerin des Gutes zur Liquidation des durch den Diebstahl entstandenen Schadens berechtigt.
28
a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Verkäuferin der Versicherungsnehmerin nach dem Bekanntwerden des Diebstahls eine Gutschrift in Höhe des Rechnungsbetrags erteilt hat. Es hat gemeint, dass es hierauf nicht ankomme, weil die Versicherungsnehmerin berechtigt sei, einen der Verkäuferin entstandenen Schaden im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen. Dieses Recht sei durch Abtretung der Versicherungsnehmerin auf die Klägerinnen übergegangen.
29
b) Die Revision rügt im Ergebnis erfolglos, das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung übersehen, dass die CMR keine Anhaltspunkte für die Annahme biete, der frachtbriefmäßige Empfänger des Gutes sei auch berechtigt, fremde Schäden geltend zu machen. Auf die Frage, ob Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR dem Empfänger das Recht einräumt, Schadensersatzansprüche aus dem Beförderungsvertrag gegen den Frachtführer im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen, wenn das ergänzend anzuwendende nationale Recht das Institut der Drittschadensliquidation nicht kennt, kommt es im Streitfall nicht entscheidend an.
30
Der frachtbriefmäßige Empfänger ist nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR berechtigt, die Rechte aus dem Beförderungsvertrag im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend zu machen, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Verlust des Gutes festgestellt ist. Der Umstand, dass der Empfänger neben dem Absender ebenfalls ein Recht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Frachtführer hat, führt zur Doppellegitimation von Absender und Empfänger (BGH, Urt. v. 28.4.1988 - I ZR 32/86, TranspR 1988, 338, 339 = VersR 1988, 825; Urt. v. 6.7.2006 - I ZR 226/03, TranspR 2006, 363, 365 = NJW-RR 2006, 1544; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 13 CMR Rdn. 23; Herber/Piper aaO Art. 13 Rdn. 31). Empfänger und Absender sind im Verhältnis zum Frachtführer Gesamtgläubiger i.S. von § 428 BGB. Dementsprechend lässt auch nur die Leistung des Frachtführers an einen der beiden Ersatzberechtigten die Anspruchsberechtigung des anderen Gläubigers entfallen (BGH TranspR 1988, 338, 339; TranspR 2006, 363, 365; Herber/Piper aaO Art. 13 Rdn. 34). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Absender und dem Empfänger der Ware sind für den Schädiger grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2006 - I ZR 200/03, TranspR 2006, 308, 310; BGH TranspR 2006, 363, 365). Danach kommt es nicht darauf an, ob die Verkäuferin der Versicherungsnehmerin nach dem Bekanntwerden des Diebstahls eine Gutschrift erteilt hat. Sollte dies geschehen sein, so wäre dadurch der eigene Anspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR nicht erloschen. Der eigene Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR konnte daher noch an die Klägerinnen abgetreten werden, was durch die Abtretungserklärung der Versicherungsnehmerin vom 27. Mai 1997 geschehen ist.
31
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dem Fahrer der Streithelferin sei ein für den gesamten Schaden ursächlich gewordenes grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.
32
a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Frachtführer nach Art. 29 Abs. 1 CMR, der insoweit auf das Recht des angerufenen Gerichts verweist, nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen kann, wenn er den Schaden durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat. Entsprechendes gilt gemäß Art. 29 Abs. 2 CMR, wenn der Schaden durch seine Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen grob fahrlässig herbeigeführt worden ist (BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 21 m.w.N.). An dieser Beurteilung hat sich für den Streitfall durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz) vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1588 ff.) nichts geändert. Denn die Frage, welches Verschulden i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR dem Vorsatz gleichsteht, ist bei Gütertransportschäden aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes im Falle der Anrufung eines deutschen Gerichts nach dem alten nationalen Recht zu beurteilen (BGH TranspR 1999, 19, 21).
33
b) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob bereits der Umstand, dass der Fahrer der Streithelferin für die nächtliche Ruhepause einen unbewachten Parkplatz gewählt hat, den Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens zu begründen vermag. Es ist daher für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass in der Wahl des unbewachten Parkplatzes kein grob fahrlässiges Verhalten liegt.
34
c) Das Berufungsgericht hat das Verhalten des Fahrers während der Ruhepause als grob fahrlässig gewertet. Mit Erfolg rügt die Revision, dass die insofern getroffenen Feststellungen diese Annahme nicht begründen können. Rechtsfehlerhaft ist darüber hinaus die Annahme, dass das Unterlassen der vom Berufungsgericht als geeignet und zumutbar angesehenen Schadensabwendungsmaßnahmen für den gesamten Schaden ursächlich war.
35
Das Berufungsgericht hat das grobe Verschulden des Fahrers darin gesehen , dass er es nach der Wahrnehmung eines kontinuierlichen Wackelns des LKW unterlassen habe, die Täter durch Starten des Fahrzeugs und durch Hupen zu vertreiben. Diese Beurteilung rügt die Revision mit Erfolg als rechtsfehlerhaft.
36
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Fahrer - nachdem er das Wackeln des LKW bemerkt und sich angezogen hatte - aus dem Führerhaus ausgestiegen ist, um nach dem Rechten zu sehen. Er ist also nicht untätig geblieben. Auch wenn es geeignetere Maßnahmen gab, um mögliche Diebe von der weiteren Tatbegehung abzuhalten, kann dem Fahrer unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht der Vorwurf eines grob fahrlässigen Unterlassens gemacht werden. Zu berücksichtigen ist, dass der Fahrer gerade durch die verdächtigen Bewegungen geweckt worden war. Auch eine gewisse Angst und Aufregung, die das Fassen klarer Entschlüsse erschweren, wird man ihm zubilligen müssen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wie viel Zeit gewonnen worden wäre, wenn der Fahrer, statt sich anzuziehen und auszusteigen, die Diebe sofort durch Hupen und Starten des Motors vertrieben hätte. Der Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens lässt sich unter diesen Umständen nicht rechtfertigen.
37
Auf der bisherigen Tatsachengrundlage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Unterlassen von geeigneten und zumutbaren Diebstahlsabwendungsmaßnahmen für den gesamten Schaden ursächlich war. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, wieweit der Diebstahl schon vorangeschritten war, als der aus dem Schlaf gerissene Fahrer das verdächtige Wackeln des LKW bemerkte. Die getroffenen Feststellungen erlauben daher keine Aussage darüber, ob und in welchem Umfang das Unterlassen der vom Berufungsgericht als geeignet und zumutbar angesehenen Maßnahmen zur Schadensabwendung für den eingetretenen Schaden ursächlich war.
38
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - zur Frage der Parkplatzwahl noch keine abschließenden Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Vorinstanzen:
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Soweit als Vergütung ein bestimmter Betrag vereinbart ist, der Kosten für die Beförderung einschließt, hat der Spediteur hinsichtlich der Beförderung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers oder Verfrachters. In diesem Fall hat er Anspruch auf E

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Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2009 - I ZR 61/06

bei uns veröffentlicht am 02.04.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 61/06 Verkündet am: 2. April 2009 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2009 - I ZR 60/06

bei uns veröffentlicht am 02.04.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 60/06 Verkündet am: 2. April 2009 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2010 - I ZR 194/08

bei uns veröffentlicht am 22.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 194/08 Verkündet am: 22. Juli 2010 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Referenzen

(1) Durch den Speditionsvertrag wird der Spediteur verpflichtet, die Versendung des Gutes zu besorgen.

(2) Der Versender wird verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu zahlen.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nur, wenn die Besorgung der Versendung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört. Erfordert das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht und ist die Firma des Unternehmens auch nicht nach § 2 in das Handelsregister eingetragen, so sind in Ansehung des Speditionsgeschäfts auch insoweit die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buches ergänzend anzuwenden; dies gilt jedoch nicht für die §§ 348 bis 350.

(1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern.

(2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen.

(3) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts gelten, wenn

1.
das Gut zu Lande, auf Binnengewässern oder mit Luftfahrzeugen befördert werden soll und
2.
die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört.
Erfordert das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht und ist die Firma des Unternehmens auch nicht nach § 2 in das Handelsregister eingetragen, so sind in Ansehung des Frachtgeschäfts auch insoweit die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buches ergänzend anzuwenden; dies gilt jedoch nicht für die §§ 348 bis 350.

Soweit als Vergütung ein bestimmter Betrag vereinbart ist, der Kosten für die Beförderung einschließt, hat der Spediteur hinsichtlich der Beförderung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers oder Verfrachters. In diesem Fall hat er Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nur, soweit dies üblich ist.

Der Spediteur ist befugt, die Beförderung des Gutes durch Selbsteintritt auszuführen. Macht er von dieser Befugnis Gebrauch, so hat er hinsichtlich der Beförderung die Rechte und Pflichten eines Frachtführers oder Verfrachters. In diesem Fall kann er neben der Vergütung für seine Tätigkeit als Spediteur die gewöhnliche Fracht verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 226/03 Verkündet am:
6. Juli 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
CMR Art. 13 Abs. 1 Satz 2
Eine Leistung des Transportversicherers auf den seinem Versicherungsnehmer
(Absender) wegen Verlustes des Transportgutes entstandenen Schaden führt
nicht zum Erlöschen der Ansprüche des frachtbriefmäßigen Empfängers der
Ware gegen den Frachtführer aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR.
BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 226/03 - OLG Frankfurt a.M.
LG Darmstadt
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist im Februar 2001 durch Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der A. N.V. (im Weiteren: A. N.V.) geworden. Sie nimmt die Beklagte, ein belgisches Transportunternehmen, aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Beklagte erhielt ausweislich des CMR-Frachtbriefs vom 13. Januar 1999 von der L. & Co. N.V. in Schoten/Belgien den Auftrag, einen Container mit 691 Kartons Jeans zur L. Germany GmbH in Heusenstamm /Deutschland zu befördern. Ein Fahrer der Beklagten übernahm das Gut am 13. Januar 1999 im Containerhof in Schoten und stellte den LKW anschließend gegen 20 Uhr auf einem offen zugänglichen und unbewachten Parkplatz in der Nähe seiner Wohnung in Antwerpen ab. Von dort wurde das Fahrzeug samt Container in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 1999 gestohlen. Ein Teil der abhanden gekommenen Ware wurde später in verschiedenen R. -Märkten in Deutschland entdeckt und an die L. Germany GmbH herausgegeben. Die Anzahl der herausgegebenen Jeans ist zwischen den Parteien streitig.
3
Die Klägerin hat behauptet, ihre Rechtsvorgängerin, die A. N.V., sei zum Zeitpunkt des Schadensereignisses alleiniger Transportversicherer der belgischen L. Unternehmen gewesen. Sie habe wegen des streitgegenständlichen Warenverlustes über ihre belgische Agentin S. H. N.V. an die L. & Co. Europe S.A. in Brüssel (im Weiteren: Versicherungsnehmerin ) eine Entschädigung i.H. von 12.846.904 BEF gezahlt. Sowohl die Versicherungsnehmerin als auch die frachtbriefmäßige Empfängerin in Deutschland hätten ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die A. N.V. abgetreten.
4
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte für den Verlust des Transportgutes unbeschränkt, weil der Fahrer den mit besonders dieb- stahlsgefährdetem Gut beladenen Container entgegen einer Anordnung der Beklagten nicht erst am 14. Januar 1999 von dem Containerhof in Schoten abgeholt und von dort aus direkt nach Heusenstamm gefahren habe.
5
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 318.466,43 € (= 12.846.904 BEF) nebst Zinsen zu zahlen.
6
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und in Abrede gestellt, dass die A. N.V. alleiniger Transportversicherer der L. Konzerngesellschaften gewesen sei. Es sei unter anderem davon auszugehen, dass die amerikanische Muttergesellschaft A. Insurance Company den Schaden reguliert habe mit der Folge, dass ein Schadensersatzanspruch auf diese übergegangen sei. Des Weiteren hat die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung in Abrede gestellt und die Höhe des behaupteten Schadens bestritten.
7
Das Landgericht hat die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
8
Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil die Klägerin nicht dargetan habe, dass ihr wegen des streitgegenständlichen Diebstahls von Transportgut ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe. Dazu hat es ausgeführt:
10
An sich komme ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 CMR in Betracht, der der L. & Co. N.V. in Schoten als Absenderin der Ware zustehe. Diese habe jedoch keinen Schaden erlitten. Geschädigte sei vielmehr die Versicherungsnehmerin , an die - so die Behauptung der Klägerin - am 14. Oktober 1999 auch die Versicherungsleistung ausgezahlt worden sei. Daraufhin habe die Versicherungsnehmerin am 10. Januar 2000 Ansprüche gegen die Beklagte an die A. N.V. abgetreten. Die Versicherungsnehmerin sei gegenüber der Beklagten mangels Bestehens eines Vertragsverhältnisses zwischen diesen Beteiligten jedoch nicht forderungsberechtigt. Vertragspartnerin der Beklagten sei die L. & Co. N.V. in Schoten. Diese könne zwar möglicherweise zur Drittschadensliquidation berechtigt sein. Sie habe ihre Rechte aus dem Transportvertrag mit der Beklagten aber nicht auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin , die A. N.V., übertragen. Ein Rechtsübergang kraft Gesetzes aufgrund Zahlung an die Versicherungsnehmerin habe ebenfalls nicht stattgefunden. Den Anspruch der Versicherungsnehmerin auf Übertragung der Ansprüche der L. & Co. N.V. aus dem Beförderungsvertrag habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Auftraggeberin der Beklagten habe ihre Ansprüche aus dem Transportvertrag weder auf die Versicherungsnehmerin noch auf die A. N.V. oder die Klägerin übertragen.

11
Die Abtretung der Ansprüche aus dem Frachtvertrag seitens der L. Germany GmbH am 10. Januar 2000 habe der A. N.V. ebenfalls keinen Anspruch verschafft. Zwar könne der Empfänger des Gutes gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR im Falle des Verlustes Ansprüche aus dem Frachtvertrag geltend machen und diese auch abtreten. Wenn die Rechtsvorgängerin der Klägerin aber - wie die Klägerin behaupte - am 14. Oktober 1999 Zahlung an die Versicherungsnehmerin geleistet habe, sei ein Anspruch der L. & Co. N.V. auf Entschädigung des Dritten durch Erfüllung erloschen und habe nicht mehr abgetreten werden können.
12
Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 15. August 2003, wonach es sich bei der im Frachtbrief aufgeführten L. & Co. N.V. in Schoten lediglich um eine Unterabteilung der Versicherungsnehmerin ohne eigenständige Rechtspersönlichkeit gehandelt habe, könne wegen Verspätung nicht mehr berücksichtigt werden.
13
Die Aktivlegitimation der Klägerin sei aber selbst dann nicht dargetan, wenn deren (verspätete) Behauptung und auch das sonstige Vorbringen berücksichtigt würden. Ein Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin könne zwar durch Zahlung an die Klägerin oder durch Abtretung vom 10. Januar 2000 auf die A. N.V. übergegangen sein. Ein gesetzlicher Forderungsübergang durch Zahlung hätte aber nur erfolgen können, wenn die A. - N.V. zum Zeitpunkt der Zahlung Versicherer der geschädigten Versicherungsnehmerin gewesen wäre, was indes unklar geblieben sei.
14
Die Abtretung seitens der Versicherungsnehmerin vom 10. Januar 2000 habe der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ebenfalls keinen Anspruch verschaffen können, da nicht geklärt sei, ob nicht durch eine vorausgegangene Zahlung der Anspruch bereits auf einen anderen Versicherer übergegangen sei, welcher dieser auch immer gewesen sein möge.
15
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
16
1. In der Revisionsinstanz ist davon auszugehen, dass die Beklagte gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR wegen des streitgegenständlichen Diebstahls am 13./14. Januar 1999 grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet ist. Denn das am 13. Januar 1999 übernommene Gut ist während der Obhutszeit der Beklagten in Verlust geraten.
17
Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen steht einer Ersatzpflicht der Beklagten nicht die von ihr erhobene Verjährungseinrede entgegen. Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR verjähren Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung im Falle eines qualifizierten Verschuldens (Art. 29 CMR) in drei Jahren. Die Klägerin hat sich darauf berufen, dass die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung der Beklagten gemäß Art. 29 CMR erfüllt seien. An Feststellungen dazu fehlt es bislang, so dass in der Revisionsinstanz davon auszugehen ist, dass der Anspruch nicht verjährt ist.
18
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Klägerin habe nicht dargetan, dass ihr der Ersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe.
19
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Versicherungsnehmerin als Geschädigte habe keine eigenen vertraglichen Ansprüche aus einem Frachtvertrag gegen die Beklagte, da sie die Beklagte nicht mit dem Transport der Ware von Schoten/Belgien nach Heusenstamm/Deutschland beauftragt habe. Der Beförderungsvertrag sei vielmehr zwischen der L. & Co. N.V., bei der es sich um ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit handele, und der Beklagten zustande gekommen. Die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin, die im CMR-Frachtbrief aufgeführte L. & Co. N.V. sei lediglich eine unselbständige Unterabteilung der Versicherungsnehmerin , könne wegen Verspätung nicht mehr berücksichtigt werden.
20
b) Die Revision beanstandet mit Recht, dass die Zurückweisung des Vorbringens der Klägerin zur Unselbständigkeit der L. & Co. N.V. verfahrensfehlerhaft war.
21
aa) Das Berufungsgericht hat mit Verfügung vom 12. August 2003 darauf hingewiesen, dass Vertragspartnerin der Beklagten die L. & Co. N.V. gewesen sei, und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 25. August 2003 eingeräumt. Die Klägerin hat daraufhin mit einem am 26. August 2003 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz unter Benennung einer Zeugin vorgetragen, dass es sich bei der Versicherungsnehmerin und der L. & Co. N.V. um dieselbe Rechtspersönlichkeit handele und die Versicherungsnehmerin Auftraggeberin der Beklagten gewesen sei.
22
bb) Dieses Vorbringen der Klägerin durfte das Berufungsgericht gemäß §§ 527 a.F., 296 Abs. 1 ZPO, die im vorliegenden Fall gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO zur Anwendung kommen, nur zurückweisen, wenn seine Zulassung zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits geführt hätte. Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden. Ein Gericht ist nach dem Gebot eines fairen Verfahrens verpflichtet, eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits durch zumutbare prozessleitende Maßnahmen gemäß §§ 139, 273 ZPO aufzu- fangen (vgl. BVerfG NJW 1998, 2044). Die Revision macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zumindest hätte darauf hinweisen müssen, dass es wegen der Kürze der Zeit bis zum Verhandlungstermin am 4. September 2003 eine gerichtliche Ladung der Zeugin nicht mehr veranlassen werde. Dementsprechend hätte es der Klägerin daher anheim geben müssen, die Zeugin zum Termin zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1980 - KZR 10/79, NJW 1980, 1848, 1849), was nach den Darlegungen in der Revisionsbegründung auch geschehen wäre. In der Revisionsinstanz ist - wie die Revision ebenfalls dargelegt hat - davon auszugehen, dass die Zeugin den Vortrag der Klägerin bestätigt hätte.
23
Handelt es sich bei der Versicherungsnehmerin aber um die Absenderin der Ware, so ist sie Partei des mit der Beklagten geschlossenen Frachtvertrages mit der Folge, dass ihr grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR eigene vertragliche Schadensersatzansprüche wegen Verlustes des Gutes gegen die Beklagte zustehen.
24
c) Die Revision wendet sich auch mit Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Aktivlegitimation der Klägerin sei selbst dann nicht dargetan , wenn deren Behauptung, die Versicherungsnehmerin habe der Beklagten einen Frachtauftrag erteilt, als richtig unterstellt werde.
25
aa) Das Berufungsgericht ist in diesem Zusammenhang davon ausgegangen , dass durch Zahlung der Versicherungsleistung an die Versicherungsnehmerin deren Ansprüche aus dem Frachtvertrag gegen die Beklagte auf die Klägerin übergegangen sein könnten, sofern die A. N.V. zum Zeitpunkt der Zahlung Versicherer der Geschädigten gewesen sei. Es hat des Weiteren angenommen , dass die Bevollmächtigte der A. N.V., die S. H. N.V., am 14. Oktober 1999 einen Betrag i.H. von 12.812.424 BEF an die "L. in Brüssel" gezahlt habe. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin sei der Versicherungsbestand der A. N.V. aber bereits mit Vertrag vom 6. Oktober 1999 rückwirkend zum 1. Januar 1999 auf eine andere Gesellschaft, nämlich die A. /D. S. N.V. oder die A. Belgium Insurance N.V. mit Sitz in Brüssel, übertragen worden. Ob die Versicherung der L. - Unternehmen zum Zeitpunkt der Übertragung auch noch zum Bestand der A. N.V. gehört habe, sei zweifelhaft, da der vom Landgericht vernommene Zeuge O. , Angestellter der S. H. N.V., ausgesagt habe, die Versicherung der L. Europe sei ab 1. Mai 1999 auf die A. London übergegangen. Unter diesen Umständen stehe nicht fest, wer im Zeitpunkt der Zahlung an die Versicherungsnehmerin deren Versicherer gewesen sei mit der Folge, dass nicht ersichtlich sei, auf wen ein Ersatzanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte übergegangen sei. Diese Beurteilung wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.
26
bb) Der in erster Instanz vernommene Zeuge O. hat bekundet, dass die A. N.V. zum Schadenszeitpunkt alleiniger Versicherer der europäischen L. -Unternehmen gewesen sei. Wenn die S. H. N.V. eine Zahlung leiste, so tue sie dies als Agentin der A. N.V. Diese sei wiederum rückversichert bei der A. Insurance Company in B. . Die Zahlung am 14. Oktober 1999 sei von der S. H. N.V. auf den streitgegenständlichen Schaden für die A. N.V. (Rechtsvorgängerin der Klägerin) an die Versicherungsnehmerin erfolgt. Soweit der Zeuge O. einen Übergang des in Rede stehenden Versicherungsverhältnisses zum 1. Mai 1999 auf die A. London für möglich gehalten hat, steht das einem Anspruchsübergang auf die A. N.V. nicht entgegen, weil der Schadenszeitpunkt - 13./14. Januar 1999 - maßgeblich ist. Zu diesem Zeitpunkt war die A. London nach den Bekun- dungen des Zeugen O. nicht zu einer Ersatzleistung an die Versicherungsnehmerin verpflichtet.
27
Ebensowenig steht der Aktivlegitimation der Klägerin eine Übertragung des Versicherungsbestandes der A. N.V. auf die A. Belgium Insurance N.V. entgegen, weil dieses Unternehmen seine möglichen Ansprüche gegen die Beklagte im Jahre 2001 an die Klägerin übertragen hat.
28
d) Dem Berufungsgericht kann auch nicht in seiner Annahme beigetreten werden, eine Inhaberschaft der Klägerin an den von der frachtbriefmäßigen Empfängerin der Ware an sie abgetretenen Ansprüchen gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR scheitere an der von der Klägerin behaupteten, zuvor erfolgten Zahlung der Versicherungssumme an die Versicherungsnehmerin, weil damit die Ansprüche der Empfängerin erloschen seien mit der Folge, dass sie nicht mehr hätten abgetreten werden können.
29
Der Annahme des Berufungsgerichts widersprechen schon seine (angegriffenen ) Feststellungen, wonach die Versicherungsnehmerin nicht Vertragspartei der Leistenden gewesen sei. Träfe das zu, konnte die Zahlung mangels Vertragsbezogenheit keine Auswirkungen auf die Anspruchsberechtigung der Empfängerin des Gutes haben.
30
Unabhängig von dieser Widersprüchlichkeit im Tatsächlichen ist auch die rechtliche Folgerung des Berufungsgerichts unzutreffend, dass eine Leistung des Transportversicherers auf den dem Versicherungsnehmer (Absender) durch den Verlust des Gutes entstandenen Schaden zu einem Erlöschen der Ansprüche des Empfängers gegen den Frachtführer aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR führe. Dieser Anspruch gegen den Frachtführer erlischt ebenso wenig wie der gemäß § 67 Abs. 1 VVG übergegangene Anspruch des versicherten Absenders. Der Umstand, dass der Empfänger ebenfalls ein Recht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Frachtführer hat, führt zur Doppellegitimation von Absender und Empfänger (BGH, Urt. v. 6.5.1981 - I ZR 70/79, VersR 1981, 929, 930; Urt. v. 28.4.1988 - I ZR 32/86, TranspR 1988, 338, 339 = VersR 1988, 825; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 13 CMR Rdn. 23; Herber/Piper, CMR, Art. 13 Rdn. 31). Empfänger und Absender sind im Verhältnis zum Frachtführer Gesamtgläubiger i.S. von § 428 BGB. Nur die Leistung des Frachtführers an einen der beiden Ersatzberechtigten lässt auch die Anspruchsberechtigung des anderen Gläubigers entfallen (BGH TranspR 1988, 338; Herber/Piper aaO Art. 13 Rdn. 34). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Absender und dem Empfänger der Ware sind für den Schädiger grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2006 - I ZR 200/03, Urteilsumdruck S. 6).
31
3. Das angefochtene Urteil kann danach mit der bisherigen Begründung nicht aufrecht erhalten werden. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht insbesondere keine Feststellungen zum Grad des Verschuldens der Beklagten und zur umstrittenen Schadenshöhe getroffen hat.

32
III. Dementsprechend war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann v.Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 27.11.2001 - 16 O 99/00 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 04.09.2003 - 12 U 3/02 -

Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 200/03 Verkündet am:
1. Juni 2006
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - vom 31. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Frachtführerin wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin veräußerte im September 2000 an eine Kundin in Toronto/ Kanada Gewebe, das sie der Käuferin mit insgesamt 187.800,08 DM in Rechnung stellte. Auf Weisung der Käuferin sollte die Ware direkt an die L.
in Moskau geliefert werden, an die das Gewebe weiterveräußert worden war. Zu diesem Zweck beauftragte die Klägerin die Beklagte am 6. September 2000 zu festen Kosten mit dem Versand von 99 Kartons Gewebe (Bruttogewicht 8.637 kg) von Lörrach nach Moskau. Die Beklagte übertrug die Beförderung des Gutes an die S. R. AO in Moskau - die Streithelferin der Beklagten -, die ihrerseits die A. mit der Transportdurchführung beauftragte. Deren Fahrer übernahm die Ware am 8. September 2000 in Lörrach. Mit Schreiben vom 19. September 2000 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten den Verlust des Gutes reklamiert.
3
Die Klägerin hat behauptet, die Ware sei bei der rechtmäßigen Empfängerin nicht angekommen. Nach seinem Eintreffen in Moskau am 14. September 2000 sei der Fahrer vor dem dortigen Zollamt von einem Unbekannten, der sich als Repräsentant der Empfängerfirma L. ausgegeben habe, angesprochen worden. Auf Weisung dieser Person sei der Fahrer zu einer Entladestelle gefahren, die nicht der im Frachtbrief angegebenen Ablieferungsadresse entsprochen habe. Dort sei das Gut abhanden gekommen. Durch den Verlust der Ware sei ein Schaden in Höhe von 96.020,66 € (= 187.800,08 DM) entstanden. Die Klägerin macht diesen Schaden nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation im eigenen Namen geltend.
4
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 96.020,66 € nebst Zinsen zu zahlen.
5
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, der Fahrer habe die ihm beim Zollamt in Moskau mitgeteilte Entladestelle angefahren und die Ware einem Mitarbeiter der Empfängerfirma übergeben. Der Erhalt der Sendung sei auf dem CMR-Frachtbrief quittiert worden. Wenn sich Personen mittels gefälschter Dokumente Gewahrsam an der Ware verschafft haben sollten, greife zumindest Art. 17 Abs. 2 CMR zu ihren, der Beklagten, Gunsten ein.
6
Der Klägerin sei auch kein Schaden entstanden, weil davon auszugehen sei, dass die kanadische Käuferin der Ware die Rechnung der Klägerin ausgeglichen habe. Ebenso wenig hätten die Kundin der Klägerin und die Abnehmerin in Moskau einen Schaden erlitten, so dass dieser auch nicht über die Grundsätze der Drittschadensliquidation geltend gemacht werden könne.
7
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
8
Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR verneint. Dazu hat es ausgeführt:
10
Es könne offen bleiben, ob die Ware bei der Endkäuferin in Moskau angekommen sei. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation scheitere schon daran, dass die Klägerin für einen auf die kanadische Zwischenhändlerin verlagerten Schaden darlegungs- und beweisfällig geblieben sei. Der Hinweis auf deren Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin reiche dafür nicht aus. Die Kundin der Klägerin habe die Ware sofort weiterveräußert. Damit sei davon auszugehen, dass weder der Klägerin selbst noch der kanadischen Käuferin ein Schaden entstanden sei. Für einen etwaigen Schaden der russischen Endkäuferin habe die Klägerin nichts vorgetragen.
11
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
12
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) auf den Streitfall zur Anwendung kommt. Die Beklagte ist Fixkostenspediteurin i.S. des § 459 HGB und unterliegt daher der Haftung nach der CMR (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 95/01, TranspR 2005, 311, 312 m.w.N.).
13
2. Nach Art. 17 Abs. 1 CMR i.V. mit Art. 3 CMR schuldet der Frachtführer grundsätzlich Schadensersatz für den während seiner Obhutszeit eingetretenen Verlust des Transportgutes.
14
a) In der Revisionsinstanz ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die für die L. bestimmte Ware nicht an die rechtmäßige Empfängerin ausgeliefert worden, sondern verloren gegangen ist. Denn das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Warensendung - wie von der Klägerin bestritten - bei der Moskauer Endkäuferin angekommen ist.
15
b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Klägerin zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs wegen Verlustes des Fracht- guts aktivlegitimiert. Die dem Empfänger gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR zukommende Berechtigung zur Geltendmachung des Anspruchs wegen Verlustes der Ware berührt die Anspruchsberechtigung des Versenders nicht. Die Legitimation des Absenders ergibt sich bereits aus seiner Stellung als Vertragspartner des Frachtführers (Herber/Piper, CMR, Vor Art. 17 Rdn. 13).
16
3. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auch im Rahmen der CMR-Haftung die Grundsätze der Liquidation des Schadens im Drittinteresse Anwendung finden (Herber/Piper aaO Vor Art. 17 Rdn. 19 f.).
17
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , der Klägerin stehe bei einem Verlust des Transportgutes nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.
18
a) Die Drittschadensliquidation soll verhindern, dass dem Schädiger durch vertragliche Vereinbarungen zwischen seinem Gläubiger und einem Dritten , die den Schaden von dem Gläubiger auf den Dritten verlagern, ein ungerechtfertigter Vorteil entsteht. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Gläubiger und dem Dritten sind für den Schädiger grundsätzlich ohne Bedeutung. Nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation ist der Absender als Vertragspartner des Frachtführers daher zur Geltendmachung von Schäden Dritter aus dem Verlust des Transportgutes legitimiert, gleichviel ob die Schäden dem Vertragspartner des Absenders oder aber dem Endempfänger erwachsen sind (vgl. BGH, Urt. v. 20.4.1989 - I ZR 154/87, TranspR 1989, 413, 414 = VersR 1989, 1168 m.w.N).
19
Der aus dem Frachtvertrag Berechtigte kann die Ersatzforderung im eigenen Namen für Rechnung des wirtschaftlich Geschädigten geltend machen. Die Ersatzleistung an diesen weiterzuleiten ist seine Sache, die den Schädiger grundsätzlich nichts angeht. Nur wenn feststeht, dass der Geschädigte tatsächlich nichts von der Ersatzleistung bekommen würde oder er auf die Geltendmachung seines Ersatzanspruchs verzichtet hat, ist es gerechtfertigt, den Anspruch zu versagen (BGH, Urt. v. 4.12.1997 - IX ZR 41/97, NJW 1998, 1864, 1865).
20
Demzufolge steht der Liquidation des Schadens durch die Klägerin nicht entgegen, dass ein Schaden nicht bei der Käuferin der Ware, sondern bei der von dieser bestimmten Endempfängerin der Ware entstanden ist.
21
b) Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint, weil sie zu einem Schaden der russischen Endempfängerin nichts vorgetragen habe. Diese Beurteilung wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.
22
Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass der kanadischen Zwischenhändlerin durch einen Verlust des Transportgutes trotz einer Kaufpreiszahlungspflicht gegenüber der Klägerin kein Schaden entstanden ist, weil diese die Ware sogleich an die L. "entweder gegen Vorkasse, per Akkreditiv oder zumindest mit der Vorgabe CIP Moskau oder einer vergleichbaren kaufvertraglichen Regelung" weiterveräußert hat mit der Folge, dass der kanadischen Käuferin kein Schaden entstanden sei. Damit ist der Schaden auf die russische Endabnehmerin verlagert worden. Bei diesem Sachverhalt durfte das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation nicht an der fehlenden Darlegung eines etwaigen Schadens der russischen Endkäuferin seitens der Klägerin scheitern lassen. Der Schaden der russischen Endabnehmerin ergibt sich bei dieser Gestaltung des Sachverhalts zwangsläufig.
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c) Die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation wäre nur dann ausgeschlossen, wenn entweder der letztlich Geschädigte auf die Geltendmachung des Schadens verzichtet hätte oder die Geltendmachung jedenfalls nicht seinem Willen entspräche. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ist nicht vom Gläubiger auszuräumen, sondern vom Schädiger zu beweisen (vgl. BGH NJW 1998, 1864, 1865). Feststellungen dazu sind bislang nicht getroffen worden.
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5. Das angefochtene Urteil kann danach mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, weil es insbesondere zu der vom Berufungsgericht offen gelassenen Frage, ob die Warensendung bei der Moskauer Endkäuferin angekommen ist, an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen fehlt. Gleiches gilt für die von der Klägerin behauptete Schadenshöhe, die von der Beklagten auch in der Berufungsinstanz bestritten worden ist.
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III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Schaffert Büscher
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 11.09.2002 - 12 O 163/01 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 31.07.2003 - 9 U 165/02 -