Bundesgerichtshof Urteil, 02. Dez. 2004 - I ZR 30/02

bei uns veröffentlicht am02.12.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 30/02 Verkündet am:
2. Dezember 2004
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Klemmbausteine III

a) Eine nicht spätestens im Zeitpunkt des Kaufs, sondern erst nachfolgend auftretende
Herkunftstäuschung kann keine Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen
Leistungsschutz begründen.

b) Ein wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen das sog. Einschieben in eine fremde
Serie ist jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt zu gewähren.

c) Eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG unlautere Rufausbeutung liegt
nicht vor, wenn der Originalhersteller mit seinem Produkt einen neuen Markt
erschlossen hat und der Nachahmer beim Eindringen in diesen Markt die angesprochenen
Verkehrskreise in geeigneter Weise darüber informiert, daß
sein eigenes von dem nachgeahmten Produkt zu unterscheiden sei.
EGRL 71/98 Art. 16
Die Bestimmung des Art. 16 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von
Mustern und Modellen (ABl. EG Nr. L 289, S. 28) besagt, daß die Richtlinie die
Vorschriften des nationalen Rechts über unlauteren Wettbewerb weder
schwächt noch aber auch stärkt.
BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 - I ZR 30/02 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 13. Dezember 2001 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 15 - vom 5. Januar 2000 hinsichtlich der auf Auskunftserteilung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz gerichteten Klageanträge zu 2, 3, 5 und 6 abgewiesen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin zu 1 stellt das weltbekannte und in Deutschland von der Klägerin zu 2 vertriebene L. - und D. -Spielzeug her. Dieses besteht vornehmlich aus Kunststoff-Klemmbausteinen, die auf der Oberseite zylindrische Klemmnoppen aufweisen und an der Unterseite so geformt sind, daß sich die einzelnen Steine miteinander verbauen lassen. Zum L. -Spielzeugsortiment gehören neben Grund- und Universalbaukästen auch zahlreiche mit Zusatzelementen ausgestattete Bausätze, mit denen beispielsweise Autos, Häuser oder Boote gebaut werden können.
Die Klägerin zu 1 hat beim Deutschen Patentamt zahlreiche Zusatzelemente als Geschmacksmuster registrieren lassen, darunter ein am 2. Dezember 1987 angemeldetes Zaunelement, ein am 4. Dezember 1985 angemeldetes Rotorelement und ein am 30. November 1984 angemeldetes Schalterhebel-/Antennenelement. Sie ist des weiteren Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt aufgrund Anmeldung vom 18. September 1987 eingetragenen Bildmarke Nr. 1 143 363
Die Klägerin zu 1 ist zudem von der mit ihr verbundenen schweizerischen L. Produktion AG ermächtigt worden, deren Rechte aus der beim Deutschen Patent- und Markenamt aufgrund Anmeldung vom 25. Januar 1995 eingetragenen dreidimensionalen Marke Nr. 395 03 037, die den Acht-NoppenKlemmbaustein der Klägerinnen in seiner konkreten körperlichen Gestalt schützt, geltend zu machen.
Die Beklagte beabsichtigt, das von ihr bereits in mehreren Ländern des Gemeinsamen Marktes vertriebene, aus in China produzierten KunststoffKlemmbausteinen bestehende und mit dem L. -Spielzeug der Klägerinnen verbaubare Konstruktionsspielzeug "B. ", darunter die nachstehend bei der Wiedergabe des Klageantrags zu 1 abgebildeten Bausätze und Bauelemente , künftig auch in Deutschland anzubieten. Sie will dabei auf den Produktverpackungen an der Stelle, an der sich beim Vertrieb in anderen Ländern der Hinweis "This Product is compatible with all leading Brands" befindet, einen Aufkleber mit dem Text "B. ist ein einheitliches Bausystem der B. Firmengruppe und sollte nicht mit anderen Bausteinsystemen verwechselt werden!" anbringen.
Die Klägerinnen haben den von der Beklagten beabsichtigten Vertrieb des "B. "-Spielzeugs in Deutschland unter Berufung auf die Senatsentscheidungen "Klemmbausteine I" (BGHZ 41, 55) und "Klemmbausteine II" (Urt. v. 7.5.1992 - I ZR 163/90, GRUR 1992, 619 = WRP 1992, 642) als nach § 1 UWG a.F. wettbewerbswidriges Einschieben in eine fremde Serie beanstandet. Die Beklagte täusche außerdem über die Herkunft ihres Spielzeugs. Bereits die weitgehende äußerliche Identität der beiderseitigen Klemmbausteine führe zu Verwechslungen. Abgesehen von der Qualität unterschieden sich die Klemmbausteine lediglich dadurch, daß die zylindrischen Noppen bei den Steinen der Klägerinnen den L. -Schriftzug trügen; dies könne der Käufer jedoch erst nach dem Kauf erkennen. Die Aufmachung der Umverpackungen der
Beklagten sei mit der der Klägerinnen verwechselbar. Der Hinweisaufkleber der Beklagten werde vom Verkehr nur in geringem Umfang wahrgenommen. Die Beklagte nutze, indem sie sklavisch nachgeahmte Bausteine auf den Markt bringen wolle, den guten Ruf der L. -/D. -Bausteine und -Elemente für sich aus. Der Acht-Noppen-L. -Klemmbaustein genieße als Marke kraft Eintragung sowie wegen seiner weitreichenden Bekanntheit kraft Verkehrsgeltung Schutz.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte gemäß den Klageanträgen zu 1 und 4 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,
1. es zu unterlassen,

a) vornehmlich aus Klemmbausteinen bestehendes Konstruktionsspielzeug , bei dem einzelne Kunststoffteile eine zylindrische Noppenform aufweisen und mit L. Bausteinen und L. Figuren verbaubar sind, in der Bundesrepublik Deutschland auszustellen, anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben, insbesondere das Angebot und den Vertrieb der folgenden Bausätze zu unterlassen:
Nr. 2002 "911 RESCUE CREW" gemäß folgender Abbildu ng:

Nr. 3015 "ATTACK COPTERS" gemäß folgender Abbildung:
Nr. 4311 "FOOTBALL STADIUM" gemäß folgender Abbildung:

Nr. 6403 "PRESIDENTIAL TRANSPORT" gemäß folgender Abbildung :

b) den nachfolgend abgebildeten Acht-Noppen-Baustein im Zusammenhang mit Konstruktionsspielzeug abzubilden, anzubieten oder zu vertreiben:


c) die nachfolgend abgebildeten Konstruktionsspielzeugelemente aus Kunststoff auszustellen, anzubieten oder zu vertreiben:
4. es zu unterlassen, Klemmbausteine aus Kunststoff, die durch zylindrische Noppen gekennzeichnet sind und mit "D. "-Klemmbausteinen der Klägerinnen verbaubar sind, in der Bundesrepublik Deutschland auszustellen, anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben.
Des weiteren hat das Landgericht die Beklagte gemäß den Klageanträgen zu 2 und 5 zur Auskunftserteilung verurteilt und gemäß den Klageanträgen zu 3 und 6 die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt.
Das Landgericht hat es dabei dahinstehen lassen, ob die von den Klägerinnen geltend gemachten marken- und geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche begründet sind. Die Unterlassungsansprüche seien nämlich jedenfalls aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes im Zusammenhang mit einer unzulässigen sklavischen Nachahmung, dem Einschieben in eine fremde Serie und der Rufausbeutung in Form eines Anhängens an das sehr bekannte und geschätzte Konstruktionsspielzeug der Klägerinnen begründet. Die Nachahmung fremder Waren sei noch nicht für sich genommen, sondern nur dann wettbewerbswidrig, wenn darüber hinausgehende Umstände vorlägen. Der von der Beklagten betriebene Nachbau sei dadurch gekennzeichnet, daß sich deren Bausteine mit den Erzeugnissen der Klägerinnen verbauen ließen, daß diese Erzeugnisse von vornherein auf einen fortgesetzten Bedarf gleichartiger Erzeugnisse zugeschnitten seien und daß sich die Beklagte in diese Bedarfs-/Ergänzungsserie hineindränge. Wie in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Klemmbausteine II" zugrundeliegenden Fall sei zudem zu berücksichtigen, daß das Konstruktionsspielzeug der Klägerinnen mittlerweile weltbekannt sei und daher neben einer beachtlichen wettbewerblichen Eigenart auch einen hohen Bekanntheitsgrad aufweise und zudem einen nicht unbeachtlichen Ruf genieße. Die Fertigung
des Spielzeugs der Beklagten aus Klemmbausteinen eines Formats, das den Einbau in das System der Klägerinnen erlaube, diene jedenfalls auch dazu, sich an den Erfolg eines schon sehr bekannten und auf dem Markt geschätzten Systems anzuhängen und von dem Ansehen, das die Klägerinnen für ihre Erzeugnisse in Jahrzehnten gewonnen hätten, unmittelbar zu profitieren, womit den Klägerinnen ein Teil ihres Markterfolges in anstößiger Weise genommen werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß für den Verbraucher wegen der Hinweise auf der Umverpackung der Bausätze der Beklagten keine Gefahr einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft des Spielzeugs bestehe.
Die gemeinschaftsrechtliche Warenverkehrsfreiheit stehe dem von den Klägerinnen begehrten Verbot ebenfalls nicht entgegen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe zu der Frage der Gewährung eines ergänzenden Leistungsschutzes bei Einschieben in eine fremde Serie in der Absicht, am Ruf und/oder Vorhandensein des Erstprodukts zu partizipieren, ohne daß für den Verbraucher Verwechslungsgefahr bestehe, allerdings ausgesprochen, daß die Untersagung des Marktzugangs in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund nationaler Vorschriften wie des § 1 UWG a.F. eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S. des Art. 28 EG sei. Auch erfaßten die in Art. 30 Satz 1 EG genannten Schutzgüter den vorliegenden Fall des "allgemeinen" unlauteren Wettbewerbs nicht. Die durch die Anwendung der Grundsätze des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes eintretende faktische Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit sei aber aufgrund der immanenten Schranken des Art. 28 EG gerechtfertigt.
Die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung folgten aus § 1 UWG a.F., §§ 242, 259 BGB i.V. mit § 428 BGB. Die Beklagte handle schuldhaft, da sie sich bewußt an das weltbekannte Konstruktionsspielzeug der Klägerinnen anhänge und trotz des einer Herkunftstäuschung entgegenwirkenden Hinweises auf der Umverpackung ihrer Bausätze auf eine Vermi-
schung der Systeme gerade abziele. Sie habe im übrigen weder ihr Verschulden noch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auf seiten der Klägerinnen bestritten.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten für nicht begründet erachtet. Es hat sich dabei die Ausführungen im Urteil des Landgerichts zu eigen gemacht und ergänzend ausgeführt:
Entgegen dem Vortrag der Beklagten in der Berufung sei es unerheblich, ob der englische Erfinder P. den Acht-Noppen-Klemmbaustein der Klägerinnen geschaffen habe; denn die wettbewerbliche Eigenart des Steins sei eine diesen selbst kennzeichnende Eigenschaft, so daß es unerheblich sei, auf wessen Ingenium diese Eigenart beruhe. Das Landgericht habe die Unlauterkeit beim Einschieben in eine fremde Serie zutreffend nicht in der Verbaubarkeit als solcher, sondern im Ableiten des Erfolgs einer fremden Leistung auf die eigene Person durch Anbieten des von dem Wettbewerber systematisch vorbereiteten Ergänzungsbedarfs und Abfangen der von diesem für seine Ware erzeugten Nachfrage erblickt. Entgegen den von der Beklagten angeführten Stimmen in der Literatur hätten Verbraucherbelange keinen Vorrang vor einem ergänzenden Leistungsschutz und führe das gegenüber der Beklagten ausgesprochene Verbot nicht dazu, daß diese von dem vom "Markt für L. -Bausteine" zu un-
terscheidenden Markt für Konstruktionsspielzeug aus Klemmbausteinen ausgeschlossen sei.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und, soweit die Klägerinnen Auskunftserteilung und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz begehren, zur Abweisung der Klage sowie, soweit das Klagebegehren auf Unterlassung gerichtet ist, zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Beklagte hat nach den getroffenen Feststellungen ihr von den Klägerinnen beanstandetes Konstruktionsspielzeug im Inland bislang noch nicht vertrieben, sondern einen solchen Vertrieb lediglich beabsichtigt. Damit stellen sich die klagegegenständlichen Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche , die voraussetzen, daß immerhin in einem Fall eine Rechtsverletzung bereits erfolgt ist, als nicht schlüssig begründet dar.
2. Nach Erlaß des Berufungsurteils ist am 8. Juli 2004 das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414) in Kraft und zugleich das frühere Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb außer Kraft getreten (§ 22 UWG). Diese Rechtsänderung ist auch im Revisionsverfahren zu beachten. Die von den Klägerinnen geltend gemachten, in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüche, die auf den Gesichtspunkt einer durch die Berühmung der Beklagten, ihr Konstruktionsspielzeug auch im Inland vertreiben zu dürfen, begründete Erstbegehungsgefahr gestützt sind, bestehen grundsätzlich nur dann, wenn das (beabsichtigte) Verhalten der Beklagten bereits nach dem früheren Recht wettwerbswidrig war (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.1997 - I ZR 185/95, GRUR 1998, 591, 592 f. = WRP 1998, 502 - Monopräparate), die Berühmung nicht mittlerweile aufgegeben wurde (vgl. dazu BGH, Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1176 = WRP 2001, 1076 - Berühmungsauf-
gabe, m.w.N.) und das Verhalten auch nach neuem Recht wettbewerbswidrig ist.
3. Das Berufungsgericht ist unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts davon ausgegangen, daß wegen des Hinweises auf der Umverpackung der Bausätze der Beklagten für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher keine Gefahr einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft des Spielzeugs besteht. Diese Beurteilung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.10.2000 - I ZR 225/98, GRUR 2001, 443, 445 f. = WRP 2001, 534 - Vienetta).
Eine nicht schon im Zeitpunkt der Werbung und/oder des Kaufs, sondern erst nachfolgend auftretende Herkunftstäuschung kann keine Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen. Die Bestimmungen des UWG wie namentlich auch dessen § 4 Nr. 9 regeln allein das Marktverhalten (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdn. 9.4) und sehen daher lediglich Rechtsfolgen für solche Verhaltensweisen vor, die schon für sich gesehen eine Störung des Marktgeschehens darstellen. Für den Bereich des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes wird dies beim Vorliegen einer Herkunftstäuschung dadurch bestätigt, daß § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG allein darauf abstellt, ob (gerade) das Anbieten des nachgeahmten Produkts zu einer vermeidbaren Täuschung der (damit angesprochenen) Abnehmer führt.
4. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen "Einschiebens in eine fremde Serie" begründet.

a) Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung auf die Rechtsprechung des Senats gestützt, nach der das Überleiten des Markterfolgs einer fremden Leistung durch Einschieben gleichartiger, beliebig austauschbarer fremder Ergänzungserzeugnisse in das von Anfang an auf die Deckung eines Ergänzungsbedarfs ausgerichtete Verkaufssystem des Erstherstellers trotz vorhandener Ausweichmöglichkeiten unter dem Gesichtspunkt der Ausbeutung fremder Leistung gegen § 1 UWG a.F. verstößt (vgl. BGHZ 41, 55, 58 - Klemmbausteine I; BGH, Urt. v. 7.5.1992 - I ZR 163/90, GRUR 1992, 619, 620 = WRP 1992, 642 - Klemmbausteine II; Urt. v. 8.12.1999 - I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 525 = WRP 2000, 493 - Modulgerüst). Diese Rechtsprechung hat bereits in früheren Jahren (vgl. v. Harder, GRUR 1969, 659, 660 f.; Waibel, Warenzeichenrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragen des Ersatzteile-, Zubehör - und Reparaturgewerbes, 1977, S. 231 ff.; Walch, Ergänzender Leistungsschutz nach § 1 UWG, 1991, S. 55 f. und S. 127 Fn. 73), zumal aber nach dem Ergehen der Senatsentscheidung "Klemmbausteine II" (GRUR 1992, 619) Kritik erfahren (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, seit 20. Aufl., § 1 UWG Rdn. 492; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, 9. Aufl., Rdn. 1194; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 6. Aufl., § 11.6; Lehmler, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 2002, S. 113 f.; Kur, GRUR Int. 1995, 469, 470 ff.; Beater, Nachahmen im Wettbewerb, 1995, S. 178 f., 360, 374, 389 und 396; Knies, Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz - eine unzulässige Rechtsfortbildung ?, 1996, S. 63; Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, 1996, Rdn. 524 f.; Altmeppen, ZIP 1997, 2069, 2073 ff.; Rauda, GRUR 2002, 38, 41 f.; Sack, Festschrift für Erdmann, 2002, S. 697, 701 ff.; zum neuen Recht vgl. Harte/Henning/Sambuc, UWG, § 4 Nr. 9 Rdn. 40; Baumbach/Hefermehl/ Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 9.56 bis 9.58; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 7. Aufl, § 11 IV 3 b; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, 10. Aufl., Rdn. 1642).

b) Der Senat sieht im Streitfall keine Notwendigkeit, zu dieser Kritik abschließend Stellung zu nehmen. Er folgt ihr jedenfalls insoweit, als mit dem wettbewerbsrechtlichen Schutz des Unternehmers vor einem Einschieben in seine Serie kein in zeitlicher Hinsicht unbegrenzter Schutz vor Nachahmungen für eine Innovation gewährt werden darf. Ein solcher Schutz stünde im Gegensatz zu der gesetzlichen Befristung des Innovationsschutzes im Patentrecht, im Gebrauchsmusterrecht und im Geschmacksmusterrecht. Die Gewährung eines wettbewerbsrechtlichen Schutzes des Unternehmens vor einem Einschieben in seine Produktserie verhinderte, daß in diesem Bereich der Grundsatz der Freiheit der Nachahmung von Produkten, die keinem sonderrechtlichen Schutz (mehr) unterfallen, jemals berücksichtigt werden könnte.
Zur Wahrung der Freiheit des Wettbewerbs ist es deshalb erforderlich, den ergänzenden Leistungsschutz, soweit er - wie im Streitfall - den Schutz einer Leistung als solcher zum Gegenstand hat, anders als in den Fällen, in denen er den Schutz gegen vermeidbare Herkunftstäuschungen (vgl. dazu nunmehr die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG), gegen das Ausnutzen des Rufs fremder Leistung (vgl. dazu nunmehr § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG), gegen die Behinderung von Mitbewerbern (vgl. dazu nunmehr § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 2 und Nr. 10 UWG) sowie gegen Einschleichen und/oder gegen Vertrauensbruch (vgl. dazu nunmehr § 4 Nr. 9 Buchst. c UWG) bezweckt, zeitlich zu begrenzen (Piper in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 a.F. Rdn. 653; Sack aaO S. 714 bis 717). Eine für den unterstellten wettbewerbsrechtlichen Schutz gegen das Einschieben in eine Serie von Produkten zu gewährende angemessene Frist ist im Streitfall jedenfalls abgelaufen. Eine solche hätte sich hier, soweit es um den Schutz der technischen Gestaltung der Bausteine geht, an den hierfür sondergesetzlich vorgesehenen Fristen zu orientieren. Dementsprechend konnte dem den Klägerinnen für ihr Spielsystem zugebilligten Innovationsschutz schon im Zeitpunkt der Klageerhebung - rund 45 Jahre nach der Markteinführung des Systems - keine Bedeutung mehr zukommen (vgl. auch BGH, Urt. v.
6.2.1986 - I ZR 98/84, GRUR 1986, 895, 896 = WRP 1986, 541 - Notenstichbilder

).


5. a) Das Landgericht hat in den Gründen seiner Entscheidung, die sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, ausgeführt, die Fertigung des Spielzeugs der Beklagten aus Klemmbausteinen eines Formats, das den Einbau in das System der Klägerinnen erlaube, diene jedenfalls auch dazu, sich an den Erfolg eines schon sehr bekannten und auf dem Markt geschätzten Systems anzuhängen und von dem Ansehen, das die Klägerinnen für ihre Erzeugnisse in jahrzehntelanger Markttätigkeit gewonnen hätten, unmittelbar zu profitieren, womit den Klägerinnen ein Teil ihres Markterfolgs in anstößiger Weise genommen werde. Dies ist im rechtlichen Ansatz zutreffend, weil eine für einen Anspruch aus § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes relevante Rufausbeutung nicht nur auf Täuschung, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen kann (vgl. BGHZ 141, 329, 342 - Tele-Info-CD, m.w.N. und nunmehr ausdrücklich § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG).

b) Den Vorinstanzen kann aber nicht zugestimmt werden, soweit sie ein solches Anlehnen bejaht haben. Ein Anlehnen setzt zwar nicht die namentliche Benennung oder Bezeichnung des Mitbewerbers voraus, erfordert aber immerhin eine aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte (vgl. Piper in Köhler/Piper aaO § 1 a.F. Rdn. 718). Die Frage, ob hierdurch eine Übertragung der Güteund Wertvorstellungen stattfindet, die die Beurteilung des Verhaltens als wettbewerbswidrig gemäß §§ 3, 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG rechtfertigt, ist jeweils im Wege einer Gesamtbetrachtung zu beantworten, bei der alle Umstände des Einzelfalls wie insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs zu berücksichtigen sind, der von dem Produkt ausgeht (Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 1 UWG a.F. Rdn. 555). Dabei kann grundsätzlich auch schon die
Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen (vgl. BGH, Urt. v. 10.4.2003 - I ZR 276/00, GRUR 2003, 973, 975 = WRP 2003, 1338 - Tupperwareparty). Für eine Rufausbeutung reicht es allerdings nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen oder Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (vgl. BGH GRUR 2003, 973, 975 - Tupperwareparty; Sambuc aaO Rdn. 331 ff.; Baumbach/Hefermehl/Köhler aaO § 4 UWG Rdn. 9.53). Dasselbe gilt, wenn - wie im Streitfall - der Originalhersteller mit seinem Produkt einen neuen Markt erschlossen hat und der Nachahmer beim Eindringen in diesen Markt die angesprochenen Verkehrskreise in geeigneter Weise darüber informiert, daß sein eigenes von dem nachgeahmten Produkt zu unterscheiden sei. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß entsprechende Assoziationen die typische und nahezu zwangsläufige Folge eines zuvor gewährten monopolartigen Schutzes darstellen.
Die Beklagte bringt auf den Verpackungen ihrer Produkte in deutlich lesbarer Form den Hinweis an, daß ihr Bausystem nicht mit anderen Bausteinsystemen verwechselt werden sollte. Hierdurch wird der Durchschnittsverbraucher hinreichend darüber informiert, daß das Spielzeug der Beklagten mit dem bekannten Spielzeug der Klägerinnen zwar gleichartig, damit aber keineswegs notwendigerweise gleichwertig ist.

c) Ohne Erfolg beruft sich die Revision schließlich auch auf die Bestimmungen der Art. 7 Abs. 3, Art. 16 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. EG Nr. L 289, S. 28). Die zuletzt genannte Bestimmung besagt, daß die Richtlinie (u.a.) die Vorschriften des nationalen Rechts über unlauteren Wettbewerb unberührt läßt, d.h. diese Vorschriften weder schwächt noch aber auch stärkt.
III. Danach konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben und war deshalb aufzuheben.
Die Klage war - insoweit unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils - mit den Anträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichteten Anträgen abzuweisen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung war der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die klagegegenständlichen Unterlassungsansprüche unter den von den Klägerinnen ferner geltend gemachten Gesichtspunkten des Markenschutzes und des Geschmacksmusterschutzes, zu denen das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen hat, an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Dez. 2004 - I ZR 30/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Dez. 2004 - I ZR 30/02

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 4 Mitbewerberschutz


Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. (2) Vorschri

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 259 Umfang der Rechenschaftspflicht


(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege
Bundesgerichtshof Urteil, 02. Dez. 2004 - I ZR 30/02 zitiert 6 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 428 Gesamtgläubiger


Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden

Referenzen - Urteile

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 140/02 Verkündet am: 7. April 2005 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2010 - I ZR 60/09

bei uns veröffentlicht am 28.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 60/09 Verkündet am: 28. Oktober 2010 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGH

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juni 2005 - I ZR 279/02

bei uns veröffentlicht am 09.06.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 279/02 Verkündet am: 9. Juni 2005 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Sept. 2005 - I ZR 151/02

bei uns veröffentlicht am 15.09.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 151/02 Verkündet am: 15. September 2005 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGH

Referenzen

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.

(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.

(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.

Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 106/99 Verkündet am:
31. Mai 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Berühmungsaufgabe

a) Eine Berühmung, aus der die unmittelbar oder in naher Zukunft ernsthaft
drohende Gefahr einer Begehung abzuleiten ist, kann unter Umständen
auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung
in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden. Die Tatsache allein,
daß sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung
äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch nicht
als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet.

b) An die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr sind grundsätzlich weniger
strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung
begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in
der Zukunft. Eine durch Berühmung geschaffene Erstbegehungsgefahr und
mit ihr der Unterlassungsanspruch entfallen grundsätzlich mit der Aufgabe
der Berühmung. Eine solche liegt jedenfalls in der uneingeschränkten und
eindeutigen Erklärung, daß die beanstandete Handlung in der Zukunft nicht
vorgenommen werde.
BGH, Urt. v. 31. Mai 2001 - I ZR 106/99 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 25. Februar 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 11. Juni 1997 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Arzneimitteln für die Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) mit sog. Beta -Interferonen. Das Arzneimittel der Beklagten "R. ", das auf CHO-BetaInterferon ("Interferon-Beta-1a") beruht, ist in Europa nicht für die MS-Behandlung zugelassen; seine Zulassung in Italien betrifft andere Indikationen.
Die Beklagte versandte im Dezember 1995 an Ä rzte die Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie". Einer der Beiträge darin enthält Hinweise auf das Arzneimittel "R. " der Beklagten und dessen Eignung zur MSTherapie.
Auf Abmahnung der Klägerin verpflichtete sich die Beklagte in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 24. Januar 1996, bestimmte in der Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie" enthaltene Aussagen zu unterlassen. Am 29. Januar 1996 erging gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung. Diese hatte das Verbot zum Inhalt, die Broschüre an Ä rzte und sonstige an der MS-Therapie Interessierte abzugeben, auch wenn sie diejenigen Aussagen nicht mehr enthalte, die von der Unterlassungserklärung vom 24. Januar 1996 erfaßt würden. In der Widerspruchsverhandlung vom 31. Juli 1996 verpflichtete sich die Beklagte zudem mit einem Vertragsstrafeversprechen gegenüber der Klägerin, die Broschüre an Ä rzte und sonstige an der MSTherapie Interessierte nicht abzugeben, wenn darin auf Seite 18 "A. " als Hersteller und/oder auf Seite 23 oder 24 das Produkt "R. " genannt werde.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin der Sache nach begehrt, der Beklagten zu verbieten, die Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie" in einer den
Unterlassungserklärungen vom 24. Januar und 31. Juli 1996 entsprechenden Form an Ä rzte oder sonstige an der MS-Therapie Interessierte abzugeben. Auch in dieser Form wäre die Broschüre noch eine nach § 3a HWG unzulässige Werbung für das Arzneimittel "R. ", das für die MS-Therapie nicht zugelassen sei. Wie aus den Erklärungen des Prozessvertreters der Beklagten in der Widerspruchsverhandlung vom 31. Juli 1996 hervorgegangen sei, beabsichtige diese weiterhin, die Broschüre als Werbemittel zu verwenden.
Die Beklagte hat entgegnet, eine ihren Unterlassungsverpflichtungen entsprechende Broschüre könne nicht als Werbung für ein bestimmtes Produkt angesehen werden. Der Unterlassungsanspruch sei jedenfalls verjährt. Eine Erstbegehungsgefahr sei nicht gegeben. In der Widerspruchsverhandlung vom 31. Juli 1996 sei die Broschüre lediglich als zulässig verteidigt worden; ein Vorbehalt, sie weiter abzugeben, sei nicht erklärt worden. Bereits mit einem Schreiben vom 29. Januar 1997, aber auch im vorliegenden Verfahren, sei klargestellt worden, daß die Rechtsverteidigung nicht als Berühmung zu verstehen sei.
Das Landgericht hat dem Klageantrag mit einer geringfügigen Abwandlung stattgegeben.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat erneut vorgebracht, sie habe sich gegen die einstweilige Verfügung von Anfang an nicht in der Absicht gewandt, die Broschüre, die seit zwei Jahren nicht mehr abgegeben werde, weiter zu verwenden. Eine solche Absicht bestehe auch jetzt nicht. In ihrem Schriftsatz vom 30. September 1997 erklärte sich die Beklagte bereit, die vorprozessual mit Schreiben vom 29. Januar 1997 abgegebe-
ne Erklärung, die streitgegenständliche Broschüre auch zukünftig nicht mehr abzugeben, durch ein Vertragsstrafeversprechen zu sichern.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren zunächst beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen, die dem Urteil anzuheftende Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie" an Ä rzte oder sonstige an der MS-Therapie Interessierte abzugeben, soweit folgende Veränderungen in der Broschüre vorgenommen worden sind:
a) Auf Seite 19 wird nicht mehr behauptet, E.coli-IFN-ß sei nur in den USA gegen MS zugelassen, und
b) auf Seite 19 unten wird die Behauptung "die zitierten Wirkungen (nämlich Minderung der Schubzahl, Reduktion der Läsionen im ZNS und Verlangsamung der MS) sind für das CHO-Beta-Interferon - und nur für dieses - in großen Studien belegt" mit einem verdeutlichenden Hinweis versehen, daß die Besonderheit darin liegt, daß für das CHO-Beta-Interferon sämtliche dieser Wirkungen in Studien belegt seien, und
c) auf Seite 19 in der Tabelle bei dem Hinweis, daß CHO-Beta-Interferon "in Europa als Arzneimittel zugelassen" sei, erfolgt ein verdeutlichender Zusatz, daß CHOBeta -Interferon in Europa bisher nicht bei MS zugelassen ist, und
d) auf Seite 18 entfällt die Herstellerangabe "A. " und auf den Seiten 23 und 24 entfällt die Bezeichnung "R. ".
In der mündlichen Berufungsverhandlung hat die Beklagte dargelegt, ihre Erklärung im Schriftsatz vom 30. September 1997 sei als Angebot einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verstehen. Die Klägerin hat dieses Angebot angenommen und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigterklärung nicht angeschlossen.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Beklagte hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen und dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsantrag ursprünglich begründet gewesen sei. Der Antrag sei darauf gerichtet gewesen, der Beklagten zu verbieten, die Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie" nach Vornahme der Ä nderungen, die
durch ihre strafbewehrten Unterlassungserklärungen erforderlich geworden seien, weiter abzugeben.
Die Broschüre wäre auch in einer solchen geänderten Form eine nach § 3a HWG unzulässige Werbung für das nicht zugelassene Arzneimittel "R. ". Auf ihrer Vorder- und Rückseite werde die Firma der Beklagten genannt. Das Mittel "R. " werde durch die werbenden Ausführungen zu Beta-Interferon ("Interferon-Beta-1a"), seinem Wirkstoff, der in Europa sonst nur in einem einzigen weiteren Arzneimittel verwendet werde, ohne weiteres erkennbar gemacht. In der Broschüre sei von den Kosten der Therapien (und damit mittelbar auch von "R. ") die Rede. Es werde auf die Möglichkeit des Importbezugs nach einer Einzelverordnung hingewiesen. Diese eindeutige Produktwerbung sei nicht deshalb zulässig, weil die Broschüre auch Beiträge und Hinweise zu anderen Wirkstoffen enthalte.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei allerdings bereits verjährt gewesen, soweit er auf die tatsächliche Verbreitung der Broschüre gestützt gewesen sei. Durch das Verhalten der Beklagten in der Widerspruchsverhandlung des Verfügungsverfahrens vom 31. Juli 1996 sei jedoch - unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr - ein neuer Unterlassungsanspruch begründet worden. Diese Begehungsgefahr sei erst durch die Unterlassungserklärung der Beklagten in der Berufungsverhandlung beseitigt worden.
Bereits das Antwortschreiben der Beklagten auf die Abmahnung, in dem sie eine Teilunterlassungserklärung abgegeben habe, enthalte die Berühmung, die Broschüre in veränderter Form weiter abgeben zu dürfen. Damit sei auch ernsthaft zu rechnen gewesen, weil die Broschüre mit ihren wissenschaftlich anspruchsvollen Beiträgen selbst nach den notwendig gewordenen geringfügi-
gen Ä nderungen noch ein wertvolles Werbemittel gewesen sei. Dem entspreche die Art und Weise, wie die Beklagte mit Schreiben vom 26. April 1996 auf das Abschlußschreiben der Klägerin geantwortet und sich im Verfügungsverfahren eingelassen habe. Sie habe dabei das angegriffene Verhalten uneingeschränkt als rechtmäßig verteidigt, ohne klarzustellen, daß damit nicht das Recht zu einem entsprechenden künftigen Handeln in Anspruch genommen werde. In der Widerspruchsverhandlung habe die Beklagte zwar eine weitere Verpflichtungserklärung abgegeben, nach wie vor aber den verbleibenden, der Hauptsacheklage entsprechenden Verfügungsantrag bekämpft. Deshalb sei ernsthaft zu befürchten gewesen, daß die Beklagte die Broschüre nach geringfügigen Ä nderungen weiter benutzen werde. Die Begehungsgefahr habe nicht dadurch beseitigt werden können, daß die Beklagte - wie sie behaupte - in der Widerspruchsverhandlung klargestellt habe, die Broschüre nicht weiter verwenden zu wollen. Die Beklagte hätte zumindest eine verbindliche Unterlassungserklärung abgeben müssen. Es könne dahinstehen, ob dies wegen der wiederholten eindeutigen Berühmungen hätte strafbewehrt geschehen müssen.
Das Schreiben der Beklagten vom 29. Januar 1997 enthalte keine eindeutige Aufgabe der Berühmung. Dies gelte ebenso für ihre schriftsätzlichen Ä ußerungen im vorliegenden Verfahren bis hin zu ihrem Schriftsatz vom 30. September 1997.
Der Unterlassungsantrag habe sich jedoch dadurch erledigt, daß die Beklagte ihre im Schriftsatz vom 30. September 1997 abgegebene strafbewehrte Verpflichtungserklärung in der Berufungsverhandlung eindeutig klargestellt habe.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Feststellungsantrag, den die Klägerin nach der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten gestellt hat, wäre nur begründet, wenn die ursprüngliche Unterlassungsklage bis zu diesem Ereignis zulässig und begründet gewesen wäre (vgl. BGHZ 83, 12, 13; BGH, Urt. v. 9.5.1996 - I ZR 107/94, GRUR 1996, 800, 801 = WRP 1996, 899 - EDV-Geräte; Urt. v. 5.5.1999 - XII ZR 184/97, NJW 1999, 2520, 2522). Dies ist, wie die Revision mit Erfolg geltend macht, nicht der Fall.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, daß die Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie" auch nach Vornahme der Veränderungen , die in dem zuletzt gestellten Unterlassungsantrag aufgeführt sind, als eine nach § 3a HWG unzulässige Werbung für das Arzneimittel "R. " anzusehen wäre.
Nach § 3a HWG ist es unzulässig, für Arzneimittel zu werben, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Dieses Verbot bezieht sich auf die produktbezogene Werbung (Produkt-, Absatzwerbung), nicht aber auf die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens-, Imagewerbung ), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Arzneimittel für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt, obwohl auch diese - mittelbar - den Absatz der Produkte des Unternehmens fördern kann und soll (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1994 - I ZR 154/92, GRUR 1995, 223 = WRP 1995, 310 - Pharma-Hörfunkwerbung; vgl. weiter Doepner, Heilmittelwerbegesetz,
2. Aufl., § 1 Rdn. 12, § 3a Rdn. 9; Gröning, Heilmittelwerberecht, § 1 HWG Rdn. 21 ff.). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß die angegriffene Broschüre auch in abgeänderter Form eine Werbung für das Arzneimittel "R. " wäre, weil dieses auch ohne namentliche Nennung anhand des näher behandelten Wirkstoffs ohne weiteres individualisierbar wäre, ist rechtsfehlerfrei. Ihre tatsächlichen Grundlagen werden von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.
2. Der vor der einseitigen Erledigterklärung gestellte Unterlassungsantrag war jedoch - wie die Revision zu Recht geltend macht - mangels einer Begehungsgefahr nicht begründet.

a) Die Klägerin hat ihren Unterlassungsantrag nicht auf die Abgabe der Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie" im Dezember 1995 gestützt, sondern daraus hergeleitet, daß sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung über ihren Widerspruch gegen die ergangene einstweilige Verfügung am 31. Juli 1996 berühmt habe, die Broschüre in veränderter Form weiter abgeben zu dürfen, und dadurch eine Erstbegehungsgefahr begründet habe.

b) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise rechtswidrig verhalten (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.1992 - I ZR 84/90, GRUR 1992, 318, 319 = WRP 1992, 314 - Jubiläumsverkauf ; Urt. v. 14.7.1993 - I ZR 189/91, GRUR 1994, 57, 58 = WRP 1993, 749 - Geld-zurück-Garantie; Urt. v. 15.4.1999 - I ZR 83/97, GRUR 1999, 1097, 1099 = WRP 1999, 1133 - Preissturz ohne Ende, m.w.N.). Eine Erstbegehungsgefahr kann auch begründen, wer sich des Rechts be-
rühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1986 - I ZR 158/84, GRUR 1987, 125, 126 = WRP 1987, 169 - Berühmung ).
Eine Berühmung, aus der die unmittelbar oder in naher Zukunft ernsthaft drohende Gefahr einer Begehung abzuleiten ist, kann unter Umständen auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1998 - I ZR 120/96, GRUR 1999, 418, 420 = WRP 1999, 211 - Möbelklassiker). Die Tatsache allein, daß sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch nicht als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.1967 - Ib ZR 119/65, GRUR 1968, 49, 50 = WRP 1968, 54 - Zentralschloßanlagen; Urt. v. 24.4.1986 - I ZR 56/84, GRUR 1987, 45, 46 f. = WRP 1986, 603 - Sommerpreiswerbung; Urt. v. 12.7.1990 - I ZR 278/88, WM 1990, 1839, 1841 - Kreishandwerkerschaft II; Urt. v. 24.1.1991 - I ZR 133/89, GRUR 1991, 764, 765 f. = WRP 1991, 470 - Telefonwerbung IV, insoweit nicht in BGHZ 113, 282; Urt. v. 19.3.1992 - I ZR 122/90, GRUR 1992, 627, 630 = WRP 1992, 553 - Pajero; GroßKomm /Köhler, Vor § 13 UWG Rdn. 79; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche , 7. Aufl., Kap. 10 Rdn. 10, 12; Borck, WRP 1984, 583, 587). Andernfalls würde der Beklagte in der wirksamen Verteidigung seiner Rechte, zu der auch das Recht gehört, in einem gerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltensweisen klären zu lassen, und in seinem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) beschränkt (vgl. dazu auch Ullmann, WRP 1996, 1007, 1010). Einem Beklagten, der sich gegen einen Anspruch, den er für unbegründet hält, verteidigt, kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, er werde selbst eine gerichtliche Entscheidung, mit der die
Rechtslage geklärt worden ist, nicht beachten (vgl. GroßKomm/Köhler, Vor § 13 UWG Rdn. 79; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 301; Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, 2000, S. 180 f.).
Eine Rechtsverteidigung kann aber dann eine Erstbegehungsgefahr begründen , wenn nicht nur der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten , sondern den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten. An einer Erstbegehungsgefahr fehlt es jedoch insbesondere, wenn eindeutig klargestellt wird, daß es dem Beklagten nur um die Rechtsverteidigung geht und keine Rechtsverletzungen zu besorgen sind (vgl. BGH WM 1990, 1839, 1841 - Kreishandwerkerschaft II). Wäre sein Verhalten sonst als eine die Erstbegehungsgefahr begründende Berühmung anzusehen, ist es allerdings Sache des Beklagten, zweifelsfrei deutlich zu machen, daß es ihm nur um das Obsiegen im Prozeß geht (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.1992 - I ZR 20/90, GRUR 1992, 404, 405 = WRP 1992, 311 - Systemunterschiede; BGH GRUR 1999, 1097, 1099 - Preissturz ohne Ende).

c) Die Frage, ob eine Erstbegehungsgefahr besteht, ist nach dem Stand der letzten mündlichen Verhandlung zu beantworten (vgl. BGH GRUR 1994, 57, 58 - Geld-zurück-Garantie, m.w.N.). Diese Beurteilung ist im wesentlichen tatsächlicher Natur und im Revisionsverfahren nur beschränkt, nämlich darauf nachprüfbar, ob der Tatrichter von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist und keine wesentlichen Tatumstände außer acht gelassen hat (vgl. BGH GRUR 1987, 45, 46 - Sommerpreiswerbung, m.w.N.). Die Revision
rügt jedoch mit Erfolg, daß das Berufungsgericht unzutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hat und bei der Würdigung des Sachverhalts wesentliche Umstände außer acht gelassen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat die Erstbegehungsgefahr vor allem aus dem vorprozessualen Verhalten der Beklagten hergeleitet. Aus seinen Ausführungen geht hervor, daß es dabei rechtsfehlerhaft angenommen hat, daß bereits die bloße Rechtsverteidigung eine Berühmung darstellt, aus der sich eine Erstbegehungsgefahr ergibt, wenn sie nicht mit dem ausdrücklichen Vorbehalt versehen wird, daß es nur um die Vertretung eines Rechtsstandpunkts gehe.
Das Berufungsgericht hat angenommen, daß schon das Anwaltsschreiben vom 24. Januar 1996, mit dem die Beklagte auf die Abmahnung geantwortet hat, die Erwartung begründet habe, daß sie die Broschüre im wesentlichen unverändert weiter verwenden werde. Ob dies zutrifft, kann offenbleiben, weil die Beklagte davon jedenfalls später ausdrücklich Abstand genommen hat (vgl. dazu nachstehend unter (2)). Dem Anwaltsschreiben der Beklagten vom 26. April 1996 konnte dagegen - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - bei rechtlich zutreffender Beurteilung nicht einmal eine Berühmung entnommen werden. Denn dort wird lediglich mitgeteilt, daß die einstweilige Verfügung gegen die Broschüre "Neue Konzepte in der MS-Therapie" als unbegründet angesehen und nicht als endgültige Regelung anerkannt werde; es werde zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit Widerspruch eingelegt werden, um ein mit Entscheidungsgründen versehenes Urteil zu erhalten.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte eine Erstbegehungsgefahr insbesondere durch Erklärungen begründet, die sie in der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 1996 über ihren Widerspruch gegen die einst-
weilige Verfügung abgegeben habe. Diese Beurteilung wird von der Revision zu Recht als verfahrensfehlerhaft beanstandet, weil das Berufungsgericht dabei einen von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis zu ihren Erklärungen in diesem Verhandlungstermin übergangen hat. Eine Nachholung dieser Beweisaufnahme ist jedoch entbehrlich. Denn selbst wenn die Beklagte in der Widerspruchsverhandlung vom 31. Juli 1996 durch ihre Einlassung eine Erstbegehungsgefahr begründet haben sollte, wäre diese durch das weitere Verhalten der Beklagten im vorliegenden Hauptsacheverfahren jedenfalls beseitigt worden.
(2) An die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr sind grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1991 - I ZR 31/90, GRUR 1992, 116, 117 = WRP 1991, 719 - Topfgucker-Scheck). Anders als für die durch einen begangenen Wettbewerbsverstoß begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung (BGH, Urt. v. 23.2.1989 - I ZR 18/87, GRUR 1989, 432, 434 - Kachelofenbauer I). Eine durch Berühmung geschaffene Erstbegehungsgefahr und mit ihr der Unterlassungsanspruch entfallen grundsätzlich mit der Aufgabe der Berühmung. Eine solche liegt jedenfalls in der uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung, daß die beanstandete Handlung in der Zukunft nicht vorgenommen werde (vgl. BGH GRUR 1992, 116, 117 - Topfgucker-Scheck; Urt. v. 19.3.1992 - I ZR 166/90, GRUR 1993, 53, 55 = WRP 1992, 762 - Ausländischer Inserent; Urt. v. 6.10.1994 - I ZR 155/90, GRUR Int. 1995, 503, 505 = NJW 1995, 868 - Cliff Richard II; Baumbach/Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 306; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., Vor § 13 Rdn. 21 m.w.N.; Teplitzky aaO Kap. 10 Rdn. 21 f.).
Die Beklagte hat eine durch Berühmung etwa begründete Erstbegehungsgefahr schon vor Klageerhebung durch ihre Erklärungen im Schreiben vom 29. Januar 1997 ausgeräumt. Dort ist ausgeführt:
"Soweit Sie darlegen, das streitgegenständliche Verhalten meiner Mandantin sei in der mündlichen Verhandlung verteidigt worden, ist dies zutreffend. Eine die Begehungsgefahr für neue Verstöße begründende Berühmung ist darin freilich nicht zu sehen, weil die erstinstanzlichen Ausführungen, welche am Schluß der mündlichen Verhandlung dann auch mit der Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung endeten, lediglich der Rechtsverteidigung gedient haben. Ich stelle dies hiermit nochmals ausdrücklich klar. Die streitgegenständliche Broschüre wird von unserer Mandantin ungeachtet der Reichweite des Verbotes auch in Zukunft nicht mehr abgegeben werden." Für die Ansicht des Berufungsgerichts, daß diesen Ausführungen keine eindeutige Aufgabe der Berühmung zu entnehmen sei, fehlt eine nachvollziehbare Begründung. Ebenso unmißverständlich wie in ihrem vorprozessualen Schreiben vom 29. Januar 1997 hat die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren - bereits in der Klageerwiderung und danach immer wieder in ihren Schriftsätzen (vgl. Schriftsätze vom 11.4.1997 und vom 13.5.1997 sowie Berufungsbegründung vom 30.9.1997) - klargestellt, daß sie sich nicht des Rechts berühme , die streitgegenständliche Broschüre - nach Vornahme der durch die Unterlassungserklärungen notwendig gewordenen Ä nderungen - wieder zu verwenden. Die Beklagte konnte kaum deutlicher erklären, daß sie nicht die Absicht hatte, die Broschüre erneut abzugeben, zumal sie diese nach ihren unwiderlegten Angaben schon bei Absendung ihres Schreibens vom 29. Januar 1997 seit über einem Jahr nicht mehr verwendet hatte. Dem steht - abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht entgegen, daß die Beklagte auch Ausführungen dazu gemacht hat, daß ihre vorprozessualen Erklärungen nicht als Berühmung zu verstehen seien. Selbst wenn diese unzu-
treffend gewesen sein sollten, wären jedenfalls ihre im Verfahren abgegebenen Erklärungen als unzweideutige Aufgabe einer Berühmung zu werten.
Umstände, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht gegeben. Die Tatsache, daß die Beklagte in verjährter Zeit bereits eine Verletzungshandlung begangen hat, kann nicht mehr als Grundlage für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr herangezogen werden, weil sonst die Regelung der Verjährung in § 21 UWG umgangen würde (vgl. BGH GRUR 1994, 57, 58 - Geld-zurückGarantie ; Teplitzky aaO Kap. 10 Rdn. 17, Kap. 16 Rdn. 31; GroßKomm /Messer, § 21 UWG Rdn. 12). Ebensowenig kann die bloße Möglichkeit einer werbewirksamen Wiederverwendung der Broschüre in veränderter Gestalt eine für die Annahme der Erstbegehungsgefahr hinreichende Wahrscheinlichkeit ihrer tatsächlichen Verwendung begründen (vgl. dazu auch BGH GRUR 1992, 404, 405 - Systemunterschiede).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann schließlich auch daraus , daß die Beklagte zunächst nur - in zeitlichem Abstand - Teilunterlassungserklärungen abgegeben hat, nichts für eine Erstbegehungsgefahr hergeleitet werden. Angesichts des sonstigen Verhaltens der Beklagten war ihr Zögern , sich strafbewehrt zur Unterlassung zu verpflichten, nur als Folge aus der von ihr vertretenen Rechtsansicht, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, zu verstehen. Selbst wenn dem Berufungsgericht darin zugestimmt werden könnte, daß die Beklagte in der Berufungsbegründung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht bereits angeboten, sondern erst angekündigt hat, war dieser Erklärung jedenfalls erneut ein ernsthaftes und eindeutiges Abstandnehmen von einer etwaigen Berühmung zu entnehmen.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts konnte demgemäß die Vereinbarung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung in der mündlichen Berufungsverhandlung mangels Bestehens eines Unterlassungsanspruchs keine erledigende Wirkung haben.
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und auf ihre Berufung das Urteil des Landgerichts abzuändern. Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Schaffert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 225/98 Verkündet am:
19. Oktober 2000
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Viennetta
Bei Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in der äußeren Erscheinungsform
und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von einer Fülle
ähnlicher Produkte nur wenig unterscheiden (hier: Eiscreme in Haushaltspakkungen
), ist im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
bei der Beurteilung der vermeidbaren Herkunftstäuschung im allgemeinen
davon auszugehen, daß der Verkehr sich in erster Linie an der Produktbezeichnung
und der Herstellerangabe orientiert und die verschiedenen
Erzeugnisse nicht ausschließlich nach der äußeren Gestaltung der Ware oder
der Verpackung unterscheidet. Nur im Falle der identischen Übernahme aller
wesentlichen Gestaltungsmerkmale kann eine Herkunftstäuschung trotz unterschiedlicher
Produkt- oder Herstellerbezeichnungen naheliegen.
BGH, Urt. v. 19. Oktober 2000 - I ZR 225/98 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Prof.
Dr. Bornkamm und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 31. Juli 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin produziert und vertreibt - ihren Angaben zufolge seit dem Jahr 1983, zumindest aber seit dem Jahr 1985 - das Speiseeis "Viennetta". Dabei handelt es sich um ein in Haushaltspackungen servierfertig abgepackt angebotenes Produkt, das aus dünnen übereinanderliegenden Eisschichten
besteht, auf die eine kakaohaltige Fettglasur aufgesprüht ist. Es besitzt eine längliche Rechteckform und weist, wie die nachstehende Abbildung zeigt, an den beiden Längsseiten ein Wellenmuster in vier übereinanderliegenden Reihen auf:
Die Beklagte bringt seit April 1996 das Eis "Café au lait" auf den Markt. Bei diesem Produkt handelt es sich um ein Speiseeis, das, wie die nachstehende Abbildung zeigt, aus zwei übereinander angeordneten Eisschichten besteht :

Die Klägerin sieht hierin einen Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung durch nahezu identische Nachahmung. Sie macht geltend, die wettbewerbliche Eigenart von "Viennetta" liege insbesondere in der vorher nicht bekannten, in der Werbung besonders gepflegten und herausgestellten und bis zum Marktzutritt der Beklagten mit "Café au lait" einzigartig gebliebenen Wellenstruktur der Eiscremeschichten, die rein optische Gründe habe. Die Beklagte habe diese Wellenstruktur mit ihrem beanstandeten Produkt ohne Not übernommen. Auch wenn diesem Produkt der für "Viennetta" ferner charakteristische - zu einem besonderen Geschmackserleb-
nis führende (sogen. Blistereis) - Blättereis-Effekt fehle, werde deshalb ein nicht unbeachtlicher Teil des Verkehrs annehmen, daß das Eis "Café au lait" von der Klägerin stamme.
In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Klage ferner auch auf § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Nr. 2 MarkenG gestützt.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen , ein Speiseeis gemäß nachstehender Abbildungen anzubieten, feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen, das dadurch gekennzeichnet ist, daß dünne Schichten Speiseeis extrudiert wellig abgelegt angeordnet sind. (Es folgen vier Abbildungen der von der Beklagten für das Eis "Café aulait" verwendeten Verpackungen.)
Sie hat ferner Auskunftserteilung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz begehrt.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat insbesondere die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Klägerin in Abrede gestellt und vorgebracht , wellenförmige Verzierungen seien bei Speiseeis gang und gäbe. Bei der "Wellenform" des Eises "Café aulait" handele es sich um ein durch dessen Herstellungsart und Produkteigenschaften bedingtes technisches Merkmal, das der Auflockerung des Eises diene, um so einen Cremeeiseffekt zu erzielen. Angesichts der Unterschiede in der Gestaltung der beiderseitigen Produkte könne von einer unmittelbaren Leistungsübernahme oder einem identischen
Nachmachen des Produkts "Viennetta" sowie von einer Herkunftstäuschung durch die Beklagte keine Rede sein.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß es bei der Verletzungsform auf die Abbildungen von zwei Verkaufspackungen sowie des Produkts der Beklagten Bezug genommen und den Auskunftsanspruch sowie die Schadensersatzfeststellung auf die Zeit seit dem 1. April 1996 beschränkt hat.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche unter dem Gesichtspunkt ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes gemäß § 1 UWG für gerechtfertigt erachtet. Es hat eine vermeidbare Herkunftstäuschung angenommen und hierzu ausgeführt:
Das Produkt "Viennetta" besitze wettbewerbliche Eigenart, weil es nach seinem von dem sogenannten Blättereis-Effekt beeinflußten und durch die charakteristische Wellenstruktur der beiden Längsseiten sowie der übrigen Oberfläche maßgeblich geprägten ästhetischen Gesamteindruck geeignet sei, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft hinzuweisen.
Das folge insbesondere daraus, daß es bis zum Marktzutritt von "Café au lait" im Frühjahr 1996 kein vergleichbar gestaltetes Speiseeis gegeben habe. Die dem Erzeugnis "Viennetta" und dessen Verpackung bereits von Hause aus zukommende , zumindest durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart sei in den mehr als zehn Jahren bis zum Marktzutritt von "Café aulait" beachtlich gestärkt worden.
Vor diesem Hintergrund kämen das Erzeugnis "Café aulait" und dessen Verpackungen nach ihrem optischen Gesamteindruck dem Produkt "Viennetta" so nahe, daß von der Gefahr einer betrieblichen Herkunftstäuschung auszugehen sei. Das Erscheinungsbild von "Café au lait" werde maßgeblich von den übereinandergeschichteten Wellenreihen bestimmt, die optisch dessen Längsseiten beherrschten und deren Bewegung ebenfalls an der Oberfläche des Eises sichtbar sei. Damit beziehe das Produkt der Beklagten seine wettbewerbliche Eigenart gerade aus einem vom Publikum als Besonderheit der Aufmachung von "Viennetta" in Erinnerung behaltenen und bei Konkurrenzprodukten nicht bekannten Gestaltungsmerkmal, wobei sich die optische Übereinstimmung bei der Umsetzung dieses Merkmals fortsetze. Da der Verbraucher sich zudem erfahrungsgemäß eher an den Gemeinsamkeiten als an den Unterschieden der Produkte orientiere, werde ein zumindest nicht unbeachtlicher Teil des Publikums wegen dieser unverkennbaren Gemeinsamkeit der Produkte in einem maßgeblichen ästhetischen Merkmal ohne längeres Nachdenken "Café au lait" für ein Schwesterprodukt des Herstellers von "Viennetta" oder jedenfalls für ein Produkt eines Unternehmens halten, das aufgrund von rechtlichen oder sonstigen Beziehungen zum Hersteller von "Viennetta" zur Verwendung dieser Gestaltung berechtigt sei. Im Hinblick auf die von der Beklagten damit geschaffene Gefahr einer betrieblichen Herkunftstäuschung im mittelbaren sowie im weiteren Sinne spielten der Umstand, daß breite Kreise
der Verbraucher womöglich mit "Viennetta" auch oder sogar in erster Linie spontan die Vorstellung von einem Blättereis verbinden würden, sowie die weiteren Unterschiede zwischen diesem Eis und "Café au lait" keine Rolle mehr.
Bei den mit der Klage angegriffenen Verpackungen der Beklagten bestehe die Gefahr einer betrieblichen Herkunftstäuschung ebenfalls; denn deren Gesamteindruck werde maßgeblich von der in sämtlichen Details groß und deutlich wiedergegebenen Abbildung des Erzeugnisses "Café au lait" geprägt, bei der insbesondere die Wellenstruktur sofort ins Auge springe. Die anderen Elemente der Ausstattung dienten lediglich als beschreibende Hinweise auf den Eisgeschmack oder seien jedenfalls ungeeignet, den Eindruck von "Café au lait" als einer Zweitmarke von "Viennetta" bzw. als einem vom Hersteller von "Viennetta" lizenzierten Produkt ausreichend entgegenzuwirken. Auch der Unternehmenshinweis "S. " auf der Verpackung des Eises schaffe nicht den notwendigen Abstand von "Viennetta".
Die Beklagte handele auch subjektiv unlauter i.S. von § 1 UWG, weil sie die Gestaltung von "Viennetta" in Kenntnis der maßgeblichen Umstände ohne Not nachgeahmt habe.
Da die Klage damit bereits gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung begründet sei, bedürfe es keiner Prüfung , ob sie auch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Nr. 2 MarkenG begründet wäre.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klage sei gem. § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in der Form der vermeidbaren Herkunftstäuschung begründet, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen , daß die Übernahme einer Gestaltungsform, die nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz steht, nach § 1 UWG wettbewerbswidrig sein kann, wenn das Erzeugnis von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten , die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 8.12.1999 - I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 = WRP 2000, 493 - Modulgerüst; Urt. v. 15.6.2000 - I ZR 90/98, Umdr. S. 11 - Messerkennzeichnung , jeweils m.w.N.).
1. Das Berufungsgericht hat dem in Haushaltspackungen angebotenen Speiseeis "Viennetta" der Klägerin wettbewerbliche Eigenart zugesprochen, da dieses Erzeugnis aufgrund seiner durch die Blättereisstruktur und die an den Längsseiten erkennbare Wellenform geprägte äußere Gestaltung geeignet sei, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft von "Viennetta" hinzuweisen. Es kann dahinstehen, ob die dagegen gerichteten Angriffe der Revision durchgreifen. Es kann unterstellt werden, daß - wie vom Berufungsgericht angenommen - sowohl der äußeren Gestaltung als auch der Verpackung des Produktes der Klägerin von Haus aus zumindest durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart zukommt, die zum Zeitpunkt des Marktzutritts der Beklagten im Frühjahr 1996 mit dem beanstandeten Produkt "Café au lait" sogar beachtlich gestärkt war.
2. Die Revision wendet sich jedenfalls mit Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht das Unlauterkeitsmerkmal einer vermeidbaren Herkunftstäuschung bejaht hat. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes, daß zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung besteht; je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 17.6.1999 - I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1108 = WRP 1999, 1031 - Rollstuhlnachbau).

a) Nach den v om Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Beklagte das Produkt der Klägerin weder identisch noch nahezu identisch übernommen. Es ist jedoch von einer nachschaffenden Übernahme ausgegangen , weil die optische Übereinstimmung unverkennbar und augenfällig sei. Die sich gegenüberstehenden Produkte wiesen an den Längsseiten übereinander geschichtete Wellenreihen auf, die insofern übereinstimmend ausgestaltet seien , als sie aus eng aneinandergereihten Bögen bestünden, die hoch aufgerichtet und markant konturiert seien. Das Berufungsgericht hat dabei nicht verkannt , daß das Produkt der Klägerin vier Wellenreihen, das der Beklagten nur zwei Reihen aufweist und daß auch die Schlaufen unterschiedlich ausgebildet sind. Es hat auch berücksichtigt, daß das Produkt der Klägerin im Gegensatz zu dem der Beklagten eine Blättereisstruktur aufweist, die auch an den Längsseiten sichtbar wird.

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß aufgrund der Abweichungen jedenfalls keine unmittelbare Herkunftsverwechslung festgestellt werden kann. Es ist jedoch davon ausgegangen, daß eine betriebliche
Herkunftstäuschung im mittelbaren und weiteren Sinne vorliegt, da nicht unbeachtliche Teile des Publikums das Produkt der Beklagten aufgrund der Übereinstimmungen für ein Schwester- oder Zweitprodukt von "Viennetta" bzw. für das Erzeugnis eines mit dem Hersteller von "Viennetta" rechtlich oder in sonstiger Weise verbundenen Unternehmens halten. Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht ist zwar im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß eine nach § 1 UWG unzulässige vermeidbare Herkunftstäuschung auch dann vorliegen kann, wenn der Verkehr bei dem nachgeahmten Produkt annimmt, es handele sich um eine Zweitmarke des Originalherstellers , oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.2000 - I ZR 90/98, Umdr. S. 17 ff. - Messerkennzeichnung, m.w.N.). Diese Voraussetzungen lassen sich indessen auch unter Berücksichtigung einer gesteigerten wettbewerblichen Eigenart des Produkts der Klägerin auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht bejahen, und zwar weder hinsichtlich der Produktgestaltung selbst noch hinsichtlich der vom Verbot ebenfalls erfaßten Verpackung.
aa) Soweit es um die Produktgestaltung selbst geht, mag die Verkehrsvorstellung einer Zweitmarke oder des Bestehens wirtschaftlicher oder organisatorischer Beziehungen in Betracht gezogen werden. Denn das Berufungsgericht verweist zu Recht darauf, daß der Käufer meist nicht beide Erzeugnisse zugleich vor Augen hat und sich daher auf seine Erinnerung verläßt. Für die Prüfung in der Revisionsinstanz kann auch von der von der Revision beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts ausgegangen werden, daß der Verkehr als charakteristisches Merkmal des Produktes der Klägerin die an den
Längsseiten sichtbare Wellenstruktur in Erinnerung behält und meint, diese trotz der Abweichungen im Produkt der Beklagten wiederzufinden. Gleichwohl kann nicht angenommen werden, daß beachtliche Teile des Verkehrs allein aufgrund der äußeren Gestaltung über die betriebliche Herkunft getäuscht werden. Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend beachtet, daß die in Rede stehenden Produkte beider Parteien dem Verkehr bei der Kaufentscheidung nur in der jeweiligen Verpackung gegenübertreten. Eine Veräußerung des Speiseeises ohne Verpackung scheidet aus. Damit entfällt auch eine Herkunftstäuschung allein aufgrund der äußeren Gestaltung des Produkts in der für die Verkehrsvorstellung in erster Linie maßgebenden Kaufsituation. Auf spätere Situationen, in denen das Eis aus seiner Verpackung entnommen und zum Verzehr präsentiert wird, kann nicht entscheidend abgestellt werden. Davon abgesehen, daß das Eis in dem so präsentierten Zustand ohnehin nur sehr begrenzt haltbar ist, treten mit der Portionierung die an den Schnittflächen augenfälligen substanzmäßigen sowie die aufgrund des Blättereiseffekts auch in geschmacklicher Hinsicht bestehenden - unstreitigen - Unterschiede gegenüber der allenfalls für eine Herkunftstäuschung sprechenden Wellenform des Eises deutlich in den Vordergrund. Dementsprechend liegt auch die Annahme fern, daß sich eine bei der Präsentation des ausgepackten Produkts aufgrund der Wellenstruktur ergebende Ä hnlichkeit des Eises "Café au lait" mit dem Eis "Viennetta" auf eine in der Zukunft zu treffende weitere Kaufentscheidung auswirken wird. Von einer Herkunftstäuschung nicht unbeachtlicher Teile des Verkehrs kann insoweit nicht gesprochen werden.
bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts entfällt eine vermeidbare Herkunftstäuschung aber auch aufgrund der von der Klägerin ebenfalls angegriffenen Gestaltung der Verpackung des Eises "Café au lait" der Beklagten. Das Berufungsgericht hat maßgebend darauf abgestellt, daß die bei-
derseitigen Verpackungen durch die naturalistischen Abbildungen der Erzeugnisse geprägt seien, bei denen insbesondere die Wellenstruktur sofort ins Auge springe. Es entstehe daher der Eindruck von "Café au lait" als einer Zweitmarke von "Viennetta" bzw. eines vom Hersteller von "Viennetta" lizenzierten Produkts. Dem kann nicht beigetreten werden.
Die Herbeiführung der Gefahr von Herkunftstäuschungen ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn ihr nicht durch zumutbare Maßnahmen seitens des Nachahmenden entgegengewirkt wird. Die Beantwortung der Frage, welche Maßnahmen im Einzelfall zur Vermeidung von Herkunftsverwechslungen geeignet und zumutbar sind, liegt weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet (BGH GRUR 2000, 521, 524 f. - Modulgerüst, m.w.N.). Insbesondere die Frage, welche Bedeutung der Verkehr der Anbringung von (unterscheidenden) Kennzeichnungen beimißt, bedarf einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, um feststellen zu können, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird (BGH, Urt. v. 14.1.1999 - I ZR 203/96, GRUR 1999, 751, 753 = WRP 1999, 816 - Güllepumpen, m.w.N.). Dem ist das Berufungsgericht im Blick auf die deutlich unterschiedlichen Produktbezeichnungen und Herstellerangaben nicht hinreichend nachgegangen. Soweit es angenommen hat, der Verkehr verstehe aufgrund der gemeinsamen Wellenstruktur die Produktbezeichnung "Café au lait" als Zweitmarke von "Viennetta", hat es unberücksichtigt gelassen, daß der Verkehr die Produktbezeichnung der Beklagten schon allein aufgrund des jeweiligen Unternehmenshinweises - "L. " einerseits und "S. " andererseits - nicht dem Hersteller von "Viennetta" als Zweitmarke zurechnet. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die unterschiedliche Herstellerangabe als ungeeignet angesehen hat, einer Herkunftstäuschung entgegenzuwirken, wird von der allgemeinen Lebenserfahrung nicht getragen. Das Berufungsgericht hat ausge-
führt, es sei zum einen an diejenigen Verbraucher zu denken, die zwar den Namen "Viennetta" und die Gestaltung dieses Eises kennen, sich aber nicht an den Hersteller ("L. ") erinnerten. Zum anderen vermöge selbst aus der Sicht derjenigen, die wüßten, daß "Viennetta" von "L. " stamme, der Hinweis "S. " nicht die Vorstellung auszuschließen, daß "Café au lait" von "S. " sich nur mit Gestattung von "L. " der sonst nur für "Viennetta" charakteristischen Wellenform bedienen dürfe.
Ob die deutliche Hervorhebung des Herstellernamens ausreicht, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung in ausreichendem Maße einzudämmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung wäre dann zu bejahen, wenn der Verkehr sich nicht auch an der Herstellerangabe , sondern allein an der äußeren Gestaltung orientieren und diese allein deswegen einem bestimmten Hersteller zuordnen würde (vgl. BGH GRUR 1999, 751, 753 - Güllepumpen). Davon kann bei Eiscremeprodukten nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ausgegangen werden. Die Revision weist mit Recht darauf hin, der Verkehr sei bei derartigen Produkten gewohnt , sich einer Fülle von Waren und Sortimenten gegenüberzusehen, die sich in ihrer äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung meist nicht wesentlich unterscheiden, sondern regelmäßig sehr stark ähneln, trotzdem aber von unterschiedlichen Herstellern stammen. Es erscheint deshalb eher fernliegend, daß der Verkehr sowohl die Produktbezeichnung als auch die Herstellerangabe völlig vernachlässigt und sich ausschließlich an einem Gestaltungsmerkmal - der Wellenstruktur - orientiert; dies insbesondere in einem Fall, in dem nicht einmal eine identische Übernahme vorliegt, weil zumindest ein wesentliches Element, das den Gesamteindruck mitprägt - hier der Blättereis-Effekt -, nicht übernommen worden ist. Für die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß die Teile des Verkehrs, denen
die Hersteller "L. " und "S. " bekannt seien, von einer Gestattung seitens der Klägerin ausgingen, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, daß ein Unternehmen seinem Konkurrenten die nachschaffende Übernahme seiner Produkte gestattet.
III. Danach kann das auf die Bejahung einer vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 1 UWG gestützte Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Klageansprüche unter dem von der Klägerin im Berufungsverfahren ferner geltend gemachten Gesichtspunkt des Markenschutzes, zu dem das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen hat, an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Diese wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Schaffert

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 276/00 Verkündet am:
10. April 2003
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Tupperwareparty
Voraussetzung für den wettbewerbsrechtlichen Schutz einer nicht als Marke
geschützten Kennzeichnung gegen unlautere Ausbeutung ist, daß der Verkehr
mit dieser Kennzeichnung selbst Gütevorstellungen verbindet, die einem bestimmten
Unternehmen zugeordnet werden. Sofern die Kennzeichnung als Bezeichnung
von Verkaufsveranstaltungen (Tupperwareparty) ihren Ruf allein aus
dem guten Ruf der dort vertriebenen Waren (TUPPERWARE) gewinnt, ist die
Annäherung durch eine Bezeichnung für ähnliche oder identische Waren
(LEIFHEIT TopParty) allenfalls dann als unlauter zu erachten, wenn auch diese
im Wege vergleichbarer Verkaufsveranstaltungen vertrieben werden oder wenn
durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Bezeichnungen eine vermeidbare
Herkunftstäuschung hervorgerufen wird.
BGH, Urteil vom 10. April 2003 - I ZR 276/00 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 10. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. November 2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 3. März 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelinstanzen tragen die Klägerinnen, von den Kosten der 1. Instanz tragen die Klägerinnen 1/3, die Beklagte 2/3.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin zu 1 stellt u.a. Frischhalte- und Gefrierdosen her, die von ihrem Tochterunternehmen, der Klägerin zu 2, unter der Bezeichnung "TUP-
PERWARE" auf dem deutschen Markt vertrieben werden. Diese Bezeichnung ist für die Klägerin zu 1 mit Priorität vom 17. Februar 1961 als Marke Nr. 758 500 für "Waren aus Kunststoff, nämlich tragbare Behälter für Haushalt und Küche, Schalen, Schüsseln und Teller" sowie als Marke Nr. 39 520 328 für weitere Waren geschützt. Der Vertrieb der Waren der Klägerinnen erfolgt ausschließlich durch etwa 60.000 Beraterinnen und Berater im Rahmen von Heimvorführungen , zu denen Gäste als potentielle Käufer eingeladen werden. Für diese Heimvorführungen hat sich mit zunehmender Bekanntheit der Produkte und dieser Vertriebsform in der Bevölkerung die Bezeichnung "Tupperparty" beziehungsweise "Tupperwareparty" herausgebildet. Seit 1999 verwendet auch die Klägerin zu 2 diese Bezeichnung. Die Klägerinnen erzielen mit dem Vertrieb von mit der Marke "TUPPERWARE" versehenen Frischhalte- und Gefrierdosen in Deutschland erhebliche Umsätze (1997 und 1998 jeweils über 400 Mio.
Die Beklagte stellt Haushaltsartikel, u.a. auch Vorratsbehälter, her und vertreibt diese unter der Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" über den Einzelhandel.
Die Klägerinnen haben darin eine Verletzung ihnen zustehender Kennzeichenrechte und einen Verstoß gegen § 1 UWG gesehen. Sie haben geltend gemacht, bei "TUPPERWARE" handele es sich um eine berühmte Marke, mit der auch der Begriff "Tupper(ware)party" eng verbunden sei. Bei dieser Bezeichnung handele es sich daher auch ohne Eintragung infolge Verkehrsgeltung oder wegen notorischer Bekanntheit um eine geschützte Marke. Diese Marke verletze die Beklagte durch die von ihr für Vorratsbehälter benutzte Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty". Darüber hinaus handle es sich um eine unzulässige Rufausbeutung im Sinne des § 1 UWG.
Die Klägerinnen haben - nach übereinstimmender Erledigungserklärung bezüglich eines Teils der Klage - zuletzt beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,
es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr Gefrierdosen, Frischhalteschalen und Frischhaltedosen sowie Vorratsbehälter aus Kunststoff unter der Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" auch wie nachstehend wiedergegeben ("LEIFHEIT" und Umrandung in rot und "TopParty" in blau):

anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.
Darüber hinaus haben sie, bezogen auf diese Handlungen, Schadensersatzfeststellung und Auskunft begehrt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat unter Verneinung markenrechtlicher Ansprüche die Klageanträge unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung aus § 1 UWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Markenrechtliche Ansprüche seien nicht gegeben, weil die Klägerinnen die nicht eingetragenen Zeichen "Tupperwareparty" und "Tupperparty" nicht zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen verwendeten, sondern damit lediglich eine Verkaufsveranstaltung beschrieben, so daß Markenrechte an den Bezeichnungen nicht entstanden seien.
Die Klage sei jedoch aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung durch Anlehnung an eine fremde Kennzeichnung begründet. Die angesprochenen Verbraucher übertrügen den guten Ruf, den sie mit den bekannten Zeichen "TUPPERWARE" für Frischhalte- und Gefrierdosen sowie "Tupper(ware)party" für die zugehörigen Verkaufsveranstaltungen verbänden, auf die mit der angegriffenen Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" versehenen Behälter der Beklagten. Wegen der hohen Bekanntheit der Kennzeichnung, der Identität der Waren und der großen, schon bei flüchtiger Wahrnehmung ins Auge fallenden Ähnlichkeit der Bezeichnungen werde der Verkehr die Erwartung entwickeln, daß die unter der angegriffenen Bezeichnung vertriebenen Haushaltsdosen ebenfalls von hoher Qualität seien. Der Verbraucher übertrage da-
mit zumindest unbewußt die hohen Qualitätsvorstellungen, die er mit den "TUPPERWARE"-Produkten verbinde, auch auf die mit der angegriffenen Bezeichnung versehenen Produkte der Beklagten.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - auch die Revisionserwiderung erhebt insoweit keine Gegenrügen -, daß das Berufungsgericht markenrechtliche Ansprüche der Klägerinnen verneint hat.

a) Auf ihre Rechte aus den eingetragenen Marken "TUPPERWARE" stützen die Klägerinnen ihre Klage nicht.

b) Für die Bezeichnungen "Tupperwareparty" und "Tupperparty" ist ein Markenschutz nicht entstanden. Die Zeichen sind nicht als Marken eingetragen (§ 4 Nr. 1 MarkenG). Markenschutz aufgrund Verkehrsgeltung nach § 4 Nr. 2 MarkenG oder wegen notorischer Bekanntheit nach § 4 Nr. 3 MarkenG ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß nicht Waren oder Dienstleistungen der Klägerinnen mit "Tupperparty" oder "Tupperwareparty" bezeichnet werden, sondern daß diese Bezeichnungen vom Verkehr lediglich für eine besondere Vertriebsmethode verwendet werden. Soweit es von der Übernahme der Bezeichnung durch die Klägerin zu 2 selbst seit dem Jahr 1999 ausgegangen ist, bezieht sich auch diese Feststellung nur auf die Verwendung der Bezeichnung für in einer Vielzahl von Privathaushalten durchgeführte Verkaufsveranstaltungen. Hiergegen haben die Revision und die Revisionserwiderung keine Rügen
erhoben. Eine besondere Dienstleistung der Klägerinnen liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den als "Tupper(ware)party" bezeichneten Verkaufsveranstaltungen nicht zugrunde. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht deshalb davon ausgegangen, daß die in Rede stehenden Bezeichnungen keinen Markenschutz nach § 4 Nr. 2 oder 3 MarkenG für die Klägerinnen genießen.
2. Mit Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht in der Verwendung der Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" für Gefrier- und Frischhaltedosen durch die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung ein unlauteres Verhalten nach § 1 UWG gesehen hat.

a) Vergeblich macht die Revision allerdings geltend, die Annahme des Berufungsgerichts, auf den Streitfall könne § 1 UWG angewendet werden, widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 138, 349, 351 f. - MAC Dog; BGH, Urt. v. 5.12.2002 - I ZR 91/00, GRUR 2003, 332, 335 f. = WRP 2003, 521 - Abschlußstück; weitere Nachweise bei Starck, FS f. Erdmann, 2002, 485, 489). Zwar trifft es zu, daß § 9 Abs. 1 Nr. 3 und § 14 Abs. 2 Nr. 3 sowie § 15 Abs. 3 MarkenG für den Schutz bekannter Marken und geschäftlicher Bezeichnungen an die Stelle des bisherigen von der Rechtsprechung entwickelten Schutzes getreten sind und in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich für eine Anwendung des § 1 UWG oder des § 823 BGB grundsätzlich keinen Raum lassen. Vorliegend kommen Ansprüche aus Markenrecht an der Bezeichnung "Tupper(ware)party" jedoch mangels Bestehens von Markenschutz gerade nicht in Betracht. Unerheblich ist daher der Streit zwischen den Parteien , ob der Schutz bekannter Marken nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG auch im Fall der Warenähnlichkeit oder -identität entsprechend anzuwenden und ein Schutz nach § 1 UWG in derartigen Fällen ausgeschlossen ist (vgl. hierzu jetzt:
EuGH, Urt. v. 9.1.2003 - Rs. C-292/00, GRUR 2003, 240, 242 Tz. 30 = WRP 2003, 370 - Davidoff); ein Schutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG würde näm- lich das vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneinte Bestehen einer Marke der Klägerinnen an den Bezeichnungen "Tupperparty" oder "Tupperwareparty" voraussetzen.

b) Im rechtlichen Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , daß die Übernahme eines fremden, nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Leistungsergebnisses, das auch in der Kennzeichnung von Produkten liegen kann, nach § 1 UWG unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Ausbeutung wettbewerbswidrig sein kann, wenn dieses Leistungsergebnis wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände hinzutreten, die die Anlehnung unlauter erscheinen lassen. Hierbei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung in der Weise, daß je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringere Anforderungen an die besonderen Umstände , die die Wettbewerbswidrigkeit begründen, zu stellen sind (BGH, Urt. v. 15.6.2000 - I ZR 90/98, GRUR 2001, 251, 253 = WRP 2001, 153 - Messerkennzeichnung, m.w.N.). Das Berufungsgericht hat die Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten im Streitfall darin gesehen, daß diese die hohe Bekanntheit der Kennzeichnung der Waren der Klägerinnen, die sich in der Bezeichnung der Vertriebsmethode "Tupper(ware)party" niederschlage, durch Anlehnung mittels ihrer Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" zum Mittel ihrer eigenen Werbung mache. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden.
aa) Auf eine unmittelbare Anlehnung der angegriffenen Bezeichnung an die Kennzeichnung "TUPPERWARE" der Klägerinnen hat das Berufungsgericht
- trotz einer mißverständlichen Bezugnahme auf den guten Ruf der "Dosen" der Klägerinnen - ausweislich seiner näheren Begründung seine Beurteilung nicht gestützt.
bb) Das Berufungsgericht hat seine Annahme der Übernahme eines fremden Leistungsergebnisses vielmehr auf eine Anlehnung der Beklagten an den guten Ruf der Bezeichnung "Tupper(ware)party" gestützt, der sich von dem guten Ruf der mit "TUPPERWARE" gekennzeichneten Frischhalte- und Gefrierdosen der Klägerinnen ableite. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
(1) Es ist bereits fraglich, ob die von der Marke "TUPPERWARE" mittelbar abgeleitete Bezeichnung "Tupper(ware)party" eine einen guten Ruf begründende wettbewerbliche Eigenart aufweist. Eine solche setzt voraus, daß die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale einer wettbewerblichen Leistung geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH, Urt. v. 22.6.1995 - I ZR 119/93, GRUR 1995, 581, 583 = WRP 1995, 908 - Silberdistel; Urt. v. 8.12.1999 - I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 = WRP 2000, 493 - Modulgerüst). Dabei kann die wettbewerbliche Eigenart auch in der Kennzeichnung eines Produkts liegen (BGH, Urt. v. 28.1.1977 - I ZR 109/75, GRUR 1977, 614, 615 - Gebäudefassade; BGH GRUR 2001, 251, 253 - Messerkennzeichnung). Im Streitfall spricht gegen die Annahme eines wettbewerblichen Schutzes der Bezeichnung "Tupper(ware)party" jedoch bereits, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich der Verkehr diese Bezeichnung bis in das Jahr 1999 für die besondere Vertriebsmethode der Klägerin zu 2 verwendet hat. Sie selbst hat die Bezeichnung erst aufgenommen, nachdem diese sich bei den in Frage stehenden Verkehrskreisen eingebürgert
hatte. Die für die Verkaufsmethode seit Jahren benutzte Kennzeichnung "Tupper (ware)party" kann deshalb nicht als das Ergebnis einer Leistung der Klägerinnen angesehen werden.
Für einen wettbewerbsrechtlichen Schutz des guten Rufs der Klägerinnen über die Bezeichnung "Tupper(ware)party" bedürfte es gerade einer auf dieser Bezeichnung selbst beruhenden Herkunfts- und Gütevorstellung im Verkehr. Die mittelbare Ausstrahlung des guten Rufs der Marken "TUPPERWARE" reicht hierfür nicht. Deren Schutz gegen Rufausbeutung bemißt sich nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Dieser wird mit der Klage nicht geltend gemacht. Er würde auch an der fehlenden Ähnlichkeit der angegriffenen Bezeichnung mit den Marken der Klägerinnen scheitern.
(2) Darüber hinaus fehlt es vorliegend an einer Nachahmung der Bezeichnung "Tupper(ware)party" im Sinne eines unlauteren Anlehnens, einer Rufausbeutung.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe sich mit dem angegriffenen Zeichen "LEIFHEIT TopParty" eng an die Bezeichnung "Tupperwareparty" angelehnt und so bewirkt, daß die Verbraucher einen von "TUPPERWARE" auf "Tupper(ware)party" übertragenen guten Ruf weiter auf die Produkte der Beklagten übertragen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Für die Annahme einer derartigen mittelbaren Rufübertragung ist der Grad der Nachahmung zu gering.
Die Bezeichnungen "Tupper(ware)party" und "LEIFHEIT TopParty" werden nicht für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet. Während "Tupper(ware)party" eine bestimmte Vertriebsform für "TUPPERWA-
RE"-Produkte bezeichnet, benutzt die Beklagte die angegriffene Bezeichnung zur Kennzeichnung von Gefrier- und Frischhaltedosen. Dies verkennt zwar das Berufungsgericht nicht, es mißt diesem Umstand jedoch neben den anderen maßgeblichen Umständen kein ausreichendes Gewicht bei. Die Anlehnung der Beklagten an die Bezeichnung "Tupper(ware)party" ist im Hinblick auf den erheblichen Abstand, den die angegriffene Bezeichnung dazu einhält, nur geringfügig.
Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß für die Bestimmung des Grades der Anlehnung die Ähnlichkeit der Zeichen und hierfür der jeweilige Gesamteindruck maßgeblich ist. Diesen Gesamteindruck hat es für die angegriffene Bezeichnung zutreffend als durch den Bestandteil "TopParty" geprägt angesehen, weil der weitere Bestandteil "LEIFHEIT" erkennbar nicht das Produkt selbst, sondern das dahinterstehende Unternehmen bezeichnet und der Verkehr diesem für die eigentliche Bezeichnung des Produkts nur geringe Bedeutung beimißt. Dieser im Markenrecht anerkannte Erfahrungssatz (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.1996 - I ZB 36/93, GRUR 1996, 404, 405 = WRP 1996, 739 - Blendax Pep; Beschl. v. 14.3.1996 - I ZB 37/93, GRUR 1996, 406, 407 = WRP 1997, 567 - JUWEL; Beschl. v. 10.7.1997 - I ZB 6/95, GRUR 1997, 897, 898 = WRP 1997, 1186 - IONOFIL; Beschl. v. 4.2.1999 - I ZB 38/96, GRUR 1999, 583, 584 = WRP 1999, 662 - LORA DI RECOARO ; Urt. v. 21.9.2000 - I ZR 143/98, GRUR 2001, 164, 166 = WRP 2001, 165 - Wintergarten) ist auch bei der Bestimmung des Gesamteindrucks einer Kennzeichnung im Rahmen der Prüfung einer unlauteren Rufausbeutung zugrunde zu legen.
Das Maß der Anlehnung des Bezeichnungsbestandteils "TopParty" der Beklagten an die Bezeichnung "Tupperwareparty" ist angesichts des nur gerin-
gen Grades der Zeichenähnlichkeit aber nur gering. Zwar stimmen die Anfangsbuchstaben und der Buchstabe "p" sowie das Wortende ("Party") überein, und es ähneln sich die Vokale "o" und "u" schriftbildlich und klanglich. Jedoch bleiben die zusätzlichen Silben auffällig.
Der Grad der Anlehnung der Bezeichnung der Beklagten an "Tupperparty" ist zwar größer, aber für die Bejahung einer unlauteren Rufausbeutung dennoch nicht ausreichend. Auch hier stimmen die Anfangsbuchstaben, der weitere Buchstabe "p" und das Wortende ("Party") überein und ähneln sich die Vokale "o" und "u" schriftbildlich und klanglich. Der Verkehr nimmt jedoch die zusätzliche Silbe "per" in "Tupperparty" wahr. Er erkennt erfahrungsgemäß auch den ganz unterschiedlichen Sinngehalt der Wörter. Während "Tupper" auf die bekannten Frischhalte- und Gefrierdosen hinweist, liegt in "Top" (= Spitze) eine Qualitätsangabe (vgl. BGHZ 28, 320, 326 - Quick/Glück; BGH, Urt. v. 10.10.1991 - I ZR 136/89, GRUR 1992, 130, 132 = WRP 1992, 96 - Bally/BALL), so daß auch deswegen ein erheblicher Abstand der Bezeichnungen gegeben ist.
Der danach nur geringe Grad der Zeichenähnlichkeit würde für die Annahme einer rufausbeutenden Anlehnung allenfalls ausreichen, sofern weitere, eine Unlauterkeit begründende Handlungsmerkmale hinzukämen.
(3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es an solchen weiteren Umständen, die die Annahme eines unlauteren Verhaltens rechtfertigen. Diese könnten zwar dann vorliegen, wenn die mit der angegriffenen Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" versehenen Produkte auf Heimvorführungen verkauft würden, wie dies bei der in der Branche untypischen Vertriebsform der Klägerinnen geschieht. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
aber nicht der Fall. Die Produkte der Beklagten werden über den Einzelhandel veräußert.
Auch von einer vermeidbaren Herkunftstäuschung kann nicht ausgegangen werden. Anders als bei der Beurteilung des Gesamteindrucks der Bezeichnung kann bei der an dieser Stelle in Frage stehenden Beurteilung des Verhaltens der Beklagten als unlauter im Sinne einer vermeidbaren Herkunftstäuschung nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei der angegriffenen Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" der Herstellername "LEIFHEIT" einer Herkunftstäuschung gerade entgegenwirkt.
Zwar mag es sein, daß Teile des Verkehrs bei der Begegnung mit der angegriffenen Bezeichnung "LEIFHEIT TopParty" aufgrund der Kenntnis der Bezeichnung "Tupper(ware)party" aufmerksam werden. Das Erwecken von Aufmerksamkeit durch die Herbeiführung von bloßen Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen stellt jedoch noch keinen Umstand dar, der schon die Annahme eines unlauteren Verhaltens rechtfertigen kann (vgl. Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, 1996, Rdn. 331 ff., insb. 333 f.).
III. Danach war auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben, auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 91 a ZPO. Soweit die Kostenentscheidung des Landgerichts auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Klageanträgen beruht, ist diese insoweit aufrechtzuerhalten (BGHZ 113, 362, 365 f.).
Ullmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.