Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2002 - I ZR 302/99

bei uns veröffentlicht am04.07.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 302/99 Verkündet am:
4. Juli 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
CMR Art. 12 Abs. 5 lit. a
Die Parteien eines CMR-Frachtvertrages können nach Vertragsschluß grundsätzlich
formfrei vereinbaren, daß der Frachtführer eine erteilte Weisung als
wirksam zu behandeln hat, obwohl ihm entgegen den Regelungen in Art. 12
Abs. 5 lit. a CMR die Absenderausfertigung des Frachtbriefes nicht vorgelegt
wurde oder die Weisung nicht im Frachtbrief eingetragen war. An eine derartige
Vereinbarung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen.
BGH, Urt. v. 4. Juli 2002 - I ZR 302/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die erstinstanzliche Streithelferin der Klägerin, die N. GmbH & Co. KG (im folgenden: N. ), verkaufte an eine Firma L. in Athen 15 Tonnen Gewebestoffe. Mit der Organisation des Transports der Ware beauftragte die N. die H. Speditions-GmbH in Rheine (im folgenden: H. GmbH), die der Beklagten am 20. Juni 1995 einen "Beförderungsauftrag" über die in Rede stehende Warensendung erteilte. Die Beklagte betraute die in Athen ansässige S. S.A. (im folgenden: S.-S.A.) mit der Durchführung des Transports, die das Gut am 21. Juni 1995 bei der N. übernahm.
Am 23. Juni 1995 erteilte die H. GmbH der Beklagten telefonisch die Weisung, die Ware erst nach ihrer Freigabe durch die N. , die zwischenzeitlich erfahren hatte, daß ihre Vertragspartnerin in Athen Zahlungsschwierigkeiten habe und daß deshalb die Kaufpreiszahlung gefährdet sei, an die Käuferin auszuliefern. Die Beklagte gab diese Weisung noch am selben Tag gegen 13.30 Uhr per Telefax an die S.-S.A. weiter, die das Gut gleichwohl am 27. Juni 1995 bei der Käuferin ablieferte.
Die Klägerin hat behauptet, die Warensendung habe einen Wert von 194.929,-- DM gehabt, auf den die Käuferin lediglich 100.000,-- DM gezahlt habe , so daß ein Ausfallbetrag von 94.929,-- DM verblieben sei, zu dem noch Wechselprotestkosten für einen von der Käuferin begebenen, aber nicht eingelösten Wechsel in Höhe von 1.130,44 DM hinzukämen. Die H. GmbH habe zum Zeitpunkt des Schadensereignisses eine Verkehrshaftungsversicherung unterhalten, deren führender Versicherer ab 1. Januar 1994 die A. Versicherung AG gewesen sei. Dieses Versicherungsverhältnis habe sie, die Klägerin, betreut. Deshalb habe sie am 29. Dezember 1997 für die A. Versicherung AG an die N. 96.059,44 DM gezahlt. Die A. Versicherung AG habe sie ermächtigt, Regreßansprüche gegen Dritte im eigenen Namen geltend zu machen. Darüber hinaus hätten sowohl die N. als auch die H. GmbH ihre möglichen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an sie abgetreten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 96.059,44 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin in Abrede gestellt. Ferner hat sie behauptet, die H. GmbH habe sie lediglich mit der Besorgung des Transports zur Empfängerin in Athen beauftragt. Weder ihr noch der S.-S.A. sei es trotz Bemühungen zunächst gelungen , den Fahrer von der Weisung der H. GmbH zu unterrichten. Diese habe ihn erst am 27. Juni 1995 erreicht, als bereits etwa die Hälfte des Gutes ausgeladen gewesen sei. Der Fahrer habe daraufhin zunächst die weitere Entladung gestoppt. Wenig später habe dann jedoch die H. GmbH die Weisung erteilt, den LKW vollständig zu entladen. Die Beklagte hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage mangels Prozeßführungsbefugnis der Klägerin teilweise als unzulässig (soweit die Klägerin als Prozeßstandschafterin vorgegangen ist) und teilweise als unbegründet (soweit die Klägerin aus abgetretenem Recht der N. und der H. GmbH geklagt hat) abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei unbegründet, weil die Klägerin nicht schlüssig dargelegt habe, daß Schadensersatzansprüche der H. GmbH bzw. der N. gemäß § 67 VVG oder § 398 BGB auf die A. Versicherung AG übergegangen seien. Zudem fehle es an einer schlüs-
sigen Darlegung der Klägerin, daß die Beklagte für den streitgegenständlichen Schaden ersatzpflichtig sei. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die Klägerin habe das erstinstanzliche Urteil nur insoweit mit einer zulässigen Berufung angefochten, als das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen habe. Gegenüber der Abweisung der Klage als unbegründet enthalte die Berufungsbegründung keine Berufungsgründe.
Die Klägerin habe in der Berufungsinstanz zwar schlüssig ihre Befugnis dargelegt, die angeblich der A. Versicherung AG zustehenden Schadensersatzansprüche im eigenen Namen geltend machen zu dürfen, so daß die Klage insoweit nunmehr zulässig sei. Es fehle jedoch an einem substantiierten Vortrag der Klägerin, daß die A. Versicherung AG die zum Schadenszeitpunkt führende Versicherung in dem mit der H. GmbH unterhaltenen Versicherungsverhältnis gewesen sei. Denn nur dann wäre die A. Versicherung AG gemäß § 67 VVG berechtigt, den gesamten Transportschaden geltend zu machen.
Ebensowenig habe die Klägerin schlüssig dargelegt, daß der geltend gemachte Schadensersatzanspruch durch Abtretung der H . GmbH gemäß § 398 BGB auf die A. Versicherung AG übergegangen sei.
Im übrigen sei die Klage aber auch deshalb unbegründet, weil es an einem schlüssigen Vortrag der Klägerin fehle, daß die Beklagte für den in Rede stehenden Schaden ersatzpflichtig sei. Ein Schadensersatzanspruch aus Art. 12 Nr. 7 CMR scheide aus, weil dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden könne, daß der Beklagten eine wirksame Anweisung erteilt worden sei. Daß die Beklagte gleichwohl versucht habe, die Weisung zu befol-
gen, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil die Nichtausführung einer nicht wirksam erteilten Weisung nicht pflichtwidrig sei. Die Beklagte habe durch ihre konkludent erklärte Bereitschaft, die unwirksame Weisung zu befolgen, gegenüber der H. GmbH bzw. der N. auch keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, die unwirksam erteilte Weisung werde befolgt und die Ablieferung des Gutes an den frachtbriefmäßigen Empfänger werde unterbleiben.
Mangels einer wirksamen Weisung i.S. von Art. 12 CMR habe die Auslieferung der Sendung an die frachtbriefmäßige Empfängerin nicht zu einem Verlust des Gutes i.S. von Art. 17 CMR geführt, so daß sich der geltend gemachte Ersatzanspruch auch nicht aus dieser Anspruchsgrundlage ergeben könne. Der Beklagten sei es im Streitfall nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Weisung zu berufen. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte sich nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung des Vertragsverhältnisses so behandeln lassen müßte, als sei die Weisung unter Vorlage des Originalfrachtbriefes erfolgt. Das könne hier nicht angenommen werden.
II. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , das erstinstanzliche Urteil sei nur insoweit durch eine zulässige Berufung angefochten worden, als das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen habe.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin in der Berufungsbegründung auf ihr gesamtes erstinstanzli-
ches Vorbringen einschließlich der Beweisantritte Bezug genommen habe. Das reiche aus für die Feststellung, daß das erstinstanzliche Urteil auch insoweit angefochten worden sei, als das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen habe. Mit diesem Vorbringen vermag die Revision jedenfalls im Ergebnis nicht durchzudringen.

a) Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Demnach muß die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und die einzelnen Punkte tatsächlicher oder rechtlicher Art deutlich machen, auf die sich die Angriffe erstrecken sollen; es reicht hingegen nicht aus, die Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Nicht erforderlich ist allerdings, daß die angeführten Berufungsgründe schlüssig und rechtlich haltbar sind (st. Rspr.; vgl. BGHZ 143, 169, 170 f.; BGH, Urt. v. 18.6.1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126; Urt. v. 6.5.1999 - III ZR 265/98, NJW 1999, 3126; Urt. v. 24.1.2000 - II ZR 172/98, VersR 2001, 1303, 1304; Urt. v. 18.7.2001 - IV ZR 306/00, VersR 2001, 1304, 1305). Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muß die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muß sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (BGH,
Urt. v. 25.6.1992 - VII ZR 8/92, NJW-RR 1992, 1340, 1341; Urt. v. 13.11.1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081, 1082).

b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung nur, soweit die Klägerin die Abweisung der Klage als unzulässig angegriffen hat. Denn sie hat in ihrer Berufungsbegründung im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen sie die Beurteilung des Landgerichts für unrichtig hält, sie habe die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozeßstandschaft nicht schlüssig dargelegt und in geeigneter Weise unter Beweis gestellt.
Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation aber auch auf den weiteren selbständigen Lebenssachverhalt gestützt, daß die N. und die H. GmbH ihre (vermeintlichen) Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte an sie abgetreten hätten. Mit dieser Anspruchsbegründung hat sich das Landgericht gesondert auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb sie das Klagebegehren ebenfalls nicht rechtfertigt. Dementsprechend hätte die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung konkret vorbringen müssen, weshalb ihrer Ansicht nach die Beurteilung des Erstrichters, daß ihr der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus abgetretenem Recht zusteht, ebenfalls unrichtig ist. Das ist mit der bloßen Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen einschließlich der dortigen Beweisantritte nicht in der gebotenen Weise geschehen. Dementsprechend hätte das Oberlandesgericht die Berufung insoweit als unzulässig verwerfen müssen, was auch noch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist. Dem Senat ist deshalb eine Sachentscheidung darüber, ob der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht der N. oder der H. GmbH zusteht, verwehrt (vgl. BGHZ 6, 369, 370; BGH, Urt. v. 4.10.1990 - IX ZR 270/89, NJW 1991, 427, 429).
2. Das Berufungsgericht hat die Klage auch zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dabei kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, daß Schadensersatzansprüche der H. GmbH bzw. der N. gemäß § 67 VVG auf die A. Versicherung AG übergegangen seien, da das angefochtene Urteil jedenfalls von der weiteren selbständigen Begründung des Berufungsgerichts getragen wird, eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gemäß Art. 12 Abs. 7 CMR oder Art. 17 Abs. 1 CMR scheitere daran, daß die Beklagte nicht wirksam angewiesen worden sei, das Gut zunächst nicht an die Empfängerin in Athen auszuliefern.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte zumindest als Fixkostenspediteurin i.S. von § 413 Abs. 1 HGB (in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung) anzusehen ist und als solche der Haftung nach der CMR unterliegt (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 20 f. = VersR 1999, 254 m.w.N.). Dementsprechend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die von der Beklagten mit der Transportdurchführung beauftragte S.-S.A. sei als Unterfrachtführerin für die Beklagte tätig geworden. Gemäß Art. 3 CMR haftet der Frachtführer für Handlungen und Unterlassungen aller Personen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient, wie für eigene Handlungen und Unterlassungen, wenn diese Personen in Ausübung ihrer Verrichtung handeln. Danach müßte die Beklagte grundsätzlich für eine weisungswidrige Ablieferung des Gutes durch die S.-S.A. an die Empfängerin in Athen haften. Es fehlt jedoch an einer wirksamen Weisung der Absenderin.

b) Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß für den streitgegenständlichen Transport ein Frachtbrief ausgestellt wurde, der den Ausstel-
ler allerdings nicht erkennen ließ. Wer die für den Absender bestimmte Ausfertigung des Frachtbriefes bei Erteilung der Weisung, die Ware noch nicht an die Käuferin auszuliefern, sondern bis zur Freigabe der Sendung durch die N. abzuwarten , in Händen gehalten hat, hat das Berufungsgericht nicht zu klären vermocht. Bei dieser Sachlage - so hat das Berufungsgericht angenommen - müsse davon ausgegangen werden, daß die Absenderin (N. ) am 23. Juni 1995 nur dann eine Weisung i.S. von Art. 12 CMR wirksam hätte erteilen können, wenn sie die Absenderausfertigung mit der darin enthaltenen (neuen) Weisung der Beklagten vorgelegt hätte. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, daß dies geschehen sei. Damit entfalle eine Haftung der Beklagten wegen Nichtbefolgung einer Weisung. Der Umstand, daß die Beklagte gleichwohl versucht habe, die Weisung zu befolgen, führe zu keiner anderen Beurteilung; denn die Nichtausführung einer nicht wirksam erteilten Weisung sei nicht pflichtwidrig. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

c) Nach Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR setzt die Ausübung des Verfügungsrechts durch den Absender die Vorlage der ersten Ausfertigung des Frachtbriefes (Absenderausfertigung, Art. 5 Abs. 1 Satz 3 CMR) beim Frachtführer oder einer berechtigten oder bevollmächtigten Person voraus. Zu befolgende neue Weisungen müssen in dieser Ausfertigung eingetragen sein. Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 5 CMR dient damit dem Schutz des Frachtführers. Damit soll zum einen sichergestellt werden, daß nur der Verfügungsberechtigte eine Weisung erteilt (vgl. Art. 12 Abs. 3 CMR; die Verfügungsberechtigung des Empfängers kann bereits mit der Ausstellung des Frachtbriefes begründet werden ; die Absenderfrachtbriefausfertigung kann schon an den Empfänger weitergegeben worden sein). Zum anderen soll der Inhalt der Weisung eindeutig festgelegt sein (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.1982 - I ZR 33/80, TranspR 1982, 105, 106 = VersR 1982, 669). Die Eintragung der (neuen) Weisung in die Absender-
ausfertigung soll den Frachtführer insbesondere vor der Gefahr schützen, wegen einer Falschauslieferung des Gutes haften zu müssen (vgl. Helm, Frachtrecht II: CMR, 2. Aufl., Art. 12 Rdn. 40). Die Anwendung des Art. 12 Abs. 5 CMR entfällt daher grundsätzlich nur dann, wenn es an einem Schutzbedürfnis für den Frachtführer fehlt. Das ist etwa der Fall, wenn der Empfänger die Annahme des Gutes verweigert (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 CMR). Ferner kann dies angenommen werden, wenn ein Frachtbrief nicht ausgestellt worden ist, weil dann ein Übergang der Verfügungsberechtigung auf den Empfänger nach Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 CMR nicht in Betracht kommt. Damit besteht auch nicht die Gefahr, daß ein nicht mehr verfügungsberechtigter Absender eine Weisung erteilt (vgl. BGH TranspR 1982, 105, 106). Ist dagegen - wie im Streitfall - ein Frachtbrief ausgestellt worden, hängt die Wirksamkeit einer vom Absender erteilten Weisung grundsätzlich von der Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR ab. Einseitige Weisungen, die ohne Legitimation erfolgen und/oder nicht im Frachtbrief eingetragen sind, sind für den Frachtführer grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 12 CMR Rdn. 6). Denn andernfalls liefe der mit Art. 12 Abs. 5 CMR bezweckte Schutz gerade leer.

d) Den Parteien des Frachtvertrages steht es allerdings frei, von ihren ursprünglichen vertraglichen Abreden abzuweichen. Sie können vereinbaren, daß der Frachtführer eine erteilte Weisung als verbindlich behandelt, obwohl ihm die Absenderausfertigung des Frachtbriefes nicht vorgelegen hat oder die Weisung nicht im Frachtbrief eingetragen war (vgl. auch Koller aaO Art. 12 CMR Rdn. 6). An eine derartige Vereinbarung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen, weil im allgemeinen davon ausgegangen werden muß, daß der Frachtführer auf den Schutz, den Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR gewährt, nicht ver-
zichten will. Ein bloßes einseitiges Entgegenkommen des Frachtführers reicht für die Annahme einer ihn bindenden Abrede jedenfalls nicht aus.
Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann im Streitfall nicht angenommen werden, daß die Beklagte mit der H. GmbH bzw. mit der N. verbindlich vereinbart hat, unter Abänderung der erteilten Weisung dafür einzustehen, daß das Gut erst nach Freigabe durch die N. an die Käuferin ausgeliefert werde. Dagegen spricht schon, daß die Beklagte die telefonisch erteilte Weisung der H. GmbH lediglich entgegengenommen und sie am selben Tag nur per Telefax an die S.-S.A. weitergegeben hat. Es handelt sich insoweit lediglich - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - um ein bloßes Entgegenkommen der Beklagten. Eine darüber hinausgehende verbindliche Zusage, daß die Weisung auch ausgeführt werde, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Im Streitfall muß zudem berücksichtigt werden, daß die Beklagte einen in Athen ansässigen Unterfrachtführer mit der Durchführung des Transports beauftragt hatte, dessen Fahrer sich im Zeitpunkt des Anrufes der H. GmbH bereits auf dem Weg zur frachtbriefmäßigen Empfängerin des Gutes befand. Die Beklagte konnte unter diesen Umständen nicht verläßlich überblicken , ob die Weisung den Fahrer auch bei deren sofortiger Weitergabe an den griechischen Unterfrachtführer noch rechtzeitig vor Ablieferung des Gutes bei der Empfängerin erreichen würde. Das mußte auch die H. GmbH erkennen , da ihr die Einschaltung des Unterfrachtführers bekannt war. Dementsprechend konnte sie nicht davon ausgehen, daß die Beklagte gemäß Art. 12 Abs. 7 CMR haften werde, wenn die Ausführung der nur mündlich erteilten Weisung fehlschlagen sollte.
Eine Haftung der Beklagten wegen positiver Forderungsverletzung ist ebenfalls nicht gegeben, weil diese Haftungsgrundlage bei bestehendem
Frachtbrief jedenfalls durch die spezielle Regelung des Art. 12 Abs. 7 CMR ver- drängt wird (vgl. Helm aaO Art. 12 Rdn. 54).
III. Danach war die Revision der Klägerin auf ihre Kosten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Erdmann RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg Bornkamm ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Erdmann
Pokrant Schaffert

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2002 - I ZR 302/99

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2002 - I ZR 302/99

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 398 Abtretung


Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 67 Abweichende Vereinbarungen


Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2002 - I ZR 302/99 zitiert 6 §§.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

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Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

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Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 413 Begleitpapiere


(1) Der Absender hat dem Frachtführer alle Urkunden zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen, die für eine amtliche Behandlung, insbesondere eine Zollabfertigung, vor der Ablieferung des Gutes erforderlich sind. (2) Der Frachtführer ist

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2002 - I ZR 302/99 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 172/98 Verkündet am:
24. Januar 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 172/98 - OLG Hamm
LG Detmold
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. Januar 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden zu 91 % dem Beklagten und zu 9 % der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien, die sich im Frühsommer 1992 kennengelernt hatten, strebten ein Zusammenleben auf Dauer an und hatten Heiratspläne. Mit Vertrag vom 14. September 1992 erwarb der Beklagte eine Eigentumswohnung, an der er der Klägerin am selben Tage ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnungsrecht bestellte; das Wohnungsrecht wurde am 7. Januar 1993 im Grundbuch eingetragen. Die Parteien bewohnten die Eigentumswohnung zunächst
gemeinsam. Nachdem es zwischen ihnen zu Auseinandersetzungen gekommen war, widerrief der Beklagte im Herbst 1994 die Schenkung des Wohnungsrechts und zog im Juni 1995 aus der Wohnung aus. Als die Klägerin daraufhin den Einbau eines neuen Türschlosses an der Eingangstür zur Wohnung veranlaßte, ließ es der Beklagte wieder auswechseln und verschaffte sich noch zweimal im Juli 1995 Zutritt zu der Eigentumswohnung. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der Klage auf Unterlassung des Betretens der Wohnung in Anspruch , während der Beklagte mit der Widerklage von ihr die Bewilligung der Löschung des Wohnungsrechts und die Herausgabe und Räumung der Wohnung verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Widerklage abgewiesen, im übrigen aber ihr Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Senat hat durch Beschluß vom 20. September 1999 das Rechtsmittel des Beklagten nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


Die gemäß § 547 ZPO zulässige Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Das Oberlandesgericht hält die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Abweisung ihrer Klage durch das Landgericht für unzulässig, weil ihre Berufungsbegründung insoweit nicht den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genüge. Nachdem das Landgericht die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 862 BGB mit eingehender tatsächlicher und rechtlicher Würdigung verneint habe, reiche der bloße Hinweis der Klägerin auf
die Tatsache der Bestellung des Wohnrechts sowie die ebenfalls unstreitigen Tatsachen der Auswechselung des Türschlosses und das nochmalige Betreten der Wohnung durch den Beklagten für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht aus. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
II. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Beweismittel und Beweiseinreden enthalten , die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Die Begründung muß demnach zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr. des BGH, vgl. zuletzt Urteile vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98, MDR 1999, 952; vom 4. Oktober 1999 - II ZR 361/98, NJW 1999, 3784 - jew. m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin hinsichtlich der Klage nicht gerecht. Sie erschöpft sich - außer einer unzureichenden Bezugnahme auf "das gesamte erstinstanzliche Vorbringen" – in der Fest-
stellung, daß der Beklagte der Klägerin ein unentgeltliches alleiniges und lebenslängliches Wohnrecht bestellt habe, eigenmächtig das Schloß habe auswechseln lassen und sich gewaltsam Zutritt zur Eigentumswohnung verschafft habe. Dieser schlichten Wiederholung von Tatsachen, die bereits im Landgerichtsurteil als unstreitig dargestellt sind, läßt sich auch nicht ansatzweise entnehmen , was nach Auffassung der Klägerin am Urteil des Landgerichts falsch sein soll. Nachdem das Landgericht einen Unterlassungsanspruch gemäß § 862 BGB nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den insoweit im Vordergrund stehenden Streitigkeiten zwischen den Parteien und unter Erörterung der rechtlichen Bedeutung des vereinbarten Wohnungsrechtes für unbegründet erachtet hatte, hätte die Klägerin um so eindeutiger angeben müssen, gegen welche dieser Ausführungen des Urteils ihr Angriff sich richten und wie er begründet werden sollte. Derartige Einwendungen gegen das Landgerichtsurteil lassen sich jedoch auch nicht dem Zusammenhang der weiteren Ausführungen der Berufungsbegründungsschrift entnehmen, die sich ersichtlich nur auf den Streitgegenstand der Widerklage beziehen.
Röhricht Henze Goette Kurzwelly Münke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 306/00 Verkündet am:
18. Juli 2001
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist durch Beschluß des Amtsgerichts E. vom 1. April 2000 zum Verwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt worden. Er nimmt in dieser Eigenschaft den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Verletzung versicherungsvertraglicher Pflichten in Anspruch.

Die Insolvenzschuldnerin, Inhaberin einer als Einzelfirma betriebenen Bäckerei, wurde seit dem Jahre 1989 in Versicherungsfragen durch den Agenten des Beklagten, den Zeugen S., betreut. Sie unterhielt bei dem Beklagten u. a. eine Betriebs-Haftpflichtversicherung. Im Februar 1997 wurde festgestellt, daß aus den Leitungen der auf dem Betriebsgrundstück befindlichen Heizöltanks über längere Zeit Öl ausgetreten war. Zur Beseitigung des Schadens an ihrem Grundstück mußte die Insolvenzschuldnerin 57.305,18 DM aufwenden. Der Beklagte lehnte eine Regulierung mit der Begründung ab, die mit der Lagerung von Heizöl verbundenen Risiken hätten durch eine GewässerschadenHaftpflichtversicherung abgesichert werden müssen. Deswegen nimmt die Insolvenzschuldnerin den Beklagten wegen Beratungs- und Aufklärungsverschuldens auf Schadensersatz in Anspruch. Dem Zeugen S. sei ein Beratungsverschulden vorzuwerfen, weil er auf ausdrückliche Nachfrage im Jahre 1992 erklärt habe, es bestehe ein umfassender Versicherungsschutz , der die sich aus der mit der Lagerung von Heizöl verbundenen Gefahren einschließe. Der Beklagte selbst habe aufgrund der von ihm unter anderem in den Jahren 1995 und 1996 versandten Fragebögen von dem besonderen Umweltrisiko gewußt, das von den Heizöltanks ausgegangen sei. Für ihn sei erkennbar geworden, daß sich bei ihr die Vorstellung gebildet habe, das Risiko sei von der vorhandenen BetriebsHaftpflichtversicherung abgedeckt.
Das Landgericht hat den Beklagten in Höhe eines Betrages von 52.805,18 DM verurteilt. Der Beklagte habe für ein Beratungsverschulden des Zeugen S. einzustehen. Unabhängig davon hafte er aufgrund

eigenen Aufklärungsverschuldens. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen wendet er sich mit der Revision.

Entscheidungsgründe:


Die nach § 547 ZPO unbeschränkt statthafte Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Es hat die Berufung des Beklagten mangels ordnungsgemäßer Begründung als unzulässig verworfen. Der Beklagte habe sich nur mit einer der beiden jeweils tragenden Begründungen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt, nämlich mit der Frage, ob ein zurechenbares Beratungsverschulden seines Agenten vorliege. Zur weiteren Begründung des Landgerichts, er hafte daneben auch wegen eigener Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der alljährlich durchgeführten Fragebogenaktion, liege noch nicht einmal eine - ohnehin unzulässige - pauschale Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag vor.
II. Das hält der Nachprüfung nicht stand.
1. Die Berufungsbegründung muß nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer

Berufung anzuführen hat. Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug hinzuwirken; allein schon aus der Berufungsbegründung sollen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will (BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 172/98 - NJW 2000, 1576 unter II). Die Rechtsmittelbegründung muß das gesamte Urteil in Frage stellen. Dabei kann es für die Zulässigkeit der Berufung genügen, daß der Berufungskläger sich lediglich mit einem der Streitpunkte auseinandersetzt, soweit sein diesbezüglicher Angriff geeignet ist, dem angefochtenen Urteil insgesamt die Grundlage zu entziehen. So reicht es, wenn sie Ausführungen nur zu einem prozessualen Anspruch enthält, das erstinstanzliche Urteil aber in diesem Zusammenhang mit Erwägungen beanstandet, die hinsichtlich der anderen prozessualen Ansprüche gleichermaßen Geltung beanspruchen. Decken sich die Voraussetzungen für die verschiedenen Ansprüche, genügt es, wenn die Berufungsbegründung einen einheitlichen Rechtsgrund im ganzen angreift (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - I ZR 177/95 - NJW 1998, 1399 unter II 1). Es bedarf differenzierender Beanstandungen lediglich dann, wenn die Vorinstanz die erhobenen Ansprüche aus jeweils unterschiedlichen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für begründet erachtet hat. Nur wenn das Landgericht seine Entscheidung mit mehreren, voneinander unabhängigen und selbständig tragenden rechtlichen Erwägungen begründet, muß der Beru-

fungskläger für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angefochtene Entscheidung nicht stützen (BGHZ 143, 169, 170 f.; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - VII ZR 25/98 - NJWRR 2000, 685 unter II 1). Ob die Angriffe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beachtlich sind, ist unerheblich. Die angeführten Berufungsgründe brauchen weder schlüssig noch rechtlich haltbar zu sein. Es geht allein darum, daß sie den formellen Anforderungen genügen (BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98 - NJW 1999, 3126 unter II 1 c).
2. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, daß ein auf eine der beiden selbständigen Urteilsbegründungen beschränkter Angriff nicht ausgereicht hätte, um die landgerichtliche Entscheidung insgesamt in Zweifel zu ziehen. Wird nämlich das Urteil nur hinsichtlich des Beratungsverschuldens des Zeugen S. zu Fall gebracht, bleibt noch das eigene Aufklärungsverschulden des Beklagten, auf dem die Verurteilung gleichfalls beruht.
Jedoch ist dem Berufungsgericht nicht darin zu folgen, daß sich der Beklagte in seiner Berufungsbegründung nur mit einer der tragenden Erwägungen auseinandergesetzt hat. Es hat den Inhalt der Begründungsschrift nicht vollständig berücksichtigt und die Reichweite der darin vorgetragenen Angriffe verkannt.

a) Der Beklagte hat schon zu Beginn seiner Berufungsbegründung die eine positive Vertragsverletzung bejahende landgerichtliche Entscheidung umfassend zur Überprüfung gestellt. Es wird unter urkundlicher Auswertung der von ihm an die Insolvenzschuldnerin versandten

Fragebögen zur Betriebs-Haftpflichtversicherung ausgeführt, im Jahre 1996 seien dieser bzw. ihrem geschäftsführenden Mitarbeiter die Grenzen des Haftpflicht-Versicherungsvertrages bewußt gewesen. Sie hätten spätestens am 30. April 1996 positive Kenntnis davon gehabt, daß die in Abschnitt 7 des Fragebogens abgehandelten, beispielhaft mit "Tankanlagen ... Anlagen für die Lagerung und Verwendung gewässerschädlicher Stoffe" beschriebenen Umweltrisiken nicht (separat) versichert seien. Daraus sei der Schluß zu ziehen, daß die Insolvenzschuldnerin eine solche Versicherung nicht gewollt habe.

b) Darin sind Angriffe gegen die rechtliche und tatsächliche Würdigung des in erster Instanz vorgebrachten Streitstoffs zu erkennen, die die Aufklärungs- und Beratungsbedürftigkeit der Insolvenzschuldnerin insgesamt in Frage stellen. Denn für ein Aufklärungsverschulden des Beklagten ist die Aufklärungsbedürftigkeit der Insolvenzschuldnerin notwendige Voraussetzung, für ein ihm zuzurechnendes Beratungsverschulden des Zeugen S., daß der spätere Schaden auf der vorangegangenen fehlerhaften Beratung beruht. Beides kann bei Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Unvollständigkeit des Versicherungsschutzes entfallen. Das gilt erst recht, wenn sich der Versicherungsnehmer bewußt gegen eine das noch offene Risiko abdeckende Versicherung entschieden hat. Mit der behaupteten Kenntnis des Versicherungsnehmers von der fehlenden Deckung des GewässerschadenHaftpflichtrisikos hat der Beklagte die rechtliche Grundlage sowohl eines auf ein Beratungsverschulden des Agenten als auch eines auf ein Aufklärungsverschulden des Beklagten gestützten Anspruchs angegriffen.


c) Daß der Beklagte den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf das Beratungsverschulden des Zeugen S. gelegt hat, schadet nicht. Seine Berufungsbegründung läßt nicht erkennen, daß er sich auf diesen Streitgegenstand beschränken und den weiteren, sein Aufklärungsverschulden betreffenden Angriff ausnehmen wollte. Eine inhaltliche Trennung der einzelnen Angriffspunkte setzt § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht voraus. Es reicht, wenn die Berufungsbegründung in ihrer Gesamtschau erkennen läßt, aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, solange nur seine Angriffe auf den konkreten Fall bezogen bleiben. Eine besondere Gliederung der Berufungsbegründung , eine sprachliche Hervorhebung des jeweiligen Angriffs oder eine ausdrückliche Bezugnahme auf einzelne Abschnitte des angefochtenen Urteils ist nicht erforderlich. Entscheidend ist, daß die Rechtsmittelbegründung in hinreichend deutlicher Form zum Ausdruck bringt, welche Gesichtspunkte der Rechtsmittelkläger im Berufungsrechtszug zugrunde legen möchte (BGH, Urteil vom 7. November 1996 - VII ZR 120/96 - ZfBR 1997, 83 unter III c; Urteil vom 25. Juni 1992 - VII ZR 8/92 - NJW-RR 1992, 1340 unter II 1 c).
Terno Seiffert Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Der Absender hat dem Frachtführer alle Urkunden zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen, die für eine amtliche Behandlung, insbesondere eine Zollabfertigung, vor der Ablieferung des Gutes erforderlich sind.

(2) Der Frachtführer ist für den Schaden verantwortlich, der durch Verlust oder Beschädigung der ihm übergebenen Urkunden oder durch deren unrichtige Verwendung verursacht worden ist, es sei denn, daß der Verlust, die Beschädigung oder die unrichtige Verwendung auf Umständen beruht, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Seine Haftung ist jedoch auf den Betrag begrenzt, der bei Verlust des Gutes zu zahlen wäre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)