Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2010 - I ZR 89/08

bei uns veröffentlicht am22.04.2010
vorgehend
Landgericht Stuttgart, 17 O 180/07, 16.10.2007
Oberlandesgericht Stuttgart, 4 U 236/07, 30.04.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 89/08 Verkündet am:
22. April 2010
Führinger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Verlängerte Limousinen
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster
Art. 1 Abs. 1, 2 lit. b und 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 5
Abs. 1 lit. b, Art. 6 Abs. 1 lit. b und 2, Art. 8, 10, 19 Abs. 1, Art. 21, Art. 74 Abs. 1
und 2, Art. 89 Abs. 1 lit. a und d;
GeschmMG § 42 Abs. 2, § 46 Abs. 1 und 2

a) Für die Ermittlung der Eigenart i.S. von Art. 6 GGV ist maßgebliches Kriterium
die Unterschiedlichkeit der Muster, die in einem Einzelvergleich mit bereits
vorhandenen Mustern zu ermitteln ist. Eigentümlichkeit und Gestaltungshöhe
sind nicht Voraussetzungen des Schutzes des Gemeinschaftsgeschmacksmusters.

b) Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster wird noch nicht durch die Anmeldung
der Öffentlichkeit i.S. von Art. 6, 7 GGV zugänglich gemacht.

c) Eine Begrenzung des Schutzumfangs eines Klagemusters auf diejenigen
Merkmale, durch die es sich von einem früher angemeldeten Gemeinschaftsgeschmacksmuster
unterscheidet, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht
, wenn das früher angemeldete Gemeinschaftsgeschmacksmuster
nicht vor dem Klagemuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden
ist.

d) Die Wirkungen der Erschöpfung nach Art. 21 GGV treten an konkret in Verkehr
gebrachten Erzeugnissen und nicht an einzelnen ihrer Merkmale ein.

e) Eine in einem Mitgliedstaat begangene Handlung, durch die ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster
verletzt wird, begründet in der Regel eine Begehungsgefahr
für das gesamte Gebiet der Europäischen Union.
BGH, Urteil vom 22. April 2010 - I ZR 89/08 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem bis zum 8. April 2010 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. April 2008 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie gegen die Feststellung der Schadensersatzpflicht für Verletzungshandlungen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen hat. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. Oktober 2007 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert, soweit die Beklagte für Verletzungshandlungen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilt worden ist und die Schadensersatzverpflichtung hierzu festgestellt worden ist. Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen der Beklagten zur Last. Von den Kosten der Rechtsmittel hat die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist die Daimler AG. Sie produziert und vertreibt Limousinen unter der Bezeichnung "S-Klasse". Die aktuelle Baureihe ist seit 2005 auf dem Markt. Die Klägerin ist Inhaberin des am 1. April 2003 angemeldeten und am 20. September 2005 bekanntgemachten nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 000012869-0001
2
Die Klägerin ist weiterhin Inhaberin der am 11. Mai 2004 eingetragenen und am 26. Juli 2005 bekanntgemachten, nachfolgend abgebildeten Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0007 und Nr. 000173166-0003 (Klagemuster), die die Priorität des am 4. Dezember 2003 als Sammelgeschmacksmuster angemeldeten deutschen Geschmacksmusters Nr. 403 07 644.7 in Anspruch nehmen Nr. 000173166-0007 Nr. 000173166-0003
3
Die Beklagte vertreibt verlängerte und gepanzerte Fahrzeuge, die sie auf der Grundlage von Serienfahrzeugen der Klägerin herstellt und für die sie mit den nachstehenden Darstellungen wirbt:
4
C. armored limousine 20// C. armored limousine 53// C. armored limousine 53// + roof raised 3//
5
Es handelt sich um Verlängerungen der Standardversion der S-Klasse der Klägerin um 50 cm (C. armored limousine 20//) und 135 cm (C. armored limousine 53//). Die längere Ausführung wird zudem mit einem um 7,5 cm angehobenen Dach angeboten (C. armored limousine 53// + roof raised 3//).
6
Die Beklagte ist Inhaberin des am 20. Januar 2007 angemeldeten und am 19. April 2007 eingetragenen deutschen Sammelgeschmacksmusters Nr. 407 00 389.4, das die vorstehenden Ausführungen der von der Beklagten produzierten Kraftfahrzeuge abbildet.
7
Die Klägerin hat die Herstellung und den Vertrieb der vorstehend dargestellten Limousinen der Beklagten als Verletzung ihrer Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0007 und Nr. 000173166-0003 beanstandet.
8
Sie hat beantragt, I. 1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Kraftfahrzeuge mit der im Folgenden wiedergegebenen Erscheinungsform herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen, zu benutzen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen: (es folgt eine Abbildung der Limousine // C. armored limousine 53 ); 2. der Beklagten für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine der Unterlassungsverpflichtungen gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise an ihrem Geschäftsführer zu vollziehende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder an ihrem Geschäftsführer zu vollziehende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen; 3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der Herstellung und/oder des Anbietens und/oder des Inverkehrbringens und/oder der Einfuhr und/oder der Ausfuhr von Kraftfahrzeugen mit der in Ziffer 1 wiedergegebenen Erscheinungsform , und zwar durch Vorlage von geordneten Verzeichnissen, die Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer , der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber, die Daten, Mengen und Preise der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Kraftfahrzeuge mit der in Ziffer 1 wiedergegebenen Erscheinungsform sowie die Gestehungskosten, die Vertriebskosten und den auf die Kraftfahrzeuge mit der in Ziffer 1 wiedergegebenen Erscheinungsform entfallenden Gemeinkostenanteil enthalten; 4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird. II. (Es folgen gleichlautende Anträge wie unter I bezogen auf die Limousine // // C. armored limousine 53 + roof raised 3 ); III. (Es folgen gleichlautende Anträge wie unter I bezogen auf die Limousine // C. armored limousine 20 ); IV. festzustellen, dass die im Geschmacksmusterregister des Deutschen Patent - und Markenamts unter Nr. 407 00 389.4 eingetragenen deutschen Geschmacksmuster mit den laufenden Nr. 1 bis 3 nichtig sind.
9
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, die Klagemuster seien weder neu noch eigenartig. Deren Gesamteindruck unterscheide sich deutlich von dem Eindruck der von ihr produzierten Limousinen.
10
Die Beklagte hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - widerklagend beantragt, 1. die Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr.000173166-0003 und Nr. 000173166-0007 für nichtig zu erklären; 2. festzustellen, dass das deutsche Geschmacksmuster Nr. 403 07 644 nichtig ist.
11
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen.
12
Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
13
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
14
Während des Revisionsverfahrens hat die Klägerin auf die mit den Klageanträgen zu I 3, I 4, II 3, II 4, III 3 und III 4 geltend gemachten Ansprüche verzichtet , soweit sich diese auf Handlungen beziehen, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind. Die Beklagte hat den Verzicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


15
I. Das Berufungsgericht hat die mit der Klage verfolgten Unterlassungsansprüche nach Art. 19 Abs. 1 i.V. mit Art. 89 Abs. 1 lit. a GGV und die Ansprüche auf Auskunft gemäß Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 46 GeschmMG sowie die Schadensersatzansprüche nach Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 42 Abs. 2 GeschmMG für begründet erachtet. Es hat angenommen, dass die Geschmacksmuster der Beklagten wegen fehlender Eigenart gemäß §§ 2, 33 Abs. 1 GeschmMG nichtig sind. Die Geschmacksmuster der Klägerin hat das Berufungsgericht nicht als nichtig angesehen und deshalb die Widerklage abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt:
16
Die Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0007 und Nr. 000173166-0003 seien rechtsgültig. Sie seien neu und verfügten über Eigenart i.S. der Art. 5 und 6 GGV. Die erforderliche Eigenart sei gegeben, wenn sich der Gesamteindruck des Geschmacksmusters von demjenigen anderer bekannter Muster unterscheide. Die Prüfung sei durch einen Einzelvergleich mit vorbekannten Geschmacksmustern durchzuführen. Die Klagemuster verfügten über sieben prägende Merkmale. Sie vermittelten bei dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0007 den Eindruck einer langgestreckten Limousine mit abgerundeten Formen und einem kräftigen Erscheinungsbild. Diese Formen und Linien mit dem auffällig eingefügten Mittelteil prägten auch den Eindruck des Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. 000173166-0003.
17
Der Gesamteindruck der Klagemuster unterscheide sich deutlich von den verschiedenen Varianten der Maybach-Limousine, von früheren Versionen der S-Klasse einschließlich der verlängerten Ausführung und von der E-Klasse der Klägerin.

18
Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001, das die Standardversion der S-Klasse wiedergebe, berühre die Rechtsgültigkeit der Klagemuster nicht. Es sei später bekanntgemacht worden und vermittle einen anderen Gesamteindruck.
19
Die mit der Klage angegriffenen Muster verletzten die Klagemuster, weil sie beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckten. Die Limousine mit der Bezeichnung "C. armored limousine 53//" sei in der Gestaltung nahezu gleich dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0007. Auch das Muster der abgewandelten Limousine mit dem erhöhten Dach (roof raised 3//) weise im Gesamteindruck keinen erheblichen Unterschied auf und sei mit dem vorgenannten Muster der Beklagten gleichsam identisch.
20
Das Muster der kurzen Limousine (C. armored limousine 20//) vermittle keinen anderen Gesamteindruck als das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0003.
21
Der Schutz der Klagemuster sei nicht nach Art. 8 GGV ausgeschlossen. Die Merkmale der Erzeugnisse der Klägerin seien nicht ausschließlich durch eine technische Funktion bedingt.
22
Der Einwand der Erschöpfung nach Art. 21 GGV greife nicht durch. Durch die Verbreitung der Standardversion der S-Klasse seitens der Klägerin trete keine Erschöpfung im Hinblick auf die Klagemuster ein. Die von der Beklagten veränderten Limousinen fielen auch nicht mehr in den Schutzbereich des Gemeinschaftsgeschmacksmusters für die Standardversion der S-Klasse, weshalb die Erschöpfung des Geschmacksmusters der Standardversion nicht erheblich sei. Die Muster der Beklagten seien nichtig.
23
Die Beklagte könne sich nicht auf ein eigenes Benutzungsrecht nach § 38 Abs. 1 Satz 1 GeschmMG aufgrund ihres deutschen Sammelgeschmacksmusters Nr. 407 00 389.4 berufen. Den Geschmacksmustern der Beklagten fehle die erforderliche Eigenart gemäß §§ 2, 33 Abs. 1 GeschmMG. Sie unterschieden sich nicht von den prioritätsälteren Klagemustern. Diese seien vor der Eintragung der Geschmacksmuster der Beklagten veröffentlicht worden, so dass kein Fall einer bloßen Löschungsreife nach § 34 Nr. 3 GeschmMG gegeben sei.
24
Die Unterlassungsansprüche erstreckten sich auf das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaft unabhängig davon, in welchem Teilgebiet eine Begehungsgefahr begründet sei.
25
Die Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz seien ebenfalls begründet. Auf diese Ansprüche sei deutsches Recht anwendbar. Der Handlungsort der unerlaubten Handlung liege jedenfalls auch in Deutschland. Hier würden die Fahrzeuge produziert und nähmen die Rechtsverletzungen ihren Ausgang. Der Auskunftsanspruch folge aus Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 46 GeschmMG; der Schadensersatzanspruch ergebe sich aus Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 42 Abs. 2 GeschmMG. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Ein Mitverschulden an der Schadensentstehung falle der Klägerin nicht zur Last.
26
Die Widerklage sei unbegründet, weil die Klagemuster nicht nichtig seien.
27
II. Die Revision hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Sie ist unbegründet , soweit sie gegen die Verurteilung zur Unterlassung nach den Klageanträgen I 1, II 1 und III 1, gegen die Feststellung der Nichtigkeit der unter der Nr. 407 00 389.4 mit den laufenden Nr. 1 bis 3 eingetragenen Geschmacksmuster nach dem Klageantrag IV, gegen die Abweisung der Widerklage und gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nach den Klageanträgen I 3 und 4, II 3 und 4 und III 3 und 4 für im Inland begangene Rechtsverletzungen gerichtet ist. Die Revision hat dagegen Erfolg, soweit mit ihr die Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung für Verletzungshandlungen in anderen Mitgliedstaaten angegriffen wird.
28
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte gemeinschaftsweite Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0007 und Nr. 000173166-0003 nach Art. 19 Abs. 1, Art. 89 Abs. 1 lit. a GGV zu.
29
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen der in Rede stehenden Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach der Verordnung ausgegangen. Ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster wird nach Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. b GGV geschützt, wenn es die Voraussetzungen der Verordnungen erfüllt, es insbesondere neu ist und Eigenart hat (Art. 4 Abs. 1, Art. 5, 6 GGV) und kein Schutzausschließungsgrund vorliegt.
30
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klagemuster neu i.S. des Art. 5 Abs. 1 lit. b GGV sind, weil der Öffentlichkeit vor dem Tag der Eintragung kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
31
bb) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klagemuster die erforderliche Eigenart aufweisen.
32
(1) Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b GGV hat ein Geschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters oder im Falle der Inanspruchnahme einer Priorität vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist. Bei der Beurteilung der Eigenart ist nach Art. 6 Abs. 2 GGV der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung zu berücksichtigen. Für die Ermittlung der Eigenart ist danach maßgebliches Kriterium die Unterschiedlichkeit der Muster (vgl. KG ZUM 2005, 230, 231; Steinberg in Büscher/ Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, Art. 6 GGV Rdn. 5; Ruhl, GGV, 2. Aufl., Art. 6 Rdn. 9; Lubberger, Festschrift Erdmann , 2002, S. 145, 154; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 974). Die im deutschen Geschmacksmusterrecht vor der Umsetzung der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. L 289, S. 28 v. 28.10.1998) durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390 ff.) erforderliche Eigentümlichkeit und Gestaltungshöhe (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - I ZR 100/05, GRUR 2008, 153 Tz. 24 f. und 33 = WRP 2008, 241 - Dacheindeckungsplatten) ist nicht Voraussetzung des Schutzes des Gemeinschaftsgeschmacksmusters (vgl. KG ZUM 2005, 230, 231; Koschtial aaO S. 974; Rahlf/Gottschalk, GRUR Int. 2004, 821, 822; zu § 2 Abs. 3 GeschmMG: Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl., § 2 Rdn. 10; Kur, GRUR 2002, 661, 665; Berlit, GRUR 2004, 635, 636; Begründung zum Regierungsentwurf des Geschmacksmusterreformgesetzes, BTDrucks. 15/1075, S. 33). Durch die Einbeziehung des Grades der Gestaltungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 2 GGV in die Beurteilung der Eigenart ist die Berücksichtigung der in dem jeweiligen Klagemuster verkörperten gestalterischen Leistung aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. Ruhl aaO Art. 6 Rdn. 17).
33
Ob das Klagemuster über die erforderliche Eigenart verfügt, ist durch einen Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln (OLG Hamm InstGE 8, 233, 237; OLG Frankfurt GRUR-RR 2009, 16, 17; Eichmann, GRUR Int. 1996, 859, 862; ders., MarkenR 2003, 10, 15; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 974).
34
(2) Von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, die beiden Klagemuster verfügten über folgende prägende Merkmale : 1. Die charakteristisch geformten Scheinwerfer mit dem mittig an der Frontseite angebrachten trapezförmigen Kühlergrill, 2. die ausgestellten Radhäuser vorne und hinten, 3. die im unteren Teil der Seitenflächen zwischen dem vorderen und dem hinteren Radhaus vorhandene Sicke, 4. das bei den Verlängerungen jeweils zwischen die vordere und hintere Tür gesetzte Karosseriestück, das sich in die Kontur einfügt, 5. die charakteristisch geformten Rückleuchten, 6. den leicht gewölbten Kofferraumdeckel, 7. die von der Spitze der Frontscheinwerfer um das Fahrzeug geführte Linie.
35
Die Einzelmerkmale vermittelten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei dem Klagemuster Nr. 000173166-0007 den Eindruck einer langgestreckten Limousine mit abgerundeten Formen, die durch die Linienführung und die ausgestellten Radhäuser ein kräftiges Erscheinungsbild biete. Diese Formen und Linien prägten auch den Eindruck des Klagemusters Nr. 000173166-0003, bei dem das eingefügte Mittelteil auffällig sei. Es sei zwar deutlich schmaler als dasjenige bei dem anderen Klagemuster, verfüge aber über markante Streben. Dieser Gesamteindruck unterscheide sich deutlich von allen anderen Mustern. Zu der Limousine Maybach bestünden deutliche Unterschiede in der Gestaltung der Front-, Seiten- und Heckpartie. Der Gesamteindruck der früheren Versionen der S-Klasse der Baureihe W 220 sei wesentlich kantiger. Deutliche Unterschiede bestünden auch zu den Modellen der E-Klasse der Baureihen W 210 und W 211.
36
Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001, das die Standardversion der S-Klasse der Baureihe W 221 wiedergebe, sei wegen seiner späteren Bekanntmachung nicht dem vorbekannten Formenschatz zuzurechnen. Es rufe zudem einen anderen Gesamteindruck hervor. Die wesentlichen Unterschiede zwischen diesem Muster und den Klagemustern liege in der markanten Verlängerung der Standardversion, die die Proportionen auffallend verändere und einen anderen Gesamteindruck hervorrufe.
37
(3) Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Gegen die Beurteilung der Unterschiedlichkeit der Limousinen des Modells Maybach und der Baureihen W 210, W 211 und W 220 der Klägerin zu den Klagemustern wendet sich die Revision auch nicht.
38
Ohne Erfolg bleiben aber auch die Angriffe der Revision, soweit das Berufungsgericht eine Eigenart der Klagemuster nicht im Hinblick auf das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 verneint hat, das die Standardversion der aktuellen Baureihe der S-Klasse (W 221) zeigt.
39
Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 ist schon nicht vor dem Prioritätstag der Klagemuster (4. Dezember 2003) der Öffentlichkeit i.S. von Art. 6 GGV zugänglich gemacht worden. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GGV gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverkehr nicht bekannt sein konnte.
40
Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 ist am 20. September 2005 nach dem Prioritätstag der Klagemuster (4. Dezember 2003) bekannt gemacht worden. Nur das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Standardversion ist vor dem Prioritätstag der Klagemuster angemeldet worden. Dass diese Anmeldung den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dies ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, weil anders als die Veröffentlichung eines eingetragenen Geschmacksmusters in der Gemeinschaft dessen Anmeldung noch nicht dazu führt, dass das Muster im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte (vgl. Ruhl aaO Art. 7 Rdn. 22). Die Möglichkeit einer allgemeinen Recherche angemeldeter oder eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die noch nicht bekannt gemacht worden sind, ist nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ausgeschlossen. Nach Art. 74 Abs. 1 GGV wird Dritten Einsicht in die Akten von Anmeldungen für eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor ihrer Bekanntmachung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Anmelders oder des Rechtsinhabers gewährt. Ohne Zustimmung des Anmelders oder Rechtsinhabers kann gemäß Art. 74 Abs. 2 Unterabs. 1 GGV Akteneinsicht nur verlangt werden, wenn ein legitimes Interesse glaubhaft gemacht wird. Dazu reicht, wie ein Vergleich mit Art. 74 Abs. 1 und 2 Unterabs. 2 GGV zeigt, nicht das allgemeine Interesse aus, Kenntnis vom Inhalt der Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu erhalten.
41
Aber selbst bei einer anderen Beurteilung der Frage, ob das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 vor dem Prioritätszeitpunkt der Klagemuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, halten die Ausführungen des Berufungsgerichts den Revisionsrügen stand. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ungeachtet der Übernahme der Erscheinungsmerkmale der Front- und Heckpartie des die Standardversion abbildenden Gemeinschaftsgeschmacksmusters in den Klagemustern diese einen deutlich unterschiedlichen Gesamteindruck aufweisen.
42
Die Revision setzt dem ohne Erfolg entgegen, dass sich die Verlängerungsstücke in die Gestaltung der Standardversion einfügen. Darauf kommt es indes nicht an, weil sich die Klagemuster nicht von der Standardversion durch schöpferische Eigentümlichkeit abheben müssen.
43
cc) Das Berufungsgericht hat den Schutzausschließungsgrund des Art. 8 GGV zutreffend verneint. Es hat angenommen, dass die Merkmale der Klagemuster nicht ausschließlich durch ihre technische Funktion bedingt sind.
44
Ohne Erfolg macht die Revision dagegen geltend, die Verlängerungsstücke fügten sich jeweils in die Kontur der übrigen Karosseriestücke ein; dies sei technisch bedingt, um die einwandfreie Funktion der angrenzenden Türelemente und einen ungestörten Fahrbetrieb zu ermöglichen.
45
Durch Art. 8 GGV soll eine Monopolisierung von Merkmalen durch die Gewährung von Geschmacksmustern ausgeschlossen werden, die technisch bedingt sind, weil dadurch die technische Innovation behindert wird (Erwägungsgrund 10 GGV). Die Erscheinungsmerkmale, aus denen das Berufungsgericht die Eigenart der Klagemuster gefolgert hat, sind jedoch nicht ausschließlich technisch bedingt. Dies gilt auch für die Konturen der Klagemuster. Dass die vorliegenden Konturen in den sogenannten Verlängerungsstücken der Klagemuster aufgegriffen werden, führt zu keiner Änderung ihres Charakters als nicht ausschließlich technisch bedingtes Erscheinungsmerkmal.
46
b) Die mit den Klageanträgen I 1 und II 1 angegriffenen Muster verletzen das Klagemuster Nr. 000173166-0007. Das im Klageantrag III 1 angeführte Muster verletzt das Klagemuster Nr. 000173166-0003.
47
Der Schutzumfang eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters erstreckt sich nach Art. 10 GGV auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt.
48
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass das von der Beklagten mit der Bezeichnung "C. armored limousine 53//" produzierte Kraftfahrzeug in der Gestaltung mit dem Klagemuster Nr. 000173166-0007 nahezu gleich ist, dem einzig erkennbaren Unterschied in dem zusätzlichen Steg im Mittelteil der Karosserie des Klagemusters aus Sicht eines informierten Benutzers kein besonderes Gewicht zukommt und ein möglicher Unterschied in der Länge der Fahrzeuge nicht auffällt. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht für die von der Beklagten hergestellte Limousine mit leicht erhöhtem Dach (C. armored limousine 53// + roof raised 3//) getroffen. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
49
Entgegen der Ansicht der Revision kommt es für die Beurteilung des Gesamteindrucks des Klagemusters nicht nur auf diejenigen Merkmale an, durch die sich dieses Muster von dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 (Standardversion der S-Klasse) unterscheidet. Eine solche Begrenzung des Schutzumfangs wird zwar im Schrifttum teilweise erwogen (vgl. Ruhl aaO Art. 10 Rdn. 29 f.). Sie käme aber allenfalls in Betracht, wenn das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 vor dem Klagemuster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden wäre, und dessen Merkmale daher zum vorbekannten Formenschatz gehörten. Das ist jedoch nicht der Fall (Abschn. II 1 a bb (3)). Dementsprechend kommt es auf die von der Revision vorgenommene isolierte Beurteilung des Mittelteils für den Gesamteindruck des in Frage stehenden Klagemusters und der angegriffenen Muster (Klageanträge I 1 und II 1) nicht an.
50
bb) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Klagemuster Nr. 000173166-0003 keinen anderen Gesamteindruck vermittelt als das Muster des kürzeren Kraftfahrzeugs "C. armored limousine 20//" (Klageantrag III 1) der Beklagten. Danach besteht der einzige Unterschied bei den Erscheinungsmerkmalen in einem geringfügig längeren Mittelstück beim Fahrzeug der Beklagten, was wegen der durch die nebeneinander liegenden Streben für den Gesamteindruck gesetzten Akzente nicht auffällt.
51
Die gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch, weil es nicht nur auf eine isolierte Betrachtung derjenigen Merkmale ankommt, durch die sich das Klagemuster von dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 unterscheidet (hierzu Abschn. II 1 b aa).
52
c) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Rechte aus den Klagemustern nicht nach Art. 21 GGV erschöpft sind.
53
Nach dieser Bestimmung erstrecken sich die Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht auf Handlungen, die ein Erzeugnis betreffen, in welches ein unter den Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters fallendes Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, wenn das Erzeugnis vom Inhaber des Gemeinschaftsgeschmacksmusters oder mit dessen Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
54
aa) Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, die Übereinstimmung im Gesamteindruck zwischen den Klagemustern und den angegriffenen Mustern beruhe auf den Gemeinsamkeiten mit der Standardversion , die die Klägerin in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht habe. Der Erschöpfungsgrundsatz stehe deshalb einer Berücksichtigung dieser Gemeinsamkeiten entgegen.
55
bb) In den Verkehr gebracht hat die Klägerin keine den Klagemustern entsprechenden Erzeugnisse, sondern Kraftfahrzeuge der Standardversion der S-Klasse, wie sie durch das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 0000128690001 wiedergegeben sind. Diese unterscheiden sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Gesamteindruck deutlich von den Klagemustern (vgl. Abschn. II 1 a bb (3)). Im Hinblick auf diese Unterschiede kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses der Standardversion Erschöpfung auch der Rechte aus den Klagemustern eingetreten ist (vgl. Ruhl aaO Art. 21 Rdn. 22). Die mit der Standardversion der S-Klasse übereinstimmenden Merkmale der Klagemuster sind auch nicht vom Vergleich mit den angegriffenen Mustern auszuklammern. Die Wirkungen der Erschöpfung der Rechte nach Art. 21 GGV treten an den konkret in Verkehr gebrachten Erzeugnissen und nicht an einzelnen ihrer Merkmale ein. Unterscheiden sich - wie vorliegend - die Klagemuster deutlich von den in Verkehr gebrachten Kraftfahrzeugen der Standardversion, lässt die Erschöpfung der Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000012869-0001 die Verbietungsrechte aus den Klagemustern unberührt.
56
d) Der Klägerin steht auch ein gemeinschaftsweiter Unterlassungsanspruch zu. Dies folgt aus Art. 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 GGV, nach denen das Gemeinschaftsgeschmacksmuster einheitlich ist und sich in den Wirkungen auf die gesamte Gemeinschaft erstreckt. Eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, begründet in der Regel eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union (vgl. zur Gemeinschaftsmarkenverordnung BGH, Urt. v. 13.9.2007 - I ZR 33/05, GRUR 2008, 254 Tz. 39 = WRP 2008, 236 - THE HOME STORE; öOGH GRUR Int. 2007, 256, 258; GRUR Int. 2007, 433, 434; zur Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung Ruhl aaO Art. 89 Rdn. 43; Auler in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO Art. 19 GGV Rdn. 2).
57
2. Der Klägerin steht der begehrte Schadensersatzanspruch nach Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 42 Abs. 2 GeschmMG analog zu, soweit er auf den in den Klageanträgen I 1, II 1 und III 1 bezeichneten Verletzungshandlungen beruht, die im Inland begangen sind. Der weitergehende Schadensersatzanspruch ist nicht begründet.
58
a) Die Beurteilung der Schadensersatzansprüche der im Inland begangenen Verletzungen der Klagemuster richtet sich nach deutschem Recht.
59
Gemäß Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV bestimmen sich andere als die in Art. 89 Abs. 1 lit. a bis c GGV angeführten Anordnungen im Falle einer bereits erfolgten oder drohenden Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach der Rechtsordnung des Mitgliedstaats einschließlich seines internationalen Privat- rechts, in dem die Verletzungshandlungen begangen sind oder drohen. Zu der Anordnung von Sanktionen nach Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV zählen Schadensersatzansprüche. Aufgrund der Verweisung in Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV ist danach deutsches internationales Privatrecht für die Frage maßgeblich, welches Recht auf Schadensersatzansprüche anzuwenden ist, die auf Verletzungshandlungen beruhen, die in Deutschland begangen sind.
60
Nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) am 11. Januar 2009 ist gemäß ihrem Art. 8 Abs. 2 bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft - hier die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung - fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde. Maßgeblich für in Deutschland begangene Rechtsverletzungen ist danach deutsches Recht.
61
Für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Rom-II-VO gilt nichts anderes, weil sich die Ansprüche im Fall der Verletzung gewerblicher Schutzrechte auch zuvor nach dem Recht des Schutzlandes richteten, das heißt nach dem Recht desjenigen Staates, für dessen Gebiet der Immaterialgüterschutz in Anspruch genommen wird (vgl. BGHZ 152, 317, 321 - Sender Felsberg; BGH, Urt. v. 24.5.2007 - I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Tz. 22 = WRP 2007, 996 - Staatsgeschenk ; BGHZ 177, 319 Tz. 29 - Sammlung Ahlers).
62
b) Die Klägerin kann dem Grunde nach in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 GeschmMG Schadensersatz aufgrund von Rechtsverletzungen , die im Inland begangen sind, beanspruchen.
63
aa) Das deutsche Geschmacksmusterrecht enthält allerdings - anders als das Markengesetz, das in § 125b Nr. 2 MarkenG die Vorschrift des § 14 Abs. 6 MarkenG auf Gemeinschaftsmarken für entsprechend anwendbar erklärt - keine Bestimmung, nach der § 42 Abs. 2 GeschmMG auf Gemeinschaftsgeschmacksmuster anwendbar ist. Dies schließt entgegen der Ansicht der Revision aber eine entsprechende Anwendung des § 42 Abs. 2 GeschmMG nicht aus. Die fehlende Verweisung auf die Bestimmung des § 42 Abs. 2 GeschmMG für den Schutz von Gemeinschaftsgeschmacksmustern ist eine planwidrige Regelungslücke , die durch eine analoge Anwendung der Vorschrift zu schließen ist. Aus dem Umstand, dass im deutschen Geschmacksmusterrecht einzelne Regelungen zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster in den §§ 62 bis 65 GeschmMG getroffen sind, folgt nicht, dass diese abschließend sind und eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des Geschmacksmustergesetzes auf die Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ausgeschlossen ist, wenn die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist. Die Anwendung des § 42 Abs. 2 GeschmMG auf die Verletzung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern wird daher im Schrifttum auch nicht in Frage gestellt (Ruhl aaO Art. 89 Rdn. 90; Steinberg in Büscher/ Dittmer/Schiwy aaO Art. 89 GGV Rdn. 9).
64
bb) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Klagemuster der Klägerin zumindest fahrlässig dadurch verletzt, dass sie die Schutzrechtslage nicht überwacht hat. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
65
c) Nachdem die Klägerin auf Schadensersatzansprüche verzichtet und die Beklagte diesen Verzicht angenommen hat (§ 397 BGB), bedarf das Berufungsurteil insofern der Korrektur, als dort die Schadensersatzpflicht der Beklagten auch für Verletzungen der Klagemuster im Gebiet der Europäischen Union außerhalb Deutschlands festgestellt worden ist.
66
3. Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch nach Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 46 Abs. 1 und 2 GeschmMG, § 242 BGB ist ebenfalls nur insoweit begründet, als er auf Verletzungshandlungen bezogen ist, die im Inland begangen sind. Insoweit gelten nach dem Verzicht der Klägerin die vorstehenden Erwägungen zum Schadensersatzanspruch entsprechend (Abschnitt II 2).
67
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die unter Nr. 407 00 389.4 eingetragenen deutschen Geschmacksmuster mit den laufenden Nr. 1 bis 3 nach §§ 2, 33 GeschmMG nichtig sind (Klageantrag IV). Die Geschmacksmuster der Beklagten haben keine Eigenart i.S. von § 2 Abs. 1 und 3 GeschmMG, weil sie keinen Gesamteindruck hervorrufen, der sich von dem Gesamteindruck der zuvor bereits offenbarten Gemeinschaftsgeschmacksmustern Nr. 000173166-0007 und 000173166-0003 (Klagemuster) der Klägerin unterscheidet (hierzu Abschnitt II 1 a bb (3)).
68
5. Die auf Erklärung der Nichtigkeit der Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 000173166-0003 und Nr. 000173166-0007 und Feststellung der Nichtigkeit des deutschen Geschmacksmusters Nr. 403 07 644 gerichtete Widerklage hat das Berufungsgericht zu Recht als unbegründet erachtet. Die angegriffenen Geschmacksmuster der Klägerin sind nicht nichtig (dazu Abschnitt II 1 a).
69
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.10.2007 - 17 O 180/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.04.2008 - 4 U 236/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2010 - I ZR 89/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2010 - I ZR 89/08

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Markengesetz - MarkenG | § 14 Ausschließliches Recht des Inhabers einer Marke, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch


(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht. (2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen 1. ein mi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 397 Erlassvertrag, negatives Schuldanerkenntnis


(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt. (2) Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht bestehe.
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2010 - I ZR 89/08 zitiert 6 §§.

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2010 - I ZR 89/08 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Mai 2007 - I ZR 42/04

bei uns veröffentlicht am 24.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 42/04 Verkündet am: 24. Mai 2007 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR :

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Sept. 2007 - I ZR 33/05

bei uns veröffentlicht am 13.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 33/05 Verkündet am: 13. September 2007 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2007 - I ZR 100/05

bei uns veröffentlicht am 18.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 100/05 Verkündet am: 18. Oktober 2007 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2010 - I ZR 89/08.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2011 - I ZR 23/10

bei uns veröffentlicht am 28.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 23/10 Verkündet am: 28. September 2011 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2011 - I ZR 211/08

bei uns veröffentlicht am 24.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 211/08 Verkündet am: 24. März 2011 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 100/05 Verkündet am:
18. Oktober 2007
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Dacheindeckungsplatten
GeschmMG § 1 Abs. 2 a.F.
Ein Muster (hier: Fassaden- und Dacheindeckungsplatten) kann auch dann eigentümlich
im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. sein, wenn es zwar eine
gängige geometrische Form verwendet, diese Form aber für den mit Durchschnittskönnen
und der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets ausgestatteten
Mustergestalter im Hinblick auf vermeintliche funktionsbedingte Nachteile von
vornherein ausscheidet.
BGH, Urt. v. 18. Oktober 2007 - I ZR 100/05 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Juni 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Decksteinen aus Schiefer für Fassaden- und Dacheindeckungen.
2
Die Beklagte ist Inhaberin der am 21. Juli 1998 angemeldeten und am 9. Dezember 1998 unter der Nr. 49807218 für "Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten" eingetragenen und nachfolgend abgebildeten Geschmacksmuster F.1 7/98 und F.2 7/98
3
Die Beklagte ist weiter Inhaberin der am 26. August 1998 angemeldeten und am 5. Januar 1999 unter der Nr. 49808495 für "Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten" eingetragenen und nachfolgend abgebildeten Geschmacksmuster Flos 13.8/98 und Flos 16.8/98
4
Es gibt verschiedene Arten, ein Dach mit Schiefer einzudecken, so die Altdeutsche Deckung, die Schuppenschablonendeckung und die Bogenschnittdeckung , jeweils mit zahlreichen Varianten. Dazu werden unterschiedlich gestaltete Decksteine verwendet. Vor der Anmeldung der Muster der Beklagten gab es u.a. die sog. Schuppenschablone (rechte Schuppe) und die sog. Bogenschnittschablone (Bogenschnittschablone rechts)
5
Bei der Bogenschnittschablone läuft eine der Seitenkanten in einem asymmetrischen Bogen, dem sog. Bogenschnitt, aus.
6
Die Schuppenschablone wird seit etwa 1850, die Bogenschnittschablone seit etwa 1980 (aus Asbestzement seit 1950) verwendet. Bei der Deckung mit diesen Steinen werden für die Rechtsdeckung und die Linksdeckung unterschiedlich gestaltete Decksteine benötigt, und zwar jeweils in einer auf diese Deckrichtung ausgerichteten Gestaltung. Die mustergemäßen Decksteine können dagegen wegen ihrer symmetrischen Form sowohl für die Rechts- als auch für die Linksdeckung verwendet werden.
7
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die eingetragenen Muster am Tag ihrer Anmeldung nicht schutzfähig waren. Sie hat vorgebracht, die Muster seien weder neu noch eigentümlich.
8
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt in die Löschung der Muster Flos 13.8/98 sowie Flos 16.8/98 des Geschmacksmusters DE 49808495 sowie des Geschmacksmusters DE 49807218 einzuwilligen.
9
Die Beklagte hat ihre eingetragenen Muster als schutzfähig verteidigt.
10
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
11
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
12
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


13
I. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Einwilligung in die Löschung der streitgegenständlichen Muster als unbegründet angesehen.
14
Die Prüfung der Schutzfähigkeit der Muster, die nach dem Geschmacksmustergesetz in dessen früherer Fassung vorzunehmen sei, habe auf das Erscheinungsbild der einzelnen Muster, also des einzelnen Decksteins, abzustellen. Da nur die Gestaltung des einzelnen Decksteins Gegenstand der Anmeldung und deshalb Schutzgegenstand sei, komme es nicht auf den ästhetischen Eindruck an, der entstehe, wenn die Steine auf dem Dach verlegt seien. Das Verlegebild hänge ohnehin nicht nur von der Form des Steins, sondern auch von der Art der Verlegung ab.
15
Die Muster seien neu. Der symmetrisch-gleichförmige und damit harmonische Gesamteindruck werde durch die einzelnen Entgegenhaltungen nicht vorweggenommen. Eine Kombination sämtlicher für den Gesamteindruck bestimmender Gestaltungselemente sei nicht als vorbekannt dargetan.

16
Die Geschmacksmuster seien auch eigentümlich im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. Da der Spielraum für die Gestaltung von Decksteinen relativ eng sei, genügten bereits verhältnismäßig geringe Abweichungen, um die erforderliche Gestaltungshöhe zu bejahen. Die hier maßgebenden Fachkreise würden zudem angesichts der Gestaltungsdichte in diesem Bereich auf gestalterische Feinheiten achten.
17
Die Neugestaltung sei im Zeitpunkt der Anmeldung nicht naheliegend gewesen, sondern über das Können eines Durchschnittsgestalters hinausgegangen. Die technische Möglichkeit, Eckabrundungen wie bei den Mustern zu gestalten, sei schon seit den fünfziger Jahren gegeben gewesen, als entsprechende Materialien und Werkzeuge zur Verfügung gestanden hätten. Obwohl es nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin 250 Schieferformen gebe, habe über Jahrzehnte kein Deckstein sämtliche jeweils den Gesamteindruck der Muster prägenden Gestaltungsmerkmale in sich vereint.
18
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Die Klage auf Einwilligung in die Löschung der angegriffenen Muster ist nicht begründet.
19
1. Grundlage der Löschungsklage ist § 10c Abs. 2 Nr. 1 GeschmMG a.F., der auf die angegriffenen Muster, die vor dem 28. Oktober 2001 eingetragen worden sind, weiterhin anwendbar ist (vgl. Begründung zu Art. 1 § 66 des Regierungsentwurfs des Geschmacksmusterreformgesetzes, BT-Drucks. 15/1075 S. 64).
20
2. Die Schutzfähigkeit von Geschmacksmustern, die wie die angegriffenen Muster vor dem 28. Oktober 2001 eingetragen worden sind, beurteilt sich noch nach dem Geschmacksmustergesetz in seiner vor dem Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390) am 1. Juni 2004 geltenden Fassung (§ 66 Abs. 2 Satz 1 GeschmMG; vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2005 - I ZR 131/02, GRUR 2005, 600, 603 = WRP 2005, 878 - Handtuchklemmen ).
21
3. Gegenstand der eingetragenen Muster der Beklagten ist jeweils die Gestaltung einzelner Decksteine als Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten. Diese Gestaltungen sind geschmacksmusterfähig im Sinne des § 1 GeschmMG a.F., da sie sich auf selbständig verkehrsfähige Erzeugnisse beziehen und bestimmt und geeignet sind, auf den Formen- und Farbensinn des Betrachters zu wirken (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1986 - I ZR 6/85, GRUR 1987, 518, 519 - Kotflügel ). Die betreffenden Erzeugnisse sind nicht Zwischenfabrikate, sondern Endprodukte, die gerade auch im Hinblick auf ihre besondere Gestaltung erworben werden und im Verlegeverbund mit anderen in verschiedener Weise verwendet werden können. Der Umstand, dass die Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten nicht bereits für sich allein auf den Geschmackssinn wirken, sondern ihre eigene ästhetische Wirkung in einem Verlegeverbund entfalten sollen, steht der Musterfähigkeit nicht entgegen (vgl. dazu auch BGH GRUR 1987, 518, 519 - Kotflügel; Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz , 2. Aufl. 1997, § 1 Rdn. 12).
22
4. Nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts bestimmt sich die Schutzfähigkeit der Muster allein danach, welchen ästhetischen Gehalt die hinterlegten Abbildungen erkennbar machen (vgl. BGH, Urt. v. 18.4.1996 - I ZR 160/94, GRUR 1996, 767, 769 - Holzstühle; Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 1 Rdn. 20, jeweils m.w.N.). Auf die besonderen Verlegebilder, die durch Verlegung von mustergemäßen Decksteinen als Fassaden- oder Dacheindeckungsplatten erreicht werden können, kommt es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der Muster nicht an. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat und im Übrigen auch unstreitig ist, hängt das entstehende Verlegebild zudem nicht nur von der Form des Steins, sondern auch von der jeweiligen Art der Verlegung ab. Aus dieser ergibt sich auch, ob und gegebenenfalls in welcher Weise Teile der mustergemäßen Decksteine verdeckt werden.
23
5. Die tatrichterliche Beurteilung der Neuheit der Muster wird von der Revision nicht in Frage gestellt. Für die Beurteilung, ob ein Muster neu im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. ist, kommt es nicht darauf an, ob seine Form als solche - etwa als geometrische Form - schon vor dem Anmeldezeitpunkt bekannt war. Entscheidend ist vielmehr, ob und welche Gestaltungen gerade auf dem in Rede stehenden Gebiet vorhanden gewesen sind (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.1975 - I ZR 16/74, GRUR 1976, 261, 263 - Gemäldewand).
24
6. Die eingetragenen Muster haben entgegen der Ansicht der Revision auch die erforderliche Eigentümlichkeit.
25
a) Ein Muster oder Modell ist eigentümlich im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F., wenn es in den für die ästhetische Wirkung maßgebenden Merkmalen als das Ergebnis einer eigenpersönlichen, form- oder farbenschöpferischen Tätigkeit erscheint, die über das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets hinausgeht (vgl. BGH, Urt. v. 20.5.1974 - I ZR 136/72, GRUR 1975, 81, 83 - Dreifachkombinationsschalter ; Urt. v. 21.1.1977 - I ZR 68/75, GRUR 1977, 547, 549 f. - Kettenkerze; vgl. weiter Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 1 Rdn. 32; Nirk/Kurtze, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., § 1 Rdn. 159). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gestaltung ein künstlerischer Wert zugesprochen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2001 - I ZR 333/98, GRUR 2001, 503, 505 = WRP 2001, 946 - Sitz-Liegemöbel).

26
b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Prüfung der Eigentümlichkeit und ihres Grades - anders als die Prüfung der Neuheit - nicht durch einen Einzelvergleich des zu prüfenden Musters mit Entgegenhaltungen , sondern durch einen Gesamtvergleich mit den vorbekannten Formgestaltungen vorzunehmen ist (vgl. BGH GRUR 2001, 503, 505 - SitzLiegemöbel , m.w.N.). Nur durch einen solchen Vergleich mit der (gerade) auf dem betreffenden Gebiet geleisteten formgestalterischen Vorarbeit in ihrer Gesamtheit und in Verbindung mit den zur Verfügung stehenden freien Formen lässt sich feststellen, ob ein Muster einen schöpferischen Gehalt aufweist, wie er für den Geschmacksmusterschutz erforderlich ist und welcher - den Schutzumfang bestimmender - Eigentümlichkeitsgrad erreicht ist (vgl. BGH GRUR 1996, 767, 769 - Holzstühle, m.w.N.). Der Gesamtvergleich muss ausgehen von der Feststellung des Gesamteindrucks des Musters und der Gestaltungsmerkmale , auf denen dieser Gesamteindruck beruht.
27
c) Für die Beurteilung, welchen ästhetischen Gesamteindruck ein Muster oder Modell macht und durch welche Eigenschaften dieser Gesamteindruck bestimmt wird, ist - anders als das Berufungsgericht möglicherweise gemeint hat - die Auffassung des für geschmackliche und ästhetische Fragen aufgeschlossenen und mit ihnen einigermaßen vertrauten Durchschnittsbetrachters maßgebend (vgl. BGH GRUR 2001, 503, 505 - Sitz-Liegemöbel, m.w.N.). Für den Vergleich des so ermittelten ästhetischen Gesamteindrucks des Musters oder Modells mit den vorbekannten Formgestaltungen kommt es jedoch nicht darauf an, welche Kenntnis ein Durchschnittsbetrachter von dem bereits vorhandenen Formenschatz besitzt. Entscheidend ist vielmehr - wie bei der Beurteilung der Frage der Neuheit des Musters oder Modells -, welche Formgestaltungen bei den inländischen Fachkreisen als bekannt anzusehen sind; denn von deren Durchschnittskönnen und Durchschnittswissen soll sich das Muster oder Modell durch seine schöpferische Eigentümlichkeit abheben (vgl. BGH GRUR 1977, 547, 550 - Kettenkerze).
28
d) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei dargelegt, der ästhetische Gesamteindruck der Muster werde maßgeblich durch das Zusammenspiel von zwei Gestaltungselementen geprägt. Zum einen wiesen die Steine die Grundform eines gleichseitigen Vierecks (in Form eines Rhombus oder Quadrats) auf, dessen eine Ecke abgerundet sei (sog. Eckabrundung). Zum anderen bildeten diese Eckabrundungen den Ausschnitt eines Kreisbogens. Die Rundung verlaufe dementsprechend symmetrisch zu einer gedachten eckhalbierenden Diagonalen (sog. symmetrische Eckabrundung). Die Kombination dieser Elemente verleihe dem Gesamtbild der Decksteine einen symmetrisch-gleichförmigen und damit harmonischen Eindruck.
29
e) Bei seinem Gesamtvergleich der angegriffenen Muster mit den vorbekannten Decksteingestaltungen hat das Berufungsgericht weiter rechtsfehlerfrei ausgeführt, der von Symmetrie geprägte Gesamteindruck der Muster sei eigentümlich. Die vorbekannten Decksteine wiesen jeweils nur einzelne der Merkmale auf, die für den Gesamteindruck der Muster prägend seien. Sie hätten stets ein "unregelmäßiges" und gerade nicht symmetrisches und ausgewogenes Erscheinungsbild. Auch wenn einzelne Gestaltungsänderungen wie der Schritt vom Rechteck zum Quadrat in zeichnerischer oder handwerklicher Sicht keine besonderen Fähigkeiten erforderten, ergebe der Vergleich der bekannten Formen mit den Mustern doch einen anderen Gesamteindruck. Dies gelte auch für die in der Preisliste der Klägerin aus dem Jahr 1986 angebotenen Decksteine. Die "Spezial-Wabendeckung", der eine quadratische Grundform zugrunde liege, weise keine Eckabrundung, sondern nur eine "abgeschnittene" Ecke auf. Die beiden sog. Rechteck-Schablonen hätten zwar (rechts bzw. links) eine Eckab- rundung, aber die Form eines Rechtecks und vermittelten daher keinen symmetrischen und ausgewogenen Eindruck.
30
f) Der Umstand, dass die Gestaltung der Muster mit technischen Vorteilen verbunden ist, hindert nicht, den Mustern Eigentümlichkeit beizumessen. Die Schutzfähigkeit nach § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. ist nur ausgeschlossen, soweit es sich um Formgestaltungen handelt, die objektiv ausschließlich technisch bedingt sind. Der Geschmacksmusterfähigkeit steht bei einem Gebrauchszwecken dienenden Erzeugnis nicht entgegen, dass seine Gestaltung in dem maßgeblichen Merkmal zugleich oder sogar in erster Linie dem Gebrauchszweck dient und ihn fördert, der ästhetische Gehalt demnach in die ihrem Zweck gemäß gestaltete Gebrauchsform eingegangen ist (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.1980 - I ZR 111/78, GRUR 1981, 269, 271 - Haushaltsschneidemaschine II, mit Anm. Gerstenberg; BGH GRUR 2005, 600, 603 - Handtuchklemmen, m.w.N.).
31
Die mustergemäßen Decksteine weisen gegenüber Decksteinen mit anderen Formen unstreitig den Vorteil der vielseitigen Verwendbarkeit auf. So werden z.B. bei der sog. Bogenschnittdeckung für die Rechtsdeckung und die Linksdeckung eines Daches zwei verschiedene Decksteine benötigt, rechte Decksteine mit dem Bogenschnitt an der linken Längsseite und linke Decksteine mit dem Bogenschnitt an der rechten Längsseite. Mustergemäße Decksteine können demgegenüber sowohl für die Rechtsdeckung als auch für die Linksdeckung und die Deckung "nach unten" verwendet werden. Diesen technischen Vorteil besitzen jedoch neben Decksteinen in der Form eines Quadrats oder Rhombus unstreitig auch Decksteine für die sog. Wabendeckung. Dies sind Decksteine mit einer quadratischen Grundform, bei der eine der vier Ecken unter einem Winkel von etwa 45° zu den angrenzenden Kanten abgeschnitten ist. Die mustergemäßen Decksteine besitzen allerdings den weiteren Vorteil, dass mit ihnen - wie mit den sog. Bogenschnittformen - ein Verlegebild erreicht werden kann, das sich durch eine geschwungene, "wellige" Linienführung auszeichnet. Dies ist aber kein technischer, sondern ein ästhetischer Vorteil beim Einsatz der mustergemäßen Decksteine.
32
g) Aus der Sicht des für geschmackliche und ästhetische Fragen aufgeschlossenen und damit einigermaßen vertrauten Durchschnittsbetrachters weisen die Muster der Beklagten im Vergleich zu den auf dem Gebiet der Fassaden - und Dacheindeckungsplatten vorbekannten Formen einen deutlich abweichenden Gesamteindruck auf. Bei nicht nur oberflächlicher Betrachtung fällt im Vergleich zu den vorbekannten Formen der symmetrisch-gleichförmige und damit harmonische Eindruck auf. Ein Durchschnittsbetrachter ohne Kenntnisse von dem besonderen Sachgebiet hätte allerdings kaum erkannt, dass diese Formen für Fassaden- und Dacheindeckungsplatten zur Zeit der Anmeldung ungewöhnlich waren. Dies ist jedoch für die Beurteilung der Eigentümlichkeit ohne Bedeutung, da es dabei - wie oben unter c) dargelegt - nicht auf die Kenntnis des Durchschnittsbetrachters von dem bereits vorhandenen Formenschatz ankommt.
33
h) Die Muster der Beklagten haben auch die notwendige Gestaltungshöhe. Dagegen spricht nicht, dass die Muster jeweils geometrische Formen verwenden , die als solche vorbekannt waren. Entscheidend ist vielmehr, dass die Gestaltung der Muster für die Verwendung bei Fassaden- und Dacheindeckungsplatten im Gesamtvergleich mit den vorbekannten Decksteingestaltungen das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters auf diesem Gebiet in schutzbegründender Weise übersteigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Gestaltung von Decksteinen funktionsbedingt (u.a. mit Rücksicht auf eine größtmögliche Materialausbeute und die Fachregel des Dachdeckerhandwerks) ein verhältnismäßig enger Gestaltungsspielraum besteht. Der Mustergestalter hat durch eine vom Herkömmlichen abweichende ästhetische Gestaltung der Decksteine die Aufgabe gelöst, mit einem vielseitig verwendbaren Stein Verlegebilder zu erzielen, die den vorbekannten Deckbildern mit einer "welligen" Linienführung entsprechen.
34
Die geometrischen Formen der angegriffenen Muster hat deren Gestalter nicht geschaffen; es handelt sich um vorbekannte Formen. Seine gestalterische Leistung liegt in der Wahl dieser Formen als sinnvolle Formen von Fassadenund Dacheindeckungsplatten in der Beurteilung, dass auch solche symmetrisch -gleichförmigen Decksteine fachgerecht verlegt werden können. Bei einer solchen Nutzung schlichter geometrischer Formen dürfen allerdings die Anforderungen an die Gestaltungshöhe nicht zu niedrig angesetzt werden (vgl. dazu auch BGH GRUR 1975, 81, 83 - Dreifachkombinationsschalter). Im vorliegenden Fall ist jedoch eine gestalterische Leistung gegeben, die das Durchschnittskönnen eines Mustergestalters auf dem betreffenden Gebiet in einem für den Geschmacksmusterschutz hinreichenden Maß übersteigt, wie bereits daraus ersichtlich ist, dass die technische Möglichkeit zur mustergemäßen Gestaltung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon seit den fünfziger Jahren gegeben war, aber vor den angegriffenen Mustern nicht benutzt worden ist (vgl. dazu auch Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein aaO § 1 Rdn. 44). Selbst die in der Preisliste der Klägerin aus dem Jahr 1986 angebotenen Decksteine für die "Spezial-Wabendeckung" und die sog. Rechteck-Schablonen hatten - auch im Hinblick auf die Fachregel des Deutschen Dachdeckerhandwerks - bis zur Anmeldung der Geschmacksmuster keinen Anlass gegeben, Decksteine in dieser Form zu schaffen.
35
III. Die Revision der Klägerin ist danach zurückzuweisen.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm v. Ungern-Sternberg Büscher
Schaffert Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 25.11.2004 - 31 O 112/02 -
OLG Köln, Entscheidung vom 10.06.2005 - 6 U 216/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 33/05 Verkündet am:
13. September 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
THE HOME STORE
GMV Art. 9 Nr. 1

a) Die Gemeinschaftsmarke ist nicht gegen einen rein firmenmäßigen Gebrauch
geschützt.

b) Ein auf die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in einem Mitgliedstaat gestützter
Unterlassungsanspruch besteht jedenfalls in der Regel für das gesamte
Gebiet der Europäischen Gemeinschaft.
BGH, Urt. v. 13. September 2007 - I ZR 33/05 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Berichtigung des Leitsatzes
Der Leitsatz des Urteils vom 13. September 2007 - I ZR 33/05 - wird in der Weise
berichtigt, dass es in der Normenzeile richtig heißt: "GMV Art. 9 Abs. 1"
(nicht Nr. 1).

Bundesgerichtshof

Geschäftsstelle des I. Zivilsenats
Karlsruhe, den 7. Januar 2008
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2007 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 27. Januar 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht zurückgewiesen worden ist. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin zu 2 betreibt in den USA, Kanada und Mexiko Bau- und Heimwerkermärkte unter der Kennzeichnung "THE HOME DEPOT". Die Klägerin zu 1 ist eine Tochtergesellschaft der Klägerin zu 2 und Inhaberin der am 1. April 1996 angemeldeten und am 16. Februar 2000 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke Nr. 51458 "THE HOME DEPOT" und der nachfolgend wiedergegebenen , am 1. April 1996 angemeldeten und am 24. März 2000 eingetragenen (schwarz-weißen) Gemeinschaftswort-/Bildmarke Nr. 51482:
2
Beide Marken sind eingetragen für folgende Waren und Dienstleistungen: Bau- und Konstruktionsmaterialien, nicht aus Metall; Werbung, betriebswirtschaftliche Beratung; Erstellung von Geschäftsgutachten; Direktversand von Werbematerial; Verkaufsförderung; Dienstleistungen eines Innenarchitekten; Landschaftsgartengestaltung; Beratung auf dem Gebiet des Bauwesens, der Reparatur, Wartung und Installation von Wohnraumeinrichtungen, Dekorationen , Befestigungen und Bestandteilen.
3
Die Beklagte ist die Zweigniederlassung deutschen Rechts der schweizerischen Bauhaus AG. Unter dem Namen BAUHAUS werden 114 Bau- und Heimwerkermärkte in Deutschland, 22 in Österreich, 6 in Dänemark, 3 in Spanien sowie je ein Markt in der Tschechischen Republik und in der Türkei betrieben. Die BAUHAUS-Märkte haben Ende der 1990er Jahre begonnen, an die Bezeichnung BAUHAUS den Zusatz "THE HOME STORE" in einem roten Feld mit schräggestellten weißen Buchstaben anzufügen. Zudem wurden in diesem Zeichen dem Namen BAUHAUS drei Häuschensymbole vorangestellt:
4
Die Klägerin zu 2 und die Beklagte verhandelten Anfang des Jahres 2000 ergebnislos über eine Kooperation in Europa.
5
Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Benutzung der BAUHAUS -Kennzeichnung mit dem Wort-/Bildbestandteil "THE HOME STORE" ihre Marken- und Firmenrechte verletze. Der Verkehr fasse diesen Bestandteil als Zweitzeichen auf. Zudem drohe die isolierte Verwendung des Wort-/ Bildbestandteils "THE HOME STORE" auch deshalb, weil die Beklagte durch die niederländische D. B.V. entsprechende Marken angemeldet habe.
6
Die Klägerinnen haben - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, 1. es zu unterlassen, 1.1. zur Kennzeichnung eines auf den Betrieb von Baumärkten gerichteten Geschäftsbetriebes einschließlich des zugehöri- gen Katalog- und Internethandels, die Kennzeichnung "THE HOME STORE" wie nachfolgend abgebildet in den Ländern der Europäischen Union zu benutzen; … 2. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über den Umfang der Benutzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 durch Angabe der mit dem Betrieb von BAUHAUSMärkten und BAUHAUS-Kataloghandel erwirtschafteten Umsätze seit dem 14. Dezember 2000, und zwar unter Angabe der jeweils in einem Mitgliedstaat der EU erwirtschafteten Bruttoverkaufsumsätze abzüglich nach Kostenarten aufgesplitterter Betriebskosten sowie unter weiterer Angabe von Werbemitteln, gegliedert nach Werbeträgern und Kosten für Werbeaufwendungen; 3. Schadensersatz wegen sämtlicher Benutzungshandlungen gemäß Ziffer 1 seit dem 14. Dezember 2000 in einer nach Auskunftserteilung zu bestimmenden Höhe zu leisten.
7
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat gegen die Klägerin zu 1 Widerklage erhoben und beantragt, deren Gemeinschaftsmarken Nr. 51458 und Nr. 51482 für nichtig zu erklären.
8
Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt sowie ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt. Die Widerklage hat es abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 251).
9
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge auf Klageabweisung und aus der Widerklage weiter. Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


10
A. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch für das gesamte Gebiet der Europäischen Union zuerkannt und dazu ausgeführt:
11
Die Beklagte sei, obwohl sie die Baumärkte nicht selbst betreibe, passivlegitimiert. Die Klägerinnen hätten ausreichend dargelegt, dass die Beklagte für den Markenauftritt des gesamten BAUHAUS-Konzerns verantwortlich sei.
12
Das Wort-/Bildzeichen "THE HOME STORE" sei zwar bisher nur zusammen mit dem Kennzeichen BAUHAUS und dem Dreihäuschensymbol verwendet worden. Es bestehe aber Erstbegehungsgefahr für eine isolierte Verwendung des Wort-/Bildzeichens "THE HOME STORE", weil die D. B.V. - der Beklagten zurechenbar - das Wortzeichen "THE HOME STORE" in Deutschland und den Beneluxstaaten angemeldet habe. Da das Wort-/ Bildzeichen bereits seit einigen Jahren zusammen mit dem Namen "BAUHAUS" und dem Dreihäuschensymbol in einer bestimmten graphischen Gestaltung verwendet werde, sei zu erwarten, dass die Beklagte auch die angemeldeten Wortzeichen in entsprechender Gestaltung benutzen werde. Die von der Beklagten vor dem Landgericht abgegebene Erklärung, die Marken seien lediglich aus prozesstaktischen Gründen angemeldet worden, reiche nicht aus, um die Erstbegehungsgefahr auszuräumen. Ebensowenig genüge die von der Beklagten in der Berufungsinstanz abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklä- rung, weil sie sich nur auf das Wortzeichen, nicht jedoch auf die Benutzung von "THE HOME STORE" in der graphischen Gestaltung gemäß dem Klageantrag zu 1.1. beziehe.
13
Die Beklagte benutze zudem das Wort-/Bildzeichen "THE HOME STORE" nicht nur als Firmennamen, sondern auch markenmäßig und verletze dadurch die Gemeinschaftsmarke Nr. 51482 der Klägerinnen. Werde der Bestandteil "THE HOME STORE" neben der bekannten Unternehmensbezeichnung BAUHAUS verwendet, erscheine er innerhalb der mit dem Dreihäuschensymbol zusammengesetzten Bezeichnung wie ein selbständiger Bestandteil. Dieser sei räumlich abgetrennt sowie in anderer Sprache und anderer graphischer Gestaltung gehalten. Es bestehe daher die Gefahr, dass jedenfalls rechtlich erhebliche Teile des Verkehrs das Wort-/Bildelement als selbständige Zweitkennzeichnung verstünden, zumal die Beklagte den Unternehmensnamen BAUHAUS seit Jahrzehnten ohne diesen Zusatz in gleichbleibender graphischer Gestaltung verwende. Die Beklagte benutze zudem den Unternehmensnamen BAUHAUS seit einiger Zeit nach Art eines Stammbestandteils für die Produktbereiche "THE HOME STORE" für Endverbraucher und "PROFI DEPOT" für Fachhandwerker. Die Kennzeichnung BAUHAUS könne auch deshalb für rechtlich erhebliche Teile des Verkehrs in den Hintergrund treten.
14
Es bestehe eine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke sei durchschnittlich. Ihr Begriffsinhalt sei nicht rein beschreibend; die besondere graphische Gestaltung bewirke eine zusätzliche Unterscheidungskraft. Es sei weitgehend Warenidentität gegeben. Die Klagemarke und das isolierte Zeichen "THE HOME STORE" in seiner graphischen Ausgestaltung seien hochgradig zeichenähnlich.
15
Jedenfalls sei aber eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne zu bejahen , obwohl die Klägerin zu 2 ein Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union sei und im Inland noch keine dauernde wirtschaftliche Betätigung aufgenommen habe. Der Verkehr rechne aufgrund der Globalisierung mit einer Kooperation mit ausländischen Unternehmen; diese dürften nicht bereits während der Benutzungsschonfrist dazu gezwungen werden, unter ihrem Firmennamen in Europa tätig zu werden, um zu verhindern, dass ein Verletzer ihre Marke mit seinem Firmennamen kombiniere. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, dass die Klägerinnen aus Marken vorgingen, die sich noch in der Benutzungsschonfrist befänden.
16
Das Berufungsgericht hat die Beklagte nach deutschem Recht auch im Hinblick auf Benutzungshandlungen ihrer Baumärkte in anderen EU-Ländern zur Auskunft verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt. Es bestehe die Besonderheit, dass die Markenverwendung in einem Konzernverbund einheitlich erfolge und von Deutschland aus bestimmt werde. Dies rechtfertige eine einheitliche Anknüpfung der Folgeansprüche an das deutsche Recht. Jedenfalls aber hätten die Parteien stillschweigend die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart.
17
Die Widerklage sei nicht begründet. Nichtigkeitsgründe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. b und c GMV lägen nicht vor.

18
B. Die Revision ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten richtet. Dagegen hat sie keinen Erfolg, soweit das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen hat.
19
I. Klage
20
1. Das Berufungsurteil hat hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten bereits deshalb keinen Bestand, weil sich der mit dem Klageantrag verfolgte Unterlassungsanspruch auch gegen einen rein firmenmäßigen Gebrauch des angegriffenen Zeichens richtet, gegen den die Gemeinschaftsmarke keinen Schutz gewährt.
21
a) Nach dem Wortlaut ihres Antrags wenden sich die Klägerinnen gegen einen firmenmäßigen Gebrauch des angegriffenen Zeichens. Sie begehren, der Beklagten die Benutzung des Zeichens "THE HOME STORE" allgemein "zur Kennzeichnung eines auf den Betrieb von Baumärkten gerichteten Geschäftsbetriebs" zu verbieten. Auch aus dem Klagevortrag, der zur Antragsauslegung heranzuziehen ist (vgl. BGHZ 168, 179 Tz. 15 - Anschriftenliste; BGH, Urt. v. 2. 7. 1998 - I ZR 77/96, GRUR 1999, 272, 274 = WRP 1999, 183 - Die Luxusklasse zum Nulltarif), ergibt sich kein anderes Verständnis des gestellten Unterlassungsantrags.
22
b) Ein rein firmenmäßiger Gebrauch ist jedoch keine Benutzungshandlung i.S. von Art. 9 GMV. Eine Benutzung "für Waren oder Dienstleistungen" i.S. von Art. 5 Abs. 1 der Markenrechtsrichtlinie ist nicht gegeben, wenn ein Firmenzeichen nur für die Bezeichnung eines Geschäfts verwendet wird (vgl. EuGH, Urt. v. 11. 9. 2007 - C-17/06, Tz. 21 - Céline; Urt. v. 21. 11. 2002 - C-23/01, Slg. 2002, I-10913 Tz. 27 ff. = GRUR 2003, 143 = WRP 2003, 66 - Robelco; vgl. http://localhost:8081/jportal/portal/t/13/page/dvdwettbewerbundimgr.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=9&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE016902301&doc.part=S&doc.price=0.0# - 10 - auch BGH, Urt. v. 21. 7. 2005 - I ZR 293/02, GRUR 2005, 1047, 1049 - OTTO, zur rechtserhaltenden Benutzung nach § 26 MarkenG). Für Art. 9 Abs. 1 GMV gilt kein anderer Benutzungsbegriff. Nach Art. 14 Abs. 1 GMV bestimmt sich die Wirkung der Gemeinschaftsmarke ausschließlich nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung. Die durch Art. 5 Abs. 5 der Markenrechtsrichtlinie unter bestimmten Voraussetzungen eröffnete ergänzende Anwendung des nationalen Rechts, um ein Zeichen gegen die Verwendung zu anderen Zwecken als der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen zu schützen - also auch gegen einen firmenmäßigen Gebrauch - ist damit für Gemeinschaftsmarken ausgeschlossen. Die Gemeinschaftsmarke ist nicht gegen rein firmenmäßigen Gebrauch geschützt.
23
2. Aus dem Vorbringen der Klägerinnen geht aber hervor, dass sie sich mit ihrer Klage auch gegen firmenmäßige Benutzungshandlungen wenden, die zugleich eine Benutzung "für Waren oder Dienstleistungen" i.S. von Art. 9 GMV sind. Dies ist der Fall, wenn eine Verbindung zwischen dem firmenmäßig genutzten Zeichen und den vom Dritten vertriebenen Waren oder den von ihm erbrachten Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. EuGH, Urt. v. 11.9.2007 - C-17/06, Tz. 23, 36 - Céline). Eine solche Verbindung zu einzelnen angebotenen Waren oder Dienstleistungen kann grundsätzlich auch in einem Katalog oder im Rahmen eines Internetauftritts geschaffen werden (vgl. BGH GRUR 2005, 1047, 1049 - OTTO). Nach dem Vortrag der Klägerinnen, die dazu insbesondere einen Katalog der BAUHAUS-Märkte vorgelegt haben (Anlage K 4), bezog sich ihr Unterlassungsbegehren auch auf solche Fälle.
24
Die Klage kann deshalb beim derzeitigen Verfahrensstand nicht als insgesamt unbegründet abgewiesen werden. Vielmehr ist die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hätte den Klägerinnen nach § 139 Abs. 1 ZPO Gelegenheit geben müssen, auf die konkret beanstandeten Verletzungsformen bezogene Klageanträge zu stellen und gegebenenfalls weiteren sachdienlichen Vortrag dazu zu halten. Dementsprechend ist hier im Hinblick auf den Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren von der Abweisung der Klage als insgesamt unbegründet abzusehen.
25
3. Für die erneute Verhandlung wird das Berufungsgericht auf Folgendes hingewiesen:
26
a) Nach dem Klagevorbringen benutzt die Beklagte das Wort-/Bildzeichen "THE HOME STORE" nicht selbst. Die Klägerinnen werfen ihr vielmehr vor, die Benutzung durch die rechtlich selbständigen BAUHAUS-Niederlassungen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zu steuern und damit deren Rechtsverletzungen zu veranlassen. Dem muss die Fassung von Unterlassungsanträgen Rechnung tragen.
27
b) Das Berufungsgericht hat die Passivlegitimation der Beklagten in tatrichterlicher Würdigung anhand der Umstände des Falls ohne Rechtsfehler bejaht. Die von ihm festgestellten Tatsachen reichen in ihrer Gesamtschau für die Annahme aus, dass die Beklagte den Marken- und Firmenauftritt der BAUHAUS -Märkte zentral steuert und daher jedenfalls als Teilnehmerin der behaupteten Markenverletzungen anzusehen ist. So umfasst der im Handelsregister eingetragene Geschäftszweck der Beklagten insbesondere die Entwicklung und Errichtung von Facheinkaufszentren für den Bau- und Hausbedarf sowie den Do-it-yourself-Bedarf, die Errichtung von Zweigniederlassungen im In- und Ausland sowie sämtliche Geschäfte, die mit den vorgenannten Zielen zusammenhängen. Das Berufungsgericht hat weiter dargelegt, dass einige der Geschäftsführer der Beklagten zugleich Geschäftsführer der einzelnen Regionalgesellschaften sind, die die Baumärkte unmittelbar betreiben, dass der einheitliche Marken- und Firmenauftritt der BAUHAUS-Märkte zentral gesteuert werden müsse und dass der Bestandteil "THE HOME STORE" auf Initiative des Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Beklagten an das in den Baumärkten verwendete Zeichen angefügt worden sei. Schließlich habe die D. B.V. die Anmeldung der Wortmarken "THE HOME STORE" für die Beklagte vorgenommen.
28
c) Die Benutzung eines Zeichens kann aufgrund einer Gemeinschaftsmarke nur verboten werden, wenn sie die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion, gegenüber den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann. Das ist der Fall, wenn das angegriffene Zeichen in der Weise benutzt wird, dass die Verbraucher es als Ursprungsbezeichnung für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen auffassen. Als Benutzungshandlung kommt außer einer Anbringung auf Waren auch ein firmenmäßiger Gebrauch in Betracht, der zugleich eine Verbindung zu den vertriebenen Waren oder Dienstleistungen herstellt (vgl. EuGH, Urt. v. 11. 9. 2007 - C-17/06, Tz. 23, 26 f., 36 - Céline).
29
Das Berufungsgericht wird daher, falls entsprechende Anträge gestellt werden, zu prüfen haben, wie der Verkehr die Verwendung des angegriffenen Kennzeichens bei den von den Klägerinnen vorgetragenen Benutzungshandlungen auffasst. So kann der Verkehr etwa die Verwendung des Zeichens in dem BAUHAUS-Katalog nur als Kennzeichnung des Geschäftsbetriebs der BAUHAUS-Märkte oder des von vielen verschiedenen Herstellern stammenden Gesamtsortiments dieser Märkte auffassen. Es ist aber auch möglich, dass der Verkehr das Zeichen - etwa in Abgrenzung zu Markenartikeln - konkret auf bestimmte der in dem Katalog angebotenen Produkte bezieht. Im letzteren Fall läge ein markenmäßiger Gebrauch vor (vgl. BGH GRUR 2005, 1047, 1049 - OTTO).
30
d) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass zwischen der Gemeinschaftswort -/Bildmarke Nr. 51482 und dem von der Beklagten benutzten Zeichen Verwechslungsgefahr bestehe. Das begegnet keinen Bedenken.
31
aa) Das Berufungsgericht hat seiner Prüfung zutreffend eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Klagemarke zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung ihrer graphischen Gestaltung ist deren von Haus aus bestehende Kennzeichnungskraft nicht als gering anzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.3.1998 - I ZB 29/95, GRUR 1998, 925, 927 - Bisotherm-Stein). Dem Begriff "THE HOME DEPOT" kommt bereits als solchem für die Waren und Dienstleistungen , für die die Klagemarke eingetragen ist, Unterscheidungskraft zu. Unabhängig davon, ob der Begriff als Gattungsbezeichnung für ein Depot oder Lagerhaus für Waren, die in Heim oder Wohnung benötigt werden, zu verstehen ist, ist er wegen seiner Unschärfe und Verschwommenheit in Bezug auf die von der Klagemarke erfassten Waren und Dienstleistungen nicht rein beschreibend. Er weist vielmehr insoweit allenfalls geringe beschreibende Anklänge auf. Denn der Verkehr kann ihn nicht ohne weiteres und eindeutig den konkreten Waren und Dienstleistungen der Klagemarke zuordnen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.1996 - I ZB 10/94, GRUR 1996, 771, 772 = WRP 1996, 1160 - THE HOME DEPOT).
32
Dass für die amerikanischen Eintragungen ein Disclaimer abgegeben worden ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Disclaimer bezieht sich auch nach dem Vortrag der Revision allein darauf, dass kein Ausschließlichkeitsrecht an dem Zeichenbestandteil "HOME" beansprucht wird (vgl. BGH, Beschl. v. 18.3.1999 - I ZB 27/96, GRUR 1999, 988, 990 = WRP 1999, 1038 - HOUSE OF BLUES).
33
bb) Keinen Bedenken begegnet auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, erhebliche Teile des Verkehrs könnten das Wort-/Bild- element "THE HOME STORE" in dem Zeichen der Beklagten als Zweitkennzeichnung verstehen (vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 Tz. 28 f. = GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE; Urt. v. 12.6.2007 - C-334/05 P, GRUR 2007, 700 Tz. 41 - HABM/Shaker; BGH, Urt. v. 5.4.2001 - I ZR 168/98, GRUR 2002, 171, 174 f. = WRP 2001, 1315 - Marlboro-Dach; Urt. v. 22.7.2004 - I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 866 = WRP 2004, 1281 - Mustang; Urt. v. 8.2.2007 - I ZR 71/04, GRUR 2007, 592 Tz. 13 f. = WRP 2007, 958 - bodo Blue Night; vgl. auch Büscher, GRUR 2005, 802, 803). Bei dem Bestandteil BAUHAUS handelt es sich um den bekannten Unternehmensnamen der Beklagten. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das Element "THE HOME STORE" von dem Element BAUHAUS räumlich abgetrennt ist und in einer anderen Sprache sowie anderen graphischen Gestaltung - schräg in sogenannter Westernschrift - ausgeführt ist. Dass der Zusatz "THE HOME STORE" die Abteilung für Endverbraucher von der für Profihandwerker unterscheiden soll, steht einem Verständnis als Zweitmarke nicht entgegen, sondern bestätigt es.
34
cc) Die Klagemarke ist weitgehend für dieselben Waren eingetragen, für die das Zeichen der Beklagten verwendet wird.
35
dd) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das als selbständiges Zweitkennzeichen aufzufassende Wort-/Bildelement "THE HOME STORE" in bildlicher und begrifflicher Hinsicht eine hohe Zeichenähnlichkeit mit der Klagemarke Nr. 51482 "THE HOME DEPOT" aufweist. Rechtsfehler sind auch insoweit nicht ersichtlich.
36
(1) Das Berufungsgericht hat zutreffend neben dem Wortbestandteil auch die graphischen Elemente für den Gesamteindruck der Klagemarke berücksichtigt. Die Bildbestandteile eines Wort-/Bildzeichens prägen dessen Gesamtein- druck bei der visuellen Wahrnehmung im Regelfall mit, sofern es sich nicht nur um eine nichtssagende oder geläufige und nicht ins Gewicht fallende graphische Gestaltung (Verzierung) handelt (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 509 - ATTACHÉ/TISSERAND; Urt. v. 22.4.2004 - I ZR 189/01, GRUR 2004, 778, 779 = WRP 2004, 1173 - URLAUB DIREKT). Die graphische Gestaltung ist vorliegend keine bloße Verzierung. Selbst wenn das graphische Einzelelement der Westernschrift - wie die Revision geltend macht - für die Heimwerkerbranche typisch sein sollte, ist der Schriftzug "THE HOME DEPOT" in die graphische Gesamtgestaltung derart einbezogen, dass er zugleich ein tragendes graphisches Element der Marke bildet (vgl. BGH GRUR 2000, 506, 509 - ATTACHÉ/TISSERAND).
37
(2) Der Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens entspricht sehr weitgehend demjenigen der Klagemarke. In beiden Marken wird eine von links unten nach rechts oben verlaufende, schräge "Westernschrift" verwendet, die ausschließlich aus Großbuchstaben besteht und in der jeweils das Wort "HOME" durch deutlich größere Schrifttypen hervorgehoben wird. Bei beiden Zeichen ist die Schrift weiß und in ein einfarbig dunkleres Viereck eingefügt. Demgegenüber fallen die Unterschiede zwischen den Zeichen nicht maßgeblich ins Gewicht. Die Worte "DEPOT" und "STORE" haben die gleiche Anzahl Buchstaben. Sie stimmen außerdem inhaltlich überein und werden im Englischen als Synonyme für Lager(haus) gebraucht (vgl. Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Englisch-Deutsch, 6. Aufl. 2000; Langenscheidts Handwörterbuch Englisch, Englisch-Deutsch, 2000; Collins/Pons, Großwörterbuch für Experten und Universität, 4. Aufl. 1999). Dass dem Betrachter durch die andere Füllfarbe der Quader (rot bei der Beklagten statt schwarz in der Wort-/Bildmarke der Klägerin zu 1) ein anderes Bild des Kennzeichens vermittelt wird, ist nicht ersichtlich (vgl. BGHZ 167, 322 Tz. 23 - Malteserkreuz ). Ebensowenig begründet die Verwendung eines Rechtecks mit einem Seitenverhältnis von 3:2 gegenüber dem Quadrat der Klagemarke einen wesentlichen Unterschied.
38
ee) Die hohe Zeichenähnlichkeit und die weitgehende Warenidentität begründen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Auf die hilfsweisen Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne und die dagegen vorgebrachten Angriffe der Revision wird es daher nicht ankommen.
39
e) Das Berufungsgericht wird in der erneuten Verhandlung gegebenenfalls auch den Einwand der Nichtbenutzung zu prüfen haben. Sollte es wiederum zu einer Verurteilung der Beklagten gelangen, hat es den Unterlassungsanspruch für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaft zu gewähren. Die Gemeinschaftsmarke ist einheitlich und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft wirksam (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 GMV; vgl. die Zweite und die Fünfzehnte Begründungserwägung der Gemeinschaftsmarkenverordnung). Das Schutzgebiet der Gemeinschaftsmarke ist damit das Gebiet der gesamten Gemeinschaft. Eine Verletzungshandlung, die in einem Mitgliedstaat begangen wird, begründet jedenfalls in der Regel eine Begehungsgefahr für das ganze Gebiet der Europäischen Gemeinschaft (vgl. Rohnke, GRUR Int. 2002, 979, 980, 982 f.; Bumiller, ZIP 2002, 115, 117; Eisenführ/Schennen, GMV, Art. 1 Rdn. 36; Knaak in Schricker/Bastian/Knaak, Gemeinschaftsmarke und Recht der EU-Mitgliedstaaten, GMV, Rdn. 307). Es ist nicht erforderlich, dass eine Verletzung tatsächlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt ist oder droht.
40
Umstritten ist allerdings, ob es die Gemeinschaftsmarkenverordnung in besonders gelagerten Fällen zulässt oder sogar erfordert, territorial begrenzte Verbote auszusprechen. Dabei geht es um Fälle, in denen die Verwechslungs- gefahr wegen sprachlicher Unterschiede, einer räumlich abweichenden Verkehrsauffassung oder einer unterschiedlichen Kennzeichnungskraft in einzelnen , regional begrenzten Gebieten vorliegt, in anderen hingegen nicht (vgl. zur diesbezüglichen Diskussion v. Mühlendahl/Ohlgart, Die Gemeinschaftsmarke, § 6 Rdn. 3 bis 7; Knaak, GRUR 2001, 21, 22 f.; ders. in Schricker/Bastian /Knaak aaO GMV Rdn. 192, 193 ff.; Rohnke, GRUR Int. 2002, 979, 983 ff.; Hye-Knudsen/Schafft, MarkenR 2004, 209 ff.; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht , Rdn. 210). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
41
f) Im Unterschied zum autonom geregelten Unterlassungsanspruch enthält die Gemeinschaftsmarkenverordnung keine Regelungen zu den Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz (im Weiteren: Folgeansprüche), die sich aus Verletzungshandlungen ergeben. Art. 98 Abs. 2 GMV verweist insoweit auf das Recht des Mitgliedstaates, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen, einschließlich dessen Internationalen Privatrechts.
42
Insoweit wird entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein deutscher Handlungsort nicht schon dadurch begründet, dass die Beklagte von Deutschland aus die Markenverwendung in den einzelnen Märkten steuert. Denn das stellt keine relevante Benutzungshandlung i.S. von Art. 9 Abs. 2 GMV dar (vgl. auch Sack, WRP 2000, 269, 271).
43
Die nach dem Klagevortrag allein in Betracht kommenden Verletzungshandlungen durch den vorgelegten Katalog dürften sich nur auf die Tätigkeit von BAUHAUS-Märkten in Deutschland beziehen und deshalb nur einen deutschen Begehungsort begründen. Es besteht deshalb kein Anlass, auf die Frage einzugehen, welches Recht bei Verletzungshandlungen in verschiedenen Staaten der Europäischen Union auf die Folgeansprüche anwendbar wäre. In einem solchen Fall könnte nach Art. 98 Abs. 2 GMV jedenfalls nicht ohne weiteres von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen werden.
44
Allerdings durfte das Berufungsgericht nicht von einer Parteivereinbarung zur Anwendung deutschen Rechts auf die Folgeansprüche ausgehen (wobei deren Zulässigkeit im Anwendungsbereich des Art. 98 Abs. 2 GMV ohnehin fraglich ist; vgl. dazu Tilmann, GRUR Int. 2001, 673, 676; v. Mühlendahl/Ohlgart aaO § 26 Rdn. 8). Eine stillschweigende Rechtswahl kann nur angenommen werden, wenn die Parteien während des Rechtsstreits von der Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung, vor allem durch Anführen ihrer Vorschriften, ausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1990 - VIII ZR 332/89, NJW 1991, 1292, 1293). Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch haben die Klägerinnen weder in der Klageschrift noch sonst Ausführungen zu dem auf die Folgeansprüche anwendbaren Recht gemacht. Die Beklagte hat sich bereits in erster Instanz gegen eine europaweite Verurteilung zur Unterlassung gewandt, was zumindest nahelegt, dass dies auch für die Folgeansprüche gelten soll. In ihrer Berufungsschrift hat die Beklagte sich auch ausdrücklich gegen die Anwendung des deutschen Rechts auf die Folgeansprüche verwahrt.
45
g) Gegen die Bestimmtheit des Auskunftsantrags bestehen keine Bedenken (vgl. BGHZ 159, 66, 70 f. - Taxameter; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 52 Rdn. 5). Soweit nach der erneuten Verhandlung allein ein Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Betracht kommen sollte, kann zwar Auskunft über den Umfang der unter dem verletzenden Kennzeichen erzielten Umsätze verlangt werden. Angaben über die Betriebskosten und deren Aufschlüsselung sind dann aber nicht erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.1995 - I ZR 16/93, GRUR 1995, 349, 352 = WRP 1995, 393 - Objektive Schadensberechnung; Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 114/84, GRUR 1995, 50, 54 - Indorektal/Indohexal). Dasselbe gilt für die begehrte Auskunft über die Werbemittel.
46
h) Bei den Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz wird hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin zu 2 zu berücksichtigen sein, dass diese nicht Inhaberin, sondern lediglich Lizenznehmerin der Gemeinschaftsmarken ist, aus denen sie klagt (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2007 - I ZR 93/04, GRUR 2007, 877 Tz. 27 ff. = WRP 2007, 1187 - Windsor Estate).
47
II. Widerklage
48
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Landgerichts die Widerklage auf Nichtigkeitserklärung der Gemeinschaftsmarken Nr. 51458 und Nr. 51482 gemäß Art. 96, 51, 52 GMV abgewiesen, weil weder das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach Art. 7 Abs. 1 lit. b GMV vorliege noch ein Freihaltebedürfnis nach Art. 7 Abs. 1 lit. c bestehe. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
49
1. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse festgestellt, dass die Bezeichnung "THE HOME DEPOT" für die von den Marken erfassten Waren und Dienstleistungen keine rein beschreibende Gattungsbezeichnung ist. Rechtsfehler liegen insoweit nicht vor (siehe oben unter I 3 d aa).
50
2. Das Landgericht hat auch ein Freihaltebedürfnis nach Art. 7 Abs. 1 lit. c GMV zu Recht verneint. Die Bezeichnung "THE HOME DEPOT" ist wegen ihres unklaren und unspezifischen Begriffsinhalts keine beschreibende Angabe, die für die Allgemeinheit freizuhalten ist (vgl. BGH GRUR 1996, 771, 772 - THE HOME DEPOT).

51
3. Zu dem für die Beurteilung der Widerklage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Januar 2005) war die fünfjährige Benutzungsschonfrist für die Klagemarken noch nicht abgelaufen. Der zwischenzeitliche Ablauf dieser Frist kann in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden. Dass die Klägerinnen keinen ernsthaften Benutzungswillen haben, hat die Beklagte nicht nachgewiesen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.11.2000 - I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 245 = WRP 2001, 160 - Classe E). Insbesondere ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerinnen Pläne, ihre Geschäftstätigkeit nach Europa auszudehnen, endgültig aufgegeben haben. Soweit die Revision dies in Frage stellt, ersetzt sie lediglich die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene.
52
C. Das Urteil des Berufungsgerichts ist danach im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dagegen hat die Abweisung der Widerklage Bestand.
v. Ungern-Sternberg Pokrant Schaffert
Kirchhoff Bergmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.01.2004 - 312 O 360/02 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.01.2005 - 5 U 36/04 u. 5 U 152/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 42/04 Verkündet am:
24. Mai 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Staatsgeschenk

a) Ein Eingriff in das urheberrechtliche Verbreitungsrecht aus § 17 Abs. 1 UrhG
ist nicht gegeben, wenn bei einer öffentlichen Veranstaltung das Original
oder ein Vervielfältigungsstück des geschützten Werkes nur symbolisch
übergeben wird.

b) Wird bei einer öffentlichen Veranstaltung, bei der keine urheberrechtliche
Nutzungshandlung stattfindet, auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk der
bildenden Kunst (hier: ein ohne Zustimmung des Eigentümers auf Segmenten
der Berliner Mauer angebrachtes Gemälde) in besonderer Weise hingewiesen
, hat der Urheber jedenfalls dann keinen Anspruch auf Benennung
nach § 13 UrhG, wenn er sich selbst zuvor nicht zu seinem Werk bekannt
hat (etwa durch Anbringung einer Urheberbezeichnung).
BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - I ZR 42/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. März 2007 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 12. Dezember 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger, ein bildender Künstler, bemalte im Jahre 1995 drei zusammenhängende Elemente der Berliner Mauer am Leipziger Platz in Berlin-Mitte. Sein Werk betitelte er mit "Ost-West-Dialog". Eine Signierung nahm er nicht vor. Das Grundstück, mit dem die Mauerstücke fest verbunden waren, stand im Eigentum des Landes Berlin; dieses hatte der Bemalung nicht zugestimmt.
2
Am 12. Juli 2001 fand auf dem Leipziger Platz ein Festakt statt, in dessen Verlauf das Land Berlin die vom Kläger bemalten Mauersegmente dem Deutschen Bundestag schenkte. Dessen Präsident schenkte die Mauerelemen- te der UNO, deren Generalsekretär Annan bei dem Festakt anwesend war. Der jeweilige Übergabeakt erfolgte an diesem Tag nur symbolisch. Die Mauerelemente blieben zunächst an Ort und Stelle. Übergeben wurden sie der UNO am 4. April 2002 in New York im Park der Vereinten Nationen. An den Mauersegmenten ist eine 55 cm x 55 cm große Tafel montiert, die über die Geschichte der Berliner Mauer unterrichtet und mit der Angabe schließt: "This graffito was created after the fall of the Wall. Artist: K. ".
3
Der Kläger hat die Beklagte, die Bundesrepublik Deutschland, auf Schadensersatz wegen Verletzung seines urheberrechtlichen Verbreitungsrechts und seines Rechts auf Urheberbenennung in Anspruch genommen. Er hat geltend gemacht, die Beklagte habe die Mauerelemente ohne seine Zustimmung im Wege der Veräußerung erstmals in den Verkehr gebracht. Sein Recht auf Urheberbenennung sei sowohl bei dem Festakt am 12. Juli 2001 als auch bei der Übergabe am 4. April 2002 in New York verletzt worden. Auf der Tafel, die an den Mauerelementen angebracht worden sei, werde nicht ausreichend auf ihn als Künstler hingewiesen.
4
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen in der Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellten Geldbetrag, mindestens jedoch 170.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 31. Mai 2002 zu zahlen.
5
Die Beklagte hat vorgetragen, es habe sich bei dem Mauerbild um aufgedrängte Kunst gehandelt. Jedenfalls habe der Kläger der Verbreitung durch sein Verhalten zugestimmt. Mit einem Mitarbeiter der Verwaltung des Deut- schen Bundestags habe der Kläger den Text der an den Mauerelementen angebrachten Tafel erörtert und keine weitergehenden Wünsche zu seiner Benennung geäußert.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
7
Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
8
Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
10
Ein Anspruch gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 17 UrhG wegen Eingriffs in das Verbreitungsrecht des Klägers als Urheber sei nicht gegeben. Die Bemalung der Mauersegmente durch den Kläger weise zwar Werkqualität i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG auf. Das sich aus § 17 Abs. 1 UrhG ergebende Verbreitungsrecht des Klägers sei aber bereits durch das Anbringen des Werkes auf den Mauerstücken untergegangen. Vorliegend sei im Jahre 1995 ein Teilstück der inneren Mauer bemalt worden, von der damals bekannt gewesen sei, dass sie Bauplanungen im Wege gestanden habe. Ferner sei bekannt gewesen , dass bemalte und unbemalte Mauerstücke in segmentierter Form verkehrsfähig gewesen seien. Bei dem Bild des Klägers auf den Mauersegmenten habe es sich danach um aufgedrängte Kunst gehandelt. Ein solcher Gegen- stand, der auch ohne das mit ihm untrennbar verbundene aufgedrängte Kunstwerk gut verwertbar sei, dürfe grundsätzlich weiterveräußert werden, da der Eigentümer sonst in unerträglicher Weise in seinem grundrechtlich geschützten Recht, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, beschränkt würde. Der Umstand , dass die Veräußerbarkeit durch die Bemalung gefördert worden sei, zwinge nicht dazu, den Beteiligungsgrundsatz zugunsten des Urhebers anzuwenden. Das Verbreitungsrecht des Klägers sei am 4. April 2002 erschöpft gewesen.
11
Ein Anspruch des Klägers aus § 97 Abs. 1 UrhG sei auch deshalb ausgeschlossen , weil er vor und nach dem 4. April 2002 deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er mit der Verfahrensweise der Beklagten einverstanden gewesen sei und dieser damit konkludent zugestimmt habe.
12
Ein Anspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG i.V. mit § 13 UrhG bestehe ebenfalls nicht. Dass der Kläger bei der Präsentation am 12. Juli 2001 nicht genannt worden sei, verletze seine Urheberrechte nicht. Er habe sein Werk nicht signiert und nicht zu erkennen gegeben, dass er bei der Präsentation an diesem Tag genannt werden wollte. Der Kläger habe sein Recht zu bestimmen, wie er auf den in New York aufgestellten Mauerelementen benannt werde, nicht ausgeübt; er habe nur zu erkennen gegeben, dass ihm die Angaben auf der angebrachten Tafel nicht genügten.
13
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
14
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Streitfall eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist. Die unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt entweder aus Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-VO oder EuGVVO) oder aus § 18 ZPO. Die Beklagte, die im vorliegenden Rechtsstreit durch den Deutschen Bundestag vertreten wird, hat ihren Sitz i.S. von Art. 60 Abs. 1 Brüssel-I-VO in Berlin. Dort ist auch der Sitz der Behörde , die die Beklagte i.S. von § 18 ZPO vertritt.
15
2. Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche des Klägers nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG wegen Verletzung seines Rechts auf Urheberbenennung (§ 13 UrhG) und seines Verbreitungsrechts (§ 17 UrhG) im Ergebnis zu Recht verneint.
16
a) Gegenstand des Rechtsstreits sind nur behauptete Verletzungen urheberrechtlicher Nutzungsrechte, die dem Kläger im Inland zustehen.
17
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGHZ 166, 253, 259 - Markenparfümverkäufe, m.w.N.). Geht der Kläger aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (BGH, Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. = WRP 2001, 804 - Telefonkarte).
18
Dem Urheber steht an seinem Werk - auch aus der Sicht der zu seinem Schutz geschlossenen internationalen Abkommen - kein einheitliches Schutz- recht zu, sondern ein Bündel nationaler Schutzrechte (BGHZ 152, 317, 322 - Sender Felsberg). Deshalb wäre es Sache des Klägers gewesen, in den Tatsacheninstanzen klarzustellen, dass er das Schadensersatzbegehren auch auf im Ausland bestehende urheberrechtliche Nutzungsrechte stützt (BGH, Urt. v. 8.7.2004 - I ZR 25/02, GRUR 2004, 855, 856 = WRP 2004, 1293 - Hundefigur). Das ist nicht geschehen.
19
bb) Der Kläger hat in der Klage zwar auch Vorgänge vorgetragen, die sich nicht in Deutschland, sondern in New York ereignet haben. Daraus folgt aber nicht, dass er auch im Ausland bestehende Schutzrechte zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht hat. Sein Schadensersatzbegehren hat der Kläger vielmehr ausschließlich aus der Verletzung des im Inland bestehenden Urheberrechts hergeleitet. Auch die Vorinstanzen haben nur über die Frage der Verletzung von Rechten aus deutschem Urheberrecht entschieden, ohne dass der Kläger dies beanstandet hätte.
20
b) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass sich die Ansprüche des Klägers nach deutschem Urheberrecht richten.
21
aa) Die Frage, welches nationale Urheberrecht anzuwenden ist, beurteilt sich nach dem deutschen internationalen Privatrecht. Dessen richtige Anwendung ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (BGHZ 136, 380, 386 - Spielbankaffaire). Eine Rechtswahl des Verletzten oder eine Vereinbarung über das anzuwendende Recht ist, anders als es das Berufungsgericht angenommen hat, nicht zulässig. Die Rechtsordnung, welche die Schutzwirkung des Immaterialgüterrechts bestimmt, ist der Disposition der Parteien entzogen (BGHZ 118, 394, 397 f. - ALF; 136, 380, 386 - Spielbankaffaire). Daran hat sich durch die Neufassung der Kollisionsnorm des Art. 42 EGBGB durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldver- hältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999 (BGBl. I S. 1026) nichts geändert (Schricker/Katzenberger, Urheberrecht, 3. Aufl., Vor §§ 120 ff. UrhG Rdn. 134; Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, Vor §§ 120 ff. Rdn. 28; Kotthoff in HK-UrhR § 120 ff. Rdn. 7; Möhring/Nicolini/Hartmann, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rdn. 19; Sack, WRP 2000, 269, 284; Staudinger/ Fezer/Koos, IntWirtschR (2006) Rdn. 875; zu Art. 40 EGBGB vgl. auch: BGHZ 152, 317, 322 - Sender Felsberg; a.A. Loewenheim/Walter, Handbuch des Urheberrechts , § 58 Rdn. 25; Wandtke/Bullinger/v. Welser, Urheberrecht, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. UrhG Rdn. 14). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz lässt die allgemeine Geltung des Schutzlandprinzips, die eine ausdrückliche Regelung entbehrlich machte, keinen Raum für eine vorrangige Anknüpfung etwa an das von den Beteiligten gewählte Recht (BT-Drucks. 14/343, S. 10). Die Senatsrechtsprechung steht im Übrigen auch im Einklang mit dem Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("ROM II") vom 21. Februar 2006 (vgl. dort Art. 9).
22
bb) Nach der Senatsrechtsprechung zum deutschen internationalen Privatrecht ist die Frage, ob Ansprüche im Falle der Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte bestehen, grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlandes, d.h. nach dem Recht desjenigen Staates zu beurteilen, für dessen Gebiet der Immaterialgüterschutz in Anspruch genommen wird (BGHZ 152, 317, 321 - Sender Felsberg; 155, 257, 261 - Sendeformat; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. UrhG Rdn. 124 ff.; Dreier in Dreier/Schulze aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 28; Obergfell, IPRax 2005, 9, 10 ff.; Buchner, GRUR Int. 2005, 1004, 1005). Danach ist im Streitfall deutsches Urheberrecht anwendbar, weil Gegenstand der Klage nur die Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist, die dem Kläger im Inland zustehen.
23
c) Der Kläger, der ausländischer (iranischer) Staatsangehöriger ist, kann urheberrechtlichen Schutz gemäß § 121 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG in Anspruch nehmen. Nach diesen Vorschriften genießen ausländische Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz für Werke der bildenden Kunst, die mit einem Grundstück im Geltungsbereich dieses Gesetzes fest verbunden sind. Diese Voraussetzungen erfüllte das vom Kläger auf den Mauerelementen am Leipziger Platz in Berlin-Mitte geschaffene Bild.
24
d) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis jedoch zu Recht angenommen, dass dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 17 UrhG wegen Verletzung des Verbreitungsrechts nicht zusteht.
25
aa) Bei dem vom Kläger auf den Mauerelementen angebrachten Bild handelt es sich, wovon auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, um ein urheberrechtsschutzfähiges Werk der bildenden Kunst i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG.
26
bb) Die Beklagte hat das Verbreitungsrecht des Klägers jedoch nicht verletzt. Sie hat die Mauersegmente nicht im Inland der Öffentlichkeit angeboten oder in den Verkehr gebracht.
27
(1) Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft , ABl. EG Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10 (Informationsgesellschafts -Richtlinie), sehen die Mitgliedstaaten vor, dass Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 17 UrhG, durch die Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts -Richtlinie umgesetzt wird, steht dem Urheber das ausschließliche Recht zu, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Von einem Inverkehrbringen ist regelmäßig auszugehen, wenn das Original aus der internen Betriebssphäre durch Überlassung des Eigentums oder des Besitzes der Öffentlichkeit zugeführt wird (BGH, Beschl. v. 5.10.2006 - I ZR 247/03, GRUR 2007, 50 Tz. 14 = WRP 2007, 86 - Le Corbusier-Möbel). Der Bezug zur Öffentlichkeit in § 17 Abs. 1 UrhG hat den Zweck, die bloße private Weitergabe an Dritte, mit denen eine persönliche Beziehung besteht, vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers auszunehmen (BGH, Urt. v. 10.5.1984 - I ZR 85/82, GRUR 1985, 129, 130 - Elektrodenfabrik; BGHZ 113, 159, 161 - Einzelangebot). Auch rein konzerninterne Warenbewegungen und die Weitergabe zum Vertrieb an ein konzernangehöriges Unternehmen stellen noch kein Inverkehrbringen dar (BGH, Urt. v. 20.2.1986 - I ZR 153/83, GRUR 1986, 668, 669 f. - Gebührendifferenz IV).
28
(2) Während des Festaktes am 12. Juli 2001 wurden die vom Kläger bemalten Mauersegmente nicht in den Verkehr gebracht, weil die Schenkungen vom Land Berlin an den Deutschen Bundestag und von diesem an die UNO nur symbolisch vorgenommen wurden; eine Übergabe an die UNO erfolgte an diesem Tag nicht.
29
Das Werkstück wurde auch nicht der Öffentlichkeit i.S. von § 17 Abs. 1 UrhG angeboten, weil es im Rahmen des Festaktes nur der Öffentlichkeit gezeigt und damit keine Aufforderung zum Eigentums- oder Besitzerwerb gegenüber der Öffentlichkeit verbunden war. Das bloße Zurschaustellen des Werkes im Rahmen des Festaktes war keine Weiterverbreitung des Werkstücks.
30
Die zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt nach dem Festakt vom 12. Juli 2001 erfolgte Übergabe der Mauersegmente durch das Land Berlin an die Beklagte und der Transport der Mauerbilder außer Landes stellen sich ebenfalls nicht als Inverkehrbringen i.S. von § 17 Abs. 1 UrhG dar. Dadurch wurde das Werkstück, das Gegenstand des Staatsgeschenks an die UNO war, nicht der Öffentlichkeit zugeführt, sondern blieb im Besitz der öffentlichen Hand.
31
cc) Ob die Beklagte mit der Übergabe der Mauersegmente am 4. April 2002 an die UNO in New York im Park der Vereinten Nationen in ein urheberrechtliches Nutzungsrecht des Klägers eingegriffen hat, kann offenbleiben. Dadurch ist das deutsche Urheberrecht nicht verletzt worden. Nach dem auch im Urheberrecht geltenden Territorialitätsprinzip kann ein inländisches Urheberrecht grundsätzlich nur durch eine zumindest teilweise im Inland begangene Handlung verletzt werden (BGHZ 126, 252, 256, 258 - Folgerecht bei Auslandsbezug ; 152, 317, 326 f. - Sender Felsberg; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. UrhG Rdn. 123; Möhring/Nicolini/Lütje aaO § 97 Rdn. 275).
32
e) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 13 UrhG verneint hat. Die Beklagte hat das Recht des Klägers auf Urheberbenennung nach § 13 UrhG nicht verletzt.
33
aa) Nach § 13 Satz 1 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk; weiterhin steht ihm das Bestimmungsrecht zu, ob das Werk mit seiner Urheberbezeichnung zu versehen ist und welche Bezeichnung zu verwenden ist (§ 13 Satz 2 UrhG).
34
Bei einem Werk der bildenden Kunst erfolgt die Urheberbezeichnung in erster Linie mit der Signierung des Werkes (Loewenheim/Dietz aaO § 16 Rdn. 72). Von dieser Möglichkeit hat der Kläger entsprechend den Gepflogenheiten bei Graffiti keinen Gebrauch gemacht. Damit hat er zwar nicht auf sein Urheberbenennungsrecht verzichtet (Schricker/Dietz aaO § 13 UrhG Rdn. 14); dem Kläger stand weiterhin das Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung an seinem Werk zu. Dieses Recht des Klägers hat die Beklagte aber nicht verletzt. Sie hat eine Signierung des Werkes oder die Anbringung eines Hinweises auf den Kläger als Urheber des Bildes während des Zeitraums, in dem sich die Mauersegmente im Inland und damit im Geltungsbereich des deutschen Urheberrechts befanden, nicht verhindert.
35
bb) Entgegen der Ansicht der Revision hatte der Kläger auch keinen Anspruch , bei dem Festakt am 12. Juli 2001 namentlich genannt zu werden. Aus § 13 Satz 1 UrhG kann sich allerdings ein Anspruch des Urhebers ergeben, bei Ankündigungen und Drucksachen, mit denen für sein Werk geworben wird, als Urheber benannt zu werden (vgl. zum früheren Recht hinsichtlich der Ankündigung eines Films: BGH, Urt. v. 19.10.1962 - I ZR 174/60, GRUR 1963, 40, 43 - Straßen - gestern und morgen; vgl. weiter: Dreyer in HK-UrhR, § 13 Rdn. 4, 7 und 15; Schricker/Dietz aaO § 13 UrhG Rdn. 6 und 8; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 13 Rdn. 3 ff.; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 214). Ob sich aus § 13 Satz 1 UrhG ein allgemeiner Anspruch des Urhebers herleiten lässt, dass sein Name bei einer Werknutzung genannt wird, kann offenbleiben. Mit dem Festakt am 12. Juli 2001 auf dem Leipziger Platz in Berlin-Mitte war keine Nutzung des Werkes verbunden, die unter ein urheberrechtliches Verwertungsrecht fiel. Unter diesen Umständen begründete die Präsentation der vom Kläger bemalten Mauersegmente auf dieser Veranstaltung jedenfalls deshalb keinen Anspruch des Klägers auf Benennung als Urheber, weil er sich selbst nicht zu seinem Werk, das er ohne Zustimmung des Landes Berlin als Eigentümer auf den Mauersegmenten angebracht hatte, bekannt hatte (etwa durch Signieren).
Die Beklagte traf auch keine Rechtspflicht, sich bei dem Kläger vor der Veranstaltung zu erkundigen, ob er als Urheber benannt werden wollte.
36
cc) Ob die Beklagte bei der Aufstellung der Mauerelemente im Park der Vereinten Nationen am 4. April 2002 das Recht des Klägers auf Urheberbenennung verletzt hat und ob sie mit der an den Mauersegmenten angebrachten Tafel der erforderlichen Bezeichnung des Klägers als Urheber im notwendigen Umfang nachgekommen ist, kann dahinstehen. Diese nicht im Inland begangenen Handlungen können das deutsche Urheberrecht des Klägers nicht verletzen (dazu Abschn. II 2 d cc).
37
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
v.Ungern-Sternberg Büscher Schaffert
Kirchhoff Bergmann
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 17.06.2003 - 16 O 723/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 12.12.2003 - 5 U 219/03 -

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,
2.
ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder
3.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse gemäß dem in der Nizza-Klassifikation festgelegten Klassifikationssystem erscheinen. Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als unähnlich angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so ist es insbesondere untersagt,

1.
das Zeichen auf Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen,
2.
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
3.
unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen,
4.
unter dem Zeichen Waren einzuführen oder auszuführen,
5.
das Zeichen als Handelsnamen oder geschäftliche Bezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer geschäftlichen Bezeichnung zu benutzen,
6.
das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen,
7.
das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21) zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.

(4) Dritten ist es ferner untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen auf Aufmachungen oder Verpackungen oder auf Kennzeichnungsmitteln wie Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder dergleichen anzubringen,
2.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder
3.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, einzuführen oder auszuführen,
wenn die Gefahr besteht, daß die Aufmachungen oder Verpackungen zur Aufmachung oder Verpackung oder die Kennzeichnungsmittel zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, hinsichtlich deren Dritten die Benutzung des Zeichens nach den Absätzen 2 und 3 untersagt wäre.

(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(6) Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte.

(7) Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht bestehe.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.