Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2010 - III ZR 243/09

bei uns veröffentlicht am17.06.2010
vorgehend
Landgericht Landshut, 21 O 2002/08, 07.11.2008
Oberlandesgericht München, 20 U 5525/08, 19.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 243/09 Verkündet am:
17. Juni 2010
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juni 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. August 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres nunmehrigen Ehemanns , des Zeugen L. , Ansprüche auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung gegen den Beklagten geltend.
2
Der Zeuge L. beauftragte am 13. Juni 2000 auf Vorschlag des Beklagten die Treuhandkommanditistin P. mit dem Erwerb einer Beteiligung an dem F. Fonds , die von dieser treuhänderisch gehalten wurde. Die Kommanditeinlage belief sich auf 40.000 DM. Diesen Betrag nebst 5 % Agio finanzierte der Zeuge L. mittels eines Darlehens bei der B. - Bank mit einem Auszahlungsbetrag von 42.000 DM und einer insgesamt bestehenden Gesamtbelastung in Höhe von 73.482,47 DM. Die monatlichen Raten beliefen sich auf 334,44 DM; am 30. Mai 2010 war eine letzte Rate von 33.684,11 DM zu zahlen. Zur Sicherheit trat der Zeuge seine Ansprüche auf Zahlung von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen an die Bank ab. Nachdem zunächst die prognostizierten Ausschüttungen durch den Fonds erfolgten, wurde dem Zeugen L. mit Schreiben vom 22. Juli 2004 mitgeteilt, dass die Ausschüttungen des Fonds von sieben auf fünf vom Hundert reduziert werden müssten, um die Substanz nicht aufzuzehren. Inzwischen ist der Fonds notleidend.
3
anwaltlichem Mit Schreiben vom 31. Dezember 2007 beantragte der Zeuge L. bei einer staatlich anerkannten Gütestelle die Einleitung eines Güteverfahrens gegen den Beklagten. Mit Schreiben vom 27. Mai 2008 teilte diese mit, dass das Güteverfahren gescheitert sei.
4
Mit der bei Gericht am 29. Juli 2008 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin die ihr abgetretenen Ansprüche wegen einer fehlerhaften Anlageberatung gegen den Beklagten. Sie macht geltend, der Zeuge L. habe ihr bereits am 9. Juli 2008 die streitgegenständlichen Ansprüche abgetreten. Der Zeuge sei vom Beklagten falsch beraten worden.
5
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsantrags vollständig stattgegeben.
6
Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolgreich gewesen.
7
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


8
Die Revision hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.


9
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es eventuelle Ansprüche der Klägerin als verjährt angesehen hat. Das Berufungsgericht hat sich nicht die Überzeugung davon bilden können, dass bereits im Juli 2008 die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche durch den Zeugen L. an die Klägerin erfolgt sei. Der entsprechende Beweis sei nicht geführt worden. Der Zeuge habe sich vorgestellt, dass die Schadensersatzbeträge ihm zufließen würden, was mit der Vereinbarung einer Abtretung nicht in Übereinstimmung zu bringen sei. Das Bewusstsein oder den Willen, irgendwelche die Ansprüche des Zeugen tangierende Erklärungen abzugeben, hätten jedoch weder der Zeuge noch die Klägerin gehabt; dies lasse sich insbesondere auch nicht daraus entnehmen, dass die Parteien beabsichtigt hätten, dass der Zedent dann als Zeuge im Verfahren zur Verfügung stehe. Ebenfalls sei eine Einziehungsermächtigung nicht vereinbart worden. Die unstreitig erklärte nochmalige Abtretung vom Juni 2009 habe die Verjährungsfrist nicht unterbrechen können. Der Zeuge L. habe nach Überzeugung des Berufungsgerichts spätes- tens im Juli 2004 von der fehlerhaften Anlageberatung des Beklagten Kenntnis gehabt. Die Verjährungsfrist sei unter Berücksichtigung des vom Zeugen am 31. Dezember 2007 beantragten und die Verjährung hemmenden Güteverfahrens am 27. November 2008 abgelaufen. Die Klageerhebung im August 2008 habe gleichwohl nicht zur Hemmung der Verjährung geführt, weil die Klägerin zu dem Zeitpunkt noch nicht Anspruchsinhaberin gewesen sei und die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche an sie erst im Juni 2009 und damit in rechtsverjährter Zeit erfolgt sei.

II.


10
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Derzeit können Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht ausgeschlossen werden. Ausgehend von den aufgrund der Beweisaufnahme festgestellten Umständen hält die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei am 9. Juli 2008 nicht zu einer Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche seitens des Zeugen L. an die Klägerin gekommen, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Deshalb greift die Verjährungseinrede des Beklagten nicht durch.
11
1. Zwar sind die Auslegung individualvertraglicher Erklärungen und die Beantwortung der Frage, ob eine Willenserklärung vorliegt, dem Tatrichter vorbehalten. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist jedoch für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn sie gesetzlich oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , Denkgesetze und Erfahrungssätze verletzt (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05 - NJW 2006, 3777 Rn. 13). Der Senat kann die erforderliche Auslegung der Erklärung der Parteien selbst vornehmen, wenn - wie hier - keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind (Senatsurteil aaO Rn. 12).
12
a) Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts sind die Erklärungen der Klägerin und des Zeugen L. am 9. Juli 2008 als Willenserklärungen aufzufassen.
13
Das Berufungsgericht meint, daran fehle es, weil die Klägerin und der Zedent sich nicht darüber im Klaren gewesen seien, was sie erklärten. Es sei lediglich eine auf die tatsächlichen Geschehensabläufe bezogene Willensübereinstimmung festzustellen, die angesichts der Tatsache, dass beiden Beteiligten weder der Begriff der "Abtretung" noch seine Bedeutung bekannt gewesen seien, nicht die Annahme rechtfertige, eine konkludente Abtretung sei vereinbart worden.
14
Das Berufungsgericht berücksichtigt dabei rechtsfehlerhaft nicht, dass für die Frage, ob eine Willenserklärung vorliegt, nicht auf das Erklärungsbewusstsein , den Rechtsbindungs- und Geschäftswillen des Erklärenden abzustellen ist, sondern allein darauf, ob der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. BGHZ 109, 171, 177 m.w.N.). Für die Frage, ob die Klägerin und der Zeuge L. Willenserklärungen abgegeben haben, kommt es deswegen entscheidend auf den objektiven Tatbestand einer Willenserklärung an.
15
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist ohne weiteres aufgrund der Feststellung des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die Klägerin und der Zeuge L. objektiv eine Willensübereinstimmung erreicht haben. Gegenstand ihrer Gespräche war, dass die Klage, wie vom Anwalt vorgeschlagen , eingereicht werden sollte. Dieser hatte die Zusage der Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung für die beabsichtigte Klage für den Fall der Abtretung der Forderung an die Klägerin mitgeteilt. Die Verabredung der Klägerin und des Zeugen L. , auf dieser Grundlage dem Anwalt die Zustimmung zur Klageerhebung in der vorgeschlagenen Form zu erteilen, beinhaltet vom objektiven Erklärungswert daher die Übereinstimmung, dass als Voraussetzung für die Klageerhebung die Forderung an die Klägerin abgetreten und dies dem Anwalt mitgeteilt werden sollte. Die Klägerin und der Zeuge L. haben die wechselseitigen Erklärungen nach obj ektiven Kriterien als Willenserklärungen auffassen dürfen und auch tatsächlich aufgefasst. Nach ihrer Vorstellung war die Entscheidung über die Klageerhebung getroffen und damit eine Rechtsfolge beabsichtigt. Damit war zugleich der Wille zur Abtretung der Forderung - objektiv - kundgetan, weil die Abtretung notwendig war, um die Klageerhebung in der vom Anwalt beabsichtigten Weise zu legitimieren. Sie war sowohl in der E-Mail des Anwalts als auch in dem Entwurf der Klageschrift ausdrücklich erwähnt. Der Inhalt der Mail und der Entwurf waren zum Gegenstand des Gesprächs zwischen der Klägerin und dem Zeugen gemacht worden. Die entgegenstehende Auffassung des Berufungsgerichts überspannt die Anforderung an den Erklärungstatbestand einer konkludenten Abtretung.
16
Eventuell vorliegende Willensmängel bei einem der Erklärenden, weil etwa die Bedeutung der Abtretung nicht richtig erfasst sein sollte, begründen allenfalls die Grundlage für eine Anfechtung der abgegebenen Erklärung, stehen jedoch der Abgabe der Willenserklärung als solcher nicht entgegen.

17
b) Die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen durch das Berufungsgericht hält einer rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Das Berufungsgericht hat hier wesentliche Auslegungsgrundsätze nicht beachtet. Zu diesen vom Tatrichter zu beachtenden Grundsätzen gehört auch, dass die Auslegung interessengerecht zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - NJW 2000, 2099) und auch der mit der Erklärung verfolgte Zweck mit einzubeziehen ist (vgl. BGHZ 20, 109, 110).
18
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Zeuge L. sich über den Begriff der Abtretung bei seiner Erklärung nicht im Klaren gewesen sei und er die Vorstellung gehabt habe, dass er Forderungsinhaber bleibe. Daraus schließt das Berufungsgericht, dass ein Wille, eine Abtretung zu erklären, nicht vorgelegen habe. Dabei lässt das Berufungsgericht jedoch außer acht, dass der Zeuge L. ausdrücklich erklärt hat, sein Wille sei darauf gerichtet gewesen, die Klage in der vom Anwalt gewünschten Weise zu erheben. Die dafür erforderlichen Erklärungen sollten abgegeben werden. Auch wenn er sich vorgestellt hat, dass seine Forderungsinhaberschaft dadurch nicht berührt werde, so hat dies gleichwohl nicht die Bedeutung, dass er einen vom vorgeschlagenen Weg des Anwalts abweichenden einschlagen wollte. Im Vordergrund stand vielmehr die Klageerhebung wie vom Anwalt vorgeschlagen und nicht die Vorstellung, er bleibe Forderungsinhaber. Das Berufungsgericht hat insoweit auch selbst festgestellt, dass der Zeuge L. sich über die rechtlichen Einzelheiten nicht im Klaren war. Einen dezidierten Willen, in Abweichung von dem vorgeschlagenen Weg des Anwalts eine Erklärung abzugeben, hatte er nicht. Vielmehr stand nach dem Zweck des Geschäfts im Vordergrund, dass die notwendigen Erklärungen abgegeben werden, damit die Klage in der vorgeschlagenen Weise erhoben werden konnte.

19
Hinzu tritt, dass das Berufungsgericht bei seiner Auslegung auch die Interessen der Parteien nicht hinreichend berücksichtigt hat. Es hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob hier eine Inkassozession gewollt war. Der Wunsch des Zeugen L. , Berechtigter der Forderung zu bleiben, war bei einer Inkassozession jedenfalls wirtschaftlich unschwer zu verwirklichen. Dabei wird zwar der Zessionar Inhaber der Forderung, er ist jedoch im Innenverhältnis etwa durch ein Auftragsverhältnis oder durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag zur Auskehrung der vereinnahmten Beträge an den Zedenten verpflichtet.
20
c) Einer konkludenten Abtretungserklärung zwischen der Klägerin und dem Zeugen L. könnte allenfalls entgegenstehen, wenn die Parteien nach den Grundsätzen der falsa demonstratio non nocet gemeinsam andere Vorstellungen vom Inhalt ihrer Erklärungen hatten, als der objektive Erklärungswert beinhaltete. Haben die Parteien eines Vertrags eine Willenserklärung übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, ist für den Inhalt der Erklärung dieser übereinstimmende Wille, nicht jedoch ihr Wortlaut maßgebend. Dabei ist nicht erforderlich, dass sich der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden zu Eigen macht. Es genügt vielmehr, dass er ihn erkennt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abschließt (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1992 - V ZR 122/91 - NJW-RR 1993, 373 m.w.N.; Urteil vom 7. Dezember 2001 - V ZR 75/01 - NJW 2002, 1038). Voraussetzung wäre hier, dass die Klägerin und der Zeuge L. einig gewesen sein müssten, dass der Zeuge Forderungsinhaber bleiben sollte und trotz entgegenstehenden objektiven Erklärungsinhalts keine Abtretung vereinbart werden sollte, weil die Klägerin einen entsprechenden Willen des Zeugen erkannt hat und in Kenntnis dessen ihr Einverständnis erklärt hat. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht insoweit lediglich festgestellt, dass die Klägerin den Wünschen ihres späteren Ehemanns genügen wollte, der selbst Forderungsinhaber habe bleiben wollen. Damit ist aber nicht gesagt, dass sie auch erkannt hat, dass der Zeuge einen anderen Geschäftswillen gehabt hätte, als er diesen erklärt hat. Für die Klägerin war allein der Wille des Zeugen L. erkennbar, die Klage in der vom Anwalt beschriebenen Form zu erheben und dass die dafür erforderlichen Erklärungen abgegeben werden sollten. Wenn die Klägerin - persönlich befragt - in der mündlichen Verhandlung hierauf erklärt hat, dass sie den Willen hatte, die Dinge im Sinne der Wünsche des Zeugen L. zu regeln, kann sich dies nur auf den objektiven Erklärungsinhalt bezogen haben , da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass ihr abweichende Vorstellungen vom Inhalt einer Abtretung seitens des Zeugen L. bekannt waren oder auch nur hätten erkennbar sein können. Vielmehr spricht das weitere Vorgehen der Klägerin und des Zeugen L. dafür, dass sie den Wunsch hatte, eine Abtretung in der üblichen Form durchzuführen und dies auch für den Willen des Zeugen L. gehalten hat. Die von ihr erhobene Klage, für die sie dem Rechtsanwalt Klagevollmacht erteilt hat, war hinsichtlich des Zahlungsantrags auf Leistung an sie gerichtet und nicht auf Zahlung an den Zeugen L. .
21
d) Ohne Erfolg bleibt die Gegenrüge des Beklagten. Entgegen seiner Auffassung ist die Abtretung zwischen der Klägerin und dem Zeugen L. nicht unbestimmt, weil nicht erkennbar gewesen sei, welche Ansprüche hätten abgetreten werden sollen. Gegenstand des Gesprächs zwischen der Klägerin und dem Zeugen war die Klageerhebung in der tatsächlich dann später erfolgten Form. Damit waren die abzutretenden Ansprüche, die hier streitgegenständlichen , hinreichend bestimmt.
22
Nach allem ist aufgrund der im Übrigen festgestellten Tatsachen des Berufungsgerichts über den Ablauf der Gespräche am 9. Juli 2008 festzustellen, dass die Parteien eine Abtretung der streitgegenständlichen Forderung an die Klägerin wirksam vereinbart haben.
23
2. Damit ist dem Berufungsurteil die Grundlage für die Klageabweisung entzogen, da selbst unter Zugrundelegung des vom Berufungsgericht angenommenen Beginns der Verjährungsfrist die Klage in nicht rechtsverjährter Zeit erhoben wurde und der Anspruch nicht verjährt ist. Es kann deshalb insoweit dahinstehen, ob die Annahme des Berufungsgerichts richtig ist, beim Zeugen L. hätte spätestens seit dem Zugang des Schreibens vom 22. Juli 2004 zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis vom hier streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bestanden. Der Senat hat insoweit Bedenken, allein aufgrund der Mitteilung über eine Reduzierung der Ausschützung von sieben auf fünf von Hundert eine zumindest grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich des Risikos des Totalverlusts der Einlage und eines daraus gegebenenfalls folgenden Schadensersatzanspruchs anzunehmen. Zwar spielte die Ausschüttung für den Zeugen L. eine erhebliche Rolle, da die Anlagesumme fremdfinanziert war und die Ausschüttungsbeträge erforderlich waren, um die Darlehenszinsen zu begleichen. In dem Augenblick , in dem die Ausschüttung zurückging, war für ihn deshalb erkennbar, dass der wirtschaftliche Erfolg der Anlage nicht in einer Weise eintrat, wie der Beklagte dies - nach der Darstellung der Klägerin - versprochen hatte. Gleichwohl ergibt sich daraus nicht zwangsläufig die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis, dass damit im Gegensatz zu den behaupteten Ausführungen des Beklagten ein Totalverlust der Anlage zu erwarten sei und deshalb Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen eines Beratungsfehlers unter diesem Gesichtspunkt in Betracht kämen. Zwar hängen die Höhe der Ausschüt- tung und die Frage, ob die Substanz der Anlage angegriffen wird, mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Fonds zusammen, bei dem die Beteiligung gezeichnet wird. Gleichwohl ist der von der Klägerin zugestandene Hinweis des Beklagten auf eine mögliche Änderung der Ausschüttung im Hinblick auf Vermietungserfolge des Immobilienfonds nicht gleichbedeutend damit, dass auch ein Totalverlust eintreten kann. Bei der Bewertung der Anlage ist es für einen Anleger ganz wesentlich, ob er wenigstens seine Einlage zurückbehält und der Kapitalstock erhalten bleibt, auch wenn er möglicherweise keine Zinsen verdient. Dies gilt erst recht, wenn der Anlagebetrag - wie hier - fremdfinanziert wird. Wegen der besonderen Bedeutung der Frage des Kapitalerhalts für den Anleger ist deshalb in einer solchen Situation der Frage eines möglichen Substanzverlusts bis hin zum Totalverlust eine andere rechtliche Qualität beizumessen, als der Frage nach der Höhe der zu erwartenden Rendite.
24
3. Das Berufungsurteil war nach allem aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung über den Schadensersatzanspruch der Klägerin im Übrigen ist dem Senat verwehrt, da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der für die Beurteilung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin maßgebliche Sachverhalt ist bisher nur vom erstinstanzlichen Gericht festgestellt worden und das Berufungsgericht hat noch nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geprüft, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts begründen. Diese Prüfung kann vom Revisionsgericht nicht vorgenommen werden, weil die Ermittlung oder Verneinung konkreter Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung ihrerseits eine neue Tatsachenfeststellung darstellen kann und damit in die Zu- ständigkeit des Tatrichters fällt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2007 - X ZR 101/06 - NJW 2008, 576, 578 Rn. 27).
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 07.11.2008 - 21 O 2002/08 -
OLG München, Entscheidung vom 19.08.2009 - 20 U 5525/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2010 - III ZR 243/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2010 - III ZR 243/09

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung
Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2010 - III ZR 243/09 zitiert 5 §§.

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2010 - III ZR 243/09 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2010 - III ZR 243/09 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Okt. 2007 - X ZR 101/06

bei uns veröffentlicht am 30.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 101/06 Verkündet am: 30. Oktober 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2000 - II ZR 194/98

bei uns veröffentlicht am 03.04.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄ UMNIS-URTEIL II ZR 194/98 Verkündet am: 3. April 2000 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Okt. 2006 - III ZR 166/05

bei uns veröffentlicht am 05.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 166/05 Verkündet am: 5. Oktober 2006 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 133 (B); BG
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2010 - III ZR 243/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juli 2011 - XI ZR 197/10

bei uns veröffentlicht am 26.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 197/10 Verkündet am: 26. Juli 2011 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

13
1. Zwar ist die Auslegung individualvertraglicher Erklärungen im Grundsatz dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist jedoch für das Revisionsgericht nicht bindend , wenn sie gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt (st. Rspr. z.B.: Senatsurteil vom 2. Februar 2006 aaO). Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes sind die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNIS-URTEIL
II ZR 194/98 Verkündet am:
3. April 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Zur Frage

a) der interessengerechten Auslegung eines Individualvertrages,

b) eines wesentlichen Verfahrensmangels.
BGH, Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - Saarländisches OLG
LG Saarbrücken
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 20. November 1997 im Kostenpunkt und in Nr. 1 b, 1 c und 1 d sowie Nr. 2 des Tenors aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts in Saarbrücken vom 17. Februar 1997 wird auch insoweit zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte, Eigentümer des Grundstücks I. ring 1 in B. , führte unter verschiedenen Firmen eine Aluminiumgießerei. Am 15. Juli 1991 schloß er mit der Klägerin eine Vereinbarung, mit der diese sich verpflichtete, die ausdrücklich so bezeichnete "A. & Co." zu
gründen und anzumelden. Festgelegt wurde, daß "eine persönliche Haftung" der Klägerin für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten ausgeschlossen war und die Geschäftsführung bei dem Beklagten "in Zusammenarbeit und Abstimmung mit Herrn L. C. als Vertreter der S. E. C. " liegen sollte. Die Klägerin sollte ein monatliches Entgelt von 2.000,-- DM brutto erhalten. Die Klägerin macht geltend, es seien Verbindlichkeiten in Höhe von 123.919,36 DM und "Treuhandgebühren" in Höhe von 21.817,-- DM entstanden. Das Landgericht hat zunächst ein Versäumnisurteil erlassen, es auf den Einspruch des Beklagten aber aufgehoben und durch "Grundurteil" erkannt, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin von allen Verbindlichkeiten, die durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. begründet wurden, freizustellen (Tenor 2), ferner festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren, aufgrund der bestehenden Verbindlichkeiten anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 3), und den Beklagten außerdem verpflichtet, der Klägerin ein monatliches Entgelt für die Zusammenarbeit zu zahlen (Tenor 4). Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert, es als "Grund- und Teilurteil" bezeichnet (Tenor 1 a), es in Nr. 2 des Tenors dahingehend abgeändert, daß die Klage hinsichtlich der in der mit dem Versäumnisurteil fest verbundenen Anlage genannten Verbindlichkeiten dem Grunde nach gerechtfertigt ist, soweit diese durch die Geschäftstätigkeit der A. & Co. und mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden (Tenor 1 b), Nr. 3 des Tenors dahingehend abgeändert, daß festgestellt wird, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei den unter Nr. 1 b des Tenors genannten Verbindlichkeiten auch die zukünftig anfallenden Kosten zu erstatten (Tenor 1 c), Nr. 4 des Tenors einschließlich des ihm insoweit zugrundeliegenden Verfahrens
aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Tenor 1 d). Im übrigen hat es die Berufung des Beklagten zurückverwiesen. Mit der Revision beantragt die Klägerin , das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es in Nr. 1 b des Tenors die Klage nur insoweit für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt als die Verbindlichkeiten mit Zustimmung des Beklagten begründet wurden, soweit es in Nr. 1 c des Tenors den Feststellungsausspruch in gleicher Weise beschränkt und soweit es in Nr. 1 d des Tenors ein kassotorisches Urteil erlassen hat.

Entscheidungsgründe:

A.

Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).

B.

Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. I. Das Berufungsgericht beschränkt in Nr. 1 b und 1 c s eines Urteilstenors die Haftung des Beklagten auf Verbindlichkeiten, die mit dessen Zustimmung begründet wurden. Dies ergebe die Auslegung der Vereinbarung vom 15. Juli 1991. Schon der Wortlaut dieser Vereinbarung lege nahe, daß die Vereinbarung für ausschließlich durch die Klägerin oder durch C. als deren
Vertreter begründete Verbindlichkeiten keine Geltung beanspruche. Hierfür spreche auch Sinn und Zweck der Abrede. Die Klägerin habe des Schutzes weder vor sich noch vor dem Zeugen C. , der "als Vertreter der S. E. C. " erkennbar ihr Vertrauen genossen habe, bedurft. Umgekehrt gebe es keine Anhaltspunkte dafür, daß und warum sich der Beklagte verpflichtet haben sollte, die Klägerin von allen, auch ohne sein Wissen begründeten Verbindlichkeiten freizustellen und ihr und dem Zeugen C. damit gestattet haben sollte, ohne jedes wirtschaftliche Risiko frei "zu schalten und zu walten". Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. 1. Zutreffend weist die Revision darauf hin, der Beklagte habe nicht substantiiert behauptet, daß der Vater der Klägerin als ihr Vertreter Geschäftsführungsmaßnahmen für das Unternehmen der Klägerin vorgenommen habe, die zu den streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der Klägerin geführt hätten. Soweit der Vater der Klägerin Verbindlichkeiten zu Lasten der Klägerin begründet hat, die in keiner Beziehung zu dem von ihr als Strohfrau geführten Betrieb standen, wären diese von dem Grundurteil des Landgerichts ohnehin nicht erfaßt. 2. Unterstellt man einen substantiierten Vortrag des Beklagten, würde für die von dem Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung des Grundurteils trotzdem kein Anlaß bestehen.
a) Die Auslegung eines Individualvertrages wie der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai
1997 - KZR 43/95, WM 1998, 879, 882; v. 23. April 1998 - III ZR 7/97, WM 1998, 1493, 1494).
b) Diese Prüfung ergibt, daß die Auslegung des Oberlandesgerichts keinen Bestand haben kann. aa) Nach der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 haben die Parteien vereinbart , der Vater der Klägerin werde zur Unterstützung des Beklagten in der Geschäftsführung mitwirken. Die Parteien sind also davon ausgegangen, der Vater der Klägerin könne zur Unterstützung des Beklagten als Vertreter Geschäftsführungsmaßnahmen treffen. Trotzdem hat der Beklagte mit der Klägerin vereinbart, daß sie keinerlei persönliche Haftung aus der Unternehmensgründung und -fortführung treffen sollte, sondern er im Innenverhältnis allein hafte, ohne daß nach dem für den Betrieb Handelnden differenziert wird. Damit hat das Berufungsgericht den Grundsatz verletzt, daß in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwillen zu berücksichtigen ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 27. November 1997 - IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901 m.w.N.). bb) Die von dem Landgericht vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom 15. Juli 1991 entspricht - im Gegensatz zu der von dem Berufungsgericht getroffenen Auslegung - auch dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 137, 69, 72; Sen.Urt. v. 26. Januar 1998 - II ZR 243/96, WM 1998, 714, 715; v. 16. März 1998 - II ZR 323/96, WM 1998, 1131, 1132). Aus der in dem Vertrag enthaltenen Vergütungsregelung sowie aus der Bestimmung, die Geschäftsführung verbleibe wie bisher bei dem Beklagten, folgt, daß der Vater der Klägerin im Interesse des Beklagten bei der Fortfüh-
rung des Betriebes durch die Klägerin tätig werden sollte. Deshalb entsprach es auch dem wohlverstandenen Interesse des Beklagten - und nicht nur dem der Klägerin -, daß der Beklagte die Klägerin von Verbindlichkeiten freizustellen hatte, die der Vater der Klägerin für die Einzelfirma in Zusammenarbeit mit dem Beklagten begründet hat. Soweit der Beklagte durch Maßnahmen des Vaters der Klägerin einen Schaden erlitten haben will, muß er sich an diesen halten. Soweit das Berufungsgericht auf von der Klägerin selber begründete Verbindlichkeiten abstellt, übersieht es, daß es unstreitig ist, daß die Klägerin in keiner Weise für das Unternehmen tätig geworden ist.
c) Da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, kann der erkennende Senat die Vereinbarung vom 15. Juli 1991 selber auslegen und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen. II. Mit Erfolg rügt die Revision weiterhin, daß das Berufungsgericht das Grundurteil des Landgerichts hinsichtlich des geltend gemachten Gehaltsanspruchs aufgehoben und die Sache gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen hat. 1. Die Vorschrift des § 539 ZPO, die eine Ausnahme von der Verpflichtung zu der dem Berufungsgericht in § 537 ZPO aufgegebenen erneuten vollständigen Verhandlung und Entscheidung der Sache enthält, ist eng auszulegen. Deshalb ist anhand eines strengen Maßstabes zu prüfen, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, bevor die Sache zurückverwiesen wird (vgl. etwa BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 m.w.N.). Beurteilt das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders als das Erstgericht , etwa indem es abweichende Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiierungslast stellt, und wird infolgedessen eine Beweisaufnahme erforderlich , liegt kein zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sa-
che berechtigender wesentlicher Verfahrensfehler vor (Sen.Urt. v. 7. Juni 1993 - II ZR 141/92, NJW 1993, 2318, 2319; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - VI ZR 314/95, NJW 1997, 1447 f. m.w.N.). 2. Danach liegt kein Verfahrensfehler vor. Das Berufungsgericht beurteilt allein die Wahrscheinlichkeit des Parteivortrags des Beklagten anders als das Landgericht und meint deshalb, der Beklagte habe als Partei vernommen werden müssen. 3. Der Senat kann auch hier in der Sache selber entscheiden und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urt. v. 31. Januar 1996 - VIII ZR 324/94, WM 1996, 882, 823) kann dem Revisionsgericht schon aus Gründen der Prozeßökonomie eine eigene Sachentscheidung nicht verwehrt sein, wenn die im Rahmen des § 539 ZPO anzustellende Prüfung ergibt, daß die materiell-rechtliche Untersuchung der Beziehungen der Parteien zu einem endgültigen und abschließenden Ergebnis führt.
b) So liegt der Fall hier. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten von Amts wegen nach § 448 ZPO sind nicht gegeben. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Gehaltsabsprache zwischen den Parteien ernst gemeint war. Dies ergibt sich schon im Gegenschluß zu der Vereinbarung eines Pachtzinses, die ausdrücklich als lediglich "pro forma" erfolgt bezeichnet wird. Damit oblag dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin. Hierzu hat der Beklagte substantiiert nichts vorgetragen. Soweit er darlegt, er habe dem Vater der Klägerin immer wieder in die neuen Bundesländer Bargeld bringen müssen,
der Vater der Klägerin habe sich "weidlich bedient", besagt dies über die Erfüllung der Gehaltsforderungen der Klägerin nichts.
Röhricht Hesselberger Goette Kurzwelly Kraemer

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

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§ 563 Abs. 3 ZPO, wonach das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden hat, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach Letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, greift nicht ein, wenn das Sachverhältnis bisher nur vom erstinstanzlichen Gericht festgestellt worden ist und das Berufungsgericht noch nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geprüft hat, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts begründen. Diese Prüfung kann nicht vom Revisionsgericht vorgenommen werden, weil die Ermittlung oder Verneinung konkreter Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ihrerseits eine neue Tatsachenfeststellung darstellen kann und damit in die Zuständigkeit des Tatrichters fällt.