Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2011 - III ZR 59/10

bei uns veröffentlicht am12.05.2011
vorgehend
Landgericht Cottbus, 5 O 72/05, 09.04.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 59/10
Verkündet am:
12. Mai 2011
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (zu B II)
BGHR: ja
AEUV Art. 340; Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 Art.
4 Abs. 1, 2, Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a; BGB § 203 Satz 1, § 204 Abs. 1, § 839 (Fl,
H); DDR: StHG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 3; AO § 164 Abs. 2

a) Zum qualifizierten Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn die
Finanzbehörden einem Unternehmen in der Aufbauphase den Vorsteuerabzug
versagen, da Ausgangsumsätze bis zum Entscheidungszeitpunkt weder erzielt
worden noch überhaupt erzielbar gewesen seien.

b) Die Verjährung eines Amtshaftungs- oder Staatshaftungsanspruchs wegen des
Erlasses eines rechtswidrigen Steuerbescheids beginnt auch dann mit dessen
Bestandskraft, wenn er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.

c) Bemühungen eines Steuerpflichtigen, die Finanzverwaltung zur Anerkennung
seiner Unternehmereigenschaft zu bewegen, können für sich genommen nicht
als Verhandlungen im Sinne des § 203 Satz 1 BGB über einen aus dieser Versagung
folgenden Schadensersatzanspruch angesehen werden, wenn dieses
Begehren nicht thematisiert worden ist.

d) Beantragt der Steuerpflichtige nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO vor Ablauf der
Festsetzungsfrist die Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehenden Steuerbescheids, hat dies für einen auf die Rechtswidrigkeit dieses
Bescheids gestützten Schadensersatzanspruch in jeweils entsprechender Anwendung
von § 209 Abs. 1 BGB a.F. verjährungsunterbrechende beziehungsweise
von § 204 Abs. 1 BGB n.F. verjährungshemmende Wirkung.
BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - III ZR 59/10 - Brandenburgisches OLG
LG Cottbus
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Mai 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. Februar 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin begehrt vom beklagten Land Schadensersatz wegen rechtswidriger Versagung der Anerkennung ihrer umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft durch die Finanzbehörden in der Aufbauphase ihres Unternehmens.
2
Die Klägerin befasste sich nach ihrer Gründung im Jahr 1992 gemäß ihrem Vortrag hauptsächlich mit der Herstellung eines neuen Baustoffs, der unter den Handelsnamen "KeraGlas" und "KeraBims" vertrieben werden sollte.
Die Betriebsstätte sollte auf zwei nebeneinander liegenden Grundstücken in G. errichtet werden, von denen das eine mit Altlasten kontaminiert war. Zum Zwecke der Sanierung schlossen die Klägerin und die damalige Treuhandanstalt am 20. August 1992 einen Sanierungsvertrag, den die Treuhandanstalt nach einem Streit über die Erfüllung der von der Klägerin übernommenen Beteiligungspflicht am 13. August 1993 kündigte. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
3
Die Klägerin schloss am 8. Juli 1993 mit der T. GmbH, deren Gesellschafter teilweise auch Gesellschafter der Klägerin waren, einen Generalunternehmervertrag. Dieses Unternehmen sollte im Auftrag der Klägerin die Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der vorgesehenen Anlage gegen ein entsprechend dem Baufortschritt zahlbares Gesamthonorar durchführen. Dieses Unternehmen stellte für durchgeführte Arbeiten zwischen Februar und Juli 1994 insgesamt mehr als 22 Mio. DM in Rechnung. Ob es sich hierbei um werthaltige Leistungen handelte, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Bedeutung eines im Auftrag des Wirtschaftsministeriums des beklagten Landes eingeholten Gutachtens einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 6. Mai 1994, das zu berücksichtigungsfähigen Aufwendungen (im Sinne der vertraglichen Abreden mit der Treuhandanstalt) von mehr als 20 Mio. DM kam. Der Landesförderausschuss war noch in seiner Sitzung vom 22. August 1994 bereit, das Vorhaben mit einem Zuschuss von rund 40,5 Mio. DM zu fördern. Zu einer entsprechenden Bewilligung kam es indes nicht mehr.
4
In der Folge der Einreichung der Umsatzsteuererklärung 1992 Anfang Februar 1994, in der hohe Vorsteuererstattungsansprüche geltend gemacht wurden, leitete das Finanzamt mit Prüfungsbeginn vom 4. März 1994 eine Um- satzsteuersonderprüfung für den Zeitraum von März 1992 bis Februar 1994 mit Blick auf den Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG ein, die mit einem Bericht vom 1. Dezember 1994 abgeschlossen wurde. Darin wurde im Hinblick auf Abrissund Aufräumarbeiten auf fremdem Boden die Unternehmereigenschaft der Klägerin anerkannt, aber im Hinblick auf die Errichtung des KeraGlas-Werks und dessen Produktion versagt. Das Finanzamt erließ auf dieser Grundlage am 3. Februar 1995 und 17. Februar 1995 - jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende - Bescheide für die Jahre 1992 und 1993, die durch im Wesentlichen inhaltsgleiche Bescheide vom 6. Juni 1996 und 15. März 1996 ersetzt wurden, und am 26. April 1996 und 9. Juli 1996 Bescheide für die Jahre 1994 und 1995. Die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche der Klägerin wies das Finanzamt mit Entscheidung vom 3. Dezember 1996 zurück.
5
Im Laufe des Jahres 1995 kam es zu einem Stillstand im Ausbau der Produktionsanlagen. Die Klägerin hatte nach ihrer Behauptung wegen des Verhaltens des Finanzamts trotz eines hohen Auftragsbestands keine nennenswerten Umsätze mehr, da die Banken keine weiteren Kredite mehr gewährten, die Investoren sich zurückzogen und Kunden nicht bereit waren, Rechnungen ohne Mehrwertsteuerausweis entgegenzunehmen. Der am 2. Dezember 1996 gestellte Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens wurde mit Beschluss vom 5. März 1997 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse zurückgewiesen.
6
Mit Schreiben vom 29. Juli 1999 beantragte die Klägerin eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide. Nachdem dieser Änderungsantrag zunächst durch Bescheid des Finanzamts vom 4. November 1999 zurückgewiesen wurde, erkannte das Ministerium der Finanzen während des anhängigen Verfahrens auf den Einspruch der Klägerin vom 30. November 1999 mit Schreiben vom 16. Mai 2000 die Unternehmereigenschaft an. Daraufhin änderte das Finanzamt die Bescheide für die von der Festsetzungsverjährung noch nicht betroffenen Jahre 1994 am 31. Januar 2001 und 1995 am 10. Januar 2001. In dem Bescheid für 1994 wurden abziehbare Vorsteuern von rund 3,35 Mio. DM anerkannt.
7
Die inzwischen in Liquidation befindliche Klägerin forderte mit Schreiben vom 3. November 2000 Schadensersatz nach dem Staatshaftungsgesetz, den sie mit Schreiben vom 13. August 2001 auf rund 360 Mio. DM bezifferte. Diesen Antrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom 24. September 2001 und das Ministerium der Finanzen mit Bescheid vom 24. August 2004 endgültig zurück.
8
Im anhängigen Verfahren hat die Klägerin - unter Anrechnung erzielter Veräußerungserlöse - Schadensersatz in Höhe von 34.408.469 € verlangt, der sich aus verloren gegangenen Investitionen, entgangenem Gewinn und Kosten für Rechts- und Steuerberatung zusammensetzt. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.

Entscheidungsgründe


9
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A.


10
Das Berufungsgericht hält den vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nicht für gegeben. Zwar sei der Einspruchsbescheid des Finanzamts vom 3. Dezember 1996 objektiv rechtswidrig gewesen, weil er im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs vom 29. Februar 1996 (C-110/94 - INZO - Slg. 1996, I-870) nicht mit einer an Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (ABl. EG Nr. L 145 S. 1; im Folgenden: Richtlinie) orientierten Auslegung des § 2 UStG vereinbar gewesen sei. Es fehle indes insoweit an einem hinreichend qualifizierten Verstoß. Der Bescheid beruhe tragend auf der Erwägung , es liege ein Missbrauchstatbestand vor. Der Gerichtshof, der die Versagung der Unternehmereigenschaft für Fallgestaltungen billige, in denen eine missbräuchliche Ausnutzung der Umsatzsteuervorteile vorliege, habe eine genauere Konkretisierung dieser Fallgestaltungen nicht vorgenommen. Sehe die Richtlinie in Missbrauchsfällen die Anerkennung der Unternehmereigenschaft nicht vor, bleibe ihre Anwendung daher insoweit dem Mitgliedstaat nach den Maßstäben seiner Rechtsordnung überlassen, so dass auch bei rechtswidriger Annahme eines Missbrauchstatbestands ausschließlich das innerstaatliche Recht verletzt werde. Zum anderen fehle es an einem offenkundigen und erheblichen Verstoß gegen die aus der Richtlinie selbst oder ihrer verbindlichen Auslegung durch den Gerichtshof folgenden Grundsätze.
11
Mögliche Ansprüche nach § 1 Abs. 1 StHG und Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG hält das Berufungsgericht für verjährt. Die Verjährungsfrist habe für beide Ansprüche mit der Bestandskraft des Einspruchsbescheids am 7. Januar 1997 zu laufen begonnen. Eine rechtswidrige Dauerhandlung, die die Verjährungsfrist erst mit der Anerkennung der Unternehmereigenschaft durch das Schreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16. Mai 2000 in Lauf gesetzt habe, könne nicht angenommen werden. Dem Umstand, dass auch der Einspruchsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei, komme keine verjährungsunterbrechende Bedeutung in dem Sinne zu, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Wegfall des Nachprüfungsvorbehalts neu zu laufen beginne. In unverjährter Zeit sei ein die Verjährung des Staatshaftungsanspruchs unterbrechender Antrag nach § 5 StHG nicht gestellt worden. Es liege auch kein die Verjährung hemmendes Verhandeln über den Schadensersatzanspruch vor, das den Zeitraum bis zur Bekanntgabe des eine Haftung ablehnenden Bescheids im Jahr 2004 ausgefüllt habe. Aus dem Nachprüfungsvorbehalt folgten ebenfalls keine Verhandlungen im Sinn einer Hemmung der Verjährung.

B.


12
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

I.


13
Zutreffend zieht das Berufungsgericht den vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch als Haftungsgrundlage heran. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht , wenn er gegen eine Norm des Unionsrechts verstoßen hat, die bezweckt , dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93 - Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1131 = NJW 1996, 1267 Rn. 51; vom 24. März 2009 - C-445/06 - Danske Slagterier - EuZW 2009, 334 Rn. 20; Senatsurteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 13 mwN). Dieser Anspruch erfasst alle Bereiche staatlichen Handelns und ist in Anlehnung an die Bestimmung des Art. 34 Satz 1 GG im Hinblick auf die förderale Struktur Deutschlands gegen das Bundesland zu richten, dessen Behörden gegen das Recht der Union verstoßen haben (vgl. Senatsurteil vom 2. Dezember 2004 - III ZR 358/03, BGHZ 161, 224, 234 ff).
14
1. Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung zugrunde, dass das Finanzamt durch seine Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 1995 und seinen Einspruchsbescheid vom 3. Dezember 1996 gegen Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a i.V.m. Art. 4 Abs. 1, 2 der Richtlinie verstoßen hat.
15
a) Durch die genannten Bescheide hat das Finanzamt den Antrag auf Vorsteuerabzug für Vorbereitungshandlungen zur Errichtung und Betreibung einer KeraGlas-Anlage zurückgewiesen und dies in der Einspruchsentscheidung insbesondere damit begründet, die Klägerin sei nicht als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG zu behandeln gewesen, da Ausgangsumsätze im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Glaswerks unter anderem nach den näher dargelegten Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung bis zum Entscheidungszeitpunkt weder erzielt worden noch überhaupt erzielbar gewesen seien. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs vom 29. Februar 1996 (INZO) sei die Klägerin nicht als erfolglose Unternehmerin mit der Folge der Vorsteuerabzugsberechtigung anzuerkennen gewesen. Hiernach könnten Fälle von Betrug oder Missbrauch, die von einer ernsthaft beabsichtigten unternehmerischen Betätigung abzugrenzen seien, zur Aberkennung der Unternehmereigenschaft führen. Ernsthaft beabsichtigt sei die Unternehmereigenschaft dann, wenn anzunehmen sei, dass die Vorbereitungshandlungen sowohl objektiv als auch subjektiv auf die später ausgeübte Tätigkeit gerichtet seien und die Vorbereitungshandlungen auch nachhaltig bei Umsetzung der unternehmerischen Ziele vorangetrieben würden. Konkret bestünden erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit, die unternehmerische Tätigkeit tatsächlich betreiben zu wollen. Vielmehr ließen die tatsächlichen Verhältnisse nur den Schluss zu, dass die Klägerin über von der Treuhandanstalt zugesagte Zuschüsse verfügen wolle. Andere Grundlagen für die beabsichtigte Tätigkeit seien zu wenig konkret gewesen.
16
b) Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, die Behandlung der Klägerin als so genannter erfolgloser und darum nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer sei mit einer an Art. 4 der Richtlinie orientierten Auslegung des § 2 UStG nicht vereinbar.
17
Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Der Gerichtshof hat diesen Bestimmungen entnommen, dass als Unternehmer gilt, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt, und zwar selbst dann, wenn der Steuerverwaltung bereits bei der erstmaligen Festsetzung bekannt ist, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht ausgeübt (werden) wird (vgl. EuGH, Urteile vom 29. Februar 1996 - C-110/94 - INZO - Slg. 1996, I-870 Rn. 16 f; vom 8. Juni 2000 - C-400/98 - Breitsohl - Slg. 2000, I-4352 Rn. 34, 41; BFH, Urteil vom 22. Februar 2001, BFHE 194, 498, 502). Der vom Gerichtshof entwickelte Ausnahmefall von "Betrug oder Missbrauch" betrifft Fallgestaltungen, in denen der Betroffene die Absicht, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, nur vorgibt, in Wirklichkeit jedoch versucht, Gegenstände, deren Erwerb zum Vorsteuerabzug berechtigen kann, seinem Privatvermögen zuzuführen (vgl. EuGH, Urteile vom 29. Februar 1996, aaO Rn. 24; vom 8. Juni 2000, aaO Rn. 39). Der Bundesfinanzhof hat im Anschluss hieran entschieden, der Missbrauch müsse sich dabei auf die Umsatzsteuer beziehen (vgl. BFH, Urteil vom 23. September 2009, BFHE 227, 212, 215 f).
18
Gemessen hieran spricht der Ablauf des Verfahrens dafür, dass - wie später für die von der Festsetzungsverjährung noch nicht betroffenen Veranlagungsjahre 1994 und 1995 geschehen - den Anträgen auf Vorsteuerabzug zu entsprechen war. Insbesondere stand außer Frage und wurde auch vom Finanzamt offenbar nicht in Zweifel gezogen, dass die Investitionen der Klägerin nicht privatem Vermögen zuzuordnen waren.
19
Die Revisionserwiderung macht allerdings geltend, die Ausgangsbescheide seien gleichwohl nicht rechtswidrig gewesen, weil es den nationalen Gerichten (und Behörden) auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs vom 8. Juni 2000 (Breitsohl, aaO Rn. 40) unbenommen gewesen sei, nicht nur ex post, sondern ex ante im Einzelfall zu prüfen, ob die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, im guten Glauben abgegeben worden sei und durch objektive Anhaltspunkte belegt werde. Diese Prüfung habe die Finanzbehörde rechtsfehlerfrei vorgenommen, wobei die Klägerin - wie es auch der Beweislast für den von ihr verfolgten Schadensersatzanspruch entspreche - die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Vorsteuerabzugsberechtigung treffe. Die Revisionserwiderung verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das Ministerium der Finanzen in seinem Schadensersatzansprüche ablehnenden Bescheid vom 24. August 2004 nachrichtlich mitgeteilt habe, dass an der im Schreiben vom 16. Mai 2000 zur Unternehmereigenschaft vertretenen Auffassung nicht mehr festgehalten werde, weil die Ausgangsbescheide rechtmäßig seien.
20
Feststellungen hierzu haben die Vorinstanzen nicht getroffen.
21
2. Geht man, wie revisionsrechtlich geboten, davon aus, die Ausgangsbescheide seien rechtswidrig gewesen, erweist sich die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, der Verstoß gegen das Recht der Union sei nicht hinreichend qualifiziert, als rechtsfehlerhaft.
22
a) Nicht zu folgen ist der Beurteilung des Berufungsgerichts, weil der Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. Februar 1996 (INZO, aaO) eine genauere Konkretisierung der Fallgestaltungen, bei denen eine missbräuchliche Ausnutzung der Umsatzsteuervorteile vorliege, nicht vorgenommen habe und der Ausnahmetatbestand den Umfang des dem Einzelnen durch die Richtlinie eingeräumten individuellen Rechts einschränke, sei in der rechtswidrigen Annahme eines Missbrauchstatbestands lediglich eine Verletzung des innerstaatlichen Rechts zu sehen, aus dem kein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch folgen könne. Richtig ist zwar, dass sich derjenige, der einen Missbrauchstatbestand erfüllt, nicht auf ein Recht aus der Richtlinie berufen kann. Das heißt jedoch nicht, dass der Gerichtshof den nationalen Behörden überlassen hätte, allein anhand der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung zu prüfen , ob ein Missbrauchstatbestand vorliegt, weil das im Ergebnis darauf hinauslaufen könnte, durch nationale Vorschriften den Anwendungsbereich der Richt- linie zu verändern. Auch wenn sich die Richtlinie nicht ausdrücklich mit Missbrauchsfällen befasst, können solche Ausnahmefälle zutreffend nur unter Berücksichtigung des Geltungsanspruchs der Richtlinie bestimmt werden, so dass entsprechende Verstöße die Rechte des Einzelnen aus dem Unionsrecht verletzen.
23
b) Das Berufungsgericht legt seiner Beurteilung, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt, jedoch unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 4. Juni 2009 (III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 21 mwN) zutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde, wenn es verlangt, dass die dem Mitgliedstaat oder seinen Behörden gesetzten gemeinschaftsrechtlichen Grenzen offenkundig und erheblich überschritten sind und Anhaltspunkte hierfür das Maß an Klarheit und Genauigkeit der Vorschrift sowie das Bestehen und gegebenenfalls der Umfang des Ermessens und das Maß des Verschuldens sind. Es stellt - wenn auch knapp - fest, dass der Wortlaut der Richtlinie offen lasse, ob der Begriff der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit die Bewirkung steuerlicher Umsätze verlange oder ob bereits Vorbereitungshandlungen genügten. Mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs vom 29. Februar 2006, das in Fällen einer missbräuchlichen Ausnutzung der Umsatzsteuervorteile die Versagung der Anerkennung als Unternehmer billige, ohne eine nähere Konkretisierung dieser Fallgestaltungen vorzunehmen, sieht das Berufungsgericht in den Ausgangsbescheiden nicht eine offenkundige und erhebliche Überschreitung eindeutiger, durch die Richtlinie selbst oder durch ihre Auslegung gezogener Grenzen.
24
Damit schöpft das Berufungsgericht die zur Beurteilung eines qualifizierten Verstoßes anzustellenden Überlegungen nicht aus.
25
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Qualifiziertheit des Rechtsverstoßes. Der Ermessens- bzw. Gestaltungsspielraum der nationalen Behörden bei der Umsetzung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts hängt weitgehend hiervon ab (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 1998 - C-319/96 - Brinkmann I - EuZW 1998, 658 Rn. 30 f; vom 28. Juni 2001 - C-118/00 - Gervais Larsy - EuZW 2001, 477 Rn. 46 f; vom 25. Januar 2007 - C-278/05 - Robins - EuZW 2007, 182 Rn. 73). Bei einem erheblich oder gar auf Null reduzierten Ermessensspielraum aufgrund des eindeutigen Wortlauts einer Richtlinie kann bereits die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts genügen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß zu begründen (vgl. EuGH, Urteile vom 23. Mai 1996 - C-5/94 - Hedley Lomas - EuZW 1996, 435 Rn. 28; vom 18. Januar 2001 - C-150/99 - Lindöpark - UR 2001, 153 Rn. 40; vom 25. Januar 2007 - Robins, aaO Rn. 70 f). Dabei ist eine Konkretisierung einer für sich genommen möglicherweise unklaren Richtlinie durch den Gerichtshof zu berücksichtigen. Zieht die Verwaltung nicht alle Konsequenzen aus einem Urteil des Gerichtshofs, in dem die entscheidungserheblichen Auslegungsfragen klar beantwortet wurden, dessen Sachund Rechtslage insbesondere mit der des von der Verwaltung zu entscheidenden Verfahrens vergleichbar ist, ist ein Rechtsverstoß regelmäßig qualifiziert (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juni 2001 - Gervais Larsy, aaO Rn. 43, 45).
26
bb) Im vorliegenden Fall war zum einen entscheidungserheblich, ob ein Gewerbetreibender bei bloßen Vorbereitungshandlungen schon dann regelmäßig als zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer zu behandeln ist, wenn er nur die Absicht hat, später steuerbare Umsätze zu erzielen, ohne dass es darauf ankommt, ob zu erwarten ist, dass diese Absicht umzusetzen ist. Zum anderen war relevant, ob ein Ausnahmefall nur dann vorliegt, wenn diese Ab- sicht nur vorgespiegelt ist, tatsächlich jedoch Investitionen dem privatem Vermögen zufließen sollen, oder ob auch sonstige Missbrauchs- oder Betrugsfälle, die nicht unmittelbar mit der späteren Umsatzsteuerpflicht zusammenhängen, einer Anerkennung als zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer entgegenstehen können. Dabei hatten die Finanzbehörden die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs zu berücksichtigen.
27
(1) Wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, ließ sich dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nicht unmittelbar entnehmen, ob die für den Begriff des Steuerpflichtigen maßgebenden "wirtschaftlichen Tätigkeiten" auch solche sein konnten, die als Vorbereitungshandlungen zu qualifizieren waren. Der Gerichtshof hat diese Frage in seinem Urteil vom 14. Februar 1985 (268/83 - Rompelman - Slg. 1985, 660 Rn. 22 f) bejaht. Da in der zugrunde liegenden Sache der Unternehmer im Zeitpunkt der Beurteilung seiner Rechte aus der Richtlinie seine werbende Tätigkeit aufgenommen und weitergeführt hatte, wurde die Frage, ob die Absicht künftiger unternehmerischer Betätigung erfolgversprechend sein müsse, in diesem Verfahren weder aufgeworfen noch geklärt.
28
(2) Das Urteil in der Rechtssache Rompelman beeinflusste aus diesem Grund noch nicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum "erfolglosen" oder "umsatzlosen" Unternehmer, von dem zunächst erstattete Vorsteuerbeträge wegen fehlender Unternehmereigenschaft zurückgefordert werden konnten, wenn sich nachträglich herausstellte, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht aufgenommen wurde (vgl. BFH, Urteile vom 6. Mai 1993, BFHE 171, 138; vom 16. Dezember 1993, BFHE 173, 262; vom 15. September 1994, BFHE 176, 149). Mit dieser Rechtsprechung stellte der Bundesfinanzhof zwar - insoweit in Übereinstimmung mit dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechts- sache Rompelman - nicht in Frage, dass die unternehmerische Tätigkeit bereits mit der ersten, nach außen und auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten Handlung beginnt, so dass Vorsteuern aus Leistungsbezügen zur Vorbereitung entgeltlicher Leistungen bereits in dem Voranmeldungszeitraum abziehbar sind. Jedoch folgerte er aus dem Zweck der Umsatzbesteuerung, Einnahmen zugunsten des Staates zu erzielen, und dem Umstand, dass die vom Unternehmer zu entrichtende Steuer dem Staat nur dann endgültig verbleibt , wenn an einen nicht zum Abzug von Vorsteuer Berechtigten, also einen Endverbraucher, geleistet wird, dass es nicht zugelassen werden dürfe, dass die Leistungskette bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten endet, der keine Umsätze ausführt. Insoweit stellte er den Unternehmer ohne Leistungstätigkeit dem Endverbraucher gleich (vgl. Urteil vom 6. Mai 1993, aaO S. 140 f).
29
(3) Eine weitere Konkretisierung der wirtschaftlichen Tätigkeit nahm der Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache INZO vor. In dieser Sache hatte die betroffene Gesellschaft, die sich nach ihrem Zweck mit der Behandlung von See- und Brackwasser und seiner Verarbeitung zu Trinkwasser befassen wollte, bestimmte Ausrüstungsgegenstände erworben, eine Rentabilitätsstudie in Auftrag gegeben und hierfür Mehrwertsteuer entrichtet, die ihr von der Finanzbehörde erstattet wurde. Als die Studie des Vorhabens zahlreiche Rentabilitätsprobleme aufzeigte und sich Investoren zurückzogen, wurde das Vorhaben aufgegeben und die Gesellschaft liquidiert. Später wurde sie - nach einer Steuerprüfung - auf Rückzahlung der erstatteten Mehrwertsteuer in Anspruch genommen. Der Gerichtshof hat dies für nicht zulässig gehalten und dies zum einen damit begründet, der Grundsatz der Rechtssicherheit verbiete es, dass die von der Steuerbehörde festgestellten Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen von Tatsachen, Umständen oder Ereignissen abhängen könnten, die nachträglich eingetreten seien. Habe die Behörde daher aufgrund der ihr von einem Unternehmen übermittelten Angaben festgestellt, dass diesem die Eigenschaft als Steuerpflichtiger zuzuerkennen sei, könne ihm diese Stellung ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht wegen des Eintritts oder des Nichteintritts bestimmter Umstände nachträglich aberkannt werden (aaO Rn. 21). Zum anderen hat der Gerichtshof auf den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer hinsichtlich der Abgabenleistung der Unternehmen aufmerksam gemacht. Gleiche Investitionstätigkeiten dürften nicht zu ungerechtfertigten Unterscheidungen zwischen Unternehmen, die schon steuerbare Umsätze tätigten, und solchen, bei denen dies noch nicht der Fall sei, führen (aaO Rn. 22). Eine rückwirkend andere Beurteilung hat der Gerichtshof nur in Fällen des Betrugs oder Missbrauchs für zulässig erachtet (aaO Rn. 24), aber das Recht der Behörden betont, objektive Nachweise für die erklärte Absicht zu verlangen, zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen (aaO Rn. 23).
30
(4) In der Literatur ist die Entscheidung des Gerichtshofs vom 29. Februar 1996 weitgehend dahin verstanden worden, dass an der dargestellten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum "erfolglosen Unternehmer" nicht mehr festgehalten werden könne (Dziadkowski BB 1996, 941, 942; Widmann UR 1996, 118; Pflüger UR 1996, 180; Grube DStR 1996, 1235, 1236; Birkenfeld DStR 1996, 1709, 1711 f). Insoweit ist ferner bemerkenswert, dass der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache INZO die Auffassung Deutschlands zu der Frage einer vorzeitigen Beendigung der Leistungskette wiedergegeben und sich ihr in seinem Vorschlag angeschlossen hatte, das Tätigwerden der Gesellschaft nicht als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie anzusehen (Schlussanträge, Slg. 1996, I-859 Rn. 31 f, 41). Das Bundesministerium der Finanzen hat in Reaktion auf dieses Urteil des Gerichtshofs unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörte- rungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder mit Schreiben vom 2. Dezember 1996 (BStBl. I, S. 1461) darauf hingewiesen, die Unternehmereigenschaft beginne mit dem ersten nach außen erkennbaren, auf eine Unternehmertätigkeit gerichteten Tätigwerden, wenn die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen ernsthaft beabsichtigt sei und die Ernsthaftigkeit dieser Absicht durch objektive Merkmale nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werde. In diesem Fall entfalle die Unternehmereigenschaft - außer in den Fällen von Betrug oder Missbrauch - nicht rückwirkend, wenn es später nicht oder nicht nachhaltig zur Ausführung entgeltlicher Leistungen komme. Vorsteuerbeträge, die den beabsichtigten Umsätzen, bei denen der Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen wäre, zuzurechnen seien, könnten dann nicht zurückgefordert werden. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil vom 6. Mai 1993, aaO) sei nicht mehr anzuwenden.
31
(5) Der Bundesfinanzhof hat indes durch die Entscheidung des Gerichtshofs noch nicht alle in diesem Zusammenhang stehenden Fragen als beantwortet angesehen. In einer Sache, in der es um die Frage ging, welche objektiven Nachweise für die Absicht zu verlangen sind, eine zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, hat er keine grundsätzliche Bedeutung zu erkennen vermocht. Er hat auch in der Anwendung der die ursprünglichen Bescheide abändernden Vorschriften des § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 164 Abs. 2 AO keine nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs versagte rückwirkende Aberkennung der Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtiger gesehen (vgl. BFH, Beschluss vom 24. Juli 1997, BFH/NV 1998, 227).
32
Allerdings hat der Bundesfinanzhof, wie sein Vorlagebeschluss vom 27. August 1998 (BFHE 186, 475, 481) in der Rechtssache Breitsohl (EuGH, Urteil vom 8. Juni 2000 - C 400/98, Slg. 2000, I-4352) belegt, weiterhin für klä- rungsbedürftig gehalten, ob die vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätze nur dann gelten, wenn die Finanzbehörde - wie in der Rechtssache INZO - die Eigenschaft als vorsteuerabzugsberechtigter Steuerpflichtiger bereits in einem Steuerbescheid anerkannt hatte, oder ob die Finanzbehörde in jedem Fall die (objektivierte) Absicht, zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufzunehmen, der Besteuerung zugrunde legen müsse, selbst wenn bei erstmaliger Befassung aufgrund der bereits vorhandenen tatsächlichen Umstände feststehe, dass die beabsichtigte Umsatztätigkeit nicht realisiert werde. Dieser letztgenannten Auslegung ist der Gerichtshof gefolgt (vgl. oben 1 b).
33
cc) Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung der Rechtsprechung fehlt es an näheren Feststellungen hinsichtlich des Sachverhalts und an einer tatrichterlichen Würdigung, ob die Finanzbehörden mit den 1995 und 1996 ergangenen Bescheiden und der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 1996 hinreichend qualifiziert gegen Art. 4 und Art. 17 der Richtlinie verstoßen haben. Vor allem enthält sich das Berufungsgericht jeder näheren inhaltlichen Würdigung, ob die Annahme mangelnder Ernstlichkeit der unternehmerischen Betätigung und die noch weitergehende Annahme eines Missbrauchs eine hinreichende objektive Grundlage hatte. Der Senat versteht die sprachlich missglückte Formulierung in der Einspruchsentscheidung, das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache INZO könne "nicht zur Anerkennung als erfolgloser Unternehmer mit der Folge der Vorsteuerabzugsberechtigung" führen (das Wort "erfolgloser" ist offensichtlich sinnentstellend und so nicht gemeint), dahin, die Klägerin könne in der vorliegenden Sache nicht als Unternehmerin betrachtet werden, weil der auch vom Gerichtshof anerkannte Ausnahmefall eines Missbrauchstatbestandes vorliege beziehungsweise weil es an hinreichenden objektiven Belegen für eine ernsthafte unternehmerische Betätigung fehle. Legt man zugrunde, dass das Finanzamt mit seinen Bescheiden vom 10. und 31. Januar 2001 die Vorsteuerabzugsberechtigung anerkannt hat, drängt sich jedoch die Frage auf, warum und in welcher Beziehung die Behörden des beklagten Landes die Sachlage 1996 anders beurteilt haben. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelte sich zwar in der Rechtssache Breitsohl weiter, was die Frage des erfolglosen Unternehmers anging; in der Frage, ob ein Missbrauchstatbestand vorliegt (aaO Rn. 39 bis 41), wiederholte sie aber nur ihre in der Rechtssache INZO formulierten Grundsätze (aaO Rn. 23 f).
34
3. Nach dem bisherigen Stand lässt sich das angefochtene Urteil nicht mit der Begründung aufrechterhalten, der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch sei verjährt.
35
Wie der Senat entschieden hat, verjährte der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch im Hinblick auf die unionsrechtlichen Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effektivität bis zur Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts nach § 195 BGB a.F. in dreißig Jahren (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, aaO Rn. 38 bis 46). Ab dem 1. Januar 2002 ist nach Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB (n.F.) maßgebend, die nach Art. 229 § 6 Abs. 4 BGB - bei bereits vorhandener Kenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners - am 1. Januar 2002 zu laufen begann. Da sich das beklagte Land zu diesem Zeitpunkt noch mit dem am 3. November 2000 gestellten und am 13. August 2001 näher begründeten und bezifferten Schadensersatzantrag befasste, ist im Hinblick auf die erst am 23. August 2005 eingegangene Klage noch zu prüfen, ob es bis zur endgültigen Ablehnung von Schadensersatzansprüchen durch Bescheid vom 24. August 2004 zu Verhandlungen über den Schadensersatzanspruch gekommen ist (§ 203 Satz 1 BGB).

II.


36
Das Berufungsurteil kann auch nicht bestehen bleiben, soweit es einen möglichen Amtshaftungsanspruch der Klägerin als verjährt angesehen hat. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Anspruch gegen das beklagte Land besteht.
37
1. Sollte die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffen, dass die Klägerin in dem maßgebenden Zeitraum des Erlasses der Ausgangsbescheide die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin auch in Bezug auf den Betrieb eines KeraGlas-Werks anzuerkennen hatte, kommt eine Haftung des beklagten Landes nach § 1 Abs. 1 StHG und nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Insoweit hat das Berufungsgericht im weiteren Verfahren Gelegenheit, sich mit den Rügen der Revisionserwiderung gegen die Annahme einer Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidungen auseinanderzusetzen.
38
2. Nach § 4 Abs. 2 StHG beginnt die Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs nach § 1 Abs. 1 StHG mit dem Tage, an dem der Geschädigte von dem Schaden und davon Kenntnis hat, dass der Schaden von einem Mitarbeiter eines staatlichen Organs oder einer staatlichen Einrichtung verursacht wurde. Auch für den Amtshaftungsanspruch kommt es nach dem gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB anwendbaren § 852 Abs. 1 BGB a.F. für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangte.

39
a) Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Verjährung spätestens mit der am 7. Januar 1997 eingetretenen formellen Bestandskraft der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 1996 zu laufen begann. Zwar kommt im Hinblick auf die zu verschiedenen Zeitpunkten ergangenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 1995 auch schon eine frühere Kenntniserlangung in Betracht. Da die Klägerin jedoch gegen die Bescheide Einspruch eingelegt und damit den nach § 839 Abs. 3 BGB (vgl. auch § 2 StHG) grundsätzlich gebotenen Primärrechtsschutz wahrgenommen hat, war die Verjährung nach dem insoweit anwendbaren früheren Recht analog § 209 Abs. 1, § 211 BGB a.F. unterbrochen (vgl. Senatsurteile vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, aaO Rn. 35; vom 10. Februar 2011 - III ZR 37/10, juris Rn. 35, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Die Unterbrechung endete analog § 211 Abs. 1 BGB a.F. mit der Bestandskraft der Einspruchsentscheidung, weil die Klägerin davon absah, hiergegen Klage zum Finanzgericht zu erheben.
40
b) Eine abweichende Beurteilung ist nicht unter dem von der Revision geltend gemachten Gesichtspunkt gerechtfertigt, die Versagung der Vorsteuerabzugsberechtigung habe eine Dauerhandlung dargestellt, die erst durch das Schreiben des Ministeriums der Finanzen vom 16. Mai 2000 ihr Ende gefunden habe. Die Klägerin leitet ihre Schadensersatzberechtigung aus ihrer Nichtanerkennung als Unternehmerin her, die als solche jedoch nicht Gegenstand einer behördlichen Entscheidung ist. Vielmehr sind zu ihren Lasten, wie das Berufungsgericht zutreffend beurteilt, für verschiedene aufeinander folgende Zeiträume Bescheide ergangen, die je für sich Schadensfolgen zeitigen können und einer gesonderten verjährungsrechtlichen Betrachtung unterliegen. Dass allen diesen Bescheiden dieselbe Beurteilung zugrunde gelegen hat, der Klägerin sei die Unternehmereigenschaft zu versagen, rechtfertigt unter dem Ge- sichtspunkt, dass die Verjährung dem Gedanken des Schuldnerschutzes sowie des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit dient, kein Hinausschieben des Verjährungsbeginns (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 2009 - III ZR 144/05, aaO Rn. 32).
41
c) Dass die Umsatzsteuerbescheide gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, der durch die Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 1996, die sich hierüber nicht ausdrücklich verhielt, unberührt blieb (vgl. BFHE 141, 492, 493 f; Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Stand Februar 2009, § 164 AO Rn. 56; Heuermann in Hübschmann /Hepp/Spitaler, AO und FGO, 10. Aufl., Stand Juni 2006, § 164 AO Rn. 45), vermag den Verjährungsbeginn entgegen der Auffassung der Revision nicht hinauszuschieben. Zwar führt der Vorbehalt der Nachprüfung, der stets den gesamten Bescheid erfasst (vgl. BFH/NV 2008, 27 f) und gleichermaßen den Sachverhalt und die rechtliche Würdigung betreffen kann (vgl. Seer, aaO Rn. 12; Heuermann, aaO Rn. 8), im Ergebnis dazu, dass die materielle Bestandskraft eines Steuerbescheids suspendiert wird (vgl. BFHE 185, 82, 85). Gleichwohl wurde die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung formell bestandskräftig, weil die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 1996 keine Klage zum Finanzgericht erhob. Denn die Steuerfestsetzung wird unanfechtbar, wenn sie nicht oder nicht mehr mit den ordentlichen Rechtsbehelfen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens oder mit den Rechtsmitteln des Steuerprozesses angefochten werden kann (vgl. BFHE 145, 457, 464). Als ein Rechtsbehelf in diesem - steuerrechtlichen - Sinne kann der Antrag des Steuerpflichtigen nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO, die Steuerfestsetzung zu ändern, jedoch nicht angesehen werden. Er ermöglicht auch keine Aussetzung der Vollziehung (vgl. Seer, aaO Rn. 44; Heuermann, aaO Rn. 44). Ob die Behörde vom Vorbehalt der Nachprü- fung Gebrauch macht, ist für den Steuerpflichtigen nicht sicher. So entfällt der Vorbehalt, auch wenn keine Nachprüfung stattgefunden hat, nach § 164 Abs. 4 AO durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung (vgl. BFHE 193, 392, 396), wie dies hier für die Veranlagungsjahre 1992 und 1993 geschehen ist. Wird allerdings vor Ablauf der Festsetzungsfrist ein Abänderungsantrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO gestellt, läuft diese Frist nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (§ 171 Abs. 3 AO). Allein die Möglichkeit, dass die Behörde nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO die Steuerfestsetzung von Amts wegen abändert, rechtfertigt daher die Annahme eines im äußersten Fall bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung aufgeschobenen Beginns der Verjährung von Schadensersatzansprüchen nicht.
42
3. Bei einem Verjährungsbeginn am 7. Januar 1997 verjährte der Schadensersatzanspruch nach § 1 Abs. 1 StHG mit Ablauf des 6. Januar 1998 (§ 4 Abs. 1 StHG) und der Amtshaftungsanspruch mit Ablauf des 6. Januar 2000, wenn die Verjährung nicht vorher unterbrochen oder ihr Lauf gehemmt wurde.
43
a) Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StHG wird die Verjährung des Staatshaftungsanspruchs durch die Stellung des Antrags auf Schadensersatz unterbrochen. Der am 3. November 2000 gestellte Antrag auf Schadensersatz nach dem Staatshaftungsgesetz vermochte die Verjährung dieses Anspruchs für sich betrachtet nicht zu unterbrechen, weil er - wie im Übrigen auch vom Ministerium für Finanzen in seinem ablehnenden Bescheid vom 24. August 2004 geltend gemacht worden war - außerhalb der Jahresfrist gestellt wurde. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht geprüft, ob die Verjährung durch einen früher gestellten Antrag unterbrochen oder der Lauf der Verjährung auf andere Weise gehemmt wurde.
44
aa) Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass wegen eines früher gestellten Schadensersatzantrags lediglich der Zeitraum ab dem 3. Februar 1995, an dem der erste von der Klägerin beanstandete Steuerbescheid erlassen wurde, in Betracht zu ziehen sei. Das Berufungsgericht begründet dies im Wesentlichen damit, die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen beruhten auf den erstmals mit Außenwirkung gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheiden, auf deren Grundlage in erheblichem Umfang die Erstattung abgeführter Umsatzsteuer abgelehnt worden sei. Demgegenüber ist die Revision der Auffassung, es seien infolge der verzögerten Bearbeitung der Vorsteuererstattungsanträge (Zins-)Schäden entstanden, die aus demselben Lebenssachverhalt - nämlich der Nichtanerkennung der Unternehmereigenschaft der Klägerin - herrührten. Dies stellt die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht in Frage, weil die Schäden, die nach Auffassung der Klägerin bereits vor dem Erlass der Steuerbescheide entstanden sind, nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen nicht Gegenstand der Klage sind. Dass sie auf derselben unzutreffenden Rechtsauffassung des Finanzamts beruhen sollen, die Klägerin sei nicht als Unternehmerin anzuerkennen , rechtfertigt es nicht, die gebotene selbständige verjährungsrechtliche Betrachtung aufzugeben (siehe bereits oben 2 b) und einen Schadensersatzantrag als verjährungsunterbrechend zu berücksichtigen, der nicht die in der Klage geltend gemachten Schäden betrifft.
45
bb) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Berufungsgericht nicht davon überzeugt, dass die Klägerin in dem Besprechungstermin am 19. Juni 1995 gegenüber Vertretern der Finanzverwaltung in ausreichender Weise Schadensersatz nach § 5 StHG beantragt und nicht nur angedroht hat, solche Ersatzansprüche zukünftig geltend zu machen. Dies lässt revisionsrechtlich erhebliche Fehler nicht erkennen. Insbesondere verstößt die Verwertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme vom 17. November 2009, die das Berufungsgericht in abweichender Besetzung durchgeführt hat, nicht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet.
46
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert ein Richterwechsel nach der Beweisaufnahme nicht grundsätzlich deren Wiederholung. Die Ergebnisse einer früheren Beweisaufnahme können vielmehr im Wege des Urkundenbeweises durch Heranziehung des Protokolls verwertet werden. Das Gericht darf dann bei der Beweiswürdigung aber nur das berücksichtigen , was auf der persönlichen Erinnerung aller an der Entscheidung beteiligten Richter beruht oder aktenkundig ist und wozu die Parteien sich erklären konnten. Eindrücke, die nicht in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen worden sind, zu denen also die Parteien auch keine Stellung nehmen konnten, dürfen dagegen nach einem Richterwechsel nicht verwertet werden (Senatsurteile vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 257; vom 12. März 1992 - III ZR 133/90, NVwZ 1992, 915, 916; vom 9. Januar 1997 - III ZR 162/95, NJW-RR 1997, 506; BGH, Urteile vom 4. Dezember 1990 - XI ZR 310/89, NJW 1991, 1180; vom 4. Februar 1997 - XI ZR 160/96, NJW 1997, 1586, 1587).
47
(2) Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verstoßen. Die Revision rügt insoweit, der von dem Berufungsgericht bei der Beweiswürdigung berücksichtigte Umstand der Sicherheit, mit der der Zeuge Dr. N. den genauen Inhalt des entscheidenden Satzes wiedergegeben habe, sei nicht aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtlich, sondern könne nur von demjenigen beurteilt werden, der bei der Zeugenaussage zugegen gewesen sei. Dies trifft nicht zu.
48
Ausweislich des Verhandlungsprotokolls vom 17. November 2009 hat der Zeuge zunächst zu einem Gespräch am 9. März 2004 ausgesagt. Er bekundete dort aus dem Gedächtnis, er "habe dann ausdrücklich weiter gesagt, es sei der DBG durch Zeitverzug bereits ein Schaden entstanden; ein weiterer Schaden sei zu erwarten, hierfür müsse das Finanzamt einstehen". Im Anschluss hieran verlas er eine am Folgetag gefertigte Aktennotiz, die nahezu denselben Wortlaut wie die zunächst aus dem Gedächtnis heraus wiedergegebene Formulierung hatte. Zusätzlich enthielt diese Aktennotiz die Aussage: "Jedenfalls mache ich Schadensersatz schon heute ausdrücklich geltend." Anschließend schilderte der Zeuge das fragliche Gespräch am 19. Juni 1995. Er gab an, dort ebenfalls den in dem vorgenannten Gespräch bezeichneten Schaden geltend gemacht zu haben, wobei er wiederum eine nahezu identische Formulierung wählte. Abschließend bestätigte er diese Angaben zweifach: "Das was ich eben geschildert habe, ist das, was ich auch damals gesagt habe, nicht mehr und nicht weniger. (…) die Worte sind so gefallen, wie ich es eben geschildert habe."
49
Aus dem Protokoll ergibt sich damit in zweierlei Hinsicht die Sicherheit des Zeugen betreffend den genauen Inhalt des fraglichen Satzes: Zum einen hat er ihn sowohl hinsichtlich des Gesprächs am 19. Juni 1995 als auch des vorangegangenen Gesprächs nahezu wortgleich und zudem weitgehend identisch zu einer mitgeführten Aktennotiz wiedergegeben. Zudem hat er zweifach betont, sich der genauen Formulierung sicher zu sein. Dies rechtfertigt das bezeichnete Argument in der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne dass es hierfür auf weitere, nicht aus dem Protokoll ersichtliche Eindrücke angekommen wäre. Dafür, dass das Berufungsgericht den bei der Beweiswürdigung berücksichtigten Aspekt der Sicherheit darüber hinaus auf weitere Gesichts- punkte des Aussageverhaltens des Zeugen - etwa auf einen persönlichen Eindruck - bezogen hätte, ist nichts ersichtlich.
50
cc) Die Verjährung wurde vor dem 3. November 2000 auch nicht nach § 852 Abs. 2 BGB a.F. durch Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz gehemmt.
51
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff der Verhandlungen weit zu verstehen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2001 - VI ZR 208/00, NJW-RR 2001, 1168, 1169), wie dies auch zu § 203 Satz 1 BGB (n.F.) vertreten wird. Der Gläubiger muss lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16). Im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB a.F. schweben Verhandlungen, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 2001 - VI ZR 208/00, aaO; vom 26. Oktober 2006 - VII ZR 194/05, NJW 2007, 587). Es muss also ein Meinungsaustausch über die Ersatzfrage zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger stattfinden (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84, BGHZ 97, 97, 112). Deswegen genügt die bloße Verhandlung über eine Änderung der Steuerbescheide nicht, soweit nicht gleichzeitig Ersatzansprüche aufgrund der fehlerhaften Bescheide erörtert werden. Der Umstand, dass mit Satz 1 des § 203 BGB der Rechtsgedanke des bisherigen § 852 Abs. 2 BGB als allgemeine Regelung übernommen wird und jetzt von "Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände" gesprochen wird, bedeutet nicht, dass die von der Klägerin vorgetragenen vielfältigen Bemühungen, die Finanzverwaltung zur Anerkennung ihrer Unternehmereigenschaft zu bewegen, ohne weite- res als ein Verhandeln über die den Anspruch begründenden Umstände anzusehen. Mit dieser Formulierung wollte der Gesetzgeber verdeutlichen, dass das Begehren nicht besonders beziffert oder konkretisiert sein müsse (vgl. BTDrucks. 14/6040 S. 112). Es bleibt aber selbstverständliche Voraussetzung, dass erkennbar sein muss, um welche Art von Anspruch es eigentlich geht.
52
Soweit sich die Klägerin für ihren Vortrag auf das Anlagenkonvolut K 64 bezieht, vermag der Senat eine Geltendmachung und Verhandlung über Schadensersatzansprüche nicht zu erkennen. Vielmehr ging es immer nur um die Frage der Anerkennung als Unternehmerin mit dem Ziel, insoweit eine Erstattung ihr zustehender Vorsteuerbeträge zu erhalten. Danach sind Umstände, die der Klägerin die Annahme gestatteten, das beklagte Land lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von weit über die versagte Vorsteuererstattung hinausgehenden Schadensersatzansprüchen ein, weder festgestellt noch werden sie von der Revision dargetan.
53
b) aa) Soweit es um die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs geht, gelten die vorstehenden Ausführungen zu fehlenden Verhandlungen im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB a.F. entsprechend.
54
bb) Die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs ist jedoch, soweit es um Schäden geht, die auf der Festsetzung für die Veranlagungsjahre 1994 und 1995 beruhen, in entsprechender Anwendung des § 209 Abs. 1, § 211 BGB a.F. dadurch unterbrochen worden, dass die Klägerin in unverjährter Zeit unter Ausnutzung des Vorbehalts der Nachprüfung am 29. Juli 1999 nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO beantragt hat, die Ausgangsbescheide abzuändern.
55
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterbricht beziehungsweise hemmt die Inanspruchnahme fachgerichtlichen Primärrechtsschutzes im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs in entsprechender Anwendung von § 209 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 204 Abs. 1 BGB n.F. (vgl. Senatsurteile vom 11. Juli 1985 - III ZR 62/84, BGHZ 95, 238, 242; vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, aaO Rn. 35; vom 10. Februar 2011 - III ZR 37/10, juris Rn. 35). Gleiches gilt für die Durchführung eines vorherigen Widerspruchsverfahrens , soweit dieses nach der jeweiligen Verfahrensordnung erforderlich ist (vgl. Senatsurteile vom 11. Juli 1985 - III ZR 62/84, aaO S. 244; vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, VersR 2005, 1582, 1584).
56
Der Senat hat diese Grundsätze mit Urteil vom 6. Februar 1986 (III ZR 109/84, BGHZ 97, 97, 110) auf die Verjährung von Amtshaftungsansprüchen, die aus dem amtspflichtwidrigen Vollzug eines Planfeststellungsbeschlusses hergeleitet werden, übertragen. Er hat weiter ausgesprochen, dass auch die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch Klage vor den Sozialgerichten die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs unterbricht, der auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialversicherungsträgers gestützt wird (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1988 - III ZR 221/86, BGHZ 103, 242, 246 f; vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99, VersR 2001, 1108, 1112). Auch in der Erhebung einer an eine Frist nicht gebundenen finanzgerichtlichen Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Gewinnfeststellungsbescheids, der Grundlage für die Vollziehung eines unrichtigen Einkommensteuerbescheids war, hat der Senat ein taugliches Mittel des Primärrechtsschutzes mit den angeführten verjährungsrechtlichen Wirkungen gesehen und zugleich ausgesprochen, hiervon sei die Frage zu trennen, ob sich aus der unterlassenen Anfechtung des Einkommensteuerbescheids Rechtsnachteile nach § 839 Abs. 3 BGB ergeben können (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1995 - III ZR 145/94, NJW 1995, 2778,

2779).


57
Der Senat hat es entsprechend dem allgemein anerkannten Vorrang des Primärrechtsschutzes vor dem Sekundärrechtsschutz in den genannten Fällen - nicht zuletzt aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - für sachgerecht angesehen , wenn der Betroffene, ehe er Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung geltend macht, sich zunächst gegen das beanstandete Verwaltungshandeln selbst wendet und versucht, im Wege des primären Rechtsschutzes Abhilfe zu erreichen. Da die öffentliche Hand in diesen Fällen ohnehin damit rechnen muss, dass der Geschädigte nach erfolglosem - und erst recht nach erfolgreichem - Vorgehen im Primärrechtsschutz auch noch Amtshaftungsansprüche erhebt, hat der Senat es für gerechtfertigt gehalten, die angeführten verjährungsrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1989 - III ZR 92/87, NJW 1990, 176, 179; vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 250 f). Dabei hat der Senat die Prozesswirtschaftlichkeit für ein solches Vorgehen nicht nur dann bejaht, wenn die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung gebunden sind (vgl. insoweit Senatsurteil vom 7. Februar 2008 - III ZR 76/07, BGHZ 175, 221 Rn. 10 f mwN), sondern auch in Fällen, in denen - wie bei der sozialrechtlichen Herstellungsklage - die Frage eines pflichtwidrigen Verhaltens eines Beamten nur eine Vorfrage ist, so dass das Ergebnis dieses Verfahrens für den Amtshaftungsprozess keine Bindungen entfaltet (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1988 - III ZR 221/86, aaO S. 245; vom 6. Februar 1997 - III ZR 241/95, NVwZ 1997, 1243, 1244; vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99, aaO S. 1109; vgl. zum Ganzen zuletzt Senatsurteil vom 10. Februar 2011 - III ZR 37/10, juris Rn. 37).
58
(2) Gründe der Sachgerechtigkeit sprechen entscheidend dafür, auch dem im Rahmen eines noch offenen Vorbehalts der Nachprüfung gestellten Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO verjährungsunterbrechende oder -hemmende Wirkung beizumessen. Der Vorbehalt der Nachprüfung, der ein Instrument der Massenverwaltung ist und der Beschleunigung der Steuerveranlagung dient, löst das Spannungsverhältnis zwischen schneller erster und dennoch im Endergebnis richtiger Entscheidung durch eine weitgehende Korrekturmöglichkeit und eine damit verbundene Suspendierung der materiellen Bestandskraft des Steuerbescheids (vgl. Seer, aaO Rn. 1 f). Dabei kann der Vorbehalt der Nachprüfung damit motiviert sein, eine erste - den Steuerpflichtigen möglicherweise zu stark schonende - Festsetzung später zu seinem Nachteil zu ändern, wie es auch umgekehrt denkbar ist, dass der Steuerpflichtige auf der Grundlage einer Schätzung veranlagt wird, deren Ungenauigkeit er im weiteren Verfahren beheben kann (vgl. Heuermann, aaO Rn. 7). Für den Bereich der Umsatzsteuer, in dem die Steuerverwaltung weitgehend auf die Angaben der Steuerpflichtigen angewiesen ist, kann der Vorbehalt der Nachprüfung dazu dienen, Ergebnisse einer vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt ins Auge gefassten Außenprüfung zu berücksichtigen. Auch die nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum erfolglosen Unternehmer gerechtfertigte Korrektur der Vorsteuerabzugsberechtigung konnte durch einen Vorbehalt der Nachprüfung gesichert werden. Wie bereits ausgeführt (siehe oben 2 c), bezieht sich der Vorbehalt der Nachprüfung sowohl auf den dem Steuerfall zugrunde liegenden Sachverhalt als auch auf die rechtliche Prüfung.
59
Vor diesem Hintergrund hat ein Steuerpflichtiger, der sich durch den mit einem Vorbehalt der Nachprüfung versehenen Steuerbescheid beschwert fühlt, nach der Gesetzeskonzeption die Wahl zwischen dem Einspruch und - bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist - einem Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO (vgl. Heuermann, aaO Rn. 44). Der Einspruch dürfte zwar insofern vorzuziehen sein, als er eine Aussetzung der Vollziehung ermöglicht und die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren gezwungen wird, die Sache erneut in vollem Umfang zu überprüfen. Dies führt indes nicht zwingend zu einer abschließenden Prüfung im Sinne von § 164 Abs. 1 Satz 1 AO und damit zu einer Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts (vgl. BFHE 130, 370 f; Heuermann, aaO Rn. 45). Vielmehr bleibt der Vorbehalt im Einspruchsverfahren bestehen, wenn er nicht ausdrücklich aufgehoben wird (vgl. BFHE 141, 492, 493). Einschränkungen in der Änderungsbefugnis bei einem Vorbehalt der Nachprüfung ergeben sich indes, wenn die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über den Ausgangsbescheid entgegensteht (vgl. BFHE 161, 387, 388 f).
60
Wird der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, steht dies nach § 164 Abs. 3 Satz 2 AO einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Diese Vorschrift hat den Sinn, dem Steuerpflichtigen ohne prozessualen Nachteil das Abwarten der vorbehaltenen Endentscheidung zu ermöglichen, so dass er gegen den Aufhebungsbescheid Einspruch einlegen, Anfechtungsklage erheben und die Aussetzung der Vollziehung beantragen kann (vgl. BFHE 138, 422, 423; Heuermann, aaO Rn. 31, 53).
61
Diese unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten, deren jeweilige Wahl dem Steuerpflichtigen überlassen bleibt, sind auch bei der Prüfung der hier zu entscheidenden Frage zu beachten, ob ein Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs unterbricht oder nach neuem Recht hemmt. Zwar mag der Revisionserwiderung darin beigetreten werden, dass ein solcher Änderungsantrag kein förmliches Rechtsmittel ist, so dass es auf den ersten Blick zweifelhaft erscheinen mag, ihn als Mittel des Pri- märrechtsschutzes anzusehen. Andererseits handelt es sich bei ihm aber um eine gesetzlich ausgestaltete Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit eines materiell unrichtigen Steuerbescheids herzustellen und insoweit den Eintritt eines Schadens zu hindern oder zu beseitigen, der entstehen würde oder bestehen bliebe, wenn es bei dem unrichtigen Steuerbescheid verbliebe. Wie der Verlauf der Angelegenheit zeigt, hatte der Änderungsantrag in Bezug auf die Veranlagungsjahre 1994 und 1995 auch Erfolg. Denn nachdem das Finanzamt den Änderungsantrag zunächst mit Bescheid vom 4. November 1999 unter Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts zurückgewiesen hatte, führte der Einspruch der Klägerin vom 30. November 1999 zur Anerkennung der Unternehmereigenschaft durch das Ministerium und im Weiteren zu Änderungsbescheiden des Finanzamts vom 10. Januar 2001 und 31. Januar 2001.
62
Angesichts dieser besonderen Gestaltungsmöglichkeiten, zu einer Überprüfung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Steuerbescheide zu gelangen, hält es der Senat - nicht zuletzt aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - auch in Fällen wie dem vorliegenden für sachgerecht, wenn der Steuerpflichtige vor einer Geltendmachung von Schadensersatz den Versuch unternimmt , mit Hilfe eines Abänderungsantrags die Beschwer aus dem formell bestandskräftigen Steuerbescheid zu beseitigen, zumal sich an einen erfolglosen Antrag ein gerichtliches Verfahren anschließen kann, dessen Ergebnis für den Amtshaftungsprozess im Rahmen der Rechtskraftwirkung bindend wäre. Ein unvertretbares Hinausschieben des Verjährungseintritts ist hierin nicht zu sehen , hat es die Finanzverwaltung doch in der Hand, in welcher Weise sie vor Eintritt der Festsetzungsverjährung von dem Vorbehalt der Nachprüfung Gebrauch macht. Sollte der Vorbehalt weiterhin bestehen, weil das Finanzamt zu einer Nachprüfung noch nicht in der Lage war (siehe auch die Regelung des § 164 Abs. 2 Satz 3 AO, nach der die Entscheidung über den Änderungsantrag bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden kann), entspräche es keinem prozesswirtschaftlichen Vorgehen, daneben dieselben Fragen in einem Amtshaftungsprozess zur Prüfung zu stellen.
63
(3) In entsprechender Anwendung des § 211 Abs. 1 BGB a.F. wurde daher die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs, soweit er auf die Bescheide für 1994 und 1995 gestützt wird, bis zum Erlass der Änderungsbescheide im Januar 2001 unterbrochen. Danach lief die Verjährungsfrist von neuem an. Da sich das beklagte Land mit dem am 3. November 2000 gestellten und am 13. August 2001 näher begründeten und bezifferten Schadensersatzantrag befasste , den es endgültig erst mit Bescheid vom 24. August 2004 ablehnte, dürfte die am 23. August 2005 eingegangene Klage vor Eintritt der Verjährung erhoben sein, wenn es in der Zwischenzeit hierüber zu Verhandlungen gekommen ist. Das hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - noch nicht geprüft (siehe auch I. 3).

III.


64
Die angefochtene Entscheidung kann nicht insgesamt mit der Begründung aufrechterhalten werden, die Klägerin habe versäumt, im Wege der Klage gegen die Einspruchsentscheidung vorzugehen (§ 839 Abs. 3 BGB).
65
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Klägerin angesichts der unterschiedlichen Rechtsbehelfe und Antragsmöglichkeiten gehalten war, Klage allein deshalb zu erheben, weil sie sich die Möglichkeit vorbehalten wollte, das beklagte Land auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Es kommt hinzu, dass im Hinblick auf die Insolvenz der Klägerin im Zeitpunkt der Einspruchsent- scheidung der wesentliche Schaden bereits entstanden war und keine Aussicht mehr bestand, das Unternehmen werbend fortzuführen. Das wäre daher auch durch eine finanzgerichtliche Klage nicht mehr zu erreichen gewesen.
66
Was den Amtshaftungsanspruch angeht, kann dieser - anders als der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch - allerdings nicht mehr darauf gestützt werden, dass die Klägerin für die Veranlagungsjahre 1992 und 1993 nicht als Unternehmerin anerkannt worden ist.
Schlick Dörr Herrmann
Hucke Tombrink
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 09.04.2008 - 5 O 72/05 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 26.02.2010 - 2 U 13/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2011 - III ZR 59/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2011 - III ZR 59/10

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets
Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2011 - III ZR 59/10 zitiert 16 §§.

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung


(1) Die Verjährung wird gehemmt durch1.die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,1a.die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 15 Vorsteuerabzug


(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuera

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Abgabenordnung - AO 1977 | § 171 Ablaufhemmung


(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann. (2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 2 Unternehmer, Unternehmen


(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. G

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 852 Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung


Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vor

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 203 Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen


Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjähru

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 209 Wirkung der Hemmung


Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 211 Ablaufhemmung in Nachlassfällen


Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, tritt nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über d

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Referenzen

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

13
1. Die Vorinstanzen haben die tatbestandlichen Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zutreffend wiedergegeben. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Gemeinschaftsrechtsnorm verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteile vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - Slg. 2003, I-10290, 10305 = NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31; vom 24. März 2009 - Rs. C-445/06 - Danske Slagterier - aaO S. 336 Rn. 20, jeweils m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30, 37; 146, 153, 158 f; 161, 224, 233;162, 49, 51 f; Urteil vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07 - WM 2009, 621, 622 Rn. 12). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien festzustellen (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juni 1999 - Rs. C-302/97 - Konle - Slg. 1999, I-3122, 3139 Rn. 58 f.; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5163 Rn. 44; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157, 2204 Rn. 116).

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 358/03
Verkündet am:
2. Dezember 2004
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Art. 288; Richtlinie 95/21/EG des Rates vom 19. Juni 1995 Art. 9, 11;

a) Die See-Berufsgenossenschaft ist bei der Wahrnehmung der ihr nach § 6
Abs. 1 SeeaufgG zugewiesenen Aufgaben des Bundes nach § 1 Nr. 4
SeeaufgG für Amtspflichtverletzungen ihrer Mitarbeiter haftungsrechtlich
verantwortlich.

b) Auch bei der Geltendmachung eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs
richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit nach
Art. 34 GG. Der Bund, der gemeinschaftsrechtlich verpflichtet ist, den Ersatz
des durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstandenen
Schadens sicherzustellen, ist innerstaatlich nur dann Schuldner eines gemeinschaftsrechtlichen
Staatshaftungsanspruchs, wenn ihn zugleich die
Verantwortlichkeit nach Art. 34 Satz 1 GG trifft.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 - III ZR 358/03 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 21. November 2003 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das genannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 3, vom 29. Juni 2001 wird zurückgewiesen, soweit sie die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage betrifft.
Von den Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszuges und den in diesen Rechtszügen angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 97,8 v.H. und die Beklagte zu 1 2,2 v.H. zu tragen. Von den in diesen Rechtszügen angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 haben die Klägerin 95,6 v.H. und die Beklagte zu 1 4,4 v.H. selbst zu tragen.
Von den Gerichtskosten des Revisionsrechtszuges und den in diesem Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin und die Beklagte zu 1 je 50 v.H. zu tragen. Die Beklagte zu 1 hat ihre im Revisionsrechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Klägerin hat die gesamten außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin, eine nach dem Recht von Panama gegründe te und im dortigen Handelsregister eingetragene Sociedad Anónima, war Reeder des 1971 erbauten, unter der Flagge von Belize fahrenden Bulkcarriers MS "VISVLIET". Sie macht gegen die See-Berufsgenossenschaft (Beklagte zu 1) und die Bundesrepublik Deutschland (Beklagte zu 2) Schadensersatzansprüche in Höhe von 628.790,72 DM, 688.094,85 US-Dollar und 169.685,56 HFL geltend, weil das Schiff in der Zeit vom 3. Oktober 1997 bis zum 25. Februar 1998 im Hamburger Hafen festgehalten wurde. Dem lag folgendes zugrunde:
Wegen Sicherheitsmängeln war das Schiff bereits am 16. Juni 1997 von der Beklagten zu 1 in Hamburg vorübergehend festgehalten worden. Am 18. Juni 1997 war ihm aufgrund eines Klassenzeugnisses das Auslaufen "für eine Reise in Ballast ohne Ladung zu einer Werft im Mittelmeer" gestattet worden. Danach befand es sich - belegt mit einem Auslaufverbot wegen diverser
Mängel - in Rotterdam. Die Klägerin beabsichtigte, das Schiff in der Weise außer Dienst zu stellen, daß es - beladen mit Schrott - eine letzte Fahrt nach Indien antreten und dort mit der Ladung als Schrott verkauft werden sollte. Das Isthmus Bureau of Shipping, eine im Auftrag des Staates Belize in Rotterdam tätige Klassifikationsgesellschaft, stellte der Klägerin am 25. August 1997 ein Sicherheitszeugnis (Interim Cargo Ship Safety Construction Certificate), ein Ausrüstungssicherheitszeugnis (Interim Cargo Ship Safety Equipment Certificate ) sowie ein Freibordzeugnis (Interim International Load Line Certificate) aus, die sämtlich eine Gültigkeitsdauer bis zum 24. Januar 1998 auswiesen und die folgende Nebenbestimmung enthielten:
"Issued for ONE passage - with scrap cargo or in ballast - from th Continent to India / Far East Range between 25 August 1997 th and 24 January 1998 for continuation of surveys and repairs or to be scrapped at Owners option."
Nachdem es der Klägerin nicht gelungen war, Schrott fü r eine Verschiffung nach Indien aufzunehmen, schloß sie am 19. September 1997 mit einer indischen Gesellschaft eine Charter, welche die Ladung von insgesamt ca. 28.000 t Düngemittel in Hamburg zur Verschiffung nach Indien zum Gegenstand hatte. Nach der Ankunft des Schiffes in Hamburg führte die Beklagte zu 1 am 3. Oktober 1997 eine Hafenstaatkontrolle durch und erließ am selben Tage eine Festhalteverfügung, die auf § 17 Abs. 3 der Verordnung über die Sicherheit der Seeschiffe (Schiffssicherheitsverordnung - SchSV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. September 1997 (BGBl. I S. 2217) in Verbindung mit Kapitel I Regel 19 der Anlage zum Internationalen Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (im folgenden SOLAS-Übereinkommen ) und Art. 21 des Internationalen Freibord-Übereinkommens von 1966
gestützt wurde. Es folgten weitere Besichtigungen nach, die erhebliche Korrosionsschäden zutage förderten und sich am 28. Oktober 1997 in der Aufforderung der Beklagten zu 1 niederschlugen, eine Untersuchung des Schiffes entsprechend den Forderungen des "Enhanced Survey Programs" für Bulkcarrier im Rahmen einer Klasseerneuerung durchzuführen. Dies kam für die Klägerin jedoch aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht. Sie fragte am 11. Dezember 1997 bei der Beklagten zu 1 an, welche Maßnahmen einzuleiten seien, um das Schiff als Anhang eines Schleppzuges aus dem Hafen zu bringen. Die Beklagte zu 1 wies in ihrer Antwort vom 12. Dezember 1997 darauf hin, daß das Schiff vollständig aufgebraucht und zum Transport auf See nicht mehr geeignet sei. Vielmehr solle das Schiff zur Verschrottung verschleppt werden. Hierfür sei es erforderlich, den Verschlußzustand des Schiffes herzustellen und weitere Maßnahmen durchzuführen, die nach einer auf Antrag unter Beifügung einer Kostenübernahmeerklärung von 50.000 DM vorzunehmenden Besichtigung festzulegen seien. Dem anschließend geäußerten Wunsch der Klägerin, das Schiff nach Rotterdam zu schleppen, um es nach Entscheidung der dortigen Hafenbehörde zu verschrotten oder reparieren zu lassen, trat die Beklagte zu 1 mit der Auffassung entgegen, da in Hamburg ausreichende Reparaturmöglichkeiten bestünden, komme nach Art. 11 Abs. 1 der "Richtlinie 95/21/EG des Rates vom 19. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 157/1) zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle)" nur eine Schlepperlaubnis zur Verschrottung in Betracht; eine Genehmigung zur Verschleppung nach Rotterdam zur dortigen Durchführung von Reparaturarbeiten könne nicht erteilt werden. Nachdem die Klägerin am 2. Januar 1998 beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung mit
dem Ziel beantragt hatte, ihr zu gestatten, das Schiff nach Durchführung der erforderlichen provisorischen Maßnahmen nach Rotterdam verschleppen zu lassen, um dort die für eine Wiederinbetriebnahme des Schiffs erforderlichen Reparaturarbeiten vornehmen zu können, nahm die Beklagte zu 1 in einem der Klägerin am 12. Januar 1998 zugegangenen Schriftsatz von ihrer Auffassung Abstand, die für ein Auslaufen oder eine Weiterfahrt des Schiffes mit Ladung oder in Ballast erforderlichen Reparaturen müßten in Hamburg erfolgen. Die Klägerin stellte sodann am 14. Januar 1998 bei der Beklagten zu 1 den Antrag, das Schiff zu besichtigen, um die erforderlichen Maßnahmen für eine Verschleppung nach Rotterdam festzulegen, und zahlte am 6. Februar 1998 den Verwaltungskostenvorschuß ein. Die Beklagte zu 1 legte am 21. Januar 1998 nach einer Besichtigung die erforderlichen Maßnahmen fest und erteilte der Klägerin nach deren Erfüllung am 24. Februar 1998 die begehrte Erlaubnis. Das Schiff verließ Hamburg am 25. Februar 1998 im Schleppzug. In Rotterdam wurde es für eine letzte Reise nach Indien in Ballast wieder hergerichtet. Mit Zustimmung der Rotterdamer Hafenbehörden und des Lloyds-Registers fuhr das Schiff durch den Suezkanal nach Indien, wo es schließlich verschrottet wurde.
Die Klägerin, die das Festhalten des Schiffes in Hambur g für rechtswidrig angesehen hat, hatte beim Landgericht keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klage wegen einer Verzögerung der Freigabe um drei Wochen gegen beide Beklagte in Höhe von 53.252,59 € nebst Zinsen entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision der Beklagten zu 1 ist unbegründet, währen d die Revision der Beklagten zu 2 Erfolg hat. Die Klägerin kann nur die Beklagte zu 1 auf Ersatz ihres durch die Verzögerung der Freigabe entstandenen Schadens in Anspruch nehmen.

I.


Unbegründet sind die Einwände der Revision gegen die Parteifähigkeit der Klägerin und gegen die Zulässigkeit der Berufung, soweit diese sich gegen die Beklagte zu 2 richtet.
1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin als im Handelsregister eingetragene Sociedad Anónima nach den in Panama geltenden Vorschriften das Recht hat, zu klagen und verklagt zu werden, und daß dies auch dann gilt, wenn die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz außerhalb der Republik Panama hat. Unterstelle man den Vortrag der Beklagten als richtig, der Verwaltungssitz der Klägerin befinde sich in den Niederlanden, ergebe sich nichts anderes. Das niederländische internationale Gesellschaftsrecht, welches von der Verweisung des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts nach der Regel des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB mit umfaßt sei, verweise nämlich auf das Recht von Panama weiter. Denn in den Niederlanden gelte im internationalen Gesellschaftsrecht die Gründungstheorie, nach der das Statut einer Gesellschaft dem Recht des Staates unterliege, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet worden sei.

Das hält der auf die Anwendung deutschen Rechts beschränkt en rechtlichen Überprüfung (§ 545 Abs. 1 ZPO) stand.

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung zum deutschen intern ationalen Gesellschaftsrecht beurteilt sich die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes (sogenannte Sitztheorie , vgl. BGHZ 97, 269, 271 m.w.N.). Eine starre Anwendung dieses Grundsatzes steht jedoch, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 5. November 2002 (Rs. C-208/00 - Überseering - NJW 2002, 3614, 3616 zu Rn. 82) entschieden hat, mit der in Art. 43 und 48 EG gewährleisteten Niederlassungsfreiheit in Widerspruch, soweit sie darauf hinausläuft, die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, mit der Folge in Frage zu stellen, daß sie sich nach dem Recht des Aufnahmestaates neu gründen muß. Der Bundesgerichtshof hat im Anschluß an dieses Urteil des Gerichtshofs für den Rechtsraum der Europäischen Gemeinschaften daher entschieden, daß eine Gesellschaft nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht hinsichtlich ihrer Rechtsfähigkeit dem Recht des Mitgliedstaates zu unterstellen ist, in dem sie gegründet worden ist und in dem sie weiterhin ihren satzungsmäßigen Sitz hat (vgl. BGHZ 154, 185, 190).

b) Die Frage, ob außerhalb dieses Rechtsraums an der he rkömmlichen Sitztheorie festzuhalten ist oder ob dem Gründungsstatut auch bei der Gesellschaftsgründung in Drittstaaten höheres Gewicht zukommt, bedarf im hier zu beurteilenden Fall keiner abschließenden Beantwortung. Stellt man auf das Gründungsstatut der Klägerin in Panama ab, ist nach den für das Revisionsver-
fahren maßgebenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 560 ZPO) davon auszugehen, daß die Klägerin parteifähig ist. Wendet man die Sitztheorie an, ist die Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin mit einem (unterstellten) Verwaltungssitz in den Niederlanden nach dem Recht dieses Staates, und zwar nach der Regel des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unter Einschluß dessen internationalen Privatrechts, zu beurteilen. Verweist das Recht des Sitzstaates für das Gesellschaftsstatut auf das Recht des Gründungsstaates und folgt das Recht des Staates am tatsächlichen Verwaltungssitz der Gründungstheorie, kommt - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - grundsätzlich eine Weiterverweisung auf das Recht des Gründungsstaates in Betracht (vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1990, 2204, 2205; Kindler, in: MünchKomm-BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1999, Rn. 378 f; Staudinger/Großfeld , BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Neubearb. 1998, Rn. 108).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts folgt das ni ederländische internationale Gesellschaftsrecht der Gründungstheorie und verweist damit für das Gesellschaftsstatut auf das Recht von Panama, nach dessen Recht die Klägerin gegründet worden ist. Diese Auffassung, die in der Literatur geteilt wird (vgl. Kindler, aaO Rn. 381; mit gewissen Einschränkungen Gotzen, Niederländisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 842 f; Staudinger / Großfeld, aaO Rn. 157) - auch die niederländische Regierung hat im Verfahren "Inspire Art" vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften diesen Grundsatz hervorgehoben (vgl. Urteil vom 30. September 2003 - Rs. C167 /01 - WM 2003, 2042, 2047 f unter Rn. 77 f) -, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Nachprüfung. Verfahrensrügen wegen unzureichender Ermittlung des niederländischen Rechts vermag der Senat der Revisionsbegründung nicht
zu entnehmen. Soweit die Revision unter Bezugnahme auf die angeführte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 30. September 2003 auf Art. 1 bis 5 der Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen (Gesetz über formal ausländische Gesellschaften) vom 17. Dezember 1997 verweist und diesen Bestimmungen eine nur eingeschränkte Geltung der Gründungstheorie entnehmen will, vermag dies die nach dem Recht von Panama bestehende Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin nicht in Frage zu stellen. Aus den in den Rn. 22 bis 33 des Urteils des Gerichtshofs (aaO S. 2044) inhaltlich wiedergegebenen Bestimmungen ergibt sich zwar, daß formal ausländische Gesellschaften, die ihre Tätigkeit vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausüben und daneben keine tatsächliche Bindung an den Staat haben, in dem das Recht gilt, nach dem sie gegründet wurden , zusätzlichen Verpflichtungen - auch in bezug auf ein haftendes Mindestkapital und eine Geschäftsführerhaftung - unterliegen sollen. Die Rechts- und Parteifähigkeit der ausländischen Gesellschaften wird von diesen Bestimmungen jedoch nicht berührt.
2. Die Klägerin hat nach Abweisung der Klage gegen das angefochtene Urteil Berufung eingelegt und in ihrer Berufungsbegründung die auch in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge angekündigt, die Beklagten zu verurteilen , als Gesamtschuldner an sie die bereits erstinstanzlich begehrten Beträge zu zahlen. Mit dem Inhalt dieser Anträge ist die Berufung auch in Ansehung der Beklagten zu 2 unbedingt geführt worden. Die Berufungsbegründung enthält zwar in der Überschrift "4. Die hilfsweisen Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 wegen Nichtumsetzung der Hafenstaatkontroll-Richtlinie" eine Wendung , die Anlaß zur Frage geben könnte, ob die Klägerin die Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 nur für den Fall gelten lassen wollte, daß ein Anspruch aus
Amtshaftung ebenso wie ein Anspruch aus unmittelbarer Anwendung von Art. 9 Abs. 7 Satz 2 der Richtlinie gegen die Beklagte zu 1 scheitere. Abgesehen davon , daß die Klägerin auf entsprechende Einwände der Beklagten zu 2 klargestellt hat, daß sie diese nicht nur hilfsweise in Anspruch nehmen wolle, ergibt sich aus ihrer Prozeßführung insgesamt, daß sie aus Gründen der Vorsicht das gegen die Beklagte zu 2 angestrengte Verfahren fortsetzen wollte, das vor allem erstinstanzlich auf eine Konkurrenz verschiedener Ansprüche gegen beide Beklagte gestützt wurde. Der Senat, der zu einer Auslegung prozessualer Erklärungen befugt ist, würdigt das Vorbringen der Klägerin so, daß sie die mögliche Verurteilung der Beklagten zu 2 nicht unter eine Bedingung gestellt hat.

II.


1. Das Berufungsgericht zieht als Anspruchsgrundlage für das Schadensersatzbegehren der Klägerin Art. 9 Abs. 7 Satz 2 der Richtlinie 95/21/EG heran. Hiernach hat der Eigentümer oder Betreiber eines Schiffes Anspruch auf Ersatz des erlittenen Verlustes oder Schadens, wenn das Schiff in unangemessener Weise festgehalten oder aufgehalten wird. Das Berufungsgericht führt weiter aus, die Richtlinie sei zwar in bezug auf diese Bestimmung erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist (30. Juni 1996; Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt worden, indem durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163) ein neuer § 3e in das Seeaufgabengesetz (SeeaufgG) in der Fassung vom 18. September 1998 (BGBl. I S. 2986) eingefügt wurde (vgl. auch die Bekanntmachung der Neufassung des Seeaufgabengesetzes vom 26. Juli 2002,
BGBl. I S. 2876). Die Klägerin könne sich aber unmittelbar auf diese Richtlinienbestimmung berufen, da die Richtlinie die Rechte, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden könnten, unbedingt und inhaltlich so bestimmt festlege , daß es zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedürfe. Die Richtlinie sei auch auf die Klägerin als Rechtssubjekt der Republik Panama anwendbar, weil eine Beschränkung des Kreises der Normadressaten auf Gemeinschaftsbürger mit der internationalen Geltung der von der zuständigen Behörde des Hafenstaates bei der Überprüfung von Seeschiffen einzuhaltenden Abkommen nicht zu vereinbaren sei. Der Schadensersatzanspruch richte sich gegen das Organ, welches die konkrete Entscheidung in fehlerhafter Anwendung der unmittelbar heranzuziehenden Richtlinie getroffen habe. Das sei die Beklagte zu 1, der die Beklagte zu 2 die Durchführung der Richtlinie gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 SchSV i.V.m. § 1 Nr. 4, § 6 Abs. 1 SeeaufgG auferlegt habe. Daneben hafte die Beklagte zu 2 unter dem Gesichtspunkt eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs, weil jeder Verstoß eines nationalen Organs gegen EU-Recht zugleich einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen das Gemeinschaftsrecht darstelle.
In der Sache nimmt das Berufungsgericht an, der Kläger in stehe ein Schadensersatzanspruch zu, weil die Beklagte zu 1, die das Schiff zunächst rechtmäßig festgehalten habe, auf das Anerbieten der Klägerin, das Schiff nach Rotterdam verschleppen zu lassen, verspätet eingegangen sei. Die Beklagte zu 1 habe sich zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, der Klägerin bleibe nur die Alternative, das Schiff in Hamburg reparieren oder zum Verschrottungshafen abschleppen zu lassen. Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr mache es keinen Unterschied, ob das Schiff zur Reparatur oder zum Verschrotten abgeschleppt werde. Soweit sich die Beklag-
te zu 1 auf Art. 11 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 95/21/EG gestützt habe , gehe es in diesen Bestimmungen lediglich um die Voraussetzungen, unter denen einem mit Sicherheitsmängeln behafteten Schiff die Weiterfahrt erlaubt werden könne. Davon sei das Verschleppen zu unterscheiden, zumal es die Beklagte zu 1 in der Hand gehabt habe, durch geeignete Auflagen - wie später geschehen - sicherzustellen, daß das Abschleppen gefahrlos vonstatten gehen könne. Erst nachdem die Beklagte zu 1 ihre in mehreren Schreiben eingenommene unnachgiebige Haltung aufgegeben habe, sei es der Klägerin zuzumuten gewesen, einen für die Festlegung erforderlicher Maßnahmen förmlichen Besichtigungsantrag zu stellen. Durch das Verhalten der Beklagten zu 1 sei das Schiff für drei Wochen unangemessen aufgehalten worden, so daß die Klägerin so zu stellen sei, als hätte das Schiff bereits am 4. Februar 1998 aus dem Hamburger Hafen geschleppt werden können. Daß sie den Kostenvorschuß erst am 6. Februar 1998 eingezahlt habe, sei ohne Bedeutung, weil die Beklagte zu 1 ihr Tätigwerden tatsächlich nicht hiervon abhängig gemacht habe.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Bediensteten der Beklagten zu 1 hätten ein Auslaufen des Schiffes als Anhang eines Schleppzuges unangemessen verzögert, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Festhalteverfügung, die sich gegen ein Schiff unter fremder Flagge richtete, auf das das Internationale Freibord-Übereinkommen von 1966 und das Internationale Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS-Übereinkommen) Anwendung fand, hatte ihre Grundlage in § 17 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SchSV. Sie hatte - für die Entscheidung im jetzigen Verfahrensstadium nicht mehr bedeutsame - Sicherheitsmängel zum Gegenstand, die einer Weiterfahrt und einem Auslaufen des Schiffs aus
eigener Kraft entgegenstanden. Sowohl nach allgemeinen polizeirechtlichen Erwägungen der Gefahrenabwehr als auch nach dem Sinn der angeführten internationalen Übereinkommen ist bei einer so schwerwiegenden und mit erheblichen finanziellen Auswirkungen verbundenen Maßnahme wie einer Festhalteverfügung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

a) Dies findet etwa Ausdruck in der Pariser Vereinbarun g vom 26. Januar 1982 über die Hafenstaatkontrolle (BGBl. II S. 585), in deren Ziffer 3.11 davon gesprochen wird, daß die Behörden bei der Ausübung der Kontrolle alle nur möglichen Anstrengungen unternehmen, um ein unangemessenes Festoder Aufhalten des Schiffs zu vermeiden. In Ziffer 1.2 der Anlage 1, die Grundsätze für die Beseitigung von Mängeln bzw. das Festhalten eines Schiffes betrifft , heißt es, daß der Besichtiger seine fachmännische Entscheidung darüber trifft, ob das Schiff bis zur Beseitigung der Mängel festgehalten wird oder ob es mit bestimmten Mängeln, die keine unvertretbare Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt darstellen, auslaufen darf, wobei er die besonderen Umstände der beabsichtigten Reise berücksichtigt. Der Besichtiger hat hiernach also nicht allein in Erwägung zu ziehen, ob Mängel, die einem Auslaufen entgegenstehen , in dem Hafen, in dem die Kontrolle durchgeführt wird, (endgültig) beseitigt werden können oder nicht (vgl. Ziffern 3.7 und 3.8 der Pariser Vereinbarung ).

b) Ähnliche Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sind auch dem SOLASÜbereinkommen zu entnehmen, das in Kapitel I Regel 19 lit. a bis e die Befugnisse der Behörden der Hafenstaatkontrolle umschreibt und in lit. f bestimmt, daß bei der Ausübung der Kontrolle alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen sind, um ein unangemessenes Fest- oder Aufhalten des Schiffs zu
verhindern. Der in dieser Bestimmung enthaltenen Schadensersatzregelung bei unangemessenem Festhalten hat der Bundestag durch Art. 1 Abs. 2 des MARPOL-Gesetzes vom 23. Dezember 1981 (BGBl. 1982 II, S. 2) zugestimmt und sie durch Art. 4 Nr. 2 des am 24. Juli 1997 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet d er Seeschifffahrt vom 17. Juli 1997 (BGBl. I S. 1832) dahin klargestellt, daß der Ausdruck "Schiff" (als Anspruchsberechtigten) den Eigentümer und den Betreiber des Schiffs einschließt (Art. 1c des MARPOL-Gesetzes).

c) Aus der Richtlinie 95/21/EG über die Hafenstaatkontr olle, deren Durchführung bereits durch die Siebente Verordnung zur Änderung der Schiffssicherheitsverordnung vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1710) nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 SeeaufgG in die Hände der Beklagten zu 1 gelegt worden ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SchSV), ergibt sich nichts anderes. Sie ist vielmehr - wie sich aus ihrem Art. 1 ergibt - darauf angelegt, die Einhaltung internationaler und einschlägiger gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften für die Sicherheit auf See, den Schutz der Meeresumwelt sowie der Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord der Schiffe aller Flaggen zu fördern sowie gemeinsame Kriterien für die Kontrolle von Schiffen durch den Hafenstaat festzulegen und die Verfahren für die Überprüfung und das Festhalten zu vereinheitlichen, wobei die Verpflichtungen, welche die Seeschiffahrtsbehörden der Mitgliedstaaten in der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle eingegangen sind, gebührend zu berücksichtigen sind. Es überrascht daher nicht, sondern ist eher Ausdruck einer bereits seit längerem bestehenden Überprüfungspraxis, daß die Richtlinie in Art. 9 Abs. 7 verlangt, bei der Ausübung der Hafenstaatkontrolle alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein unangemessenes Festhalten oder Aufhalten des Schiffs zu vermeiden. Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie läßt ein Festhalten des Schiffes zu
ein Festhalten des Schiffes zu bei Mängeln, die eindeutig eine Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt darstellen, und rechtfertigt seine Fortdauer , solange die Gefahr nicht beseitigt ist oder die Behörde nicht feststellt, daß das Schiff unter den erforderlichen Auflagen auslaufen kann, ohne daß dies eine Gefahr darstellt. Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie darf die Behörde dem Schiff die Weiterfahrt zur nächstgelegenen geeigneten Reparaturwerft erlauben , wenn Mängel im Sinn von Art. 9 Abs. 2 im Überprüfungshafen nicht beseitigt werden können. Die Revision will aus dem Zusammenspiel der beiden Bestimmungen folgern, die Aufhebung einer Festhalteverfügung komme nicht in Betracht, wenn die Werften im Überprüfungshafen - wie hier - in der Lage (gewesen ) seien, die Mängel zu beseitigen. Abgesehen davon, daß sich die Beklagte zu 1 mit ihrem eigenen späteren Verhalten sehenden Auges ins Unrecht gesetzt hätte, wenn man die Richtlinie in diesem Sinn verstehen müßte, übersieht die Revision weitere wesentliche Gesichtspunkte, die die Beklagte zu 1 bei ihrer Entscheidung zu beachten hatte. Zum einen folgt aus der Pflicht, alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein unangemessenes Aufhalten zu vermeiden, eine stärkere Berücksichtigung von Möglichkeiten, unter bestimmten Auflagen einer aufgetretenen Gefahr zu begegnen - eine Option, die im übrigen in Art. 9 Abs. 2 ausdrücklich erwähnt wird -, zum anderen wird der Besichtiger in Art. 9 Abs. 3 auf Kriterien hingewiesen, die im Anhang VI der Richtlinie aufgeführt sind. Dort heißt es im Bereich des hier angewendeten Freibord-Übereinkommens unter Ziffer 3.5.1:
"Größere Bereiche mit Schäden oder Korrosion, Lochfraß in Beplattung und Steifen von Decks und Schiffskörper, wodurch die Seetüchtigkeit und die Festigkeit bei örtlichen Belastungen beeinträchtigt werden, sofern nicht eine sachgemäße vorläufige Reparatur für die Reise zu einem Hafen zwecks dauerhafter Reparatur durchgeführt worden ist."

Auch aus dieser Bestimmung folgt, daß eine vollständige Reparatur im Überprüfungshafen nicht zwingend geboten ist, wenn der festgestellten Gefahr auf andere Weise begegnet werden kann. Der Senat zweifelt nicht daran, daß die Beklagte zu 1 die Verschleppung des Schiffs nur unter solchen Auflagen gestattet hat, die es sicherstellten, Gefahren für die Sicherheit, Gesundheit und Umwelt zu vermeiden. Gab es aber eine solche Möglichkeit und war die Klägerin bereit, die insoweit erforderlichen Maßnahmen durchzuführen, war ein weiteres Festhalten des Schiffs nach Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie nicht mehr gerechtfertigt. Der Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es - was die Gefahrenlage und ihre Bewältigung angeht - keinen Unterschied macht, ob das Schiff zu einer Reparaturwerft oder direkt zum Verschrotten geschleppt wird. Indem die Beklagte zu 1 im Dezember 1997 durch ihre mehrfache Ablenung der erstgenannten Alternative die schließlich gefundene Lösung verzögert hat, hat sie das Schiff der Klägerin im Sinne der Richtlinie unangemessen aufgehalten.
3. a) Dieses Verhalten begründet - unbeschadet, daß auch Art. 1 Abs. 2 des MARPOL-Gesetzes in Verbindung mit Kapitel I Regel 19 lit. f des SOLASÜbereinkommens als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt - jedenfalls Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. An der Drittgerichtetheit der Pflichten, die die Beklagte zu 1 gegenüber der Klägerin wahrzunehmen hatte, bestehen keine Zweifel. Für das Verhalten ihrer Mitarbeiter hat auch die Beklagte zu 1 - eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 SGB IV, § 114 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nr. 35 SGB VII) - selbst einzustehen und nicht - wie sie meint - die Beklagte zu 2. Bei der Schiffahrtsverwaltung handelt es sich gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG um eine Aufgabe, die der
Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 Abs. 2 Satz 2 GG um eine Aufgabe, die der Bund in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen hat. Für den Bereich der Seeschiffahrt hat der Bund der Beklagten zu 1 in § 6 Abs. 1 SeeaufgG in der Fassung der hier anwendbaren Bekanntmachung vom 13. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2803) Bundesaufgaben - unter anderem die Überwachung der Verkehrs- und Betriebssicherheit der Wasserfahrzeuge gemäß § 1 Nr. 4 SeeaufgG - übertragen. Dementsprechend sind bei den Kontrollen und maßgebenden Entscheidungen Mitarbeiter der Beklagten zu 1 tätig geworden. Der Haftung der Beklagten zu 1 läßt sich auch nicht entgegenhalten, ihre Mitarbeiter hätten vorliegend keine körperschaftlichen Selbstverwaltungsaufgaben , sondern - im Wege der "Organleihe" - Aufgaben der Bundesverwaltung wahrgenommen. In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, daß die Frage der haftenden Körperschaft im Sinne des Art. 34 GG danach zu beantworten ist, wer den fehlsam handelnden Amtsträger mit der Durchführung der Aufgabe betraut hat; ob die konkrete Aufgabe, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgekommen ist, in den Aufgabenkreis dieser (Anstellungs -)Körperschaft fällt, bleibt dagegen grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Senatsurteile BGHZ 99, 326, 330; vom 27. Januar 1994 - III ZR 109/92 - NVwZ 1994, 823; vom 11. Mai 2000 - III ZR 258/99 - NVwZ 2000, 963, 964). Dementsprechend haftet etwa für Amtspflichtverletzungen, die ein gemeindlicher Amtsträger bei der Wahrnehmung staatlicher Auftragsangelegenheiten (Pflichtaufgaben nach Weisung) begeht, die Gemeinde und nicht der Staat (vgl. Staudinger / Wurm, BGB, 13. Bearbeitung 2002, § 839 Rn. 57). Ähn lich liegt der Fall hier. Die - nicht unproblematische - Konstruktion der Organleihe mag geeignet sein, die Heranziehung einer bundesrechtlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, die an sich nur in unmittel-
barer Bundesverwaltung erledigt werden dürfen, verfassungsrechtlich zu rechtfertigen (siehe hierzu Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 202 f; Bekkert /Breuer, Öffentliches Seerecht, 1991, Rn. 522). Haftungsrechtlich ist jedoch allein entscheidend, daß es sich bei der Beklagten zu 1 um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt und damit um ein taugliches Haftungssubjekt (vgl. Staudinger/Wurm, aaO Rn. 54). Anders als in Fällen, in denen der Senat über die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Gemeinde für das Verhalten eines vom Land entliehenen Beamten entschieden hat (vgl. Urteil vom 19. Januar 1989 - III ZR 258/87 - LM BGB § 839 Ca Nr. 73), ist hier weder vorgetragen noch erkennbar, daß der Bund - von der Wahrnehmung der Fachaufsicht durch das zuständige Bundesministerium abgesehen - den Einsatz der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 steuert, sie kontrolliert oder ihnen Weisungen erteilt. Daß schließlich der Bund nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 4 Nr. 4 der Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und über das Verfahren bei der Vertretung vom 6. Mai 1997 (VkBl. 1997, 402) durch das Bundesministerium für Verkehr, dieses durch die Beklagte zu 1 vertreten wird, berührt die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1 nicht. Die durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163) eingefügte Vorschrift des § 3e SeeaufgG, die der Umsetzung von Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie 95/21/EG dient und die Haftung der Verkehrsbehörde des Bundes zuweist, die das unangemessene Festhalten amtlich veranlaßt hat, knüpft an die zu Art. 34 GG entwickelten Grundsätze der haftenden Körperschaft an und bestätigt die Überlegungen zur haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1.

b) Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab des Amtshaftu ngsrechts ist auch von einem Verschulden der Bediensteten der Beklagten zu 1 auszugehen. Die Beklagte zu 1 kann sich nicht darauf berufen, bei der Anwendung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie sei ein ihr in § 17 SchSV grundsätzlich eingeräumtes Ermessen in dem Sinn auf Null reduziert worden, daß sie auf eine Reparatur im Überprüfungshafen habe bestehen müssen. Damit gibt sie den Richtlinienbestimmungen im Zusammenhang einen ihnen nicht zukommenden Inhalt (vgl. oben II 2 c). Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, daß die Richtlinie 95/21/EG in der Europäischen Gemeinschaft insgesamt eine einheitliche und wirkungsvolle - und damit wohl auch eine konsequentere - Durchsetzung internationaler Normen verfolgt (vgl. Siebente Begründungserwägung). Inhaltlich knüpft sie aber an die Beachtung und Anwendung internationaler Übereinkommen an, die schon vor dem Ablauf der für die Richtlinie geltenden Umsetzungsfrist zum täglichen Geschäft der Beklagten zu 1 gehörten.
Die Beklagte zu 1 entlastet auch nicht, daß das Landgeri cht ihre Weigerung , das Verschleppen zu gestatten, als nicht rechtswidrig angesehen hat. Dies beruht nicht etwa auf einer anderen rechtlichen Würdigung des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie oder auf einer anderen Gewichtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - insoweit geht auch das Landgericht davon aus, die Beklagte zu 1 habe sich auf einen fehlerhaften Rechtsstandpunkt gestellt -, sondern auf der Erwägung, die Klägerin habe sich die Verzögerungen selbst zuzuschreiben , weil sie den von der Beklagten zu 1 von Beginn an geforderten Besichtigungsantrag nicht gestellt und den Vorschuß für ein Tätigwerden nicht eingezahlt habe. Damit fehlt es aber an einer erschöpfenden Würdigung des Schriftwechsels zwischen den Parteien. Die Klägerin ist nicht etwa untätig geblieben , sondern hat sich gegen den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu 1 ge-
wehrt. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Stellung eines förmlichen Besichtigungsantrags im Vorfeld der von der Klägerin verfolgten Verschleppung des Schiffs nach Rotterdam zur Reparatur keinen Sinn gehabt. Es kann der Klägerin auch nicht angelastet werden, daß sie sich (erst) Anfang Januar 1998 an das Verwaltungsgericht gewandt hat; vielmehr war dies erst sachgemäß, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Beklagte zu 1 den in mehreren Schreiben im Dezember 1997 eingenommenen Rechtsstandpunkt nicht aufzugeben bereit war. Nach Aufgabe dieses Rechtsstandpunkts in einem der Klägerin am 12. Januar 1998 zugegangenen Schriftsatz hat diese am 14. Januar 1998 unverzüglich den Besichtigungsantrag gestellt. Daß zu diesem Zeitpunkt der Kostenvorschuß noch nicht eingegangen war, hat die Beklagte zu 1 mit Recht nicht davon abgehalten, die Besichtigung vorzunehmen und die erforderlichen Maßnahmen festzulegen. Zu einer solchen Verfahrensweise bestand schon im Hinblick auf die ihr zuzurechnenden Verzögerungen Anlaß. Die Beklagte kann ihre Schadensersatzpflicht daher auch nicht mit dem Zeitpunkt des Eingangs des gezahlten Vorschusses in Frage stellen.

c) Gegen die Höhe des zuerkannten Anspruchs, die das Beruf ungsgericht den Parteien bereits mit Hinweisbeschluß vom 2. Juni 2003 bekanntgegeben hat, sind von der Beklagten zu 1 keine substantiierten Einwendungen erhoben worden. Dies gilt auch für die Heuerkosten, hinsichtlich derer die Klägerin behauptet hatte, die Besatzung habe bis zum Ende der erzwungenen Liegezeit in Hamburg unter Vertrag gestanden.
4. Die Klage ist indessen unbegründet, soweit sie gegen die Beklagte zu 2 gerichtet ist. Soweit es um die Amtspflichtverletzungen der Mitarbeiter der Be-
klagten zu 1 im Sinn des § 839 BGB geht, hat diese nach Art. 34 GG hierfür einzustehen (vgl. oben II 3 a).
Eine Haftung der Beklagten zu 2 kommt daher nur unter dem Gesichtspunkt des vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs in Betracht. Hiernach ist der Mitgliedstaat zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die dem einzelnen durch diesem zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, gleichviel, ob der zur Last gelegte Verstoß dem nationalen Gesetzgeber, seiner Verwaltung oder seinen letztinstanzlich entscheidenden Gerichten zuzuschreiben ist, sofern die verletzte Gemeinschaftsrechtsnorm bezweckt, dem einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und den dem einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. Urteil vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31 m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30; 146, 153, 158 f; Beschluß vom 28. Oktober 2004 - III ZR 294/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 ist hier unter zwei Gesichtspunkten zu prüfen.

a) Zum einen geht es um die Frage, ob die Beklagte zu 2 dafür haftbar zu machen ist, daß sie den Schadensersatzanspruch nach Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie 95/21/EG erst lange nach Ablauf der Umsetzungsfrist (30. Juni 1996; Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie) durch Einfügung des § 3e SeeaufgG durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163) in nationales Recht umgesetzt hat, so daß sich die Klägerin wegen des ihr entstandenen Schadens gegenüber der Beklagten zu 1 nicht auf diese Norm beziehen konnte. Der Senat kann offen las-
sen, ob die Richtlinienbestimmung nicht nur Gemeinschaftsbürgern, sondern auch Eigentümern und Betreibern aus Drittstaaten, die der Hafenstaatkontrolle unterworfen werden sollen, Rechte verleihen wollte, wie es im Ergebnis auch in § 3e SeeaufgG vorgesehen ist. Der Klägerin ist nämlich aus dieser Säumnis des nationalen Gesetzgebers, der andere Teile der Richtlinie 95/21/EG früher umgesetzt hat, kein Schaden entstanden. Denn ihr stehen - wie ausgeführt - aufgrund des amtspflichtwidrigen Verhaltens der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 Amtshaftungsansprüche gegen diese zu, die in ihrem Umfang nicht hinter dem zurückbleiben, was sie bei rechtzeitiger Umsetzung der Schadensersatzregelung in Art. 9 Abs. 7 der Richtlinie hätte erlangen können.

b) Eine Haftung ist auch unter dem Gesichtspunkt zu prüfe n, daß durch das Verwaltungshandeln der Beklagten zu 1 nicht nur Amtspflichten verletzt sind, die das innerstaatliche Recht betreffen, sondern zugleich Normen des Gemeinschaftsrechts, die eine gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung auslösen. Eine solche Konstellation wird insbesondere dann auftreten, wenn die Verstöße Gebiete betreffen, in denen das nationale Recht gemeinschaftsrechtlich harmonisiert worden ist (vgl. aus der Senatsrechtsprechung etwa BGHZ 146, 153, 158). Das Berufungsgericht hat angenommen, in einer solchen Konstellation trete neben die Haftung des nationalen Organs immer auch ein gegen den Mitgliedstaat selbst gerichteter Staatshaftungsanspruch. Dies ist jedoch nach der im folgenden zu erörternden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemeinschaftsrechtlich nicht geboten.
In seinem Urteil vom 1. Juni 1999 (Rs. C-302/97 - Konl e - Slg. 1999, I-3122, 3140 zu Rn. 61 bis 64) hat der Gerichtshof entschieden, ein bundesstaatlich aufgebauter Mitgliedstaat könne seine gemeinschaftsrechtlichen Ver-
pflichtungen auch dann erfüllen, wenn nicht der Gesamtstaat den Ersatz der einem einzelnen durch gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Maßnahmen entstandenen Schäden sicherstellt, sondern - wie zu ergänzen ist - das einzelne Bundesland. Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Juli 2000 (Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5158 ff zu Rn. 25 bis 34) auf die Frage des vorlegenden Gerichts, ob die Haftung einer rechtlich selbständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft neben der Haftung des Mitgliedstaates gegeben sein könne, dahin fortentwickelt und präzisiert, daß dies auch für Mitgliedstaaten gilt, in denen - unabhängig davon, ob sie bundesstaatlich aufgebaut sind oder nicht - bestimmte Gesetzgebungs- oder Verwaltungsaufgaben dezentralisiert von Gebietskörperschaften mit einer gewissen Autonomie oder von anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, die vom Staat rechtlich verschieden sind (in casu eine Kassenärztliche Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland), wahrgenommen werden. In diesen Mitgliedstaaten könnten die Schäden, die eine öffentliche Einrichtung unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verursacht habe, daher von dieser ersetzt werden (aaO S. 5160 zu Rn. 31). Zwar findet sich in beiden Entscheidungen des Gerichtshofs (Konle Rn. 62; Haim II Rn. 28) die Wendung, ein Mitgliedstaat könne sich seiner Haftung nicht dadurch entziehen, daß er auf die Aufteilung/interne Verteilung der Zuständigkeit(en) und der Haftung auf Körperschaften verweise, die nach seiner Rechtsordnung bestünden. Diese Formulierung legt für sich genommen den Schluß nahe, daß der Mitgliedstaat selbst den durch den Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht eingetretenen Schaden zu ersetzen hat. Einer entsprechenden Deutung tritt der Gerichtshof jedoch nach Auffassung des Senats in beiden Entscheidungen entgegen. Zwar muß jeder Mitgliedstaat sicherstellen, daß dem einzelnen der Schaden ersetzt wird, der ihm durch einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht entstanden ist,
gleichgültig, welche staatliche Stelle diesen Verstoß begangen hat und welche Stelle nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats diesen Schadensersatz grundsätzlich zu leisten hat (Haim II Rn. 27). Hieraus folgt jedoch nach Auffassung des Gerichtshofs nicht, daß der Mitgliedstaat seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nur erfüllt, wenn er selbst den entstandenen Schaden ersetzt (Haim II Rn. 29). Vielmehr hat der Gerichtshof konzediert, daß der Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, die Aufteilung der Zuständigkeit und der Haftung auf die öffentlichen Körperschaften in seinem Gebiet zu ändern, und daß den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts genügt ist, wenn die innerstaatlichen Verfahrensregelungen einen wirksamen Schutz der Rechte ermöglichen, die dem einzelnen aufgrund Gemeinschaftsrechts zustehen, und die Geltendmachung dieser Rechte nicht gegenüber derjenigen solcher Rechte erschwert ist, die dem einzelnen nach innerstaatlichem Recht zustehen (Konle Rn. 63; Haim II Rn. 30). Dann aber liegt es nahe, die Folgen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs - unter Beachtung seiner Zielsetzung und seiner Voraussetzungen - weitgehend mit den nach innerstaatlichem Recht geltenden Regeln in Einklang zu bringen.
Der Senat sieht daher angesichts des Umstandes, daß der g emeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch aufgrund der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in die innerstaatliche Rechtspraxis selbstverständlichen Einzug gehalten hat, keine Bedenken, die Bestimmung des Haftungssubjekts für diesen Anspruch nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die für die Übernahme der Haftung nach Art. 34 GG gelten (so auch Staudinger/Wurm, aaO Rn. 544). Insbesondere ergibt sich auch aus diesen Grundsätzen, wen in Fällen eines Verstoßes des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung gegen das Gemeinschaftsrecht - hier wird nach Amtshaftungsgrundsätzen nicht oder nur eingeschränkt gehaftet - die
tungsgrundsätzen nicht oder nur eingeschränkt gehaftet - die Verantwortlichkeit trifft. Insoweit liegt eine gefestigte Rechtsprechung vor, so daß für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland innerstaatlich und mit Verfassungsrang gewährleistet ist, daß für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht gehaftet wird. Die Beklagte zu 1 hat daher auch für die nachteiligen Folgen ihres Verwaltungshandelns einzustehen, soweit es Gemeinschaftsrecht verletzt hat.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Herrmann

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

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1. Die Vorinstanzen haben die tatbestandlichen Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zutreffend wiedergegeben. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Gemeinschaftsrechtsnorm verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteile vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - Slg. 2003, I-10290, 10305 = NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31; vom 24. März 2009 - Rs. C-445/06 - Danske Slagterier - aaO S. 336 Rn. 20, jeweils m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30, 37; 146, 153, 158 f; 161, 224, 233;162, 49, 51 f; Urteil vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07 - WM 2009, 621, 622 Rn. 12). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien festzustellen (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juni 1999 - Rs. C-302/97 - Konle - Slg. 1999, I-3122, 3139 Rn. 58 f.; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5163 Rn. 44; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157, 2204 Rn. 116).

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

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1. Die Vorinstanzen haben die tatbestandlichen Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zutreffend wiedergegeben. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Gemeinschaftsrechtsnorm verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteile vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - Slg. 2003, I-10290, 10305 = NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31; vom 24. März 2009 - Rs. C-445/06 - Danske Slagterier - aaO S. 336 Rn. 20, jeweils m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30, 37; 146, 153, 158 f; 161, 224, 233;162, 49, 51 f; Urteil vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07 - WM 2009, 621, 622 Rn. 12). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien festzustellen (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juni 1999 - Rs. C-302/97 - Konle - Slg. 1999, I-3122, 3139 Rn. 58 f.; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5163 Rn. 44; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157, 2204 Rn. 116).

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, tritt nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an der Anspruch von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.

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1. Die Vorinstanzen haben die tatbestandlichen Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zutreffend wiedergegeben. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Gemeinschaftsrechtsnorm verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteile vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - Slg. 2003, I-10290, 10305 = NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31; vom 24. März 2009 - Rs. C-445/06 - Danske Slagterier - aaO S. 336 Rn. 20, jeweils m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30, 37; 146, 153, 158 f; 161, 224, 233;162, 49, 51 f; Urteil vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07 - WM 2009, 621, 622 Rn. 12). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien festzustellen (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juni 1999 - Rs. C-302/97 - Konle - Slg. 1999, I-3122, 3139 Rn. 58 f.; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5163 Rn. 44; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157, 2204 Rn. 116).
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a) Da der Kläger gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Widerspruch eingelegt und damit den nach § 839 Abs. 3 BGB gebotenen Primärrechtsschutz wahrgenommen hat, kann er sich auf die ständige Rechtsprechung des Senats beziehen, nach der Widerspruch und Klage gegen einen amtspflichtwidrig erlassenen Verwaltungsakt die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs , der aus der angefochtenen Maßnahme abgeleitet wird, in analoger Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 209 BGB hemmen (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 35; zur Unterbrechungswirkung nach früherem Recht analog § 209 Abs. 1, § 211 BGB a.F. Senatsurteile vom 11. Juli 1985 - III ZR 62/84, BGHZ 95, 238, 242 f; vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, NVwZ-RR 2005, 152, 154). Die Hemmungswirkung endet analog § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB im Regelfall sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens (vgl. zu § 211 BGB a.F. Senatsurteil vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, aaO).

Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, tritt nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an der Anspruch von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Begriff "Verhandlungen" im Sinne von § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 2004 - VI ZR 429/02, NJW 2004, 1654, vom 26. Oktober 2006 - VII ZR 194/05, NJW 2007, 587, Tz. 10 und vom 1. Februar 2007 - IX ZR 180/04, NJW-RR 2007, 1358, Tz. 32).

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, tritt nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an der Anspruch von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

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1. Die Vorinstanzen haben die tatbestandlichen Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zutreffend wiedergegeben. Danach kommt eine Haftung des Mitgliedstaats in Betracht, wenn er gegen eine Gemeinschaftsrechtsnorm verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteile vom 30. September 2003 - Rs. C-224/01 - Köbler - Slg. 2003, I-10290, 10305 = NJW 2003, 3539 zu Rn. 30, 31; vom 24. März 2009 - Rs. C-445/06 - Danske Slagterier - aaO S. 336 Rn. 20, jeweils m.umfangr.w.N.; aus der Rechtsprechung des Senats BGHZ 134, 30, 37; 146, 153, 158 f; 161, 224, 233;162, 49, 51 f; Urteil vom 22. Januar 2009 - III ZR 233/07 - WM 2009, 621, 622 Rn. 12). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, haben die nationalen Gerichte unter Beachtung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Leitlinien festzustellen (vgl. EuGH, Urteile vom 1. Juni 1999 - Rs. C-302/97 - Konle - Slg. 1999, I-3122, 3139 Rn. 58 f.; vom 4. Juli 2000 - Rs. C-424/97 - Haim II - Slg. 2000, I-5148, 5163 Rn. 44; vom 13. März 2007 - Rs. C-524/04 - Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation - Slg. 2007, I-2157, 2204 Rn. 116).
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a) Da der Kläger gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Widerspruch eingelegt und damit den nach § 839 Abs. 3 BGB gebotenen Primärrechtsschutz wahrgenommen hat, kann er sich auf die ständige Rechtsprechung des Senats beziehen, nach der Widerspruch und Klage gegen einen amtspflichtwidrig erlassenen Verwaltungsakt die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs , der aus der angefochtenen Maßnahme abgeleitet wird, in analoger Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 209 BGB hemmen (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 35; zur Unterbrechungswirkung nach früherem Recht analog § 209 Abs. 1, § 211 BGB a.F. Senatsurteile vom 11. Juli 1985 - III ZR 62/84, BGHZ 95, 238, 242 f; vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, NVwZ-RR 2005, 152, 154). Die Hemmungswirkung endet analog § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB im Regelfall sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens (vgl. zu § 211 BGB a.F. Senatsurteil vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 347/03 Verkündet am:
18. November 2004
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Amtspflichten bei der Ernennung einer großen Zahl von Beamten.
BGH, Urteil vom 18. November 2004 - III ZR 347/03 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die
Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 11. November 2003 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin macht gegen das beklagte Land Amtshaftung sansprüche geltend, weil sie als Lehrerin im Angestelltenverhältnis weiterbeschäftigt und nicht verbeamtet worden ist.
Die am 5. August 1951 geborene Klägerin unterrichtet seit 1974 Biologie und Chemie, seit 1980 auch das Fach Musik. Ab 1991 war sie in der von dem Beklagten getragenen Kooperationsschule F. in der Sekundarstufe I eingesetzt.
Auf der Grundlage eines Rundschreibens des Ministeriums f ür Bildung, Jugend und Sport vom 10. Mai 1994 (betreffend: Verbeamtungskonzeption im Bereich des Schuldienstes) übernahm das beklagte Land, von seinen annähernd 24.000 überwiegend als Angestellte beschäftigten Lehrern etwa 14.000 in das Beamtenverhältnis. Hierfür galt nach § 4 Abs. 2 der Bewährungsanforderungsverordnung des Landes Brandenburg vom 20. August 1991 (GVBl S. 378) - abweichend von der allgemeinen Altersgrenze bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres für die Einstellung von Beamten gemäß § 10 Satz 1 LBG - bis zum 31. Dezember 1996 die Vollendung des 50. Lebensjahres als Grenze. Auch der Kooperationsschule F. wurde eine Reihe von Planstellen zugewiesen. Eine Ausschreibung erfolgte nicht, vielmehr verfaßte der Schulleiter eine Vorschlagsliste , die die Klägerin nicht berücksichtigte. Bis Ende September 1996 wurden auf diese Weise mehrere Planstellen besetzt. Am 30. September 1996 beantragte die Klägerin schriftlich, ebenfalls verbeamtet zu werden. Daraufhin erhielt sie unter dem 8. Oktober 1996 einen ablehnenden und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid folgenden Inhalts:
"Auf den bisher erstellten Listen wurden Sie nicht zur Verbeamtung vorgesehen. Da eine Verbeamtung immer das Vorhandensein einer entsprechenden Stelle bedingt, diese jedoch bereits für die vorgesehenen Verbeamtungen vergeben sind, sehe ich derzeit keine Möglichkeit, ihrem Wunsch gerecht zu werden."
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 1. No vember 1996 Widerspruch ein. Die am 30. September 1996 noch nicht besetzten fünf Planstellen der Besoldungsgruppe A 12 wurden bis zum Ende des Jahres 1996 an Mitbewerber der Klägerin vergeben, darunter am 20. November 1996 an die mit "befriedigend" beurteilte Lehrerin B. und am 11. Dezember 1996 an den Ehemann der Klägerin, der ebenfalls die Note "befriedigend" erhalten hatte.
Am 5. Dezember 1996 hielt die Klägerin eine Probestunde ab, auf deren Grundlage sie unter dem 20. Dezember 1996 - der Klägerin bekanntgegeben im Januar 1997 - eine dienstliche Beurteilung mit der Gesamtbewertung "gut" erhielt. Die Klägerin wurde lediglich in das Verfahren um die Besetzung der letzten, durch das Ausscheiden der dafür vorgesehenen Lehrkraft aus gesundheitlichen Gründen noch offenen Beamtenstelle einbezogen. Diese vergab der Beklagte am 30. Dezember 1996 an den mit "sehr gut" beurteilten Bewerber K. . Unter dem 14. April 1997 wurde mit Rücksicht hierauf sowie wegen des Außerkrafttretens der Bewährungsanforderungsverordnung der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin in erster Linie die Feststellung , daß der Beklagte zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet sei, die ihr aus der unterlassenen Ernennung zur Beamtin auf Probe seit dem 1. Juni 1997 entstehen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr im Hauptantrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe


Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht, dessen Urteil in kurzer Zusammenfassun g und mit zustimmender Anmerkung Jakob in NJ 2004, 367 veröffentlich ist, bejaht einen Amtshaftungsanspruch der Klägerin nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Das beklagte Land habe bei der Besetzung der ab 30. September 1996 an andere Bewerber vergebenen Planstellen in mehrfacher Hinsicht gegen ihm der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflichten verstoßen; für die vorausgegangene Zeit seien hingegen Ansprüche der Klägerin jedenfalls gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, weil diese es bis dahin schuldhaft versäumt habe , einen Antrag auf Verbeamtung zu stellen (Hinweis auf Senatsurteil vom 5. Dezember 2002 - III ZR 148/02 - NVwZ 2003, 502). Keine Amtspflichtverletzung liege allerdings angesichts der Besonderheiten der Situation in der fehlenden Ausschreibung der Planstellen. Ein Verstoß gegen Amtspflichten bestehe aber darin, daß der Beklagte die Klägerin nach dem 30. September 1996 zumindest fahrlässig nicht in das Verfahren zur Besetzung sämtlicher der Schule zugewiesenen und damals noch vakanten Planstellen einbezogen und statt dessen sie - evident rechtswidrig - allein an dem Besetzungsverfahren für eine einzige Planstelle beteiligt habe. Soweit in dem Widerspruchsbescheid vom 14. April 1997 ausgeführt werde, zum Zeitpunkt der Antragstellung seien die übrigen Planstellen bereits besetzt gewesen, sei dies unzutreffend, da in der Folgezeit noch weitere fünf Bewerber zu Beamten ernannt worden seien. Eine weitere schuldhafte Amtspflichtverletzung liege darin, daß das beklagte Land die Klägerin nicht rechtzeitig in gehöriger Weise über die beabsichtigte Besetzung der fünf Planstellen mit Mitbewerbern unterrichtet habe, um ihr Gelegenheit zu einem effektiven Rechtsschutz zu geben. Jedenfalls bei den Ernennungen , die bis Mitte Dezember 1996 vorgenommen worden seien, namentlich der Verbeamtung des Ehemanns der Klägerin und der Kollegin B. , habe eine solche Möglichkeit bestanden.

Diese Amtspflichtverletzungen seien für den geltend gema chten Schaden ursächlich geworden. Bei pflichtgemäßem Handeln hätte die Klägerin bis zum 31. Dezember 1996 zur Beamtin auf Probe ernannt werden müssen. Im Hinblick auf ihre bessere Beurteilung wäre sie nach den vorrangigen Auswahlkriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zumindest den Mitbewerbern B. und P. vorzuziehen gewesen. Die demgegenüber von dem beklagten Land angeführten weiteren Merkmale des Unterrichtens von Mangelfächern sowie der besonderen Eignung für das angestrebte Schulprofil hätten beide Konkurrenten ebenfalls nicht besser erfüllt. Das auch nur geringfügig höhere Lebensalter des Ehemanns der Klägerin stelle lediglich ein Hilfskriterium dar, das nur bei gleicher Eignung Berücksichtigung finden könne. Gleiches gelte für die vom Beklagten weiter zugunsten der Mitbewerber angeführten Zusatzqualifikationen. Bei einer ordnungsgemäßen Mitteilung der getroffenen Auswahlentscheidung hätte die Klägerin ferner die Möglichkeit gehabt , über eine verwaltungsgerichtliche Konkurrentenklage mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung die Besetzung der Planstellen durch die schlechter beurteilten Mitbewerber zu verhindern und auf diese Weise ihre eigene Ernennung durchzusetzen.
Der Amtshaftungsanspruch sei nicht nach § 839 Abs. 3 BGB a usgeschlossen. Gegen die Ernennung des Mitbewerbers K. habe die Klägerin nicht mit Aussicht auf Erfolg vorgehen können. Rechtsmittel gegen die Ernennung der Lehrerin B. habe sie jedenfalls nicht schuldhaft unterlassen, da sie von deren bevorstehender Ernennung keine Kenntnis gehabt und auch sonst nicht über genügende Informationen verfügt habe. In bezug auf ihren Ehemann habe die Klägerin ebensowenig ein Rechtsmittel schuldhaft ver-
säumt. Zum einen habe sie auch in dieser Beziehung keine Kenntnis von den Einzelheiten des Besetzungsverfahrens sowie vom Inhalt ihrer eigenen dienstlichen Beurteilung besessen, und zum anderen habe sie aus zeitlichen Gründen keine hinreichende Gelegenheit gehabt, einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu stellen. Schließlich sei der Anspruch der Klägerin auch nicht verjährt. Die erforderliche Kenntnis vom Schaden habe sie frühestens mit der Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 14. April 1997 erlangt. Ihre Klage sei aber bereits am 29. März 2000 beim Landgericht eingegangen und alsbald zugestellt worden.

II.


Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision i m Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung stand.
1. Der Senat muß nicht entscheiden, ob Amtspflichtverletzungen auf seiten des beklagten Landes schon darin liegen, daß es die im Rahmen der Verbeamtungsaktion zu besetzenden Planstellen nicht ausgeschrieben hat. Ebensowenig kommt es im Ergebnis darauf an, inwieweit der Beklagte die Klägerin über das Ergebnis des behördeninternen Auswahlverfahrens hinsichtlich der nach dem 30. September 1996 noch offenen Stellen unterrichten mußte (vgl. zu dieser Frage BVerfG NJW 1990, 501; Senatsurteil BGHZ 129, 226, 229 ff.; BVerwGE 118, 370, 374; BVerwG NVwZ 2004, 1257); insofern sind die von der Revision unter anderem geäußerten Bedenken, daß die Klägerin auch bei vollständiger Information bis zum Außerkrafttreten der Bewährungsanforderungsverordnung am 31. Dezember 1996 ihre Ernennung zur Beamtin tatsächlich
nicht hätte erreichen können und daß sie anschließend wegen ihres Alters die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nach § 10 Satz 1 LBG nicht mehr erfüllte, etwaige Versäumnisse daher für den Schaden nicht ursächlich geworden wären , nicht ohne weiteres - von Gründen des effektiven Rechtsschutzes abgesehen (Art. 19 Abs. 4, 33 Abs. 2 GG) - von der Hand zu weisen. Mit Recht hat das Berufungsgericht aber einen Verstoß gegen Amtspflichten jedenfalls darin gesehen , daß der Dienstherr die Klägerin nach deren Antrag vom 30. September 1996 nicht an den Verfahren zur Besetzung sämtlicher damals noch vakanter fünf Planstellen beteiligt hat.
Der Bewerber um eine Beamtenstelle hat zwar grundsätzl ich keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis (BVerfGE 39, 334, 354; 108, 282, 295; BVerwGE 28, 155, 160 f.; 68, 109, 110; 75, 133, 135). Er hat aber, sofern er den formalen Anforderungen genügt, Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie sachliche Entscheidung (Art. 33 Abs. 2 GG, § 12 Abs. 2 LBG; BVerfG NVwZ 2003, 200; BVerwGE 118, 370, 372; BVerwG NJW 2004, 870 und NVwZ 2004, 1257; jeweils zur Beförderung; Battis, BBG, 3. Aufl. 2004, § 8 Rn. 32). Dieses Ermessen haben die Beamten des beklagten Landes der Klägerin gegenüber in vier Fällen, darunter der Ernennung der Lehrerin B. und des Ehemanns der Klägerin, von vornherein nicht gebraucht, sie haben vielmehr verfahrensfehlerhaft die zu besetzenden Planstellen als bereits durch die Auswahlentscheidung des Schulleiters vergeben behandelt. Ohne Erfolg beruft sich die Revision demgegenüber auf bereits erteilte Zusagen. Abgesehen davon, daß ausdrückliche und schriftliche (§ 38 Abs. 1 LVwVfG) Zusicherungen solchen Inhalts weder vorgetragen noch festgestellt sind, wären sie auch wegen der bei Beamtenernennungen einzuhaltenden Förmlichkeiten nach
den §§ 38 Abs. 2, 44 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG und § 8 Abs. 1 LBG offensichtlich nichtig gewesen.
Die Amtspflichten zu fehlerfreiem Ermessensgebrauch bestan den auch - und gerade - gegenüber der Klägerin als geschützter "Dritter". Das ergibt sich schon daraus, daß sie deren unmittelbarem Individualinteresse dienten (vgl. Senatsurteil BGHZ 129, 226, 232).
2. Dem Berufungsgericht ist weiter darin zuzustimmen, daß die Verletzung dieser Amtspflichten angesichts des für Amtsträger geltenden objektivierten Sorgfaltsmaßstabes (vgl. nur Senatsurteile BGHZ 106, 323, 329 f.; 146, 153, 165; Urteil vom 11. Dezember 1997 - III ZR 52/97 - NJW 1998, 1307, 1308) zumindest fahrlässig war. Daran vermag auch der Hinweis der Revision auf die nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich zu beachtende "Kollegialgerichtsrichtlinie" nichts zu ändern. Hiernach trifft den Beamten in der Regel kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (Senatsurteile BGHZ 117, 240, 250; 150, 172, 184; Urteil vom 8. Mai 2003 - III ZR 294/02 - WM 2003, 1116, 1117 = NJW-RR 2003, 1434, 1436; jeweils m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt indes etwa dann nicht, wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruht, beispielsweise das Gericht den Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat (Senatsurteile BGHZ 115, 141, 150; vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99 - NVwZ-RR 2000, 746, 748 und vom 24. Januar 2002 - III ZR 103/01 - NJW 2002, 1265, 1266). So liegt es hier in bezug auf das landgerichtliche Urteil in erster Instanz. Die Kammer hat die Vergabepraxis des Beklagten im Ansatz nicht unter dem er-
örterten verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt in den Blick genommen und geprüft. Von den außerdem ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Verbeamtung von Lehrern, auf die die Revision sich ebenfalls beruft, hat der Beklagte lediglich ein einziges Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vorgelegt, das sich mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht befaßt und überdies von einem Einzelrichter stammt.
3. Ebenso erfolglos wendet sich die Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, bei pflichtgemäßem Handeln des beklagten Landes hätte die Klägerin bis zum 31. Dezember 1996 zur Beamtin auf Probe ernannt werden müssen, weil sie nach den vorrangigen Auswahlkriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG, § 12 Abs. 1 LBG; vgl. Senatsurteil BGHZ 129, 226, 228, 233 f.; BVerwGE 80, 123, 124; 118, 370, 376 f.) jedenfalls den Mitbewerbern B. und P. vorzuziehen gewesen wäre. Diese tatrichterliche Würdigung ist frei von Rechtsfehlern. Die wesentliche und in erster Linie maßgebende Grundlage für die Leistungsbeurteilung im Verhältnis zwischen den Beamtenbewerbern konnten hier, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nur ihre gerade zu diesem Zweck erfolgten dienstlichen Beurteilungen bilden (vgl. BVerwG NVwZ 2004, 1257, 1258), nicht dagegen die von der Revision ins Feld geführte auch langjährige, aber nicht wie eine frühere Beurteilung objektivierbare subjektive Einschätzung seitens des Schulleiters nach dessen Vorschlagslisten; diese waren - wenn überhaupt - selbst vor dem Hintergrund der historischen Besonderheiten des Falles allenfalls ein nachrangiges Kriterium bei sonst gleicher Leistungsbeurteilung der Kandidaten.
4. Die Klägerin hat es ferner nicht fahrlässig unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Gegen den Bescheid vom 8. Oktober 1996, mit dem ihr Antrag auf Verbeamtung abgelehnt wurde, hat sie den ihr als Rechtsbehelf bezeichneten Widerspruch eingelegt. Anträge auf Erlaß einstweiliger Anordnungen gegen die vom Beklagten vorgesehene Ernennung von Konkurrenten als weitere Rechtsbehelfe konnte sie zumutbar nicht stellen. Dem steht - von allem anderen abgesehen - schon entgegen, daß ihr das Ergebnis ihrer eigenen dienstlichen Beurteilung erst im Januar 1997 bekanntgegeben wurde und sie bis dahin aus ihrer Sicht nicht substantiiert geltend machen konnte, besser qualifiziert als ihre Mitbewerber zu sein. Soweit das beklagte Land in der mündlichen Revisionsverhandlung darauf verwiesen hat, der Klägerin sei das Ergebnis ihrer Probestunde mündlich bekanntgegeben worden, fehlt es an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 559 Abs. 1 ZPO). Das Land verhält sich auch widersprüchlich, wenn es sich gegen den Vorwurf einer Verletzung von Informationspflichten über die beabsichtigte Ernennung von Mitbewerbern damit verteidigt, hierdurch ermöglichte Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hätten der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen können (oben unter 1.), und gleichzeitig unter dem Blickwinkel des § 839 Abs. 3 BGB der Klägerin ansinnt, bei Gefahr des Haftungsausschlusses eben diese Anträge zu stellen.
5. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist schließlich nicht verjährt. Nach der Rechtsprechung des Senats unterbrach nach den hier noch anwendbaren früheren Verjährungsregeln (Art. 229 § 6 EGBGB) die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz gegen den Erlaß oder Vollzug eines amtspflichtwidrigen Verwaltungsakts in entsprechender Anwendung des § 209 Abs. 1 BGB a.F. die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs (BGHZ 95, 238,
242; 97, 97, 110 ff.; 103, 242, 246; 122, 317, 323 f.; Urteil vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99 - NVwZ-RR 2000, 746, 749). Das galt nicht nur für die verwaltungsgerichtliche Klage, sondern bereits für die Einleitung des Widerspruchverfahrens , wie hier (BGHZ 95, 238, 244; Senatsurteil vom 12. Oktober 2000 - III ZR 121/99 - VersR 2001, 1424 = NVwZ 2001, 468). Eine derartige Unterbrechung dauerte bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Erledigung des Verfahrens fort (§ 211 Abs. 1 BGB a.F.). Im Streitfall konnte dementsprechend die Verjährung der hier einheitlichen unerlaubten Handlung vor der Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin mit Datum vom 14. April 1997 grundsätzlich nicht - oder nicht neu - beginnen. Die Klageschrift ist aber innerhalb der Dreijahresfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. bei Gericht eingegangen und alsbald zugestellt worden (§ 270 Abs. 3 ZPO a.F.). Im übrigen hatte die Klägerin hinreichende Kenntnis vom Schaden ebenfalls frühestens mit Zustellung des Widerspruchsbescheids, selbst wenn sie - trotz ihres unerledigten Antrags und der Rechtsverletzungen des Beklagten im Berufungsverfahren - nach dem 31. Dezember 1996 nicht mehr in das Beamtenverhältnis hätte übernommen werden dürfen. Eine verläßliche Beurteilung dieser nicht einfachen und zweifelhaften Rechtsfragen war von der Klägerin vor diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 64/99
Verkündet am:
20. Juli 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Zu den Voraussetzungen, unter denen sich aus den Ermittlungspflichten
des Arztes des Gesundheitsamts, gegenüber dem der Verdacht
auf eine Impfschädigung geäußert wird, eine Pflicht zur Belehrung
ergeben kann, daß es zur Anerkennung eines Impfschadens
einer hierauf gerichteten Antragstellung bedarf.
BGH, Urteil vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99 - OLG Koblenz
LG Trier
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die im Mai 1950 geborene Klägerin wurde am 4. Juni 1951 aufgrund einer gesetzlichen Anordnung zum Schutz vor der Pockenerkrankung geimpft. Bald darauf stellte sich bei ihr eine postvakzinale Enzephalopathie ein, die sich zu einer Teillähmung der Extremitäten entwickelte. Die Klägerin führt diese Entwicklung und weitere Verschlechterungen ihrer gesundheitlichen Situation - auch im psychischen Bereich - auf die genannte Impfung zurück. Von der Verpflichtung zur Pockenschutz-Wiederimpfung wurde die Klägerin gemäß einer vom Amtsarzt Dr. W. unterzeichneten Bescheinigung des Gesundheitsamts B. vom 15. Juni 1962 unter Hinweis auf einen Impfschaden bei der Erstimpfung freigestellt. Die Eltern der Klägerin stellten am 4. Dezember 1967 beim Landratsamt , Abteilung Sozialwesen, einen Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründeten. Wegen der Kostenträgerschaft fragte das Landratsamt unter Bezugnahme auf die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 beim Gesundheitsamt an, ob ein Impfschaden festgestellt sei. Nach Ermittlungen des Gesundheitsamts, das die für die Anerkennung eines Impfschadens zuständige Bezirksregierung einschaltete, teilte diese dem Gesundheitsamt mit Verfügung vom 25. Juli 1968 mit, ein behördlich anerkannter Impfschaden liege nicht vor, weshalb vom Land diesbezüglich keine Leistungen erbracht werden könnten. Hiervon unterrichtete das Gesundheitsamt das Landratsamt, das dann die beantragte Hilfe gewährte. Auf einen im Februar 1988 gestellten Antrag auf Feststellung einer Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz fragte das Versorgungsamt an, ob die Klägerin wegen des von ihr in dem Antrag als Ursache geltend gemachten Impfscha-
dens einen Antrag nach dem Bundes-Seuchengesetz stellen wolle oder ob nur eine Anerkennung im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes gewünscht werde. Der sodann im März 1988 an das Versorgungsamt M. gerichtete Antrag führte am 29. Oktober 1991 zur Anerkennung des Impfschadens im Sinne des § 51 BSeuchenG und zu einer seit dem 1. März 1988 gewährten Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
Die Klägerin ist der Auffassung, die zuständigen Bediensteten des beklagten Landes, die bereits in der Vergangenheit mit den Auswirkungen ihres Leidens befaßt gewesen seien, hätten es pflichtwidrig unterlassen, sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Entschädigung nach Aufopferungsgesichtspunkten oder nach dem Bundes-Seuchengesetz zu erhalten. Sie verfolgt mit ihrer Klage daher im Hauptantrag die Feststellung, daß das beklagte Land (im folgenden : Beklagter) verpflichtet sei, ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei bzw. noch entstehe, daß ihr für die Zeit bis März 1988 keine Entschädigungsleistungen nach dem Bundes-Seuchengesetz und nach dem allgemeinen Aufopferungsanspruch für den am 4. Juni 1951 eingetretenen Pockenimpfschaden gewährt worden seien. Die Klage hatte in den Vorinstanzen - ebenso wie eine im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erhobene Klage vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht - keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht verneint die Verletzung einer Amtspflicht, die zu einem Entschädigungsverlust für die Zeit vor März 1988 geführt hätte. Als der Amtsarzt Dr. W. in seiner Bescheinigung vom 15. Juni 1962 von einem Impfschaden ausgegangen sei und die Klägerin von der Pockenschutz-Wiederimpfung freigestellt habe, sei nicht der zwingende medizinische Nachweis erbracht gewesen, daß die gesundheitlichen Störungen der Klägerin auf die Impfung zurückzuführen seien. Selbst wenn das Gesundheitsamt damals zur näheren Klärung ein ärztliches Gutachten eingeholt hätte, hätte dieses kein anderes Ergebnis haben können als im Jahr 1987 erstattete Gutachten, nach denen das Krankheitsbild der Klägerin nicht vollständig habe geklärt werden können. Die Klägerin wäre daher nicht in der Lage gewesen, den bis zum Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz im Jahr 1971 notwendigen Nachweis eines Impfschadens zu führen. Nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes, das nur noch die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Gesundheitsschaden und Impfung verlange , seien die Beamten des Versorgungsamts nicht verpflichtet gewesen, ein früheres Verfahren wieder aufzugreifen oder die Klägerin auf die geänderte
Gesetzeslage hinzuweisen. Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, hätten die beteiligten Beamten nicht schuldhaft gehandelt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes-Seuchengesetzes vom 1. Januar 1962 sei ein betreuendes Eingreifen und Tätigwerden von Amts wegen für einen möglichen Anspruchsteller nicht üblich gewesen und auch im Bereich des Versorgungsamts nicht erwartet worden. Die Klägerin habe nichts Stichhaltiges dafür vorgetragen , daß Beamte des beklagten Landes, an die weder ein entsprechender Sachverhalt noch ein Antrag oder ein Auskunftsersuchen herangetragen worden sei, schuldhaft eine Belehrungspflicht verletzt hätten.

II.


Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in maßgebenden Punkten nicht stand.
1. Wie die Revision mit Recht rügt, kann die Verletzung einer Amtspflicht nach dem bisherigen Stand des Verfahrens nicht verneint werden. An dieser Beurteilung ist der Senat nicht durch das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2000 gehindert, das den von der Klägerin geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint und hierbei das Handeln der Bediensteten des Gesundheitsamts, der Bezirksregierung und des Versorgungsamts als rechtmäßig bewertet hat. Auch wenn jenes zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ergangene Urteil rechtskräftig würde - gegenwärtig läuft noch die Frist zur Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision -, wäre es nur insoweit der Rechtskraft fähig, als es über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entschieden hat. Ob sich die
Bediensteten der genannten Behörden pflichtgemäß oder pflichtwidrig verhalten haben, war in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht lediglich eine Vorfrage, auf die sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht erstrecken würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 103, 242, 245 m.w.N.; vom 6. Februar 1997 - III ZR 241/95 - VersR 1997, 745, 746).

a) Im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin am 4. Dezember 1967 an das Landratsamt, Abteilung Sozialwesen, gerichteten Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründet hatten, wurden die für die Anerkennung eines Impfschadens seinerzeit zuständigen Behörden des Beklagten mit einer Anfrage des Landratsamts befaßt, ob ein Impfschaden festgestellt sei, weil dies Auswirkungen auf die Frage gehabt hätte, wer zur Übernahme der Ausbildungskosten verpflichtet war. Der Anfrage war die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung des Amtsarztes Dr. W. vom 15. Juni 1962 über die Freistellung von der Pockenschutz-Wiederimpfung beigefügt , aus der sich ergab, daß die Klägerin "infolge eines Impfschadens bei der Erstimpfung nicht noch einmal gegen Pocken geimpft werden" dürfe.
aa) Wie sich aus der vorgerichtlichen Stellungnahme der Bezirksregierung T. vom 23. März 1992 ergibt, hatte das Gesundheitsamt auf die damalige Anfrage, die jedenfalls den geäußerten Verdacht auf einen Impfschaden enthielt , den mit "Verhalten der Gesundheitsämter bei Impfschäden, insbesondere nach Pockenschutzimpfung" überschriebenen Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 - 771-01/1 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1459) zu beachten, der in Ziffer I bestimmte:
"Erhält das Gesundheitsamt Kenntnis von einem ungewöhnlichen Verlauf der Impfreaktion, unklaren Krankheitserscheinungen des Impflings oder eines Familienangehörigen, die mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden, so hat der Amtsarzt unverzüglich alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über das Ergebnis hat er alsbald seiner Bezirksregierung ... zu berichten."
In Ziffer II ist vorgesehen, daß der Amtsarzt auf eine baldmöglichste Einweisung in eine Kinderkrankenanstalt, zumindest in eine Krankenanstalt hinzuwirken hat, wenn im Anschluß an eine Schutzimpfung Erscheinungen am Nervensystem auftreten. Der Sache nach handelte es sich um Amtspflichten, die den Gesundheitsämtern schon seit langem oblagen. Bereits § 42 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 30. März 1935 (RMBl S. 327) bestimmte, daß der Amtsarzt alsbald alle zur Aufklärung des Sachverhalts gebotenen oder zweckdienlich erscheinenden Maßnahmen in die Wege zu leiten und geeignetenfalls durch persönliche Ermittlungen zu unterstützen hatte, wenn Mitteilungen über Impfschädigungen zur Kenntnis des Gesundheitsamts gelangten. Ein weiterer, mit "Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung" überschriebener Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 - 771-01/0 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417 ff) nahm auf diese Bestimmung aus dem Jahr 1935 Bezug und ordnete an, daß der Impfarzt über das Ergebnis seiner Aufsichtsbehörde und der zuständigen Impfanstalt zu berichten habe.
bb) Ob der mit dem Anliegen der Klägerin befaßte Arzt des Gesundheitsamts und der inzwischen in den Diensten der Bezirksregierung stehende Medizinaldirektor Dr. W., an den die Anfrage weitergeleitet wurde, die sich aus
diesen Runderlassen ergebenden Pflichten erfüllt haben, hat das Berufungsgericht nicht geprüft, obwohl sich die Klägerin - wie die Revision mit Recht rügt - sowohl auf diesen Vorgang als auch auf den erstgenannten Runderlaß bezogen hatte.
Ausweislich der bereits vom Berufungsgericht beigezogenen Versorgungsakte spricht viel dafür, daß der Amtsarzt nicht alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege geleitet und die erforderlichen Ermittlungen durchgeführt hat. Zwar ist dem Schreiben des Amtsarztes vom 29. Mai 1968 zu entnehmen, die Mutter der Klägerin habe in eingehender Befragung angegeben, ihre Tochter habe bereits vor der Impfung laufen können , aber nach der längeren Erkrankung im Anschluß an die Impfung wieder mit dem Laufenlernen beginnen müssen; dabei habe die rechte Fußspitze nach der Impfung über den Boden geschleift, weshalb später eine Spitzfußschiene verordnet worden sei. Darüber hinaus hat der Amtsarzt der Mutter der Klägerin weitere schriftliche Fragen zur ärztlichen Behandlung gestellt, deren schriftliche Beantwortung er mit Schreiben vom 12. Juni 1968 an Dr. W. weiterleitete. Der an das Gesundheitsamt gerichteten Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 ist jedoch zu entnehmen, daß die zur Aufklärung eingeleiteten Maßnahmen noch nicht ausreichten, um den Vorgang - wie geschehen - abzuschließen. In der Verfügung wird nämlich zum einen hervorgehoben, die Informationen der Mutter ließen einen "gewissen Verdacht" auf einen Impfschaden aufkommen. Zum anderen wird die Feststellung getroffen, keiner der von den Eltern konsultierten Ä rzte habe von einem Impfschaden gesprochen, was erfahrungsgemäß aus einem Kausalitätsbedürfnis heraus sehr gerne geschehe. Eine wiedergegebene Ä ußerung des Kinderarztes Dr. Sch. könne nicht im Sinne eines Impfschadens gewertet werden, weil man annehmen müsse, daß er
anderenfalls durch eine Meldung an das Gesundheitsamt die Aufklärung des Sachverhalts in Gang gesetzt hätte. Wie dem aber auch sei, es stehe fest, daß die Eltern nie einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt hätten und daß hier nie ein solches Verfahren durchgeführt worden sei. Was die vom Unterzeichner der Verfügung ausgestellte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 betreffe, gehe diese wohl auf Aussagen des Impflings oder seiner Begleitpersonen zurück, woraus geschlossen worden sei, eine Anerkennung als Impfschaden liege bereits vor. Da dies jedoch - wie sich jetzt herausgestellt habe - nicht stimme, habe die Bescheinigung nur die Bedeutung einer Begründung für das Unterbleiben der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederimpfung. Als solche sei sie auch heute noch gültig, ausgehend von dem Standpunkt, daß man ausnahmsweise mal vergrämten Eltern, die an einen Impfschaden bei ihrem Kind glaubten, weitere Sorgen, wie sie durch eine Wiederimpfung auftreten könnten, ersparen helfe. Die Verfügung, die zwar dem Landratsamt, nicht aber der Klägerin bekannt gegeben worden ist, schließt mit der Feststellung , mangels eines behördlich anerkannten Impfschadens könnten vom Land keine Leistungen erbracht werden. Damit sind in der Verfügung letztlich nur unzureichende Angaben der Mutter und eine - in Wirklichkeit offenbar nicht vorhandene - Aktenlage verwertet worden. Dem Anliegen des Erlasses, alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, war damit ersichtlich nicht Genüge getan, denn angesichts der in der Verfügung nicht geleugneten Bedeutung der zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Impfung und den aufgetretenen gesundheitlichen Störungen und des ausdrücklich bejahten "gewissen Verdachts" lag es nahe, damals möglicherweise noch erreichbare ärztliche Unterlagen beizuziehen oder Stellungnahmen der behandelnden Ä rzte einzuholen.

Der Senat verkennt nicht, daß das Gesundheitsamt und die Bezirksregierung grundsätzlich nur nach Stellung eines Antrages auf Anerkennung bestimmter gesundheitlicher Einschränkungen als Impfschaden Anlaß hatten, von Amts wegen alle Ermittlungen anzustellen, um in diesem Sinne eine abschließende Klärung herbeizuführen. Eine so weitgehende Verpflichtung begründete der Runderlaß fraglos nicht. Trotzdem legte er dem Gesundheitsamt Aufklärungspflichten auf, die von einer solchen Antragstellung unabhängig waren. Wenn diese Pflichten auch in erster Linie auf Fälle zugeschnitten sein mögen, in denen dem Gesundheitsamt alsbald nach der Impfung ein unregelmäßiger Verlauf zur Kenntnis gelangt - das ergibt sich insbesondere aus der Pflicht, auch der Impfanstalt zu berichten sowie unter bestimmten Voraussetzungen Blut und Liquor zu entnehmen und der Impfanstalt zu übersenden -, sind sie auf solche Fälle jedoch nicht beschränkt. Sie dienen auch nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit, um etwa der Verwendung ungeeigneter Impfstoffe zu begegnen, sondern auch dem Interesse des von einem unregelmäßigen Impfverlauf betroffenen Einzelnen, dessen Gesundheit möglicherweise erheblich beeinträchtigt war oder der mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen zu rechnen hatte. Es kommt hinzu, daß der mit "Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung" überschriebene Runderlaß des Ministers des Innern vom 31. Dezember 1967 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417, 1418) als Anlage 10 einen vom Amtsarzt an die Aufsichtsbehörde zu erstattenden Bericht in einer Impfschadenssache vorsah, wenn von dem Erziehungsberechtigten ein Impfschaden behauptet oder der Verdacht einer Impfschädigung geäußert wurde. Den beigezogenen Vorsorgungsakten ist nicht zu entnehmen, daß der Amtsarzt einen solchen Bericht erstattet und sich die zur Beantwortung der zahlreichen Fragen in dem entsprechenden Formblatt notwendigen Infor-
mationen bei den Eltern der damals noch minderjährigen Klägerin beschafft hätte.
cc) Bei ausreichender Wahrnehmung der in den Runderlassen vom 31. Dezember 1967 auferlegten Pflichten hätte die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung auch die Verpflichtung getroffen, die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Feststellung eines Impfschadens hinzuweisen.
Nach § 16 Abs. 3 SGB I sind die Leistungsträger von Sozialleistungen verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Diese Vorschrift ist zwar erst zum 1. Januar 1976 in Kraft getreten, Betreuungspflichten entsprechender Art wurden aber schon vorher in der Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts anerkannt. Das Bundessozialgericht hat bereits im Urteil vom 17. November 1970, das sich auf Vorgänge im Jahr 1952 bezog, ausgesprochen, aufgrund der Fürsorge- und Betreuungspflicht habe der Beamte dem Staatsbürger, soweit er mit dessen Angelegenheiten befaßt sei, zu helfen, um das zu erreichen, was ihm zustehe oder was er im Rahmen des Möglichen und Zulässigen zu erreichen wünsche (vgl. BSGE 32, 60, 65). 1975 urteilte es über einen Vorgang aus dem Jahr 1965, der Versicherungsträger verletze eine ihm aus dem Versicherungsverhältnis nach dem Grundsatz von Treu und Glauben obliegende Dienstleistungspflicht, wenn er den Versicherten nicht auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinweise, die klar zutage lägen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheine, daß sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen werde (BSGE 41, 126). Zu den Nebenpflichten aus einem Sozialrechtsverhältnis gehören als spezielle
Dienstleistung Auskunft und Belehrung sowie "verständnisvolle Förderung" (BSGE 46, 124, 126). Auch der Senat hat bereits vor Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entschieden, es gehöre im sozialen Rechtsstaat zu den Amtspflichten der mit der Betreuung der sozial schwachen Volkskreise betrauten Beamten, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte und Vorteile nach Kräften beizustehen (Urteil vom 26. September 1957 - III ZR 65/56 - NJW 1957, 1873 f). Im Senatsurteil vom 6. April 1960 hat er ausgeführt, es dürfe der heute gefestigte Grundsatz nicht außer acht bleiben, daß der Beamte "Helfer des Staatsbürgers" zu sein habe, woraus im Einzelfall seine Pflicht folgen könne, den von ihm zu betreuenden Personenkreis gegebenenfalls ausreichend zu belehren und aufzuklären, damit insbesondere ein Gesuchsteller im Rahmen des jeweils Möglichen und Zulässigen das erreichen könne, was er zu erreichen wünsche, und damit vermeidbarer Schaden von ihm ferngehalten werde (III ZR 38/59 - NJW 1960, 1244). Auch in der eine Betreuungspflicht annehmenden Entscheidung des Senats vom 6. Februar 1997 (III ZR 241/95 - VersR 1997, 745 f) ging es um ein Verhalten in den frühen siebziger Jahren, also vor dem Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch.
Dem Senat ist bewußt, daß im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres eine Belehrungspflicht wegen einer klar zutage tretenden Gestaltungsmöglichkeit angenommen werden kann. Denn nach der Aktenlage konnten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auch auf anderen Ursachen beruhen. Bei einer nach den Runderlassen gebotenen weiteren Aufklärung, zu der die Bezirksregierung das Gesundheitsamt hätte auffordern müssen und die mindestens in der Beiziehung ärztlicher Unterlagen und in einer dokumentierten Befragung der Eltern hätte bestehen müssen, hätte aber nach den Um-
ständen des Falles eine Belehrung vorgenommen werden müssen. Wegen der gebotenen Aufklärung war ohnehin eine Kontaktaufnahme mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin erforderlich. Er hätte auch um eine entsprechende Entbindung der behandelnden Ä rzte von der Schweigepflicht ersucht werden müssen. Darüber hinaus drängte sich dem Gesundheitsamt aufgrund der Anfrage des Sozialamts auf, daß die Klägerin in wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, die eine Hilfegewährung erforderlich machten. Das Gesundheitsamt führte ferner, wie den Versorgungsakten zu entnehmen ist, seit 1959 über die Klägerin eine Körperbehindertenakte. Schließlich ergab der Vorgang, in den das Gesundheitsamt durch die Anfrage des Sozialamts eingeschaltet war, daß den Erziehungsberechtigten der Klägerin offenbar nicht bekannt war, daß sie Entschädigungsleistungen verlangen könnten, wenn ein Impfschaden in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt wäre. Vor diesem Hintergrund war es amtspflichtwidrig, sich der weiteren Aufklärung zu enthalten und die Klägerin nicht mindestens auf die Möglichkeit hinzuweisen, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Impfschaden anerkennen zu lassen. Da die Klägerin die beantragte Hilfe schließlich vom Sozialamt erhielt und ihr die Verfügung der Bezirksregierung nicht übermittelt wurde, blieb ihr die aus ihrer Sicht gebotene Gestaltungsmöglichkeit gerade verborgen.
Dagegen läßt sich nicht einwenden, der Anwendungsbereich der Runderlasse beschränke sich auf die Gesundheitsfürsorge als solche; er sei - in Bezug auf den einzelnen Betroffenen - überschritten, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung irreversibel sei. Eine solche Feststellung setzt die von den Runderlassen bei Verdacht eines Impfschadens vorgeschriebene Aufklärung voraus, die ihrerseits zwischen Gesundheitsbehörden und Betroffenen die Rechtsbeziehung begründet, aus der die genannten Belehrungspflichten her-
zuleiten sind. Deren pflichtgemäße Wahrnehmung oblag den zuständigen Amtsträgern auch im Blick auf das Interesse der von einem Impfschaden Betroffenen , in Gestalt einer Aufopferungsentschädigung ein Ä quivalent für die im Interesse der Allgemeinheit erlittenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen.

b) Unbegründet ist die Rüge der Revision, nach Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundesseuchengesetz sei das Versorgungsamt im Zusammenhang mit dem Übergang der Zuständigkeit für die Behandlung von Impfschadensfällen verpflichtet gewesen, den von der Bezirksregierung übermittelten Vorgang aus dem Jahr 1968 zu überprüfen und der Klägerin eine Antragstellung nahezulegen. Auch wenn die der Versorgungsakte vorgeheftete Karteikarte, worauf die Revision hinweist, ergibt, daß die zehn Blätter umfassende Akte der Bezirksregierung am 6. Oktober 1971 übersandt und erst ein Jahr später archiviert worden ist, begründete dies keine Pflicht, ohne einen besonderen Anlaß die Akte auf mögliche Ansprüche durchzuprüfen und der Klägerin im Hinblick auf den erleichterten Nachweis der Kausalität (§ 52 Abs. 2 BSeuchenG) eine Antragstellung nahezulegen. Da ein Impfschaden nicht bereits anerkannt war, war nicht zu prüfen, ob sich leistungsrechtlich Veränderungen ergeben konnten, die mit der 1971 eingeführten entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes zusammenhingen. Im übrigen setzte Art. 2 Abs. 3 2. Ä ndGBSeuchenG einen Antrag voraus, wenn erneut geprüft werden sollte, ob der Impfschaden im Hinblick auf das gelokkerte Kausalitätserfordernis anzuerkennen sei.
2. Wie die Revision mit Recht rügt, kann auch ein Verschulden der mit der Anfrage des Sozialamts befaßten Beamten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nicht ausgeschlossen werden. Es geht hier - jedenfalls im Kern -
nicht, wie das Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen stellt, um das Maß der in den sechziger Jahren anerkannten und zu erwartenden allgemeinen Betreuungs-, Beratungs- und Fürsorgepflicht, sondern zunächst und zuvörderst um die Beachtung von Pflichten, die Gegenstand der ministeriellen Runderlasse waren und daher zum alltäglichen "Handwerkszeug" der Beamten gehörten, denen gegenüber der Verdacht auf einen Impfschaden geäußert war. Es trifft auch nicht zu, wenn das Berufungsgericht ausführt, an die Beamten sei ein entsprechender Sachverhalt nicht herangetragen worden. Es war vielmehr ein Antrag der Klägerin in der Welt, der Anlaß zu der Frage bot, ob das Land aus dem Gesichtspunkt des Impfschadens für die Kosten von Eingliederungsmaßnahmen aufkommen müsse. So ist dies auch, wie die Behandlung der Angelegenheit zeigt, vom Gesundheitsamt und der Bezirksregierung angesehen worden. Soweit das Berufungsgericht meint, die befaßten Beamten hätten die Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Antrag der Klägerin nicht vorwerfbar als nicht gegeben angesehen, übersieht es den maßgeblichen Gesichtspunkt , daß die mit dem Fall befaßten Beamten die Sache auf einer - gemessen an der durch die Erlasse begründeten Pflichtenlage - erkennbar unvollständigen Grundlage, die es nicht erlaubte, die Erfolgsaussicht eines auf Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antrags zu beurteilen oder gar zu verneinen, abgeschlossen haben. War es aber ohnehin geboten, sich mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin wegen der Aufklärung des nicht von vornherein auszuräumenden Verdachts eines Impfschadens ins Benehmen zu setzen, konnten die mit der Sache befaßten Beamten schwerlich ohne Verschulden davon ausgehen, sie müßten sich über den Grund oder das mögliche Ziel ihrer Untersuchungen nicht näher erklären.
Ein Verschulden der zuständigen Bediensteten ist nicht deshalb ausgeschlossen , weil ihnen mehrere Kollegialgerichte rechtmäßiges Verhalten bescheinigt haben. Auf die allgemeine Richtlinie, daß einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 97, 97, 107), kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Bei dieser Regel handelt es sich nur um eine allgemeine Richtlinie für die Beurteilung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts. Sie greift unter anderem nicht ein, wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruht, etwa deshalb, weil das Gericht sich bereits in seinem Ausgangspunkt von einer sachlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können oder weil es infolge unzureichender Tatsachenfeststellung von einem anderen Sachverhalt als dem, vor den der Beamte gestellt war, ausgegangen ist oder den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat (Senatsurteil vom 2. April 1998 - III ZR 111/97 - NVwZ 1998, 878 m.w.Nachw.). So liegt es hier. Denn soweit die Vorinstanzen und das Landessozialgericht überhaupt auf den Vorgang von 1968 eingegangen sind, haben sie ihn nur unter dem Gesichtspunkt erörtert, mangels einer auf die Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antragstellung habe für die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nach allgemeinen Grundsätzen kein Anlaß und keine Pflicht bestanden, Ermittlungen vorzunehmen und der Klägerin Hinweise zu erteilen. Sie haben damit den für die Beurteilung wesentlichen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen, daß sich aus den ministeriellen Runderlassen die oben dargestellten Verpflichtungen ergeben konnten.
3. Die angefochtene Entscheidung kann nicht mit der Erwägung aufrechterhalten bleiben, auch bei Erteilung eines Hinweises wäre es der Klägerin vor dem Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz zum 1. September 1971 nicht möglich gewesen, die Ursächlichkeit der Impfung für die eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu beweisen. Die Revision macht insoweit zu Recht geltend, die Klägerin habe in das Wissen eines Sachverständigen gestellt, daß ein medizinisches Gutachten bereits in den sechziger Jahren zu demselben Ergebnis gekommen wäre wie das neurologische Gutachten von Prof. Dr. H. vom 30. Juli 1991, auf dessen Grundlage das Versorgungsamt einen Impfschaden der Klägerin anerkannt hat. Soweit das Berufungsgericht seine gegenteilige Auffassung auf die ärztlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. F. vom 1. Juni 1987 und Dr. B. vom 1. November 1987 stützt, übersieht es - wie die Revision mit Recht rügt -, daß diesen Stellungnahmen nicht die Fragestellung zugrunde lag, ob die untersuchten gesundheitlichen Beeinträchtigungen - eine im wesentlichen an den Armen der Klägerin aufgetretene Muskelatrophie - auf die Impfung zurückzuführen seien. Schon gar nicht hatten sie zum Gegenstand, ob dies für die im unmittelbaren Anschluß an die Impfung aufgetretenen Beschwerden der Klägerin in ihren Beinen anzunehmen sei. Die Revision hebt weiter zutreffend hervor, der Sachverständige Prof. Dr. H. habe sich in seinem Gutachten auf eine im Jahr 1961 veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung bezogen, so daß die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in diesem Gutachten enthaltenen Feststellungen über die Ursächlichkeit des Krankheitsbildes der Klägerin seien in den vorangegangenen Jahrzehnten nicht bekannt gewesen, keine hinreichende Grundlage hat. Da der Sachverständige Prof. Dr. H. es im Hinblick auf den neurologischen Befund für "sehr wahrscheinlich" gehalten hat, daß die rechtsund beinbetonte Tetraspastik Folge der im unmittelbaren Anschluß an die
Impfung durchgemachten postvakzinalen Enzephalopathie sei, läßt sich nach dem von der Klägerin unter Beweis gestellten Vorbringen nicht ausschließen, daß ihr auch bereits in den sechziger Jahren ein für die Anerkennung eines Impfschadens hinreichender Nachweis gelungen wäre.
4. Geht man von einer Amtspflichtverletzung in den sechziger Jahren aus, müßte die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden, als hätte sie damals bereits einen Antrag auf Anerkennung ihres Impfschadens gestellt. Für einen solchen Antrag wäre nicht das Bundes-Seuchengesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 18. Juli 1961 (BGBl. I, S. 1012) maßgebend gewesen. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, war das BundesSeuchengesetz vom 18. Juli 1961, das nach seinem § 85 erst am 1. Januar 1962 in Kraft getreten ist, auf frühere Schadensfälle nicht anwendbar (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 12. Oktober 1964 - III ZR 30/64 - NJW 1965, 347; BGHZ 45, 290, 291). Die Klägerin hätte daher zum damaligen Zeitpunkt Anspruch darauf gehabt, Entschädigungsleistungen aufgrund des allgemeinen Aufopferungsanspruchs des § 75 EinlALR zu erhalten, ohne daß sie dabei eine Anmeldefrist hätte einhalten müssen. Zur damaligen Zeit war der Aufopferungsanspruch , der erst durch das Senatsurteil vom 19. Februar 1953 (BGHZ 9, 83) für Impfschäden anerkannt wurde, nicht verjährt. Aus diesem Grund spielen § 56 BSeuchenG in der Fassung vom 18. Juli 1961, wonach der Geschädigte seinen Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erlangung der Kenntnis von dem Impfschaden geltend zu machen hatte und bei später eingehenden Anträgen die Entschädigungsleistungen frühestens vom Tag der Antragstellung an zu gewähren waren, sowie der in dieser Vorschrift geregelte grundsätzliche Anspruchsausschluß für den Fall, daß nach Ablauf eines Jahres seit Kenntnis von dem Impfschaden noch kein Anspruch geltend
gemacht war, keine Rolle. Durch das Zweite Ä nderungsgesetz zum BundesSeuchengesetz , das die Impfschadensregelung in der Weise vereinheitlichte, daß es die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes für entsprechend anwendbar erklärte, wurden allerdings auch Altfälle in die gesetzliche Regelung einbezogen. Dies hat das Bundessozialgericht der - als unvollständig angesehenen - Übergangsregelung in Art. 2 des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz entnommen (vgl. BSGE 42, 28 ff), was der Gesetzgeber des Vierten Gesetzes zur Ä nderung des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2248) durch eine Ä nderung der Fassung in § 51 Abs. 1 und 2 bestätigt hat, indem er das Wort "erleidet" durch die Worte "erlitten hat" ersetzt hat (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 402/78 S. 31). Diese Regelung wirkt sich zwar auf den Entschädigungsumfang und damit mittelbar auch auf den hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch aus, bedeutet jedoch nicht, daß die § 56 BSeuchenG a.F. ablösende Regelung über den Beginn der Versorgung in § 60 BVG auf den Beginn des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs anzuwenden wäre.
5. Ein Amtshaftungsanspruch scheitert nicht daran, daß die Klägerin mit ihrem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglicherweise noch Erfolg hätte. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des § 54 Abs. 4 BSeuchenG, wonach ein Schadensersatzanspruch aufgrund fahrlässiger Amtspflichtverletzung nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die Voraussetzungen des § 51 BSeuchenG vorliegen, also ein Versorgungsanspruch zu gewähren ist, wie es Ziel des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist. Der Senat kann auch weiterhin offenlassen, ob die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als ein Rechtsmittel im Sinn des § 839 Abs. 3 BGB anzusehen ist (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1989 - III ZR 146/88 - NJW-RR 1990,
408, 409 m.w.Nachw.). Denn nachdem das Landessozialgericht insoweit die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen hat, ohne die Revision an das Bundessozialgericht zuzulassen , ist es der Klägerin nicht zuzumuten, das Verfahren durch Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision fortzuführen.
6. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß der Amtshaftungsanspruch der Klägerin nicht wegen Verjährung abzuweisen ist. Wie der Senat entschieden hat, wird die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs in analoger Anwendung des § 209 BGB durch den Widerspruch und die anschließende Klage gegen die Versagung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unterbrochen , soweit der Amtshaftungsanspruch auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers gestützt wird (BGHZ 103, 242, 248 f). Damit halten sich die hier zu beurteilenden Vorgänge innerhalb der 30jährigen Frist des § 852 Abs. 1 BGB; darüber hinaus hat die Klägerin ihre Ansprüche innerhalb der dreijährigen Frist seit ihrer Kenntnis davon erhoben, daß ihr Impfschaden anerkannt ist und ihr für die Vergangenheit keine Versorgung zu gewähren sei. Der Unterbrechungswirkung steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei einem Antrag, der - wie hier - auf Geldleistungen gerichtet ist, die materiellrechtlich von der Antragstellung abhängen, die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X auch im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs analog heranzuziehen ist (vgl. BSGE 60, 245, 247), so daß die Klägerin bei einem Erfolg im sozialgerichtlichen Verfahren Leistungen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 1984 erlangen könnte, während es hier im anhängigen Verfahren um eine weiterreichende Rückwirkung geht. Aus den im Senatsurteil BGHZ 103, 242, 248 angeführten Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit ist für die Unterbrechungswirkung viel-
mehr entscheidend, daß die Klägerin ihren sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf dieselben Gesichtspunkte gestützt hat, aus denen sie auch eine Amtspflichtverletzung herleitet.

III.


Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Bei der abschließenden Prüfung, ob den Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung eine Amtspflichtverletzung unterlaufen ist, hat die Klägerin Gelegenheit, ihren Vortrag, dem Amtsarzt sei im Zusammenhang mit der Ausstellung der Bescheinigung vom 15. Juni 1962 eine Amtspflichtverletzung unterlaufen, zu präzisieren. Der Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 könnte insoweit entnommen werden, der Amtsarzt habe seinerzeit nicht näher geprüft, was es mit dem von der Klägerin bzw. ihrer Begleitperson behaupteten Impfschaden auf sich habe. Ob die gesamten Umstände jedoch eine solche Prüfung erforderten, für die die Runderlasse vom 17. April 1959 (MinBl. 1959, Spalte 777) und vom 4. Februar 1960 (MinBl. 1960, Spalte 279) im wesentlichen dasselbe wie die Runderlasse vom 31. Dezember 1967 verlangten, läßt sich dem bisherigen Vorbringen der Klägerin nicht deutlich entnehmen. Die Klägerin hat ferner Gelegenheit, auf ihren unter Beweis gestellten Vortrag zurückzukommen, ihre Eltern hätten Ende 1963/Anfang 1964 beim Gesundheitsamt die Übernahme der Kosten für den Schulbesuch aus dem Gesichtspunkt einer Entschädigung für den erlittenen Impfschaden beantragt; das Gesundheitsamt habe von Ostern 1965 bis Juni 1970 die Fahrtkosten für den Besuch des Aufbaugymnasiums und Kosten für
Schulbedarf und Schulbücher übernommen. Darüber hinaus hätten während ihrer Schulzeit regelmäßig Untersuchungen im Gesundheitsamt durch den Landesarzt für Körperbehinderte stattgefunden. Es ist nicht auszuschließen, daß auch diese Kontakte Anlaß boten, die Klägerin über ihre Rechte zu belehren.
2. Sollte die Klägerin im weiteren Verfahren nicht in der Lage sein, den Zusammenhang ihrer gesundheitlichen Einschränkungen mit dem Impfschaden aufgrund einer Antragstellung in den sechziger Jahren nachzuweisen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob sich aus der Dauer eines entsprechenden Verfahrens die Anwendung des erleichterten Kausalitätsnachweises des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz ergeben konnte,
oder ob nicht anzunehmen ist, daß die Klägerin nach einem erfolglosen Verfahren der Impfschadensfeststellung die Möglichkeit wahrgenommen hätte, einen Antrag nach Art. 2 Abs. 3 2. Ä ndGBSeuchenG zu stellen.
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

10
1. a) Nach ständiger, seit langem bestehender Rechtsprechung des Senats sind die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) gebunden (vgl. nur BGHZ 9, 329, 330 ff ; 103, 242, 244 f; 119, 365, 368; 134, 268, 273; 146, 153, 156; 161, 305, 309). Die Bindungswirkung erfasst in persönlicher Hinsicht die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 63 VwGO) und ihre Rechtsnachfolger und ist sachlich auf dessen Streitgegenstand beschränkt. In diesem Rahmen folgt die Bindung der Zivilgerichte aus der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Gerichtszweige.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 64/99
Verkündet am:
20. Juli 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Zu den Voraussetzungen, unter denen sich aus den Ermittlungspflichten
des Arztes des Gesundheitsamts, gegenüber dem der Verdacht
auf eine Impfschädigung geäußert wird, eine Pflicht zur Belehrung
ergeben kann, daß es zur Anerkennung eines Impfschadens
einer hierauf gerichteten Antragstellung bedarf.
BGH, Urteil vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99 - OLG Koblenz
LG Trier
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die im Mai 1950 geborene Klägerin wurde am 4. Juni 1951 aufgrund einer gesetzlichen Anordnung zum Schutz vor der Pockenerkrankung geimpft. Bald darauf stellte sich bei ihr eine postvakzinale Enzephalopathie ein, die sich zu einer Teillähmung der Extremitäten entwickelte. Die Klägerin führt diese Entwicklung und weitere Verschlechterungen ihrer gesundheitlichen Situation - auch im psychischen Bereich - auf die genannte Impfung zurück. Von der Verpflichtung zur Pockenschutz-Wiederimpfung wurde die Klägerin gemäß einer vom Amtsarzt Dr. W. unterzeichneten Bescheinigung des Gesundheitsamts B. vom 15. Juni 1962 unter Hinweis auf einen Impfschaden bei der Erstimpfung freigestellt. Die Eltern der Klägerin stellten am 4. Dezember 1967 beim Landratsamt , Abteilung Sozialwesen, einen Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründeten. Wegen der Kostenträgerschaft fragte das Landratsamt unter Bezugnahme auf die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 beim Gesundheitsamt an, ob ein Impfschaden festgestellt sei. Nach Ermittlungen des Gesundheitsamts, das die für die Anerkennung eines Impfschadens zuständige Bezirksregierung einschaltete, teilte diese dem Gesundheitsamt mit Verfügung vom 25. Juli 1968 mit, ein behördlich anerkannter Impfschaden liege nicht vor, weshalb vom Land diesbezüglich keine Leistungen erbracht werden könnten. Hiervon unterrichtete das Gesundheitsamt das Landratsamt, das dann die beantragte Hilfe gewährte. Auf einen im Februar 1988 gestellten Antrag auf Feststellung einer Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz fragte das Versorgungsamt an, ob die Klägerin wegen des von ihr in dem Antrag als Ursache geltend gemachten Impfscha-
dens einen Antrag nach dem Bundes-Seuchengesetz stellen wolle oder ob nur eine Anerkennung im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes gewünscht werde. Der sodann im März 1988 an das Versorgungsamt M. gerichtete Antrag führte am 29. Oktober 1991 zur Anerkennung des Impfschadens im Sinne des § 51 BSeuchenG und zu einer seit dem 1. März 1988 gewährten Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
Die Klägerin ist der Auffassung, die zuständigen Bediensteten des beklagten Landes, die bereits in der Vergangenheit mit den Auswirkungen ihres Leidens befaßt gewesen seien, hätten es pflichtwidrig unterlassen, sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Entschädigung nach Aufopferungsgesichtspunkten oder nach dem Bundes-Seuchengesetz zu erhalten. Sie verfolgt mit ihrer Klage daher im Hauptantrag die Feststellung, daß das beklagte Land (im folgenden : Beklagter) verpflichtet sei, ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei bzw. noch entstehe, daß ihr für die Zeit bis März 1988 keine Entschädigungsleistungen nach dem Bundes-Seuchengesetz und nach dem allgemeinen Aufopferungsanspruch für den am 4. Juni 1951 eingetretenen Pockenimpfschaden gewährt worden seien. Die Klage hatte in den Vorinstanzen - ebenso wie eine im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erhobene Klage vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht - keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht verneint die Verletzung einer Amtspflicht, die zu einem Entschädigungsverlust für die Zeit vor März 1988 geführt hätte. Als der Amtsarzt Dr. W. in seiner Bescheinigung vom 15. Juni 1962 von einem Impfschaden ausgegangen sei und die Klägerin von der Pockenschutz-Wiederimpfung freigestellt habe, sei nicht der zwingende medizinische Nachweis erbracht gewesen, daß die gesundheitlichen Störungen der Klägerin auf die Impfung zurückzuführen seien. Selbst wenn das Gesundheitsamt damals zur näheren Klärung ein ärztliches Gutachten eingeholt hätte, hätte dieses kein anderes Ergebnis haben können als im Jahr 1987 erstattete Gutachten, nach denen das Krankheitsbild der Klägerin nicht vollständig habe geklärt werden können. Die Klägerin wäre daher nicht in der Lage gewesen, den bis zum Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz im Jahr 1971 notwendigen Nachweis eines Impfschadens zu führen. Nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes, das nur noch die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Gesundheitsschaden und Impfung verlange , seien die Beamten des Versorgungsamts nicht verpflichtet gewesen, ein früheres Verfahren wieder aufzugreifen oder die Klägerin auf die geänderte
Gesetzeslage hinzuweisen. Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, hätten die beteiligten Beamten nicht schuldhaft gehandelt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes-Seuchengesetzes vom 1. Januar 1962 sei ein betreuendes Eingreifen und Tätigwerden von Amts wegen für einen möglichen Anspruchsteller nicht üblich gewesen und auch im Bereich des Versorgungsamts nicht erwartet worden. Die Klägerin habe nichts Stichhaltiges dafür vorgetragen , daß Beamte des beklagten Landes, an die weder ein entsprechender Sachverhalt noch ein Antrag oder ein Auskunftsersuchen herangetragen worden sei, schuldhaft eine Belehrungspflicht verletzt hätten.

II.


Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in maßgebenden Punkten nicht stand.
1. Wie die Revision mit Recht rügt, kann die Verletzung einer Amtspflicht nach dem bisherigen Stand des Verfahrens nicht verneint werden. An dieser Beurteilung ist der Senat nicht durch das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2000 gehindert, das den von der Klägerin geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint und hierbei das Handeln der Bediensteten des Gesundheitsamts, der Bezirksregierung und des Versorgungsamts als rechtmäßig bewertet hat. Auch wenn jenes zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ergangene Urteil rechtskräftig würde - gegenwärtig läuft noch die Frist zur Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision -, wäre es nur insoweit der Rechtskraft fähig, als es über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entschieden hat. Ob sich die
Bediensteten der genannten Behörden pflichtgemäß oder pflichtwidrig verhalten haben, war in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht lediglich eine Vorfrage, auf die sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht erstrecken würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 103, 242, 245 m.w.N.; vom 6. Februar 1997 - III ZR 241/95 - VersR 1997, 745, 746).

a) Im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin am 4. Dezember 1967 an das Landratsamt, Abteilung Sozialwesen, gerichteten Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründet hatten, wurden die für die Anerkennung eines Impfschadens seinerzeit zuständigen Behörden des Beklagten mit einer Anfrage des Landratsamts befaßt, ob ein Impfschaden festgestellt sei, weil dies Auswirkungen auf die Frage gehabt hätte, wer zur Übernahme der Ausbildungskosten verpflichtet war. Der Anfrage war die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung des Amtsarztes Dr. W. vom 15. Juni 1962 über die Freistellung von der Pockenschutz-Wiederimpfung beigefügt , aus der sich ergab, daß die Klägerin "infolge eines Impfschadens bei der Erstimpfung nicht noch einmal gegen Pocken geimpft werden" dürfe.
aa) Wie sich aus der vorgerichtlichen Stellungnahme der Bezirksregierung T. vom 23. März 1992 ergibt, hatte das Gesundheitsamt auf die damalige Anfrage, die jedenfalls den geäußerten Verdacht auf einen Impfschaden enthielt , den mit "Verhalten der Gesundheitsämter bei Impfschäden, insbesondere nach Pockenschutzimpfung" überschriebenen Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 - 771-01/1 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1459) zu beachten, der in Ziffer I bestimmte:
"Erhält das Gesundheitsamt Kenntnis von einem ungewöhnlichen Verlauf der Impfreaktion, unklaren Krankheitserscheinungen des Impflings oder eines Familienangehörigen, die mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden, so hat der Amtsarzt unverzüglich alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über das Ergebnis hat er alsbald seiner Bezirksregierung ... zu berichten."
In Ziffer II ist vorgesehen, daß der Amtsarzt auf eine baldmöglichste Einweisung in eine Kinderkrankenanstalt, zumindest in eine Krankenanstalt hinzuwirken hat, wenn im Anschluß an eine Schutzimpfung Erscheinungen am Nervensystem auftreten. Der Sache nach handelte es sich um Amtspflichten, die den Gesundheitsämtern schon seit langem oblagen. Bereits § 42 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 30. März 1935 (RMBl S. 327) bestimmte, daß der Amtsarzt alsbald alle zur Aufklärung des Sachverhalts gebotenen oder zweckdienlich erscheinenden Maßnahmen in die Wege zu leiten und geeignetenfalls durch persönliche Ermittlungen zu unterstützen hatte, wenn Mitteilungen über Impfschädigungen zur Kenntnis des Gesundheitsamts gelangten. Ein weiterer, mit "Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung" überschriebener Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 - 771-01/0 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417 ff) nahm auf diese Bestimmung aus dem Jahr 1935 Bezug und ordnete an, daß der Impfarzt über das Ergebnis seiner Aufsichtsbehörde und der zuständigen Impfanstalt zu berichten habe.
bb) Ob der mit dem Anliegen der Klägerin befaßte Arzt des Gesundheitsamts und der inzwischen in den Diensten der Bezirksregierung stehende Medizinaldirektor Dr. W., an den die Anfrage weitergeleitet wurde, die sich aus
diesen Runderlassen ergebenden Pflichten erfüllt haben, hat das Berufungsgericht nicht geprüft, obwohl sich die Klägerin - wie die Revision mit Recht rügt - sowohl auf diesen Vorgang als auch auf den erstgenannten Runderlaß bezogen hatte.
Ausweislich der bereits vom Berufungsgericht beigezogenen Versorgungsakte spricht viel dafür, daß der Amtsarzt nicht alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege geleitet und die erforderlichen Ermittlungen durchgeführt hat. Zwar ist dem Schreiben des Amtsarztes vom 29. Mai 1968 zu entnehmen, die Mutter der Klägerin habe in eingehender Befragung angegeben, ihre Tochter habe bereits vor der Impfung laufen können , aber nach der längeren Erkrankung im Anschluß an die Impfung wieder mit dem Laufenlernen beginnen müssen; dabei habe die rechte Fußspitze nach der Impfung über den Boden geschleift, weshalb später eine Spitzfußschiene verordnet worden sei. Darüber hinaus hat der Amtsarzt der Mutter der Klägerin weitere schriftliche Fragen zur ärztlichen Behandlung gestellt, deren schriftliche Beantwortung er mit Schreiben vom 12. Juni 1968 an Dr. W. weiterleitete. Der an das Gesundheitsamt gerichteten Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 ist jedoch zu entnehmen, daß die zur Aufklärung eingeleiteten Maßnahmen noch nicht ausreichten, um den Vorgang - wie geschehen - abzuschließen. In der Verfügung wird nämlich zum einen hervorgehoben, die Informationen der Mutter ließen einen "gewissen Verdacht" auf einen Impfschaden aufkommen. Zum anderen wird die Feststellung getroffen, keiner der von den Eltern konsultierten Ä rzte habe von einem Impfschaden gesprochen, was erfahrungsgemäß aus einem Kausalitätsbedürfnis heraus sehr gerne geschehe. Eine wiedergegebene Ä ußerung des Kinderarztes Dr. Sch. könne nicht im Sinne eines Impfschadens gewertet werden, weil man annehmen müsse, daß er
anderenfalls durch eine Meldung an das Gesundheitsamt die Aufklärung des Sachverhalts in Gang gesetzt hätte. Wie dem aber auch sei, es stehe fest, daß die Eltern nie einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt hätten und daß hier nie ein solches Verfahren durchgeführt worden sei. Was die vom Unterzeichner der Verfügung ausgestellte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 betreffe, gehe diese wohl auf Aussagen des Impflings oder seiner Begleitpersonen zurück, woraus geschlossen worden sei, eine Anerkennung als Impfschaden liege bereits vor. Da dies jedoch - wie sich jetzt herausgestellt habe - nicht stimme, habe die Bescheinigung nur die Bedeutung einer Begründung für das Unterbleiben der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederimpfung. Als solche sei sie auch heute noch gültig, ausgehend von dem Standpunkt, daß man ausnahmsweise mal vergrämten Eltern, die an einen Impfschaden bei ihrem Kind glaubten, weitere Sorgen, wie sie durch eine Wiederimpfung auftreten könnten, ersparen helfe. Die Verfügung, die zwar dem Landratsamt, nicht aber der Klägerin bekannt gegeben worden ist, schließt mit der Feststellung , mangels eines behördlich anerkannten Impfschadens könnten vom Land keine Leistungen erbracht werden. Damit sind in der Verfügung letztlich nur unzureichende Angaben der Mutter und eine - in Wirklichkeit offenbar nicht vorhandene - Aktenlage verwertet worden. Dem Anliegen des Erlasses, alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, war damit ersichtlich nicht Genüge getan, denn angesichts der in der Verfügung nicht geleugneten Bedeutung der zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Impfung und den aufgetretenen gesundheitlichen Störungen und des ausdrücklich bejahten "gewissen Verdachts" lag es nahe, damals möglicherweise noch erreichbare ärztliche Unterlagen beizuziehen oder Stellungnahmen der behandelnden Ä rzte einzuholen.

Der Senat verkennt nicht, daß das Gesundheitsamt und die Bezirksregierung grundsätzlich nur nach Stellung eines Antrages auf Anerkennung bestimmter gesundheitlicher Einschränkungen als Impfschaden Anlaß hatten, von Amts wegen alle Ermittlungen anzustellen, um in diesem Sinne eine abschließende Klärung herbeizuführen. Eine so weitgehende Verpflichtung begründete der Runderlaß fraglos nicht. Trotzdem legte er dem Gesundheitsamt Aufklärungspflichten auf, die von einer solchen Antragstellung unabhängig waren. Wenn diese Pflichten auch in erster Linie auf Fälle zugeschnitten sein mögen, in denen dem Gesundheitsamt alsbald nach der Impfung ein unregelmäßiger Verlauf zur Kenntnis gelangt - das ergibt sich insbesondere aus der Pflicht, auch der Impfanstalt zu berichten sowie unter bestimmten Voraussetzungen Blut und Liquor zu entnehmen und der Impfanstalt zu übersenden -, sind sie auf solche Fälle jedoch nicht beschränkt. Sie dienen auch nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit, um etwa der Verwendung ungeeigneter Impfstoffe zu begegnen, sondern auch dem Interesse des von einem unregelmäßigen Impfverlauf betroffenen Einzelnen, dessen Gesundheit möglicherweise erheblich beeinträchtigt war oder der mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen zu rechnen hatte. Es kommt hinzu, daß der mit "Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung" überschriebene Runderlaß des Ministers des Innern vom 31. Dezember 1967 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417, 1418) als Anlage 10 einen vom Amtsarzt an die Aufsichtsbehörde zu erstattenden Bericht in einer Impfschadenssache vorsah, wenn von dem Erziehungsberechtigten ein Impfschaden behauptet oder der Verdacht einer Impfschädigung geäußert wurde. Den beigezogenen Vorsorgungsakten ist nicht zu entnehmen, daß der Amtsarzt einen solchen Bericht erstattet und sich die zur Beantwortung der zahlreichen Fragen in dem entsprechenden Formblatt notwendigen Infor-
mationen bei den Eltern der damals noch minderjährigen Klägerin beschafft hätte.
cc) Bei ausreichender Wahrnehmung der in den Runderlassen vom 31. Dezember 1967 auferlegten Pflichten hätte die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung auch die Verpflichtung getroffen, die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Feststellung eines Impfschadens hinzuweisen.
Nach § 16 Abs. 3 SGB I sind die Leistungsträger von Sozialleistungen verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Diese Vorschrift ist zwar erst zum 1. Januar 1976 in Kraft getreten, Betreuungspflichten entsprechender Art wurden aber schon vorher in der Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts anerkannt. Das Bundessozialgericht hat bereits im Urteil vom 17. November 1970, das sich auf Vorgänge im Jahr 1952 bezog, ausgesprochen, aufgrund der Fürsorge- und Betreuungspflicht habe der Beamte dem Staatsbürger, soweit er mit dessen Angelegenheiten befaßt sei, zu helfen, um das zu erreichen, was ihm zustehe oder was er im Rahmen des Möglichen und Zulässigen zu erreichen wünsche (vgl. BSGE 32, 60, 65). 1975 urteilte es über einen Vorgang aus dem Jahr 1965, der Versicherungsträger verletze eine ihm aus dem Versicherungsverhältnis nach dem Grundsatz von Treu und Glauben obliegende Dienstleistungspflicht, wenn er den Versicherten nicht auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinweise, die klar zutage lägen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheine, daß sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen werde (BSGE 41, 126). Zu den Nebenpflichten aus einem Sozialrechtsverhältnis gehören als spezielle
Dienstleistung Auskunft und Belehrung sowie "verständnisvolle Förderung" (BSGE 46, 124, 126). Auch der Senat hat bereits vor Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entschieden, es gehöre im sozialen Rechtsstaat zu den Amtspflichten der mit der Betreuung der sozial schwachen Volkskreise betrauten Beamten, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte und Vorteile nach Kräften beizustehen (Urteil vom 26. September 1957 - III ZR 65/56 - NJW 1957, 1873 f). Im Senatsurteil vom 6. April 1960 hat er ausgeführt, es dürfe der heute gefestigte Grundsatz nicht außer acht bleiben, daß der Beamte "Helfer des Staatsbürgers" zu sein habe, woraus im Einzelfall seine Pflicht folgen könne, den von ihm zu betreuenden Personenkreis gegebenenfalls ausreichend zu belehren und aufzuklären, damit insbesondere ein Gesuchsteller im Rahmen des jeweils Möglichen und Zulässigen das erreichen könne, was er zu erreichen wünsche, und damit vermeidbarer Schaden von ihm ferngehalten werde (III ZR 38/59 - NJW 1960, 1244). Auch in der eine Betreuungspflicht annehmenden Entscheidung des Senats vom 6. Februar 1997 (III ZR 241/95 - VersR 1997, 745 f) ging es um ein Verhalten in den frühen siebziger Jahren, also vor dem Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch.
Dem Senat ist bewußt, daß im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres eine Belehrungspflicht wegen einer klar zutage tretenden Gestaltungsmöglichkeit angenommen werden kann. Denn nach der Aktenlage konnten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auch auf anderen Ursachen beruhen. Bei einer nach den Runderlassen gebotenen weiteren Aufklärung, zu der die Bezirksregierung das Gesundheitsamt hätte auffordern müssen und die mindestens in der Beiziehung ärztlicher Unterlagen und in einer dokumentierten Befragung der Eltern hätte bestehen müssen, hätte aber nach den Um-
ständen des Falles eine Belehrung vorgenommen werden müssen. Wegen der gebotenen Aufklärung war ohnehin eine Kontaktaufnahme mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin erforderlich. Er hätte auch um eine entsprechende Entbindung der behandelnden Ä rzte von der Schweigepflicht ersucht werden müssen. Darüber hinaus drängte sich dem Gesundheitsamt aufgrund der Anfrage des Sozialamts auf, daß die Klägerin in wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, die eine Hilfegewährung erforderlich machten. Das Gesundheitsamt führte ferner, wie den Versorgungsakten zu entnehmen ist, seit 1959 über die Klägerin eine Körperbehindertenakte. Schließlich ergab der Vorgang, in den das Gesundheitsamt durch die Anfrage des Sozialamts eingeschaltet war, daß den Erziehungsberechtigten der Klägerin offenbar nicht bekannt war, daß sie Entschädigungsleistungen verlangen könnten, wenn ein Impfschaden in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt wäre. Vor diesem Hintergrund war es amtspflichtwidrig, sich der weiteren Aufklärung zu enthalten und die Klägerin nicht mindestens auf die Möglichkeit hinzuweisen, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Impfschaden anerkennen zu lassen. Da die Klägerin die beantragte Hilfe schließlich vom Sozialamt erhielt und ihr die Verfügung der Bezirksregierung nicht übermittelt wurde, blieb ihr die aus ihrer Sicht gebotene Gestaltungsmöglichkeit gerade verborgen.
Dagegen läßt sich nicht einwenden, der Anwendungsbereich der Runderlasse beschränke sich auf die Gesundheitsfürsorge als solche; er sei - in Bezug auf den einzelnen Betroffenen - überschritten, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung irreversibel sei. Eine solche Feststellung setzt die von den Runderlassen bei Verdacht eines Impfschadens vorgeschriebene Aufklärung voraus, die ihrerseits zwischen Gesundheitsbehörden und Betroffenen die Rechtsbeziehung begründet, aus der die genannten Belehrungspflichten her-
zuleiten sind. Deren pflichtgemäße Wahrnehmung oblag den zuständigen Amtsträgern auch im Blick auf das Interesse der von einem Impfschaden Betroffenen , in Gestalt einer Aufopferungsentschädigung ein Ä quivalent für die im Interesse der Allgemeinheit erlittenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen.

b) Unbegründet ist die Rüge der Revision, nach Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundesseuchengesetz sei das Versorgungsamt im Zusammenhang mit dem Übergang der Zuständigkeit für die Behandlung von Impfschadensfällen verpflichtet gewesen, den von der Bezirksregierung übermittelten Vorgang aus dem Jahr 1968 zu überprüfen und der Klägerin eine Antragstellung nahezulegen. Auch wenn die der Versorgungsakte vorgeheftete Karteikarte, worauf die Revision hinweist, ergibt, daß die zehn Blätter umfassende Akte der Bezirksregierung am 6. Oktober 1971 übersandt und erst ein Jahr später archiviert worden ist, begründete dies keine Pflicht, ohne einen besonderen Anlaß die Akte auf mögliche Ansprüche durchzuprüfen und der Klägerin im Hinblick auf den erleichterten Nachweis der Kausalität (§ 52 Abs. 2 BSeuchenG) eine Antragstellung nahezulegen. Da ein Impfschaden nicht bereits anerkannt war, war nicht zu prüfen, ob sich leistungsrechtlich Veränderungen ergeben konnten, die mit der 1971 eingeführten entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes zusammenhingen. Im übrigen setzte Art. 2 Abs. 3 2. Ä ndGBSeuchenG einen Antrag voraus, wenn erneut geprüft werden sollte, ob der Impfschaden im Hinblick auf das gelokkerte Kausalitätserfordernis anzuerkennen sei.
2. Wie die Revision mit Recht rügt, kann auch ein Verschulden der mit der Anfrage des Sozialamts befaßten Beamten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nicht ausgeschlossen werden. Es geht hier - jedenfalls im Kern -
nicht, wie das Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen stellt, um das Maß der in den sechziger Jahren anerkannten und zu erwartenden allgemeinen Betreuungs-, Beratungs- und Fürsorgepflicht, sondern zunächst und zuvörderst um die Beachtung von Pflichten, die Gegenstand der ministeriellen Runderlasse waren und daher zum alltäglichen "Handwerkszeug" der Beamten gehörten, denen gegenüber der Verdacht auf einen Impfschaden geäußert war. Es trifft auch nicht zu, wenn das Berufungsgericht ausführt, an die Beamten sei ein entsprechender Sachverhalt nicht herangetragen worden. Es war vielmehr ein Antrag der Klägerin in der Welt, der Anlaß zu der Frage bot, ob das Land aus dem Gesichtspunkt des Impfschadens für die Kosten von Eingliederungsmaßnahmen aufkommen müsse. So ist dies auch, wie die Behandlung der Angelegenheit zeigt, vom Gesundheitsamt und der Bezirksregierung angesehen worden. Soweit das Berufungsgericht meint, die befaßten Beamten hätten die Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Antrag der Klägerin nicht vorwerfbar als nicht gegeben angesehen, übersieht es den maßgeblichen Gesichtspunkt , daß die mit dem Fall befaßten Beamten die Sache auf einer - gemessen an der durch die Erlasse begründeten Pflichtenlage - erkennbar unvollständigen Grundlage, die es nicht erlaubte, die Erfolgsaussicht eines auf Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antrags zu beurteilen oder gar zu verneinen, abgeschlossen haben. War es aber ohnehin geboten, sich mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin wegen der Aufklärung des nicht von vornherein auszuräumenden Verdachts eines Impfschadens ins Benehmen zu setzen, konnten die mit der Sache befaßten Beamten schwerlich ohne Verschulden davon ausgehen, sie müßten sich über den Grund oder das mögliche Ziel ihrer Untersuchungen nicht näher erklären.
Ein Verschulden der zuständigen Bediensteten ist nicht deshalb ausgeschlossen , weil ihnen mehrere Kollegialgerichte rechtmäßiges Verhalten bescheinigt haben. Auf die allgemeine Richtlinie, daß einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 97, 97, 107), kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Bei dieser Regel handelt es sich nur um eine allgemeine Richtlinie für die Beurteilung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts. Sie greift unter anderem nicht ein, wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruht, etwa deshalb, weil das Gericht sich bereits in seinem Ausgangspunkt von einer sachlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können oder weil es infolge unzureichender Tatsachenfeststellung von einem anderen Sachverhalt als dem, vor den der Beamte gestellt war, ausgegangen ist oder den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat (Senatsurteil vom 2. April 1998 - III ZR 111/97 - NVwZ 1998, 878 m.w.Nachw.). So liegt es hier. Denn soweit die Vorinstanzen und das Landessozialgericht überhaupt auf den Vorgang von 1968 eingegangen sind, haben sie ihn nur unter dem Gesichtspunkt erörtert, mangels einer auf die Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antragstellung habe für die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nach allgemeinen Grundsätzen kein Anlaß und keine Pflicht bestanden, Ermittlungen vorzunehmen und der Klägerin Hinweise zu erteilen. Sie haben damit den für die Beurteilung wesentlichen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen, daß sich aus den ministeriellen Runderlassen die oben dargestellten Verpflichtungen ergeben konnten.
3. Die angefochtene Entscheidung kann nicht mit der Erwägung aufrechterhalten bleiben, auch bei Erteilung eines Hinweises wäre es der Klägerin vor dem Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz zum 1. September 1971 nicht möglich gewesen, die Ursächlichkeit der Impfung für die eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu beweisen. Die Revision macht insoweit zu Recht geltend, die Klägerin habe in das Wissen eines Sachverständigen gestellt, daß ein medizinisches Gutachten bereits in den sechziger Jahren zu demselben Ergebnis gekommen wäre wie das neurologische Gutachten von Prof. Dr. H. vom 30. Juli 1991, auf dessen Grundlage das Versorgungsamt einen Impfschaden der Klägerin anerkannt hat. Soweit das Berufungsgericht seine gegenteilige Auffassung auf die ärztlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. F. vom 1. Juni 1987 und Dr. B. vom 1. November 1987 stützt, übersieht es - wie die Revision mit Recht rügt -, daß diesen Stellungnahmen nicht die Fragestellung zugrunde lag, ob die untersuchten gesundheitlichen Beeinträchtigungen - eine im wesentlichen an den Armen der Klägerin aufgetretene Muskelatrophie - auf die Impfung zurückzuführen seien. Schon gar nicht hatten sie zum Gegenstand, ob dies für die im unmittelbaren Anschluß an die Impfung aufgetretenen Beschwerden der Klägerin in ihren Beinen anzunehmen sei. Die Revision hebt weiter zutreffend hervor, der Sachverständige Prof. Dr. H. habe sich in seinem Gutachten auf eine im Jahr 1961 veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung bezogen, so daß die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in diesem Gutachten enthaltenen Feststellungen über die Ursächlichkeit des Krankheitsbildes der Klägerin seien in den vorangegangenen Jahrzehnten nicht bekannt gewesen, keine hinreichende Grundlage hat. Da der Sachverständige Prof. Dr. H. es im Hinblick auf den neurologischen Befund für "sehr wahrscheinlich" gehalten hat, daß die rechtsund beinbetonte Tetraspastik Folge der im unmittelbaren Anschluß an die
Impfung durchgemachten postvakzinalen Enzephalopathie sei, läßt sich nach dem von der Klägerin unter Beweis gestellten Vorbringen nicht ausschließen, daß ihr auch bereits in den sechziger Jahren ein für die Anerkennung eines Impfschadens hinreichender Nachweis gelungen wäre.
4. Geht man von einer Amtspflichtverletzung in den sechziger Jahren aus, müßte die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden, als hätte sie damals bereits einen Antrag auf Anerkennung ihres Impfschadens gestellt. Für einen solchen Antrag wäre nicht das Bundes-Seuchengesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 18. Juli 1961 (BGBl. I, S. 1012) maßgebend gewesen. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, war das BundesSeuchengesetz vom 18. Juli 1961, das nach seinem § 85 erst am 1. Januar 1962 in Kraft getreten ist, auf frühere Schadensfälle nicht anwendbar (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 12. Oktober 1964 - III ZR 30/64 - NJW 1965, 347; BGHZ 45, 290, 291). Die Klägerin hätte daher zum damaligen Zeitpunkt Anspruch darauf gehabt, Entschädigungsleistungen aufgrund des allgemeinen Aufopferungsanspruchs des § 75 EinlALR zu erhalten, ohne daß sie dabei eine Anmeldefrist hätte einhalten müssen. Zur damaligen Zeit war der Aufopferungsanspruch , der erst durch das Senatsurteil vom 19. Februar 1953 (BGHZ 9, 83) für Impfschäden anerkannt wurde, nicht verjährt. Aus diesem Grund spielen § 56 BSeuchenG in der Fassung vom 18. Juli 1961, wonach der Geschädigte seinen Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erlangung der Kenntnis von dem Impfschaden geltend zu machen hatte und bei später eingehenden Anträgen die Entschädigungsleistungen frühestens vom Tag der Antragstellung an zu gewähren waren, sowie der in dieser Vorschrift geregelte grundsätzliche Anspruchsausschluß für den Fall, daß nach Ablauf eines Jahres seit Kenntnis von dem Impfschaden noch kein Anspruch geltend
gemacht war, keine Rolle. Durch das Zweite Ä nderungsgesetz zum BundesSeuchengesetz , das die Impfschadensregelung in der Weise vereinheitlichte, daß es die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes für entsprechend anwendbar erklärte, wurden allerdings auch Altfälle in die gesetzliche Regelung einbezogen. Dies hat das Bundessozialgericht der - als unvollständig angesehenen - Übergangsregelung in Art. 2 des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz entnommen (vgl. BSGE 42, 28 ff), was der Gesetzgeber des Vierten Gesetzes zur Ä nderung des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2248) durch eine Ä nderung der Fassung in § 51 Abs. 1 und 2 bestätigt hat, indem er das Wort "erleidet" durch die Worte "erlitten hat" ersetzt hat (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 402/78 S. 31). Diese Regelung wirkt sich zwar auf den Entschädigungsumfang und damit mittelbar auch auf den hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch aus, bedeutet jedoch nicht, daß die § 56 BSeuchenG a.F. ablösende Regelung über den Beginn der Versorgung in § 60 BVG auf den Beginn des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs anzuwenden wäre.
5. Ein Amtshaftungsanspruch scheitert nicht daran, daß die Klägerin mit ihrem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglicherweise noch Erfolg hätte. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des § 54 Abs. 4 BSeuchenG, wonach ein Schadensersatzanspruch aufgrund fahrlässiger Amtspflichtverletzung nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die Voraussetzungen des § 51 BSeuchenG vorliegen, also ein Versorgungsanspruch zu gewähren ist, wie es Ziel des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist. Der Senat kann auch weiterhin offenlassen, ob die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als ein Rechtsmittel im Sinn des § 839 Abs. 3 BGB anzusehen ist (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1989 - III ZR 146/88 - NJW-RR 1990,
408, 409 m.w.Nachw.). Denn nachdem das Landessozialgericht insoweit die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen hat, ohne die Revision an das Bundessozialgericht zuzulassen , ist es der Klägerin nicht zuzumuten, das Verfahren durch Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision fortzuführen.
6. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß der Amtshaftungsanspruch der Klägerin nicht wegen Verjährung abzuweisen ist. Wie der Senat entschieden hat, wird die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs in analoger Anwendung des § 209 BGB durch den Widerspruch und die anschließende Klage gegen die Versagung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unterbrochen , soweit der Amtshaftungsanspruch auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers gestützt wird (BGHZ 103, 242, 248 f). Damit halten sich die hier zu beurteilenden Vorgänge innerhalb der 30jährigen Frist des § 852 Abs. 1 BGB; darüber hinaus hat die Klägerin ihre Ansprüche innerhalb der dreijährigen Frist seit ihrer Kenntnis davon erhoben, daß ihr Impfschaden anerkannt ist und ihr für die Vergangenheit keine Versorgung zu gewähren sei. Der Unterbrechungswirkung steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei einem Antrag, der - wie hier - auf Geldleistungen gerichtet ist, die materiellrechtlich von der Antragstellung abhängen, die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X auch im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs analog heranzuziehen ist (vgl. BSGE 60, 245, 247), so daß die Klägerin bei einem Erfolg im sozialgerichtlichen Verfahren Leistungen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 1984 erlangen könnte, während es hier im anhängigen Verfahren um eine weiterreichende Rückwirkung geht. Aus den im Senatsurteil BGHZ 103, 242, 248 angeführten Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit ist für die Unterbrechungswirkung viel-
mehr entscheidend, daß die Klägerin ihren sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf dieselben Gesichtspunkte gestützt hat, aus denen sie auch eine Amtspflichtverletzung herleitet.

III.


Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Bei der abschließenden Prüfung, ob den Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung eine Amtspflichtverletzung unterlaufen ist, hat die Klägerin Gelegenheit, ihren Vortrag, dem Amtsarzt sei im Zusammenhang mit der Ausstellung der Bescheinigung vom 15. Juni 1962 eine Amtspflichtverletzung unterlaufen, zu präzisieren. Der Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 könnte insoweit entnommen werden, der Amtsarzt habe seinerzeit nicht näher geprüft, was es mit dem von der Klägerin bzw. ihrer Begleitperson behaupteten Impfschaden auf sich habe. Ob die gesamten Umstände jedoch eine solche Prüfung erforderten, für die die Runderlasse vom 17. April 1959 (MinBl. 1959, Spalte 777) und vom 4. Februar 1960 (MinBl. 1960, Spalte 279) im wesentlichen dasselbe wie die Runderlasse vom 31. Dezember 1967 verlangten, läßt sich dem bisherigen Vorbringen der Klägerin nicht deutlich entnehmen. Die Klägerin hat ferner Gelegenheit, auf ihren unter Beweis gestellten Vortrag zurückzukommen, ihre Eltern hätten Ende 1963/Anfang 1964 beim Gesundheitsamt die Übernahme der Kosten für den Schulbesuch aus dem Gesichtspunkt einer Entschädigung für den erlittenen Impfschaden beantragt; das Gesundheitsamt habe von Ostern 1965 bis Juni 1970 die Fahrtkosten für den Besuch des Aufbaugymnasiums und Kosten für
Schulbedarf und Schulbücher übernommen. Darüber hinaus hätten während ihrer Schulzeit regelmäßig Untersuchungen im Gesundheitsamt durch den Landesarzt für Körperbehinderte stattgefunden. Es ist nicht auszuschließen, daß auch diese Kontakte Anlaß boten, die Klägerin über ihre Rechte zu belehren.
2. Sollte die Klägerin im weiteren Verfahren nicht in der Lage sein, den Zusammenhang ihrer gesundheitlichen Einschränkungen mit dem Impfschaden aufgrund einer Antragstellung in den sechziger Jahren nachzuweisen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob sich aus der Dauer eines entsprechenden Verfahrens die Anwendung des erleichterten Kausalitätsnachweises des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz ergeben konnte,
oder ob nicht anzunehmen ist, daß die Klägerin nach einem erfolglosen Verfahren der Impfschadensfeststellung die Möglichkeit wahrgenommen hätte, einen Antrag nach Art. 2 Abs. 3 2. Ä ndGBSeuchenG zu stellen.
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a) Da der Kläger gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Widerspruch eingelegt und damit den nach § 839 Abs. 3 BGB gebotenen Primärrechtsschutz wahrgenommen hat, kann er sich auf die ständige Rechtsprechung des Senats beziehen, nach der Widerspruch und Klage gegen einen amtspflichtwidrig erlassenen Verwaltungsakt die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs , der aus der angefochtenen Maßnahme abgeleitet wird, in analoger Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 209 BGB hemmen (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 35; zur Unterbrechungswirkung nach früherem Recht analog § 209 Abs. 1, § 211 BGB a.F. Senatsurteile vom 11. Juli 1985 - III ZR 62/84, BGHZ 95, 238, 242 f; vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, NVwZ-RR 2005, 152, 154). Die Hemmungswirkung endet analog § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB im Regelfall sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens (vgl. zu § 211 BGB a.F. Senatsurteil vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, aaO).

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, tritt nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an der Anspruch von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.