Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2010 - IV ZR 207/08

bei uns veröffentlicht am10.03.2010
vorgehend
Landgericht Stuttgart, 16 O 46/07, 11.12.2007
Oberlandesgericht Stuttgart, 7 U 17/08, 07.08.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 207/08 Verkündetam:
10.März2010
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterinnen Dr. KessalWulf
, Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 10. März 2010

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. August 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter von der Beklagten die Auszahlung der Rückkaufswerte von fünf Kapitallebensversicherungen, die der Schuldner bei der Beklagten abgeschlossen hatte.
2
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 der den Versicherungsverträgen zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die GroßlebensVersicherung mit Kapitalleistung im Todes- und Erlebensfall (AVB) kann der Versicherer den Inhaber des Versicherungsscheines als verfügungs-, insbesondere empfangsberechtigt ansehen. Die Abtretung der Versicherungsansprüche ist gemäß § 13 Abs. 3 AVB "dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie der bisherige Verfügungsberechtigte schriftlich angezeigt hat."
3
dem In Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde durch Beschluss vom 21. August 2006, der am selben Tag im Internet veröffentlicht wurde, der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners über Gegenstände seines Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien. Die Streithelferin der Beklagten teilte dieser mit Schreiben vom 22. August 2006 mit, dass ihr der Schuldner die Lebensversicherungen abgetreten habe, und bat um Angabe der Rückkaufswerte zum schnellstmöglichen Zeitpunkt. Diesem Schreiben war eine Erklärung des Schuldners beigefügt, mit der er bestätigte , der Streithelferin die Lebensversicherungen abgetreten zu haben. Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Streithelferin unter dem 9. September 2006 die schriftliche Abtretungserklärung vom 16. September 2003, wonach der Schuldner seine Ansprüche und Rechte aus den Versicherungsverträgen an die Streithelferin abgetreten hatte. Mit Schreiben vom 22. September 2006 kündigte die Streithelferin die fünf Lebensversicherungsverträge zum 30. September 2006 und legte der Beklagten die Versicherungsscheine im Original vor. Das Insolvenzgericht eröffnete am 1. Oktober 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Am 26. Oktober 2006 zahlte die Beklagte an die Streithelferin insgesamt 52.995,04 € aus.
4
Das Landgericht hat die Beklagte zur nochmaligen Zahlung dieses Betrages an den Kläger verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision ist nicht begründet.
6
Das I. Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf nochmalige Auszahlung der Rückkaufswerte verneint. Diese habe die Beklagte bereits mit befreiender Wirkung an die Streithelferin gezahlt, die allerdings nicht Gläubigerin der Versicherungsansprüche geworden sei. Die Abtretung sei absolut unwirksam, weil die gemäß § 13 Abs. 3 AVB für die Wirksamkeit erforderliche Abtretungsanzeige, die in dem Schreiben der Streithelferin vom 22. August 2006 nebst Anlage gesehen werden könne, erst bei der Beklagten eingegangen sei, als der Versicherungsnehmer wegen der insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkung nicht mehr (allein) verfügungsbefugt gewesen sei. Die Beklagte werde auch nicht durch § 409 Abs. 1 BGB geschützt, weil die Streithelferin im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Abtretungsurkunde nicht verfügungsbefugte Gläubigerin gewesen sei.
7
Die Beklagte habe jedoch nach § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB deshalb befreiend an die Streithelferin geleistet, weil diese Inhaberin der Versicherungsscheine gewesen sei und sie der Beklagten vorgelegt habe. Die Inhaberklausel des § 11 Abs. 1 Satz 1 AVB mache den Versicherungsschein zum so genannten "hinkenden" Inhaberpapier im Sinne von § 808 Abs. 1 BGB. Es sei kein Grund ersichtlich, die Liberationswirkung im Falle der Insolvenz des Berechtigten nicht eingreifen zu lassen. Eine Ausnahme gelte dann, wenn der Versicherer die mangelnde Verfügungsbefugnis des Inhabers positiv gekannt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt habe. Die Kenntnis der Beklagten von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde nicht gemäß § 82 InsO vermutet. Diese Vorschrift, die dem Leistenden die Beweislast für seine Unkenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auferlege, sei auf den Fall der Leistung an den Inhaber eines "hinkenden" Inhaberpapiers nicht anwendbar. Im Übrigen habe die Beklagte nachgewiesen, dass alle in den Auszahlungsvorgang eingebundenen Personen im Zeitpunkt der Auszahlung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers nicht gekannt hätten. Der Beklagten sei auch keine grob fahrlässige Unkenntnis anzulasten. Grundsätzlich träfen den Schuldner aus einem Inhaberpapier keine Sorgfalts- oder Schutzpflichten gegenüber dem Gläubiger. Insbesondere brauche er die Berechtigung des Urkundeninhabers nicht nachzuprüfen. Nur wenn ihm die Urkunde unter Begleitumständen vorgelegt werde, die den Verdacht auf die fehlende Berechtigung des Inhabers nahe legten, müsse er Nachforschungen anstellen. Solche verdächtigen Begleitumstände hätten hier nicht vorgelegen. Auf ein Insolvenzverfahren hindeutende konkrete Hinweise seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Es sei daher nicht zu beanstanden , wenn die Sachbearbeiterinnen der Beklagten eine nach deren Hausanweisung in Verdachtsfällen vorgesehene Überprüfung auf ein Insolvenzverfahren unterlassen hätten.
8
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
9
Das Berufungsgericht hat zu Recht die Legitimationswirkung der von der Streithelferin vorgelegten Versicherungsscheine der Beklagten zu Gute gehalten und daraus ihre Leistungsfreiheit abgeleitet.
10
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Versicherungsscheine als so genannte hinkende Inhaberpapiere bzw. qualifizierte Legitimationspapiere i.S. von § 808 Abs. 1 BGB eingeordnet. Das ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 AVB, wonach der Versicherer den Inhaber des Versicherungsscheines als verfügungs-, insbesondere empfangsberechtigt ansehen kann. Eine solche dem Versicherer vertraglich eingeräumte Berechtigung , an den Inhaber des Versicherungsscheins mit befreiender Wirkung zu leisten, ohne aber diesem gegenüber zur Leistung verpflichtet zu sein, macht den Versicherungsschein gemäß § 4 Abs. 1 VVG zu einem qualifizierten Legitimationspapier im Sinne des § 808 Abs. 1 BGB. Die Legitimationswirkung umfasst die vertraglich versprochenen Leistungen , zu denen auch die Leistung des Rückkaufswerts nach Kündigung des Vertrages gehört. Demgemäß erstreckt sich die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins auch auf das Kündigungsrecht zur Erlangung des Rückkaufswerts. Der Versicherer kann den Inhaber des Versicherungsscheins , der die Auszahlung des Rückkaufswerts erstrebt, als zur Kündigung berechtigt ansehen (Senatsurteile vom 18. November 2009 - IV ZR 134/08 - juris Tz. 17; vom 20. Mai 2009 - IV ZR 16/08 - VersR 2009, 1061 Tz. 9; vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99 - VersR 2000, 709 unter II 1 c, 3 a m.w.N.). Eine derartige Inhaberklausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand (vgl. Senatsurteil vom 22. März 2000 aaO unter II 2 b und c, 3, 4).
11
2. Die Liberationswirkung des § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitert hier nicht daran, dass die Streithelferin aufgrund des insolvenzrechtli- chen Verfügungsverbots materiell-rechtlich nicht Inhaberin der Rechte aus dem Versicherungsvertrag wurde.
12
a) Durch die mit dem Schuldner vereinbarte Abtretung konnte die Streithelferin die Versicherungsansprüche nicht erwerben, weil der Schuldner die Abtretung nicht wirksam gemäß § 13 Abs. 3 AVB angezeigt hatte.
13
aa) Diese Bestimmung macht die Wirksamkeit der Abtretung davon abhängig, dass sie der bisherige Verfügungsberechtigte dem Versicherer schriftlich angezeigt hat. Damit will der Versicherer als Schuldner der Forderungen nicht nur sicherstellen, dass seine Leistung für den vertraglich vorgesehenen Zweck verwendet wird. Er will insbesondere die Abrechnung übersichtlich gestalten und verhindern, dass ihm eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern gegenübertritt. So will er weitergehend als durch den Schuldnerschutz der §§ 406 bis 410 BGB vor mehrfacher Inanspruchnahme geschützt sein (BGHZ 112, 387, 388; BGH, Urteil vom 23. April 1997 - XII ZR 20/95 - NJW 1997, 2747 unter 2 b). Angesichts dieser erkennbaren Zielsetzung ist eine derartige Klausel nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers so auszulegen, dass sie als Ausnahme vom Regelfall der Abtretbarkeit gemäß § 398 BGB vereinbarungsgemäß von vornherein für die zu begründende Forderung den (eingeschränkten) Abtretungsausschluss des § 399, 2. Alt. BGB festlegt. Die Wirkung dieses Abtretungsausschlusses besteht darin, dass eine abredewidrig nicht angezeigte Abtretung absolut unwirksam ist (BGHZ 112 aaO 389 ff.; Senatsurteil vom 19. Februar 1992 - IV ZR 111/91 - VersR 1992, 561 unter II 1 a und 2; BGH, Urteil vom 23. April 1997 aaO, jeweils m.w.N.).
14
bb) Das gilt auch dann, wenn die Abtretungsanzeige bei dem Versicherer zu einem Zeitpunkt eingeht, in dem der Versicherungsnehmer nicht mehr verfügungsbefugt ist. Die Verfügungsbefugnis muss grundsätzlich in dem Augenblick vorhanden sein, in dem die Verfügung wirksam werden soll. Auf den Zeitpunkt der Verfügungserklärung kommt es hingegen nicht an. Hat das Verfügungsgeschäft außer der Willenserklärung noch weitere Wirksamkeitserfordernisse, die erst später eintreten, so muss die Verfügungsbefugnis noch zur Zeit des Eintritts des letzten Tatbestandsmerkmals gegeben sein (BGHZ 27, 360, 366 m.w.N.; vgl. BGHZ 135, 140, 144; BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 1/09 - DB 2010, 156 Tz. 25 m.w.N.). Da die Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen erst mit der schriftlichen Anzeige dem Versicherer gegenüber wirksam wird, muss die Verfügungsbefugnis des bisherigen Verfügungsberechtigten noch im Zeitpunkt der Abtretungsanzeige gegeben sein. Dies war hier nicht der Fall. Selbst wenn man die Bestätigung des Schuldners in der Anlage zu dem Schreiben der Streithelferin vom 22. August 2006 als Abtretungsanzeige genügen lässt, konnte sie die Wirksamkeit der Abtretung nicht herbeiführen. Als dieses Schreiben bei der Beklagten einging, war der Schuldner nicht mehr (allein) verfügungsbefugt , sondern konnte Verfügungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO nur noch mit Zustimmung des Klägers als vorläufigen Insolvenzverwalters treffen. Da der Kläger seine Zustimmung verweigert hat, ist die Abtretung nicht wirksam geworden (§ 24 Abs. 1 i.V. mit § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO).
15
Die b) fehlgeschlagene Abtretung der Versicherungsansprüche steht indessen der Liberationswirkung der Versicherungsscheine nicht entgegen. Eine befreiende Leistung an den Inhaber des qualifizierten Legitimationspapiers ist auch dann möglich, wenn dieser die verbriefte Forderung nicht wirksam erworben hat. Gerade für den Ausnahmefall, in dem der Urkundeninhaber nicht zugleich Inhaber der Forderung ist, kommt der Erweiterung der Leistungsberechtigung Bedeutung zu. Nur für diesen Fall bezweckt und bewirkt die Ausgestaltung des Versicherungsscheins zu einem qualifizierten Legitimationspapier den Schutz des Schuldners, wenn er an den Urkundeninhaber leistet; denn ihm wird das Risiko der Doppelzahlung und der Uneinbringlichkeit seiner Kondiktion gegen den vermeintlichen Gläubiger abgenommen (Senatsurteil vom 22. März 2000 aaO unter 2 c). Für die Wirkung des § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es daher nicht darauf an, ob der Inhaber materiell-rechtlich verfügungsbefugt oder berechtigt ist oder war. Vielmehr fingiert das qualifizierte Legitimationspapier zugunsten des Schuldners, dass der Inhaber einziehungsberechtigt ist, und verlangt keine Nachprüfung der tatsächlichen Berechtigung (vgl. Staudinger/Marburger, BGB [2009] § 808 Rdn. 23). Dies gilt auch dann, wenn der ursprüngliche Gläubiger - wie hier der Versicherungsnehmer - in seiner Verfügungsbefugnis durch ein insolvenzrechtliches Verfügungsverbot eingeschränkt war und daher die verbriefte Forderung nicht wirksam auf den Inhaber übertragen konnte. Der Rechtsschein der Einzugsberechtigung erwächst allein aus der Inhaberschaft des qualifizierten Legitimationspapiers. Wie es in den Besitz des Anspruchstellers gekommen ist und ob dieser materiell-rechtlich forderungsberechtigt , etwa selbst durch Abtretung Forderungsinhaber geworden ist, soll für den Schuldner keine Rolle spielen. Da der Aussteller der Urkunde grundsätzlich jeder weiteren Prüfung der Berechtigung des Inhabers enthoben sein soll, braucht er auch nicht zu prüfen, ob die Verfügungsberechtigung des ursprünglichen Forderungsinhabers noch fortbesteht. Vielmehr kann er an den Inhaber, wenn dieser das Papier vorlegt , leisten, ohne prüfen zu müssen, wer materiell-rechtlich verfügungsbefugt ist.

16
3. Die schuldbefreiende Wirkung der an die Streithelferin erbrachten Zahlung ist auch nicht wegen Bösgläubigkeit oder Treuwidrigkeit der Beklagten ausgeschlossen.
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Die a) Legitimationswirkung der Urkunde greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann nicht ein, wenn der Schuldner die mangelnde Verfügungsberechtigung des Inhabers positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat (Senatsurteile vom 20. Mai 2009 aaO Tz. 14; vom 22. März 2000 aaO unter II 2 c, 4 b; vom 24. Februar 1999 - IV ZR 122/98 - VersR 1999, 700 unter 2 a). Diese Voraussetzungen sind nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erfüllt. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die zuständigen Sachbearbeiterinnen der Beklagten im Zeitpunkt der Auszahlung keine positive Kenntnis von der Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens und der angeordneten Verfügungsbeschränkung hatten. Anhaltspunkte dafür, dass andere in den Auszahlungsvorgang eingebundene Mitarbeiter der Beklagten von dem Insolvenzverfahren wussten, hat das Berufungsgericht nicht gesehen. Da nach Auffassung des Berufungsgerichts die Beklagte den Nachweis geführt hat, dass sie keine positive Kenntnis von der Verfügungsbeschränkung des Versicherungsnehmers und der daraus resultierenden Unwirksamkeit der Abtretung hatte, kann offen bleiben, ob die Kenntnis der Beklagten von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 82 InsO vermutet wird und sie daher ihren guten Glauben an die fortdauernde Verfügungsbefugnis des Schuldners beweisen musste.
18
Ebenfalls b) kann dahinstehen, ob die befreiende Wirkung auch dann entfällt, wenn der Aussteller des Legitimationspapiers grob fahrlässig keine Kenntnis von der Nichtberechtigung des Inhabers hatte (dafür: AnwK-BGB/Siller § 808 Rdn. 5; MünchKomm-BGB/Habersack 5. Aufl. § 808 Rdn. 15; Staudinger/Marburger aaO Rdn. 24, jeweils m.w.N.; offen geblieben auch in den Senatsurteilen vom 20. Mai 2009 aaO m.w.N.; vom 24. Februar 1999 aaO unter 2 b). Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Dabei hat es weder den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt noch bei der Bewertung wesentliche Umstände außer Acht gelassen. Es hat insbesondere die Hausanweisung der Beklagten in Erwägung gezogen und keinen ausreichenden Hinweis auf ein eingeleitetes Insolvenzverfahren gesehen. Im Übrigen kann eine derartige Hausanweisung nicht die Maßstäbe der groben Fahrlässigkeit zu Lasten der Beklagten verschieben. Diese tatrichterliche Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Terno Seiffert Dr. Kessal-Wulf
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 11.12.2007 - 16 O 46/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 07.08.2008 - 7 U 17/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2010 - IV ZR 207/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2010 - IV ZR 207/08

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 398 Abtretung


Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Insolvenzordnung - InsO | § 21 Anordnung vorläufiger Maßnahmen


(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme

Insolvenzordnung - InsO | § 81 Verfügungen des Schuldners


(1) Hat der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, so ist diese Verfügung unwirksam. Unberührt bleiben die §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an
Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2010 - IV ZR 207/08 zitiert 10 §§.

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Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Er

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Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröf

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(1) Auf einen als Urkunde auf den Inhaber ausgestellten Versicherungsschein ist § 808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. (2) Ist im Vertrag bestimmt, dass der Versicherer nur gegen Rückgabe eines als Urkunde ausgestellten Versicherungsscheins

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Oberlandesgericht München Hinweisbeschluss, 07. Juni 2017 - 25 U 203/17

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Tenor 1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.12.2016, Az. 26 O 6952/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich

Landgericht München I Endurteil, 16. Dez. 2016 - 26 O 6952/16

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Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

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(1) Zeigt der Gläubiger dem Schuldner an, dass er die Forderung abgetreten habe, so muss er dem Schuldner gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Der Anzeige steht es gleich, wenn der Gläubiger eine Urkunde über die Abtretung dem in der Urkunde bezeichneten neuen Gläubiger ausgestellt hat und dieser sie dem Schuldner vorlegt.

(2) Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden, welcher als der neue Gläubiger bezeichnet worden ist.

(1) Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist, mit der Bestimmung ausgegeben, dass die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen.

(2) Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Die in § 802 für die Verjährung gegebenen Vorschriften finden Anwendung.

Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung geleistet, so wird vermutet, daß er die Eröffnung nicht kannte.

(1) Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist, mit der Bestimmung ausgegeben, dass die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen.

(2) Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Die in § 802 für die Verjährung gegebenen Vorschriften finden Anwendung.

(1) Auf einen als Urkunde auf den Inhaber ausgestellten Versicherungsschein ist § 808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden.

(2) Ist im Vertrag bestimmt, dass der Versicherer nur gegen Rückgabe eines als Urkunde ausgestellten Versicherungsscheins zu leisten hat, genügt, wenn der Versicherungsnehmer erklärt, zur Rückgabe außerstande zu sein, das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis, dass die Schuld erloschen sei. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsschein der Kraftloserklärung unterliegt.

(1) Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist, mit der Bestimmung ausgegeben, dass die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen.

(2) Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Die in § 802 für die Verjährung gegebenen Vorschriften finden Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
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18.November2009
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterinnen
Dr. Kessal-Wulf und Harsdorf-Gebhardt auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2009

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2008 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Darmstadt - 13. Zivilkammer - vom 4. Mai 2006 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein bei der Beklagten bestehender Vertrag über eine Kapitallebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht durch Kündigung beendet worden sei.
2
Der Versicherungsvertrag war 1993 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossen worden. Der Kläger, der eine Tankstelle betrieb, trat seine gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche auf den Rückkaufswert zuzüglich Überschussanteile sowie auf die Lebensversicherungssumme durch schriftliche Erklärung vom 5. Februar 2003 an die ihn beliefernde Mineralölgesellschaft ab. Diese Erklärung wurde vom Kläger der Beklagten übersandt. Die Rechtsnachfolgerin der Zessionarin kündigte die Lebensversicherung wegen Zahlungsrückständen des Klägers durch Schreiben vom 5. Juli 2004, in dem auf die Abtretung Bezug genommen wurde; zugleich wurde der Original-Ersatzversicherungsschein vorgelegt. Die Beklagte löste den Versicherungsvertrag auf und zahlte den Rückkaufswert an die Anspruchstellerin aus.
3
Der Kläger meint, die Abtretung sei unwirksam. Die Vorinstanzen haben seiner Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist nicht begründet.
5
Das I. Berufungsgericht (r+s 2008, 386) ist der Auffassung, die Kündigung durch die Zessionarin habe nicht zu einer Beendigung des Versicherungsvertrags geführt, weil die Abtretungserklärung des Klägers vom 5. Februar 2003 wegen des gesetzlichen Abtretungsausschlusses aus den §§ 400 BGB, 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO keine Rechte der Zessionarin an dem Versicherungsvertrag, insbesondere nicht das Recht zur Kündigung , begründet habe. Ob Ansprüche aus einer Lebensversicherung, die mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung verbunden sei, einem Abtretungsverbot unterlägen, sei in der Rechtsprechung umstritten. Teilweise werde die Abtretung stets für unwirksam gehalten, teilweise werde dies für die Lebensversicherung verneint, wenn die verbundenen Verträge gemäß § 139 BGB selbstständig betrachtet werden könnten. Zutreffend sei es - so OLG Hamm (ZInsO 2006, 878) -, nicht nur die Unwirksamkeit der Abtretung von Ansprüchen aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung , sondern auch der Abtretung des Rechts zur Kündigung der Lebensversicherung anzunehmen. Der gesetzliche Pfändungsschutz sei für die Grundsicherung des Versicherungsnehmers von existentieller Bedeutung; er unterliege daher nicht der freien Disposition der Beteiligten. Zwar erfasse dieser hier nur die Rechte aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung. Der Versicherungsvertrag, den der Kläger abgeschlossen habe, sei aber nicht teilbar; das Recht zur Kündigung der verbundenen Lebensversicherung könne nicht isoliert übertragen und ausgeübt werden. Andernfalls entfiele die BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung mit der Folge, dass der nicht gesetzlich versicherte, selbständige Kläger seine Existenzsicherung gegen gesundheitliche Erwerbsbeeinträchtigungen einbüßen würde.
6
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Die Abtretung der Ansprüche und die Übertragung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Kläger vom 5. Februar 2003 an die ihn beliefernde Mineralölgesellschaft sind wirksam. Deren Rechtsnachfolgerin ist in diese Rechtsstellung eingetreten und konnte den Lebensversicherungsvertrag daher wirksam kündigen. Der Antrag des Klägers, das Fortbestehen des Versicherungsvertrages festzustellen, ist mithin unbegründet.
8
1. Die Abtretungsvereinbarung des Klägers mit der ihn beliefernden Mineralölgesellschaft bestimmt unter anderem: "Ich (…) trete hiermit aus der von mir mit der A. Lebensversicherung AG (…) geschlossenen Lebensversicherung (…) alle meine gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche auf den Rückvergütunkenswert (Rückkaufswert zuzüglich Überessanteile) und auf die Versicherungssumme aus dem bezeichneten Lebensversicherungsvertrag ab an die Deutsche … Aktiengesellschaft (…) Die Deutsche … Aktiengesellschaft ist auch berechtigt, die ihr übertragenen Rechte beliebig zu verwerten, insbesondere an Dritte zu übertragen, die Versicherung durch Aufhebung des Rückkaufswertes aufzulösen oder die Umwandlung in eine beitragsfreie Lebensversicherung zu beantragen sowie etwa angesammelte Dividende , Zinsen etc. in Empfang zu nehmen. (…)"
9
Diese Abtretung erfasst nicht den Versicherungsvertrag im Ganzen , sondern gegenwärtige sowie im Zeitpunkt der Abtretung noch nicht bestehende, zukünftige Ansprüche und Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag. Dies folgt zum einen aus dem klaren Wortlaut, zum anderen aus dem Bezug auf den Rückkaufswert, der nur bei der Lebensversicherung realisiert werden kann. Die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung , aus der dem Kläger zum Zeitpunkt der Abtretung keine Ansprüche zustanden, ist hingegen nicht einbezogen. Die Zessionarin soll zudem berechtigt sein, die Kündigung des Lebensversicherungsvertrags zu erklären , um hierdurch den Rückkaufswert zu realisieren.
10
2.DieserVereinbarun g über die Abtretung der Ansprüche und die Übertragung von Rechten aus der Lebensversicherung stehen keine vertraglichen Bestimmungen entgegen. Eine Vereinbarung, die eine Abtretung ausschließt, ist zwischen den Vertragsparteien der Versicherungsverträge nicht geschlossen worden, § 399 2. Alt. BGB.
11
§ 13 (3) der hier vereinbarten Allgemeinen Bedingungen der Klägerin für die kapitalbildende Lebensversicherung sieht sogar ausdrücklich vor, dass Ansprüche aus der Lebensversicherung als Hauptversicherung abgetreten werden können (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II 1).
12
Ein vertraglicher Abtretungsausschluss lässt sich auch § 9 (1) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht entnehmen. Dieser lautet: "Die Zusatzversicherung bildet mit der Versicherung, zu der sie abgeschlossen worden ist (Hauptversicherung), eine Einheit; sie kann ohne die Hauptversicherung nicht abgeschlossen werden. Wenn der Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung endet, so erlischt auch die Zusatzversicherung."
13
schließt Das eine isolierte Abtretung allein von Ansprüchen aus der Lebensversicherung als Hauptversicherung nicht aus (so auch OLG Saarbrücken VersR 1995, 1227; OLG Köln VersR 1998, 222; a.A. Thüringer OLG VersR 2000, 1005). Solange weiterhin der Beitrag für die Ge- samtversicherung bezahlt wird, behält der Versicherungsnehmer trotz Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung den Versicherungsschutz aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Einheit der Verträge wird nicht beeinträchtigt.
14
Die 3. Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung ist nicht nach § 400 BGB ausgeschlossen, selbst wenn die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar wären. Der Senat hat insoweit mit Urteil vom heutigen Tag (IV ZR 39/08), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, entschieden : Auch wenn eine Abtretungsvereinbarung zusätzlich die Ansprüche aus der unselbständigen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung umfasst, ändert dies nichts an der Wirksamkeit allein der Abtretung von Ansprüchen und der Übertragung von Rechten aus der Lebensversicherung. Die Wirksamkeit der Abtretung wird auch nicht dadurch gehindert, dass die Zessionarin nach der Vereinbarung vom 5. Februar 2003 berechtigt ist, "die ihr übertragenen Rechte beliebig zu verwerten, insbesondere an Dritte zu übertragen, die Versicherung durch Aufhebung des Rückkaufswertes aufzulösen oder die Umwandlung in eine beitragsfreie Lebensversicherung zu beantragen". Insbesondere steht die Abtretung auch des Kündigungsrechts der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen.
15
4. Auf die Frage, ob die Vereinbarung vom 5. Februar 2003 aufgrund § 307 BGB als unwirksam anzusehen ist, kommt es nicht an, denn der Kläger hat mit Schreiben vom 8. Februar 2003 diese Abtretung gegenüber der Beklagten angezeigt. Nach § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB muss er daher der Beklagten gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist.

16
Mit der Anzeige vom 8. Februar 2003 hat der Kläger auch § 13 (4) der hier vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung genügt. Hiernach wird eine Abtretung gegenüber dem beklagten Versicherer erst wirksam, wenn sie ihm vom bisherigen Berechtigen, d.h. vom Kläger schriftlich angezeigt worden ist. Einer Anzeige oder Mitteilung einer möglichen Sicherungsabrede, deren Bestehen zwischen den Parteien streitig ist, bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht.
17
5. Darüber hinaus ist die Beklagte infolge der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins nach § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V. mit § 11 der hier vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung berechtigt gewesen, an den Inhaber des Versicherungsscheins mit befreiender Wirkung zu leisten. Diese Legitimationswirkung erstreckt sich auf das Kündigungsrecht zur Erlangung des Rückkaufswerts. Der Versicherer kann den Inhaber des Versicherungsscheins als zur Kündigung berechtigt ansehen, wenn dieser die Auszahlung des Rückkaufswerts erstrebt (Senatsurteile vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99 - VersR 2000, 709 unter 3 und vom 20. Mai 2009 - IV ZR 16/08 - VersR 2009, 1061 Tz. 9, jeweils m.w.N.).
18
Infolgedessen muss sich der Kläger als Versicherungsnehmer, der den Versicherungsschein im Zusammenhang mit der Abtretung aus der Hand gegeben hat, im Verhältnis zur Beklagten als dem Versicherer in jedem Fall so behandeln lassen, als sei die Kündigung der Zessionarin wirksam (vgl. Brömmelmeyer in Beckmann/Matusche-Beckmann Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 42 Rdn. 148).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 04.05.2006 - 13 O 467/05 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 08.05.2008 - 12 U 104/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 16/08 Verkündetam:
20.Mai2009
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 808 Abs. 1 Satz 1; ALB 86 § 9 (1); ALB 94 § 10 (1)
Wird mit der Kündigung eines Versicherungsvertrages zugleich der Originalversicherungsschein
vorgelegt, der den Kündigenden als Versicherungsnehmer ausweist,
und ist die Kündigung mit dessen Namen unterzeichnet, darf der Versicherer grundsätzlich
mit befreiender Wirkung an die bezeichnete Zahlstelle leisten, selbst wenn
die Unterschrift unter der Kündigungserklärung - wie sich später herausstellt - gefälscht
war.
BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - IV ZR 16/08 - HansOLG Hamburg
LGHamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt auf die mündliche Verhandlung vom
20. Mai 2009

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 9. Zivilsenat, vom 8. Januar 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Kläger Der nimmt die Beklagte aus zwei im Jahre 1986 abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen in Anspruch. Einer dieser Verträge habe zum 1. Juli 2004 das Ende der vereinbarten Laufzeit erreicht ; der andere Vertrag sei mit Schreiben vom 24. Juni 2004 gekündigt worden. Die Beklagte meint, die Verträge seien aufgrund einer bereits Ende des Jahres 2000 unter Vorlage der Versicherungsscheine eingegangenen Kündigung und anschließender Auszahlung des Rückkaufswerts beendet worden.
2
IndenVersicherungsbedingungen beider Verträge wird in der Sache übereinstimmend geregelt, dass der Versicherer den Inhaber des Versicherungsscheins als berechtigt ansehen kann, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere die Leistung in Empfang zu nehmen; der Versicherer kann aber verlangen, dass der In- haber des Versicherungsscheins seine Berechtigung nachweist (im Folgenden : Inhaberklausel; vgl. § 11 der Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung - ALB 86 - oder § 12 der Musterbedingungen des Verbands der Lebensversicherungsunternehmen - ALB

94).


3
Kläger Der hat vorgetragen, er sei seit Mitte 2000 in versicherungsrechtlichen Fragen von einem Versicherungsmakler betreut worden. Dieser habe ihm geraten, die mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsverträge beitragsfrei zu stellen; dafür würden die Originalversicherungsscheine benötigt. Darauf habe er dem Versicherungsmakler die Policen ausgehändigt. Die in der Folgezeit unter seinem Namen bei der Beklagten eingegangenen Kündigungsschreiben hält der Kläger für gefälscht. Bei der Beklagten ging zunächst ein Handschreiben vom 22. November 2000 ein, nach dessen Text der Kläger unter Kündigung der Versicherungen um Auszahlung des Rückkaufswerts auf sein "bekanntes Konto" bat. Es folgte ein mit dem Namen des Klägers unterschriebenes Maschinenschreiben vom 8. Dezember 2000, in dem beide Lebensversicherungen nochmals gekündigt und um Auszahlung des Rückkaufwertes auf ein neues Konto bei der D. B. gebeten wurde. Diesem Schreiben lagen nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen die beiden Versicherungsscheine im Original bei. Darauf sandte die Beklagte zwei Schreiben vom 14. Dezember 2000 an den Kläger, in denen auf die Folgen einer zum 1. Februar 2001 wirksam werdenden Kündigung der beiden Verträge hingewiesen wurde. Der Kläger bestreitet den Zugang dieser Schreiben. Die Beklagte erhielt ein weiteres, mit dem Namen des Klägers unterzeichnetes Schreiben vom 27. Dezember 2000, in dem auf der Kündigung beider Verträge bestanden wurde; die Überweisung sollte nunmehr auf ein Konto der B. V. erfolgen. In einem ebenfalls mit dem Namen des Klägers unterzeichneten Schreiben vom 22. Januar 2001 wurde nochmals um Auszahlung auf das Konto bei der B. V. gebeten mit dem Zusatz, es handle sich um ein Konto der Tochter des Klägers. Tatsächlich war eine Unberechtigte die Kontoinhaberin. Auf dieses Konto wurden die Rückkaufswerte am 25. Januar 2001 überwiesen. Das erfuhr der Kläger, der die Versicherungsscheine nicht von dem Versicherungsmakler zurückerhielt, als er sich Anfang des Jahres 2003 bei der Beklagten erkundigte. Der Versicherungsmakler ist wegen Betrugs in anderer Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
6
Nach I. Ansicht des Berufungsgerichts konnte die Beklagte aufgrund der dem Schreiben vom 8. Dezember 2000 beigefügten Versicherungsscheine den Kündigenden als berechtigt ansehen. Aus Sicht der Beklagten sei der Versicherungsnehmer und Inhaber der Versicherungsscheine der Verfasser dieses Schreibens gewesen. Ob dies tatsächlich zutreffe, sei rechtlich ohne Bedeutung. Auch wenn es sich bei dem Kündigungsschreiben vom 8. Dezember 2000 um eine Fälschung handle, sei der Beklagten gegenüber allein der Inhaber der Versicherungsscheine als Verfasser des - unter dem Namen des Klägers abgefassten - Kündigungsschreibens aufgetreten. Dieser Sachverhalt werde von der Inha- berklausel der Lebensversicherungsverträge ebenso erfasst wie der Fall, dass der Inhaber des Versicherungsscheins die Verträge im eigenen Namen kündige. Es gebe keinen Grund, bei der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins danach zu differenzieren, in welcher Form der Inhaber des Versicherungsscheins die den Vertrag beendende Erklärung dem Versicherer gegenüber abgebe. Der abweichenden Auffassung des Kammergerichts (vgl. NJW-RR 2007, 1175) sei jedenfalls für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht zu folgen.
7
Im Übrigen sei die Legitimationswirkung nicht etwa deshalb entfallen , weil die Beklagte das Fehlen der Verfügungsberechtigung gekannt oder nur grob fahrlässig nicht erkannt oder sonst die Leistung gegen Treu und Glauben bewirkt habe.
8
Die II. dagegen gerichteten Angriffe der Revision greifen im Ergebnis nicht durch.
9
1. Mit der dem Versicherer vertraglich eingeräumten Berechtigung an den Inhaber des Versicherungsscheins mit befreiender Wirkung zu leisten, ohne aber diesem gegenüber zur Leistung verpflichtet zu sein, wird der Versicherungsschein zu einem qualifizierten Legitimationspapier i.S. des § 808 BGB. Die Legitimationswirkung des § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB erstreckt sich auf die vertraglich versprochenen Leistungen. Eine solche ist bei einer Lebensversicherung aber nicht nur die Leistung der Versicherungssumme im Versicherungsfall, sondern auch die Leistung des Rückkaufswerts nach Kündigung des Vertrages; denn das Recht auf Rückkaufswert ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme. Demgemäß erstreckt sich die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins als Urkunde i.S. des § 808 BGB auch auf das Kündigungsrecht zur Erlangung des Rückkaufswerts. Der Versicherer kann den Inhaber des Versicherungsscheins deshalb schon nach § 808 BGB - und unabhängig davon, dass sich die Inhaberklausel auch auf Verfügungen über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag erstreckt - als zur Kündigung berechtigt ansehen, wenn dieser die Auszahlung des Rückkaufswerts erstrebt (Senatsurteil vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99 - VersR 2000, 709 unter 3 m.w.N.). Damit nimmt die Inhaberklausel dem Versicherer das Risiko der Doppelzahlung und der Uneinbringlichkeit seiner Kondiktion gegen den vermeintlichen Gläubiger ab.
10
2. a) Das Kammergericht hat in dem vom Berufungsgericht zitierten Beschluss unterschieden zwischen dem Kündigungsrecht, auf das sich die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins erstrecke, und der Kündigungserklärung. Soweit es um diese Erklärung gehe, werde das auf den vorgelegten Versicherungsschein gestützte Vertrauen des Versicherers nur geschützt, wenn der Kündigende die Kündigung zumindest konkludent als Inhaber des Versicherungsscheins erkläre. Eine solche Auslegung der Kündigungserklärung scheide jedoch aus, wenn mit dem Versicherungsschein eine Kündigung des Versicherungsnehmers selbst, also des Gläubigers der Forderung, vorgelegt werde. Deren Echtheit werde von der durch den gleichzeitig vorgelegten Versicherungsschein bewirkten Legitimation nicht umfasst.
11
b) Damit wird der Umfang des Schutzes der hier vereinbarten Inhaberklausel verkannt. Die Auffassung des Kammergerichts würde zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass der Versicherer zwar an einen Nichtberechtigten, der im eigenen Namen die Versicherungssumme unter Vorlage des Versicherungsscheins kündigt, befreiend leisten könnte (vgl. OLG Koblenz VersR 2002, 873; OLG Köln VersR 1990, 1338), nicht aber an einen Nichtberechtigten, der die Kündigung unter dem Namen des Berechtigten erklärt.
12
aa) Zwar ist der wahre Versicherungsnehmer als materiell Berechtigter nicht auf die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins angewiesen ; er muss den Versicherungsschein gleichwohl bei Fälligkeit vorlegen, weil der Versicherer Leistungen aus dem Versicherungsvertrag nur gegen Vorlage des Versicherungsscheins erbringt (vgl. §§ 808 Abs. 2 Satz 1, 371 BGB, § 9 (1) ALB 86, § 10 (1) ALB 94). Hier geht es aber nicht um die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag geltend gemacht werden kann, sondern um die Frage, ob der Versicherer durch eine Leistung an den Kündigenden frei wird.
13
bb) Wird mit der Kündigung des Versicherungsvertrages ein Versicherungsschein vorgelegt, der den Kündigenden als Versicherungsnehmer ausweist, und ist die Kündigung mit dem Namen des Versicherungsnehmers unterzeichnet, hat der Versicherer grundsätzlich keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Kündigungserklärung vom Versicherungsnehmer selbst herrührt. Andernfalls wäre der Versicherer gerade auch in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer selbst unter Vorlage des Versicherungsscheins kündigt, stets gezwungen, sich der Echtheit der Unterschrift des Kündigenden zu vergewissern, um die befreiende Wirkung seiner Leistung abzusichern. Damit aber würde die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins, die gerade den Schutz des Schuldners bezweckt und bewirken soll, entscheidend eingeschränkt, letztlich sogar ausgehöhlt. Das Risiko, dass die Leistung in die Hände eines nach dem Versicherungsvertrag materiell Nichtberechtigten gelangt, besteht in solchen Fällen nicht anders als bei Kündigung einer Person, die nicht als Versicherungsnehmer auftritt. Deshalb darf der Versicherer den Inhaber des Versicherungsscheins nicht nur als kündigungsberechtigt ansehen, er darf grundsätzlich auch darauf vertrauen, dass die Kündigung auch von diesem selbst erklärt worden ist (vgl. OLG Bremen VersR 2008, 1056). Darin liegt auch keine Überdehnung des Schuldnerschutzes. Denn zur Leistung an den materiell Nichtberechtigten kann es - selbst wenn dieser die Unterschrift unter die Kündigungserklärung unter Verwendung des Namens des Versicherungsnehmers gefälscht hat - nur dann kommen, wenn sich der Versicherungsnehmer selbst der Kontrolle über den Versicherungsschein - ob freiwillig oder unfreiwillig - begeben hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 22. März 2000 aaO unter 2 c) und dieser in die Hand des Dritten gelangt ist.
14
Auf der anderen Seite ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins ausnahmsweise dann nicht eingreift, wenn der Schuldner die mangelnde Verfügungsberechtigung positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat; ob die befreiende Wirkung auch dann entfällt, wenn der Aussteller des Legitimationspapiers grob fahrlässig keine Kenntnis von der Nichtberechtigung des Inhabers hatte, ist bisher offen geblieben (BGHZ 28, 368, 371; Senatsurteile vom 24. Februar 1999 - IV ZR 122/98 - VersR 1999, 700 unter 2 a und b; vom 22. März 2000 aaO unter II 2 c).
15
Diese Einschränkungen schützen den wahren Gläubiger des Anspruchs auf die Versicherungsleistung; das gilt auch in Fällen, in denen es um die Identität des die Kündigung Erklärenden geht.
16
c) Das Berufungsgericht hat auch diese Einschränkung der Legitimationswirkung nicht verkannt; es hat indessen keinen Ausnahmefall feststellen können, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt grober Fahrlässigkeit des Versicherers. Die tatrichterliche Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Mithin ist die Klage mit Recht abgewiesen worden.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 17.11.2006 - 306 O 324/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.01.2008 - 9 U 224/06 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist, mit der Bestimmung ausgegeben, dass die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen.

(2) Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Die in § 802 für die Verjährung gegebenen Vorschriften finden Anwendung.

Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 1/09 Verkündet am:
10. Dezember 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Tritt der spätere Insolvenzschuldner künftige Forderungen unter der aufschiebenden
Bedingung des Ankaufs der jeweiligen Forderung durch den Abtretungsempfänger
ab, steht die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts der Wirksamkeit der Abtretung
nicht entgegen.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 1/09 - OLG Koblenz
LG Mainz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 27. November 2008 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 32 v.H. und die Beklagte 68 v.H..
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, ein Factoringunternehmen, macht aus abgetretenem Recht der insolventen S. GmbH (fortan: Schuldnerin) Kaufpreisansprüche für Fahrräder geltend, welche die Schuldnerin der Beklagten geliefert und im dritten und vierten Quartal 2003 in Rechnung gestellt hat. Die Beklagte hält die Klage wegen fehlender Bestimmtheit der Klageforderung für unzulässig, bezweifelt die Aktivlegitimation und hat hilfsweise mit Gegenansprüchen aufgerechnet.
2
27. Dezember Am 1993 schlossen die Schuldnerin und die M. GmbH (fortan: M. ), die zugleich für die Beklagte und weitere zur Me.
gehörende Einkaufsanschlussbetriebe auftrat, einen "Einkaufsvertrag" nebst Nachträgen und Konditionsverträgen. Darin verpflichtete sich die Schuldnerin, an die Beklagte und weitere Einkaufsanschlussbetriebe Fahrräder zu liefern. Der Vertrag enthielt unter anderem das Verbot, die Kaufpreisansprüche abzutreten. Mit Factoring-Vertrag vom 25./30. Oktober 2001 bot die Schuldnerin alle nach diesem Datum entstehenden Ansprüche aus Warenlieferungen der Klägerin zum Kaufe an (§ 1) und trat ihr die entsprechenden Forderungen - aufschiebend bedingt durch den Ankauf - im Voraus ab (§ 5). Die Klägerin kaufte in der Folgezeit die fakturierten Forderungen der Schuldnerin gegen die Beklagte an.
3
Am 7. Januar 2002 kam zwischen der Klägerin, der Schuldnerin und der erneut zugleich für die Einkaufsanschlussbetriebe handelnden M. eine dreiseitige Vereinbarung zustande, in welcher das Abtretungsverbot für Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen der Schuldnerin aufgehoben und der M sowie den Einkaufsanschlussbetrieben gestattet wurde, "alle Gegenforderungen ohne Rücksicht auf die Gegenseitigkeit und ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihres Entstehens als auch ihres Überganges sowohl gegenüber dem Lieferanten (= der Schuldnerin) als auch gegenüber der Bank (= der Klägerin) … aufzurechnen". Am 1. Dezember 2003 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden.
4
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin aus abgetretenem Recht der Schuldnerin zunächst Zahlung von 966.865,17 € nebst Zinsen aus Warenlieferungen im dritten und vierten Quartal 2003 verlangt. Noch in erster Instanz hat sie die Klageforderung auf einen Betrag von 794.652,24 € reduziert. Zurückgenommen hat sie die Klage wegen solcher Ansprüche, die erst nach dem 12. November 2003 - der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin - in Rechnung gestellt worden waren. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Es hat Ansprüche der Klägerin in Höhe von insgesamt 762.503,70 € für berechtigt gehalten, aber angenommen, die Klageforderung sei aufgrund der Hilfsaufrechnung der Beklagten erloschen. Die Berufung der Klägerin, mit welcher diese noch Zahlung von 706.840,93 € nebst Zinsen verlangt hat, und die Anschlussberufung der Beklagten gegen dieses Urteil sind erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von 366.874,62 € nebst Zinsen weiter. Hilfsweise beantragt sie, die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages an die Klägerin oder den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin zu zahlen. Die Beklagte beantragt neben der Zurückweisung der Revision im Wege der Anschlussrevision, die Klage unabhängig von der Hilfsaufrechnung abzuweisen.

Entscheidungsgründe:


5
Revision und Anschlussrevision bleiben ohne Erfolg.
6
A. Revision der Klägerin
7
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die von der Beklagten erklärte (Hilfs-) Aufrechnung zulässig.

I.


8
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Grundlage der Aufrechnung sei die dreiseitige Vereinbarung, in welcher das Erfordernis der Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderung abbedungen worden sei. Diese Vereinbarung sei wirksam. Insbesondere stünden die Vorschriften der §§ 95 ff InsO nicht entgegen, weil die von der Klägerin erworbenen Forderungen nicht zur Insolvenzmasse gehörten, der Schutzbereich der genannten Vorschriften folglich nicht tangiert sei. Auch aus allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen und dem Gleichbehandlungsgrundsatz folge nichts Gegenteiliges. Die dreiseitige Vereinbarung habe zum Nachteil der Schuldnerin und der Klägerin die Konzernverrechnungsklausel enthalten, zugleich aber auch die Aufhebung des Abtretungsverbotes.

II.


9
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte ist aufgrund der dreiseitigen Vereinbarung von Dezember 2001 / Januar 2002 berechtigt, mit eigenen Forderungen sowie mit Forderungen anderer Einkaufsanschlussbetriebe aufzurechnen.
10
1. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Konzernverrechnungsklausel sei wegen ihres überraschenden Inhalts nicht Vertragsbestandteil geworden (§ 305c Abs. 1 BGB); außerdem halte sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt enthält die dreiseitige Vereinbarung jedoch keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff BGB. Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, die Beklagte schließe "häufiger" entsprechende Verrechnungsvereinbarungen mit Factoringunternehmen und sei nie bereit, anlässlich der Aufhebung eines Abtretungsverbotes eine andere Vereinbarung zu treffen. Die Beklagte hat dagegen behauptet, es habe sich um eine ausgehandelte Individualvereinbarung gehandelt. Darauf hat die Klägerin nicht erwidert; sie hat auch keinen Beweis für die Richtigkeit ihrer Darstellung angeboten. Das Landgericht hat die fragliche Klausel als Individualvereinbarung behandelt. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin diese Bewertung nicht in Zweifel gezogen und keinen neuen Vortrag zum Zustandekommen der dreiseitigen Vereinbarung gehalten.
11
Die 2. Klägerin meint weiter, die Konzernverrechnungsklausel könne deshalb keinen Bestand haben, weil sich die Rechtslage des Forderungsschuldners durch die Abtretung nicht verbessern dürfe. Der Bundesgerichtshof habe bereits entschieden, dass der Forderungschuldner dann nicht mit einer gegen den Zedenten gerichteten Forderung aufrechnen könne, wenn diese Möglichkeit ohne die Abtretung nicht bestanden hätte (BGH, Urt. v. 15. Oktober 2003 - VIII ZR 358/02, NZI 2004, 23). Auch diese Überlegung trifft im vorliegenden Fall jedoch nicht zu.
12
a) Richtig ist der Ausgangspunkt der Revision, dass die Beklagte dann, wenn die streitgegenständlichen Forderungen nicht an die Klägerin abgetreten worden wären, nicht mit Ansprüchen anderer Einkaufsanschlussbetriebe aufrechnen könnte. Die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO erklärt die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers für unzulässig, welcher seine Gegenforderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. Beruht die Aufrechnung - wie im vorliegenden Fall - auf einer vor der Eröffnung vereinbarten Konzernverrechnungsklausel, ist diese Voraussetzung zwar nicht erfüllt. Die Aufrechnungslage entsteht in einem solchen Fall jedoch erst mit der Aufrechnungserklärung, weil vorher nicht feststeht, welches der Konzernunternehmen von der Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch macht. Eine nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen anderer Konzerngesellschaften aufgrund einer Konzernverrechnungsklausel ist deshalb entsprechend § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig (BGHZ 160, 107, 110; BGH, Urt. v. 13. Juli 2006 - IX ZR 152/04, ZIP 2006, 1740, 1741).
13
b) In einem Fall wie dem vorliegenden ist die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO jedoch weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Im vorliegenden Fall werden durch die Aufrechnung mit Forderungen anderer Einkaufsanschlussbetriebe zwar Forderungen voll befriedigt, welche im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners einfache Insolvenzforderungen wären, zur Tabelle angemeldet werden müssten und allenfalls quotal befriedigt würden. Insoweit ist der Hinweis der Klägerin auf den im Insolvenzverfahren geltenden Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz durchaus berechtigt. Die Aufrechnung aufgrund der Konzernverrechnungsklausel betrifft jedoch nicht die Insolvenzmasse. Die Klageforderungen, welche durch die Aufrechnung erlöschen (§ 389 BGB), stehen nicht der Insolvenzschuldnerin, sondern der Klägerin zu. Die Klägerin kann sich auf den Schutz des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht berufen. Zu Nachteilen, welche die Insolvenzmasse durch die Aufrechnung erleiden könnte, hat sie in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen; da es sich hier um „echtes“ Factoring handelt, sind solche Nachteile auch nicht ersichtlich (vgl. MünchKomm -InsO/Ganter, 2. Aufl. § 47 Rn. 265). Allgemeine Gerechtigkeitsgrundsätze stehen der Klägerin ebenfalls nicht zur Seite. Zwar profitiert die Beklagte - die, wie gesagt, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der Schuldnerin nicht mit Forderungen anderer Einkaufsanschlussgesellschaften hätte aufrechnen können - hier von der Abtretung der Forderungen an die Klägerin. Die Klägerin steht jedoch genau so, wie sie bei "störungsfreier" Abwick- lung des Factoringvertrages mit der Schuldnerin unter Berücksichtigung der dreiseitigen Vereinbarung gestanden hätte. Sie hat die Konzernverrechnungsklausel mit der Beklagten vereinbart und ist damit das Risiko eingegangen, dass ihr Forderungen der übrigen Einkaufsanschlussgesellschaften entgegen gehalten werden. Würde man die Aufrechnung wegen der Insolvenz der Schuldnerin analog § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO verbieten, stünde sich die Klägerin infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin und dem damit verbundenen Aufrechnungsausschluss besser als außerhalb der Insolvenz. Ein sachlicher Grund hierfür ist (ebenfalls) nicht ersichtlich.
14
c) Die Klägerin kann aus der von ihr zitierten Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 15. Oktober 2003 (VIII ZR 358/02, aaO) nichts herleiten. Diese Klägerin war im damaligen Fall ebenfalls ein Factoring-Unternehmen, das eine ihr von der späteren Insolvenzschuldnerin abgetretene Forderung geltend machte. Die damalige Beklagte wollte mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen , die daraus resultierten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter weitere Lieferverpflichtungen nicht erfüllen konnte. Die Aufrechnung wurde ihr analog § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO verweigert, weil die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden waren. Die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO wurde für entsprechend anwendbar gehalten, weil die Beklagte als Schuldnerin einer abgetretenen Forderung durch die Abtretung nicht eine Aufrechnungsmöglichkeit erhalten dürfe, die ohne die Abtretung wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bestanden hätte (aaO S. 24 unter II 1 a aa). Ob dem gefolgt werden kann, erscheint fraglich. Auch im damaligen Fall wäre die Insolvenzmasse von der Aufrechnung nicht nachteilig betroffen worden. Die Frage kann jedoch offen bleiben. Im Unterschied zum hier zu entscheidenden Fall beruhte die Aufrechnung damals nicht auf einer Aufrechnungsvereinbarung.

15
B. Anschlussrevision der Beklagten
16
Die Anschlussrevision der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend von einer zulässigen Klage sowie der Aktivlegitimation der Klägerin ausgegangen.

I.


17
Die Klage ist durch die beiden Teilrücknahmen in erster und zweiter Instanz nicht mangels Bestimmtheit der Klageforderung unzulässig geworden.
18
1. Die Beklagte vertritt - wie bereits in der Berufungsinstanz - die Ansicht, die Klageforderung sei nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin habe die Forderungen, die Gegenstand der Klage gewesen seien, zwar in einer Anlage zur Klageschrift einzeln aufgeführt und damit ordnungsgemäß bezeichnet. Nach der teilweisen Klagerücknahme erster Instanz und der weiteren Reduzierung der Klageforderung im Berufungsverfahren lasse sich jedoch nicht mehr erkennen, über welche Einzelforderungen entschieden werden sollte und entschieden worden ist. Auch die anerkannten Abzüge und Gegenforderungen ließen sich nicht zuordnen.
19
2. Die Klägerin hat im Anlagenkonvolut K 6 zur Klageschrift die Rechnungen aufgeführt, welche die eingeklagten Forderungen betreffen. Die Summe dieser Forderungen ergab unter Berücksichtigung der von der Klägerin anerkannten , ebenfalls im Einzelnen aufgeführten Abzüge den Betrag von 966.865,17 €.
20
3. Die erste Teilrücknahme betraf alle Rechnungen, die vom 13. November 2003 oder später datierten. Um welche einzelnen Forderungen es sich hierbei handelt, lässt sich der Anlage K 6 in Verbindung mit den Rechnungen, welche der Beklagten vorliegen, ohne weiteres entnehmen. Die Klägerin hat außerdem weitergehende Abzüge anerkannt. Welche Einzelforderungen Gegenstand der Klage sind, war damit nach wie vor bestimmt. Dies ergab sich weiterhin aus der Anlage K 6, welche nicht nur die Rechnungsnummern, sondern auch die jeweiligen Daten ausweist. Das Landgericht hat die Klageforderung entsprechend berechnet, allerdings unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme noch weiter gehende Abzüge vorgenommen und so eine Klageforderung von insgesamt 762.503,70 € ermittelt.
21
In 4. der Berufungsinstanz hat die Klägerin nur noch Zahlung von 706.840,93 € nebst Zinsen verlangt. Aber auch dadurch wurde die Klage nicht unzulässig. Die Klägerin hat die Berechnung des Landgerichts übernommen, ist also von einem Betrag von 762.503,70 € ausgegangen und hat zusätzlich die vom Landgericht so genannte Aufrechnungsposition 1 übernommen, welche das Landgericht in Höhe von 48.800,24 € für berechtigt erachtet hatte, sowie einen weiteren Betrag von 6.862,53 € aus der Aufrechnungsposition 2. Damit blieben 706.840,93 €. Soweit die Beklagte die ihrer Ansicht nach unrichtige Berechnung der Abzugspositionen und ungenügende Bezugnahme teils auf einzelne Forderungen, teils auf die Gesamtsumme beanstandet, kommt es hierauf nicht an. Nach wie vor steht fest, welche einzelnen Forderungen Gegenstand der (erneut verringerten) Klage sind und in welcher Höhe welche Gegenforderungen durch Aufrechnung erloschen sind.

II.


22
Soweit die Anschlussrevision beanstandet, dass ausreichende Feststellungen zur Abtretung der Forderungen vor dem 12. November 2003 - dem Zeitpunkt der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO - fehlen, kommt es hierauf aus Rechtsgründen nicht an.
23
1. Am 12. November 2003 um 14.00 Uhr hat das zuständige Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO). Von diesem Zeitpunkt an bedurfte die Abtretung von Forderungen an Dritte der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Diese lag nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt nicht vor. Ob der vorläufige Insolvenzverwalter der Abtretung der Forderungen an die Klägerin oder wenigstens der Einziehung der Forderungen durch die Klägerin zugestimmt hat, war zwischen den Parteien streitig. Eine Klärung dieser Frage haben die Vorinstanzen nicht für erforderlich gehalten, nachdem die Klägerin ihre Klage auf Forderungen beschränkt hatte, die vor der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts in Rechnung gestellt worden waren.
24
2. Im Factoringvertrag vom 25./30. Oktober 2001 hatte die Schuldnerin die Forderungen gegen die Beklagte aus Warenlieferungen aufschiebend bedingt an die Klägerin abgetreten. Bedingung war jeweils der Ankauf der Forderungen durch die Klägerin. Die Klägerin hat sämtliche streitgegenständlichen Forderungen angekauft. Ob der jeweilige Kaufvertrag vor der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts oder danach erfolgte, ist unerheblich.

25
a) Die Wirkungen einer nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordneten Verfügungsbeschränkung richtet sich nach § 24 Abs. 1 InsO, der wiederum auf §§ 81, 82 InsO verweist. Verfügungen des Schuldners nach Anordnung der durch den Zustimmungsvorbehalt bewirkten Verfügungsbeschränkung sind gemäß § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam. Im vorliegenden Fall der durch die Entstehung der Forderungen sowie den Abschluss eines Kaufvertrages über sie bedingten Vorausabtretung war die Verfügung selbst - die Abtretung der Forderung gemäß § 398 BGB - bereits vor Anordnung des Zustimmungsvorbehalts erfolgt. Die Schuldnerin hat also auch dann, wenn der Ankauf der Forderungen erst nach dem 12. November 2003, 14.00 Uhr, erfolgte, nicht gegen den Zustimmungsvorbehalt verstoßen. In diesem (unterstellten) Fall wäre die Schuldnerin im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs durch die Klägerin zwar nicht mehr allein verfügungsbefugt gewesen. Wie der Senat bereits zu § 106 KO entschieden (BGHZ 135, 140, 144 ff) und zu § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO jüngst bestätigt hat (BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009 - IX ZR 90/08, ZIP 2009, 2347, 2348 f Rn. 9 ff) muss die Verfügungsbefugnis jedoch nur bis zum Abschluss des Verfügungstatbestands, nicht notwendig bis zum Eintritt des Verfügungserfolgs bestanden haben.
26
b) Allerdings musste die Schuldnerin am Eintritt der aufschiebenden Bedingung mitwirken, indem sie der Klägerin die Forderungen andiente. Die Frage ist also, ob § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2, § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO auch Handlungen erfasst, die zum Eintritt der Bedingung führen, an welche eine bedingte Verfügung geknüpft ist. Diese Frage ist zu verneinen. Schon ihrem Wortlaut nach regeln die genannten Vorschriften nur "Verfügungen". Im allgemeinen Zivilrecht werden darunter solche Rechtsgeschäfte verstanden, durch die unmittelbar ein Recht begründet, übertragen, belastet, aufgehoben oder sonstwie in seinem Inhalt verändert wird (BGHZ 75, 221, 226; 101, 24, 26). § 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO verwendet den Verfügungsbegriff des allgemeinen Zivilrechts (Jaeger/Gerhardt, InsO § 21 Rn. 8 Fn. 20; HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 21 Rn. 17; vgl. auch BT-Drucks. 12/2443, S. 135, zu § 92 RegE = § 81 Abs. 1 InsO). Verpflichtungsgeschäfte kann der Schuldner auch nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes uneingeschränkt eingehen (HK-InsO/Kirchhof, aaO Rn. 18). Im vorliegenden Fall war die Schuldnerin also nicht gehindert, auch nach der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts Kaufverträge über die im Voraus abgetretenen Forderungen abzuschließen und so den Bedingungseintritt herbeizuführen.
27
Nach c) der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird ein gestreckter Rechtserwerb, wie er hier vorliegt, von § 91 Abs. 1 InsO erfasst (vgl. BGHZ 135, 140, 145, zu §§ 106, 15 KO). Diese Vorschrift schließt den Erwerb von Gegenständen der Insolvenzmasse auch dann aus, wenn dem Rechtserwerb weder eine Verfügung des Schuldners noch eine Zwangsvollstreckung des Schuldners zugrunde liegt. Weil die Schuldnerin den Eintritt der Bedingung - den Ankauf der Forderungen durch die Klägerin - noch verhindern könnte, indem sie die Forderungen nicht andient, gehörten diese noch zum Vermögen der Schuldnerin (vgl. BGHZ 155, 87, 93; 167, 363, 365 f Rn. 6; BGH, Urt. v. 13. März 2008 - IX ZR 14/07, ZIP 2008, 885, 886 Rn. 9; v. 8. Januar 2009 - IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380, 382 Rn. 29; v. 25. Juni 2009 - IX ZR 98/08, WM 2009, 1515, 1516 Rn. 11, z.V. in BGHZ bestimmt). Die Vorschrift des § 91 Abs. 1 InsO gilt jedoch erst von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an (vgl. BGH, Urt. v. 25. Juni 2009, aaO Rn. 10), nicht im Eröffnungsverfahren; denn § 24 Abs. 1 InsO verweist nur auf §§ 81, 82 InsO (vgl. auch BGHZ 135, 140, 146 f; 170, 196, 199 Rn. 8). Anhaltspunkte dafür, dass es sich insoweit um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt, gibt es nicht (vgl. BGHZ 170, 196, 199 Rn. 8). Dieser dürfte vielmehr davon ausgegangen sein, dass die zusätzliche Sicherung durch das Anfechtungsrecht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinreichenden Schutz vor einer Schmälerung der Insolvenzmasse bietet (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009 - IX ZR 90/08, aaO S. 2349 Rn. 17). Dann aber scheidet eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 91 Abs. 1 InsO im Insolvenzeröffnungsverfahren aus.
28
d) Dass die Forderungen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin angekauft worden wären, hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet.
Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 16.10.2007 - 10 HKO 18/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 27.11.2008 - 2 U 1397/07 -

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

(1) Hat der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, so ist diese Verfügung unwirksam. Unberührt bleiben die §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen. Dem anderen Teil ist die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zurückzugewähren, soweit die Masse durch sie bereichert ist.

(2) Für eine Verfügung über künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge gilt Absatz 1 auch insoweit, als die Bezüge für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betroffen sind. Das Recht des Schuldners zur Abtretung dieser Bezüge an einen Treuhänder mit dem Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger bleibt unberührt.

(3) Hat der Schuldner am Tag der Eröffnung des Verfahrens verfügt, so wird vermutet, daß er nach der Eröffnung verfügt hat. Eine Verfügung des Schuldners über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes nach der Eröffnung ist, unbeschadet der §§ 129 bis 147, wirksam, wenn sie am Tag der Eröffnung erfolgt und der andere Teil nachweist, dass er die Eröffnung des Verfahrens weder kannte noch kennen musste.

(1) Wird eine Urkunde, in welcher der Gläubiger benannt ist, mit der Bestimmung ausgegeben, dass die in der Urkunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit. Der Inhaber ist nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen.

(2) Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden. Die in § 802 für die Verjährung gegebenen Vorschriften finden Anwendung.

Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung geleistet, so wird vermutet, daß er die Eröffnung nicht kannte.