Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01

bei uns veröffentlicht am17.06.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 2/01
Verkündet am:
17. Juni 2004
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4
Die Verrechnung von Zahlungseingängen, die eine Bank nach Stellung eines Antrags
auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen
ihres Kunden auf dessen Kontokorrentkonto zum Ausgleich von nur geduldeten
Überziehungen vornimmt, ist nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO anfechtbar, wenn
der Sollsaldo laufend erweitert wird, weil die Bank fremdnützige, nach eigenem
Ermessen des Kunden vorgenommene Verfügungen zuläßt.
BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Neškovi?

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. November 2000 im Kostenpunkt und insoweit, als es die Beklagte beschwert, sowie das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 1. April 1999 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfah ren über das Vermögen des H. -D. V. (fortan: Schuldner). Dieser unterhielt bei der verklagten Sparkasse ein Kontokorrentkonto. Auf diesem Konto räumte die Beklagte dem Schuldner einen Kreditrahmen von 150.000 DM ein. Ab Oktober 1997 genehmigte sie dem Schuldner - jeweils befristet - die Überziehung des eingeräumten Kredits um zunächst 30.000 DM, später um 60.000 DM. Am
4. Mai 1998 gestattete die Beklagte dem Schuldner die Überziehung um 87.500 DM bis zum 30. Juni 1998 und um 77.500 DM bis 30. Juli 1998. Das Kontokorrentverhältnis und der Kredit wurden nicht vor dem 5. Juni 1999 gekündigt.
Auf dem Kontokorrentkonto wickelte der Schuldner seinen Zahlungsverkehr ab. Am 13. März 1998 stand das Konto in Höhe von 166.395,01 DM im Soll. Bis zum 5. Juni 1998 hatte sich der Negativsaldo auf 240.681,54 DM erhöht. In dem genannten Zeitraum betrugen die von der Beklagten verrechneten Gutschriften 316.843,95 DM. Die Summe der Belastungsbuchungen zugunsten anderer Gläubiger des Schuldners lag höher.
Am 28. Januar 1998 wurde gegen den Schuldner Antrag auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt, am 2. Februar 1998 ein allgemeines Veräußerungsverbot erlassen und am 3. Juni 1998 die Sequestration des Schuldnervermögens angeordnet. Am 1. Juli 1998 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Von dem Eröffnungsantrag und den sich anschließenden gerichtlichen Maßnahmen erfuhr die Beklagte nicht vor dem 5. Juni 1998.
Der Kläger hat die Verrechnungen angefochten und die Beklagte auf Zahlung von 435.267,55 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage in voller Höhe stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil - unter Abweisung im übrigen - in Höhe von 316.843,95 DM (Verrechnungen in der Zeit vom 13. März bis 5. Juni 1998) bestätigt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg; die Klage i st unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne d ie von der Beklagten nach dem 13. März 1998 vorgenommenen Verrechnungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO anfechten und infolgedessen von der Beklagten die Zahlung von 316.843,95 DM verlangen. In dieser Höhe seien Verrechnungen erfolgt, nachdem der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt worden und der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt gewesen sei oder nach den Umständen habe bekannt sein müssen. Die Verrechnungen stellten sich nicht als der Anfechtung entzogene Bardeckung dar. Mit der Duldung der Überziehungen durch die Beklagte habe der Schuldner keinen Anspruch auf Gewährung oder Belassung von Kredit erworben. Vielmehr habe die Beklagte jenseits des vereinbarten Kreditrahmens von 150.000 DM die sofortige Rückführung der Überziehungen verlangen können. Am 13. März 1998 habe die Beklagte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erhalten.

II.


Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Über prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Die Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO greift nicht durch, weil die hierfür in Betracht kommende Rechtshandlung des Schuldners sich als Bargeschäft darstellt.

a) Ein Geschäft, bei dem gleichwertige Leistungen zeitn ah ausgetauscht werden, bei dem also dem Vermögen des Schuldners für seine Leistung sofort - oder jedenfalls in engem zeitlichem Zusammenhang - ein entsprechender Gegenwert zufließt, kann keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zur Folge haben. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung scheidet hingegen nicht aus. In diesen Fällen ist somit - nur - eine Anfechtung nach § 30 Nr. 2 und § 31 Nr. 1 KO (§§ 131, 133 Abs. 1 InsO) möglich (BGHZ 123, 320, 322 ff; 150, 122, 129 ff; BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 - IX ZR 353/98, NJW 1999, 3264, 3265). Insofern ist auch für eine Anfechtung nach § 10 Abs. 1 GesO entscheidend, ob eine Leistung an den Anfechtungsgegner erfolgt und ob diese kongruent ist - gegebenenfalls liegt ein der Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO entzogenes Bargeschäft vor - oder nicht.
Stellt eine Bank Zahlungseingänge für ihren Kunden i n das Kontokorrent ein und läßt sie den Kunden zeitnah in demselben Umfang vereinbarungsgemäß wieder über den Gegenwert verfügen, kann ein nicht anfechtbares Bargeschäft vorliegen. Jedenfalls ein Zeitraum von zwei Wochen zwischen den Einund Auszahlungen übersteigt noch nicht den Rahmen des engen zeitlichen Zusammenhangs (BGHZ 150, 122, 131; BGH, Urt. v. 25. Januar 2001 - IX ZR
6/00, NJW 2001, 1650, 1651; v. 1. Oktober 2002 - IX ZR 360/99, NJW 2003, 360, 362).

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt.
aa) Die Beklagte gewährte in Unkenntnis des Antrags auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens Überziehungskredite und stellte sich dem Schuldner als Zahlstelle zur Verfügung. Was dieser an Gutschriften erhielt, wurde für Auszahlungen benötigt. Die Auszahlungen überstiegen sogar die Zahlungseingänge. Soll- und Habenbuchungen haben sich fast täglich abgewechselt.
bb) Die Verrechnungen waren, wovon auch das Berufungsge richt ausgegangen ist, kongruent.
(1) Aufgrund der Giroabrede ist das Kreditinstitut be rechtigt und verpflichtet , für den Kunden bestimmte Geldeingänge entgegenzunehmen und gutzuschreiben. Umgekehrt ist das Kreditinstitut verpflichtet, Überweisungsaufträge des Kunden zu Lasten seines Girokontos auszuführen, sofern es eine ausreichende Deckung aufweist oder eine Kreditlinie nicht ausgeschöpft ist. Indem das Kreditinstitut diese Absprachen einhält und den Giroverkehr fortsetzt , handelt es vertragsgemäß, also kongruent (BGHZ 150, 122, 129; BGH, Urt. v. 1. Oktober 2002 - IX ZR 360/00, WM 2002, 2369, 2372). Verrechnungen werden erst dann inkongruent, wenn das Kreditinstitut Verfügungen des Kunden nicht mehr in der vereinbarten Weise zuläßt und dadurch im Ergebnis die
Darlehensforderungen vor deren Fälligkeit durch die saldierten Gutschriften zurückgeführt werden.
(2) Wenn eine Kreditlinie überzogen ist, hängt es gru ndsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab, ob in der Duldung des Kreditinstituts eine stillschweigende Erweiterung der Kreditlinie liegt oder ob es einen sofortigen Anspruch auf Rückführung hat. Im ersten Fall ist die Rückführung des Sollsaldos ohne vorherige Kündigung inkongruent, im zweiten Fall ist sie kongruent (BGHZ 138, 40, 47; 150, 122, 127; BGH, Urt. v. 17. Juni 1999 - IX ZR 62/98, NJW 1999, 3780, 3781).
Auf diese Unterscheidung kommt es jedoch nicht an, wenn d er Sollsaldo nicht zurückgeführt, sondern im Gegenteil laufend weiter ausgedehnt wird. Dann hat das Kreditinstitut durch die saldierten Gutschriften von dem Schuldner keine Leistung erhalten, und es stellt sich nicht die Frage, ob etwa eine Leistung in anderer Art als vereinbart oder vor Fälligkeit gewährt worden ist (BGHZ 150, 122, 129). Das Kriterium der Inkongruenz ist insofern bedeutungslos , solange und soweit die Annahme der Leistung nicht einer Deckung wegen eigener Forderungen des Empfängers dient, sondern der fremdnützigen Erfüllung von Vertragspflichten gegenüber dritten Auftraggebern (BGHZ 150, 122, 128).
So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Beklagte ha t die Kreditlinie offengehalten und darüber hinaus laufend neue Kredite gewährt, um das Unternehmen des Schuldners zu "sanieren". Durch die von ihr vorgenommenen Verrechnungen hat sie ganz überwiegend Ausgaben des Schuldners ermöglicht , welche dieser nach eigenem Ermessen zugunsten Dritter vornahm. Inso-
fern hat die Beklagte ihre Pflichten aus dem Girovertrag erfüllt. Soweit eine Belastungsbuchung von 38.000 DM zum Ausgleich von eigenen Zinsforderungen der Beklagten erfolgt ist, worauf die Revisionserwiderung hinweist, fällt dieser Umstand in Anbetracht der Höhe der Kreditausweitung nicht ins Gewicht.

c) Auch auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Zei tpunkt der Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung des Schuldners kommt es nicht an. Allerdings kann - worauf die Revisionserwiderung, im Ansatz zutreffend , hinweist - eine Bank, die in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden nicht den gebotenen Insolvenzantrag stellt, sondern durch Weitergewähren eines Kredits die Agonie des Kunden verlängert, um in rücksichtsloser und eigensüchtiger Weise ihre Stellung bei dem in Kürze erwarteten Zusammenbruch auf Kosten anderer Gläubiger zu verbessern, sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB handeln (BGHZ 10, 228, 233; BGH, Urt. v. 9. Dezember 1969 - VI ZR 50/68, NJW 1970, 657, 658). Die Revisionserwiderung hat zwar in der Revisionsverhandlung geltend gemacht, diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt gewesen. Der von ihr in Bezug genommene Vortrag in der Berufungserwiderung reicht dafür jedoch nicht aus. Gegen ein ausschließlich eigensüchtiges Handeln der Beklagten spricht vor allem deren Sanierungsabsicht. Daß sie hoffte, mit dem Sanierungserfolg werde auch ihre Kreditforderung "gerettet", steht dem nicht entgegen. Die Beklagte, die ab April 1998 sogar auf die zuvor geforderten Überziehungszinsen verzichtet hatte, ist durch die Kreditgewährung an den Schuldner ein finanzielles Risiko eingegangen, das sich auch realisiert hat. Es geht nicht an, ihr deswegen das Risiko der weiteren wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners in noch höherem Maße - durch Versagung des Ausgleichs für die Belastungsbuchungen – aufzuerlegen.

d) Das vom Gesamtvollstreckungsgericht am 2. Februar 1998 ve rhängte allgemeine Veräußerungsverbot (§ 2 Abs. 3 GesO) ist für die Anfechtbarkeit der von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen ohne Bedeutung. Es betrifft nur die Wirksamkeit der Verfügungen des Schuldners.
2. Die Voraussetzungen einer Absichtsanfechtung gemäß § 1 0 Abs. 1 Nr. 1 GesO hat das Berufungsgericht verneint. Dies wird in der Revisionsinstanz nicht in Frage gestellt und trifft im Ergebnis zu.
3. Das Aufrechnungsverbot nach § 2 Abs. 4 GesO in Verbind ung mit § 394 BGB hat das Berufungsgericht mit Recht nicht durchgreifen lassen. Eine Bank kann Gutschriften vertragsgemäß mit ihren Aufwendungsersatzansprüchen verrechnen, wenn sie nach der Stellung eines Drittantrags auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens gegen den Bankkunden, aber vor Bekanntwerden eines Verfügungsverbots, Verfügungen des Kunden über sein debitorisch geführtes Bankkonto weiter zuläßt (BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 - IX ZR 353/98, NJW 1999, 3264, 3265; v. 6. Februar 2003 - IX ZR 449/99, WM 2003, 580 f). Soweit die Gutschriften dem Ausgleich der vom Schuldner vorgenommenen Verfügungen zugunsten Dritter dienen, handelt es sich bei den Verrechnungen nicht um "Zwangsvollstreckungen" im Sinne des § 2 Abs. 4 GesO. Vielmehr wird dadurch dem Schuldner der finanzielle Spielraum verschafft , um die nächsten Auszahlungen verfügen zu können. Zu einer Tilgung der eigenen Kreditforderungen der Bank gegen den Schuldner kommt es nicht.

III.


Da im Tatsächlichen nichts mehr aufzuklären ist, kann der S enat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage abweisen.
Kreft Ganter Raebel
Richter am Bundesgerichtshof Neškovi? ist wegen Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kayser Kreft

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei
Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01 zitiert 7 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Insolvenzordnung - InsO | § 131 Inkongruente Deckung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, 1. wenn die Handlung im letzten Monat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 394 Keine Aufrechnung gegen unpfändbare Forderung


Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00

bei uns veröffentlicht am 12.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 360/00 Verkündet am: 12. Juli 2001 Bürk, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB §
7 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juni 2004 - IX ZR 2/01.

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Okt. 2010 - IX ZR 160/08

bei uns veröffentlicht am 14.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 160/08 Verkündet am: 14. Oktober 2010 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung v

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2016 - XI ZR 305/14

bei uns veröffentlicht am 12.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 305/14 Verkündet am: 12. April 2016 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGH

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2005 - IX ZR 457/00

bei uns veröffentlicht am 13.01.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 457/00 Verkündet am: 13. Januar 2005 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja KO § 30 Nr. 2 Ver

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Mai 2009 - IX ZR 140/08

bei uns veröffentlicht am 07.05.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 140/08 Verkündet am: 7. Mai 2009 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 1

Referenzen

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1.
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3.
wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 360/00 Verkündet am:
12. Juli 2001
Bürk,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur arglistigen Täuschung durch stillschweigendes Verhalten und durch
Unterlassen bei Abschluß eines Bürgschaftsvertrages.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - OLG Jena
LG Erfurt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 27. April 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Agentur B., deren Inhaberin A. B. war, vermittelte für die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, den Abschluß von Versicherungsverträgen. Der Beklagte war für die Agentur tätig; ob er Abschlußvertreter war oder nur Büroarbeiten verrichtete, ist zwischen den Parteien streitig. Ende 1994/Anfang 1995 meinte die Klägerin festgestellt zu haben, daß die Prämien für abgeschlossene Lebensversicherungen nicht aus eigenen Mitteln der Versicherungsnehmer , sondern aus den bevorschußten Abschlußprovisionen aufge-
bracht worden seien. Sie stornierte sämtliche von der Agentur vermittelten Verträge und forderte die vorschußweise gezahlten Provisionen zurück. Am 26. Januar 1995 gaben A. B. und ihr geschiedener Ehemann R. B. der Klägerin gegenüber jeweils ein "abstraktes Schuldanerkenntnis" über 642.240,89 DM ab. Außerdem verlangte die Klägerin Mitverpflichtungserklärungen der Mitarbeiter der Agentur. Am 1. Februar 1995 gab der Beklagte - ebenso wie zahlreiche andere Mitarbeiter der Agentur - eine Erklärung ab, mit der er sich für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen A. B.s aus ihrer "Tätigkeit oder aus sonstigem Rechtsgrund" gegenüber allen namentlich aufgeführten Gesellschaften , die damals zur "Versicherungsgruppe" der Klägerin gehörten, bis zu einem Höchstbetrag, der im Falle des Beklagten 98.323 DM betrug, selbstschuldnerisch und mit der Maßgabe verbürgte, daß er "auf erste schriftliche Anforderung" zu zahlen habe. Mit Schreiben vom 15. März 1995 focht der Beklagte die Bürgschaftserklärung mit der Begründung an, sie sei durch Täuschung und Drohung zustande gekommen.
Die Klägerin verlangt mit der Behauptung, die von der Agentur B. vermittelten Verträge seien nur zum Schein abgeschlossen worden und der Beklagte sei an der "Provisionsbeschaffung" beteiligt gewesen, von ihm die Zahlung der Bürgschaftssumme. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

I.


Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten sei wirksam zustande gekommen.
1. Die Revision meint, der Bürgschaftsvertrag sei wegen Verstoßes gegen die §§ 3 und 9 AGBG insgesamt unwirksam. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Fragen nicht befaßt. Die Revisionsangriffe sind auf der Grundlage des vorgetragenen und festgestellten Sachverhalts nicht begründet.
Eine formularmäßige Erstreckung der Haftung des Bürgen auf alle bestehenden und künftigen Forderungen des Gläubigers - und, wie hier, noch dazu weiterer mit diesem verbundener Gesellschaften - ist zwar nach § 3 AGBG unwirksam, wenn die Bürgschaft lediglich im Hinblick auf eine bestimmte Verbindlichkeit übernommen worden ist; der Bürge braucht mit einer solchen Ausweitung seiner Verpflichtung nicht zu rechnen, wenn sie sich nicht aus dem Gang der zur Abgabe der Bürgschaftserklärung führenden Verhandlungen ergibt (BGHZ 130, 19, 24 f.). Ebenso verstößt eine weite, über den Anlaß der Verbürgung hinausgehende Zweckerklärung grundsätzlich gegen § 9 AGBG; das gilt, selbst bei einer Höchstbetragsbürgschaft, nicht nur für die Haftungserstreckung auf künftige, sondern auch auf bereits bestehende Ver-
bindlichkeiten (BGHZ 143, 95, 98 ff.). Die Unwirksamkeit der formularmäßigen globalen Zweckerklärung ändert indessen nichts daran, daß der Bürge für die Verbindlichkeit einzustehen hat, die Anlaß der Bürgschaftsübernahme war (BGHZ 143, 95, 102).
Die Revision, die das nicht verkennt, meint, an einem Anlaß für die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten fehle es insgesamt, weil er nach seiner Behauptung - mangels einer Tätigkeit als Versicherungsvertreter - keine noch nicht durch Prämienzahlungen "verdienten" Provisionen erhalten habe. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Anlaß für die Verbürgung waren die vermeintlichen, von der Klägerin auf mehr als 640.000 DM bezifferten Provisionsrückzahlungsansprüche ; das war dem Beklagten bekannt. Die interne Aufteilung dieser Summe auf die einzelnen Mitarbeiter der Agentur - der Zeuge B. will, wie er ausgesagt hat, "die Zahlen willkürlich gegriffen" haben - hat mit der Frage, was Anlaß der Bürgschaft war, nichts zu tun. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erfaßte deshalb im Rahmen des festgesetzten Höchstbetrags eine etwaige Rückzahlungsverbindlichkeit A. B.s gegenüber der Klägerin unabhängig davon, was der Beklagte selbst davon erhalten hatte.
2. Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrags im Sinne des § 138 BGB verneint hat. Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , wonach ein Bürgschaftsvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Vermögensverhältnisse übersteigt, und durch weitere , dem Gläubiger zurechenbare Umstände - insbesondere durch Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit - zusätzlich so erheblich belastet wird,
daß ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird (Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 516 m.w.N.). Der Beklagte hat indessen schon keine Einzelheiten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme vorgetragen. Für die Klägerin bestand kein Anlaß, sich danach zu erkundigen; denn der Beklagte war aus ihrer Sicht einer von vielen Mitarbeitern, der von den Provisionsvorschüssen in dem intern festgelegten Umfang profitiert und deshalb am Fortbestand der Agentur ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte.

II.


Die Revision ist begründet, soweit sie die Ausführungen angreift, mit denen das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten, die ihm abverlangte Bürgschaftserklärung habe auf einer Täuschung beruht, als nicht bewiesen angesehen hat.
1. Das Berufungsgericht hat sich nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten und von ihm selbst wiederholten Beweisaufnahme nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der Beklagte durch die Mitarbeiter der Klägerin arglistig getäuscht worden sei. Diese tatrichterliche Würdigung beruht sowohl in verfahrens- als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht auf Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß der Beklagte gewußt habe, welche "Folgen" die Bürgschaft für ihn habe und welchem Zweck (nämlich "den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Agentur zu garantieren")
sie diene. Darum ging es aber bei der Frage, ob der Beklagte arglistig getäuscht worden ist, jedenfalls nicht in erster Linie. Der Beklagte hat behauptet - von dieser Darstellung ist mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich auszugehen -, er hätte die Bürgschaftserklärung nicht abgegeben, wenn er gewußt hätte, daß, wie es später geschehen sei, die Klägerin der Agentur B. keine weiteren Vermittlungsaufträge mehr erteilen und die Auszahlung der noch ausstehenden Provisionen für schon abgeschlossene Versicherungsverträge von einer Untersuchung der Geschäftspraxis der Agentur abhängig machen werde. Schon die Inhaberin habe das Schuldanerkenntnis vom 26. Januar 1995 nur im Hinblick darauf unterschrieben, daß die Klägerin ihr unter dieser Voraussetzung die Auszahlung der weiteren Provisionen in Aussicht gestellt habe.
Nach den protokollierten Aussagen der Zeugen R. und R. B. hatte letzterer den Mitarbeitern gesagt, das Geld - in Form eines Schecks über rund 180.000 DM - werde ausgezahlt, sobald die Bürgschaftserklärungen unterschrieben seien. Die sich darauf gründende Erwartung war - wiederum nach den Zeugenaussagen - den beiden Angestellten der Klägerin, W. und K., die die Abgabe der Bürgschaftserklärungen herbeiführten, bekannt. W. hat als Zeuge erklärt, R. B. habe bei der am 1. Februar 1995 mit den Mitarbeitern der Agentur veranstalteten Zusammenkunft, bei der er und sein Kollege K. anwesend waren, gesagt, die Besicherung der Provisionen sei wichtig, um den Fortbestand der Firma zu garantieren; möglicherweise, so hat sich der Zeuge ausgedrückt , habe der Eindruck bestanden, "daß die künftigen Provisionen fließen würden". Nach der Aussage K.s "motivierte" R. B. die Mitarbeiter, "die Bürgschaften zu unterschreiben, damit endlich Geld fließe". Er selbst habe das nicht gesagt. Er hat aber hinzugefügt: "Wir haben die Aussage des Herrn B. ...
nicht korrigiert". Ein weiterer Mitarbeiter der Agentur, der bereits erwähnte Zeuge R., hat bekundet, bei einer kurz zuvor abgehaltenen ersten Versammlung habe einer der beiden Vertreter der Klägerin mehrmals einen Scheck aus der Jackentasche gezogen und "ansatzweise gezeigt". W. und K. haben bei ihren erstinstanzlichen Aussagen die Taktik geschildert, mit der sie - in Absprache mit A. und R. B. - in der entscheidenden Versammlung am 1. Februar 1995 vorgegangen seien: Die Verhandlung sei in zwei getrennte Tagesordnungspunkte aufgegliedert worden; zunächst sei nur über die Gewährung von Sicherheiten durch die anwesenden Mitarbeiter gesprochen worden; erst, nachdem die Bürgschaftserklärungen unterschrieben gewesen seien, sei "die Frage, wie die Geschäfte betrieben werden", erörtert worden; "wir wollten eine Sache nach der anderen abhandeln". Im Protokoll über die erstinstanzliche Aussage K.s heißt es wörtlich: "Die Bürgschaft wurde zuerst abgefordert, da ich unterstelle, daß wir nach der Erörterung der Probleme über die Ordnungsgemäßheit der Versicherungsverträge die Bürgschaften nicht bekommen hätten". Tatsächlich kam es bei der Erörterung des zweiten Tagesordnungspunkts zu einem von allen Zeugen geschilderten Tumult, bei dem den Versicherungsvertretern die Aktentasche mit den soeben unterschriebenen Bürgschaften für kurze Zeit entrissen wurde und sie sich nur durch gewaltsame Flucht retten konnten, wobei nach der Schilderung, die der in einem anderen Prozeß verklagte Mitarbeiter G. dort bei seiner persönlichen Anhörung gegeben hat, "der eine ... dann noch eine Tür eingetreten" hat.

b) Das Berufungsgericht hat sich mit diesen für die Frage einer arglistigen Täuschung ausschlaggebenden Einzelheiten der Zeugenaussagen nicht befaßt. Diese vermitteln insgesamt den Eindruck, daß die Angestellten der
Klägerin dem Beklagten und den anderen Mitarbeitern der Agentur zwar nicht selbst gesagt haben, nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen gebe es Geld, daß sie aber deren für sie erkennbare Erwartung nicht richtig gestellt, sondern stillschweigend ausgenutzt haben. Für die beiden Vertreter der Klägerin scheint danach klar gewesen zu sein, daß die Mitarbeiter der Agentur die Bürgschaften zur Absicherung der Ansprüche der Klägerin nicht übernommen hätten, wenn sie ernstlich damit hätten rechnen müssen, daß die Agentur ihre Tätigkeit für die Klägerin so oder so einstellen mußte.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die den Vertretern der Klägerin bekannte , auf Ä ußerungen R. B.s beruhende Erwartung, "daß die künftigen Provisionen fließen würden", begründe für sich allein keine Täuschung, weil "derartiges von den Mitarbeitern der Klägerin ... zu keiner Zeit geäußert worden" sei. Darin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler. Dabei spielt es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung keine Rolle, unter welchen Voraussetzungen die Täuschung durch einen Dritten dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist und ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind; denn die Vertreter der Klägerin haben nach dem für die Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt den Beklagten (und die übrigen Bürgen) durch eigenes Verhalten getäuscht. In ihrem Schweigen zu der ihnen bekannten Erwartung lag unter den hier gegebenen Umständen eine Täuschung durch konkludentes Verhalten. Sie hatten, wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, jene Erwartung auf dem Umweg über die (geschiedenen) Eheleute B. selbst geweckt. Das ist der Aussage der Zeugin A. B. zu entnehmen, die danach ausgesagt hat: "Wir haben uns 'verarscht' gefühlt". Vor diesem Hintergrund war die Taktik, die Erörterungen am 1. Februar 1995 in zwei Teile aufzuspalten und erst nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen zu offenbaren, daß man vor weiteren Provisionszahlungen
zunächst die Geschäftspraktiken der Agentur weiter untersuchen wolle, ein Vorgehen, durch das den Adressaten stillschweigend ein unzutreffender Sachverhalt vorgespiegelt wurde. In Wirklichkeit gingen die Vertreter der Klägerin offenbar bereits damals davon aus, daß es sich um ein unzulässiges "Schneeballsystem" handle.
Jedenfalls hätten die Vertreter der Klägerin auf der Grundlage des Geschehens , das der Revisionsentscheidung zugrunde zu legen ist, nicht einfach schweigen dürfen. Eine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Entscheidung von Bedeutung sein können, besteht zwar nicht allgemein (BGH, Urteil vom 13. Juli 1983 - VIII ZR 142/82, ZIP 1983, 1073, 1075; vom 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1047), wohl aber dann, wenn er eine solche Mitteilung aufgrund der konkreten Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (BGH, Urteil vom 2. März 1979 - V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; vom 13. Dezember 1990 - III ZR 333/89, WM 1991, 604, 606). Das war hier entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Fall. R. B. gab die auf den eigenen Ä ußerungen der Vertreter der Klägerin beruhende Erwartung, es werde "Geld fließen", nicht nur mit ihrem Wissen , sondern sogar in ihrer Gegenwart an die Mitarbeiter der Agentur weiter. Die Vertreter der Klägerin durften unter diesen Umständen nicht schweigen, sondern waren verpflichtet, die Mitarbeiter, für die bei Übernahme der Bürgschaften jene Erwartung offensichtlich von entscheidender Bedeutung war, darüber aufzuklären, daß sie bei der Abgabe der Bürgschaftserklärungen von einer falschen Voraussetzung ausgingen.
2. Da somit für die Revisionsinstanz davon auszugehen ist, daß die Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung gegeben sind, und die Anfech-
tungsfrist des § 124 BGB durch das Anfechtungsschreiben des Beklagten vom 15. März 1995 gewahrt ist, kommt es nicht darauf an, daß, worauf die Revision hinweist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Pflicht zur Rückgängigmachung des Bürgschaftsvertrags auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, WM 1997, 2309, 2311 m.w.N.) in Betracht zu ziehen ist. Ebensowenig ist es jedenfalls in der Revisionsinstanz entscheidungserheblich , daß - auch darauf weist die Revision zutreffend hin - auf dieser Rechtsgrundlage die Inhaberin der Agentur, wenn das von ihr abgegebene Schuldanerkenntnis auf Täuschung beruhen sollte, ihrerseits ein nicht durch Fristablauf verlorengegangenes Recht hätte, sich von dem Anerkenntnis zu lösen. Darauf könnte sich der Kläger als Bürge nach den §§ 767 Abs. 1, 768 Abs. 1 BGB berufen. Gegebenenfalls wird zu prüfen sein, ob die formularmäßige Klausel, mit der die Bürgschaft als solche auf erstes Anfordern ausgestaltet ist, wirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 297/95, WM 1997, 656, 658; vom 2. April 1998 - IX ZR 79/97, ZIP 1998, 905, 906).

III.


Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit - nach Wiederholung der Beweisaufnahme - eine rechtlich einwandfreie Beweiswürdigung vorgenommen werden kann. Der Senat macht dabei von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter Raebel

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.