Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2009 - IX ZR 229/07

bei uns veröffentlicht am08.01.2009
vorgehend
Landgericht Darmstadt, 1 O 279/06, 01.12.2006
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 24 U 21/07, 20.07.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 229/07
Verkündet am:
8. Januar 2009
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt, der selbst oder über einen Dritten für seinen in Untersuchungshaft
sitzenden Mandanten Gelder einwirbt zu dem Zweck, eine Kaution
zu stellen, darf die ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mittel nicht
anderweitig verwenden. Weitergehende Pflichten, etwa zur Sicherung der
Rückführung dieser Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur
längerfristigen Verwaltung, treffen den Rechtsanwalt in der Regel nicht (Abgrenzung
zu den Senatsurteilen vom 22. Juli 2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004,
3630 und 12. Oktober 2006 - IX ZR 108/03, NJW-RR 2007, 267).
BGH, Urteil vom 8. Januar 2009 - IX ZR 229/07 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2007 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 1. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der beklagte Anwalt vertrat den Zeugen W. in einem gegen den Zeugen geführten Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung. In diesem Verfahren befand sich der Zeuge seit August 2002 in Untersuchungshaft. Im Oktober 2002 rief der Beklagte bei dem Steuerberater des Klägers an - der auch Steuerberater des Zeugen W. war - und regte an, der Steuerberater solle sich bei Freunden und Bekannten des Beschuldigten um die Aufbringung einer Kaution von insgesamt 50.000 € bemühen.

2
Der Kläger erklärte sich gegenüber dem Steuerberater bereit, einen Betrag von 25.000 € zu übernehmen. Diesen Betrag überwies er alsbald auf ein Fremdgeldkonto des Beklagten. Auf dem Überweisungsträger vermerkte er entsprechend einem Vorschlag des Steuerberaters die Worte "Darlehen an W. w/Kaution"; der Buchstabe "w" stand für das Wort "wegen".
3
Zu einer Anordnung über die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung kam es nicht. Der Beklagte verwendete den vom Kläger überwiesenen Betrag für offene Honorarforderungen gegen den Zeugen W .
4
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des überwiesenen Betrages. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.


6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten, weil zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Der Anwalt, der Fremdgeld in Empfang nehme, welches von einem Dritten zugunsten eines Mandanten eingezahlt werde, handele in der Regel allein als Vertreter des Mandanten. Das stehe der Annahme eines Auftragsverhältnisses, also der Begründung eigener Pflichten des Anwalts gegenüber dem Dritten, entgegen. Zwar könne sich unter besonderen Umständen etwas anderes ergeben, nämlich wenn diese Umstände den Schluss darauf begründeten, der Anwalt habe eigenständige (Treuhand-)Verpflichtungen gegenüber dem Einzahler übernommen. Solche Umstände seien hier aber nicht zu erkennen.

II.


7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe hinsichtlich der Verwendung des vom Kläger auf das Fremdgeldkonto überwiesenen Betrages keinerlei Bindungen unterlegen, ist unzutreffend. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist ein Auftrag zustande gekommen, allerdings beschränkt allein darauf, für die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes Sorge zu tragen. Da diese Verwendung des Geldes nicht möglich war, hat der Beklagte das Erlangte gemäß § 667 BGB an den Kläger herauszugeben.
9
Die Auslegung von Willenserklärungen der Parteien und von Vertragsbestimmungen obliegt zwar grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 26. März 2004 - V ZR 90/03, NJW-RR 2004, 952; 953 v. 13. Mai 2004 - III ZR 368/03, NJW-RR 2004, 1356, 1357; v. 16. Oktober 2008 - IX ZR 183/06 Rn. 18 z.V.b.).
10
Diese Überprüfung ergibt jedoch vorliegend, dass das Berufungsgericht Auslegungsregeln und Erfahrungssätze verletzt und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Zustandekommen von Auftragsverhältnissen in derartigen Konstellationen missverstanden und zu eng ausgelegt hat.
11
a) Das Berufungsgericht hat auf zwei Urteile des Senats Bezug genommen , die einen ähnlichen Sachverhalt zum Gegenstand hatten (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 - IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630, 3631; v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 108/03, NJW-RR 2007, 267). Dort ging es jedoch jeweils um die Sicherstellung der Rückführung des als Kaution oder Zahlung auf Steuern tatsächlich bereits bestimmungsgemäß verwendeten Geldes. Hinsichtlich solcher zusätzlicher , über die bestimmungsgemäße Verwendung hinausgehender Pflichten hat der Senat den konkludenten Abschluss eines Anwaltsvertrages abgelehnt. Wer als Verteidiger zum Zwecke der Hinterlegung einer Kaution bei Gericht bestimmte Gelder von dritter Seite für einen Mandanten entgegennimmt, begründet dadurch keine zusätzlichen vertraglichen Pflichten gegenüber dem Geldgeber , sofern sich nicht aus den getroffenen Absprachen oder den besonderen Umständen des Falles ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Der Rechtsanwalt , der auf einem Anderkonto Geld erhält, welches von einem Dritten in Erfüllung einer mit dem Mandanten getroffenen Vereinbarung geleistet wird, handelt in der Regel allein als Vertreter seines Auftraggebers. Das folgt im Ansatz schon aus dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4, § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e BRAO), weil die Interessen des Dritten in der Regel nicht mit denjenigen der vom Anwalt vertretenen Partei identisch sind (BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 aaO S. 3631, v. 12. Oktober 2006 aaO S. 267 Rn. 8).
12
b) Vorliegend geht es - anders als in den genannten Fällen - nicht darum, ob den Beklagten anwaltliche Beratungs- oder Sicherungspflichten trafen, um die Rückführung des bestimmungsgemäß verwendeten Geldes sicherzustellen, oder dieses Geld längerfristig zu verwalten.
13
Vielmehr geht es um die Frage, ob der Anwalt die Zweckbestimmung für das Geld beachten muss oder dieses von vorneherein anderweitig verwenden und als freies Vermögen seines Mandanten behandeln darf, etwa nach dessen anderweitigen Weisungen darüber verfügen oder mit seinen eigenen Ansprüchen gegen den Mandanten aufrechnen und sich so befriedigen darf.
14
Insoweit steht nicht der Abschluss eines Anwaltsvertrages in Frage. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Darum geht es insoweit nicht. Der Beklagte sollte gegenüber dem Kläger zu keiner Rechtsberatung verpflichtet sein.
15
2. Ein allgemeiner, nicht mit Rechtsberatung verbundener Auftrag kann auch mit einem Anwalt zustande kommen. Er kann konkludent geschlossen werden, wenn das Verhalten des einen Teils bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben gemäß §§ 133, 157 BGB als eine auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtete Willenserklärung aufzufassen war und das Verhalten des anderen Teils als Annahme des Auftrags gedeutet werden durfte (vgl. für den Anwaltsvertrag: BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 aaO S. 3631).
16
Beklagte Der hat hier über den Steuerberater des Klägers von den Freunden und Bekannten des Beschuldigten Geldbeträge zu dem Zweck eingeworben , eine Kaution für den Beschuldigten stellen zu können. Die Überweisung des hierzu bereiten Klägers sah als Zweckbestimmung ausdrücklich vor, dass das Geld diesem Zweck der Kautionsstellung dienen sollte. Daran änderte nichts der Umstand, dass die Zahlung als Darlehen an den Beschuldigen bezeichnet wurde. Damit wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, in welcher Form der Kläger Geld zur Verfügung stellen wollte, nämlich als Darlehen, das nach Verwendung als Kaution rückzahlbar sein sollte, nicht dagegen etwa als Schenkung. Nach Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte durfte der Kläger und musste der Beklagte annehmen, dass aufgrund dieser Umstände eine Verwendung des Geldbetrages durch den allein über das Konto verfügungsberechtigten Beklagten auch im Verhältnis zum Kläger nur zu dem vorgesehenen Zweck erfolgen durfte, insoweit also vom Kläger eine Bindung in Form eines Auftrags erwartet wurde, die der Beklagte auch akzeptiert hat.
17
Demgemäß durfte der Beklagte nur zu diesem Zweck über den erlangten Geldbetrag verfügen. Eine Verfügung zu anderen Zwecken hätte der Zustimmung des Klägers bedurft. Weitergehende Pflichten, etwa zur Beratung des Klägers oder zur Sicherung seiner Rückforderungsansprüche, hatte er dagegen nicht. Ein Anwaltsvertrag ist mangels entsprechender Einigung nicht zustande gekommen.
18
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem zur Sachentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Eine andere Auslegung des Willens der Parteien ist nach den festgestellten Tatsachen ausgeschlossen.
19
Der Beklagte hat den in Rede stehenden Betrag im Sinne von § 667 BGB zur Ausführung des Auftrags erhalten. Von der Verpflichtung, das eingezahlte Geld wieder zurückzuzahlen, wäre der Beklagte nur frei geworden, wenn er das Geld auftragsgemäß weitergeleitet hätte (BGH, Urt. v. 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02, ZIP 2004, 171, 172). Da dies nicht geschehen ist, hat er den Betrag an den Kläger zurückzuzahlen.
20
Ob der Beschuldigte W. nach seiner Haftentlassung den Beklagten angewiesen hat, den Betrag anderweitig zu verwenden, ist unerheblich. Die Bindung der Mittelverwendung zwischen den Parteien konnte der Mandant des Beklagten nicht aufheben oder ändern. Der Beschuldigte sollte, ebenso wie der Beklagte, nicht befugt sein, das Geld anderweitig, etwa für seine Lebensführung oder für Anschaffungen oder zur Schuldentilgung zu verwenden. Derjenige, der darlehenshalber Geld für eine Kaution zur Verfügung stellt, will lediglich dazu beitragen, dass der Beschuldigte wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Er erwartet , dass er nach Wegfall dieses Zwecks das Geld wieder zurück erhält.
21
Die angeblichen Forderungen des Zeugen W. konnten jedenfalls mangels Gegenseitigkeit mit der Klageforderung nicht aufgerechnet werden.
Ganter Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 01.12.2006 - 1 O 279/06 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 20.07.2007 - 24 U 21/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2009 - IX ZR 229/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2009 - IX ZR 229/07

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2009 - IX ZR 229/07 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 667 Herausgabepflicht


Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 3 Recht zur Beratung und Vertretung


(1) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. (2) Sein Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, kann nur durch ein Bundesgesetz bes

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 90/03 Verkündet am:
26. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Eigentümer eines Grundstücks kann sich in einem notariell beurkundeten unwiderruflichen
Angebot zum Verkauf des Grundstücks vorbehalten, das Angebot mit
der Folge zu widerrufen, daß das Angebot befristet ist, und einen erklärten Widerruf
zurückzunehmen, solange das Angebot nicht erloschen ist. Die Erklärung, den Widerruf
zurückzunehmen, bedarf in diesem Fall nicht der Beurkundung.
BGH, Urt. v. 26. März 2004 - V ZR 90/03 - OLG München
LG München II
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Februar 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Anschlußrevision der Beklagten wird zurückgewiesen. Im übrigen wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagten waren Eigentümer eines Grundstücks in W. . Am 14. Juni 2000 boten sie der Klägerin in notariell beurkundeter Form das Grundstück für 5.426.000 DM zum Kauf an. In dem Angebot heißt es u.a.:
"An das Angebot hält sich der Anbietende bis einschließlich 31.12.2000 unwiderruflich gebunden. Nach Ablauf dieser Frist kann das Angebot schriftlich widerrufen werden. Wird das Angebot widerrufen, so erlischt es mit Ablauf von zwei Monaten, nachdem der Widerruf dem Angebotsempfänger zugegangen ist, es sei denn, er wurde vor Fristablauf schriftlich zurückgenommen". Die Klägerin wollte das Grundstück bebauen. Die Verhan dlungen mit dem Landkreis als Baubehörde führte ihr Vater für sie. Mit ihrem Vater am 21. Dezember 2000 und ihr selbst am 2. Januar 2001 zugegangenem Schreiben vom 15. Dezember 2000 erklärten die Beklagten, das Angebot vom 14. Juni 2000 zu widerrufen.
Am 28. Februar 2001 trafen die Beklagten mit dem Vater der Klägerin zusammen und erklärten schriftlich:
"Hiermit ziehen wir unseren Widerruf des Angebots auf Abschluß eines Kaufvertrags (Urkundenrolle Nr. S /00 Dr. S. ) vom 15. Dezember 2000 zurück. Gleichzeitig widerrufen wir dieses Angebot mit Wirkung ab dem heutigen Tag. Das Angebot erlischt somit am 28. April 2001".
Im Anschluß hieran erklärte der Vater der Klägerin au f demselben Schriftstück:
"Hiermit erkläre ich mich bereit, als Bindungsentschädigung für die Zeit vom 28. Februar 2001 bis 28. April 2001 Zinsen in Höhe von DM 20.000 monatlich zu übernehmen. Wird das Angebot vor dem 28. April 2001 angenommen bzw. erklärt der Angebotsempfänger vor dem 28. April 2001, daß er das Angebot nicht annimmt, entfällt ab diesem Zeitpunkt die Zinsverpflichtung".
Ende März 2001 verkauften die Beklagten das Grundstück für 6.000.000 DM der W. Wohnungsbaugesellschaft mbH (W. ). Für die W. wurde am 31. März 2001 eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Mit am 12. April 2001 beurkundeter Erklärung nahm die Klägerin das Kaufvertragsangebot vom 14. Juni 2000 an. Mit Rang nach der für die W. eingetragenen Vormerkung wurde eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf den Erwerb des Grundstücks eingetragen. Am 2. Juli 2001 wurde die W. Eigentümerin als eingetragen.
Die Klägerin hat von den Beklagten 1.116.737,53 DM zu züglich Zinsen als entgangenen Gewinn und als Ersatz von Kosten verlangt, die ihr durch die Beurkundung der Annahme des Angebots, für die Eintragung der Vormerkung, für die Erwirkung eines Negativbescheids der Gemeinde und für einen bei dem Landkreis erwirkten Bauvorbescheid entstanden sind. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 549.127,48 € (1.074.000 DM) zuzüglich Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie über die durch die Beurkundung der Annahmeerklärung, die Eintragung der Vormer-
kung und das Negativzeugnis der Klägerin entstandenen Kosten von 11.303,54 € hinausgeht. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; die Beklagten erstreben mit der Anschlußrevision die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht verneint das Zustandekommen eines Kau fvertrages zwischen den Parteien. Es meint, durch die Widerrufserklärung der Beklagten vom 15. Dezember 2000 sei das Angebot der Beklagten vom 14. Juni 2000 mit Ablauf des 28. Februar 2001 erloschen. Ob der Zugang des Schreibens bei dem Vater der Klägerin am 21. Dezember 2000 den Zugang an die Klägerin bewirkt habe, könne dahingestellt bleiben. An dem Erlöschen des Angebots habe die Erklärung der Beklagten vom 28. Februar 2001 nichts geändert , weil die zur Rücknahme des Widerrufs in dem Angebot enthaltene Regelung unwirksam sei. Die Ausgestaltung des Widerrufs als zurücknehmbar lasse den Angebotsempfänger in unzulässiger Weise darüber im Unklaren, ob ein ausgesprochener Widerruf zum Erlöschen des Angebots geführt habe.
Durch ihre Erklärung vom 28. Februar 2001 hätten die Beklagten jedoch die Erwartung der Klägerin begründet, das Angebot noch annehmen zu können. Nach den Grundsätzen des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen hätten sie daher die durch die Beurkundung der Annahmeerklärung, die Ein-
tragung der Vormerkung und die Erwirkung des Negativbescheids der Klägerin entstandenen Kosten zu erstatten. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gege n die Feststellung des Berufungsgerichts, durch ihre Erklärung vom 15. Dezember 2000 hätten die Beklagten das Angebot vom 14. Juni 2000 wirksam widerrufen.

a) Ob das Angebot der Beklagten erst nach dem 31. Dezem ber 2000 widerrufen werden konnte, wie die Revision geltend macht, oder ob die Widerrufserklärung schon zuvor abgegeben werden konnte und dann mit Ablauf des 31. Dezember 2000 wirksam wurde, wie das Berufungsgericht meint, ist durch Auslegung des Angebots zu bestimmen. Sie ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und für das Revisionsgericht bindend. Sie kann von dem Senat nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, ob die Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verletzt worden sind oder ob die Auslegung auf einem im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht (st. Rspr., vgl. BGHZ 135, 269, 273; BGH, Urt. v. 5. Juli 1990, IX ZR 10/90, WM 1990, 1549, 1551; Senatsurt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 196/93, WM 1995, 263; BGH, Urt. v. 29. März 2000, VIII ZR 257/98, NJW 2000, 2508, 2509 und v. 13. März 2003, IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236). Dieser Prüfung hält die Auslegung des Berufungsgerichts stand. Die Revision zeigt auch weder einen Auslegungsfehler noch einen Verfahrensfeh-
ler auf. Daß eine andere Auslegung möglich ist, macht die vorgenommene Auslegung nicht fehlerhaft.

b) Ist die Klägerin von ihrem Vater nicht nur gegenüb er der Baubehörde, sondern, wie die Beklagten behaupten, auch ihnen gegenüber vertreten worden , erlosch das Angebot aufgrund des Zugangs der Widerrufserklärung an den Vater der Klägerin am 21. Dezember 2000 grundsätzlich mit Ablauf von zwei Monaten nach dem 31. Dezember 2000, also mit Ablauf des 28. Februar 2001. War der Vater der Klägerin gegenüber den Beklagten dagegen nicht zur Vertretung der Klägerin berechtigt, erlosch das Angebot nach Zugang des Widerrufs bei der Klägerin am 2. Januar 2001 grundsätzlich mit Ablauf des 2. März 2001.
2. Aufgrund des Widerrufs ist das Angebot der Beklagten jedoch nicht mit Ablauf des 28. Februar 2001 bzw. des 2. März 2001 erloschen, vielmehr ist durch die Annahmeklärung der Klägerin vom 12. April 2001 ein Kaufvertrag über das Grundstück zu den Bedingungen des Angebots zustande gekommen. Denn die Beklagten haben den Widerruf am 28. Februar 2001 wirksam zurückgenommen. Die dem zugrunde liegende Regelung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirksam.

a) Der Antrag auf Abschluß eines Vertrages ist ab seinem Zugang bei dem Angebotsempfänger (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) grundsätzlich bindend (§ 145 Halbs. 1 und 2 BGB). Die Dauer der Bindung richtet sich nach §§ 147 bis 149 BGB. Nach § 148 BGB kann der Anbietende eine Frist für die Annahme bestimmen. Damit ist ihm die Möglichkeit eröffnet, die Dauer der Wirksamkeit des Angebots unabhängig von § 147 BGB auszugestalten. Ob und in welchem
Zeitraum ein Angebot angenommen werden kann, ist hiernach vom Willen des Anbietenden abhängig.
§§ 145 ff BGB schließen weitere Modifikationen der Wirksamkeit und der Dauer eines Angebots nicht aus. So kann ein Angebot unbefristet, jedoch widerruflich ausgestaltet werden (vgl. BGH, Urt. v. 8. März 1984, VII ZR 177/82, NJW 1984, 1885; Bamberger/Roth/Eckert, BGB, § 145 Rdn. 29; MünchKommBGB /Kramer, 4. Aufl., § 145 Rdn. 7; Staudinger/Bork, BGB [2003], § 145 Rdn. 27 ff; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Aufl., § 29 Rdn. 36; Medicus , Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl., § 26 Rdn. 366). Umgekehrt kann die Unwiderruflichkeit eines Angebots befristet werden. Der Ablauf einer in das Angebot aufgenommenen Frist kann dazu führen, daß das Angebot erlischt, oder nur dazu, daß die Unwiderruflichkeit des Angebots endet. Ebenso ist es möglich, die Wirkung des Widerrufs als Befristung des Angebots auszugestalten.
Der Antragende ist von Rechts wegen auch nicht gehindert , den Widerruf seines Angebots widerruflich auszugestalten. Der Grundsatz, daß die Ausübung eines Gestaltungsrechts nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden soll (vgl. Senat, BGHZ 97, 264, 266 m.w.N.), steht einer solchen Regelung nicht entgegen. Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes ist es, zu verhindern, daß der Empfänger einer einseitigen gestaltenden Willenserklärung darüber im Ungewissen bleibt, ob durch die Erklärung seines Vertragspartners eine Rechtsänderung bewirkt worden ist (Senat, aaO, 267; Erman/Hefermehl, BGB, 10. Aufl., § 158 Rdn. 15; MünchKommBGB /Westermann, aaO, § 158 Rdn. 28; Staudinger/Wolf, BGB [2003], § 158 Rdn. 34; von Bülow JZ 1979, 430, 431). So verhält es sich nicht, wenn der Wi-
derruf eines Vertragsangebots als zurücknehmbar ausgestaltet wird. Eine Ungewißheit des Angebotsempfängers über seine Rechte kann hierdurch grundsätzlich nicht eintreten. Führt der Widerruf - wie hier - nicht zum Erlöschen, sondern nur zur Befristung des Angebots, bleibt seine Rechtsstellung bis zum Ablauf der nunmehr geltenden Annahmefrist unverändert. Wird der Widerruf vor Ablauf dieser Frist zurückgenommen, entfällt zwar die Annahmefrist, seine Rechte bleiben hiervon aber unberührt. Ebenso wie der Widerruf wird die Rücknahmeerklärung mit Zugang bei dem Angebotsempfänger wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Ungewißheit über die Annahmefähigkeit des Angebots kann grundsätzlich nicht eintreten. Deswegen kann auch offen bleiben, ob der hier im Angebot vorbehaltene Widerruf überhaupt als Gestaltungsrecht oder nicht als reine Fristenregelung anzusehen ist.

b) Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die Rücknahme d es Widerrufs der für das Angebot vorgeschriebenen Form bedarf. Diese Frage ist für den Fall der Rücknahme des Widerrufs eines trotz Widerrufs noch wirksamen Angebots auf Abschluß eines Grundstückskaufvertrages zu verneinen.
Zweck des Formgebotes von § 313 Satz 1 BGB a.F. (§ 311b Abs.1 Satz 1 BGB) ist es, die Parteien eines Vertrages, aufgrund dessen das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen ist, vor Übereilung zu bewahren und Rechtssicherheit über das Zustandekommen und den Inhalt des Vertrages zu gewährleisten (st. Rspr., vgl. Senat, BGHZ 127, 168, 172 f; Erman/Battes, aaO, § 313 Rdn. 1; Münch-Komm-BGB/Kanzleiter, 4. Aufl., Bd. 2a; 311b Rdn. 1; Staudinger/Wufka, BGB [2001], § 313 Rdn. 3). Dieser Zweck gebietet es nicht, alle Erklärungen, von denen der Eintritt einer Veräußerungsverpflichtung mit abhängt, in das Formgebot einzubeziehen, da die beurkundungsbedürftige
Verpflichtung ihren Grund in dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft (hier: Angebot) hat (vgl. MünchKomm-BGB/Kanzleiter, aaO, Rdn. 28; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 313 Rdn. 41).
Ist der Verkäufer eines Grundstücks nach dem notariell beu rkundeten Inhalt seines Vertragsangebots mit der Folge zum Widerruf des Angebots berechtigt , daß die Annahme des Angebots innerhalb einer bestimmten Frist erklärt werden muß, und hat er sich in dem Angebot die Rücknahme des Widerrufs vorbehalten, solange der Widerruf noch nicht zum Erlöschen des Angebots geführt hat, bewirkt die Rücknahmeerklärung kein neues Angebot oder eine nachträgliche Änderung des Inhalts des Angebots (vgl. Sena t, Beschl. v. 9. November 1995, V ZR 36/95, WM 1996, 181), sondern den vorbehaltenen Wegfall der Annahmefrist. Insoweit unterscheidet sich der Fall nicht von der Ausübung eines Gestaltungsrechts, das aufgrund eines notariell beurkundeten Vertrages besteht. Ebenso wie ein solches Recht von dem Begünstigten oder sogar von einem Dritten ohne notarielle Beurkundung ausgeübt werden kann (vgl. § 505 Satz 2 BGB a.F.), kann eine nach dem beurkundeten Angebot bestehende Möglichkeit zur Gestaltung der Annahmefrist von dem Anbietenden wirksam ausgeübt werden, ohne daß die ausübende Erklärung der Beurkundung bedarf.
Insoweit liegt der Fall anders als der durch das Senatsu rteil vom 12. Dezember 1962, V ZR 111/61, WM 1963, 407 f., entschiedene Fall. In jenem Fall war das Angebot zum Verkauf des Grundstücks, wegen dessen die Parteien stritten, befristet. Eine Möglichkeit, durch einseitige Erklärung die Frist zu verlängern oder zu verkürzen, enthielt das Angebot nicht. Zu seiner Verlän-
gerung, zumal nach dem Erlöschen des Angebots durch Ablauf der Annahmefrist , bedurfte es daher der notariellen Beurkundung.

c) Auch die Tatsache, daß der Vater der Klägerin auf d em von der Beklagten für ihre Erklärung vom 28. Februar 2001 verwendeten Schriftstück die Zahlung einer Bindungsentschädigung versprochen hat, führt nicht zur Beurkundungsbedürftigkeit der Erklärung der Beklagten.
Hierzu hat die Klägerin behauptet, ihr Vater habe si ch gegenüber den Beklagten verpflichtet, nachdem die Beklagten die Rücknahme ihres Widerrufs erklärt hatten. Demgegenüber haben die Beklagten behauptet, der Vater der Klägerin habe durch seine Erklärung die Klägerin als deren Vertreter zur Zahlung der Bindungsentschädigung verpflichtet. Die Rücknahme des Widerrufs vom 15. Dezember 2000 sei die Gegenleistung für dieses Versprechen gewesen.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Vater der Klägerin die Entschädigung im eigenen Namen versprochen hat. Das nehmen die Parteien hin. Rechtsfehler liegen insoweit auch nicht vor. Ob die Rücknahme der Widerrufserklärung die Gegenleistung für die versprochene Bindungsentschädigung bildet, ist nicht festgestellt. Hierauf kommt es auch nicht an. Selbst wenn die Rücknahme des Widerrufs zwischen den Beklagten und dem Vater der Klägerin als Gegenleistung für die versprochene Bindungsentschädigung vereinbart worden ist und das Versprechen der Bindungsentschädigung daher beurkundungsbedürftig war (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 1981, IVa ZR 159/80, NJW 1981, 2293; Senatsurt. v. 22. Dezember 1982, V ZR 8/81, NJW 1983, 1543, 1545, BGH, Urt. v. 1. Juli 1970, IV ZR 1178/68, NJW 1970, 1915, 1916; Urt. v.
20. September 1984, III ZR 47/83, NJW 1985, 1178, 1179; Soergel/Wolf, aaO, Rdn. 30), führt dies nicht zur Formbedürftigkeit der Erklärung der Beklagten vom 28. Februar 2001. Eine Willenserklärung, für deren Wirksamkeit es keiner Form bedarf, wird nicht dadurch beurkundungsbedürftig, daß der Rechtsgrund für die Abgabe der Erklärung der notariellen Beurkundung bedarf.

d) Allein die Abgabe der Rücknahmeerklärung durch die Beklagten am 28. Februar 2001 führte allerdings noch nicht dazu, daß das Angebot vom 14. Juni 2000 nicht mit Ablauf des 28. Februar 2001 bzw. des 2. März 2001 erlosch. Das nach ihrem Angebot den Beklagten vorbehaltene Recht, die Widerrufserklärung zurückzunehmen, mußte durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt werden. Zur Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung bedurfte es daher des Zugangs der Erklärung bei der Klägerin vor dem Erlöschen der Angebots. Daß es sich so verhält, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil aus der Erklärung der Klägerin vom 12. April 2001, das Angebot der Beklagten zum Verkauf des Grundstücks anzunehmen , die Genehmigung einer etwa vollmachtlosen Vertretung der Klägerin durch ihren Vater bei der Entgegennahme der Erklärung der Beklagten vom 28. Februar 2001 folgt.
3. Ist der Kaufvertrag mithin wirksam zustande gekommen, sind die Beklagten der Klägerin entsprechend §§ 325 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB a.F. zum Ersatz verpflichtet. Diese Verpflichtung kann der Senat dem Grunde nach feststellen. Zur Bestimmung der Höhe des Anspruchs bedarf es dagegen weiterer Feststellungen, soweit das Berufungsgericht nicht zugunsten der Klägerin entschieden hat. Hierzu ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
4. Die Anschlußrevision der Beklagten ist nicht begründet. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin umfaßt die Kosten, zu deren Ersatz die Beklagten von dem Berufungsgericht verurteilt worden sind. Gegen die Feststellung der Höhe dieser Kosten wird von den Beklagten nichts erinnert. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 368/03
Verkündet am:
13. Mai 2004
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
Zu den Pflichten eines von dem Vermittler von Börsentermingeschäften eingeschalteten
Rechtsanwalts, über dessen Treuhandkonto die Einzahlungen
der Anleger zu deren "Sicherheit" weiterzuleiten waren.
BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - III ZR 368/03 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 12. Zivilsenat, vom 29. November 2002 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin erteilte in der Zeit vom 12. Oktober 19 95 bis zum 22. August 1996 der M.H.F. in H. (im folgenden: M.H.F.) eine Vielzahl von Aufträgen zur Vermittlung und Besorgung von Börsenspekulationsgeschäften. Sie investierte hierfür insgesamt 2.070.000 DM, die - bis auf eine Auszahlung von 12.278,28 DM - sämtlich verlorengingen. Bei der M.H.F. handelte es sich um ein betrügerisches Unternehmen: Sie erteilte zwar den Brokern Kaufaufträge, veräußerte aber die erworbenen Positionen alsbald wieder und verfügte über die Erlöse für eigene Zwecke, wobei sie den
Anlegern durch manipulierte Kontoauszüge vorspiegelte, die betreffenden Ankäufe hätten zu Verlusten geführt. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten, einen Rechtsanwalt, der bei den Einzahlungen der Anleger als Treuhänder eingeschaltet war, auf Schadensersatz - wegen des am 9. Februar 1996 eingezahlten Betrages von 429.000 DM - in Anspruch.
In einem Prospekt der M.H.F. über die von ihr zu vermit telnden Geldanlagen hieß es unter dem Stichwort "Kapitaltransfer":
"... Grundsätzlich sind Ihre Zahlungen über ein RechtsanwaltsAnderkonto bzw. Treuhandkonto zu leiten. Dies geschieht ... zu Ihrer Sicherheit!“
Danach folgte im Prospekt der Hinweis darauf, daß das K apital auf ein unter dem Namen der M.H.F. beim Broker geführtes "Omnibus-Konto" weitergeleitet werde.
Vor den einzelnen Transaktionen übermittelte die M.H. F. der Klägerin (regelmäßig per Fax) jeweils eine formularmäßige - mit ihrem Briefkopf versehene - "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung“, wonach die Zahlungen auf ein bestimmtes Rechtsanwaltsanderkonto des Beklagten zu leisten waren und der Beklagte angewiesen wurde, das Kapital umgehend an den von der M.H.F. beauftragten Broker weiterzuleiten. Weiter hieß es in diesem, von der Klägerin jeweils unterzeichneten Schriftstück:
"Die mit der vorbezeichneten Verwahrungstätigkeit des Rechtsanwalts verbundenen Gebühren und Auslagen einschließlich der Kontoführungsgebühren werden von der M.H.F. GmbH getragen.
Die Aufgabe des Rechtsanwalts erstreckt sich lediglich auf die weisungsgemäße Weiterleitung der Zahlungen. Der Rechtsanwalt haftet ausschließlich für die ordnungsgemäße Erfüllung des ihm erteilten Treuhandauftrages. Dem Kunden zustehende Guthaben werden nach Vertragsabwicklung und Auszahlungsorder aufgrund von der M.H.F. GmbH unwiderruflich erteilter Weisung von dem Broker auf ein Rechtsanwaltsanderkonto überwiesen. Der Rechtsanwalt wird den Betrag in voller Höhe unverzüglich an den Kunden weiterleiten. Die mit dieser Tätigkeit des Rechtsanwaltes verbundenen Gebühren und Auslagen werden von der M.H.F. GmbH getragen."
Die ab dem 31. Januar 1996 unterzeichneten Formulare enthielten den vorstehenden Absatz "Dem Kunden zustehende Guthaben ..." nicht mehr. Dieser Absatz war von da ab durch folgenden Passus ersetzt:
"Der Kunde wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto keinen Einfluß auf Gewinnchancen und Verlustrisiken der vom Kunden beabsichtigten Spekulationsgeschäfte hat."
Die Klägerin sandte das unterschriebene Exemplar jewei ls an die M.H.F., die es anschließend dem Beklagten übermittelte, von dem dann die Weiterleitung des Geldes vom Rechtsanwaltsanderkonto auf das Brokerkonto verfügt wurde.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe nicht n ur die Pflicht gehabt , das von ihr überwiesene Geld auf eines der Broker-Konten weiterzuleiten , sondern auch, den ordnungsgemäßen Rückfluß der Gelder vom Broker auf die Anlegerkonten zu überwachen. Darauf habe sie vertraut; wenn sie gewußt
hätte, daß der Beklagte keine Kontrolle über den Rückfluß der Gelder habe, hätte sie die Investitionen nicht getätigt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberland esgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin in Höhe von 208.360,86 DM (= 106.533,21 €) zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben und das Rechtsmittel im übrigen - unter Annahme eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin - zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, die Klägerin verfolgt mit ihrem Rechtsmittel ihren Klageantrag, soweit er abgewiesen worden ist, in Höhe von 208.360,86 DM (= 106.533,21 €) weiter.

Entscheidungsgründe


Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht führt aus, durch die Art und Weise, in der die M.H.F. den Beklagten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Anlageinteressenten eingeschaltet hatte, sei zwischen diesen beiden ein Vertrag zugunsten der Klägerin geschlossen worden:
Es habe zwischen der M.H.F. und dem Beklagten eine über einen längeren Zeitraum dauernde Geschäftsbeziehung bestanden, die auf entgeltliche
Dienstleistungen gerichtet gewesen sei. Dabei habe die M.H.F. mit der Beauftragung des Beklagten zugleich ihre sich aus dem Prospekt ergebende Verpflichtung erfüllt, wonach die Zahlungen der Anleger zu deren "Sicherheit" über ein Rechtsanwaltsanderkonto hätten erfolgen sollen. Die Rechtsbeziehungen zwischen der M.H.F. und dem Beklagten seien im Zusammenhang mit der "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" zu sehen. Da mit dieser die zugesicherte Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto umgesetzt worden sei, sei durch sie für den Anleger ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden: Die unter dem 10. November 1995 und 7. Dezember 1995 unterzeichneten Vereinbarungen hätten in ihrem dritten Absatz ausdrücklich den Rückfluß von Geldern geregelt. Auch dieser habe nach durch die M.H.F. unwiderruflich erteilter Weisung ebenfalls über ein Rechtsanwaltsanderkonto erfolgen sollen. Damit sei nach dem gewählten Text für den Kunden sichergestellt gewesen, daß die M.H.F. mit den Geldern, welche er zu investieren beabsichtigte und welche er als Erlös zu erhalten hoffte, überhaupt nicht in Berührung kommen konnte. Der Anleger wäre dann zwar den generell mit Börsentermingeschäften verbundenen Risiken ausgesetzt gewesen, nicht aber dem eines direkten Mißbrauchs ihres Geldes durch die M.H.F. Das Sicherungsziel sei damit gerade auf das Risiko gerichtet gewesen, welches sich später verwirklicht habe; daß nämlich die M.H.F. bzw. die für diese tätigen Personen direkten Zugriff auf das Geld bzw. seinen Rücklauf nehmen konnten. Der Treuhandauftrag des Beklagten sei damit nicht nur darauf gerichtet gewesen, die Gelder ordnungsgemäß an den Broker weiterzuleiten, sondern auch darauf, dafür zu sorgen, daß rücklaufende Gelder gerade nicht an die M.H.F., sondern an ihn auf sein Rechtsanwaltsanderkonto überwiesen würden. Dies hätte dadurch geschehen können, daß der Beklagte mit den jeweiligen Brokern eine Vereinbarung dahingehend getroffen hätte, daß diese sich zu einer Überwei-
sung von Rückläufen ausschließlich an ihn verpflichtet hätten. Der Beklagte hätte weiter sicherstellen müssen, daß die M.H.F. den Brokern die weiter im vierten Absatz der "Vereinbarung" vorgesehene unwiderrufliche Weisung für dem Kunden zustehende Guthaben erteilt hatte. Aus diesem Zusammenspiel zwischen dem Vertrag zwischen der M.H.F. und dem Beklagten und der jeweils neu unterzeichneten "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" ergäben sich auch hinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die vertragliche Beziehung zwischen der M.H.F. und dem Beklagten als Vertrag zugunsten Dritter - hier zugunsten der Klägerin - zu qualifizieren sei.
Gegen die sich aus diesem Vertragsverhältnis ergebenden V erpflichtungen habe der Beklagte verstoßen, indem er die erforderlichen Sicherungsabreden mit dem Broker nicht getroffen und die Klägerin davon nicht unterrichtet habe. Darauf, daß spätestens seit dem 31. Januar 1996 der den Rückfluß betreffende Passus aus der "Vereinbarung" gestrichen und durch einen anderen Text ersetzt wurde, könne sich der Beklagte nicht berufen. Eine Veränderung in einem derart entscheidenden Punkt hätte die M.H.F., in gleichem Maße aber auch der Beklagte, der Klägerin anzeigen müssen; sich nunmehr, nachdem sich gerade das Risiko verwirklicht habe, welches durch die Vereinbarung habe ausgeschaltet werden sollen, auf diese Veränderung zu berufen, sei unredlich. Wäre die Klägerin von der Veränderung des Formulars in hinreichender Weise informiert worden, so hätte sie - davon ist das Berufungsgericht überzeugt - von der Überweisung des hier in Rede stehenden Betrages von 429.000 DM am 9. Februar 1996 Abstand genommen. Der Schaden der Klägerin belaufe sich also auf 429.000 DM abzüglich der an sie zurückgeflossenen 12.278,28 DM.
Im Hinblick auf ein Mitverschulden der Klägerin sei jedo ch die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes auf die Hälfte zu reduzieren: Es könne nicht übersehen werden, daß die Klägerin durch sorgfältige Lektüre des ihr übersandten Formulars "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" hätte erkennen können, daß die bisher gehandhabte Praxis sich verändert hatte. Zwar sei es seitens der M.H.F. unredlich gewesen, der Klägerin ohne weitere Erläuterung ein auf den ersten Blick unverändertes Formular zu übersenden. Indes habe doch "eine gewisse Warnfunktion" darin gelegen, ihr jeweils ein neues Formular zu übersenden und dieses für jede Investition von ihr unterschreiben zu lassen. Die Klägerin könne sich daher nicht völlig auf die mangelnde Information durch die M.H.F. und den Beklagten berufen, sondern müsse sich ihren Leichtsinn im Umgang mit derart hohen Summen zurechnen lassen.

II.


Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung st and.
1. Revision des Beklagten

a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht "überdehne" den Inhalt der zwischen der M.H.F. und dem Beklagten geschlossenen Vereinbarung sowohl in bezug auf deren persönliche als auch deren sachliche Reichweite. Weder sei die Vereinbarung ein echter Vertrag zugunsten der Klägerin oder ein solcher mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin, noch liege eine Pflichtverletzung des Beklagten vor. Durchgreifende Rechtsfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revision hierbei jedoch nicht auf.

aa) Die Auslegung der Vereinbarung zwischen der M.H.F. und dem Beklagten über die Abwicklung der Einzahlungen durch den Tatrichter als Vertrag zugunsten der Einzahler/Anleger (§ 328 BGB; vgl. Senatsurteile vom 1. Dezember 1994 - III ZR 93/93 - NJW 1995, 1025 und vom 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02 - WM 2003, 2382, 2383) oder jedenfalls als Vertrag mit Schutzwirkung zu deren Gunsten (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2001 - III ZR 288/00 - WM 2001, 2262, 2266; OLG Hamburg WM 2001, 299, 302; Palandt /Heinrichs BGB 63. Aufl. § 328 Rn. 16 ff, 17a, 34) ist möglich. Der Tatrichter durfte aus dem "Zusammenspiel" zwischen dem Vertrag der M.H.F. mit dem Beklagten und den jeweils neu unterzeichneten "Vereinbarung(en) über die Zahlungsabwicklung" die erforderlichen Anhaltspunkte für den Willen der Vertragsparteien (der M.H.F. und des Beklagten) entnehmen, daß dem Schutzund Sicherheitsbedürfnis eines Dritten Rechnung getragen werden sollte. Ein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denk- oder Erfahrungssätze oder das Außerachtlassen wesentlichen Verfahrensstoffs durch das Berufungsgericht wird von der Revision nicht dargelegt. Sie versucht im Kern lediglich ihre eigene Auslegung - der Beklagte sei in bezug auf die Zahlungsabwicklung lediglich "der weisungsabhängige Erfüllungsgehilfe der M.H.F." gewesen; eine selbständige Aufgabe sei ihm nicht zugekommen - in revisionsrechtlich unzulässiger Weise an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. An der Auslegung des Berufungsgerichts führt schon deshalb nichts vorbei, weil der wesentliche Grund für die Einschaltung des Beklagten (eines Rechtsanwalts) und die Einrichtung eines Treuhandkontos nicht darin lag, die M.H.F. bei der Weiterleitung für Börsenspekulationen bestimmter eingehender oder gegebenenfalls an die Anleger zurückfließender Gelder zu entlasten, sondern darin, den Anlageinteressenten eine "Sicherheit" der Art bereitzustellen, wie sie in
dem Prospekt der M.H.F. ausdrücklich angesprochen wurde. Diese "Sicherheit" war den Anlageinteressenten - auch und gerade, um die Anlagebereitschaft zu fördern - in erster Linie im Blick auf ein etwaiges Fehlverhalten (und eine etwaige anschließende Zahlungsunfähigkeit) des unmittelbaren Vertragspartners der Anleger, also der Vermittlerfirma selbst, zu geben. Schon deshalb verfängt die Argumentation der Revision nicht, die Klägerin sei - was ein maßgebliches Kriterien für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin angeht - überhaupt nicht schutzwürdig gewesen, weil sie gegebenenfalls eigene vertragliche Ansprüche gegen ihre Vertragspartnerin, die M.H.F., habe. Dem Drittschutz , den das Berufungsgericht dem vorliegenden Vertrag zwischen der M.H.F. und dem Beklagten entnimmt, steht in Fällen wie dem vorliegenden auch nicht die (teilweise) Gegenläufigkeit der Interessen des Vertragschließenden (Auftraggebers) und des Dritten entgegen (vgl. Senatsurteil BGHZ 127, 378; BGHZ 129, 136, 168 f; Palandt /Heinrichs aaO Rn. 34).
bb) Ebenfalls um eine rechtsfehlerfreie und damit im Revisionsverfahren bindende tatrichterliche Beurteilung handelt es sich, soweit das Berufungsgericht annimmt, nach dem ursprünglichen Text der von der M.H.F. in den Verkehr gebrachten und auch von den Parteien verwendeten "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" sei der Treuhandauftrag des Beklagten auch darauf gerichtet gewesen, dafür zu sorgen, daß rücklaufende Gelder nicht an die M.H.F., sondern an ihn auf sein Rechtsanwaltsanderkonto, überwiesen würden, und die Klägerin habe aufgrund der unter dem 10. November und 7. Dezember 1995 unterzeichneten Vereinbarungen auf die Einhaltung dieser Verpflichtung - eines wesentlichen Bestandteils des gesamten "Sicherungssystems" - vertrauen dürfen.

Die Revision versucht auch in diesem Zusammenhang vergeblich , ihre eigene Auslegung, der Beklagte habe lediglich "dafür zu sorgen (gehabt), daß die bei ihm eingehenden Gelder ordnungsgemäß weitergeleitet werden", an die Stelle der Auslegung des Tatrichters zu setzen. Sie übergeht hierbei insbesondere , daß der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in ein Sicherungssystem eingebunden worden war, wie es jedenfalls die Anlageinteressenten nach der Eigendarstellung der M.H.F. erwarten durften. Darauf, ob und in welchem Umfang der Beklagte tatsächlich in der Lage war, die von den Anlegern erwartete nötige "Sicherheit" für die von ihnen eingelegten Gelder zu gewährleisten, kommt es nicht entscheidend an. Wenn der Beklagte insoweit eine Sicherungslücke sah, hätte er sich in ein derartiges Sicherungssystem nicht einbinden lassen dürfen.
cc) Folgerichtig hat das Berufungsgericht den Beklagten f ür verpflichtet angesehen, nach der Änderung des für die "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" verwendeten Formulars - die nach dem Vortrag des Beklagten auf seinen eigenen Wunsch erfolgt sein soll, nicht mehr mit von den Brokern zurückfließenden Geldbeträgen befaßt zu werden - die Klägerin, die sich auf dieses "Sicherungssystem" eingestellt hatte, darüber zu informieren, daß die Abwicklung der Rückläufe nicht mehr über das Anderkonto erfolgen werde.
Zu Unrecht meint die Revision, die Klägerin sei über d iese Veränderung informiert worden, nämlich durch den geänderten Text des Formulars "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung". Ein hinreichender - deutlicher - Hinweis darauf, daß damit aus dem gesamten Sicherungssystem ein wesentlicher Bestandteil herausgenommen worden war, ergab sich hieraus nach dem Zusam-
menhang der Feststellungen des Berufungsgerichts für die Klägerin nicht. Zwar fehlte in dem neuen Formular der Passus betreffend die Behandlung der von dem Broker zurückfließenden Gelder. Die Streichung erfolgte aber ohne jede (warnende) Erläuterung. Der als "Ersatz" eingesetzte Passus, wonach die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto keinen Einfluß auf Gewinnchancen und Verlustrisiken derartiger Spekulationsgeschäfte habe, sagte in dieser Richtung überhaupt nichts aus.

b) Hätte der Beklagte die Klägerin über die besagte Veränderung in hinreichender Weise informiert, so hätte, wie das Berufungsgericht in tatrichterlich einwandfreier Würdigung feststellt - wogegen die Revision auch keine begründeten Einwände erhebt -, die Klägerin von der Überweisung des hier in Rede stehenden Betrages von 429.000 DM am 9. Februar 1996 Abstand genommen.
Das Berufungsgericht durfte danach von einem ursächlich au f die Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführenden Schaden der Klägerin in dieser Größenordnung - abzüglich an die Klägerin zurückgeflossener 12.278,28 DM - ausgehen.
Auf der Grundlage des Tatbestandes des Berufungsurteils - wonach die Klägerin die genannten Millionenbeträge über die M.H.F. investierte und verlor -, stellt die Revision auch ohne Erfolg zur Überprüfung, ob der Klägerin überhaupt ein Schaden entstanden sei.
2. Revision der Klägerin

a) Die Revision beanstandet, die Begründung des Berufu ngsgerichts trage nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens gegen die Klägerin. Wenn, wovon revisionsrechtlich auszugehen sei, das neue Formular für die "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" den maßgeblichen Pflichtenumfang des Beklagten nicht geändert habe und der Beklagte weiterhin verpflichtet gewesen sei, auch den Geldrückfluß zu kontrollieren, um nach Möglichkeit zu vermeiden, daß die M.H.F. bzw. die dort Tätigen direkt Zugriff auf das Geld bzw. seinen Rücklauf nehmen konnten, sei begründungsbedürftig, wieso die Klägerin - die auch nach der Ansicht des Berufungsgerichts nicht etwa von einer veränderten Pflichtenstellung ausgegangen sei - einen veränderten Pflichtenumfang hätte annehmen müssen. Eine Obliegenheitsverletzung, die zur Minderung des Anspruchs nach § 254 BGB führe, könne nicht vorliegen, wenn der Geschädigte die an ihn gerichtete Mitteilung nicht anders verstehe, als es ein als Kollegialgericht besetztes Gericht nach Auslegung für richtig halte.

b) Diese Erwägungen treffen nicht den Kern der Begrü ndung des Berufungsgerichts für das von ihm angenommene Mitverschulden der Klägerin.
Während das Berufungsgericht die schadensursächliche Pflicht verletzung des Beklagten darin sieht, daß er die Klägerin nicht darüber informiert hat, daß die Abwicklung der Rückläufe nicht (mehr) über sein Rechtsanwaltsanderkonto erfolgen sollte, lastet es der Klägerin als Mitverschulden an, daß sie mangels sorgfältiger Lektüre des ihr übersandten (neuen) Formulars die Veränderung der bisher gehandhabten Praxis - fahrlässig - nicht erkannt hat.
Letzteres steht nicht in Widerspruch zu der vorausgehenden Würdigung des Berufungsgerichts, wonach sich – der Sache nach - aus der bisherigen
Vertragsgestaltung und der bisher gehandhabten Praxis für die Klägerin eine gewisse "Vertrauensgrundlage" in Richtung auf die Behandlung (auch) zukünftiger Einzahlungen ergeben hatte. Wenn nach dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts eine solche "Vertrauensgrundlage" für die Klägerin (weiter-) bestand , so schließt dies nicht den nach § 254 BGB relevanten Vorwurf an diese aus, sie hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aus der Änderung des Formulars erkennen können, daß die bisherig e Praxis sich verändert hatte. Es handelt sich um unterschiedliche Zurechnungsebenen, vergleichbar etwa der Rechtslage bei Amtshaftungsansprüchen wegen Erteilung einer rechtswidrigen behördlichen Genehmigung: die Eignung einer solchen rechtswidrigen Genehmigung als amtshaftungsrechtlich relevante Vertrauensgrundlage (etwa für Aufwendungen des Begünstigten, die sich dann als fehlgeschlagen erweisen) – und die darauf gründende grundsätzliche Bejahung des haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhangs zwischen der Amtspflichtsverletzung und dem Schaden - läßt die Möglichkeit einer (teilweisen) Risikoüberwälzung auf den Begünstigten nach § 254 BGB unberührt (vgl. nur Senatsurteil BGHZ 134, 268, 296 f).
Die Gewichtung des Mitverschuldens im übrigen ist Sache de s Tatrichters. Rechtsfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf.
Schlick Wurm Streck Dörr Herrmann
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Das Berufungsgericht hat diese Vertragsbestimmung dahingehend ausgelegt , dass "die Klägerin unter den schuldrechtlichen Bindungen der Treuhandschaft Inhaberin der Sicherungsrechte der Lieferanten werden und nicht nur ermächtigt werden sollte, die Lieferantenrechte als fremde Rechte in eigenem Namen geltend zu machen". Die Vertragsauslegung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden , ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden und ob die Auslegung auf einem von der Revision gerügten Verfahrensfehler beruht (z.B. BGH, Urt. v. 26. März 2004 - V ZR 90/03, NJW-RR 2004, 952, 953). Die Revision des Beklagten erhebt insoweit keine Einwände.

(1) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.

(2) Sein Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, kann nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden.

(3) Jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
III ZR 344/02
Verkündet am:
30. Oktober 2003
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Verpflichtung des in das "Sicherheitssystem" eines Anlagemodells eingeschalteten
Mittelverwendungstreuhänders, den Anlegern für ihre Einlagen
einzustehen, wenn er Transaktionen zuläßt, durch die die gesamte vereinbarte
Anlagestrategie verändert wird.
BGH, Urteil vom 30. Oktober 2003 - III ZR 344/02 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Oktober 2003 durch die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick, Dörr und
Galke

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - vom 2. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Kläger beteiligten sich zwischen dem 21. Dezember 1989 und dem 28. September 1990 an einem von der N. GmbH (im folgenden: N. GmbH) initiierten und vertriebenen Kapitalanlagemodell. Diesem lag nach dem von der N. GmbH herausgegebenen Prospekt folgendes Konzept zugrunde:
Die Anleger sollten Gesellschafter von - für jeden Kalendermonat neu gegründeten und nach Ablauf von 60 Monaten endenden - Gesellschaften bürgerlichen Rechts (im folgenden: Anlegergesellschaften) werden, deren Gegen-
stand die gemeinsame Geldanlage in Termindirekt- und Terminoptionsgeschäf- ten, namentlich in Devisen, Wertpapieren und Waren war. Mit der Geschäftsführung und mit der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens wurde jeweils die N. GmbH beauftragt, die ihrerseits für die anlagemäßige Verwaltung des Gesellschaftsvermögens einen oder mehrere "Vermögensverwalter" auszuwählen hatte. Zur Begrenzung des Anlagerisikos war die Vermögensverwaltung verpflichtet, pro Abrechnungszeitraum eine Barreserve von - je nach vereinbarter "Risikogruppe" - 80 % bzw. 60 % des jeweiligen Gesellschaftsvermögens auf dem Broker-Konto zurückzuhalten, wobei die Barreserve in festverzinslichen Wertpapieren angelegt werden konnte. 20 % bzw. 40 % des jeweiligen Gesellschaftsvermögens sollten pro Abrechnungszeitraum (spekulativ) "angelegt" werden.
Zu dem im Prospekt angebotenen "Sicherheitssystem" gehörte die Einschaltung eines Mittelverwendungs-Treuhänders, als der - auf der Grundlage eines von den Anlegergesellschaften mit dem Treuhänder abzuschließenden entgeltlichen Treuhandvertrags - der Beklagte fungierte. Auf ein von ihm anzulegendes Anderkonto waren die Zeichnungsgelder einzuzahlen. Von der eingegangenen Einzahlung hatte der Treuhänder ein von den Gesellschaftern in der Beitragserklärung übernommenes Agio (7 %) zur Deckung der Vertriebskosten an die Geschäftsführung der Anlegergesellschaften auszubezahlen. Die verbleibenden Zeichnungsgelder hatte er auf ein ihn als Inhaber ausweisendes Konto bei einem Broker-Haus weiterzuleiten. Im übrigen hatte der Treuhänder nach Weisungen der Geschäftsführung der Gesellschaft Verfügungen über das Gesellschaftskapital vorzunehmen, "sofern diese im Einklang mit dem Gesellschaftsvertrag und diesem Treuhandvertrag" standen (§ 1 Ziffer 3 des Treuhandvertrags ).

Der Beklagte, der zu Beginn seiner Tätigkeit die eingehenden Beträge (abzüglich des Agios) an ein Broker-Haus weitergeleitet hatte, nahm ab Anfang 1990 auf Weisung der Geschäftsführung der N. GmbH umfangreiche anderweitige Überweisungen vor: Am 16. Januar 1990 und kurz darauf überwies er je 10 Mio. DM auf das Konto eines Rechtsanwalts, der mit diesem Geld Wertpapiere erwerben sollte. 5,53 Mio. DM leitete er an einen Herrn G. , Geschäftsführer einer Aktiengesellschaft, weiter. Am 4. Mai 1990 überwies er ca. 1,7 Mio. DM an die Firma N. Y. G. and O. C. (NGO). Die N. GmbH verbuchte seit Anfang 1990 hohe Verluste. Sie zahlte an die Anleger vorgetäuschte Gewinne aus, die sie unter anderem aus neuen Kapitalanlagebeträgen finanzierte. Die Anlagebeträge sind nicht zurückgezahlt worden. Die N. GmbH geriet in Vermögensverfall.
Die Kläger nehmen den Beklagten auf Rückzahlung der von ihnen geleisteten Einlagen (Kläger zu 1: 11.770 DM = 6.017,91 2: 20.330 DM = 10.394,56 3: 5.350 DM = 2.735,41 4: 5.350 DM = ! %$ & '%( ) *,+ .-/+ 1 '%(/ 2( + 3 + 4+ !5# 2.735,41 #" 0 0 esen , das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Rückzahlung verurteilt. Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist unbegründet.
Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Herausgabe der von ihnen eingezahlten Beträge gemäß §§ 675, 667 BGB bejaht.
1. Das Berufungsgericht leitet die Aktivlegitimation der Kläger für einen Herausgabeanspruch nach § 667 BGB daraus her, daß durch die Überweisung der von den Klägern zur Verfügung gestellten Beträge auf das in den Anträgen auf Annahme der Beteiligung angegebene Anderkonto des Treuhänders unmittelbar zwischen den Klägern und dem Beklagten ein Geschäftsbesorgungsvertrag "entsprechend den Treuhandverträgen zwischen den jeweiligen... (Anlegergesellschaften) und dem Beklagten" zustande gekommen sei. Daß sich "entgegen der Überschrift dieses Vertrages" die Verpflichtung des Beklagten aus einem Auftrag "der Gesellschafter" ergäbe, sei aus den Regelungen dieses Vertrages zu entnehmen. So werde die Aufgabe des Beklagten dahingehend umschrieben, daß er die von den Gesellschaftern gezeichneten Einlagen entgegenzunehmen und zu diesem Zweck ein Treuhandeinzahlungskonto und ein Treuhandauszahlungskonto einzurichten habe, über welche er unter Ausschluß der Geschäftsführung allein verfügungsberechtigt sei. In § 3 werde seine Haftung gegenüber "den Gesellschaftern" geregelt. Diese seien ausdrücklich in § 3 Nr. 3 ("in einem etwaigen Haftungsfall sind die Ansprüche der Gesellschafter auf die Leistungen beschränkt, die der Treuhänder aufgrund der Inanspruchnahme seiner Haftpflichtversicherung erhält") erwähnt.
Außerdem, so führt das Berufungsgericht weiter aus, ergebe sich die Aktivlegitimation der Kläger aus der in der Berufungsinstanz vorgelegten Abtretungserklärung des Liquidators der N. GmbH als Geschäftführerin der Anlegergesellschaften.

Diese Ausführungen werden von der Revision des Beklagten vergeblich angegriffen. Schon die Annahme einer persönlichen Anspruchsberechtigung der Kläger, was den Anspruch auf Herausgabe ihrer Einlagen für die Kapitalanlage durch den Beklagten angeht, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die - im Revisionsverfahren nur auf Rechtsfehler überprüfbare - Auslegung des Berufungsgerichts ist möglich (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 1994 - III ZR 93/93 - NJW 1995, 1025). Ein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln , Denk- oder Erfahrungssätze oder das Außerachtlassen wesentlichen Verfahrensstoffs durch das Berufungsgericht wird von der Revision nicht dargelegt. Sie versucht lediglich, ihre eigene Auslegung - die mit dem Beklagten geschlossenen Treuhandverträge beträfen ausschließlich die Gesellschafter der Anlegergesellschaften in ihrer gesamthänderischen Bindung - in revisionsrechtlich unzulässiger Weise an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.

b) Im übrigen wäre selbst dann, wenn der Standpunkt der Revision richtig wäre, Treuhandverträge seien jeweils allein zwischen dem Beklagten und den Anlegergesellschaften zustande gekommen, davon auszugehen, daß diese Treuhandverträge jedenfalls eine "Drittwirkung" zugunsten der einzelnen Anleger haben sollten, und zwar im Sinne echter Verträge zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB; vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 1994 aaO). Es spricht nach dem Schutzzweck der zu dem vorliegenden Anlagemodell gehörenden Treuhandverträge (Sicherung des Einlagekapitals) alles dafür, daß auch und gerade der etwaige (primäre) Anspruch der einzelnen Anleger auf Herausgabe ihrer Einlagen im Falle nicht vertragsgerechter Verwendung durch den Treu-
händer dem jeweils betroffenen einzelnen Gesellschafter der Anlegergesellschaften (dem Anleger) zustehen soll.
Auf die Abtretungsvereinbarung vom 28./31. März 2002 zwischen dem Liquidator der N. GmbH und den Klägern kommt es nicht mehr an.
2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch die weiteren Voraussetzungen für die Herausgabeansprüche der Kläger hinsichtlich ihrer (verlorenen) Einlagen gegen den Beklagten bejaht.

a) Der Beklagte hatte die in Rede stehenden Einlagebeträge im Sinne des § 667 BGB zur Ausführung des Auftrags erhalten. Von der Verpflichtung, das eingezahlte Geld wieder zurückzuzahlen, wäre der Beklagte nur frei geworden , wenn er dargelegt und bewiesen hätte, sie auftragsgemäß weitergeleitet zu haben (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 1996 - III ZR 205/95 - NJW 1997, 47 und vom 4. Oktober 2001 - III ZR 290/00 - BGHR Report 2002, 71 = EWiR 2002, 807 m. Anm. Klanten).

b) Diesen Beweis hat der Beklagte nicht geführt. Das Berufungsgericht hat "im Gegenteil" festgestellt, daß der Beklagte laufend gegen die Verpflichtung zur Erhaltung eines Rückbehalts von 80 % bzw. 60 % des jeweiligen Gesellschaftsvermögens der Anlegergesellschaften (vgl. § 8 des Gesellschaftsvertrag -Musters) als Barreserve verstoßen habe. Auch habe er durch die erheblichen Überweisungen ab Anfang 1990 an andere als an Broker-Häuser gegen seine Pflichten aus dem Treuhandvertrag verstoßen und die Mittel daher nicht auftragsgemäß verwendet. Er könne sich nicht darauf berufen, diese Abweichungen seien von den Regelungen in den Treuhand- bzw. Gesellschafts-
verträgen durch die Klausel gedeckt, wonach "Hilfsgeschäfte" der Gesellschaft erlaubt waren (vgl. § 2 Nr. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrag-Musters; § 4 Ziffer 2 Satz 2 des Musters betreffend den "Verwaltungs- und Geschäftsführungsvertrag" ). Das Wort "Hilfsgeschäft" habe es von vornherein verboten, die gesamte Anlagestrategie ohne Zustimmung der Gesellschafter der Anlagegesellschaften zu ändern. Eine solche Änderung der vertraglich vereinbarten Anlagestrategie habe jedoch den ab 1990 von dem Beklagten getätigten Überweisungen an verschiedene Empfänger zugrunde gelegen, bei denen es sich nicht um Broker-Häuser gehandelt habe und bei denen auch nicht gewährleistet gewesen sei, daß 80 % bzw. 60 % des Gesellschaftsvermögens als Barreserve, z.B. auch in Schatzbriefen, gehalten wurden. Diese Verhaltensweisen des Beklagten , so das Berufungsgericht weiter, seien auch nicht dadurch gerechtfertigt , daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gegenüber dem Beklagten den Standpunkt vertreten hatte, in der Art und Weise der Ausgestaltung seiner Treuhändertätigkeit lägen unerlaubte Bankgeschäfte. Zusammenfassend gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, der Beklagte habe seinen Verpflichtungen als Mittelverwendungstreuhänder dadurch zuwider gehandelt , daß er den Weisungen der Geschäftsführung unter eindeutiger Mißachtung der Verpflichtung gefolgt sei, Verfügungen über das Gesellschaftskapital nur dann vorzunehmen, wenn diese "im Einklang mit dem Gesellschaftsvertrag und diesem Treuhandvertrag" standen (§ 1 Ziffer 3 des Treuhandvertrages

).


Diese - überwiegend im tatrichterlichen Bereich liegende - Würdigung des Berufungsgerichts greift die Revision ohne Erfolg an.
aa) Zu Unrecht meint sie, eine auftragsgemäße Verwendung der ange- legten Gelder sei schon deshalb anzunehmen, weil der Beklagte die Gelder stets nur auf Weisungen der Vermögensverwaltung ausgezahlt habe. Das Berufungsgericht hat diesen Gesichtspunkt nicht übersehen, sondern - rechtsfehlerfrei - die Pflichten des Beklagten aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen weiter gezogen. Im Treuhandvertrag war bestimmt, daß die Gelder grundsätzlich auf ein Konto bei einem Broker-Haus weitergeleitet werden sollten. Dieses Konto sollte ausweislich des Anlageprospekts ebenfalls vom Beklagten als Treuhänder gehalten werden. Daraus ergab sich in dem vom Berufungsgericht erörterten Rahmen auch eine Kontrollpflicht des Beklagten gegenüber den Weisungen der Vermögensverwaltung. Zwar oblag die konkrete Anlageentscheidung der Vermögensverwaltung. Der Beklagte hatte indessen nach Maßgabe des angebotenen "Sicherheitssystems" die Einhaltung der Regeln zur Sicherung der Anleger zu überwachen.
bb) Zu dem von dem Beklagten mit zu beachtenden "Sicherheitssystem" gehörte insbesondere auch die (grundsätzliche) Weiterleitung der Anlagegelder auf ein Broker-Konto. Zwar sollten dann die entsprechenden Anlagegeschäfte auf Weisung der Vermögensverwaltung erst getätigt werden. Der Treuhänder wurde hierdurch aber in die Lage versetzt, die dem Treuhandvertrag entsprechende Mittelverwendung zu überprüfen. Dazu gehörte auch die Prüfung , ob die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Barreserve in Höhe von 80 bzw. 60 % der eingezahlten Beträge tatsächlich von der Vermögensverwaltung eingerichtet wurde. Als Inhaber des Broker-Kontos bekam er die Kontoauszüge , die er entsprechend kontrollieren konnte. Dies alles diente selbstredend auch dem Schutz der Anleger, worauf im Werbeprospekt auch ausdrücklich hingewiesen worden war.

cc) Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts auch, soweit es die Verfügungen des Beklagten über Einlegebeträge, ohne diese auf ein Broker-Konto einzuzahlen, nicht als "Hilfsgeschäfte" anerkannt hat. Nach § 2 Nr. 1 der Gesellschaftsverträge der Anlegergesellschaften sollte Gegenstand der Gesellschaft die Geldanlage in Termindirekt- und Terminoptionsgeschäften , namentlich Devisen, Wertpapieren und Waren sein. In diesem Zusammenhang ist geregelt, daß der Gesellschaft auch Hilfsgeschäfte, insbesondere der Kauf und Verkauf von Wertpapieren erlaubt seien. Damit sind lediglich die Arten der Anlagen erweitert worden, die die Vermögensverwaltung vornehmen kann. Nicht hiervon erfaßt sind Transaktionen, durch die das gesamte "Sicherheitssystem" zugunsten der Anleger beseitigt wird. In diese Richtung ging aber die ab Anfang 1990 getätigte umfangreiche Auszahlung von Anlagegeldern an Dritte, die - soweit die Überweisungen nicht noch anderen Zwecken außerhalb des Gegenstandes der Anlagegesellschaften dienten - ihrerseits (gegebenenfalls auf Weisung der Vermögensverwaltung) Wertpapiergeschäfte tätigen sollten. Es liegt auf der Hand, daß hierdurch der Treuhänder jegliche (weitere) Kontrolle über die Mittelverwendung verlor. Wenn das Berufungsgericht diese Vorgänge dahin gewürdigt hat, die Vermögensverwaltung habe hiermit ohne Zustimmung der Gesellschafter der Anlegergesellschaften die gesamte "Anlagestrategie" geändert, so ist dies aus Rechtsgründen ebensowenig zu beanstanden wie der Schluß des Berufungsgerichts, daß der Beklagte als Treuhänder der Anleger dies nicht hätte zulassen dürfen.
dd) Der Revision kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie meint, von einer pflichtwidrigen Verwendung der Anlagegelder der Kläger könne jedenfalls bezüglich der an die N. GmbH ausgekehrten Agio-Beträge keine Rede
sein. Abgesehen davon, daß es an einem auf die betreffenden konkreten Zahlungen im maßgeblichen Zeitraum gerichteten Vortrag des Beklagten in den Tatsacheninstanzen fehlt (vgl. § 559 Abs. 1 ZPO), war angesichts der Art und des Umfangs der Pflichtwidrigkeit der Verfügungen über die Anlagegelder jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum auch die Abzweigung einer Vergütung an die für die pflichtwidrigen Verfügungen zu Lasten der Anleger verantwortliche N. GmbH pflichtwidrig und nicht geeignet, den Beklagten (teilweise) von der Pflicht zur Herausgabe der Anlagegelder zu befreien.
3. Das angefochtene Urteil ist auch nicht zu beanstanden, soweit es die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung als nicht durchgreifend erachtet hat.

a) Der Beklagte hat die Verjährungseinrede darauf gestützt, daß gemäß § 3 Ziffer 4 des Treuhandvertrages zwischen den Anlegergesellschaften und dem Beklagten "Haftungsansprüche" gegen den Mittelverwendungs-Treuhänder zwei Jahre nach Entstehen des Anspruchs verjähren sollen. Das Berufungsgericht hat diese Regelung für die streitgegenständlichen Herausgabeansprüche als nicht einschlägig angesehen. Die Bestimmungen des § 3 des Treuhandvertrages bezögen sich nach ihrem Wortlaut nur auf die Haftung wegen schuldhafter Pflichtverletzungen des Treuhänders. Es handele sich hierbei um die Regelung von Schadensersatzansprüchen. Nicht geregelt seien die vom Verschulden unabhängigen - einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegenden - Herausgabeansprüche nach § 667 BGB.
Diese tatrichterliche Auslegung ist aus Rechtsgründen jedenfalls deshalb nicht zu beanstanden, weil es sich bei dem formularmäßigen Treuhand-
vertragsmuster - im Verhältnis der Parteien - um vom Treuhänder den Anlegern gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen handelte, deren Verwender gemäß § 5 AGBG (jetzt: § 305 Abs. 2 BGB) das Risiko einer unklaren Abfassung derselben zu tragen hat. Schon deshalb durfte das Berufungsgericht entscheidend auf den Wortlaut ("Haftungsansprüche") der Bestimmungen abstellen, ohne diese nach ihrem Sinn und Zweck näher zu hinterfragen.

b) Soweit die Revision in diesem Zusammenhang anführt, den Klägern stehe ein verschuldensunabhängiger Herausgabeanspruch aus § 667 BGB nicht zu, ergibt sich aus dem oben Angeführten das Gegenteil. Zu Unrecht meint die Revision, die im obigen Zusammenhang erörterten Pflichtverstöße könnten nur Grundlage eines Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten sein. Diese Pflichtverstöße sind vom Berufungsgericht angeführt worden, um - im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes des § 667 BGB - den Einwand des Beklagten zu widerlegen, er habe die Einlagebeträge der Kläger ordnungsgemäß weitergeleitet. Das ändert nichts daran, daß im vorliegenden Zusammenhang § 667 BGB die maßgebliche Anspruchsgrundlage darstellt.
Wurm Streck Schlick Dörr Galke